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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1753159) Verfasst am: 16.05.2012, 19:51 Titel: |
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Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Ob dieser Term in der Wirklichkeit eine Entsprechung hat, wird gerade mit dem LHC geprüft. |
Bingo!
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Ich seh da nichts, was irgendwie einer Ontologie ähnelt. |
Du kannst gerne noch mal darüber nachdenken, was "Entsprechung" in diesem Kontext bedeuten könnten.
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Aber gesetzt den Fall es wäre so, entscheidet erst das Experiment und damit die Naturwissenschaft, ob es das Higgs-Boson wirklich gibt |
Natürlich.
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | und nicht die Ontologie. |
Die Annahme der Möglichkeit, dass "es das Higgs-Boson wirklich gibt" und dass wir dies empirisch überprüfen können, ist doch schon Ontologie in Reinkultur, findest Du nicht?
Naturwissenschaften und Ontologie stehen in einem Verhältnis wechselseitiger Erhellung: Der ontologische Realismus ist Voraussetzung für das Betreiben von Naturwissenschaft, und Naturwissenschaft kann wiederum dazu beitragen, den ontologischen Status von Objekten zu bestimmen. |
Also sind wissenschaftliche Theorien nichts anderes als Puzzleteile einer Ontologie? Von mir aus. Wozu gibt es dann aber die anderen? Wenn die Naturwissenschaft die richtige Ontologie ist, wozu dann noch Philosophen, die weniger gute und zumindest nicht nachprüfbare bauen?
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1753163) Verfasst am: 16.05.2012, 20:01 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Aber selbst ich sag ja nicht, dass Philosophie keinen Platz mehr haben sollte, sie hat nur keinen in der Findung der Wahrheit, sondern nur, wie die Theologien auch, im Wohlfühlprozess einzelner Menschen. |
Nachtrag: Das wird dich vielleicht schockieren, aber übrigens ist der Begriff "Wahrheit" kein Begriff der Physik. |
Aber das was die Naturwissenschaft benutzt, Experimente sind wahrheitszeigende Methoden. Das Experiment zeigt die Wahrheit.
Nur um Missverständnisse zu vermeiden. Natürlich ist mir bewusst, wie wichtig und groß die Rolle der Philosophie in der Vergangenheit war. Sie hat die Naturwissenschaft "hervorgebracht" und damit alle anderen Teilgebiete in eine Entwicklung geschickt, an deren Ende diese vollständig von der Naturwissenschaft oder einer besseren Methodik ersetzt worden sein werden.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1753165) Verfasst am: 16.05.2012, 20:05 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Das Experiment zeigt die Wahrheit. |
Auch das ist kein Satz der Physik. Und trivialerweise lässt sich eine Behauptung dieser Art auch nicht selbst wieder experimentell beweisen.
Die Naturwissenschaftler (step und co.) hier sprechen nur selten von Wahrheit, sondern von Modellen, Anwendungskriterien u. dgl.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1753173) Verfasst am: 16.05.2012, 20:40 Titel: |
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Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ... übrigens ist der Begriff "Wahrheit" kein Begriff der Physik. | Stimmt, aber die Physik sucht, wie jede Naturwissenschaft, nach "zeitkernig gültigen Wahrheiten". |
Auch ich stimme Tarvoc's Ausage zu, und würde sogar den Ausdruck "Wahrheiten" ganz streichen, weil dieser aus meiner Sicht für Sätze in fomalen Kalkülen "reserviert" ist. Das "zeitkernig" kann man sich dann auch sparen, bzw. die zeitliche Wandelbarkeit ist implizit, wenn man sagt:
"Die Physik sucht, wie jede Naturwissenschaft, nach möglichst guten Modellen."
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1753174) Verfasst am: 16.05.2012, 20:40 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Die Naturwissenschaftler (step und co.) hier sprechen nur selten von Wahrheit, sondern von Modellen, Anwendungskriterien u. dgl. |
Ja, in diesem Punkt bin ich anderer Ansicht als Tom der Dino.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1753178) Verfasst am: 16.05.2012, 20:59 Titel: |
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Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | - Die Voraussage des Higgs-Bosons folgt aus dem Standardmodell und erfordert keine zusätzlichen apriori-Vernunfterkenntnisse oder sonstigen Anstöße aus der Ontologie oder Metaphysik. | Allein der Begriff "Higgs-Boson" ist doch schon mit einer Bedeutung ausgestattet, welche die Existenz eines materiellen Austauschteilchens nahelegt. |
Ja, es wird so allerlei "nahegelegt", das nennt man Intepretation oder Deutung, von mir aus auch "unwillkürliche Ontologie", aber es ist nicht notwendig für die Physik, schon gar nicht auf derselben Ebene, auf der man Physik betreibt. Ich versuche es nochmal zu erklären:
Wie haben ein Modell (z.B. eine Formel), die sagt voraus, daß wir irgendwo etwas messen müssten. Diesen Term nennen wir "Higgs-Boson". Schon diesem Akt des "isolierenden Nennens" liegt in der Tat etwas unbewußt Reifizierendes - wenn Ihr so wollt etwas Metahysisches. Wir machen das aber trotzdem, weil es die Sache einfacher macht. Der Journalist treibt es noch weiter und nennt es "Gottesteilchen". Damit transportiert er eigentlich schon eine große Menge unnötigen metaphysischen Kontextes, der zwar normalerweise nicht besonders stört, aber eben doch, wenn es hart auf hart kommt. Wir können aber auch nicht von dem Journalisten verlangen, daß er stattdessen die Eichtheorie hinschreibt. Er muß in (falschen) Bildern sprechen.
