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Dialektischer Materialismus, eine Neubetrachtung
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Beitrag(#179754) Verfasst am: 16.09.2004, 13:13    Titel: Dialektischer Materialismus, eine Neubetrachtung Antworten mit Zitat

Ein kurzer Ausflug zu Marx und Engels

Es gibt im wesentlichen (lt. Marx - daß das so nicht stimmt, werde ich später zeigen) zwei Wirtschaftskreisläufe.

Zur Erklärung vorab:

W bedeutet "Ware".
G bedeutet "Geld".

W - G - W ist der Wirtschaftskreislauf des Werktätigen. Der Werktätige verkauft die Ware "Arbeitskraft" für Geld (und schafft damit einen Mehrwert), mit dem er wieder er wieder Waren beschaffen kann.

Der Wirtschaftskreislauf des Unternehmers (egal welcher Art) sieht anders aus: G - W - G.

Der Unternehmer hat Geld, kauft damit Waren, veredelt diese durch den Mehrwert (den er oder seine Werktätigen schaffen durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft) und erhält daraus wieder Geld, das er und seine Werktätigen sich teilen (sollten - da sie ja alle an der Erzeugung des Mehrwertes beteiligt sind).

Der dritte, parasitäre Wirtschaftskreislauf

In kapitalistischen Systemen kommt jedoch ein dritter Wirtschaftskreislauf dazu, nämlich:

G - G

Ein Aktionär oder Geldgeber investiert einen bestimmten Betrag an Geld und erhält dafür, ohne selbst weiteren Mehrwert zu schaffen, eine größere Menge an Geld zurück.

Daraus erwachsen aber zwei weitere Fragen:

Woher kommt aber die Differenz zwischen dem eingesetzten Geld und dem zurückerhaltenen Geld?

Antwort: Aus dem Mehrwert, den die Werktätigen schaffen. Diese erhalten einen Teil (!) des Mehrwertes bezahlt, der Rest fließt an den Geldgeber, der keinerlei Leistung erbracht hat.

Woher hat der Aktionär oder Geldgeber den ursprünglich eingesetzten Geldbetrag?

Entweder (im optimistischen Fall) aus früher EINMALIG (!) erbrachter Schaffung von Mehrwert (Arbeit) ODER aber (pessimistischer Fall) durch aus Erbschaft OHNE die Schaffung von Mehrwert.

Ein Vergleich aus der Biologie

Bandwürmer haben zwei Möglichkeiten, in den Darm des Menschen zu gelangen. Entweder (optimistischer Fall) der Bandwurm wird durch Nahrung aufgenommen (muß also so zumindest den einmaligen Mehrwert darstellen, daß er zumindest zum Volumen der Nahrung beigetragen hat), oder aber (pessimistischer Fall) er wurde bereits im Darm des Menschen durch die Fortpflanzung eines dort bereits vorhandenen Bandwurms geboren.

Der Bandwurm lebt davon, daß der menschliche Körper durch Nahrungsbeschaffung und Verdauung Mehrwert schafft.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
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Beitrag(#179762) Verfasst am: 16.09.2004, 13:34    Titel: Antworten mit Zitat

Dein Text läuft auf eine Ablehnung des Zinssystems (oder überhaupt des Privilegiensystems) hinaus, nicht wahr?

Ich finde solche Gedanken sehr interessant.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Nav
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Beitrag(#179769) Verfasst am: 16.09.2004, 13:44    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Dein Text läuft auf eine Ablehnung des Zinssystems (oder überhaupt des Privilegiensystems) hinaus, nicht wahr?

Ich finde solche Gedanken sehr interessant.


Richtig. Aber es soll auch eine Art Plädoyer für die Umverteilung von Reich zu Arm darstellen, da dieser Text auch erklärt, warum die westlichen Industriegesellschaften wohl derzeit an den Grenzen ihres Wachstums angekommen sind:

Nur durch die Schaffung von Mehrwert kann der Reichtum aller Menschen vergrößert werden. Bereichert sich jedoch jemand ohne Rechtfertigung (also ohne selbst tatsächlichen Mehrwert zu schaffen), dann ist das nicht nur "ungerecht", sondern bringt das gesamte System zum Kippen.

Zinswirtschaft halte ich auf jeden Fall für eins der schlimmsten Dinge, die es überhaupt gibt.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44650

Beitrag(#179770) Verfasst am: 16.09.2004, 13:45    Titel: Antworten mit Zitat

Das kann ich unterschreiben.
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Beitrag(#179773) Verfasst am: 16.09.2004, 13:52    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Das kann ich unterschreiben.


Der tatsächliche Wert einer Ware ergibt sich aus dem Einsatz an Ressourcen PLUS der zur Herstellung und Veredelung eingesetzten Arbeitskraft (= Mehrwert).

Daraus ergibt sich jedoch bereits eine Grundforderungen:


  • Die Ressourcen (z.B. Rohstoffe, aber auch landwirtschaftliche Erzeugnisse) müssen in der Hand ALLER Menschen sein, da es auch die Menschen sind, die da ihren Mehrwert dazugeben, um hochwertige Güter zu produzieren


Noch interessanter wird das aber, wenn man sich die Produktivitätszuwächse durch Technologie vor Augen führt. Dann nämlich passiert folgendes:

Die Bezahlung der Arbeitskraft (also das erste W in "W - G - W") ist jener Teil des vom Werktätigen geschaffenen Mehrwertes, von dem er selbst profitiert (er erhält Geld dafür).

