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Othilic Gast
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(#266917) Verfasst am: 24.02.2005, 15:36 Titel: Ringparabel |
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Gestern wurde mir in einem anderen Thread gesagt, man sollte die Ringparabel mal gelesen haben .
Die Aussage davon sei "alle (abrahamitischen) Religionen sind gleich nah an der Wahrheit".
Abends habe ich die Ringparabel dann voller Erwartungsfreude gelesen und muß sagen, ich bin enttäuscht. Die obige Aussage kann ich auch nicht wirklich darin wiederfinden.
Da ich davon ausgehe, daß das eine Bildungslücke meinerseits ist und alle anderen hier die Parabel kennen, gebe ich keine Zusammenfassung sondern beschreibe gleich mein Problem.
Ausgegangen bin ich von folgender naheliegender Interpretation:
Vater=Gott
3 Söhne=3 abrahamitsche Religionen
echter Ring=wahre Religion
Richter=Nathan bzw jeder beliebige, der entscheiden soll, welche Religion die wahre ist
*******
Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder der echte Ring ist verlorengegangen oder er ist nicht verlorengegangen. Welche zutrifft, ist mir nicht klar geworden. Jedenfalls gibt es diesen echten Ring, also eine wahre Religion existiert bzw existierte einmal.
1.Möglichkeit: der echte Ring ist nicht verlorengegangen, einer der Söhne besitzt den wahren Ring. Allerdings ist es dem Richter nicht möglich, zu entscheiden, welcher der richtige ist. Übertragen auf die Frage nach den Religionen: Es ist sehr wohl eine Religion die Wahre und die beiden anderen falsch, nur können wir Menschen nicht erkennen, welche die wahre ist.
2. Möglichkeit: der echte Ring ist verlorengegangen, vielleicht hat ihn irgendjemand anders gefunden, jedenfalls besitzt keiner der Söhne den wahren Ring. Übertragen auf die Frage nach den Religionen: KEINE der 3 Religionen ist wahr, ALLE sind falsch, aber irgendwo anders auf dieser Welt gibt es möglicherweise eine weitere Religion, die richtig ist. Falls es diese weitere Religion gibt, dann können wir Menschen erkennen, daß sie wahr ist.
*******
Jemand hat also 3 Religionen vor sich und kann in diesem Moment nicht entscheiden, welche die wahre ist bzw ob überhaupt eine die wahre ist. Also nennt er das Wahrheitskriterium und erteilt allen 3 den Auftrag, sich im Nachhinein das Wahrheitskriterium zu erarbeiten, um dann zu einem späteren Zeitpunkt anhand des nachträglich und künstlich erworbenen Wahrheitskriteriums ein Urteil zu fällen über die Wahrheit, die aber doch von vornherein festgelegt ist und sich natürlich nicht ändert durch im Nachhinein erworbene Wahrheitskriterien????
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#266919) Verfasst am: 24.02.2005, 15:42 Titel: |
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3. Alle drei Religionen sind wahr, da alle drei Ringe Originale sind. Das widerspricht zwar auf den ersten Blikk der Logik (ein Objekt kann nicht mehrfach existieren), aber dieser logische Satz ist auch nur ein Dogma.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Mautpreller Ortograf
Anmeldungsdatum: 17.02.2005 Beiträge: 246
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(#266927) Verfasst am: 24.02.2005, 15:56 Titel: |
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4. Der rechte Ring ist grundsätzlich "nicht erweislich" (nicht nur: momentan). Die Frage ist prinzipiell unentscheidbar.
Prämisse: Das Zeitalter der Offenbarungen ist vorbei (der Vater ist tot). (editiert)
_________________ Die niederen Alkanthiole sind widerlich riechende Flüssigkeiten ohne besondere praktische Bedeutung (Lautenschläger u.a. 1987, Chemie - Fakten und Gesetze). --- Die Ärmsten!
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Othilic Gast
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(#266936) Verfasst am: 24.02.2005, 16:23 Titel: |
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Shadaik hat folgendes geschrieben: | 3. Alle drei Religionen sind wahr, da alle drei Ringe Originale sind. Das widerspricht zwar auf den ersten Blikk der Logik (ein Objekt kann nicht mehrfach existieren), aber dieser logische Satz ist auch nur ein Dogma. |
Aaahhh, Außerkraftsetzen der Logik, da sträubt sich bei mir alles, nur im äußersten Notfall.
Aber mal abgesehen davon: Gar keine schlechte Idee. Falls alle drei Ringe Originale sind, dann würde auch das das Testergebnis des Richters erklären, denn auch dann würde sich jeder der 3 Söhne selbst am meisten lieben: Für seine Brüder und für sich selbst empfindet er gleichermaßen die Ring-Liebe, zusätzlich für sich selbst die Eigenliebe, insgesamt eine größere Liebe für sich selbst als für seine Brüder.
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Othilic Gast
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(#266941) Verfasst am: 24.02.2005, 16:39 Titel: |
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Mautpreller hat folgendes geschrieben: | 4. Der rechte Ring ist grundsätzlich "nicht erweislich" (nicht nur: momentan). Die Frage ist prinzipiell unentscheidbar.
Prämisse: Das Zeitalter der Offenbarungen ist vorbei (der Vater ist tot). (editiert) |
Ja, die Prämisse würde ich auch so aus der Parabel herauslesen.
