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Grammatik und Naturwissenschaft
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Sokrateer
souverän



Anmeldungsdatum: 05.09.2003
Beiträge: 11649
Wohnort: Wien

Beitrag(#118213) Verfasst am: 23.04.2004, 16:56    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:

Bei Taubstummen sind sogar 100% nonverbal zwinkern

Nichtsymbolisch wäre wohl der richtige Ausdruck. Wir unterhalten uns ja auch nicht verbal....
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Wygotsky
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Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#118223) Verfasst am: 23.04.2004, 18:03    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Die Grammatik liegt auf einer völlig anderen Ebene und ist beim menschen neurologisch in ihren Grundstrukturen verankert (davon jedenfalls geht Noam Chomsky aus).


Es gibt neuronale Netze, die beim erlernen von Vergangenheitsformen die gleichen Entwicklungsphasen durchlaufen wie menschliche Lerner. Chomskys language acquisition device erscheint mir daher als ein unnötig gewordenes Postulat.

Was spricht deiner Ansicht nach heute noch für seine Existenz?
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Wygotsky
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Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#118226) Verfasst am: 23.04.2004, 18:07    Titel: Re: Grammatik und Naturwissenschaft Antworten mit Zitat

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Der Unterschied liegt bei dem, was Menschen mit der Sprache ausdrücken, machen und mit ihr umgehen, also Semantik, Pragmatik und Fehlertoleranz bzw. Entwicklung. Man könnte aber heute eigentlich argumentiern, dass diese Bereiche gar nicht zur Linguistik passen, sondern besser in der Psychologie, Geschichtswissenschaft, etc. aufgehoben sind ....


Welche Wissenschaft wäre deiner Ansicht nach für Formulierungen wie "Ich zeig dir wo der Hammer hängt" zuständig? Bislang dachte ich immer, mich für solche Fälle an Linguisten wenden zu müssen.
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Shadaik
evolviert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 26377
Wohnort: MG

Beitrag(#118240) Verfasst am: 23.04.2004, 18:51    Titel: Antworten mit Zitat

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Die Grammatik liegt auf einer völlig anderen Ebene und ist beim menschen neurologisch in ihren Grundstrukturen verankert (davon jedenfalls geht Noam Chomsky aus).


Es gibt neuronale Netze, die beim erlernen von Vergangenheitsformen die gleichen Entwicklungsphasen durchlaufen wie menschliche Lerner. Chomskys language acquisition device erscheint mir daher als ein unnötig gewordenes Postulat.

Was spricht deiner Ansicht nach heute noch für seine Existenz?

Was für neuronale Netze? Am Computer simulierte oder einfach andere?

Ich selber bin der Universalgrammatik gegenüber auch sehr skeptisch ("take any language for example english" Lachen ), habe aber leider noch kein besseres Modell gesehen.
_________________
Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Wygotsky
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Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#118252) Verfasst am: 23.04.2004, 19:26    Titel: Antworten mit Zitat

An Computern simulierte.

Ich möchte hier übrigens nicht die These aufstellen, dass ein am Computer simuliertes neuronales Netz die Vergangenheitsformen so lernt, wie ein menschliches Gehirn. Was weiß ich, wie ein menschliches Gehirn die Vergangenheitsformen lernt?

Eines zeigt eine solche Computersimulation aber: Man muss keine spezielle Hirnstruktur postulieren, die auf das Erkennen und Herausfiltern grammatikalischer Muster spezialisiert ist. Schon gar nicht muss man von einer Universalgrammatik ausgehen, über die wir angeborenes Wissen haben. Es wäre genauso denkbar, dass jeder Mensch bezüglich der Grammatik zunächst eine Tabula rasa ist. Und es ist denkbar, dass die Hirnstrukturen, die Grammatik lernen, auch ganz andere Dinge lernen könnten bzw. dass Grammatik auch von nicht dafür spezialisierten Hirnstrukturen gelernt werden könnte.

Meine persönliche Meinung zur Universalgrammatik: Ich glaube nicht daran. Vor ein paar Jahren las ich, ein Schüler Chomskys habe ein Buch namens "Atoms of language" herausgebracht, in dem er die vielbeschworene Universalgrammatik endlich zustande gebracht habe. Wenn der Typ recht gehabt hätte, wären jetzt wohl alle Übersetzer arbeitslos.
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Sokrateer
souverän



Anmeldungsdatum: 05.09.2003
Beiträge: 11649
Wohnort: Wien

Beitrag(#118253) Verfasst am: 23.04.2004, 19:26    Titel: Re: Grammatik und Naturwissenschaft Antworten mit Zitat

Wygotsky hat folgendes geschrieben:

Welche Wissenschaft wäre deiner Ansicht nach für Formulierungen wie "Ich zeig dir wo der Hammer hängt" zuständig? Bislang dachte ich immer, mich für solche Fälle an Linguisten wenden zu müssen.

Kommt drauf an, welcher Aspekt dich daran interessiert. Die Frage, wie Idiomatik funktioniert, ist letztlich eine der Kognitionswissenschaft. Und die ist eng verbunden mit Psychologie, Linguistik, AI, Neurologie, usw.
Wenn dich interessiert, was das ist und wie diese Ausdrucksweise entstanden ist, welche ähnlich sind, wie sie eingesetzt wird usw., dann musst du dich an den Linguisten wenden.
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Wygotsky
registrierter User



Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#118255) Verfasst am: 23.04.2004, 19:28    Titel: Re: Grammatik und Naturwissenschaft Antworten mit Zitat

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Wygotsky hat folgendes geschrieben:

Welche Wissenschaft wäre deiner Ansicht nach für Formulierungen wie "Ich zeig dir wo der Hammer hängt" zuständig? Bislang dachte ich immer, mich für solche Fälle an Linguisten wenden zu müssen.

Kommt drauf an, welcher Aspekt dich daran interessiert. Die Frage, wie Idiomatik funktioniert, ist letztlich eine der Kognitionswissenschaft. Und die ist eng verbunden mit Psychologie, Linguistik, AI, Neurologie, usw.
Wenn dich interessiert, was das ist und wie diese Ausdrucksweise entstanden ist, welche ähnlich sind, wie sie eingesetzt wird usw., dann musst du dich an den Linguisten wenden.


Kann ich so nachvollziehen.
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Sokrateer
souverän



Anmeldungsdatum: 05.09.2003
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Wohnort: Wien

Beitrag(#118258) Verfasst am: 23.04.2004, 19:34    Titel: Antworten mit Zitat

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Schon gar nicht muss man von einer Universalgrammatik ausgehen, über die wir angeborenes Wissen haben. Es wäre genauso denkbar, dass jeder Mensch bezüglich der Grammatik zunächst eine Tabula rasa ist.

Letzlich ist die Frage, ob die Voraussetzungen für Grammatikverständnis durch die Evolution, oder durch Lernen entstehen, nicht so großartig. Man kann Chomsky sicher nicht darauf reduzieren. Die Universalgrammatik muss nicht angeboren sein, um universell zu sein.

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Meine persönliche Meinung zur Universalgrammatik: Ich glaube nicht daran. Vor ein paar Jahren las ich, ein Schüler Chomskys habe ein Buch namens "Atoms of language" herausgebracht, in dem er die vielbeschworene Universalgrammatik endlich zustande gebracht habe. Wenn der Typ recht gehabt hätte, wären jetzt wohl alle Übersetzer arbeitslos.