Kann ein Werktätiger jedoch durch Technologie mehr Mehrwert erzeugen (also mehr Waren herstellen), erhält er jedoch nicht mehr Geld dafür, dann sinkt effektiv seine prozentuale Beteiligung an dem von ihm geschaffenen Mehrwert.

Gleichzeitig aber kann die Nachfrage nicht beliebig steigern, durch die Produktivitätszuwächse wird (infolge höherer Arbeitslosigkeit) die Nachfrage letztendlich sogar sinken, da der Werktätige ohne den Verkauf seiner Ware (Arbeitskraft) kein Geld erhalten wird, das er wiederum für den Kauf von durch Mehrwert veredelten Gütern benötigen würde.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
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Beitrag(#179782) Verfasst am: 16.09.2004, 14:01    Titel: Antworten mit Zitat

Ja. Daraus müssen nun Schlussfolgerungen gezogen werden. Wir sollten uns mal nähere Gedanken hierzu machen.

Du wirst in den nächsten Tagen noch von mir hören.
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Critic
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Beitrag(#180145) Verfasst am: 17.09.2004, 00:36    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn ich den dritten ("parasitären") Kreislauf so betrachte, würde ich behaupten, daß der nicht "parasitär" sein muß. Er hat Geld als Voraussetzung, das muß irgendwoher kommen. Angenommen, ein Arbeiter investiert nicht in Ware, sondern in Aktien. Dann hat er das eingesetzte Geld immer noch verdient. Derjenige, der das Geld kriegt, hat damit theoretisch die Mittel zur Verfügung, wieder in den Wirtschaftskreislauf zu investieren, um damit das Schaffen von Mehrwert erst zu ermöglichen. Banken machen das mit dem Geld ihrer Kunden, das ist korrekt. Sie arbeiten mit Geld und dafür, daß das Geld nicht dauernd verfügbar ist - und zwar um so mehr, je mehr Geld er angelegt hat -, erhält der Kunde noch Zinsen. Ohne wären die Kunden nicht bereit, ihr Geld der Bank zur Verfügung zu stellen. Ein Wirtschaftssystem muß incentives bieten, will es nicht zusammenbrechen. Ein System ohne incentives ermöglicht zumindest nicht die Förderung von Risiken.
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Dann bin ich halt bekloppt. Mit den Augen rollen

"Wahrheit läßt sich nicht zeigen, nur erfinden." (Max Frisch)
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Beitrag(#180153) Verfasst am: 17.09.2004, 01:07    Titel: Antworten mit Zitat

Critic hat folgendes geschrieben:
Wenn ich den dritten ("parasitären") Kreislauf so betrachte, würde ich behaupten, daß der nicht "parasitär" sein muß. Er hat Geld als Voraussetzung, das muß irgendwoher kommen. Angenommen, ein Arbeiter investiert nicht in Ware, sondern in Aktien. Dann hat er das eingesetzte Geld immer noch verdient. Derjenige, der das Geld kriegt, hat damit theoretisch die Mittel zur Verfügung, wieder in den Wirtschaftskreislauf zu investieren, um damit das Schaffen von Mehrwert erst zu ermöglichen. Banken machen das mit dem Geld ihrer Kunden, das ist korrekt. Sie arbeiten mit Geld und dafür, daß das Geld nicht dauernd verfügbar ist - und zwar um so mehr, je mehr Geld er angelegt hat -, erhält der Kunde noch Zinsen. Ohne wären die Kunden nicht bereit, ihr Geld der Bank zur Verfügung zu stellen. Ein Wirtschaftssystem muß incentives bieten, will es nicht zusammenbrechen. Ein System ohne incentives ermöglicht zumindest nicht die Förderung von Risiken.


Du verwechselst Ursache und Wirkung. zwinkern

Diese "incentives" von denen Du sprichst, das sind bereits Auswüchse. Da hapert auch Dein erstes Argument:

Der Arbeiter, der nämlich zum Aktionär wird, der wird sein Leben lang keinen Mehrwert mehr schaffen, weil er nur noch mitschmarotzt. Das kann er, weil er EINMALIG Mehrwert geschaffen hat und daraus seinen (wohlverdienten) Lohn bezogen hat.

Wenn es aber keine Dividente und keine Zinsen mehr gäbe, dann gäbe es keine Verteilungsungerechtigkeit mehr. Jeder Mensch würde immer neuen Mehrwert schaffen müssen (durch Arbeit), was dann nicht nur ihm, sondern allen Menschen zugute kommen würde.

Mehr noch:

Die Löhne würden viel höher ausfallen, weil sich nicht mehr die Geldgeber am Mehrwert, den andere geschaffen haben, mitbedienen würden.
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Beitrag(#180806) Verfasst am: 18.09.2004, 18:12    Titel: DiaMat und HistoMat Antworten mit Zitat

Im Prinzip richtig. Hinzu kommt aber noch als nicht unwesentlicher Faktor die Automatisierung. Das ist übrigens Gegenstand des Historischen Materialismus (HistoMat). Denn der technische Fortschritt ist der eigentliche Motor der gesellschaftlichen Evolution.
Die Produktionsmittel in den Händen weniger - das ist Kapitalismus. Immer bessere Produktionsmittel (von der Dampfmaschine zum Roboterfliessband, etc.) setzen immer mehr Arbeitskräfte frei. Damit kommt es zu einem Überangebot von Arbeitskräften und der Lohn sinkt.
Damit das nicht so auffällt, hat man solche Sachen wie das Hartzprogramm erfunden, das aber tatsächlich einerseits ein Instrumantarium zur Zwangsrbeit zu 1,-€/h Arbeit ist und andererseits ein totales Absinken in die Verelendung verhindern soll (es gibt Untersuchungen darüber, wieviel ein Mensch zum Leben braucht und die Ergebnisse führen dann zu sog. Regelsätzen bei Sozialhilfe und Alg II) um nicht in eine realrevolutionäre Geschichtsphase eintreten zu müssen.

