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de Sade: Macht, Gewalt und Sexualität
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NiH
xenomorph



Anmeldungsdatum: 02.04.2009
Beiträge: 812
Wohnort: Duisburg

Beitrag(#1311741) Verfasst am: 23.06.2009, 09:13    Titel: de Sade: Macht, Gewalt und Sexualität Antworten mit Zitat

tiny hat folgendes geschrieben:
Meine Signatur ist relativ bedeutungsschwanger, aber kurzgefasst drückt sie mein negatives Welt- und Menschenbild, sowie meine vielseitige Begeisterung für den guten alten Marquis aus.

Das ist mir gleich ins Auge gestochen. Hab auch zwei Bücher von ihm (Die 120 Tage von Sodom und Die Philosophie im Boudoir gelesen und zwei (mehr oder weniger) über ihn (Soll man de Sade verbrennen und noch ein weniger bekanntes, wobei mir der Name gerade entfallen ist...). Insgesamt sind seine Romane ziemlich extrem. Aber irgendjemand muss es ja schreiben.

Dieser Thread wurde nicht von NiH erstellt, sondern hier abgetrennt. Heizöl.
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tiny
Feminella breva



Anmeldungsdatum: 29.12.2008
Beiträge: 170
Wohnort: Nürnberg

Beitrag(#1311914) Verfasst am: 23.06.2009, 15:49    Titel: Antworten mit Zitat

NiH hat folgendes geschrieben:
Das ist mir gleich ins Auge gestochen. Hab auch zwei Bücher von ihm (Die 120 Tage von Sodom und Die Philosophie im Boudoir gelesen und zwei (mehr oder weniger) über ihn (Soll man de Sade verbrennen und noch ein weniger bekanntes, wobei mir der Name gerade entfallen ist...). Insgesamt sind seine Romane ziemlich extrem. Aber irgendjemand muss es ja schreiben.
Also, als Autor finde ich ihn ziemlich witzig. Sacher-Masoch schreibt zwar eleganter, aber das brutal-vulgäre von de Sade macht irgendwie mehr Spaß.
Ist das 'Soll man de Sade verbrennen' gut? Außerdem such ich schon ewig nach ner brauchbaren de Sade-Biographie, so in der Liga von Konstantin Floros' Mahler-Bio. Ich will unbedingt verstehen, wie de Sade getickt hat.
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"Ich schreibe, was ich sehe: Die endlose Prozession zur Guillotine." ~ de Sade
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nocquae
diskriminiert nazis



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 18183

Beitrag(#1311916) Verfasst am: 23.06.2009, 15:56    Titel: Antworten mit Zitat

tiny hat folgendes geschrieben:
NiH hat folgendes geschrieben:
Das ist mir gleich ins Auge gestochen. Hab auch zwei Bücher von ihm (Die 120 Tage von Sodom und Die Philosophie im Boudoir gelesen und zwei (mehr oder weniger) über ihn (Soll man de Sade verbrennen und noch ein weniger bekanntes, wobei mir der Name gerade entfallen ist...). Insgesamt sind seine Romane ziemlich extrem. Aber irgendjemand muss es ja schreiben.
Also, als Autor finde ich ihn ziemlich witzig. Sacher-Masoch schreibt zwar eleganter, aber das brutal-vulgäre von de Sade macht irgendwie mehr Spaß.
Ist das 'Soll man de Sade verbrennen' gut? Außerdem such ich schon ewig nach ner brauchbaren de Sade-Biographie, so in der Liga von Konstantin Floros' Mahler-Bio. Ich will unbedingt verstehen, wie de Sade getickt hat.

Interessant finde ich eher, dass es bei ihm weniger um Sex als letztlich immer um Macht geht.
Das deckt sich irgendwo mit seiner Aussage über sich selbst (den genauen Wortlaut weiß ich gerade nicht): "Ein repressives System wie das unsere muß notwendigerweise kranke Geister wie mich hervorbringen."
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In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.
-- Kurt Tucholsky
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tiny
Feminella breva



Anmeldungsdatum: 29.12.2008
Beiträge: 170
Wohnort: Nürnberg

Beitrag(#1312009) Verfasst am: 23.06.2009, 18:10    Titel: Antworten mit Zitat

NOCQUAE hat folgendes geschrieben:
Interessant finde ich eher, dass es bei ihm weniger um Sex als letztlich immer um Macht geht.
Das deckt sich irgendwo mit seiner Aussage über sich selbst (den genauen Wortlaut weiß ich gerade nicht): "Ein repressives System wie das unsere muß notwendigerweise kranke Geister wie mich hervorbringen."
Klar gehts bei ihm um Macht. Bei Gewalt geht es immer um Macht. Bei de Sade ist Gewalt-Macht ein Fetisch, wodurch die Sexualität ins Spiel kommt. Ich denke, die ist nötig, damit die Geschichten ihre Wirkung entfalten können.
Gegen die Darstellung von reiner Gewalt kann sich jeder wehren und sagen 'Bah, abscheulich, ekelhaft'. Aber indem de Sade den Sex mit hineinnimmt und ganz plump darauf herumreitet, packt er die Leser an einer Stelle, über die sie wesentlich weniger Kontrolle haben, als über ihre Reaktion auf Gewalt. Sexuelle Erregung wiederum verändert die Art, wie auf bestimmte Reize reagiert wird, und macht die Phantasie formbarer. Am Ende hat der Leser dann - im Idealfall natürlich, unfehlbar ist die Taktik wohl kaum - nolens volens das Gedanken- und Gefühlsexperiment mitgemacht und kommt nicht umhin, zumindest anzuerkennen, dass seine Zugänglichkeit haufenweise Fragen aufwirft; nicht nur über ihn selbst als Individuum sondern auch über ihn als Angehöriger einer Tierart.