So einfach ist das nicht. Die Grammatik einiger Sprachen, wie z.B. Englisch, bzw. einiger Kunstsprachen, konnte man schon vollständig aufschreiben und einem Computer füttern. Trotzdem kommen auch zwischen diesen Sprachen keine perfekten Übersetzungen zustande. Grammatik ist eben nur ein Problem der Übersetzung.
Letztlich ist eine Übersetzung in vielen Fällen gar nicht möglich, wie z.B. beim Humor, Lyrik und ähnlichem.
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#118269) Verfasst am: 23.04.2004, 20:14    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Sokrateer,

[ ... ]

Sokrateer hat folgendes geschrieben:

Letztlich ist eine Übersetzung in vielen Fällen gar nicht möglich, wie z.B. beim Humor, Lyrik und ähnlichem.


das sehe ich auch so. Ich vermute, dass hier letzten Endes so etwas wie 'Bewusstsein' eine Rolle spielt, das nicht funktionell äquivalent nachgebaut werden kann, weil es eine Emergenz einer bestimmten materiellen Struktur ist. Wie gesagt, das läuft auf den Unterschied zwischen 'fungieren' und 'funktionieren' hinaus. Vielleicht sollten wir das gelegentlich durchdiskutieren.

Du kannst vermutlich ein Feuer im Computer simulieren, aber das ist nicht heiß im phänomenologischen Sinne. Genauso kannst Du bestimmte Hirn-Prozesse im PC simulieren, aber das ist kein menschliches Bewusstsein, bestenfalls ein Computer-Bewusstsein.

Grüßle

Thomas
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Wygotsky
registrierter User



Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#118270) Verfasst am: 23.04.2004, 20:40    Titel: Antworten mit Zitat

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Schon gar nicht muss man von einer Universalgrammatik ausgehen, über die wir angeborenes Wissen haben. Es wäre genauso denkbar, dass jeder Mensch bezüglich der Grammatik zunächst eine Tabula rasa ist.

Letzlich ist die Frage, ob die Voraussetzungen für Grammatikverständnis durch die Evolution, oder durch Lernen entstehen, nicht so großartig. Man kann Chomsky sicher nicht darauf reduzieren. Die Universalgrammatik muss nicht angeboren sein, um universell zu sein.


Wäre die Universalgrammatik nicht angeboren, so müsste sie bei allen Menschen unabhängig voneinander entstehen, gleichgültig, in welcher Sprachgemeinschaft sie aufwachsen.

Eine der Stärken der Idee einer Universalgrammatik ist, dass sie erklären könnte, wieso Menschen Sprachen so schnell lernen können. Schneller jedenfalls als ein behaviouristisches Modell des Spracherwerbs erlaubt. Wenn die Universalgrammatik selber erst gelernt werden muss, dann sehe ich keinen theoretischen Nutzen. Dann kann der Lerner auch gleich die spezielle Grammatik seiner Muttersprache lernen.

Das ist in meinen Augen das überzeugendere Konstrukt: Wer Deutsch lernt, lernt deutsche Grammatik. Wer Spanisch lernt, lernt spanische Grammatik. Und wenn man deutsche Grammatik in spanische Grammatik überführen will, muss man sich den Kopf zerbrechen.

[quote="Sokrater" ]So einfach ist das nicht. Die Grammatik einiger Sprachen, wie z.B. Englisch, bzw. einiger Kunstsprachen, konnte man schon vollständig aufschreiben und einem Computer füttern.[/quote]

Was immer das bedeuten mag. Ich vermute mal: Wenn eine Form auftritt, die in dieser "vollständigen" Beschreibung nicht erklärbar ist, dann ist das unerklärbare eben einfache keine Grammatik.

Sokrater hat folgendes geschrieben:
Grammatik ist eben nur ein Problem der Übersetzung.


Bitte näher erklären. Inwiefern ist Grammatik nur ein Problem der Übersetzung. Auch Leuten, die keine Fremdsprachen beherrschen, helfen Grammatikkenntnissse, um die Rechtschreibregeln anzuwenden. Außerdem ist der Versuch, eine Sprache grammatikalisch zu beschreiben, an sich interessant.

Sokrater hat folgendes geschrieben:
Letztlich ist eine Übersetzung in vielen Fällen gar nicht möglich, wie z.B. beim Humor, Lyrik und ähnlichem.


Der Humor ist ein gutes Beispiel dafür, dass in die Übersetzung einer sprachlichen Äußerung außersprachliches Wissen einfließt. Habe ich das außersprachliche Wissen nicht, kann ich nicht lachen. Man kann dieses außersprachliche Wissen natürlich sprachlich nachliefern. Das heißt einen Witz erklären. Wenn ein Witz erklärt wird, wirkt er nicht mehr. Insofern ähneln Witze Zauberkunststücken. Das wäre wahrscheinlich eher ein Thema für die Psychologie.

Das Beispiel mit dem Humor stärkt aus meiner Sicht diesen Standpunkt.

Sokrater hat folgendes geschrieben:
Natürliche Sprache und künstliche Sprache unterscheidet sich aber von den Prinzipien der Grammatik her nicht.


Aus irgendeinem Grund tue ich mich mit dieser Behauptung schwer. Wahrscheinlich verstehe ich sie nicht richtig. Kannst du noch einmal genauer erklären, was du damit meinst?

In Grunde wäre es nicht so verwunderlich. Grammatik ist ein explizit formuliertes Regelwerk, das wiederkehrende Muster in Ausdrücken einer Sprache ökonomisch erfassen soll. Künstliche Sprachen werden wiederum aus solch einem Regelwerk entwickelt. Mir scheint, als sie die Syntax dasjenige an der Sprache, das sich am leichtesten formulieren lässt. Wenn ich mich recht an meinen Logik-Grundkurs erinnere, war die Syntax der Prädikatenlogik viel leichter zu durchschauen als ihre Semantik.

Ich fände es interessant, hier einmal verschiedene Meinungen darüber zu hören, was Grammatik eigentlich ist. Genauer gesagt hätte ich gerne mal verschiedene Standpunkte zum Verhältnis zwischen Sprache und Grammatik gehört, also genau den Punkt, mit dem Narziss angefangen hat.
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Sokrateer
souverän



Anmeldungsdatum: 05.09.2003
Beiträge: 11649
Wohnort: Wien

Beitrag(#118286) Verfasst am: 23.04.2004, 21:42    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Hi Sokrateer,

[ ... ]

Sokrateer hat folgendes geschrieben:

Letztlich ist eine Übersetzung in vielen Fällen gar nicht möglich, wie z.B. beim Humor, Lyrik und ähnlichem.


das sehe ich auch so. Ich vermute, dass hier letzten Endes so etwas wie 'Bewusstsein' eine Rolle spielt, das nicht funktionell äquivalent nachgebaut werden kann, weil es eine Emergenz einer bestimmten materiellen Struktur ist. Wie gesagt, das läuft auf den Unterschied zwischen 'fungieren' und 'funktionieren' hinaus. Vielleicht sollten wir das gelegentlich durchdiskutieren.

Du kannst vermutlich ein Feuer im Computer simulieren, aber das ist nicht heiß im phänomenologischen Sinne. Genauso kannst Du bestimmte Hirn-Prozesse im PC simulieren, aber das ist kein menschliches Bewusstsein, bestenfalls ein Computer-Bewusstsein.

Ich hab keine Ahnung, auf was du raus willst. Am Kopf kratzen

Es gibt mehrere Gründe, aus denen das Übersetzen von Humor nicht möglich ist.