Das eigentliche Fiese dabei ist, dass keine reale Krise existiert (keine Naturkatastrophen, Seuchen, etc.) sondern die Produktivität nicht nachläßt und trotzdem der Level sinkt - allerdings nur bei den Massen (während sich Aufsichtsräte und Vorstände nebst ihrer politischen Vollstreckerkaste die Zulagen erhöhen).
Dies zeigt an, dass die Gesellschaftsordnung nicht mehr den realhistorischen Gegebenheiten genügt - mithin veraltet ist. Sie war einst progessiv bei der Ablösung des Feudalismus ist aber jetzt selber reif, um abgelöst zu werden. So wie der Adel als herrschende Klasse verschwand, so ist es an der Zeit, dem "Geldadel", der Bougeoisie Lebewohl zu sagen.
"So oder so, die Erde wird rot! Entweder lebendrot oder tot rot" wie Wolf Biermann in seinen besten Zeiten einmal gesungen hat.

Mit "Marx im Hirn" kann man das alles gut durchschauen. Leider fehlt bei den Massen diese Grundbildung und daher auch der Wille zur radikalen Veränderung.
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Tarvoc
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Beitrag(#180818) Verfasst am: 18.09.2004, 18:26    Titel: Re: DiaMat und HistoMat Antworten mit Zitat

shiningthrough hat folgendes geschrieben:
Mit "Marx im Hirn" kann man das alles gut durchschauen.


Ich bin dafür, sich mit seiner Analyse der Welt nicht auf einen einzigen Gelehrten oder eine einzige Lehre zu verlassen. Das führt in die Irre. Aber Marx war mit Sicherheit kein Idiot und seine Thesen sind es wert, gründlichst bedacht und revisioniert zu werden und mit neuesten Erkenntnissen verbunden zu werden!
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Rene Hartmann
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Beitrag(#180844) Verfasst am: 18.09.2004, 19:13    Titel: Re: DiaMat und HistoMat Antworten mit Zitat

shiningthrough hat folgendes geschrieben:

Mit "Marx im Hirn" kann man das alles gut durchschauen. Leider fehlt bei den Massen diese Grundbildung und daher auch der Wille zur radikalen Veränderung.


Ich sehe eher das Problem darin, dass gerade viele von denen, die mit den Verhältnissen unzufrieden snd, dank "Marx im Hirn" philosophisch im 19. Jahrhundert steckengeblieben sind.

Das stellt ein nicht unerhebliches Problem dar bei der Suche nach wirklich adäquaten Alternativen für die Zukunft. Sorry, mit der Marx'schen Version von Hegels Dialektik lässt sich heute kein Blumentopf gewinnen.
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Beitrag(#180856) Verfasst am: 18.09.2004, 19:39    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Sorry, mit der Marx'schen Version von Hegels Dialektik lässt sich heute kein Blumentopf gewinnen.


Wir brauchen keine Blumentöpfe.
Alternativen?
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Rene Hartmann
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Beitrag(#180861) Verfasst am: 18.09.2004, 19:55    Titel: Antworten mit Zitat

shiningthrough hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Sorry, mit der Marx'schen Version von Hegels Dialektik lässt sich heute kein Blumentopf gewinnen.


Wir brauchen keine Blumentöpfe.
Alternativen?


Ich habe leider keine ausgearbeitete Alternative anzubieten. Ich gebe bloß zu bedenken, dass es problematisch ist, sich auf der Suche nach Alternativen zum Kapitalismus auf den Marxismus zu fixieren. Eine wirklich moderne Antwort müsste die Fortschritte, die seit dem 19. Jh. auch in den Geisteswissenschaften gemacht worden sind, einbeziehen.
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Beitrag(#180862) Verfasst am: 18.09.2004, 19:56    Titel: Antworten mit Zitat

Rene Hartmann hat folgendes geschrieben:
shiningthrough hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Sorry, mit der Marx'schen Version von Hegels Dialektik lässt sich heute kein Blumentopf gewinnen.


Wir brauchen keine Blumentöpfe.
Alternativen?


Ich habe leider keine ausgearbeitete Alternative anzubieten. Ich gebe bloß zu bedenken, dass es problematisch ist, sich auf der Suche nach Alternativen zum Kapitalismus auf den Marxismus zu fixieren. Eine wirklich moderne Antwort müsste die Fortschritte, die seit dem 19. Jh. auch in den Geisteswissenschaften gemacht worden sind, einbeziehen.


Das ist auch meine Meinung. Daher trete ich für den technokratischen Sozialismus ein. Der würde alle Probleme lösen.
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Claudia
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Beitrag(#180866) Verfasst am: 18.09.2004, 20:00    Titel: Re: DiaMat und HistoMat Antworten mit Zitat

Rene Hartmann hat folgendes geschrieben:
Ich sehe eher das Problem darin, dass gerade viele von denen, die mit den Verhältnissen unzufrieden snd, dank "Marx im Hirn" philosophisch im 19. Jahrhundert steckengeblieben sind.