Allerdings glaube ich nicht, dass de Sade von dem repressiven sozialen System 'seiner Zeit' hervorgebracht wurde. Menschen wie ihn, bzw. wie die Charaktere seiner Geschichten gab es immer und wird es immer geben; de Sade fällt nur auf, weil er populär wurde.

Uhmmm... Könnte ein Mod vielleicht den Thread aufteilen? Weil noch mehr off-topic gehts grad glaub ich gar nicht und wenn Interesse an weiterer Diskussion besteht...?
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Heizölrückstoßabdämpfung
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Beitrag(#1312172) Verfasst am: 23.06.2009, 19:43    Titel: Antworten mit Zitat

tiny hat folgendes geschrieben:

Uhmmm... Könnte ein Mod vielleicht den Thread aufteilen? Weil noch mehr off-topic gehts grad glaub ich gar nicht und wenn Interesse an weiterer Diskussion besteht...?


OK, done. Falls Dir der Titel nicht gefällt, sag bescheid.
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nocquae
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Beitrag(#1312176) Verfasst am: 23.06.2009, 19:46    Titel: Antworten mit Zitat

Heizölrückstoßabdämpfung hat folgendes geschrieben:
OK, done.
Verliebtes Schmusen
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AntagonisT
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Beitrag(#1312190) Verfasst am: 23.06.2009, 19:55    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe „Justine oder vom Missgeschick der Tugend“ und „Juliette oder die Vorteile des Lasters“ gelesen und - man, hat mich das wuschig gemacht!
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tiny
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Beitrag(#1312287) Verfasst am: 23.06.2009, 20:57    Titel: Antworten mit Zitat

Heizölrückstoßabdämpfung hat folgendes geschrieben:
OK, done. Falls Dir der Titel nicht gefällt, sag bescheid.
Super, danke!
Ich würde als Titel 'de Sade: Macht, Gewalt und Sexualität' vorschlagen, das klingt nochmal interessanter :)

AntagonisT hat folgendes geschrieben:
Ich habe „Justine oder vom Missgeschick der Tugend“ und „Juliette oder die Vorteile des Lasters“ gelesen und - man, hat mich das wuschig gemacht!
Dann hat der Trick bei dir also funktioniert? Super :D Bei mir auch ô.o Sind wir deshalb jetzt abartige Mängelexpemplare oder sind wir moralisch offen?
P.S: Nette Sig.
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Heizölrückstoßabdämpfung
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Anmeldungsdatum: 26.07.2007
Beiträge: 17536
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Beitrag(#1312296) Verfasst am: 23.06.2009, 21:04    Titel: Antworten mit Zitat

tiny hat folgendes geschrieben:
Heizölrückstoßabdämpfung hat folgendes geschrieben:
OK, done. Falls Dir der Titel nicht gefällt, sag bescheid.
Super, danke!
Ich würde als Titel 'de Sade: Macht, Gewalt und Sexualität' vorschlagen, das klingt nochmal interessanter Smilie


Erledigt.

Der Thread ist wirklich interessant. Ich ziehe gerade in Erwägung auch mal was von de Sade zu lesen.
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nocquae
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Beitrag(#1312298) Verfasst am: 23.06.2009, 21:08    Titel: Antworten mit Zitat

tiny hat folgendes geschrieben:
Heizölrückstoßabdämpfung hat folgendes geschrieben:
OK, done. Falls Dir der Titel nicht gefällt, sag bescheid.
Super, danke!
Ich würde als Titel 'de Sade: Macht, Gewalt und Sexualität' vorschlagen, das klingt nochmal interessanter Smilie

AntagonisT hat folgendes geschrieben:
Ich habe „Justine oder vom Missgeschick der Tugend“ und „Juliette oder die Vorteile des Lasters“ gelesen und - man, hat mich das wuschig gemacht!
Dann hat der Trick bei dir also funktioniert? Super Sehr glücklich Bei mir auch ô.o Sind wir deshalb jetzt abartige Mängelexpemplare oder sind wir moralisch offen?
P.S: Nette Sig.

Ich habe sowohl Juliette als auch Justine und die 100 Tage von Sodom jeweils nicht vollständig gelesen.
Das lag bei ersteren beiden allerdings weniger am Inhalt, als vielmehr daran, dass ich seinen Schreibstil ziemlich mechanisch fand.
Bei letzterem habe ich den vierten Teil nur kurz überblättert, dafür waren einige Teile aus der Einführung bei mir Thema im Philosophiekurs in der 12.
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AntagonisT
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Anmeldungsdatum: 28.09.2005
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Wohnort: 2 Meter über dem Boden

Beitrag(#1312311) Verfasst am: 23.06.2009, 21:16    Titel: Antworten mit Zitat

tiny hat folgendes geschrieben:
Sind wir deshalb jetzt abartige Mängelexpemplare oder sind wir moralisch offen?


Ich bin einfach nur notgeil... Überrascht
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nocquae
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Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 18183

Beitrag(#1312317) Verfasst am: 23.06.2009, 21:20    Titel: Antworten mit Zitat

tiny hat folgendes geschrieben:
Allerdings glaube ich nicht, dass de Sade von dem repressiven sozialen System 'seiner Zeit' hervorgebracht wurde. Menschen wie ihn, bzw. wie die Charaktere seiner Geschichten gab es immer und wird es immer geben; de Sade fällt nur auf, weil er populär wurde.

Na, so wie ich ihn verstanden habe, steht das Ancien Regime bei ihm nur als Beispiel für repressive Systeme per se, weil es eben gerade auf ihn zutraf.

