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Zu welcher Gruppe von Atheisten zählt ihr euch? |
Anti-Theisten |
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24% |
[ 15 ] |
Die intellektuellen Atheisten/Agnostiker |
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35% |
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atheistischer/agnostischer Aktivist |
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19% |
[ 12 ] |
suchende Agnostiker |
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4% |
[ 3 ] |
Nicht-Theisten |
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11% |
[ 7 ] |
versteckte Atheisten |
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1% |
[ 1 ] |
theistische Religiöse |
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3% |
[ 2 ] |
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Stimmen insgesamt : 62 |
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Autor |
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Klimsch registrierter User
Anmeldungsdatum: 10.04.2008 Beiträge: 319
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(#1893548) Verfasst am: 27.12.2013, 12:26 Titel: „Traktat über die drei Betrüger“ |
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Bereits im 17. Jahrhundert erschien die Streitschrift
„Traktat über die drei Betrüger“ – gemeint sind Moses, Jesus und Mohammed –
Sie gehört zu den klassischen Texten der Aufklärung und der Religionskritik.
Entgegen weit verbreiteter Annahmen war die Aufklärung nicht dezidiert atheistisch, sondern allenfalls kirchenkritisch ausgerichtet. Gleichwohl gab es in dieser philosophischen Strömung eine Richtung, die über die Kritik an Aberglaube und Intoleranz sowie an Herrschaftsgebaren und Machtorientierung hinausging. Sie stellte die zentrale Glaubensgrundlagen von Judentum, Christentum und Islam in Frage. Als frühe programmatische Schrift dieses Atheismus in der Aufklärung gilt der „Traktat über die drei Betrüger“, der wohl im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts entstand.
„Diese Betrüger haben ein zu großes Interesse an der Unwissenheit des Volkes, als dass sie es hinnehmen könnten, dass man ihm die Augen öffnet“ (S. 7). Danach stehen die Ursachen für den Glauben an ein solch unsichtbares Wesen im Zentrum des Interesses: So erblickt der „Traktat“ in der Furcht und Unkenntnis gegenüber natürlichen Vorgängen. Politische Interessen mit betrügerischen Machenschaften hätten sich die damit verbundenen Vorstellungen zu Nutze gemacht.
Demnach erklären sich die Autoren die große Zahl von Religionen auf der Erde anhand des Wirkens von Moses, Jesus und Mohammed auch dadurch, dass Judentum, Christentum und Islam um bestimmter Machtinteressen willen geschaffen wurden. Denn: „Die Religionsstifter hatten ein genaues Gespür dafür, dass ihre betrügerischen Machenschaften auf die Unwissenheit des Volkes gegründet waren“ (S. 53). Obwohl das Urteil zu Jesus eher gemäßigt klingt, bemerkt der Text zur Originalität seiner Lehre: „Was die Moral Jesu Christ angeht, so ist in ihr nichts anzutreffen, dessentwegen sie den Schriften der antiken Autoren vorzuziehen wäre; vielmehr ist alles, was man in ihr findet, aus ihnen entlehnt oder ihnen nachgeahmt“ (S. 89). Und die letzten kürzeren Kapitel kritisieren die Auffassung von der Existenz von Geistern, die Behauptungen von der Natur der Seele und die Vorstellungen von der Existenz von Dämonen.
Quelle: hpd
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1893773) Verfasst am: 28.12.2013, 20:13 Titel: |
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+++@MODERATOREN: Bitte trennt die Buddhismus-Diskussion von diesem Thread ab, da sie hier völlig deplatziert ist! Danke!+++
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#1893791) Verfasst am: 28.12.2013, 21:19 Titel: |
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Zu Buddhismus und Wiedergeburt geht es ---> dort weiter.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1893795) Verfasst am: 28.12.2013, 21:36 Titel: |
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Klimsch hat folgendes geschrieben: |
"starker Aheismus" nun ist etwas, wovon du keine Ahnung hast, wie sich zeigt. Dein Versuch der Erklärung beweist, dass du gar nicht weißt, wovon da die Rede ist. Man glaubt nicht "stärker" an etwas.
Du musst nicht denken, dass das, was du dir ausdenkst, der Realität entspricht. Hättest du mal bisschen gegoogelt, hättest du dich besser informieren können.