Damit ist er noch immer jünger als der Liberalismus, der ja heute als alleinseligmachende Religion gilt.
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Wenn man vor die Masse tritt und von den hohen Zielen und Aufgaben spricht, die Masse jedoch sieht, wie nach allen Seiten die Mittel verschleudert werden, so wird sie kein Vertrauen haben und ganz richtig sagen: „Arzt, heile dich selbst". - F. E. Dzierzynski
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Rene Hartmann
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Beitrag(#180868) Verfasst am: 18.09.2004, 20:11    Titel: Re: DiaMat und HistoMat Antworten mit Zitat

Claudia hat folgendes geschrieben:
Rene Hartmann hat folgendes geschrieben:
Ich sehe eher das Problem darin, dass gerade viele von denen, die mit den Verhältnissen unzufrieden snd, dank "Marx im Hirn" philosophisch im 19. Jahrhundert steckengeblieben sind.

Damit ist er noch immer jünger als der Liberalismus, der ja heute als alleinseligmachende Religion gilt.


Der Liberalismus hat sich aber nicht dermaßen festgelegt und man muss ihm zugestehen, dass er sich immer wieder erneuert hat. Als jüngstes Beispiel sei John Rawls genannt.

Der Neomarxismus gibt dagegen keine besonders gute Figur ab. (Nebenbei bemerkt, würde sich ein moderner Marxist wohl hüten, den Marxismus so grob vereinfacht zu präsentieren wie im Eingangsposting. Aber am marxistischen Heiligenpaar Marx und Engels kann er doch nicht ganz vorbei, und das ist nunmal ein gewaltiges Handicap)
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Tarvoc
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Beiträge: 44650

Beitrag(#180968) Verfasst am: 19.09.2004, 00:02    Titel: Antworten mit Zitat

Nav hat folgendes geschrieben:
Das ist auch meine Meinung. Daher trete ich für den technokratischen Sozialismus ein. Der würde alle Probleme lösen.


Sicher, ich finde deine Idee sehr gut. Ich bin dafür, sie mit einer globalen Desorganisation zu verbinden.
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shiningthrough
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Anmeldungsdatum: 08.11.2003
Beiträge: 1099

Beitrag(#181096) Verfasst am: 19.09.2004, 13:12    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Ich gebe bloß zu bedenken, dass es problematisch ist, sich auf der Suche nach Alternativen zum Kapitalismus auf den Marxismus zu fixieren. Eine wirklich moderne Antwort müsste die Fortschritte, die seit dem 19. Jh. auch in den Geisteswissenschaften gemacht worden sind, einbeziehen.


Da hast Du wohl recht, Rene. Allerdings sind gewissen Grunderkenntnisse von Marx auch heute noch richtig - ähnlich wie auch Darwin in seiner originären Lehre längst modifiziert wurde aber dennoch die Grunderkenntnisse auch für die moderne Evolutionstheorie lieferte.
Tatsächlich wurde ja Marxens Lehre mehrfach modifiziert (z.B. Bernstein, et al.) oft zum Ärger derjenigen, die in Marx eine Art "heiligen Propheten" sahen, dessen Wort man nicht antasten darf ("kommunistischer Fundamentalismus"). Das wurde u.a. auch vom Neomarxismus der 60/70ger so gesehen, z.B. als Marcuse in einem öffentlichen - damals im TV ausgestrahlten - Gespräch mit Sontheimer, Biedenkopf und Mitscherlich klar sagte, dass es den Sozialismus, wie ihn Marx gesehen hat, noch gar nicht gibt und Marx keineswegs ein Prophet sei (weswegen Marcuse dann von orthodoxen Marxisten und K-Grüpplern abgelehnt wurde). Es würde wohl zu weit führen für ein Forum wie dieses, hier in epischer Breite alle Für-und-Widers abzuwägen - da müßte man u.a. auch noch Ernest Mandels Werke hinzuziehen usw.
Ich denke, es wird eine sozialistische Gesellschaftsordnung über kurz oder lang geben - die allerdings nicht viel gemein hat mit den bisherigen "Experimenten" in diese Richtung, die alle VOR dem globalen Auslaufen des "kapitalistischen Modells" gewaltsam installiert wurden.
Erst wenn der Kapitalismus seine fortschrittliche Kraft eingebüßt hat und in Fäulnis übergeht, kann überhaupt erst der Sozialismus gedeihen. Nach meiner unmaßgeblichen Einschätzung hat dieser Fäulnisprozess begonnen.
Wie lange er dauern wird, wissen wir nicht. Aber da jetzt schon die klassischen antizyklischen Konjunkturprogramme versagen und die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht (ein Zuteilungssystem a la Hartz implementiert wurde - an Hartz als Kunjunkturprogramm glaube ich nicht, auch ein Peter Hartz kann die Zeit nicht zurückdrehen und wird von der Automatisierung widerlegt, also keine vielen neuen Arbeitsplätze), dürfte es nicht mehr allzulange dauern; denn wenn das Repertoire an systemimmanenten Möglichkeiten erschöpft ist, bricht das System zusammen und wird durch ein anderes ersetzt.