Mangels der Lektüre von de-Sade-Biografien kann ich mich eigentlich nicht wirklich fundiert zu ihm äußern, aber ich habe immer den Eindruck gehabt, dass seine Haft in der Bastille zum großen Teil eben doch politisch motiviert war – eben gerade wegen seines gesellschaftskritischen (oder vielleicht sogar besser: kulturkritischen) Ansatzes.

Die Aussage, dass es Geisteskrankheiten immer geben wird, ist ganz sicherlich richtig, aber die eigentlich interessante Frage für mich ist, ob [politisch/gesellschaftlich/sozial/…] repressive Systeme per se mit einer verstärkten Tendenz zu Devianzen einhergehen. (i.e. verstärkt im Vergleich zu nicht-repressiven Systemen)
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NiH
xenomorph



Anmeldungsdatum: 02.04.2009
Beiträge: 812
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Beitrag(#1312432) Verfasst am: 23.06.2009, 22:37    Titel: Antworten mit Zitat

tiny hat folgendes geschrieben:
Also, als Autor finde ich ihn ziemlich witzig. Sacher-Masoch schreibt zwar eleganter, aber das brutal-vulgäre von de Sade macht irgendwie mehr Spaß.
Ist das 'Soll man de Sade verbrennen' gut? Außerdem such ich schon ewig nach ner brauchbaren de Sade-Biographie, so in der Liga von Konstantin Floros' Mahler-Bio. Ich will unbedingt verstehen, wie de Sade getickt hat.

De Sade schreibt teilweise schon recht unterhaltsam, um es mal vorsichtig auszudrücken. Besonders seine Wortwahl hat mich schon öfters zum Schmunzeln gebracht, weshalb ich auch seine anderen Werke lesen will. Mit welcher Leichtigkeit und Vergnügen er über die Gräueltaten seiner Romanfiguren schreibt, ist schon beachtenswert.
Vor allem finde ich interessant, dass er einerseits die Schicksale der Opfer in Die 120 Tage von Sodom z. B. sehr detailliert beschreibt, als wenn er wahrlich Vergnügen dabei finden würde, andererseits aber auch Raum (wenn auch wenig) für ihre Gefühle lässt. Das passt hervorragend zu der oben erwähnten Demonstration von Macht.
Ich hab mir zuerst einige Rezensionen zu den 120 Tagen durchgelesen, wobei oft geschrieben wurde, dass es das abscheulichste Buch war, dass der Rezensent gelesen hat und er es nicht wieder lesen würde. Das hat mich dann neugierig gemacht. Es ist schon teilweise schockierend, wenn man sich das als reales Geschehen vorstellt, aber so wie de Sade die Praktiken teilweise beschreibt, finde ich es eher amüsant.
Vor allem die Protagonisten (Durcet, der Bischof, Curval und der Herzog), denen absolut nichts heilig ist und immer irgendwelche Sprüche und Flüche rauslassen, fand ich nach einger Zeit witzig. Nach den ersten 100 Seiten war es eher Abneigung, was sich nachher aber geändert hat.

Über das Buch von Simone de Beauvoir schreib ich morgen oder übermorgen noch was, je nachdem, wie viel Zeit ich finde. Hier geht es aber mehr um Freiheit und damit verbundene Moral, als um den Marquis selbst.

Eine vernünftige Biographie hab ich noch nicht gefunden. Ich wollte demnächst mal Leben und Werk des Marquis de Sade bestellen. Gibts bei amazon z. B. für ein paar Euro gebraucht.

Zitat:
Sexuelle Erregung wiederum verändert die Art, wie auf bestimmte Reize reagiert wird, und macht die Phantasie formbarer.

So was in der Art verspricht de Sade dem Leser doch auch im einleitenden Teil von Die 120 Tage... Zumindest hab ich da was in Erinnerung. Lachen
Muss die Stelle nochmal raussuchen.
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tiny
Feminella breva



Anmeldungsdatum: 29.12.2008
Beiträge: 170
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Beitrag(#1313232) Verfasst am: 25.06.2009, 00:23    Titel: Antworten mit Zitat

