Sermon panta rhei
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18430
Wohnort: Sine Nomine
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(#200919) Verfasst am: 27.10.2004, 09:23 Titel: Re: Band 8 der Kriminalgeschichte |
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Nergal hat folgendes geschrieben: | Band 8 ist ja mittlerweile herausgekommen.
15-16 Jh
Wird da die Eroberung Amerikas behandelt? |
Nein. Die Westexpansion des Christentums ueber Europa hinaus hat er in der Kriminalgeschichte noch nicht behandelt. Byzanz hatte Deschner bereits nach den Kreuzzuegen eh aus dem Auge verloren, Russland bislang noch ueberhaupt gar nicht in den Blick bekommen! Auch die Vertreibung der Juden aus Spanien hat bei Deschner in der Kriminalgeschichte ebenso noch nicht stattgefunden.
Und er endet im 8. Band auch bereits mit dem Augsburger Konfessionsfrieden 1555. Calvin und Zwingli kommen darin - im Gegensatz zu Luther - kaum vor. Erneut erweist sich Deschner als sehr deutschlandlastig in seiner Darstellung.
Dafuer hat Deschner zwei Kapitel ueber das 14. Jahrhundert nachgetragen, dann ein Kapitel zur Sozialgeschichte der Bauern, welches sich inhaltlich und quellenmaeszig jedoch im Wesentlichen ausschlieszlich auf das Frueh- und Hochmittelalter bezieht. Dann folgen zwei weitere Kapitel ueber das 14. Jahrhundert. Erst dann kommt Deschner ueberhaupt zu Ereignissen des 15. Jahrhunderts. All das wirkt unter dem Label 15. und 16. Jahrhundert leicht deplaziert!
Deschner wird also - dann gar unter dem Label 17. und 18. Jahrhundert - im 9. Band noch Ereignisse seit 1492 bzw. seit 1555 nachzutragen haben!
Man fragt sich, warum Rowohlt stur nach einem irgendwann mal mit Deschner vereinbarten Jahrhundertschema die Baende ettikettiert, voellig unabhaengig vom davon chronologisch immer abweichenderen Inhalt. Hier waere doch das Lektorat gefordert gewesen, entweder die Kapitel anders zusammenzustellen, oder die Betitelung der Baende anzupassen.
Zudem muss Deschner sich unter dem Label "18. Jahrhundert" mit der Aufklaerungsphilosophie befassen, wozu er meines Wissens bislang noch nie etwas geschrieben hat.
Man darf gespannt sein, wie Deschner und Rowohlt all dies demnaechst unter einen Buchdeckel "9. Band" bringen - oder nicht.
Was zudem auffaellt: Deschner bezieht sich inzwischen oft auf Werke anderer Historiker aus den fuenfziger Jahren. Er nutzt also oft neuere Literatur nicht. Indem diese Historiker selbst sich womoeglich auf noch fruehere Historiker stuetzen - das muesste man im Detail muehsam nachpruefen -, ist also die oft fuer Deschner reklamierte Quellennaehe nicht mehr offensichtlich.
Deschner hat - vielleicht ist das nachgetragene Sozialgeschichtskapitel eine Selbstkorrektur - sich in der Kriminalgeschichte inzwischen in narrativer Darstellung von Herrscherverbrechen verloren. Die fuer den Bereich der Antike noch reichlich vorhandenen systematischen Kapitel zu uebergreifenden Themen sind leider sehr selten und duenn geworden.
_________________ "Der Typ hat halt so seine Marotten" (Sermon über Sermon)
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