BTW: "Gürtelengerschnall-Methoden" schwächen mit der schwindenden Kaufkraft die Volkswirtschaft. Das führt zu weiteren Insolvenzen von Firmen und vergrößert noch das Heer der Erwerbslosen. Wäre ich ein Kader des Kapitals, so würde ich durch Inkaufnahme einer progressiven Inflationsrate das Gegenteil machen: Geld in das Volk pumpen! Aber möglicherweise bringt das auch nichts mehr, da vmtl. schon in den Planungsgremien durchgespielt (und womöglich an dem Schreckgespenst der Staatsverschuldung gescheitert - übrigens würde ich die Schulden durch eine galloppierende Inflation schnell tilgen. Aber ich bin ja kein Kader der Gegenseite.).
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fingalo
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Beitrag(#181119) Verfasst am: 19.09.2004, 14:06    Titel: Re: DiaMat und HistoMat Antworten mit Zitat

Claudia hat folgendes geschrieben:
Rene Hartmann hat folgendes geschrieben:
Ich sehe eher das Problem darin, dass gerade viele von denen, die mit den Verhältnissen unzufrieden snd, dank "Marx im Hirn" philosophisch im 19. Jahrhundert steckengeblieben sind.

Damit ist er noch immer jünger als der Liberalismus, der ja heute als alleinseligmachende Religion gilt.


Zunächst denke ich, dass die dem Marxismus entstammenden Ideologien den Nachteil haben, dass sie mehr oder weniger von der Machbarkeit der Geschichte ausgehen. Dass aber ein Teil des Systems "Menschheit" Herr über dieses System sein kann, halte ich für ausgeschlossen.
Für einen weiteren Nachteil halte ich, dass die ideologische Steuerung der Gesellschaft darauf angewiesen ist, dass alle mitspielen. Daher hat Elias Canetti in "Masse und Macht"für die kommunistischen Systeme einen latente Paranoia diagnostiziert. Es werden permanent konterrevolutionäre Kräfte gesucht und entlarvt, die irgendwelche Fehlentwicklungen durch ihre subversive Tätigkeit und Sabotage verursacht hätten.
Man konstruiert ein theoretisches Modell vom Menschen, und alle müssen so sein.
Im Liberalismus geht man zunächst von einer Art von darwinistischem Gesellschaftsmodell aus (das dann sozial abzufedern wäre; dort kommen dann die unterschiedlichen Modelle zum Tragen). Das bedeutet, dass man die Menschen zunächst einmal so lässt, wie sie sind. Wer sich nicht einpasst, erleidet den persönlichen Nachteil der Erfolglosigkeit. Wer sich in ein marxistisches Modell nicht einpasst, kann aber durchaus Erfolg haben. Dieser wird, weil er nicht ideologiekonform erreicht wurde, repressiv gekappt. Und das halte ich für Verschwendung.
Auch die marxistische Mehrwert-Verwendung (Der Arbeiter erhält den Mehrwert seiner Arbeit vollständig und eine gewinnbringende Kapitalansammlung ist verboten) sollte durchaus mal hinterfragt werden: Die Geräte, die dem einzelnen Arbeiter es ermöglichen, durch Automation mehr Mehrwert zu schaffen, kosten in der Herstellung wedentlich mehr, als der Arbeiter aufzubringen in der Lage ist. Welcher Arbeiter kann einen Staudamm samt Elektrizitätswerk finanzieren? Wenn sich viele zusammentun und ihr Geld in einen Topf werfen, um so etwas zu finanzieren, habe ich eine AG. So ist sie nämlich historisch entstanden: Viele Interssenten haben Ende des 19. Jh. Geld zusammengelegt, um die Erstellung von Eisenbahnen zu finanzieren, und bekamen dafür Anteilscheine. Warum sollten sie das tun (und nicht lieber für das Geld nach Mallorca fahren und beim Ballermann versaufen), wenn sie davon nichts haben?Die Alternative wäre, den Arbeitern den Mehrwert (ihren Lohn) zwangsweise zum Teil wegzunehmen, um solches zu finanzieren (heißt heute "Solidaritätszuschlag"; davon wurden im Osten überdimensionierte Kläranlagen gebaut).
Außerdem gibt es viele Tätigkeiten, die keinen Mehrwert produzieren. Welchen Mehrwert schaffen ein Richter, ein Polizist, ein Gefängnisaufseher, das Pflegepersonal in einer geschlossenen Anstalt, der Lagerarbeiter, der Logistiker, die Verkäuferin an der Kasse?
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Hannibal
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Beitrag(#181217) Verfasst am: 19.09.2004, 19:22    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Nav hat folgendes geschrieben:
Das ist auch meine Meinung. Daher trete ich für den technokratischen Sozialismus ein. Der würde alle Probleme lösen.


Sicher, ich finde deine Idee sehr gut. Ich bin dafür, sie mit einer globalen Desorganisation zu verbinden.


Na, mein lieber Tarvoc?

Wo bleibt deine sonst so relativierende Analyse, wie ich sie bei Antworten auf meine Beiträge kenne? zynisches Grinsen

Vielleicht hilft dir mein Relativismus weiter:

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Tarvoc
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Beitrag(#181223) Verfasst am: 19.09.2004, 19:43    Titel: Antworten mit Zitat

Kossuth hat folgendes geschrieben:
Wo bleibt deine sonst so relativierende Analyse, wie ich sie bei Antworten auf meine Beiträge kenne? zynisches Grinsen


Was heißt relativierend? Ich habe nicht gesagt "sicher ist das gut", sondern "sicher denke ich, dass das gut ist". Und wenn man überhaupt von der realen Existenz von so etwas wie einem Ego ausgeht, ist die Aussage "sicher denke ich, dass das gut ist" definitiv, denn ich weiss eigentlich ziemlich genau, was ich denke. Das Einzige, womit man das widerlegen könnte, wäre eine Negation des Egobegriffs.