Daß die Frage für Menschen / den Richter nicht entscheidBAR ist, ändert aber nichts daran, daß sie längst und für alle Zeiten durch Gott bzw durch die Echtheit genau eines der Ringe entschieden IST.
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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#266942) Verfasst am: 24.02.2005, 16:44 Titel: |
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Othilic hat folgendes geschrieben: | Mautpreller hat folgendes geschrieben: | 4. Der rechte Ring ist grundsätzlich "nicht erweislich" (nicht nur: momentan). Die Frage ist prinzipiell unentscheidbar.
Prämisse: Das Zeitalter der Offenbarungen ist vorbei (der Vater ist tot). (editiert) |
Ja, die Prämisse würde ich auch so aus der Parabel herauslesen.
Daß die Frage für Menschen / den Richter nicht entscheidBAR ist, ändert aber nichts daran, daß sie längst und für alle Zeiten durch Gott bzw durch die Echtheit genau eines der Ringe entschieden IST. |
Nö. Wahrscheinlich ist gar keiner der Ringe echt.
Lesen!
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Othilic Gast
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(#266947) Verfasst am: 24.02.2005, 16:56 Titel: |
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Noseman hat folgendes geschrieben: | Othilic hat folgendes geschrieben: | Mautpreller hat folgendes geschrieben: | 4. Der rechte Ring ist grundsätzlich "nicht erweislich" (nicht nur: momentan). Die Frage ist prinzipiell unentscheidbar.
Prämisse: Das Zeitalter der Offenbarungen ist vorbei (der Vater ist tot). (editiert) |
Ja, die Prämisse würde ich auch so aus der Parabel herauslesen.
Daß die Frage für Menschen / den Richter nicht entscheidBAR ist, ändert aber nichts daran, daß sie längst und für alle Zeiten durch Gott bzw durch die Echtheit genau eines der Ringe entschieden IST. |
Nö. Wahrscheinlich ist gar keiner der Ringe echt.
Lesen! |
Habe erst am WE wieder Zeit, viel zu lesen. Könntest Du mir eine kurze Zusammenfassung geben?
Ja, hab geschludert und in obigem Satz nur die 1. Möglichkeit erwähnt, ich meinte aber beide:
Zitat: |
Daß die Frage für Menschen / den Richter nicht entscheidBAR ist, ändert aber nichts daran, daß sie längst und für alle Zeiten durch Gott bzw durch die Echtheit genau eines oder keines der Ringe entschieden IST. |
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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#266949) Verfasst am: 24.02.2005, 17:02 Titel: |
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Othilic hat folgendes geschrieben: |
Habe erst am WE wieder Zeit, viel zu lesen. Könntest Du mir eine kurze Zusammenfassung geben?
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Nein. Du musst das schon selbst lesen und darüber nachdenken. Ich kann Dir ggf. Verständnisfragen erläutern und es gibt hier sicher viele Andere, die das auch tun werden.
Aber die Weisheit kann man nicht mit Löffeln fressen; und gefüttert werden schon gar nicht.
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#266950) Verfasst am: 24.02.2005, 17:04 Titel: |
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Die Ringparabel ist von Gotthold Ephraim Lessing. Sie ist seine Meinung. Nathan der Weise ist jedenfalls kein anerkanntes Werk in einem der drei behandelten Religionen. Und Lessing ist auch kein Prophet.
Ich verstehe auch nicht, warum man die Parabel selbst gelesen haben muss. Ich habe sie damals in der Schule lesen müssen. Das Argument, das Lessing vorbringt, ist ja ziemlich kurz und du hast das ja wunderbar erklärt, Othilic.
Nur weil Lessing ein guter Schreiber war und das Argument in eine schöne Geschichte einbetten konnte, verleiht das der Argumentation keine zusätzliche Substanz.
Lessing war übrigens Freimaurer! *duckundweg*
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Mautpreller Ortograf
Anmeldungsdatum: 17.02.2005 Beiträge: 246
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(#266952) Verfasst am: 24.02.2005, 17:10 Titel: |
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Auch der Vater konnte nicht unterscheiden, welcher der Ringe echt war, als er noch am Leben war.
Kann es dann überhaupt jemanden geben, der diese Frage entscheiden kann? Welchen Sinn hat die Frage nach Echtheit dann?
_________________ Die niederen Alkanthiole sind widerlich riechende Flüssigkeiten ohne besondere praktische Bedeutung (Lautenschläger u.a. 1987, Chemie - Fakten und Gesetze). --- Die Ärmsten!
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44650
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(#266953) Verfasst am: 24.02.2005, 17:14 Titel: |
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Mautpreller hat folgendes geschrieben: | Welchen Sinn hat die Frage nach Echtheit dann? |
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Othilic Gast
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(#266955) Verfasst am: 24.02.2005, 17:19 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Die Ringparabel ist von Gotthold Ephraim Lessing. Sie ist seine Meinung. Nathan der Weise ist jedenfalls kein anerkanntes Werk in einem der drei behandelten Religionen. Und Lessing ist auch kein Prophet.