NOCQUAE hat folgendes geschrieben:
Na, so wie ich ihn verstanden habe, steht das Ancien Regime bei ihm nur als Beispiel für repressive Systeme per se, weil es eben gerade auf ihn zutraf.
Hehe, gut, dann ist der Marquis ja meiner Meinung :D
Zitat:
Mangels der Lektüre von de-Sade-Biografien kann ich mich eigentlich nicht wirklich fundiert zu ihm äußern, aber ich habe immer den Eindruck gehabt, dass seine Haft in der Bastille zum großen Teil eben doch politisch motiviert war – eben gerade wegen seines gesellschaftskritischen (oder vielleicht sogar besser: kulturkritischen) Ansatzes.
Das waren noch Zeiten, als man Querdenker einfach vollständig zensieren konnte ô.o Aber wenn ich mir überlege, dass Rousseaus Schriften fast zur selben Zeit verboten wurden, für Vorschläge wie den, dass es dem Volk obliegen sollte, bei regelmäßigen Versammlungen per Abstimmung zu beschließen, ob die gegenwärtige Regierungsform und das gegenwärtige Personal noch in seinem Sinne ist, oder ob man (z.B.) den König absetzen und für eine Weile Demokratie haben sollte... dann ist de Sade mit einer Ein-Zimmer-Wohnung in der Bastille noch echt gut weggekommen.
Zitat:
Die Aussage, dass es Geisteskrankheiten immer geben wird, ist ganz sicherlich richtig, aber die eigentlich interessante Frage für mich ist, ob [politisch/gesellschaftlich/sozial/…] repressive Systeme per se mit einer verstärkten Tendenz zu Devianzen einhergehen. (i.e. verstärkt im Vergleich zu nicht-repressiven Systemen)
Ich bilde mir ein, ich hätte da mal eine Studie gelesen, die entweder am Beispiel einer vorübergehenden Gesetzesänderung in Japan oder durch einen Vergleich von Japan und den USA zeigt, dass weniger sexuelle Gewalt stattfindet, wenn den Menschen gestattet wird, ihre Phantasie mit Pornos zu beschäftigen.
In Sachen Geisteskrankheit... hm, ich bin mit dem Begriff nicht ganz glücklich. De Sade ist zwar laut Tante Wiki auch durch 'Sexualdelikte' aufgefallen (was auch immer das in dem Zusammenhang genau bedeutet) aber (ohne dir unterstellen zu wollen, dass du den Begriff der Geisteskrankheit bis in diesen Bereich ausdehnst) rein die gedankliche Beschäftigung mit Gewalt- und Machtphantasien, bzw. deren Einbezug in consensuelle Sexspielchen finde ich nicht krank. Es stellt wahrscheinlich eine Abweichung von der Norm dar, so in dem Sinne, dass man sich irgendwo am Rand der Glockenkurve befindet, aber ich frage mich immer wieder schonmal, ob es nicht ehrlicher und authentischer ist, sich auch gewalttätige Impulse einzugestehen. Ich würde sogar soweit gehen, es als potentiell gesünder einzustufen, die eigenen Gefühle und Gedanken erstmal unvoreingenommen anzunehmen; denn erst dann kann man sie verstehen und bewusst, oder sogar konstruktiv mit ihnen umgehen.
An dem Punkt käme dann wieder das repressive System ins Spiel. Wo es das ungeschriebene Verbot gibt, beim Anblick einer Kindergartenklasse nicht zu bemerken, dass die Kleinen die ideale Höhe haben, um mit einem Baseballschläger draufzudreschen, muss man sich entweder eingestehen, dass man irgendwie anders ist, oder man versucht obsessiv, solche Gedanken zu unterdrücken, macht sich selber fertig, steigert sich rein und knallt irgendwann vollständig durch.

NiH hat folgendes geschrieben:
De Sade schreibt teilweise schon recht unterhaltsam, um es mal vorsichtig auszudrücken. Besonders seine Wortwahl hat mich schon öfters zum Schmunzeln gebracht, weshalb ich auch seine anderen Werke lesen will. Mit welcher Leichtigkeit und Vergnügen er über die Gräueltaten seiner Romanfiguren schreibt, ist schon beachtenswert.
Vor allem finde ich interessant, dass er einerseits die Schicksale der Opfer in Die 120 Tage von Sodom z. B. sehr detailliert beschreibt, als wenn er wahrlich Vergnügen dabei finden würde, andererseits aber auch Raum (wenn auch wenig) für ihre Gefühle lässt. Das passt hervorragend zu der oben erwähnten Demonstration von Macht.
Die 120 Tage hab ich leider nicht gelesen, aber die Philosophie im Boudoir wäre mit deinen Worten hier schon auch ganz gut beschrieben. Die Gegenüberstellung von Analyse und Analverkehr *haha. ahem.* hat schon echt Charme. Die Justine hab ich irgendwann abgebrochen, weil... ich glaube es war, weil mich aufgeregt hat, dass das Mädel einfach nicht aus ihrem Tran rauskommt. Aber ich kann mich irren; ist schon ein Weilchen her.
Zitat:
Ich hab mir zuerst einige Rezensionen zu den 120 Tagen durchgelesen, wobei oft geschrieben wurde, dass es das abscheulichste Buch war, dass der Rezensent gelesen hat und er es nicht wieder lesen würde. Das hat mich dann neugierig gemacht. Es ist schon teilweise schockierend, wenn man sich das als reales Geschehen vorstellt, aber so wie de Sade die Praktiken teilweise beschreibt, finde ich es eher amüsant.
Ich fand die Übertreibungen immer ziemlich humorig. Ich meine, selbst wenn man die Menschheit echt düster sieht, wirken de Sades Charaktere noch wie Karikaturen - so wie Alex in A Clockwork Orange. Allerdings halte ich nichts mehr für wirklich unrealistisch, seit ich eine Beschreibung von Jeff Dahmers Wohnung gelesen habe. Wobei ich darüber auch lachen musste. Ich meine... ein Kopf im Kühlschrank, ein menschliches Herz in der Tiefkühltruhe... Ein wandelndes Horror-Klischee.
Zitat:
Über das Buch von Simone de Beauvoir schreib ich morgen oder übermorgen noch was, je nachdem, wie viel Zeit ich finde.
Wheeee! :)
Zitat:
Eine vernünftige Biographie hab ich noch nicht gefunden. Ich wollte demnächst mal Leben und Werk des Marquis de Sade bestellen. Gibts bei amazon z. B. für ein paar Euro gebraucht.
Ich warte gespannt auf deine Meinung dazu :)
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tridi
_____



Anmeldungsdatum: 21.06.2007
Beiträge: 7933

Beitrag(#1313260) Verfasst am: 25.06.2009, 01:00    Titel: Re: de Sade: Macht, Gewalt und Sexualität Antworten mit Zitat

NiH hat folgendes geschrieben:

Hab auch zwei Bücher von ihm (Die 120 Tage von Sodom und Die Philosophie im Boudoir gelesen und zwei (mehr oder weniger) über ihn (Soll man de Sade verbrennen und noch ein weniger bekanntes, wobei mir der Name gerade entfallen ist...).