Die Formel ist in diesem Sinne natürlich auch ein "falsches Bild", aber sie ist das derzeit beste Bild, das wir haben.
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Es ist mir völlig schleierhaft wie Du noch sinnvoll von der Überprüfung theoretischer Voraussagen sprechen willst, ohne dabei gleichzeitig eine materialistische Ontologie vorauszusetzen. Wenn es bei den Experimenten keine Rolle spielte, ob das Higgs-Boson "wirklich existiert", dann könnte man sich die ganzen Teilchenbeschleuniger sparen und sich damit zufrieden geben, dass die Theorie mathematisch "funktioniert". |
Das verstehe ich nicht. Ich habe das Gefühl, daß Du das Kind mit dem Bade ausschüttest. So als ob ich leugnen würde, daß man beobachten könne. Mein "Realismus" erschöpft sich damit, daß wir Experimente machen können, ich hänge aber keiner Metaphysik über das "Sein des Seins" an. Insbesondere meine ich, daß wir zwar die Beobachtungen modellieren können, aber die Überprüfung einer Theorie durch eine Beobachtung ist nicht gleichzeitig der Beweis für die metaphysische Behauptung, daß dem Term in unserem Modell, der die Beobachtung beschreibt, ein reales "Teilchen" gegenüberstehe. Sondern es ist eher so, daß wir den Term (oder ein bestimmtes Beobachtungsmuster) "Teilchen" und "real" nennen, wenn die Beobachtung (oder der Term) bestimmte Eigenschaften zeigt.
Ich könnte es auch etwas provokanter formulieren: Wirklichkeit ist reduzierbar.
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Du könntest "Epizykel" einführen noch und nöcher - das würde niemanden stören. Tut es aber offensichtlich doch, zumindest war es so zu Newtons Zeiten... |
Die Epizykeln stören nicht etwa, weil sie "nicht real" sind, sondern weil es ein besseres Modell gibt.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1753186) Verfasst am: 16.05.2012, 21:56 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ... übrigens ist der Begriff "Wahrheit" kein Begriff der Physik. | Stimmt, aber die Physik sucht, wie jede Naturwissenschaft, nach "zeitkernig gültigen Wahrheiten". |
Auch ich stimme Tarvoc's Ausage zu, und würde sogar den Ausdruck "Wahrheiten" ganz streichen, weil dieser aus meiner Sicht für Sätze in fomalen Kalkülen "reserviert" ist. Das "zeitkernig" kann man sich dann auch sparen, bzw. die zeitliche Wandelbarkeit ist implizit, wenn man sagt:
"Die Physik sucht, wie jede Naturwissenschaft, nach möglichst guten Modellen." |
Das ist ein Punkt. Dann wäre es eher folgendermaßen zu formulieren: "Das Experiment zeigt die Realität."
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1753187) Verfasst am: 16.05.2012, 21:59 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Die Naturwissenschaftler (step und co.) hier sprechen nur selten von Wahrheit, sondern von Modellen, Anwendungskriterien u. dgl. |
Ja, in diesem Punkt bin ich anderer Ansicht als Tom der Dino. |
Naja, dass Naturwissenschaftler oft so sprechen, ist erstmal eine empirische Tatsache. Die Frage, ob naturwissenschaftliche Theorien die Wahrheit zeigen oder nicht, ist aber unabhängig davon, ob die Naturwissenschaftler behaupten, dass sie das tun.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1753190) Verfasst am: 16.05.2012, 22:01 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Dann wäre es eher folgendermaßen zu formulieren: "Das Experiment zeigt die Realität." |
Das ist in diesem Kontext nur ein Austausch von Worten.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1753198) Verfasst am: 16.05.2012, 22:28 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Dann wäre es eher folgendermaßen zu formulieren: "Das Experiment zeigt die Realität." |
Das ist in diesem Kontext nur ein Austausch von Worten. |
Du verwechselst jetzt aber nicht "naturwissenschaftliche Theorie" mit "Experiment"?
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1753201) Verfasst am: 16.05.2012, 22:46 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: |
Zitat: | "The relation between space and matter is highly contentious." – C. McGinn |
So hoch umstritten ist die Beziehung zwischen Raum und Materie dann auch nicht. |
Doch. |
Ein messerscharfes Argument.