Ich nehme mal als Beispiel aus Judd Hermanns Lied "Father Bob"
I used to be an altair boy,
and boy, it altered me, boy it altered me

Erstens einmal haben wir hier den Gleichklang zwischen "altair" und "altered". Der ist im deutschen Schwirig herzustellen. In .at ist der "altair boy" ein Ministrant. Weiters gibt es da den Ausdruck "boy ...", um persönliche Betroffenheit anzuzeigen.

Übersetzungen wären:
"Früher war ich Ministrant
Das hat mich aber ganz schön verändert"
Das ist überhaupt nicht komisch.

Humorvoller:
"Früher war ich ein Altar-Junge
und Junge, hat mich das alteriert"
Statt dem "e" könnte man optional ein "a" nehmen. Aber das ganze klingt jetzt schon ziemlich holprig und ist auch nur dem verständlich, der weiß, was alterieren bedeutet. Die meisten würden es wohl mit alternieren verwechselen.

Weiters muss man, um den Witz zu verstehen um die Fälle von sexuellem Mißbrauch in der KK wissen. Das ist nicht überall bekannt. In den USA ist das erst in den frühen 00ern Publik geworden. Zuguterletzt muss derjenige, der das lustig findet Kindesmißbrauch durch Pfarrer als unmoralisch erachten und darf Kritik an der Kirche nicht scheuen.

Der Versuch die Prerequisiten des Witzes vorher zu erkären schlägt auch fehl. Witze wirken in dem sie unsere Denkmuster hereinlegen und sie in die Absurdität führen würden. Nachdem wir einen Witz einmal gehört haben, ist er auch nicht mehr lustig, weil eine Denkbarriere aufgebaut wurde, die verhindert, dass der Witz nochmal funktioniert.

Solche Denkmuster kann man nicht ganz einfach mit einer Erklärung aufbauen. Das braucht Zeit. Meine Lieblingsserie ist die urkomische Seinfeld-Show. Ich hab mir mittlerweile alle Folgen im Original mindestens dreimal angesehen. Selbst beim dritten Mal sind mir noch unzählige neue Witze aufgefallen, die ich bei den ersten Malen überhaupt nicht bemerkt hatte. Ich war mit den erforderlichen Denkmustern und subtilen Sprachmustern eben nicht vertraut. Und der Humor lebt gerade von diesen Mustern.

Deshalb lässt sich Humor nicht gut übersetzen, nämlich auch nicht von Menschen. Sowohl Mensch, als auch Maschine treffen hier auf die gleichen z.T. unläsbaren Probleme.
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#118293) Verfasst am: 23.04.2004, 22:26    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Wygotsky,

[ ... ]

Wygotsky hat folgendes geschrieben:

Ich fände es interessant, hier einmal verschiedene Meinungen darüber zu hören, was Grammatik eigentlich ist. Genauer gesagt hätte ich gerne mal verschiedene Standpunkte zum Verhältnis zwischen Sprache und Grammatik gehört, also genau den Punkt, mit dem Narziss angefangen hat.


für mich ist Grammatik das formalisiert, das 'natural speakers' implizit verwenden.

Sei das nun Mathematik, wenn Du im Supermarkt den Kassenzettel addierst, Wissenschaftstheorie, wenn Du ein Experiment machst, oder Grammatik, wenn Du diesen Text liest.

Grüßle

Thomas
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#118298) Verfasst am: 23.04.2004, 22:32    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Sokrateer

[ ... ]

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:

Du kannst vermutlich ein Feuer im Computer simulieren, aber das ist nicht heiß im phänomenologischen Sinne. Genauso kannst Du bestimmte Hirn-Prozesse im PC simulieren, aber das ist kein menschliches Bewusstsein, bestenfalls ein Computer-Bewusstsein.

Ich hab keine Ahnung, auf was du raus willst. :hmm:


dass bestimmte Eigenschaften (wie 'Bewusstsein') ermergente Eigenschaften von _bestimmten_ Systemen sind, die durch _andere_ Systeme nur sehr bedingt emuliert werden können. Wenn also 'Bewusstsein' des Menschen eine emergente Eigenschaft des Typ Hirns ist, das wir im Schädel tragen, kannst Du _dieses_ Bewusstsein nicht 'in silicio' emulieren.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:

Es gibt mehrere Gründe, aus denen das Übersetzen von Humor nicht möglich ist.

[ ... ]

Deshalb lässt sich Humor nicht gut übersetzen, nämlich auch nicht von Menschen. Sowohl Mensch, als auch Maschine treffen hier auf die gleichen z.T. unläsbaren Probleme.


Vielleicht ist 'Humor' auch etwas, was eine Kiste _prinzipiell_ nicht emulieren kann, eben _weil_ dazu eine emergente Eigenschaft gehört, die diesen Dingern abgeht? Es könnte auch sein, dass Computer, wenn sie nur komplex genug sind, auch eine Art Humor entwickeln können, den wir Menschen nicht emulieren könnten?

BTW, kannst Du Dich selber kitzeln?

Grüßle

Thomas
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Wygotsky
registrierter User



Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#118300) Verfasst am: 23.04.2004, 22:39    Titel: Antworten mit Zitat

Das ist mir nicht ausführlich genug.

Ich wende im Alltag ja nicht nur grammatikalische Regeln unbewusst an. Auch Wortbedeutungen mache ich mir beim Sprechen in der Regel nicht bewusst. Oft rede ich, ohne zu wissen, worauf ich hinaus will. Trotzdem entsteht beim Gegenüber der Eindruck einer zusammenhängenden Argumentation.

Implizit ist beim Reden also eine ganze Menge.

Bei deinem Standpunkt würde mich z.B. interessieren:
- Ist Grammatik und Syntax für dich dasselbe?
- Siehst du eine Analogie zwischen Grammatik und Naturgesetz?

An Narziss:
Ich sehe einen wichtigen Unterschied zwischen Grammatik und Naturgesetzen. Beides wird an der Schule gelehrt. Der Grammatikunterricht hat aber Auswirkungen darauf, wie Leute sprechen und vor allem schreiben. Wenn Ausdrücke der Grammatik nicht genügen, kann man sagen, sie seien grammatikalisch falsch und vom Sprecher oder Schreiber Anpassung erwarten. Wenn die Natur sich nicht so verhält, wie unsere Naturgesetze behaupten, können wir nicht sagen, die Natur sei falsch. Auch wird die Natur sich nicht dazu bringen lassen, sich entsprechend unseren Erwartungen zu verhalten.
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Sokrateer
souverän



Anmeldungsdatum: 05.09.2003
Beiträge: 11649
Wohnort: Wien

Beitrag(#118310) Verfasst am: 23.04.2004, 22:51    Titel: Antworten mit Zitat

Wygotsky hat folgendes geschrieben:

Wäre die Universalgrammatik nicht angeboren, so müsste sie bei allen Menschen unabhängig voneinander entstehen, gleichgültig, in welcher Sprachgemeinschaft sie aufwachsen.

Exakt. Vor zwei Jahren haben zwei Roboter, die in einer Bausteinwelt leben, eigenständig eine Kasusgrammatik entwickelt. So schwer dürfte es nicht sein.

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Eine der Stärken der Idee einer Universalgrammatik ist, dass sie erklären könnte, wieso Menschen Sprachen so schnell lernen können. Schneller jedenfalls als ein behaviouristisches Modell des Spracherwerbs erlaubt.

Woher weißt du das? Im übrigen brauchen Kinder sehr lange, bis sie die Sprache beherrschen. Ein Erwachsener, der eine neue Sprache lernen will, kann das viel schneller.