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Ja, das ist mir klar. Die Ringparabel soll allerdings ein Schlüsseltext der Aufklärung sein. Folglich gehe ich davon aus, daß sie einen tieferen Inhalt hat. Ich habe aber keinen tiefen Inhalt erkennen können, siehe Ausgangsposting, und hoffe, daß mir in diesem Thread jemand den tieferen Inhalt erklärt. "wir können nicht erkennen, welche Religion die wahre ist", dies finde ich eine ziemlich banale Aussage, wofür man eigentlich keine Parabel bräuchte.
Zitat: |
Ich verstehe auch nicht, warum man die Parabel selbst gelesen haben muss. Ich habe sie damals in der Schule lesen müssen. Das Argument, das Lessing vorbringt, ist ja ziemlich kurz und du hast das ja wunderbar erklärt, Othilic.
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Danke, ich habe sein Argument allerdings nicht verstanden, zumindest nicht ganz.
Zitat: |
Nur weil Lessing ein guter Schreiber war und das Argument in eine schöne Geschichte einbetten konnte, verleiht das der Argumentation keine zusätzliche Substanz.
Lessing war übrigens Freimaurer! *duckundweg* |
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#266956) Verfasst am: 24.02.2005, 17:20 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Die Ringparabel ist von Gotthold Ephraim Lessing. Sie ist seine Meinung. Nathan der Weise ist jedenfalls kein anerkanntes Werk in einem der drei behandelten Religionen. Und Lessing ist auch kein Prophet. |
Samma, Du hast jetzt die Ironie-Tags vergessen, oder?
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#266957) Verfasst am: 24.02.2005, 17:29 Titel: |
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Othilic hat folgendes geschrieben: | "wir können nicht erkennen, welche Religion die wahre ist", dies finde ich eine ziemlich banale Aussage, wofür man eigentlich keine Parabel bräuchte. |
Naja, Lessing lebte vor langer Zeit. Damals war diese Aussage nicht wirklich so akzeptiert, wie unter den heutigen Kuschelchristen. Außerdem konnte er seine Idee mit dem Werk einem breiteren Publikum vorstellen, etwa so, wie heute populäre Filme auch oft eine Aussage haben.
Das Werk war für die damalige Zeit sicher wichtig und ist aus historischer Sicht interessant. Deshalb muss man es aber nicht gelesen haben, obwohl man genau das desöfteren zu hören bekommt. Das ist dann auch nichts anderes als eine Form von Schriftgläubigkeit.
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Othilic Gast
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(#266959) Verfasst am: 24.02.2005, 17:39 Titel: |
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Mautpreller hat folgendes geschrieben: | Auch der Vater konnte nicht unterscheiden, welcher der Ringe echt war, als er noch am Leben war.
Kann es dann überhaupt jemanden geben, der diese Frage entscheiden kann? Welchen Sinn hat die Frage nach Echtheit dann? |
Prinzipiell: Wahrheit ist unabhängig von Entscheidbarkeit. Die Frage nach Echtheit ist für Außenstehende egal, für Betroffene aber überhaupt nicht.
Bezogen auf die Ringparabel:
Deiner Meinung nach ist die Aussage der Ringparabel, daß die Frage nach der wahren Religion keinen Sinn hat?
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Othilic Gast
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(#266960) Verfasst am: 24.02.2005, 17:49 Titel: |
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Noseman hat folgendes geschrieben: | Othilic hat folgendes geschrieben: |
Habe erst am WE wieder Zeit, viel zu lesen. Könntest Du mir eine kurze Zusammenfassung geben?
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Nein. Du musst das schon selbst lesen und darüber nachdenken. Ich kann Dir ggf. Verständnisfragen erläutern und es gibt hier sicher viele Andere, die das auch tun werden.
Aber die Weisheit kann man nicht mit Löffeln fressen; und gefüttert werden schon gar nicht. |
Ich habe eine Verständnisfrage zur Ringparabel gestellt: Ich weiß, was sie aussagen SOLL und habe versucht, das nachzuvollziehen. Das ist mir nicht gelungen. Meine Gedankengänge habe ich ausführlich dargestellt, siehe Ausgangsposting.
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Mautpreller Ortograf
Anmeldungsdatum: 17.02.2005 Beiträge: 246
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(#266963) Verfasst am: 24.02.2005, 18:01 Titel: |
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Othilic hat folgendes geschrieben: | Mautpreller hat folgendes geschrieben: | Auch der Vater konnte nicht unterscheiden, welcher der Ringe echt war, als er noch am Leben war.
Kann es dann überhaupt jemanden geben, der diese Frage entscheiden kann? Welchen Sinn hat die Frage nach Echtheit dann? |
Prinzipiell: Wahrheit ist unabhängig von Entscheidbarkeit. Die Frage nach Echtheit ist für Außenstehende egal, für Betroffene aber überhaupt nicht.
Bezogen auf die Ringparabel:
Deiner Meinung nach ist die Aussage der Ringparabel, daß die Frage nach der wahren Religion keinen Sinn hat? |
Nein. Eine "Aussage" kriegt man aus sowas eh nicht raus. Aber trotzdem will ichs riskieren: Echtheit, Authentizität, Unmittelbarkeit ist prinzipiell nicht mehr zu haben. Vielleicht war sie's früher, in der Kindheit der Menschheit; für uns ist Authentizität nicht mehr greifbar, weil wir unsere Unschuld lange verloren haben. Nur noch vermittelt können wir nach Wahrheit und dem Richtigen streben, wir können nicht (mehr) im Richtigen sein. Aufklärung heißt, sich das einzugestehen. In meiner Sicht trifft das übrigens ebenso eine dogmatisierte Aufklärung selbst; auch die "Werte der Aufklärung" (m.E. ein Widerspruch in sich) kann man nicht "haben".