mir ist beim aufraeumen des elterlichen kellers ein buch von de sade in die haende gefallen. ich begann neugierig darin zu lesen. ich vermutete in dem buch irgendwelche sadistischen inhalte - kam aber nach wenigen seiten zu dem schluss, dass es dieser meister des sadismus geschafft hatte, seine sadistische ader noch 200 jahre nach seinem tod mit grossem erfolg auszuueben; naemlich dadurch, dass er mich, seinen leser, quaelte, mit seinen geschichten von ausweglosen und grauenvollen situationen. ich wollte nur lesen, aber ploetzlich war ich opfer seiner sadistischen machenschaften, knapp 200 jahre nach seinem tod!

dies erkennend habe ich dann beschlossen, die frage "soll man de sade verbrennen" mangels masochistischer ader meinerseits mit einem klaren "ja" zu beantworten, und so landete de sade schnurstracks im altpapier.
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tiny
Feminella breva



Anmeldungsdatum: 29.12.2008
Beiträge: 170
Wohnort: Nürnberg

Beitrag(#1313298) Verfasst am: 25.06.2009, 01:52    Titel: Re: de Sade: Macht, Gewalt und Sexualität Antworten mit Zitat

tridi hat folgendes geschrieben:
(...) und so landete de sade schnurstracks im altpapier.
O Schmach! O Schande! Wie kann er nur ein Buch entsorgen? Sowas macht man doch nicht. Für sowas gibts doch booklooker und ebay und wasnich :(
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Die Fiktion
unsanft



Anmeldungsdatum: 15.02.2009
Beiträge: 2022
Wohnort: Düsseldorf

Beitrag(#1313300) Verfasst am: 25.06.2009, 02:09    Titel: Re: de Sade: Macht, Gewalt und Sexualität Antworten mit Zitat

mir ist beim aufraeumen des elterlichen kellers ein buch von de sade in die haende gefallen. ich begann neugierig darin zu lesen. ich vermutete in dem buch irgendwelche sadistischen inhalte - kam aber nach wenigen seiten zu dem schluss, dass es dieser meister des sadismus geschafft hatte, seine sadistische ader noch 200 jahre nach seinem tod mit grossem erfolg auszuueben; naemlich dadurch, dass er mich, seinen leser, quaelte, mit seinen geschichten von ausweglosen und grauenvollen situationen. ich wollte nur lesen, aber ploetzlich war ich opfer seiner sadistischen machenschaften, knapp 200 jahre nach seinem tod!

Liest sich für mich wie eine Glanzleistung des Autors.
Es spricht dafür, das er ein zeitloses Thema in einer Wortwahl verfasst hat, die auch nach 200 Jahren immer noch emotinal trifft.

Seine Themen mögen strittig sein, aber sein Talent ist es sicher nicht
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Uriziel
Herpiderpi



Anmeldungsdatum: 22.12.2007
Beiträge: 1728

Beitrag(#1328332) Verfasst am: 14.07.2009, 16:58    Titel: Antworten mit Zitat

Was gibt es dazu zu sagen, im kurzen...? ^^

"Macht", "Gewalt"... und "Sexualität"...

" Machen VERDAMMT geil "... Lachen zynisches Grinsen
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Telliamed
registrierter User



Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1328383) Verfasst am: 14.07.2009, 18:30    Titel: Antworten mit Zitat

Die umfangreichste neuere Biographie, aus dem Französischen übersetzt von Friedrich Giese:

Jean Jacques Pauvert: Der göttliche Marquis. Leben und Werk des D. A.F. de Sade. 2 Bände. München 1996.

Maurice Lever: Marquis de Sade. Die Biographie. München 1998,

Hugues Jallon: Marquis de Sade. Eine Einführung. Düsseldorf 1999.

Über seine Rezeption in Deutschland mit bibliographischen Nachweisen 1768-1899:
Julia Bohnengel: Sade in Deutschland. Eine Spurensuche im 18. und 19. Jahrhundert. St. Ingbert 2003.
_____

Das letzte ist nun die Autorin einer Dissertation:

Als ich vor einigen Jahren eine Gruppe von Erforscherinnen der Aufklärung fragte, wie eine Frau so etwas wie die "Justine" lesen könne, die nicht nur brutal sei, sondern auch eine endlose und letztlich langweilige Wiederkehr immer derselben Folterszenen biete, wurde mir freundlich geantwortet, dass ich wohl die Frauen nicht genügend kenne. Auf den Arm nehmen
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Ralf Rudolfy
Auf eigenen Wunsch deaktiviert.



Anmeldungsdatum: 11.12.2003
Beiträge: 26674

Beitrag(#1329901) Verfasst am: 17.07.2009, 09:17    Titel: Antworten mit Zitat

NiH hat folgendes geschrieben:
Vor allem finde ich interessant, dass er einerseits die Schicksale der Opfer in Die 120 Tage von Sodom z. B. sehr detailliert beschreibt, als wenn er wahrlich Vergnügen dabei finden würde, andererseits aber auch Raum (wenn auch wenig) für ihre Gefühle lässt. Das passt hervorragend zu der oben erwähnten Demonstration von Macht.

Kennst du den Film von Pasolini? Wird der dem Buch gerecht?
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nocquae
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Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 18183

Beitrag(#1329931) Verfasst am: 17.07.2009, 10:21    Titel: Antworten mit Zitat

Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben:
NiH hat folgendes geschrieben:
Vor allem finde ich interessant, dass er einerseits die Schicksale der Opfer in Die 120 Tage von Sodom z. B. sehr detailliert beschreibt, als wenn er wahrlich Vergnügen dabei finden würde, andererseits aber auch Raum (wenn auch wenig) für ihre Gefühle lässt. Das passt hervorragend zu der oben erwähnten Demonstration von Macht.