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Wenn die Universalgrammatik selber erst gelernt werden muss, dann sehe ich keinen theoretischen Nutzen. Dann kann der Lerner auch gleich die spezielle Grammatik seiner Muttersprache lernen.

Möglicherweise ist die Universalgrammatik auch ident mit den Techniken, die uns die Kognition an sich ermöglicht.

Wygotsky hat folgendes geschrieben:

Was immer das bedeuten mag. Ich vermute mal: Wenn eine Form auftritt, die in dieser "vollständigen" Beschreibung nicht erklärbar ist, dann ist das unerklärbare eben einfache keine Grammatik.

Genau. Die Fehlertoleranz des Menschen bezieht sich ja nicht nur auf die Sprache, sondern auf alle möglichen Bereiche. Das gehört also nicht mehr zur Grammatik.

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Grammatik ist eben nur ein Problem der Übersetzung.


Bitte näher erklären. Inwiefern ist Grammatik nur ein Problem der Übersetzung. Auch Leuten, die keine Fremdsprachen beherrschen, helfen Grammatikkenntnissse, um die Rechtschreibregeln anzuwenden. Außerdem ist der Versuch, eine Sprache grammatikalisch zu beschreiben, an sich interessant.

Ich hätte wohl schreiben sollen: "Die Grammatik ist eben nur eines der Probleme bei der Übersetzung.

Wygotsky hat folgendes geschrieben:

Das Beispiel mit dem Humor stärkt aus meiner Sicht diesen Standpunkt.

Verstehe ich nicht. Welchen Standpunkt meinst du ?

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Natürliche Sprache und künstliche Sprache unterscheidet sich aber von den Prinzipien der Grammatik her nicht.


Aus irgendeinem Grund tue ich mich mit dieser Behauptung schwer. Wahrscheinlich verstehe ich sie nicht richtig. Kannst du noch einmal genauer erklären, was du damit meinst?


Man kann die Grammatiken natürlicher, als auch künstlicher Sprachen, als einfache Ersetzungsregeln aufschreiben.
Beispiel einer primitiven Grammatik:

Satz => NominalPhrase VerbalPhrase
NominalPhrase => Artikel Nomen
NominalPhrase => AdverbialPhrase Nomen
NominalPhrase => Artikel AdverbialPhrase Nomen
NominalPhrase => Pronomen
VerbalPhrase => Verb NominalPhrase
VerbalPhrase => Verb
AdverbialPhrase => Adjektiv
AdverbialPhrase => Adjektiv AdverbialPhrase

Mit dieser Grammatik kann man z.B. den Satz "Rotkäppchen sieht den großen bösen Wolf" zerlegen bzw. analysieren.

<table border="1"><tr><td>Rotkäppchen</td><td>sieht</td><td>den</td><td>großen</td><td>bösen</td><td>Wolf</td></tr><tr><td>Nomen</td><td>Verb</td><td>Artikel</td><td>Adjektiv</td><td>Adjektiv</td><td>Nomen</td></tr><tr><td><b>Nominalphrase</b></td><td>Verb</td><td>Artikel</td><td>Adjektiv</td><td><b>AdverbialPhrase</b></td><td>Nomen</td></tr><tr><td>Nominalphrase</td><td>Verb</td><td>Artikel</td><td colspan ="2"><b>AdverbialPhrase</b></td><td>Nomen</td></tr><tr><td>Nominalphrase</td><td>Verb</td><td colspan ="4"><b>NominalPhrase</b></td></tr><tr><td>Nominalphrase</td><td colspan="5"><b>Verbalphrase</b></td></tr><tr><td colspan="6"><b>Satz</b></td></tr> </table>



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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#118312) Verfasst am: 23.04.2004, 22:52    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Wygotsky

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Das ist mir nicht ausführlich genug.


ich dachte, ich hätte es auf den Punkt gebracht ;-)

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Ich wende im Alltag ja nicht nur grammatikalische Regeln unbewusst an. Auch Wortbedeutungen mache ich mir beim Sprechen in der Regel nicht bewusst. Oft rede ich, ohne zu wissen, worauf ich hinaus will. Trotzdem entsteht beim Gegenüber der Eindruck einer zusammenhängenden Argumentation.


Das in etwa meinte ich mit 'implizit'.

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Implizit ist beim Reden also eine ganze Menge.


Genau. Beispielsweise das gesamte 'in der Welt sein', das nie explizit gemacht wird (IMAO nicht einmal gemacht werden kann), und weshalb KI ein massives Problem hat.

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Bei deinem Standpunkt würde mich z.B. interessieren:
- Ist Grammatik und Syntax für dich dasselbe?


Jein. Syntax ist die zulässige Form der Sätze einer Sprache (Semantik ist dann deren Bedeutung). Eine Grammatik ist eine Menge von Regeln, die bestimmen, welche Sätze zur Sprache gehören und welche nicht (informatisch gesprochen). Ich vermute aber, dass im 'Alltagsgebrauch' eine Gleichsetzung nicht ganz daneben ist.

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
- Siehst du eine Analogie zwischen Grammatik und Naturgesetz?


Ja, wenn Du unter 'Naturgesetz' die Sprache verstehst, in der wir über 'die Natur' reden.

Grüßle

Thomas
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Sokrateer
souverän



Anmeldungsdatum: 05.09.2003
Beiträge: 11649
Wohnort: Wien

Beitrag(#118320) Verfasst am: 23.04.2004, 23:08    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:

Vielleicht ist 'Humor' auch etwas, was eine Kiste _prinzipiell_ nicht emulieren kann, eben _weil_ dazu eine emergente Eigenschaft gehört, die diesen Dingern abgeht?

In einer materialistischen Welt nicht.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Es könnte auch sein, dass Computer, wenn sie nur komplex genug sind, auch eine Art Humor entwickeln können, den wir Menschen nicht emulieren könnten?

Ja, was aber nicht den Umkehrschluss erlaubt.
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Fluse
KLERIKERFEINDIN



Anmeldungsdatum: 27.10.2003
Beiträge: 2034
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Beitrag(#118321) Verfasst am: 23.04.2004, 23:10    Titel: Antworten mit Zitat

Oha, seid ihr so über Grammatik streitet, mag ich bald nix mehr schreiben!
Da seid meiner Op 2000, gerade diese fast wieder ganz neu erlernen musste, mir immer wieder zeigt das ich euch so extrem unterlegen bin, obwohl das real im einem realen Gespräch nicht so wäre!
Trotzdem lese ich eure Beiträge sehr gerne Smilie weil ich immer denke: da lerne ich was dazu! Das schändet ja nicht oder? Aber Fragen zu stellen traue ich mich oft allerdings nicht, weil einige nach meiner ganz persönlichen Meinung sich so präsentieren, das sie die ganze Weissheit der Menschheit mit Löffeln gefressen hätten!
Nix für ungut, soll sich nicht niemand persönlich angegriffen fühlen! Smilie
_________________
Die Bibel ist ein HIRNWEICHSPÜLER und HIRNWEISSFÄRBER mit
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Wygotsky
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Anmeldungsdatum: 25.01.2004
Beiträge: 5014

Beitrag(#118323) Verfasst am: 23.04.2004, 23:15    Titel: Antworten mit Zitat

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Wygotsky hat folgendes geschrieben:

Wäre die Universalgrammatik nicht angeboren, so müsste sie bei allen Menschen unabhängig voneinander entstehen, gleichgültig, in welcher Sprachgemeinschaft sie aufwachsen.

Exakt. Vor zwei Jahren haben zwei Roboter, die in einer Bausteinwelt leben, eigenständig eine Kasusgrammatik entwickelt. So schwer dürfte es nicht sein.