Eine Relativierung hier: Die Realisierung könnte möglicherweise zu ideologisch bedingter Gewalt führen, die in (fast) jedem Fall abzulehnen ist!
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Beitrag(#181228) Verfasst am: 19.09.2004, 19:48    Titel: Antworten mit Zitat

Nav hat folgendes geschrieben:


Wenn es aber keine Dividente und keine Zinsen mehr gäbe, dann gäbe es keine Verteilungsungerechtigkeit mehr. Jeder Mensch würde immer neuen Mehrwert schaffen müssen (durch Arbeit), was dann nicht nur ihm, sondern allen Menschen zugute kommen würde.

Mehr noch:

Die Löhne würden viel höher ausfallen, weil sich nicht mehr die Geldgeber am Mehrwert, den andere geschaffen haben, mitbedienen würden.


Ich denke, dass ohne der Möglichkeit zu investieren sich die Wirtschaft noch mehr als jetzt bereits auf die Konsumgüterproduktion verlagern würde. Ausserdem würde das Geld seinen Wert als Anreiz verlieren, wenn man es nicht investieren könnte.

Nav hat folgendes geschrieben:
Der dritte, parasitäre Wirtschaftskreislauf

In kapitalistischen Systemen kommt jedoch ein dritter Wirtschaftskreislauf dazu, nämlich:

G - G

Ein Aktionär oder Geldgeber investiert einen bestimmten Betrag an Geld und erhält dafür, ohne selbst weiteren Mehrwert zu schaffen, eine größere Menge an Geld zurück.

Daraus erwachsen aber zwei weitere Fragen:

Woher kommt aber die Differenz zwischen dem eingesetzten Geld und dem zurückerhaltenen Geld?

Antwort: Aus dem Mehrwert, den die Werktätigen schaffen. Diese erhalten einen Teil (!) des Mehrwertes bezahlt, der Rest fließt an den Geldgeber, der keinerlei Leistung erbracht hat.


Auch diesen Prozess betrachte ich mit anderen Augen:

Der Investor stellt sein Geld, anstatt es zu durch den Kauf von Konsumgütern zu verbrauchen, für etwas Produktives zur Verfügung. Also begeht er dadurch einen Konsum- oder Rücklagenverzicht, soviel Geld er auch immer haben mag, weil schließlich hätte er ja die Möglichkeit gehabt, es zu verbrauchen, oder als Ersparniss zurrückzulegen...

Solche Investitionen tragen wesentlich zur Modernisierung und Automatisierung vieler Betriebe dar, die schließlich auch für deinen technokratischen Sozialismus so wichtig wäre.

Ohne dieser Investitionen wäre die Investitionsgüterindustrie aber noch eingeschränkter, als jetzt, weil Tatsache ist, dass die meisten Betriebe potenziell weit automatisierter und moderner sein könnten, wenn nicht die Tendenz sowohl bei den Arbeitnehmern, als auch bei den Arbeitgebern so ausgeprägt wäre, ihre Löhne, oder im Fall der Unternehmer - ihre Profite eher auszugeben, anstatt sie zu investieren.
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Beitrag(#181252) Verfasst am: 19.09.2004, 20:34    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Kossuth hat folgendes geschrieben:
Wo bleibt deine sonst so relativierende Analyse, wie ich sie bei Antworten auf meine Beiträge kenne? zynisches Grinsen


Was heißt relativierend? Ich habe nicht gesagt "sicher ist das gut", sondern "sicher denke ich, dass das gut ist".


Nicht ganz, mein Lieber. Du hast Sicher, ich finde deine Idee sehr gut geschrieben.

Das sicher war vor dem Beistrich und als direkte Antwort auf Navs Beitrag bezogen, als ob du ihm "sicher" recht geben würdest.

Anders hätte es zwar ausgeschaut, wenn du Ich finde deine Idee sicher sehr gut geschrieben hättest - was für ein Versäumniss. zynisches Grinsen

Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Und wenn man überhaupt von der realen Existenz von so etwas wie einem Ego ausgeht, ist die Aussage "sicher denke ich, dass das gut ist" definitiv, denn ich weiss eigentlich ziemlich genau, was ich denke. Das Einzige, womit man das widerlegen könnte, wäre eine Negation des Egobegriffs.


Eben nicht. Du hast bei deinem Selbstzitat nämlich den Beistrich vergessen. Auf den Arm nehmen So klein das Zeichen und doch so entscheidend. Teufel

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Eine Relativierung hier: Die Realisierung könnte möglicherweise zu ideologisch bedingter Gewalt führen, die in (fast) jedem Fall abzulehnen ist!


Möglicherweise...
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Tarvoc
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Beitrag(#181257) Verfasst am: 19.09.2004, 21:00    Titel: Antworten mit Zitat

Kossuth, ich bin immer für Sprachkritik, aber das ist keine Sprachkritik merh, das sind nicht mal mehr Wortklaubereien. Das sind Zeichenklaubereien und ich glaube, es wurde für alle anderen sehr deutlich, wie der Satz von mir zu verstehen war! Warum hängst du dich so daran auf?
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Hannibal
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Beitrag(#181270) Verfasst am: 19.09.2004, 21:42    Titel: Re: DiaMat und HistoMat Antworten mit Zitat

shiningthrough hat folgendes geschrieben:
Denn der technische Fortschritt ist der eigentliche Motor der gesellschaftlichen Evolution.


