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Nachtrag zur Nationalstolzdebatte

 
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Mikha
registrierter User



Anmeldungsdatum: 23.07.2005
Beiträge: 1
Wohnort: Heidelberg

Beitrag(#363779) Verfasst am: 25.10.2005, 22:40    Titel: Nachtrag zur Nationalstolzdebatte Antworten mit Zitat

Thesen zur Stolz-Debatte (CDU verrsus Trittin vor einigen Jahren)

1. Psychologischer Hintergrund zum Stolz-Gefühl:
- Wer stolz ist auf jemanden/etwas, fühlt sich in irgendeiner Weise verbunden mit dieser Person/diesem Ding. Das Stolzgefühl entsteht dabei durch die unbewusste Hoffnung bzw. die unbewusste Erfahrung, dass die Nähe zum Erfolg abfärbt auf einen selbst. So ist man stolz auf die Leistung eines/r Angehörigen/Freundes/Freundin/etc, weil das eigene Sozial-prestige dadurch gehoben wird/werden könnte.
Man ist beispielsweise stolz auf die eigene Nationalmannschaft oder auf Michael Schuh-macher, weil man selbst Deutsche/r ist und auf diese Weise am Ruhm teil hat. D.h.. man erhofft sich unbewußt als Deutsche/r mit den Leistungen der Sportler in positive Korrelation gebracht zu werden.
So ist man z.B. nicht stolz auf den WM-Sieg der Brasilianer im Jahre 1994, außer man hat vielleicht lange in Brasilien gelebt oder ist HalbbrasilianerIn, etc. Genauso ist man nicht stolz auf die Fahrkünste von Alain Prost, wenn man sich nicht sogar in diesem Fall am Erfolg irgendwie beteiligt fühlt, dadurch dass man schliesslich wie Prost Europäer ist. Man könnte auch dann unbewusst hoffen, allein durch diese Verbindung als potentiell gute/r AutofahrerIn identifiziert zu werden.
- Aus diesem Grund (Sozialprestige) würde man auch ungern auf Ruhm verzichten, etwa indem man einen Film oder ein Buch anonym produziert. Der Oskar oder der Buchpreis müsste dann symbolisch vergeben werden, weil die UrheberIn nicht zu ermitteln ist.
- Stolz ist man auch auf ein großes Auto, wieso sonst ist auf dem Heck die Größe des Hubraumes angegeben, womit in etwa die Leistung des Motors sichtbar gemacht wird.
Fazit: Es handelt sich beim Stolz um ein Phänomen der Selbstsucht und des Egoismus, was noch nichts Negatives zu sein braucht. Allerdings gibt es wenig Grund, mit diesem Gefühl anzugeben, indem man es plakativ vor sich herträgt. Selbst ausgesprochen stolze „Sportväter“ würden es vermeiden mit einem Aufkleber „mein Sohn wurde deutscher Meister im Zehnkampf 1999“ umherzulaufen. Es wäre schlicht peinlich!
2. Zur konkreten Debatte in Deutschland
- Es gibt in den letzten Jahren in Deutschland geradezu einen rechtsradikalen Flächenbrand, insbesondere im Osten der Republik. Man hat eine starke Zunahme von „rechten“ Gewalttaten zu verzeichnen. Gewalttäter aus der rechten Szene werden zum Teil erst nach 2 Jahren vor Gericht gestellt und bleiben so lange auf freiem Fuß. Ganze Regionen sind bereits sogenannte „national befreite Zonen“. Ausländer und politisch eher links eingestellte Personen leben dort in Angst, sofern sie überhaupt noch dort wohnen. Man stelle sich vor, solche Zonen gäbe es von linksradikaler Seite her. Zonen, in die sich keine der Union nahestehenden Personen mehr trauen kann. Das ganze Land wäre in Alarmstimmung, Spezialeinheiten der Polizei und des Grenzschutzes würden dort jeden Stein umdrehen, die Urteile kämen rasch und streng und das zurecht!
- Die Parole „Stolz ein Deutscher“ zu sein, wird von diesen rechtsgewalttätigen Gruppen seit vielen Jahren öffentlichkeitswirksam als Erkennungsmerkmal genutzt.
- Will man diesen Slogan rehabilitieren, so muss man deutlich machen, dass man eine andere Konnotation mitdenkt. Man muss bedenken, dass bestimmte Begriffe und Bezeichnungen ansonsten in dem bisher bekannten Zusammenhang interpretiert wird/werden kann. Auch der Vorname „Adolf“ ist heute nicht mehr übermäßig beliebt. Um solche historischen Einschränkungen kommt man schwerlich herum.
- Warum will man eine solche Parole rehabilitieren? Immerhin grenzt sie von anderen ab (wie noch gezeigt wird) und kokettiert mit einem Gefühl, das für sozial normal entwickelte Menschen eher peinlich ist (s.o.).
3. Stolz ein Deutscher zu sein? Warum?