In welchem Sinne ist das eine Universalgrammatik? Warum ist das keine spezielle Grammatik?

Sokrater hat folgendes geschrieben:
Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Eine der Stärken der Idee einer Universalgrammatik ist, dass sie erklären könnte, wieso Menschen Sprachen so schnell lernen können. Schneller jedenfalls als ein behaviouristisches Modell des Spracherwerbs erlaubt.

Woher weißt du das? Im übrigen brauchen Kinder sehr lange, bis sie die Sprache beherrschen. Ein Erwachsener, der eine neue Sprache lernen will, kann das viel schneller.


Ach ne? Dann erklär ich mal präziser, worauf ich hinaus wollte. Nach behaviouristischer Sicht funktionierte der Spracherwerb nach dem Prinzip des operanten Konditionierens. Kinder produzieren zufällig Laute und irgendwann ist mal was dabei, das entfernt an ein Wort erinnert. Dann machen die Erwachsenen ein Riesenbohei, dass das Kind sprechen kann. Das wirkt als Verstärker. Die Kinder machen dann häufiger solche Laute. Grammtikalische Regeln werden nach dieser Vorstellung ähnlich erworben. Englische Kinder bilden aber die Vergangenheitsformen der unregelmäßigen Verben für eine Übergangsphase regelmäßig. Es ist nicht anzunehmen, dass sie dafür von ihren Eltern gelobt werden. Lernen durch Verstärkung kommt also nicht in Frage. Ebenso werden sie in ihrer Umwelt keine Modelle finden, die das simple past von "run" mit "runned" bilden. Lernen am Modell scheidet also ebenfalls aus. Das Phänomen ergibt nur Sinn, wenn man davon ausgeht, dass die Kinder Regeln entdecken und zunächst fälschlich auch auf die Ausnahmen anwenden. Chomsky stellte sich einen language acquisition device vor: Sprache rein - Grammatik raus. Der sollte - soweit ich mich erinnere - auf einer Art fest verdrahteter Universalgrammatik basieren, die allen Sprachen zugrunde liegen sollte. Das von mir weiter oben erwähnte Computermodell zeigt, dass eine Regelextraktion auch ohne Universalgrammatik oder ein spezielles Grammatikentschlüsselungsmodul denkbar ist. Aus Gründen der Theorieökonomie sollte man die Universalgrammatik daher weglassen. Es sei denn, man findet gute Gründe, wieder auf sie zurück zu greifen.

Sokrater hat folgendes geschrieben:
Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Wenn die Universalgrammatik selber erst gelernt werden muss, dann sehe ich keinen theoretischen Nutzen. Dann kann der Lerner auch gleich die spezielle Grammatik seiner Muttersprache lernen.

Möglicherweise ist die Universalgrammatik auch ident mit den Techniken, die uns die Kognition an sich ermöglicht.


Genau das glaube ich. Das würde ich dann aber nicht mehr Universalgrammatik nennen. Jedenfalls ist das nicht das, was die Linguisten suchen, wenn sie nach der Universalgrammatik fahnden. Sie suchen nach einem gemeinsamen Nenner ALLER menschlichen Sprachen. Dieser gemeinsame Nenner soll aber nicht so allgemein gehalten sein, dass er auch aufs Tennisspielen und Autofahren passt.

Sokrater hat folgendes geschrieben:
Wygotsky hat folgendes geschrieben:

Was immer das bedeuten mag. Ich vermute mal: Wenn eine Form auftritt, die in dieser "vollständigen" Beschreibung nicht erklärbar ist, dann ist das unerklärbare eben einfache keine Grammatik.

Genau. Die Fehlertoleranz des Menschen bezieht sich ja nicht nur auf die Sprache, sondern auf alle möglichen Bereiche. Das gehört also nicht mehr zur Grammatik.


Interessanter Standpunkt. Hier endet zwar nicht meine Skepsis wohl aber meine Neugier, denn mir ist klar, dass ich viel mehr über Linguistik wissen müsste, um dieser Position paroli bieten zu können. Der Punkt geht an dich.

Sokrater hat folgendes geschrieben:
Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Grammatik ist eben nur ein Problem der Übersetzung.


Bitte näher erklären. Inwiefern ist Grammatik nur ein Problem der Übersetzung. Auch Leuten, die keine Fremdsprachen beherrschen, helfen Grammatikkenntnissse, um die Rechtschreibregeln anzuwenden. Außerdem ist der Versuch, eine Sprache grammatikalisch zu beschreiben, an sich interessant.

Ich hätte wohl schreiben sollen: "Die Grammatik ist eben nur eines der Probleme bei der Übersetzung.


OK. Dein Standpunkt wird mir viel klarer. Dann argumentierst du wahrscheinlich, dass der Computer die Grammatik längst kann. Was ihn vom Übersetzen abhält, sind dann andere Sachen, z.B. Pragmatik. Um die im Programm zu erfassen, müsste man historisches und anderes Wissen aufnehmen. Tja, so kann man das wahrscheinlich sehen.

Interessant wäre jetzt noch, wie man dem Rechnung trägt, dass Grammatik sich entwickelt. In unterschiedlichen Milieus sprechen die Leute Hochsprache oder Slang. Die wissen auch, wo was angemessen ist. Die Frage, ob das eine Dimension von Grammatik ist oder schon zur Soziologie gehört, halte ich für akademisch. Jedenfalls interessieren sich Linguisten für so einen Kram.

Sokrater hat folgendes geschrieben:
Wygotsky hat folgendes geschrieben:

Das Beispiel mit dem Humor stärkt aus meiner Sicht diesen Standpunkt.

Verstehe ich nicht. Welchen Standpunkt meinst du?


Dass die Grammatik nur ein (und womöglich ein im wesentlichen gelöstes) Problem der Übersetzung ist.

Sokrater hat folgendes geschrieben:
Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Natürliche Sprache und künstliche Sprache unterscheidet sich aber von den Prinzipien der Grammatik her nicht.


Aus irgendeinem Grund tue ich mich mit dieser Behauptung schwer. Wahrscheinlich verstehe ich sie nicht richtig. Kannst du noch einmal genauer erklären, was du damit meinst?


Man kann die Grammatiken natürlicher, als auch künstlicher Sprachen, als einfache Ersetzungsregeln aufschreiben.


OK, ich glaub ich hab's grob gerafft.

Danke. Das war sehr erhellend. Beschäftigst du dich irgendwie beruflich mit dem Thema?
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Wygotsky
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Beitrag(#118325) Verfasst am: 23.04.2004, 23:29    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Eine Grammatik ist eine Menge von Regeln, die bestimmen, welche Sätze zur Sprache gehören und welche nicht (informatisch gesprochen). Ich vermute aber, dass im 'Alltagsgebrauch' eine Gleichsetzung nicht ganz daneben ist.


Mein Prof hat gesagt, das Syntax die Regeln für wohlgeformte Ausdrücke sind. Wenn ein Ausdruck nicht wohlgeformt ist, sprich den syntaktischen Regeln nicht gehorcht, gehört er nicht zur Sprache. Klingt für mich genau wie deine Definition von Grammatik.

Thomas-Waschke hat folgendes geschrieben:
Genau. Beispielsweise das gesamte 'in der Welt sein', das nie explizit gemacht wird (IMAO nicht einmal gemacht werden kann), und weshalb KI ein massives Problem hat.