Kennst du den Film von Pasolini? Wird der dem Buch gerecht?

Ja, schon … Immerhin transportiert er perfekt die Darstellung totaler Willkür aus reiner Freude an der Macht. Der Zeitpunkt der Handlung ist zwar vom Ancien Regime in den italienischen Faschismus verlegt, aber auch das wird dem Buch ja durchaus gerecht. Es ist definitiv keine reine Verfilmung, aber der Grundgedanke ist ziemlich exakt getroffen …
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Ieldra
Außerirdischer Techno-Magier



Anmeldungsdatum: 12.12.2007
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Beitrag(#1330004) Verfasst am: 17.07.2009, 12:43    Titel: Re: de Sade: Macht, Gewalt und Sexualität Antworten mit Zitat

Die Fiktion hat folgendes geschrieben:
Seine Themen mögen strittig sein, aber sein Talent ist es sicher nicht

Dem kann ich nur beipflichten. Die zweieinhalb Bücher, die ich gelesen habe, sind einfach unerträglich langweilig in ihren immer gleichen Wiederholungen. Da hat jemand auf 300 Seiten ausgewalzt, was auf 50 ausreichend beschrieben wäre.

Was den Inhalt angeht: "Die Philosophie im Boudoir" ("Pornographie im Boudoir" wäre ein zutreffenderer Titel gewesen) ist ja stellenweise noch ganz amüsant, aber "Justine" ist über große Strecken einfach nur ekelhaft. Und zwar in jeder möglichen Interpretation dieses Wortes. Dem Anliegen, das Vergebliche tugendhaften Verhaltens darzulegen, wird es auch nicht gerecht: moralisch richtig im Sinne einer Verantwortung für sich selbst und die Welt wäre es gewesen, das alles nicht einfach hinzunehmen, sondern sich eines der reichlich herumliegenden Folterinstrumente zu schnappen und dem Spuk ein Ende zu machen.

Dass Macht, und bisweilen auch die Begegnung mit Macht, geil macht, das will ich nicht in Abrede stellen. Aber dass sich jemand der Art von alle Grenzen überschreitender Willkür hingibt, die in "Justine" beschrieben wird, ohne den Versuch einer ernsthaften Gegenwehr, das kann ich mir nicht vorstellen. Und sexuell anregend finde ich es überhaupt nicht. Eher im Gegenteil - die meisten Szenen erschlagen jede Begierde, die man eventuell in Erwartung dessen, was da kommt, empfunden haben mag.

Die zweite Hälfte von "Juliette" und "Die 120 Tage von Sodom" habe ich dann gar nicht mehr gelesen. Vermutlich ist mir damit auch nichts Wichtiges entgangen.

Was im übrigen die weiter oben implizierte leichtere Akzeptanz von Gewalt durch ihre Verbindung mit Sexualität betrifft, so konnte ich bei der Lektüre feststellen, dass mich Willkür immer wütend macht, unabhängig davon, ob Sex im Spiel ist oder nicht.
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Faith is the truth of passion. Since no passion is more true than another, faith is the truth of nothing – aus “The Darkness that comes before”, von R. Scott Bakker
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vrolijke
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Beitrag(#1330010) Verfasst am: 17.07.2009, 12:54    Titel: Antworten mit Zitat

NOCQUAE hat folgendes geschrieben:
Ralf Rudolfy hat folgendes geschrieben:
NiH hat folgendes geschrieben:
Vor allem finde ich interessant, dass er einerseits die Schicksale der Opfer in Die 120 Tage von Sodom z. B. sehr detailliert beschreibt, als wenn er wahrlich Vergnügen dabei finden würde, andererseits aber auch Raum (wenn auch wenig) für ihre Gefühle lässt. Das passt hervorragend zu der oben erwähnten Demonstration von Macht.

Kennst du den Film von Pasolini? Wird der dem Buch gerecht?

Ja, schon … Immerhin transportiert er perfekt die Darstellung totaler Willkür aus reiner Freude an der Macht. Der Zeitpunkt der Handlung ist zwar vom Ancien Regime in den italienischen Faschismus verlegt, aber auch das wird dem Buch ja durchaus gerecht. Es ist definitiv keine reine Verfilmung, aber der Grundgedanke ist ziemlich exakt getroffen …


Ich habe den Film vor lange Zeit gesehen. Als der Film aus war, waren noch ca ein Drittel der anfängliche Zuschauer im Saal. Bei den letzten Szenen hatte ich auch Probleme, das noch anzuschauen.
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Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.

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Ahriman
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Beitrag(#1330048) Verfasst am: 17.07.2009, 14:15    Titel: Antworten mit Zitat

Den Film hatte ich vor etlichen Jahren mal von der Videothek. Ich fand ihn genau so Käse wie das Buch. Für 15 Euro könnt ihr ihn kaufen bei www.hitmeister.de . Allerdings muß man da erst einen Altersnachweis erbringen.
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...und suche mich nicht in der Unterführung...
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Telliamed
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Beitrag(#1330085) Verfasst am: 17.07.2009, 15:40    Titel: Antworten mit Zitat

@Ahriman

Zitat:
Allerdings muß man da erst einen Altersnachweis erbringen.


P 65? Bitte nicht! *duck und weg*
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Baudelaire
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Beitrag(#1330120) Verfasst am: 17.07.2009, 16:54    Titel: Re: de Sade: Macht, Gewalt und Sexualität Antworten mit Zitat

Ieldra hat folgendes geschrieben:
Die Fiktion hat folgendes geschrieben:
Seine Themen mögen strittig sein, aber sein Talent ist es sicher nicht

Dem kann ich nur beipflichten. Die zweieinhalb Bücher, die ich gelesen habe, sind einfach unerträglich langweilig in ihren immer gleichen Wiederholungen. Da hat jemand auf 300 Seiten ausgewalzt, was auf 50 ausreichend beschrieben wäre.
.....