_________________ Die niederen Alkanthiole sind widerlich riechende Flüssigkeiten ohne besondere praktische Bedeutung (Lautenschläger u.a. 1987, Chemie - Fakten und Gesetze). --- Die Ärmsten!
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44650
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(#266964) Verfasst am: 24.02.2005, 18:09 Titel: |
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Mautpreller hat folgendes geschrieben: | "Werte der Aufklärung" (m.E. ein Widerspruch in sich) |
Nihilismus...
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#266969) Verfasst am: 24.02.2005, 18:21 Titel: |
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Mautpreller hat folgendes geschrieben: | Echtheit, Authentizität, Unmittelbarkeit ist prinzipiell nicht mehr zu haben. Vielleicht war sie's früher, in der Kindheit der Menschheit; für uns ist Authentizität nicht mehr greifbar, weil wir unsere Unschuld lange verloren haben. Nur noch vermittelt können wir nach Wahrheit und dem Richtigen streben, wir können nicht (mehr) im Richtigen sein. Aufklärung heißt, sich das einzugestehen. In meiner Sicht trifft das übrigens ebenso eine dogmatisierte Aufklärung selbst; auch die "Werte der Aufklärung" (m.E. ein Widerspruch in sich) kann man nicht "haben". |
Das gefällt mir sehr und erinnert mich an:
Zitat: | Mithin, sagte ich ein wenig zerstreut, müßten wir wieder von dem Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen? Allerdings, antwortete er, das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt. |
Aus dem höchst wundervollen Text von Kleist: Über das Marionettentheater
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Wolf registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.08.2004 Beiträge: 16610
Wohnort: Zuhause
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(#266975) Verfasst am: 24.02.2005, 18:34 Titel: |
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Lessing ist mA auch der Meinung:1) wir sollen einfach die Religion der Väter übernehmen weil wir die Echtheit ohne die nicht feststellen können.
2)Und das Religion den Sinn hat (ob richtig oder falsch) eine Moral für gutes Zusammenleben zu vermitteln.
Musste es auch in der Schule lesen. Meine Lehrin ist sogar der Ansicht, dass die Ringparabel Grundstein für den Atheismus war aufgrund von Aussage 2. Epikur wurd also von Lessing beinflusst
_________________ Trish:(
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44650
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(#266976) Verfasst am: 24.02.2005, 18:36 Titel: |
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Zitat: | Mithin, sagte ich ein wenig zerstreut, müßten wir wieder von dem Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen? Allerdings, antwortete er, das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt. |
Malkuth muss wieder zu Daath werden, wie die Kabbalisten sagen würden...
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Othilic Gast
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(#266983) Verfasst am: 24.02.2005, 18:54 Titel: |
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Noseman hat folgendes geschrieben: | Othilic hat folgendes geschrieben: | Mautpreller hat folgendes geschrieben: | 4. Der rechte Ring ist grundsätzlich "nicht erweislich" (nicht nur: momentan). Die Frage ist prinzipiell unentscheidbar.
Prämisse: Das Zeitalter der Offenbarungen ist vorbei (der Vater ist tot). (editiert) |
Ja, die Prämisse würde ich auch so aus der Parabel herauslesen.
Daß die Frage für Menschen / den Richter nicht entscheidBAR ist, ändert aber nichts daran, daß sie längst und für alle Zeiten durch Gott bzw durch die Echtheit genau eines der Ringe entschieden IST. |
Nö. Wahrscheinlich ist gar keiner der Ringe echt.
Lesen! |
Noseman, mittlerweile habe ich den Text überflogen. Wohlgemerkt überflogen, für mehr reicht die Zeit einfach nicht. Meta-Verständnisfrage: Soll der mir wirklich weiterhelfen, aus dem Text der Ringparabel deren Bedeutung/Aussage herzuleiten? Wenn nein, was soll er mir sagen?
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ALGDGADU registrierter User
Anmeldungsdatum: 12.01.2004 Beiträge: 392
Wohnort: Nürnberg
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(#266988) Verfasst am: 24.02.2005, 19:00 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Lessing war übrigens Freimaurer! *duckundweg* |
Brauchst Dich nicht zu ducken: die Ringparabel ist tatsächlich bei vielen Freimaurern sehr beliebt und es steckt wohl auch einiges an damaligem freimaurerischem Denken darin. Ich persönlich muss gestehen, mich noch nicht so tief mit ihr beschäftigt zu haben.
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#266998) Verfasst am: 24.02.2005, 19:17 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Die Ringparabel ist von Gotthold Ephraim Lessing. Sie ist seine Meinung. Nathan der Weise ist jedenfalls kein anerkanntes Werk in einem der drei behandelten Religionen. Und Lessing ist auch kein Prophet.