Jetzt sind wir zwar endgültig OT, aber das interessiert mich dann doch, weil's womöglich ein Standpunkt ist, von dem ich noch nie gehört habe. Inwiefern ist das "in der Welt sein" implizit. So das einfach bedeuten, dass ich im Alltag nicht bewusst darüber nachdenke, dass ich mich als Subjekt durch meine Wirklichkeit bewege? Und inwiefern sollte das für KI ein Problem sein. Die KIs in meinem Ballerspiel denken gewiss auch nicht bewusst darüber nach, dass sie sich über das Spielfeld bewegen.
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Wygotsky
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Beitrag(#118326) Verfasst am: 23.04.2004, 23:32    Titel: Antworten mit Zitat

Fluse hat folgendes geschrieben:
Oha, seid ihr so über Grammatik streitet, mag ich bald nix mehr schreiben!


Mir ist schon klar, dass das ziemlich verschroben wirken muss. Aber Gesprächspartner für solche Sachen finde ich im Bekanntenkreis leider nicht. Aus irgendeinem Grund machen die Kindergarten- und Hortkinder bei solchen Themen dicht. Und meine Kolleginnen wechseln dann auch schnell das Thema.
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



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Beitrag(#118329) Verfasst am: 23.04.2004, 23:40    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Sokrateer,

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:

Vielleicht ist 'Humor' auch etwas, was eine Kiste _prinzipiell_ nicht emulieren kann, eben _weil_ dazu eine emergente Eigenschaft gehört, die diesen Dingern abgeht?

In einer materialistischen Welt nicht.


im Herbst erscheint ein Buch von Bunge und Mahner. Dort wird das, was ich geschrieben habe, auf der Basis einer konsequent materialistischen Ontologie vertreten. Beispielsweise was den Unterschied zwischen 'fungieren' und 'funktionieren' betrifft.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Es könnte auch sein, dass Computer, wenn sie nur komplex genug sind, auch eine Art Humor entwickeln können, den wir Menschen nicht emulieren könnten?

Ja, was aber nicht den Umkehrschluss erlaubt.


Zeig mir gelegentlich so eine Kiste. Ich schau mir das gerne an.

BTW, kannst Du Dich selber kitzeln?

Grüßle

Thomas
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



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Beitrag(#118333) Verfasst am: 24.04.2004, 00:02    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Wygotsky

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Eine Grammatik ist eine Menge von Regeln, die bestimmen, welche Sätze zur Sprache gehören und welche nicht (informatisch gesprochen). Ich vermute aber, dass im 'Alltagsgebrauch' eine Gleichsetzung nicht ganz daneben ist.


Mein Prof hat gesagt, das Syntax die Regeln für wohlgeformte Ausdrücke sind. Wenn ein Ausdruck nicht wohlgeformt ist, sprich den syntaktischen Regeln nicht gehorcht, gehört er nicht zur Sprache. Klingt für mich genau wie deine Definition von Grammatik.


ich habe 'wohlgeformt' absichtlich nicht geschrieben. Du kannst auch wie Jedi Joda reden: 'gesprochen ich habe, verstanden Du hast'. Dieser Satz ist vermutlich im Sinne Deines Profs 'wohlgeformt', aber nicht nach den Regeln, wie wir sprechen. Ich denke, dass der Unterschied darin liegt, ob ich die Syntax einer formalen Sprache _definieren_ oder die einer natürlichen _beschreiben_ will.

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Thomas-Waschke hat folgendes geschrieben:
Genau. Beispielsweise das gesamte 'in der Welt sein', das nie explizit gemacht wird (IMAO nicht einmal gemacht werden kann), und weshalb KI ein massives Problem hat.


Jetzt sind wir zwar endgültig OT, aber das interessiert mich dann doch, weil's womöglich ein Standpunkt ist, von dem ich noch nie gehört habe. Inwiefern ist das "in der Welt sein" implizit.


Weil es nicht explizit gemacht werden muss.

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
So das einfach bedeuten, dass ich im Alltag nicht bewusst darüber nachdenke, dass ich mich als Subjekt durch meine Wirklichkeit bewege?


Ja. Genauer: Du 'weißt' viel mehr, als Dir üblicherweise bewusst wird. Erst wenn das nicht mehr funktioniert, fällt das auf.

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Und inwiefern sollte das für KI ein Problem sein. Die KIs in meinem Ballerspiel denken gewiss auch nicht bewusst darüber nach, dass sie sich über das Spielfeld bewegen.


Mit 'bewusst' hat das nichts zu tun. Du hast als Mensch ein Alltagswissen, einfach weil Du 'in der Welt' lebst. Natürlich kann man das als Regeln formulieren, aber vermutlich wirst Du sehr lange brauchen, aufzuschreiben, was Du alles weißt bzw. herleiten kannst. Sokrateer kennt sich da um Längen besser aus als ich, der ich mich vor etwa 20 Jahren das letzte Mal intensiv mit derartigen Fragen befasst habe. In irgendeinem Buch habe ich gelesen, wie Menschen einen Restaurant-Besuch 'programmieren' wollten und es war amüsant zu lesen, mit welchen Problemen diese Menschen zu kämpfen hatten.

Vielleicht ein anderes Beispiel, das mir gerade einfällt. Wenn Du den Satz: 'The box is in the pen' übersetzen sollst, wirst Du stutzen: 'pen' ist üblicherweise ein Füller. Wenn Du gut englisch kannst, fällt Dir vermutlich ein, dass 'pen' auch Scheuer heißen kann. Du musst also eine Menge Wissen über die 'Welt' haben, wenn Du so einen Satz richtig übersetzen können möchtest. Man kann das natürlich abstrakt formulieren (beispielsweise: 'wenn Du für ein Wort mehrere Bedeutungen im Lexikon hast, überlege Dir anhand des Kontextes ...'), aber das wird verdammt komplex. Es kann sogar sein, dass selbst für einen Menschen der Kontext nicht hinreichend ist, eine Entscheidung zu treffen. Und es gibt Wörter, für die es eine Vielzahl von Bedeutungen gibt.

Ich habe mal einen Auszug aus einem Briefwechsel zwischen einem Autor und seinem Übersetzer gelesen (blöderweise ist mir entfallen, wer das war), es war hochinteressant, zu lesen, wie dem Autor einiges klarer wurde, als er nach bestimmten Dingen gefragt wurde. Das erinnert mich an den 'Geheimtipp', den ein Philosoph preisgab: Kant versteht man am besten, wenn man eine englische Übersetzung liest.

Damals (keine Ahnung, wie das heute aussieht) wurde diskutiert, dass es vermutlich viel einfacher wäre, einen Computer selber 'in der Welt' agieren und lernen zu lassen. Damit sind wir aber wieder beim Problem: was 'kann' die Kiste dann? Und, falls die das geschafft hat, was weiß ich dann darüber, wie Menschen dieses Problem lösen?

Grüßle

Thomas
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Sokrateer
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Beitrag(#118335) Verfasst am: 24.04.2004, 00:09    Titel: Antworten mit Zitat

@Wygotsky:
Im wesentlichen stimmen wir überein. von der Universalgrammatik erwarte ich mir auch nicht viel. Chomsky hat diese These in den 50ern postuliert. Was man damals von der Entdeckung einer Universalgrammatik erhofft hat, weiß ich nicht. Allerdings waren damals viele extrem enthusiastisch, gerade weil die neuen Elektronenhirne aufkamen.

