Springbrunnen

[Kadaj]

Ich saß bei Sonnenschein auf einer Bank vor einem großen Springbrunnen.
Aus der leicht bewellten Oberfläche stießen in unregelmäßiger Folge zeitgleich mehrere Wasserfontänen in die Höhe. Jede von ihnen sprudelte nun eine Zeit, versiegte wieder, und neue Wasserstrahlen schossen empor.

Ich möchte dieses Schauspiel mit allem Sein auf Erden vergleichen.

Jede Fontäne stellt dabei ein Ding oder ein Wesen dar, entweder ein einzelnes oder eine Mehrzahl. Das Formieren zur Wasserfontäne ist die Geburt, die Entstehung, das Zusammenkommen zu einer Struktur. Diese Form hält nun nicht ewig, nur auf Zeit. Auf Lebenszeit. Wie kommen die Wassertropfen zusammen, welche Kraft treibt sie an, eine neue Form zu bilden, ist es Zufall, ist es ihre Absicht, Gott, ein unbegreiflicher Mechanismus, ein Naturgesetz? Warum entsteht das Leben? Spielt es eine Rolle?

Eine Fontäne kann sein ein Mensch, ein anderes Tier, eine Pflanze, ein Stein, Feuer und vieles mehr. Sie kann auch für eine Gruppe stehen, etwa eine Familie, oder in Flora und Fauna eine Gattung. Der Beobachter sieht nun die Fontäne, sieht sie als feste und zugleich fließende Form. Die Fontäne ist da, doch oben spritzt das Wasser hinfort, und von unten strömt neues nach. Ist es so nicht auch bei allem Lebendigen? Physisch scheidet jeder Körper mit der Zeit alte Bausteine aus und ersetzt sie durch neue Bestandteile, die er durch Nahrung, Atmung, Stoffwechsel aus der Umgebung aufnimmt. Auch der Geist befindet sich im Fluss. Das Denken schöpft beständig neu aus dem Bassin des Wissens und der Weisheit.
So nimmt auch der Wasserstrahl neues Wasser aus dem Pool auf, und erneuert sich stetig selbst. Schon nach kurzer Zeit ist kein Wassertropfen vom Anbeginn des Sprudelns mehr im Strahl – und doch sehen wir weiterhin die gleiche Fontäne.

Kein Tropfen geht dem Becken verloren, es ist ein ewiger Kreislauf. Gerade noch war der eine Wassertropfen Teil dieser, jetzt schon jener, bald schon einer weiteren Fontäne.
Jede Fontäne ist nur ein Zustand, jeder Teil des Strahls bald schon Teil eines anderen. Jedes Ding, jedes lebende Wesen, und sogar jeder Mensch ist bloß ein Zustand, und auch für die kurze Zeit seines Lebens niemals abgeschottet von dem Reich, aus dem er stammt, aus dem er sich ununterbrochen regeneriert, und in das er eines Tages gänzlich eingeht.
Was heute noch Teil von mir war – körperlich wie geistig – wird mich schon bald verlassen und eingehen in ein anderes Etwas – eine Pflanze, vielleicht einen Baum oder eine Distel, ein Tier, vielleicht einen Adler oder Wurm, oder vielleicht in einen anderen Menschen, meinen Freund, meinen Feind, meine ungeborenen Urenkel.
Der Tod ist wie das Ende der Fontäne. Von unten strömt kein Wässerchen mehr nach, nach oben entweicht der letzte Rest.

Wer dies erkennt, versteht das Leben.



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[George]

hört sich gut an . muß ein guter Stoff sein den du da am Springbrunnen geraucht hast .

[der kleine Fritz]

George hat geschrieben:

[George]

[Ingelein]

[quote="Kadaj"] Eine Fontäne kann sein ein Mensch, ein anderes Tier, [quote]

Das hast du aber sehr schön gesagt...
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Glauben hört auf, wo Wissen anfängt.
Und sowieso fängt Wissen an, wo Glauben aufhört.

[Raphael]

Der römische Brunnen
von
Conrad Ferdinand Meyer


Auf steigt der Strahl und fallend gießt er voll der Marmorschale Rund,
die, sich verschleiernd, überfließt in einer zweiten Schale Grund.
Die zweite gibt, sie wird zu reich, der dritten wallend ihre Flut,
und jede nimmt und gibt zugleich und strömt und ruht.