Ich spreche ungern über Dinge, für die ich kein Beispiel habe. Nenn mir ein Beispiel. Was konkretes bitte, über das sich sprechen läßt.
Myron hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: |
Zitat: | "Matter itself is vanishingly elusive." C. McGinn |
Da will ich mal mein Hammer-Argument herausholen: Nimm einen Hammer, und laß ihn dir auf die Zehen fallen, dann merkst du, wie elusive Materie ist. |
McGinn würde sagen, dass wir zwar wissen und am eigenen Leib erfahren, was Materie tut, aber nicht, was sie in sich ist. |
Da verstehe ich McGinn nicht, warum er sich eine solche Frage überhaupt stellt. "Was ist etwas" - die Frage ist instabil, pathologisch: mit jeder Antwort stellt sich sofort eine neue Frage.
Was ist ein Stuhl?
Ein Möbelstück auf dem man sitzen kann.
Was ist ein Möbelstück.
Ein materieller Gegenstand.
Was ist Materie?
Materie sind Molekülen, diese bestehen aus Atomen.
Was sind Atome?
...
Das Spielchen läßt sich auf ewig fort treiben. Angenommen, ein Philosoph beantwortete die Frage nach der Materie mit: "Materie ist dies und das." Dann käme sofort der nächste Philosoph und könnte berechtigter Weise fragen: "Und was ist dein dies und das"? Man darf den Philosophen hier im Beispiel auch gerne gegen einen Physiker austauschen.
Fragen wie "Was ist" und "Warum ist" führen in einen unendlichen Zirkel, wenn man sie nicht sparsam verwendet.
Übrigens, zur Ehrenrettung der Philosophie sei gesagt, wenn sich manche Philosophen nicht ans philosophische Fundamentaltheorem halten - worüber man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen - ist das kein Versäumnis der Philosophie an sich. Auf arXiv.org finden sich bestimmt auch eine Menge Stegreifthesen der Physiker.
Myron hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: |
Zitat: | "The mathematics is as regular as clockwork, …" – C. McGinn |
Das ist seit bereits bald 100 Jahren falsch. *Schauder* |
– Die Quantenmechanik funktioniert bislang "wie ein Uhrwerk". |
Sorry, hab im Eifer McGinns Zitat aus dem Zusammenhang gerissen. Das war Unsinn.
Ich dachte an sowas:
Zitat: | The striking conclusion Chaitin draws from his mathematical work is that human creativity is absolutely necessary, and that "intuition cannot be eliminated from mathematics." Chaitin refutes the idea that within mathematics there is a "Theory of everything" (TOE), a finite set of axioms and rules from which you — or even a machine — can derive every mathematical fact without ever having to add a new idea or hypothesis. He uses mathematics to show that mathematics is infinitely complex, and consequently that any finite theory can only ever capture a small part of it.
http://plus.maths.org/content/meta-math |
Aber das hat mit dem, was McGinn gemeint hat, nichts zu tun.
Bitte meine Bemerkung ersatzlos streichen oder für die nächste Was-ist-Mathematik-Diskussion aufheben.
Myron hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: | Zitat: | "What, most primitively, is physics really about?" – C. McGinn |
Physik versucht Aussagen über die materielle Welt zu finden, die nicht unter eitles Geschwätz fallen. |
Hast du eine Antwort auf die Frage, was genau das Materielle, das Physische ist? |
Weiß nicht. Ich begnüge mich erstmal, mit dem, was wir sinnvolles über Stühle, Atome und Materie sagen können. Wenig ist das nicht. Darüber hinaus läßt sich manches vermuten, mal mehr, mal weniger naheliegend. Bedeutung erlangt eine Aussage nur dann, wenn man sie ins "semantische Netz unseres Weltwissens" einbauen kann.
Feynman hat mal versucht [7:30 youtube], einem Journalisten zu erklären, was Magnetismus ist. Das läßt sich eins zu eins auf die Frage übertragen, was das Materielle ist.
Ab einem bestimmten Punkt bleibt uns nur mehr festzustellen, daß es Masse, Ladung, vier Grundkräfte und so weiter gibt. Stand 2012 - Fortsetzung folgt. Vorschläge wie immer willkommen.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1753213) Verfasst am: 16.05.2012, 23:39 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Dann wäre es eher folgendermaßen zu formulieren: "Das Experiment zeigt die Realität." |
Das ist in diesem Kontext nur ein Austausch von Worten. |
Du verwechselst jetzt aber nicht "naturwissenschaftliche Theorie" mit "Experiment"? |
Alle Beobachtung im Experiment ist theoriebelastet. Das Experiment ist nicht von der Theorie getrennt.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1753216) Verfasst am: 17.05.2012, 00:15 Titel: |
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Kival hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Dann wäre es eher folgendermaßen zu formulieren: "Das Experiment zeigt die Realität." |
Das ist in diesem Kontext nur ein Austausch von Worten. |
Du verwechselst jetzt aber nicht "naturwissenschaftliche Theorie" mit "Experiment"? |
Alle Beobachtung im Experiment ist theoriebelastet. Das Experiment ist nicht von der Theorie getrennt. |
Kannst du das genauer erklären?