Z.B. die hier: "Starker Atheismus beinhaltet übernatürliche (bzw. nicht-physikalische, metaphysische) Existenzaussagen bzw. deren Bestreitung"
"Starker Atheismus" bedeutet, dass man nicht nur die Existenz von Göttern ablehnt bzw. für unmöglich hält, sondern auch jeden anderen Aberglauben, jede mystische Bedeutung von Zahlen, Sternbildern etc. usw.
Man kann es auch als Materialismus oder als "Natur pur" beschreiben, wobei der Geist als solcher (der menschliche, die Intelligenz, auch die von Tieren) selbstverständlich auch auf Materie beruht. Deshalb kann es auch keine "frei schwebende", nach dem Tode eines Menschen weiter"lebende" Seele geben.
Und es gibt selbstverständlich auch kein Jenseits. Auch das ist nur mystischer Aberglaube. |
Ich muss abermals darauf hinweisen, dass der starke/positive Atheismus nicht mit dem Naturalismus, dem Materialismus oder dem Szientismus identisch ist. Er ist viel schwächer und inhaltsärmer als diese anderen Positionen. Denn es geht bei ihm um nicht mehr als die Nichtexistenz Gottes oder von Göttern allgemein, wobei unter einem Gott ein göttliches übernatürliches Wesen (Person/Akteur) zu verstehen ist. Das bedeutet, dass der starke/positive Atheismus durchaus u.a. mit dem Glauben an nichtgöttliche übernatürliche Wesen (z.B. Engel) vereinbar ist.
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Chinasky dirty ol' man
Anmeldungsdatum: 27.03.2006 Beiträge: 1264
Wohnort: Hoher Norden
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(#1893813) Verfasst am: 29.12.2013, 01:24 Titel: |
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on topic: Kann mich leider nicht so recht entscheiden, welcher Kategorie Atheist ich zuzuordnen wäre, habe aber das leichte Schuldgefühl, aus schierer Faulheit heraus nicht genügend Aktivist zu sein: wiewohl ich von der prinzipiellen Schädlichkeit religiösen Glaubens (im Sinne eines Für-wahr-Haltens geoffenbarter Sätze) überzeugt bin, tue ich wenig, um diesen religiösen Glauben aktiv zu bekämpfen - wohl auch deswegen, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich die Menschheit für wert erachte, daß ich meine begrenzte Lebenszeit auf den Versuch verwende, sie von diesem Schädlichen zu befreien...
off-topic: Interessant fand ich die Nebendiskussion um das Weinberg-Zitat. Ich kannte den Kontext, in welchem es entstand, nicht und hatte es immer etwas anders verstanden. Nämlich so, dass nur Religiöse fähig sind, bewußt das Böse zu tun, trotz Empathiefähigkeit (das als Unterschied zum Sadisten, der aus Lust an der Grausamkeit quält, auch intellektuell weiß, daß dieses Quälen "böse" - im Sinne von moralisch verwerflich - ist, aber es nicht fühlt.)
Mir kam das Weinberg-Zitat erstmals - Wochen oder gar Monate später - unter, nachdem ich einen Artikel im SPIEGEL gelesen hatte, der sich mit den Tätern und Opfern im Abu Ghraib - Kontext beschäftigte. Dieser 'Artikel hatte mich damals sehr bewegt, denn er schilderte die jeweils subjektiven Perspektiven der Beteiligten. Dabei entstand im Kopf des Lesers (naja, zumindest in meinem...) folgendes tragisches Bild:
Unten im Kerker hockt nächtens der Gefolterte in seinen Exkrementen und findet nur dadurch die Kraft, seine Lage zu ertragen, indem er zu Allah um Beistand flehend betet. Ohne seinen Glauben an Allah, so ist er sich sicher, würde er wahnsinnig werden oder sich aus Hoffnungslosigkeit umbringen.
Ein paar Etagen weiter oben indes kniet der Folterknecht vor seinem Bett, nachdem er in der Bibel gelesen hat, und fleht seinen Jehova-Gott an, ihm die Kraft zu geben, die Lage zu ertragen. Ohne den Beistand Gottes, so ist er sich sicher, würde er wahnsinnig werden oder unfähig, seinen Job zu machen.