Ich verstehe auch nicht, warum man die Parabel selbst gelesen haben muss. |
Vermutlich aufgrund ihres zeitlich-kulturellen Kontextes, in dem eine solche Aussage revolutionär war.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Othilic Gast
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(#267041) Verfasst am: 24.02.2005, 20:23 Titel: |
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Mautpreller hat folgendes geschrieben: | Othilic hat folgendes geschrieben: | Mautpreller hat folgendes geschrieben: | Auch der Vater konnte nicht unterscheiden, welcher der Ringe echt war, als er noch am Leben war.
Kann es dann überhaupt jemanden geben, der diese Frage entscheiden kann? Welchen Sinn hat die Frage nach Echtheit dann? |
Prinzipiell: Wahrheit ist unabhängig von Entscheidbarkeit. Die Frage nach Echtheit ist für Außenstehende egal, für Betroffene aber überhaupt nicht.
Bezogen auf die Ringparabel:
Deiner Meinung nach ist die Aussage der Ringparabel, daß die Frage nach der wahren Religion keinen Sinn hat? |
Nein. Eine "Aussage" kriegt man aus sowas eh nicht raus.
| Dann bin ich von den sonstigen Parabeln /Gleichnissen, die ich kenne, ziemlich verwöhnt
Zitat: |
Aber trotzdem will ichs riskieren: Echtheit, Authentizität, Unmittelbarkeit ist prinzipiell nicht mehr zu haben. Vielleicht war sie's früher, in der Kindheit der Menschheit; für uns ist Authentizität nicht mehr greifbar, weil wir unsere Unschuld lange verloren haben. Nur noch vermittelt können wir nach Wahrheit und dem Richtigen streben, wir können nicht (mehr) im Richtigen sein. Aufklärung heißt, sich das einzugestehen. In meiner Sicht trifft das übrigens ebenso eine dogmatisierte Aufklärung selbst; auch die "Werte der Aufklärung" (m.E. ein Widerspruch in sich) kann man nicht "haben". |
Ja, das klingt gut. Sehr gut sogar.
********
Aber nochmal eine grundsätzliche Frage:
Handelt es sich bei der Ringparabel um einen Text, der einem Lessingsches Denken teilweise erschließen kann, wenn man es noch nicht kennt [das habe ich versucht mit bekanntem Ergebnis]
oder
ist sie eine Art "gedankliches Symbol" für Lessingsches Denken, das man gar nicht so genau zerpflücken sollte, sondern sich lieber gleich mit Lessing beschäftigt [ich habe den Eindruck, daß einige hier das vertreten] ?
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#267064) Verfasst am: 24.02.2005, 20:59 Titel: |
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@Mautpreller:
Also mir gefällt da eher der Aufklärungsbegriff von Immanuel Kant:
Immanuel Kant hat folgendes geschrieben: |
AUFKLÄRUNG ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung. |
Nach dieser Definition ist Aufklärung als der Wille selbst zu Denken und seine Entschlüsse eben nicht mit irgendwelchen Gurus, oder alten Texten abzugleichen. Das gilt auch dann, wenn dieser Guru Gotthold Ephraim Lessing und der alte Text "Nathan der Weise" heißen.
Weiters ist die Ringparabel eine falsche Analogie und zwar an vielen Punkten.
In der Ringparabel ist allen drei Söhnen gewiss, dass sie ihren Ring vom Vater erhalten haben. Die drei Religionen können ihre Texte aber nicht auf einen Urheber zurückverfolgen.
Der Urheber der Ringe und Gott sind zwei unterschiedliche Personen in der Ringparabel. Der Islam behauptet aber sein Buch direkt von Gott, die anderen über Mittelsmänner bekommen zu haben. In jedem Fall ist die Fokusierung auf den Mittelsmann (nämlich den Vater) irreführend. Der stirbt noch dazu bevor es zu einer Klärung kommen kann und Gott mischt sich auch nicht ein. Dabei behaupten alle drei Religionen in ihren Büchern, dass sie jeweils die einzig wahre und alle anderen die falschen seien.
Die Ringe sind weiters identisch. Die Religionen unterscheiden sich aber und machen allerhand Aussagen über den Vater/Gott, die sich nun mal widersprechen. Es handelt sich nicht um perfekte Kopien.
Eine Religion ist ein Gedankengebäude, das nicht an genau ein materielles Objekt gebunden ist. Der Vergleich mit dem Objekt Ring ist also sinnlos. Da Information beliebig vervielfältigt werden kann, ohne seinen Gehalt zu verlieren. Der Vater hätte also jedem Sohn einen funktionstüchtigen Ring geben können.
Das alles ist nur dann halbwegs verständlich, wenn man es in die Theologie der Freimaurer einordnet bzw. diese voraussetzt.. In der gibt es einen Weltbaumeister. Alle Religionen sind gleich. Es gibt keine absolute Moral. Und Gott mischt sich nicht ein. Das ist im Wesentlichen ein Deismus.
Wie die meisten Religionen, versuchen auch die Freimaurer die älteren Religionen oberflächlich zu vereinnahmen, obwohl diese letzlich negiert werden. Selbst geht diese Theologie aber freilich von ihrer Richtigkeit und Überlegenheit aus. Wie üblich lehnen alle älteren Religionen diesen Versuch der Vereinnahmung ab.