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1753227) Verfasst am: 17.05.2012, 01:02 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Du verwechselst jetzt aber nicht "naturwissenschaftliche Theorie" mit "Experiment"? |
Mal abgesehen von dem, was Kival geschrieben hat: Wie kommst du denn jetzt darauf?
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1753252) Verfasst am: 17.05.2012, 08:51 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Die Naturwissenschaftler (step und co.) hier sprechen nur selten von Wahrheit, sondern von Modellen, Anwendungskriterien u. dgl. | Ja, in diesem Punkt bin ich anderer Ansicht als Tom der Dino. | Naja, dass Naturwissenschaftler oft so sprechen, ist erstmal eine empirische Tatsache. |
Philosophen und Theologen übrigens mindestens ebenso. Nach meiner Erfahrung sind es vornehmlich ontologische Realisten unter den Naturwissenschaftlern, die dazu neigen, gute Theorien als "Wahrheit" oder "asymptotische Wahrheit" zu bezeichnen. Wie ist das bei den Philosophen, welche Richtung gilt da als die Hohepriester der Wahrheit? Die Strafrechtler?
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Die Frage, ob naturwissenschaftliche Theorien die Wahrheit zeigen oder nicht, ist aber unabhängig davon, ob die Naturwissenschaftler behaupten, dass sie das tun. |
"Die Naturwissenschaftler" tun das aber nicht, vor allem nicht "die Physiker". Nur einige. Die Frage, ob naturwissenschaftliche Theorien "wahr sind", ist eine metaphysische (fast eine religiöse) Frage und meines Erachtens für die Naturwissenschaft irrelevant. Denn der naturwissenschaftlichen Methode genügt ein schwächeres, weniger metaphysisches Kriterium anstelle der "Wahrheit": Die Übereinstimmung mit Beobachtungen.
Naja, vielleicht nicht ganz irrelevant: Wer glaubt, daß z.B. die ART "wahr ist", der ist wohl nicht offen genug gegenüber notwendigen Erweiterungen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1753253) Verfasst am: 17.05.2012, 08:55 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Du verwechselst jetzt aber nicht "naturwissenschaftliche Theorie" mit "Experiment"? |
Mal abgesehen von dem, was Kival geschrieben hat: Wie kommst du denn jetzt darauf? |
Deshalb:
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Die Naturwissenschaftler (step und co.) hier sprechen nur selten von Wahrheit, sondern von Modellen, Anwendungskriterien u. dgl. |
Ja, in diesem Punkt bin ich anderer Ansicht als Tom der Dino. |
Naja, dass Naturwissenschaftler oft so sprechen, ist erstmal eine empirische Tatsache. Die Frage, ob naturwissenschaftliche Theorien die Wahrheit zeigen oder nicht, ist aber unabhängig davon, ob die Naturwissenschaftler behaupten, dass sie das tun. |
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1753255) Verfasst am: 17.05.2012, 08:59 Titel: |
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Warum zitierst du dann nicht das?
In dem Moment, wo du formulierst, was das Experiment gezeigt hat, betreibst du schon Theorie. Und wenn du es nicht formulierst, zeigt das Experiment gar nichts.
Beziehungsweise wenn du nicht vor-formulierst, was das Experiment auf welche Weise zeigen soll und welche Kriterien du dafür anlegst, findet gar nicht erst ein Experiment statt.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1753257) Verfasst am: 17.05.2012, 09:24 Titel: |
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Unabhängig von der offenen Diskussion über das richtige Maß Realismus in de Naturwissenschaft denke ich, daß inzwischen zumindest die Ansicht El Schwalmos als falsch angesehen werden kann, daß Metaphysiker / Ontologen der Physik nutzen würden, indem sie die Planung von Experimenten anregten. Oder?
(Der einzige Antwortversuch lief darauf hinaus, daß Physiker, die Experimente planen (oder überhaupt nachdenken), selbst Metaphysiker seien, oder so ähnlich.)
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1753259) Verfasst am: 17.05.2012, 09:45 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
Warum zitierst du dann nicht das?  |
Weil möglicherweise sonst der Zusammenhang mit meiner, im ersten Zitat befindlichen Aussage verloren gegangen wäre.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | In dem Moment, wo du formulierst, was das Experiment gezeigt hat, betreibst du schon Theorie. Und wenn du es nicht formulierst, zeigt das Experiment gar nichts.
