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Die Entstehung des Evangeliums

 
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Raphael
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Anmeldungsdatum: 01.02.2004
Beiträge: 8362

Beitrag(#138579) Verfasst am: 14.06.2004, 22:38    Titel: Die Entstehung des Evangeliums Antworten mit Zitat

Johannes hatte sich aufgemacht, um das Sterben mit anzuschauen, und da hockte er nun auf dem Gipfel des Bergs, auf der Erde, und starrte hinauf zu den drei Kreuzen. Den ganzen Tag war er da gesessen und hatte gesehen und gehört. Manche hatten ihn erkannt und ihn angesprochen, er aber hatte nicht geantwortet. Er hatte geschwiegen, alle die Stunden hindurch.

Jetzt also war es Nacht, und da die Wetten, wer als Erster und wer als Letzter sterben würde, entschieden waren, verliefen sich die Meisten von den Zuschauern. Die Fackeln schwelten, der Mond war hinunter.

Johannes verspürte gleichzeitig Lust und zerreißendes Mitleid. Es wurde kalt. Johannes fröstelte, aber er hüllte sich tiefer in seinen Mantel, kauerte sich enger zusammen und blieb. Er spürte, dass er sich dadurch näher als jemals vorher heran nahte an die Lösung seiner großen, quälenden Frage: Woher kommt das Leid und das Böse, und wozu ist es in der Welt? Wenn er die Offenbarung, die ihm geworden ist, die Heilsbotschaft, die ihm vorschwebt, treulich aufzeichnen will, dann muss er beim Sterben dieses Mannes dabei gewesen sein.

Wie der Einzelne das Böse ausgekostet haben muss, um in Wahrheit gut sein zu können, so muss auch die Menschheit das Reich des Bösen ausschreiten, ehe das Reich des Guten herauf kommen kann.

Es ging dem Johannes die Bedeutung auf jener dunkeln und Furcht erregenden Botschaft der jüdischen Doktoren: Du sollst Gott dienen auch mit dem bösen Trieb. Er erkannte, wie auch der böse Trieb nur dazu da ist, die Vernunft, das Gute zu fördern.

Ohne Finsternis gäbe es nicht den Begriff des Lichtes. Wenn das Licht zum Begriff seiner selbst kommen soll, muss es von seiner Antithese wissen, von der Finsternis.

Es formte sich dem Johannes der Sinn der Heilsbotschaft, die zu verkünden er berufen war, und er fand die Sätze ihres Beginnes: Im Anfang war das Wort, die Vernunft. Alle Dinge sind durch sie gemacht, und ohne sie ist nichts gemacht, was gemacht ist. In ihr ist das Leben, und das Leben ist das Licht des Menschen, und das Licht scheint in die Finsternis, aber die Finsternis hat's nicht begriffen.
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shiningthrough
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Anmeldungsdatum: 08.11.2003
Beiträge: 1099

Beitrag(#138754) Verfasst am: 15.06.2004, 13:36    Titel: alte Schlange Antworten mit Zitat

Zitat:
Wie der Einzelne das Böse ausgekostet haben muss, um in Wahrheit gut sein zu können, so muss auch die Menschheit das Reich des Bösen ausschreiten, ehe das Reich des Guten herauf kommen kann.


Das ist die - oder vielleicht eine von mehreren - sog. esoterische Deutung des Christentums. Ich habe es zwar nie nachgezählt, aber die Zahlenwerte der hebräischen Wörter für Messias und Schlange (= Satan) sollen identisch sein.
Symbolisch haben wir die sich vom Erkenntnisbaum herabwindende Schlange. Bei Moses wird sie symbolisch aufgerichtet um endlich durch Jesu Tod auch real aufgerichtet zu werden. Eine Abwärtsbewegung (Sturz in die Materie, die Polarität) und eine Aufwärtsbewegung.

Im Buddhismus hat die Schlange (skrt. naga) auch eine Doppelrolle: Einerseits symbolisiert sie als eine der Antriebskräfte für den Daseinskreislauf neben Gier und Unwissenheit den Haß und andererseits steht sie für verborgenes Wissen als "Wassergeist". So gibt es z.B. Buddhabilder, welche Buddha umringt und beschützt von Kobras darstellen.

Das ist m.E. auch sehr elegant, weil wir damit die unsinnige Mär von gefallenen Engel los sind (Engel - bei uns könnte man sie Boddhisattvas nennen - haben einen reinen Geist, der nicht verschmutzen kann - woher sollte der Schmutz kommen?).

Vielleicht auch so: Genese der falschen Vorstellung vom Ich und Auflösung dieser falschen Vorstellung.