Das Thema ist die Wiederholung (im Sinne von Wiederholungszwang). De Sade, der ja den längsten Teil seines Lebens im Knast verbrachte, entwirft eine Art Grammatik der Sexualität. Es geht dabei um die Intensivierung des Austausches und des Genusses. Da Genuss mit Konsum/ Verzehr gleichgestellt wird, sind die Folgen meist letal. Was daran "eklig" sein, soll, wo es doch angeblich so "unerträglich langweilig" ist, erschließt sich mir nicht.

Pasolini hat es kongenial verfilmt. Nach der Erstaufführung des Films soll laut einem Bericht von Alberto Moravia jemand aus dem Publikum geschrien haben, man müsse Pasolini ermorden. Dies ist ja wenig später geschehen und es gibt bis heute Mutmaßungen, dass der Mord ein faschistisches Komplott gegen Pasolini war. Zumindest gibt es eindeutige Beweise, das der verurteilte Täter, ein Strichjunge, nicht alleine gehandelt hat. Er hat seine Mittäter nie benannt.

Wer eine sehr gelungen filmische Widmung an Pasolini sehen mag, dem empfehle ich diesen Link zu einem Film von Nanni Moretti:

http://www.youtube.com/watch?v=AIBeQ7ddgXw&feature=PlayList&p=7600CDC9A885DA1E&playnext=1&playnext_from=PL&index=8
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Telliamed
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Beitrag(#1330358) Verfasst am: 17.07.2009, 21:24    Titel: Antworten mit Zitat

Also jetzt mal nur zu de Sade, nicht zu Verfilmungen des 20. Jahrhunderts. Ich hoffe, dass die Leser wissen, was in den Romanen de Sades geboten wird. Spätere Deutungen in zahlreichen Filmen sind eine andere Sache.

Da wirft in der "Justine" ein Typ auf einem Schiff zwei kleine Mädchen, Töchter einer Mutter, die auf dem Schiff anwesend ist, nur so zum Spaß über Bord, worauf diese ertrinken, wobei ihm einer abgeht.

Des weiteren befriedigen sich in ebendiesem Roman "Justine" zwei Typen angesichts des Umstands, dass die Mutter des einen von ihnen aufgrund falscher Beschuldigungen aufgehängt wird. Beim Anblick der Qualen seiner eigenen Mutter am Galgen kriegt ihr eigener Sohn einen prächtigen Orgasmus.

Wiederum zwei andere Typen freuen sich diebisch darüber, dass es denk der Ingenieurkunst des einen gelungen ist, künstlich durch Explosion einen Vulkanausbruch mit Erdbeben herbeizuführen, worauf eine ganze Stadt verschüttet wird und die Einwohner umkommen. 1787 brach der Ätna wiederholt aus, so daß die Leute nachts hätten Zeitung lesen können - eine solche Nachricht mag de Sade beflügelt haben, der in der Bastille versuchte, sein verloren gegangenes Manuskript der 120 Tage aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren.

Der Interpretation solcher Szenen sei Tür und Tor geöffnet, aber nicht nur die Zeitgenossen waren an den Grenzen sämtlichen Verständnisses angelangt.

De Sade wurde am 14. Juli 1789 aus der Bastille befreit, wo er seit Jahren inhaftiert war, gemäß einem anderen Zeugnis war er schon draußen und inzwischen in die Irrenanstalt gebracht worden.

Zum Zeitpunkt des Sturms auf die Bastille, der vor einigen Tagen wie jedes Jahr als großes Ereignis in Frankreich begangen wird, waren noch 7 Insassen in dem Gefängnis, darunter 4 Notenfälscher und 2 weitere Geisteskranke. De Sade soll den Stürmenden zugerufen haben, dass man in der Bastille die Gefangenen ermorde, was die Revolutionäre zusätzlich anfachte.
Unter dem Ersten Konsul Napoleon wurde nun de Sade, inzwischen für geisteskrank erklärt, wegen der "Justine" und der "Juliette" erneut belangt.