Beziehungsweise wenn du nicht vor-formulierst, was das Experiment auf welche Weise zeigen soll und welche Kriterien du dafür anlegst, findet gar nicht erst ein Experiment statt. |
Du hast einen Stromkreis mit Spannungsquelle, Lampe und Schalter. Legst du den Schalter um geht die Lampe an. Du brauchst das Experiment gar nicht zu beschreiben, es reicht wenn du den Versuchsaufbau mitnimmst und jemanden anderen das Experiment durchführen lässt. Auch der wird sehen, dass die Lampe angeht, wenn man den Schalter umlegt.
step hat folgendes geschrieben: | Unabhängig von der offenen Diskussion über das richtige Maß Realismus in de Naturwissenschaft denke ich, daß inzwischen zumindest die Ansicht El Schwalmos als falsch angesehen werden kann, daß Metaphysiker / Ontologen der Physik nutzen würden, indem sie die Planung von Experimenten anregten. Oder?
(Der einzige Antwortversuch lief darauf hinaus, daß Physiker, die Experimente planen (oder überhaupt nachdenken), selbst Metaphysiker seien, oder so ähnlich.) |
Jup, denke ich auch.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1753262) Verfasst am: 17.05.2012, 09:52 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Du hast einen Stromkreis mit Spannungsquelle, Lampe und Schalter. Legst du den Schalter um geht die Lampe an. Du brauchst das Experiment gar nicht zu beschreiben, es reicht wenn du den Versuchsaufbau mitnimmst und jemanden anderen das Experiment durchführen lässt. Auch der wird sehen, dass die Lampe angeht, wenn man den Schalter umlegt. |
Aha. Und was macht aus dem Ganzen jetzt ein Experiment? Ein Experiment macht man zum Zwecke des Erkenntnisgewinns.
Der Satz "Die Lampe geht immer an, wenn ich den Schalter umlege" ist bereits Theorie. Und wenn du aus deiner Installation keinen solchen Satz herausbekommen willst, ist sie kein Experiment, sondern vielleicht ein Kunstwerk oder ein Gebrauchsgegenstand oder sowas.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1753274) Verfasst am: 17.05.2012, 11:10 Titel: |
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Darum geht es doch gar nicht. Wir können gerne sagen: Wenn man die Beobachtungen systematisiert, betreibt man Theorie. Schließlich schreibt man ja Formeln hin und klebt keine Elektronen in die Veröffentlichung. Darin sehe ich überhaupt kein Problem. Solange niemand behauptet, wir betrieben Metaphysik, wenn wir die Beobachtungen systematisieren ...
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#1753288) Verfasst am: 17.05.2012, 12:00 Titel: |
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Hi Darwin Upheaval!
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Myron hat folgendes geschrieben: |
Darwin Upheaval hat folgendes geschrieben: |
Wie gesagt, der ontologische Realismus ist sinnvoll, weil er erklärt, warum bestimmte Theorien und Weltbilder scheitern, warum Lamarck stirbt, wenn er einen Liter konzentrierte Schwefelsäure trinkt und warum es uns überhaupt gelingt, mit naturwissenschaftlichen Mitteln ein in sich stimmiges, kohärentes Theoriensystem zu generieren.
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"In summary, then, we need that postulate of an objective order of mind-independent reality for at least six important reasons.
* To preserve the distinction between true and false with respect to factual matters and to operate the idea of truth as agreement with reality.
* To preserve the distinction between appearance and reality, between our picture of reality and reality itself.
* To serve as a basis for inter-subjective communication.
* To furnish the basis for a shared project of communal inquiry.
* To provide the fallibilistic view of human knowledge.
* To sustain the causal mode of learning and inquiry and to serve as basis for the objectivity of experience.
The conception of a mind-independent reality accordingly plays a central and indispensable role in our thinking about communication and cognition. In both areas alike we seek to
offer answers to our questions about how matters stand in this 'objective realm' and the contrast between 'the real' and its 'merely phenomenal' appearances is crucial here. Moreover,
this is also seen as the target and telos of the truth-estimation process at issue in inquiry, providing for a common focus in communication and communal inquiry. The 'real world' thus constitutes the 'object' of our cognitive endeavors in both senses of this term—the objective at which they are directed and the purpose for which they are exerted. And so the commitment to a subexperimental reality becomes pivotal here, affording the existential matrix in which we move and have our being, and whose impact upon us is the prime mover for our cognitive efforts. All of these facets of the concept of reality are integrated and unified in the classical doctrine of truth as it corresponds to fact (adaequatio ad rem), a doctrine that only makes sense in the setting of a commitment to mind-independent reality."
(Rescher, Nicholas. Reality and Its Appearance. New York: Continuum, 2010. pp. 109-10) |
Hut ab vor Deiner Belesenheit, und danke für den Hinweis!