Nicht zwangsläufig. Aber er war es durchaus oft. Obwohl ich die Sache generell umgekehrt sehe: Die gesellschaftliche Evolution, oder Fortschritt ermöglichte erst den technischen. Pfeil Die Aufklärung, beispielsweise, war eigentlich die Vorstufe der industirellen Revolution, also der Zeit des schnellen technischen Fortschritts. Die Ursache der Aufklärung liegt aber weniger im technischen Fortschritt, weil die Techologie Europas unmittelbar vor der Aufklärung nicht fortgeschrittener war, als die der anderen Eurasichen Kulturen. Über den Grund, warum die Aufklärung gerade in Europa und nicht wo anders entstand, kann man wohl spekulieren. Schulterzucken

shiningthrough hat folgendes geschrieben:

Die Produktionsmittel in den Händen weniger - das ist Kapitalismus. Immer bessere Produktionsmittel (von der Dampfmaschine zum Roboterfliessband, etc.) setzen immer mehr Arbeitskräfte frei.


Das Arbeitskräfte frei werden, stimmt. Aber das ist ein positiver Aspekt. Dadurch dass Waren und Dienstleistungenm durch Mechanisierung und Automatisierung billiger werden wird nämlich auch mehr Kaufkraft frei, eine Kaufkraft, die Anreize zum Schaffen neuer Branchen mit neuen Arbeitsplätzen bietet. zwinkern

Im Mittelalter arbeiteten noch zwischen 80 und 90% in der Landwirtschaft. Heute sind es nur so 3%. Dadurch sind Lebensmittel auch viel billiger geworden, was die Schaffung neuer Fachbereiche ermöglichte. Auch die Quallität der Nahrungsmittel und die Hygiene der Produktion hat sich seit damals stark verbessert und Nahrungsmittel werden industirell veredelt (auch hier entstanden neue Branchen!), was alles zusammen die Kosten teilweise wieder aufsteigen lässt. Doch man kann jetzt für immer noch viel weniger Geld mehr und bessere Nahrungsmittel kaufen.

Und was ich damit sagen will ist, dass die Automatisierung eben Arbeitskräfte in neue Branchen verlagert, aber normalerweise nicht dauerhaft arbeitslos macht, vorausgesetzt natürlich, er kann sich umschulen und weiterbilden.
Wenn man doch trotz der Umschulung dauerhaft arbeitslos bleiben kann, dann liegt es am Missmanagement der Regierung.

Der positive Effeckt ist jedenfalls letztendlich der, dass man sich immer mehr leisten kann. Branchen produzieren besser und billiger und es entstehen neue Branchen und immer mehr Luxusbranchen, die sich immer mehr Menschen leisten können.

Naja... Der Ausbau der Investitionsgüterindustrie wäre mir zwar weit wichtiger, als der der Luxusbranchen, aber das kann man twilweise schon noch im Rahmen der freien Marktwirtschaft lenken.

Zitat:

Damit kommt es zu einem Überangebot von Arbeitskräften und der Lohn sinkt.
Damit das nicht so auffällt, hat man solche Sachen wie das Hartzprogramm erfunden, das aber tatsächlich einerseits ein Instrumantarium zur Zwangsrbeit zu 1,-€/h Arbeit ist und andererseits ein totales Absinken in die Verelendung verhindern soll (es gibt Untersuchungen darüber, wieviel ein Mensch zum Leben braucht und die Ergebnisse führen dann zu sog. Regelsätzen bei Sozialhilfe und Alg II) um nicht in eine realrevolutionäre Geschichtsphase eintreten zu müssen.


Ganz so würde ich es nicht sagen. Zwangsarbeit ist natürlich ein Mist, das will ich auch mal gleich sagen.
Aber gesagt sollte auch sein, dass die Löhne, oder, was ausschlaggebender ist, der Wohlstand der Arbeitnehmer auf Dauer gesehen nicht sinkt, sondern steigt.

Auch wenn wir die Boomzeiten vor der Ölkrise nehmen, wie zb. das Jahr 1970, so sind heute die Arbeitsnehmer in Deutschlend durchschnittlich trotz der nach 1970 folgenden Krisen erheblich reicher, als damals. Also generell sinken die Löhne nicht. Allerdings steigt die Produktivität in letzter Zeit kaum noch und das erkennt man darin, dass die Wirtschaft im EU-Raum derzeit nur langsam wächst, eine Krise, die selten so lange gedauert hat.

Diese niedrigereren Wachstumsraten bei gleichzeitig viel höheren Zunahmen der Schulden zeigen durchaus eine mögliche permanente Krise des kapitalistischen Systems. Allerdings ist schwer zu sagen, ob die Gesellschaft bald einen neuen großen Wandel durchmachen wird. Von alleine kommt der Fortschritt nicht. Da muss man was dafür tun und auch sein Kopf und Kragen riskieren... zwinkern


Zitat:

Das eigentliche Fiese dabei ist, dass keine reale Krise existiert (keine Naturkatastrophen, Seuchen, etc.) sondern die Produktivität nicht nachläßt und trotzdem der Level sinkt - allerdings nur bei den Massen (während sich Aufsichtsräte und Vorstände nebst ihrer politischen Vollstreckerkaste die Zulagen erhöhen).


Das liegt an den wachsenden Staatsschulden und an der Tatsache, dass früher die Löhne unverhältnissmässig schnell gewachsen sind, ohne den nötigen ausreichenden Rückhalt in der Produktivität. Jetzt befindet sich Deutschland in einer Ausgleichsperiode. Durch die bisherige Lohnzurrückhaltung ist tatsächlich schon Beträchtliches erreicht worden: Deutschland ist seit langem endlich wieder Exportweltmeister geworden!