Wahrscheinlich wurde die Wichtigkeit der Grammatik von etwaigen Enthusiasten einfach überschätzt. Viele Sachverhalte kann man ja auch ganz ohne Grammatik rüberbringen. Z.b. "Chef sagen gehen müssen Baustelle"

Wygotsky hat folgendes geschrieben:

Sokrater hat folgendes geschrieben:
Wygotsky hat folgendes geschrieben:

Was immer das bedeuten mag. Ich vermute mal: Wenn eine Form auftritt, die in dieser "vollständigen" Beschreibung nicht erklärbar ist, dann ist das unerklärbare eben einfache keine Grammatik.

Genau. Die Fehlertoleranz des Menschen bezieht sich ja nicht nur auf die Sprache, sondern auf alle möglichen Bereiche. Das gehört also nicht mehr zur Grammatik.


Interessanter Standpunkt. Hier endet zwar nicht meine Skepsis wohl aber meine Neugier, denn mir ist klar, dass ich viel mehr über Linguistik wissen müsste, um dieser Position paroli bieten zu können. Der Punkt geht an dich.

Ich glaube du dürftest mich hier falsch verstanden haben.

Letztlich hat jeder Mensch seine eigene Grammatik. Es gibt nicht die deutsche Grammatik. Und je nach Situation und Umfeld werden unterschiedliche Grammatiken verwendet. Es gibt zwar eine amtlich geregelte Grammatik, in der gesprochenen Umgangssprache hingegen werden eigentlich nur 2.5 Zeiten verwendet. Konjunktiv und Genetiv schaffen nur wenige in gesprochener Sprache usw. Das heißt dann glaub ich Soziolekt, aber vielleicht weiß Shadaik mehr.

Das, was wir also unter einer Grammatik einer natürlichen Sprache verstehen ist immer nur eine Annäherung.

Ich habe ursprünglich nur behauptet, dass sich natürliche und künstliche Sprachen von den Prinzipien der Grammatik her nicht unterscheiden. Der Unterschied ist nur, dass Grammatiken natürlicher Sprachen von Linguisten entdeckt werden, während Grammatiken künstlicher Sprachen entworfen werden.

Was wir brauchen um automatisierte Übersetzungen auf Menschenniveau zu erreichen, ist unter anderem ein kleiner automatiserter Linguist, der die Sprachnuancen des Textes analysieren und somit eine vorgegebene Grammatik entsprechend anpassen kann.

Wygotsky hat folgendes geschrieben:

OK. Dein Standpunkt wird mir viel klarer. Dann argumentierst du wahrscheinlich, dass der Computer die Grammatik längst kann. Was ihn vom Übersetzen abhält, sind dann andere Sachen, z.B. Pragmatik. Um die im Programm zu erfassen, müsste man historisches und anderes Wissen aufnehmen. Tja, so kann man das wahrscheinlich sehen.

Genau. Die Ausgabe der allseits bekannten Übersetzungsprogramme dürfte ja grammatikalisch korrekt sein. (Ich leg aber nicht meine Hand dafür ins Feuer)
Der Inhalt sorgt meistens für allgemeine Erheiterung. Insofern ist auch Thomas Frage beantwortet. Ja, Computer können schon eine Art von Humor produzieren, wie es ein Mensch nicht kann. Babelfish ist das beste Beispiel. Mr. Green
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Wygotsky
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Beitrag(#118336) Verfasst am: 24.04.2004, 00:13    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Hi Wygotsky

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Eine Grammatik ist eine Menge von Regeln, die bestimmen, welche Sätze zur Sprache gehören und welche nicht (informatisch gesprochen). Ich vermute aber, dass im 'Alltagsgebrauch' eine Gleichsetzung nicht ganz daneben ist.


Mein Prof hat gesagt, das Syntax die Regeln für wohlgeformte Ausdrücke sind. Wenn ein Ausdruck nicht wohlgeformt ist, sprich den syntaktischen Regeln nicht gehorcht, gehört er nicht zur Sprache. Klingt für mich genau wie deine Definition von Grammatik.


ich habe 'wohlgeformt' absichtlich nicht geschrieben. Du kannst auch wie Jedi Joda reden: 'gesprochen ich habe, verstanden Du hast'. Dieser Satz ist vermutlich im Sinne Deines Profs 'wohlgeformt', aber nicht nach den Regeln, wie wir sprechen. Ich denke, dass der Unterschied darin liegt, ob ich die Syntax einer formalen Sprache _definieren_ oder die einer natürlichen _beschreiben_ will.


Ah!

Thomas-Waschke hat folgendes geschrieben:
Ja. Genauer: Du 'weißt' viel mehr, als Dir üblicherweise bewusst wird. Erst wenn das nicht mehr funktioniert, fällt das auf.

Thomas-Waschke hat folgendes geschrieben:
Damals (keine Ahnung, wie das heute aussieht) wurde diskutiert, dass es vermutlich viel einfacher wäre, einen Computer selber 'in der Welt' agieren und lernen zu lassen. Damit sind wir aber wieder beim Problem: was 'kann' die Kiste dann? Und, falls die das geschafft hat, was weiß ich dann darüber, wie Menschen dieses Problem lösen?


Ach so. Doch nichts neues.

Ich denke nicht, dass das für die KI ein Problem wäre. Wenn man ein selbstlernendes System geschaffen hätte, das sich wie ein Subjekt verhält, dann würden die KI Leute wahrscheinlich die Korken knallen lassen und alle würden gratulieren. Das würde die doch gar nicht jucken, dass sie nicht verstehen, wie das Ding denkt. Wenn ein Kind geboren wird, freuen sich die Eltern ja auch, ohne zu wissen, wie so ein Kind eigentlich funktioniert.
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Sokrateer
souverän



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Beitrag(#118337) Verfasst am: 24.04.2004, 00:25    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Hi Sokrateer,

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:

Vielleicht ist 'Humor' auch etwas, was eine Kiste _prinzipiell_ nicht emulieren kann, eben _weil_ dazu eine emergente Eigenschaft gehört, die diesen Dingern abgeht?

In einer materialistischen Welt nicht.


im Herbst erscheint ein Buch von Bunge und Mahner. Dort wird das, was ich geschrieben habe, auf der Basis einer konsequent materialistischen Ontologie vertreten. Beispielsweise was den Unterschied zwischen 'fungieren' und 'funktionieren' betrifft.

In welche Richtung wollen die abzielen?
Letztendlich könnte man doch immer noch ein komplettes Gehirn nachrechnen. Das kann man dann echt nur mehr per Geist/Körper-Dichotomie ablehnen.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Es könnte auch sein, dass Computer, wenn sie nur komplex genug sind, auch eine Art Humor entwickeln können, den wir Menschen nicht emulieren könnten?

Ja, was aber nicht den Umkehrschluss erlaubt.


Zeig mir gelegentlich so eine Kiste. Ich schau mir das gerne an.

Ich habe nicht gesagt, dass so eine Kiste heute schon existiert. Unter der Annahme, dass Maschinen denken können, müssten Computer aber dazu fähig sein. Denn einen Computer kann man sicherlich genügend Rechenleistung verschaffen, um Humor zu erfinden, der für Menschen gänzlich unverständlich ist. Auch beim menschlichen Humor gibt es einen graduellen Übergang zwischen Stefan Raab und Larry David, oder Kishon.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
BTW, kannst Du Dich selber kitzeln?

Nein.

Wenn Marvin Minskys Theorie über Funktionsweise, Entwicklung und Zweckmäßigkeit von Witzen stimmt, dann macht es aber auch keinen Sinn einen humorvollen Computer zu entwickeln.
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Wygotsky
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Beitrag(#118338) Verfasst am: 24.04.2004, 00:27    Titel: Antworten mit Zitat

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Ja, Computer können schon eine Art von Humor produzieren, wie es ein Mensch nicht kann. Babelfish ist das beste Beispiel. Mr. Green


Das haben Menschen schon in der 20ern gemacht und nannten es Dadaismus.