Ich werde mich in das Buch einlesen, aber ich fürchte, "Lamarck" hätte es nötiger
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Der Text von Rescher ist eher schwach. Aber was an dem Text doch sofort auffällt, sind natürlich gewisse Hervorhebungen:
picture - telos - objective - purpose
So als kleines ad hominem: Irgendwie ist hieran doch schon zu sehen, dass Nicholas Rescher früher einmal der Präsident der American Catholic Philosophical Association war. Nun, dies muss selbstverständlich nicht unser Urteil beeinflussen - ich finde es halt nur amüsant ... . Postulieren lässt sich allerdings so einiges - und sei es der Weihnachtsmann. Das aber hat Lamarck nun in der Tat nicht nötig, oder?
Dem Solipsismus kannst Du allerdings nicht mit einer Hypothese entkommen. Denn was solltest Du davon haben, wenn Du sagst, irgendetwas wäre erklärungsmächtiger und aus diesem Grund wäre dies nun vorzuziehen? Kratzt dies auch nur am geringsten am Problem des Solipsismus?! - Gewiss nicht. Du hältst dies nur unbegründet für die hübschere Geschichte und nichts weiter.
Der Radikale Konstruktivismus hält diese basale Hypothese für unendscheidbar und entscheidet sich folglich bewusst willkürlich gegen den Solipsismus, ohne dieses Problem jedoch aus dem Auge zu verlieren.
Der Hypothetische Realismus kann nicht anders, als das prinzipiell Gleiche tun, wie schon aus den Begrifflichkeiten hervorgeht: Eine hypothetische Realität ist eben ebenso eine reale Hypothese. Dem hypothetischen Stadium entkommt sie nicht und sei der Wunsch nach absoluter Sicherheit - die Realität - noch so groß. Es bleibt nur die Dramaturgie des Inhalts, die gefällt oder nicht:
"Hast Du die schwarze Katze der Realität in Deiner dunklen Rumpelkammer der Hypothesen gefunden?" - "Nein, aber ich vermute es!"
Die Fundamente der Gedankengebäude, mögen sie noch so gewaltig und erklärungsmächtig sein, sind aber gleichwohl auf dem Sand des Solipsismus gebaut. Dieses Gebäude ist aber deswegen noch lange nicht beliebig willkürlich - denn auch die Innenperspektive erlaubt doch so einiges: Die Binnenkonstrukte interagieren miteinander, desgleichen die Binnen-Binnenkonstrukte; dies erwächst aus der autopoietischen Logik. Und passt etwas nicht, wird es verworfen, wenn der Widerspruch nicht mit innovativen Klassen und Kategorien aufgelöst werden kann und als Türen, Fenster, Treppen fortbesteht. Die zugehörige Inneneinrichtung wird durch Empirie & Experiment zur Passung gebracht. Das Gebäude organisiert sich aufgrund notwendiger gegenseitiger Abhängigkeiten in einem evolutiven Prozess. Bis ... ?
Aber komme mal mit in den Keller und siehe Dir die Risse an: Hier der Mauerpilz des 'Dings an sich', dort der gewaltige Riss des Körper-Geist-Problems, durch den nun das Wasser des Freien Willens einbricht und thronend über allem der faulig-muffige Geruch der Ontologie, verwoben mit dem durchdringenden Gestank der toten Ratten und Mäuse der Metaphysik ... .
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1753290) Verfasst am: 17.05.2012, 12:05 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Darum geht es doch gar nicht. |
Doch, gerade ging es darum. Deswegen habe ich ja mit Tom der Dino gesprochen und nicht mit dir.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#1753301) Verfasst am: 17.05.2012, 12:21 Titel: |
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Hi Tarvoc!
Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
step hat folgendes geschrieben: |
Darum geht es doch gar nicht.
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Doch, gerade ging es darum. Deswegen habe ich ja mit Tom der Dino gesprochen und nicht mit dir. |
Deine SIG ist ebenso lustig: "Wer zweifelt, glaubt.". Schöner allerdings: "Wer glaubt, zweifelt.".
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1753307) Verfasst am: 17.05.2012, 12:35 Titel: |
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Die wollte ich sowieso schon länger mal ändern. Ich muss nur was Passendes finden...
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1753433) Verfasst am: 17.05.2012, 21:05 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Du hast einen Stromkreis mit Spannungsquelle, Lampe und Schalter. Legst du den Schalter um geht die Lampe an. Du brauchst das Experiment gar nicht zu beschreiben, es reicht wenn du den Versuchsaufbau mitnimmst und jemanden anderen das Experiment durchführen lässt. Auch der wird sehen, dass die Lampe angeht, wenn man den Schalter umlegt. |
Aha. Und was macht aus dem Ganzen jetzt ein Experiment? Ein Experiment macht man zum Zwecke des Erkenntnisgewinns.