Die Ringparabel führt IMHO weniger zur Toleranz zwischen den behandelten Religionen, sondern zur Etablierung einer neuen, deistischen Sicht bei gleichzeitiger Zurückdrängung der angestammten Religionen. Wenn ich mir Umfrageergebnisse zum Thema Glauben ansehe, dann hatte das in Westeuropa, bei denen die sich noch immer Juden und Christen nennen, auch Erfolg.
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Othilic Gast
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(#267077) Verfasst am: 24.02.2005, 21:31 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: |
Weiters ist die Ringparabel eine falsche Analogie und zwar an vielen Punkten.
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Freut mich, daß nicht nur ich enttäuscht bin von der Ringparabel.
Zitat: |
In der Ringparabel ist allen drei Söhnen gewiss, dass sie ihren Ring vom Vater erhalten haben. Die drei Religionen können ihre Texte aber nicht auf einen Urheber zurückverfolgen.
Der Urheber der Ringe und Gott sind zwei unterschiedliche Personen in der Ringparabel. Der Islam behauptet aber sein Buch direkt von Gott, die anderen über Mittelsmänner bekommen zu haben. In jedem Fall ist die Fokusierung auf den Mittelsmann (nämlich den Vater) irreführend. Der stirbt noch dazu bevor es zu einer Klärung kommen kann und Gott mischt sich auch nicht ein. Dabei behaupten alle drei Religionen in ihren Büchern, dass sie jeweils die einzig wahre und alle anderen die falschen seien.
Die Ringe sind weiters identisch. Die Religionen unterscheiden sich aber und machen allerhand Aussagen über den Vater/Gott, die sich nun mal widersprechen. Es handelt sich nicht um perfekte Kopien.
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So wie ich das sehe, sind die Objekte der Parabel die Wahrheitsgehalte der 3 Religionen, nicht die Religionen selber. Die Wahrheitsgehalte sind ununterscheidbar, die Religionen selbst natürlich nicht.
Zitat: |
Eine Religion ist ein Gedankengebäude, das nicht an genau ein materielles Objekt gebunden ist. Der Vergleich mit dem Objekt Ring ist also sinnlos. Da Information beliebig vervielfältigt werden kann, ohne seinen Gehalt zu verlieren. Der Vater hätte also jedem Sohn einen funktionstüchtigen Ring geben können.
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Ja, hätte der Vater den einen echten Ring der Länge nach in drei sehr dünne Ringe geteilt ,
dann wäre die Parabel besser.
Zitat: |
Das alles ist nur dann halbwegs verständlich, wenn man es in die Theologie der Freimaurer einordnet bzw. diese voraussetzt
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Ist das eine Zustimmung zur zweiten Alternative meines obigen Postings?
Zitat: |
.. In der gibt es einen Weltbaumeister. Alle Religionen sind gleich. Es gibt keine absolute Moral. Und Gott mischt sich nicht ein. Das ist im Wesentlichen ein Deismus.
Wie die meisten Religionen, versuchen auch die Freimaurer die älteren Religionen oberflächlich zu vereinnahmen, obwohl diese letzlich negiert werden. Selbst geht diese Theologie aber freilich von ihrer Richtigkeit und Überlegenheit aus. Wie üblich lehnen alle älteren Religionen diesen Versuch der Vereinnahmung ab.
Die Ringparabel führt IMHO weniger zur Toleranz zwischen den behandelten Religionen, sondern zur Etablierung einer neuen, deistischen Sicht bei gleichzeitiger Zurückdrängung der angestammten Religionen. Wenn ich mir Umfrageergebnisse zum Thema Glauben ansehe, dann hatte das in Westeuropa, bei denen die sich noch immer Juden und Christen nennen, auch Erfolg. |
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Mautpreller Ortograf
Anmeldungsdatum: 17.02.2005 Beiträge: 246
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(#267229) Verfasst am: 25.02.2005, 10:30 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Also mir gefällt da eher der Aufklärungsbegriff von Immanuel Kant |
Siehst Du da einen Widerspruch?
Übrigens sind das zwei verschiedene Sorten von Texten: Kant spricht als Filosof, Lessing schreibt ein Drama. In dem Drama erzählt der Jude Nathan dem Muslim Saladin diese Geschichte als Gleichnis (und bewirkt damit etwas bei ihm). Die Ringparabel spielt eine große Rolle im Nathan, aber sie ist nicht als Aufsatz Lessings über die Aufklärung zu verstehen.
Deine Kritik, die Parabel sei eine "falsche Analogie", hängt zum Teil damit zusammen, dass Du sie einfach als "Meinung Lessings" aufnimmst (und nicht als die Geschichte einer Person - Nathan -, die selbst einer dieser Offenbarungsreligionen anhängt, übrigens interessanterweise der ältesten von ihnen, von der man wirklich sagen kann, die beiden anderen "stammen von ihr ab"). Zum Teil hängt sie - verzeih - auch mit ungenauer Lektüre zusammen.
Von "Gott" ist in der Parabel wirklich nur in einem Betracht die Rede: nämlich in dem Punkte, der Ring habe die Kraft, "vor Gott und Menschen angenehm zu machen". Eine wie große Rolle das wirkliche, leibliche Abstammen von Vater zu Sohn in den monotheistischen Religionen spielt, machst Du Dir vielleicht nicht klar - es ist das "unhintergehbare", ganz körperliche Ableiten von dem, der die Offenbarung noch "hatte". Aber der, der die Offenbarung hatte, ist tot! In allen Fällen ...