Die finanzielle Lage der Arbeitgeber würde mich übrigens auch sehr interessieren, allerdings habe ich diesbezüglich kaum Zugang zu solchen Daten. Traurig Deprimiert

Zitat:

Dies zeigt an, dass die Gesellschaftsordnung nicht mehr den realhistorischen Gegebenheiten genügt - mithin veraltet ist. Sie war einst progessiv bei der Ablösung des Feudalismus ist aber jetzt selber reif, um abgelöst zu werden. So wie der Adel als herrschende Klasse verschwand, so ist es an der Zeit, dem "Geldadel", der Bougeoisie Lebewohl zu sagen.


Auf Mitteleuropa bezogen, löste die Aufklärung im 18. Jahrhundert den Feudalismus ab, unter dem sich die Wirtschaft über Jahrtausende kaum weiterentwickelt hatte, und führte den Frühkapitalismus des 19. Jahrhunderts ein, der sich bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts voll herausbildete. Dieser entwickelte sich dann im Laufe des 20. Jahrhunderts immer weiter bis zum modernem, heutigen Kapitalismus. Wie es weiter gehen wird, gibt es verschiedenste Meinungen.

Die jetzige Gesellschaftsordnung ist tatsächlich durch und durch veraltet, jedenfalls in seinen gesellschaftlichen Aspekten, denn hier habe ich bereits viele konkrette Verbesserungsvorschlage presentiert. Auch wäre ein umfassender Bürokratieabbau zukunftsweisend.
Zum Kapitalismus ist aber bis jetzt keine Alternative gefunden worden, die seine Leistungsfähigkeit erreicht hätte.

Ausserdem hat sich der Kapitalismus bis heute in sich selbst weiterentwickelt: Wir haben Sozialgesetze, Schutzvorschriften usw....
Ausserdem würde ich die reichen Menschen heute in unseren Ländern längst nicht als Adel und auch nicht als Geldadel bezeichnen.

Zitat:

"So oder so, die Erde wird rot! Entweder lebendrot oder tot rot" wie Wolf Biermann in seinen besten Zeiten einmal gesungen hat.

Mit "Marx im Hirn" kann man das alles gut durchschauen. Leider fehlt bei den Massen diese Grundbildung und daher auch der Wille zur radikalen Veränderung.


Ich persönlich halte die Thesen von Marx zu großen Teilen für Fehlanalysen - veraltete noch dazu. Schulterzucken
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Hannibal
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Beitrag(#181273) Verfasst am: 19.09.2004, 21:52    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Kossuth, ich bin immer für Sprachkritik, aber das ist keine Sprachkritik merh, das sind nicht mal mehr Wortklaubereien. Das sind Zeichenklaubereien und ich glaube, es wurde für alle anderen sehr deutlich, wie der Satz von mir zu verstehen war! Warum hängst du dich so daran auf?


Das war nicht ganz so ernst gemeint, meinerseits.

Mich hat nur spontan gewundert, warum dich Nav gegenüber so ausdrückst, als würdest du - so könnte man meinen - ihm unkritisch zustimmen, wo du meine Beiträge doch oft ziemlich scharf kritisierst. zynisches Grinsen

Ich verstehe das eh, aber so spaßhalber habe ich dennoch einbisschen kommentieren wollen:
Daher habe ich dich (auch mit einer Priese von Ironie) fragen wollen, wo dein Relativismus geblieben ist. Das war aber so eine etwas bissige Frage, schließlich hat doch so ziemlich jeder seine eigene Meinung und kritisiert andere Meinungen mehr als die eigene. Schulterzucken
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Tarvoc
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Beitrag(#181276) Verfasst am: 19.09.2004, 22:09    Titel: Antworten mit Zitat

Niemand ist perfekt. zwinkern

Navs System scheint mir schlüssig. Ich habe es kritisch durchgelesen und keinen Logikfehler gefunden.
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Rene Hartmann
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Beitrag(#181282) Verfasst am: 19.09.2004, 22:40    Titel: Antworten mit Zitat

Ein Grundproblem mit der marxistischen Sichtweise der Produktion ist, dass in ihr ein ethisches Postulat versteckt ist, nämlich: Das Ergebnis der Arbeit steht komplett dem Arbeiter zu.

Dieses Postulat kann man akzeptieren oder nicht. Akzeptiert man es, ist der Kapitalist ein Dieb, der dem Arbeiter etwas wegnimmt. Akzeptiert man es nicht, ist der Profit, den der Kapitalist einstreicht, die Entlohnung für den Kapitaleinsatz. Eine objektive Entscheidung dieser Frage ist nicht möglich.

Damit verbunden ist aber ein anderes Problem, nämlich dass Kapital tatsächlich (neben Arbeit und Boden) ein Produktionsfaktor ist. Und das ist eine Tatsache, an der ich nicht so leicht vorbeikomme. Ein nichtkapitalistisches System müsste erstmal das Problem der Kapitalneutralisierung lösen. Eine Lösung dafür ist aber nicht in Sicht.
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Zuletzt bearbeitet von Rene Hartmann am 19.09.2004, 23:06, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Beitrag(#181284) Verfasst am: 19.09.2004, 22:45    Titel: Antworten mit Zitat

Wie kann Kapital an sich einen Wert erzeugen?
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Fluse
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Beitrag(#181291) Verfasst am: 19.09.2004, 23:02    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Wie kann Kapital an sich einen Wert erzeugen?

Das wäre mir allerdings auch neu! Mit den Augen rollen
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