Der Satz "Die Lampe geht immer an, wenn ich den Schalter umlege" ist bereits Theorie. Und wenn du aus deiner Installation keinen solchen Satz herausbekommen willst, ist sie kein Experiment, sondern vielleicht ein Kunstwerk oder ein Gebrauchsgegenstand oder sowas. |
Die Frage lautet nicht Warum macht man ein Experiment? sondern Was ist ein Experiment?
Letztendlich ist ein Experiment die Beobachtung einer Wechselwirkung. Und dazu braucht es eigentlich keiner Theorie.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#1753456) Verfasst am: 17.05.2012, 22:20 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Postulieren lässt sich allerdings so einiges - und sei es der Weihnachtsmann. Das aber hat Lamarck nun in der Tat nicht nötig, oder? |
Dergleichen zu postulieren befindet niemand für nötig, der sich aus rationalen Gründen dem Naturalismus verschrieben hat.
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Dem Solipsismus kannst Du allerdings nicht mit einer Hypothese entkommen. |
Was bedeutet in diesem Kontext das Wörtchen "entkommen"? Dass der Solipsismus nicht widerlegbar ist, habe ich nie bestritten. Gleichwohl sind grundsätzlich nicht widerlegbare Positionen aus intellektuellen Gründen nicht besonders attraktiv, zumal der Solipsmus ("alles, was existiert, sind meine eigenen Gedanken und Vorstellungen" - damit ist er übrigens auch eine ontologische These!) vollkommen willkürlich gewählt ist.
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Denn was solltest Du davon haben, wenn Du sagst, irgendetwas wäre erklärungsmächtiger und aus diesem Grund wäre dies nun vorzuziehen? |
Erklärungsmächtige Hypothesen sind immer den nicht erklärungsmächtigen vorzuziehen, das sollte Deine SIG ("nothing ... makes sense except in the light of...") hinreichend deutlich machen.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Kratzt dies auch nur am geringsten am Problem des Solipsismus?! |
Ich sehe hier eher ein Scheinproblem gemäß dem Motto: "Der Naturalismus scheitert am Problem des 'Intelligent Designs', weil es noch niemandem gelungen ist, 'Design' zu widerlegen." Auch wenn (oder gerade weil) Du den Solipsismus nicht widerlegen kannst, desavouiert er sich doch als These hinreichend selbst.
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
- Gewiss nicht. Du hältst dies nur unbegründet für die hübschere Geschichte und nichts weiter. |
Er ist nicht nur hübscher, er ist auch weniger willkürlich gewählt. Wie erwähnt muss selbst der radikale Konstruktivist den Solipsismus hinter sich lassen und in einer "Ontologie als ob" Zuflucht suchen, wenn er so etwas wie Naturwissenschaft betreiben möchte. [Zusatz: Außerdem existieren metatheoretische Argumente für den ontologischen Realismus, wie etwa die Bewährung und das Scheitern von Hypothesen sowie die Tatsache, dass die verschiedenen naturwissenschaftlichen Theorien wie Puzzlestücke eineinander passen, was anderweitig kaum zu erklären ist, als durch die Annahme, dass es uns gelingt, einen Teil der transsubjektiven Wirklichkeit konsistent zu erfassen:
Zitat: | Different techniques of detection, such as those employed in light microscopy and transmission electron microscopy, make use of very different sorts of physical processes, and these operations are described theoretically in terms of correspondingly different causal mechanisms. (For similar examples, see Salmon 1984, pp. 217–219, and Franklin 1986, pp. 166–168, 1990, pp. 103–115.)
The argument from corroboration thus runs as follows. The fact that one and the same thing is apparently revealed by distinct modes of detection suggests that it would be an extraordinary coincidence if the supposed target of these revelations did not, in fact, exist. The greater the extent to which detections can be corroborated by different means, the stronger the argument for realism in connection with their putative target. |
Chakravartty, A. (2011) Scientific Realism. In: Zalta, E.N. (Ed.) The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Summer 2011 Edition).
http://plato.stanford.edu/entries/scientific-realism/
[/Zusatz]
Davon abgesehen ist der radikale Konstruktivismus selbstwiderlegend: Die Ergebnisse der Neurobiologie legen zwar nahe, dass das Gehirn als autonomes System sich seine Erlebniswelt selbst konstruiert, aber die Radikalität ("die Erlebniswelt ist vollständig! subjektiv") ist nicht mehr empirisch begründet. Denn wie könnten die Resultate der Neurobiologie etwas intersubjektiv Gültiges über das Gehirn aussagen, wenn die Erlebniswelt - und damit auch die Ergebnisse der Wissenschaft - nichts objektives über die Welt aussagen? Die vermeintlich empirische Begründung des radikalen Konstruktivismus ist damit nur eine Scheinbegründung, weswegen er unter dem Strich lediglich willkürlich (ad hoc) gewählt ist. Er greift damit auf eine metaphysische Annahme zurück, die er gemäß seines Programms ablehnt - und sich damit selber desavouiert. Q.e.d.