Dass alle drei "ihre" Religion für allein richtig und direkt ("unmittelbar") vom Schöpfer offenbart halten ("wie auch wahr!"), kannst Du ohne Probleme im Text wiederfinden. Ähnliches gilt für ein zentrales Argument von Dir:
Zitat: | Die Ringe sind weiters identisch. Die Religionen unterscheiden sich aber |
Genau dieses Argument bringt Saladin:
Zitat: | Ich dächte,
Daß die Religionen, die ich dir
Genannt, doch wohl zu unterscheiden wären.
Bis auf die Kleidung, bis auf Speis' und Trank! |
Und Nathan antwortet:
Zitat: | Und nur von seiten ihrer Gründe nicht.
Denn gründen alle sich nicht auf Geschichte?
Geschrieben oder überliefert! |
Also gleichermaßen auf Tradition! Aber wo Tradition ins Spiel kommt, kommt auch Vermittlung ins Spiel, und Kritik, und Zweifel, und andererseits Anerkennung. (Was Nathan weiter sagt, ist übrigens auch sehr interessant, vgl. http://gutenberg.spiegel.de/lessing/nathan/nathan37.htm)
othilic hat folgendes geschrieben: | Aber nochmal eine grundsätzliche Frage:
Handelt es sich bei der Ringparabel um einen Text, der einem Lessingsches Denken teilweise erschließen kann, wenn man es noch nicht kennt [das habe ich versucht mit bekanntem Ergebnis]
oder
ist sie eine Art "gedankliches Symbol" für Lessingsches Denken, das man gar nicht so genau zerpflücken sollte, sondern sich lieber gleich mit Lessing beschäftigt [ich habe den Eindruck, daß einige hier das vertreten] ? |
Auf so eine Frage weiß ich keine rechte Antwort. Meine Meinung ist, der "Nathan" ist ein interesanter Text, und wenn man ihn genau liest und möglichst auch sieht (auf dem Theater), kann er einem u.U. was bringen. Auch die Ringparabel für sich ist interessant und spricht z.B. bei mir etwas an, was ich prompt oben als ihren Inhalt bezeichnet habe (mit genannten Gründen, aber natürlich auch deshalb, weil ich das selbst gut finde). Texte "zerpflücken"? Na ja, ich finde zum Beispiel Deine Überlegung, dass das "Testresultat" des Richters erklärbar wäre, wär jeder Ring echt, einen interessanten Versuch. Insofern kann Zerpflücken sehr sinnvoll sein. Bloß die Parabel als eine Art Glaubensbekenntnis oder Stellungnahme Lessings zu verstehen und insofern zu zerpflücken, trifft glaube ich daneben und hilft dem Verständnis nicht.
Gruß und Kuss Mautpreller
_________________ Die niederen Alkanthiole sind widerlich riechende Flüssigkeiten ohne besondere praktische Bedeutung (Lautenschläger u.a. 1987, Chemie - Fakten und Gesetze). --- Die Ärmsten!
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ALGDGADU registrierter User
Anmeldungsdatum: 12.01.2004 Beiträge: 392
Wohnort: Nürnberg
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(#267266) Verfasst am: 25.02.2005, 12:42 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Das alles ist nur dann halbwegs verständlich, wenn man es in die Theologie der Freimaurer einordnet bzw. diese voraussetzt.. In der gibt es einen Weltbaumeister. Alle Religionen sind gleich. Es gibt keine absolute Moral. Und Gott mischt sich nicht ein. Das ist im Wesentlichen ein Deismus.
Wie die meisten Religionen, versuchen auch die Freimaurer die älteren Religionen oberflächlich zu vereinnahmen, obwohl diese letzlich negiert werden. Selbst geht diese Theologie aber freilich von ihrer Richtigkeit und Überlegenheit aus. Wie üblich lehnen alle älteren Religionen diesen Versuch der Vereinnahmung ab.
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Dein "Denkfehler" ist, dass Du die Freimaurerei als Religion definierst, was sie jedoch eindeutig nicht ist. Von daher gibt es auch keine freimaurerische Theologie. Der "Große Baumeister aller Welten" ist ein Symbol für ein "schöpferisches Prinzip". Die Freimaurerei macht keinerlei Aussagen darüber, wie dieses "schöpferische Prinzip" aussieht (personifizierter Gott, deistischer Gott, physikalische Prinzipien des Universums,...). Genau, weil jeder Freimaurer eine eigene (mehr oder weniger religiöse oder auch nicht religiöse) Vorstellung des "schöpferischen Prinzips" hat und man diese Frage nicht entscheidet bzw. entscheiden will, setzt man im freimaurerischen Denken eben ein Symbol ein: den "Baumeister der Welten" (in der Freimaurerei wimmelt es nur so von Symbolen, die jeder für sich selbst zu deuten hat, sie sind meist den mittelalterlichen Dombauhütten entlehnt). Diese Ersetzung durch ein Symbol ermöglicht eine absolut dogmenfreie Auseinandersetzung z. B. mit der Entstehung des menschlichen Lebens, da durch das Symbol keiner gezwungen ist, seinen Glauben oder seine Vorstellung aufzugeben. Diese kurze Erläuterung ist übrigens ein sehr gutes Beispiel für das Prinzip der freimaurerische Symbolarbeit.