Sokrater hat folgendes geschrieben:
Chomsky hat diese These in den 50ern postuliert. Was man damals von der Entdeckung einer Universalgrammatik erhofft hat, weiß ich nicht. Allerdings waren damals viele extrem enthusiastisch, gerade weil die neuen Elektronenhirne aufkamen.


Ich habe Chomsky nur gestreift, als ich mich mit Vorstellungen vom lernenden Kind befasst habe. Ab den 30ern war der Behaviourismus ziemlich stark. Man stellte sich das Kind als tabula rasa vor. Alles was im Gehirn war, war durch Erfahrung reingekommen. Also ein rein empiristischer Standpunkt, der zahlreiche Machbarkeitsphantasien beflügelte, z.B. im Hinblick auf Bildung, Pflege, Therapie und sogar Gesellschaft. Chomsky war für mich insofern interessant, weil mit seinem language acquistion device (LAD) der Rationalismus wieder ins Spiel kam. Auch wenn es heute so aussieht, als ob der LAD entbehrlich ist, steht für mich fest, dass Kinder nicht als tabula rasa zur Welt kommen. Sie sind mit bestimmten Erkenntnisvermögen und Vorurteilen ausgestattet, die es ihnen ermöglichen, sich schneller in der Welt zurecht zu finden, als wenn sie ALLES durch Erfahrung lernen müssten.
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Sokrateer
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Beitrag(#118340) Verfasst am: 24.04.2004, 00:32    Titel: Antworten mit Zitat

Wygotsky hat folgendes geschrieben:
Thomas-Waschke hat folgendes geschrieben:
Damals (keine Ahnung, wie das heute aussieht) wurde diskutiert, dass es vermutlich viel einfacher wäre, einen Computer selber 'in der Welt' agieren und lernen zu lassen. Damit sind wir aber wieder beim Problem: was 'kann' die Kiste dann? Und, falls die das geschafft hat, was weiß ich dann darüber, wie Menschen dieses Problem lösen?


Ach so. Doch nichts neues.

Ich denke nicht, dass das für die KI ein Problem wäre. Wenn man ein selbstlernendes System geschaffen hätte, das sich wie ein Subjekt verhält, dann würden die KI Leute wahrscheinlich die Korken knallen lassen und alle würden gratulieren. Das würde die doch gar nicht jucken, dass sie nicht verstehen, wie das Ding denkt. Wenn ein Kind geboren wird, freuen sich die Eltern ja auch, ohne zu wissen, wie so ein Kind eigentlich funktioniert.

Eben. KI heißt ja auch Künstliche Intelligenz. Das Akronym ist ja heute ziemlich verpönt und wurde durch AI ersetzt. Mit der Frage, wie genau ein Mensch denkt, beschäftigen sich andere.
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El Schwalmo
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Beitrag(#118375) Verfasst am: 24.04.2004, 07:36    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Sokrateer

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:

im Herbst erscheint ein Buch von Bunge und Mahner. Dort wird das, was ich geschrieben habe, auf der Basis einer konsequent materialistischen Ontologie vertreten. Beispielsweise was den Unterschied zwischen 'fungieren' und 'funktionieren' betrifft.

In welche Richtung wollen die abzielen?


schwer in ein paar Sätzen zu sagen, auf jeden Fall materialistisch. Eine zentrale Passage zu dem, was ich meine:

Bunge/Mahner hat folgendes geschrieben:

Unsere Beispiele machen klar, dass das Fungieren von Dingen zweifellos multipel realisierbar sein kann. Dies gilt jedoch nicht für das Funktionieren der Dinge: Je spezifischer die interne Aktivität eines Dings, d.h. seine Zustandsänderungen oder Prozesse, desto unplausibler ist die Annahme, diese könnten auch in anderen Dingen "realisierbar" sein: Nur gleichartige Dinge - nur Dinge mit dem gleichen gesetzmäßigen Zustandsraum - können gleichartige Zustandsänderungen (Prozesse) durchmachen. (Man sehe uns die platonistische Rede von der "Realiserbarkeit" von Prozessen nach: Wir übernehmen diese nur, damit man das Problem leichter in der Literatur wiedererkennen bzw. einordnen kann.) Wenn nun noch die Annahme hinzukommt, dass mentale Eigenschaften emergente Eigenschaften hochkomplexer neuronaler Systeme sind, dann ist damit zugleich ein Argument für die hohe Spezifität neuronaler Aktivität verbunden. Denn die emergenten Eigenschaften eines Systems hängen gesetzmäßig von den (Basis-)Eigenschaften seiner Komponenten sowie von der Struktur des Systems ab. Haben wir es mit andersartigen Komponenten oder mit einer anderen Struktur oder mit beidem zu tun, sind keine identischen emergenten Eigenschaften möglich.


Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Letztendlich könnte man doch immer noch ein komplettes Gehirn nachrechnen. Das kann man dann echt nur mehr per Geist/Körper-Dichotomie ablehnen.


Wenn Du den obigen Gedankengang nachvollziehst, selbst dann nicht. Die Frage ist zudem, was Du da 'nachrechnen' kannst. Denk vielleicht nochmals an das Beispiel von Feuer, das Du im Computer nachrechnest. Ist das 'heiß' im phänomenologischen Sinn?

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:

Zeig mir gelegentlich so eine Kiste. Ich schau mir das gerne an.

Ich habe nicht gesagt, dass so eine Kiste heute schon existiert. Unter der Annahme, dass Maschinen denken können, müssten Computer aber dazu fähig sein.


Mein Standard-Argument auf derartie Ausführungen ist: 'Wenn die Katze ein Pferd wäre, könnten wir Bäume hinaufreiten'.

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Denn einen Computer kann man sicherlich genügend Rechenleistung verschaffen, um Humor zu erfinden, der für Menschen gänzlich unverständlich ist. Auch beim menschlichen Humor gibt es einen graduellen Übergang zwischen Stefan Raab und Larry David, oder Kishon.


Nochmals: mein Punkt war nicht, dass Computer wie Hirne _fungieren_ können, sondern dass die nicht so _funktionieren_.


Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
BTW, kannst Du Dich selber kitzeln?

Nein.

Wenn Marvin Minskys Theorie über Funktionsweise, Entwicklung und Zweckmäßigkeit von Witzen stimmt, dann macht es aber auch keinen Sinn einen humorvollen Computer zu entwickeln.


Muss ich mir mal anschauen. Von Minsky habe ich aber auch schon recht abwegige Dinge gelesen.

Grüßle

Thomas


Zuletzt bearbeitet von El Schwalmo am 24.04.2004, 08:33, insgesamt einmal bearbeitet
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



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Beiträge: 9073

Beitrag(#118377) Verfasst am: 24.04.2004, 07:40    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Sokrateer,

[ ... ]

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Eben. KI heißt ja auch Künstliche Intelligenz. Das Akronym ist ja heute ziemlich verpönt und wurde durch AI ersetzt.


weil die tumbe Masse kein Englisch kann? Oder wie würdest Du 'artificial' übersetzen?

Sokrateer hat folgendes geschrieben:
Mit der Frage, wie genau ein Mensch denkt, beschäftigen sich andere.


Wenn die [K|A]I-ler das explizit betonen würden, würde viel heiße Luft aus der Diskussion entweichen. Könnte aber sein, dass das viel Reiz und Forschungsmittel nähme.

Grüßle

Thomas
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