Befreiung besteht in der letztlichen Erkenntnis, dass es Gut und Böse letztlich nicht gibt und nie gegeben hat, sondern Denkfallen aus falscher Wahrnehmung (dualistisch, weil den Phänomenen eine unabhängige Existenz zubilligend) eines unreinen Bewußtseins sind.

Buddhistisch geht das alles auch nicht in einem solchen linearen Akt, sondern u.U. in mehreren Runden im Daseinskreislauf, da es zu keiner automatischen Totalabarbeitung aller Negativitäten kommt sondern diese auch immer "von Neuem" durch Wiederholung vollzogen werden. Erst die Erkenntnis setzt den Startpunkt für den Weg heraus aus dem "kosmischen Hamsterrad". Wenn man den Sündenfall als solchen sehen will, würde es ja sogar passen. Ironischerweise wäre der Sündenfall
dann der Fall der Sünde, die am Ende auf der Strecke bleibt und damit konträr zum traditionellen biblischen Bild. Nicht uninteressant (hat man aber in der Esoterik oft, dass über das Gegenbild exoterischer Aussagen gedeutet wird).

Hinzufügen möchte ich, dass alle großen Religionen esoterische Strömungen aufweisen, deren Aussagen oft gegensätzlich und ganzheitlich gegenüber den exoterischen Formalismen sind. Mitunter wandern partielle Inhalte aus der Esoterik in die Exoterik - wie z.B. im Katholizismus wo z.B. noch der Toten gedacht wird und damit eine ganz leichte Ähnlichkeit zu buddh. tibetischen Zeremonien besteht. (Wenn ich hier zur Abwechslung mal was Positives über den Katholizismus schreibe, so ändert dies gar nichts an meine Abneigung gegnüber dem menschenverachtenden Dogmatismus des K. - dieser steht ja auch ausnahmslos auf der exoterischen Seite.)

Soweit mal kurz spekuliert.
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Raphael
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Anmeldungsdatum: 01.02.2004
Beiträge: 8362

Beitrag(#144217) Verfasst am: 01.07.2004, 23:00    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe ziemlich lange gewartet, aber niemand hat den Ball aufgenommen, wahrscheinlich weil alle den Text missverstanden haben, da sie ihn nicht kennen.

Die Geschichte ist folgende: In den 80er Jahren des 1. Jh.s erlebt ein Jude namens Johannes, Schauspieler von Beruf, in Syrien den Aufstieg eines Mannes, der von sich behauptet, Nero zu sein, der sich nach seinem Sturz in den Osten geflüchtet und dort verborgen habe. Der Mann ist ein von dem früheren Senator Varro engagierter Schwindler, der Nero lediglich ähnlich sieht, ein gewisser Terenz. Johannes wird bald zum Gegner dieses Pseudo-Kaisers, der immer mehr Anhänger gewinnt und in Teilen Syriens und im angrenzenden Mesopotamien ein korruptes und brutales Regime errichtet. Johannes hält Dichterlesungen, in denen er antineronische Literatur rezitiert. Schließlich stürzt Terenz und wird mit seinen beiden engsten Vertrauten, Trebon und Knops, hingerichtet, während Varro zu den Parthern entkommt.

Johannes ist Zuschauer der Hinrichtung, und während er sie miterlebt, formen sich ihm endlich die Worte des Romans, den er schreiben will über den Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen. So erweist sich denn des Evangelium als die Bellestristik eines Mannes, der einfach nur eine Geschichte erfunden hat, um mit ihr sein dualistisches Weltbild zu beschreiben und zu erklären, als ein Roman, der in Wirklichkeit nie stattgefunden hat, verfasst von einem Mann, der nicht Jesu Lieblingsjünger, sondern Jesu Schöpfer war.

Ich finde diese Geschichte ganz interessant - sollte sie der Wahrheit nahe kommen?
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shiningthrough
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Anmeldungsdatum: 08.11.2003
Beiträge: 1099

Beitrag(#146590) Verfasst am: 06.07.2004, 23:01    Titel: Dualismus Antworten mit Zitat

Zitat:
Ich finde diese Geschichte ganz interessant - sollte sie der Wahrheit nahe kommen?


Woher stammt diese Geschichte? Der Licht-Finsternis-Dualismus ist m.W. persischen Ursprungs (Zoroaster) und könnte hier ein wenig Pate gestanden haben.
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Raphael
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Anmeldungsdatum: 01.02.2004
Beiträge: 8362

Beitrag(#146607) Verfasst am: 06.07.2004, 23:26    Titel: Antworten mit Zitat

So endet der Roman "Der falsche Nero" von Lion Feuchtwanger.
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shiningthrough
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Anmeldungsdatum: 08.11.2003
Beiträge: 1099

Beitrag(#146713) Verfasst am: 07.07.2004, 11:59    Titel: Antworten mit Zitat

Ist mir bislang unbekannt gewesen. Danke!
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