ALGDGADU
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#267277) Verfasst am: 25.02.2005, 13:53 Titel: |
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Mautpreller hat folgendes geschrieben: | Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Also mir gefällt da eher der Aufklärungsbegriff von Immanuel Kant |
Siehst Du da einen Widerspruch? |
Er hat aber auch mit deinem nichts gemein:
Mautpreller in einem seiner letzten Postings hat folgendes geschrieben: | Nur noch vermittelt können wir nach Wahrheit und dem Richtigen streben, wir können nicht (mehr) im Richtigen sein. Aufklärung heißt, sich das einzugestehen. In meiner Sicht trifft das übrigens ebenso eine dogmatisierte Aufklärung selbst; auch die "Werte der Aufklärung" (m.E. ein Widerspruch in sich) kann man nicht "haben". |
Das ist unbegründet. Ein aufgeklärter Mensch ist keiner, der alle Dogmen ablehnt, sondern es ist einer, der Mut hat selber zu denken. Ob er kraft seines Verstandes den Inhalt eines Dogmas akzeptiert oder nicht, ist seine Entscheidung. Ich sehe die Aufklärung nicht als Aufuf zum Relativismus.
Mautpreller hat folgendes geschrieben: |
Deine Kritik, die Parabel sei eine "falsche Analogie", hängt zum Teil damit zusammen, dass Du sie einfach als "Meinung Lessings" aufnimmst (und nicht als die Geschichte einer Person - Nathan -, die selbst einer dieser Offenbarungsreligionen anhängt, übrigens interessanterweise der ältesten von ihnen, von der man wirklich sagen kann, die beiden anderen "stammen von ihr ab"). |
In der Praxis haben Judentum, Christentum und Islam, bis auf ein paar Beteuerungen (Monotheismus) nichts miteinander gemein.
Mautpreller hat folgendes geschrieben: |
Zum Teil hängt sie - verzeih - auch mit ungenauer Lektüre zusammen. |
Ich hatte die Ringparabel noch mal extra vor meinem letzten Posting gelesen. Aber vermutlich las ich sie nicht oft genug ....
Mautpreller hat folgendes geschrieben: |
Von "Gott" ist in der Parabel wirklich nur in einem Betracht die Rede: nämlich in dem Punkte, der Ring habe die Kraft, "vor Gott und Menschen angenehm zu machen". Eine wie große Rolle das wirkliche, leibliche Abstammen von Vater zu Sohn in den monotheistischen Religionen spielt, machst Du Dir vielleicht nicht klar - es ist das "unhintergehbare", ganz körperliche Ableiten von dem, der die Offenbarung noch "hatte". Aber der, der die Offenbarung hatte, ist tot! In allen Fällen ... |
Die Offenbarung hatte in allen Fällen ein anderer. Die früherern Propheten wettern gegen alle Nachfolgenden als "falsche Propheten". Die späteren behaupten die Aussagen der alten abzulösen und durch neue zu ersetzen und wettern gegen die Anhänger der älteren Religionen.
Ob Gott höchst persönlich agiert, oder durch Propheten ist ziemlich egal. Im Übrigen ist der große Prophet des Christentums Gott selbst!
Und genau da sehe ich das deistische Weltbild. Gott ist komplett teilnahmslos. Es ist im egal, wer den Ring hat, genauso wie einer Nationalbank egal ist, wer ihre Geldscheine hat. Den Religionen zu Folge hat Gott aber immer wieder eingefriffen und zum Ring (der richtigen Religion) Stellung genommen.
Mautpreller hat folgendes geschrieben: |
Dass alle drei "ihre" Religion für allein richtig und direkt ("unmittelbar") vom Schöpfer offenbart halten ("wie auch wahr!"), kannst Du ohne Probleme im Text wiederfinden. Ähnliches gilt für ein zentrales Argument von Dir:
Zitat: | Die Ringe sind weiters identisch. Die Religionen unterscheiden sich aber |
Genau dieses Argument bringt Saladin:
Zitat: | Ich dächte,
Daß die Religionen, die ich dir
Genannt, doch wohl zu unterscheiden wären.
Bis auf die Kleidung, bis auf Speis' und Trank! |
Und Nathan antwortet:
Zitat: | Und nur von seiten ihrer Gründe nicht.
Denn gründen alle sich nicht auf Geschichte?
Geschrieben oder überliefert! |
Also gleichermaßen auf Tradition! Aber wo Tradition ins Spiel kommt, kommt auch Vermittlung ins Spiel, und Kritik, und Zweifel, und andererseits Anerkennung. |
Nathan entkräftet das Argument Saladins aber überhaupt nicht. Er beantwortet die Frage gar nicht, sondern lenkt nur ab. Die Religionen unterscheiden sich trotzdem, slesbt wenn sie alle auf die selbe Überlieferung berufen würden. Weiters enthalten sie Verurteilungen der jeweils anderen Religion und eben widersprüchliche Aussagen über Gott und auch den Vater (die Propheten). Und sie verlangen weiters eine gewisse Verhaltensweise gegenüber zu anderen Religionen, bis zum Dschihad. (Den der historische Saladin übrigens begeistert förderte)
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