Wenn sich Horckheimer/Adorno 1947 in ihrer "Dialektik der Aufklärung" auch in einem eigenen Kapitel de Sade widmeten, so ging es ihnen nicht so sehr um die Zustände im 18. Jahrhundert und ihre literarische Verarbeitung. Ansonsten kommen in ihrem Buch kaum die Aufklärungsschriftsteller dieses Jahrhunderts vor. Sondern sie beschäftigte vor allem die Entmenschlichung in ihrem, dem 20. Jahrhundert, das, was gerade in den zurückliegenden Jahren in Europa geschehen war.
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Hucklebuck
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Beitrag(#1330565) Verfasst am: 18.07.2009, 10:22    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe bis jetzt komischerweise de Sade noch nie in die Finger gekriegt. Offensichtlich gehen die Meinungen aber so weit auseinander, daß man sich dem doch mal aussetzen sollte...
Wer sich für (ziemlich sicher) reale Vorgänge interessiert, die in dieser Schnittmenge liegen, sollte mal versuchen, "Satanismus in Deutschland" (Untertitel `Zwischen Kult und Gewalt`)von Rainer Fromm zu lesen. Aber Vorsicht: Ich bin schon abgebrüht, was sowas betrifft, aber dieses Buch, weil es offensichtlich so real ist, kann sich zu einem Alptraum auswachsen, wenn man nicht über die entsprechenden Verdrängungsmechanismen verfügt.
Jedenfalls dreht sich darin ziemlich viel um die Beziehung Gewalt-Sex-Macht, also das Bermuda-Dreieck im Meer der zwischenmenschlichen Verirrungen.
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Ahriman
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Beitrag(#1330577) Verfasst am: 18.07.2009, 11:23    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe den Eindruck, daß die Bücher, die andere über den bösen Marquis schrieben, interessanter sein könnten als die, die er selber schrieb. Angeregt durch diesen Thread holte ich gestern mal wieder die "Juliette" heraus. Nach einigen Stichproben warf ich das Buch in das Altpapier.
Ich habe im Lauf der Zeit hin und wieder SM-Seiten im Internet gefunden, wo einige Leute ihre Tagträume als Geschichten veröffentlichten. Gegen die ist der Marquis ein ganz braver Klosterknabe.
An sich ist an diesem Mann nichts besonderes. Von seiner Sorte gab es immer welche und gibt es heute auch jede Menge. Er ist wohl nur bekannt geworden, weil er a) seine Phantasien niederschrieb und b) Krafft-Ebing seinen Namen für etwas einsetzte, was bis dahin keinen Namen hatte, weil man buchstäblich nicht darüber sprach. Interessant ist an ihm vielleicht noch, daß er versucht hat, seine Neigung irgendwie philosophisch zu untermauern oder gar zu rechtfertigen. Das zeigen die beiden Romane "Justine" und "Juliette", die zusammengehören. Ich schätze, wenn er Darwins Theorien gekannt hätte, er hätte sich dann auch darauf berufen.
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Telliamed
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Beitrag(#1330599) Verfasst am: 18.07.2009, 12:39    Titel: Antworten mit Zitat

Wie schon @Ieldra andeutete, ist die Grundthese bei de Sade, dass sich tugendhaftes Handeln im Leben nicht auszahlt, was die arme "Justine" in immer wieder mit gleichen Scheußlichkeiten ausgemalten Szenen an sich erfahren muss. Wenn man übrigens all die ihr zugefügten Verletzungen zusammenführt (abgeschnittene Gliedmaßen, zugefügte Wunden), so kommt man auf so etwas wie bei den "Splittern vom Kreuze Christi", die zusammengefasst einen kleinen Wald ergeben - maßlose und letztlich unglaubwürdige Übertreibungen sind ein Stilmittel de Sades.
Hingegen lehrt "Juliette": "Frechheit und Skrupellosigkeit zahlen sich letztlich aus!"
(Übrigens zeigt sich in diesem Roman, dass de Sades den wirklichen geschichtlichen Umständen nicht entsprechendes Bild von Katharina II. auf Projektionen von Russland gegenüber feindselig gestimmten französischen Autoren beruhte (abgeblitzte Abenteurer, abgehalfterte Diplomaten und Hauslehrer). In Wirklichkeit war die Kaiserin eine zumeist von rationalen Erwägungen ausgehende Menschenkennerin und zugleich eine gefühlvolle, auch herzliche Frau, die ihren Günstlingen keinen politischen Einfluss zugestand, sie aber auch nach ihrer Entlassung beschenkte - ihre 34 Regierungsjahre insgesamt ein Glücksfall für das Land, im Vergleich mit dem 20. Jh.)

Man kann also die Bücher als Beitrag de Sades zur "Theodizee"-Debatte des 18. Jahrhunderts lesen. Während aber Voltaires "Candide" alle Irrgärten klerikaler Intoleranz durchläuft, um überall zu sehen, dass der Leibnizsche Optimismus von dieser Welt als der besten aller möglichen Welten ad absurdum geführt wird, stellt er am Schluss fest: "wir müssen alle unseren Garten bestellen".

Die Lebensumstände, das jahrelange Gefangensein und die für unschuldige Frauen und Mädchen wie für ihn selbst unglücklichen Neigungen machten de Sade zu einem Misanthropen.
Der oldenburgische Justizbeamte Gerhard Anton von Halem, der das revolutionäre Paris 1790 bereiste (Blicke auf einen Theil Deutschlands, der Schweiz und Frankreichs bey einer Reise vom Jahre 1790. Hamburg 1791. Neuausgabe Bremen 1990) notierte über einen der sieben am 14. Juli 1789 befreiten Gefangenen den gerichtlichen Hauptvorwurf: "Und der eine von ihnen ist der Graf von Sade, aus der Provence, der zehnmal das Rad verdient hatte, weil er überführet war, Mädchen an sich gezogen zu haben, um sich das grausame Vergnügen zu geben, sie lebendig aufzuschneiden." (S. 153)
Zu diesem Zeitpunkt war von der "Justine" und der "Juliette" noch gar nicht die Rede, und das Manuskript der "120 Tage von Sodom" tauchte sogar erst im 20. Jahrhundert wieder auf.


Der fiktive Totentanz seiner Romane wurde kurzzeitig Wirklichkeit während der "terreur" 1794, als zahlreiche Köpfe rollten und der "Sadismus" eines Carrier http://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Baptiste_Carrier Triumphe feierte, der in Nantes verurteilte Männer und Frauen nackt zusammenband und in den Fluss werfen ließ, während der spätere Polizeiminister Joseph Fouche als "Mitrailleur von Lyon" tausende Einwohner dieser zweitwichtigsten Stadt mit der Vorform eines Maschinengewehrs zusammenschießen ließ.
Für alle Jakobinerfreunde unter den Revolutionären die erfreuliche Mitteilung, dass gemäß Marx und Engels dieser reale Terror aus der "Angst des hosenscheißenden Spießers" gespeist wurde.
Selbst der arme de Sade wäre entsetzt gewesen, wenn er gesehen hätte, was in Europa in den 1930/40er Jahren in der Wirklichkeit angerichtet wurde.
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