- Ist man stolz auf die Leistung der Deutschen? Auch viele Ausländer leisten viel in Deutschland. Auch im Ausland wird viel geleistet. Ist es nicht viel bedeutender, was andere, viel ärmere Nationen leisten, die oftmals ungleich schwierigeren Bedingungen gegenüberstehen als wir Deutsche, die wir im drittreichsten Land der Erde leben? Viele Länder etwa haben die Folgen von langjährigen Bürgerkriegen oder Dürrekatastrophen zu tragen? Wenn Michael Schuhmacher immer nur 17. oder 20. wäre und nicht der beste Formel 1 Pilot, wären dann so viele stolz auf ihn? In diesem Sinne sind die Deutschen in Sachen „Leistung“ relativ zur Ausgangslage vielleicht weltweit nur an 17. oder 20. Stelle. Das Stolzgefühl wäre dann noch unpassender.
- Ist man stolz auf die Landschaft? Andere Landschaften sind auch schön, sicher gibt es sogar schönere. Ebenso sicher ist, dass es bezüglich der heimatlichen Landschaft angemessenere Gefühle gibt als ausgerechnet den Stolz.
- Etymologisch betrachtet ist das Wort Stolz von der „Stelze“ abgeleitet. Es geht also darum, sich über andere zu erheben, sozusagen auf Stelzen zu laufen. Man hat es bei den Stolzen also auch sprachgeschichtlich mit den Überheblichen zu tun.
- Geschichtlich gesehen hat der öffentlich zur Schau gestellte Nationalstolz noch selten Gutes bewirkt. So gab und gibt es Kriege aus vielen (z.B. aus wirtschaftlichen) Gründen, aber das „stolze“ Gefühl, besser zu sein als die anderen Menschen, die man gerade überfällt, ist wohl zumeist ein weiteres ausschlaggebendes Kriegsmotiv. Wer sich den Menschen anderer Nationen stattdessen brüderlich/schwesterlich/väterlich/mütterlich verbunden fühlt, trägt weder seinen Nationalstolz dumpf und lautstark vor sich her, noch neigt er/sie zu kriegerischer Auseinandersetzung.
- Stolz hat auch ein Geschlecht. Mit der „stolzen“ Präsentation ihres Nationalstolzes sind vorwiegend Männer beschäftigt. Sie haben in der Regel ohnehin einen unreiferen Umgang mit der eigenen Gefühlswelt. Um Freude und Genuß erleben zu können, brauchen Männer mehr und stärkere Reize von außen als Frauen und neigen daher zu risikoreicherem Freizeitverhalten und auch eher zu Aggressionen. Der „Hahnenstolz“ ist dabei ein geeignetes Verhaltensrepertoire, nicht nur bei der Brautschau, sondern auch beim Ausleben von Macht, Gewalt und Aggression. Wenigstens sind unsere nationalstolzen männlichen Landsleute mit ihrer Gockelhaftigkeit näher an der Tierwelt.
- Die Befürworter und Liebhaber des Nationalstolzbegriffes aus der Christenunion könnten sich darüber hinaus mit der Frage beschäftigen, wie ihre religiöse Leitfigur, Jesus, zu dieser Frage stehen würde. Immerhin berufen sie sich ja auch im politischen Umfeld auf den berühmten Gottessohn. Nun war Jesus Aramäer, er sprach wahrscheinlich mehrere Sprachen, jedoch sicherlich nicht deutsch. Sollten wir stolz sein auf Palästina, das Land, welches unseren Jesus hervorgebracht und genährt hat? War Jesus stolz darauf, ein aramäischer Jude zu sein und nicht etwa ein griechischer Jude oder gar ein Römer.
Nein, jede/r Christ/in spürt, dass Jesus solche Gefühle von sich gewiesen hätte. Er hätte hervorgehoben für alle Menschen gleichermaßen zu fühlen und nach Möglichkeit für sie da zu sein, unabhängig von ihrer Nationalität.
- In der Bibel wird überdies an zahlreichen Stellen in Texten und Psalmen auf die Stolzen hingewiesen. Sie und das Gefühl des Stolzes, das ein Laster ist, sollen gemieden werden, so ist vielfach zu lesen. Bescheidenheit, Mitgefühl und Hilfsbereitschaft werden dagegen als Tugend propagiert.
- Wenn wir stolz darauf sind Deutsche zu sein, sind wir dann auch stolz darauf Europäer zu sein? Wenn ja, sind wir stolz auf unser Menschsein? Immerhin sind wir keine Hunde oder gar Ratten oder Käfer. Auch könnten wir stolz darauf sein, Erdlinge zu sein und nicht etwa auf dem Mars zu leben oder auf einem sonstigen Planeten. Spätestens hier sollte auch ein Unionschrist die Absurdität des „Stolzseins“ erkennen können.
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annox
Grim Reaper



Anmeldungsdatum: 30.05.2004
Beiträge: 5800
Wohnort: Berlin

Beitrag(#363817) Verfasst am: 26.10.2005, 02:53    Titel: Antworten mit Zitat

Guter Beitrag. Er würde sich aber besser lesen, wenn Du ihn noch etwas gliederst und formatierst.
_________________
Ich bin jenes Pferd, das unter der Peitsche der Kutscher den Wagen voller Gesindel hinter sich her ziehen muss.
[Sadegh Hedayat]
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