Wendel, H.J. (1990) Moderner Relativismus: Zur Kritik antirealistischer Sichtweisen des Erkenntnisproblems. Mohr Siebeck.
Mit anderen Worten:
Zitat: | Konsequent sind nur der Solipsismus und der hypothetische Realismus. |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Der Radikale Konstruktivismus hält diese basale Hypothese für unendscheidbar |
Entscheidbar (im Sinne eines formal gültigen Beweises und einer tragfähigen Letztbegründung) ist gar nichts! Das erkennt der hypothetische Realist doch genauso an. Dies sollte und darf uns nicht davon abhalten, Hypothesen und Modelle zu konstruieren, die sich bewähren müssen.
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
und entscheidet sich folglich bewusst willkürlich gegen den Solipsismus, ohne dieses Problem jedoch aus dem Auge zu verlieren. |
Dazu kann ich (abgesehen von dem Zusatz "willkürlich") eigentlich nur sagen: Willkommen im Verein des hypothetischen Realismus!
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Der Hypothetische Realismus kann nicht anders, als das prinzipiell Gleiche tun, wie schon aus den Begrifflichkeiten hervorgeht: Eine hypothetische Realität ist eben ebenso eine reale Hypothese. |
Bingo! Aus diesem Blickwinkel kann ich Deine Kritik am hypothetischen Realismus beim besten Willen nicht verstehen. Du kommst ja selbst nicht daran vorbei, dir eine "Realität als ob" zu stricken, beispielsweise wenn Du über "Evolution" sprichst.
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Dem hypothetischen Stadium entkommt sie nicht und sei der Wunsch nach absoluter Sicherheit - die Realität - noch so groß. |
"Absolute Sicherheit" - ist das wieder der übliche Pappkamerad? Um es mal in Deiner Terminologie auszudrücken: Der hypothetische Realismus ist eine viable/brauchbare/nützliche/erklärungsmächtige/plausible Hypothese, mehr aber auch ncht. Ich habe nie den Anspruch verfochten, eine "absolute Wahrheit" zu vertreten.
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Es bleibt nur die Dramaturgie des Inhalts, die gefällt oder nicht:
"Hast Du die schwarze Katze der Realität in Deiner dunklen Rumpelkammer der Hypothesen gefunden?" - "Nein, aber ich vermute es!" |
Die Entscheidungsfindung fällt allerdings nicht schwer, da wir es in der dunklen Rumpelkammer laut und deutlich miauen hören
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#1753464) Verfasst am: 17.05.2012, 23:02 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Die Frage lautet nicht Warum macht man ein Experiment? sondern Was ist ein Experiment? |
Die Frage, was ein Experiment in Abgrenzung zu z.B. einem Kunstwerk ist, hängt durchaus mit der Frage zusammen, warum man ein Experiment macht.
Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Letztendlich ist ein Experiment die Beobachtung einer Wechselwirkung. Und dazu braucht es eigentlich keiner Theorie. |
"Brauchen" ist der falsche Ausdruck. Die Feststellung einer Wechselwirkung ist in der Tat bereits Theorie.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#1753468) Verfasst am: 17.05.2012, 23:14 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Letztendlich ist ein Experiment die Beobachtung einer Wechselwirkung. Und dazu braucht es eigentlich keiner Theorie. |
"Brauchen" ist der falsche Ausdruck. Die Feststellung einer Wechselwirkung ist in der Tat bereits Theorie. |
Außerdem sind Experimente in der Regel theoriegeleitet, weil man etwas Bestimmtes zu beobachten hofft.
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1753472) Verfasst am: 17.05.2012, 23:22 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Die Frage lautet nicht Warum macht man ein Experiment? sondern Was ist ein Experiment? |
Die Frage, was ein Experiment in Abgrenzung zu z.B. einem Kunstwerk ist, hängt durchaus mit der Frage zusammen, warum man ein Experiment macht. | Wieso denn in Abgrenzung? Die Frage lautet nicht Was unterscheidet ein Experiment von einem Kunstwerk, sondern wie ist Experiment definiert. Das ist nur nötig, damit andere verstehen, was ich meine. Es ändert am Experiment selbst nicht das geringste.
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Letztendlich ist ein Experiment die Beobachtung einer Wechselwirkung. Und dazu braucht es eigentlich keiner Theorie. |
"Brauchen" ist der falsche Ausdruck. Die Feststellung einer Wechselwirkung ist in der Tat bereits Theorie. | Wenn du mit Feststellung das gleiche meinst, wie ich mit Beobachtung, dann ist das nicht richtig. Du musst die Wechselwirkung ja gar nicht erkennen. Du musst sie nur nutzen. In dem vorliegenden Beispiel sieht man weder die Elektronen durch den Draht heizen noch die Spannung, die anliegt. Man sieht nur: Schalter umgelegt, Lampe an. Da ist nicht zwangsläufig Theorie involviert.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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