Dieser oben Betende war für mich das Interessante an dem Bild. Denn: er wollte gar nicht foltern! Wir müssen uns den Folterknecht als einen liebevollen, hilfsbereiten - guten! - Menschen (so wurde er auch von allen aus seinem amerikanischen Heimatumfeld beschrieben) vorstellen! Er wußte, daß man nicht foltern darf. Er folterte nicht gerne, nicht einmal freiwillig. Er wünschte sich, man hätte ihm diese "Aufgabe" nicht zugeteilt. Mit welcher "Heldenfigur" seines Glaubens identifizierte er sich?
Mit Hiob. Er sah die Lage, in der er sich befand, als Entsprechung zu der Lage, in der sich der biblische Hiob befand: schrecklich und unerklärlich, bzw. unverstehbar. Aber als Prüfung. Eigentlich hatten ihn ja seine Vorgesetzten oder, strukturalistischer gedacht, das gesamte militärische "System" in diese Lage gebracht. Aber er sah sich von Gott in diese Situation gebracht. So, wie Hiob von Gott in seine beklagenswerte Lage gebracht worden war. Hätte er bemerkt, daß ihn "nur" Menschen (Politiker, Vorgesetzte, seine Familie - wer auch immer ihn beeinflussen konnte) in seine Lage gebracht hatten, hätte er sich keinen "höheren Beistand" für seine Situation herbeiflehen können. Es hätte keine psychische Entlastung von den ungeheuren Schuldgefühlen gegeben, die ihn plagten. Vielleicht wäre er psychisch zusammengebrochen, also in die Geisteskrankheit geflüchtet aus dieser Situation. Oder er hätte den (Folter-) Dienst verweigert (die gegebenenfalls gravierenden Sanktionen für Befehlsverweigerung inkauf nehmend).
Aber er hatte sein reilgiöses Helden-Vorbild Hiob: Gott, dessen Vernunft höher ist als alle menschliche Vernunft, stellt Auserwählte in Situationen, die sie nicht begreifen können, in denen sie leiden und den Sinn des Leids nicht verstehen können. Und ironischerweise sah er nicht den unten in seinen Exkrementen Zitternden als jenen dem Hiob Gleichenden, den Gott prüft - sondern sich selbst. Sein Leid bestand darin, vermeintlich etwas tun zu müssen, das er selbst als etwas Böses und Falsches klar erkannte. Aber er fand die Kraft, diesem Leid stand zu halten, indem er darauf vertraute, daß Gott in seiner alles menschliche Maß übersteigenden Weisheit ihn aus irgendeinem guten Grund in diese Situation gestellt hatte. Er kämpfte hier - seinem religiös gefärbten Verständnis entsprechend - nicht mehr für den Westen, die Demokratie, Menschen-, Freiheits-, Frauenrechte oder meinetwegen auch die Ölversorgung des us-amerikanischen Privatverkehrfetischismus. Sondern er kämpfte hier mit seinem eigenen Gewissen, das die Weisheit des allmächtigen Gottes, der für jeden Menschen seinen ganz eigenen und per Definition moralisch guten Plan hat, infrage stellte. Und für diesen Kampf gegen das eigene Gewissen erflehte er sich von Gott Kraft und Beistand. Eingedampft lautete also sein Gebet: "Herr, hilf mir, das zu tun, was mir böse erscheint, von dem ich nicht erkennen kann, wie es gut sein kann, von dem ich aber weiß, dass es gut sein muß, da du mich ja in die Situation gebracht hast, es zu tun. Herr, hilf mir in meinem Kampf um die Erkenntnis, daß das Böse gut ist!"
Das hier im Thread diskutierte Weinberg-Zitat kam mir, wie erwähnt, eine ganze Zeit nach der Lektüre dieses Artikels unter, aber es paßte für mich sofort hundertprozentig zu diesem "mindfuck": nur, wenn man eine höhere Vernunft unterstellt, kann man annehmen, daß das, was einem selbst als durch und durch böse erscheint (ohne erkennbare Indizien dafür, daß es sich anders verhalten könne), eigentlich eben doch gut sei und man deswegen verpflichtet sei, es zu tun.
Ich habe für mich selbst überlegt, ob es für diese spezielle Art religiösen Mindfucks eine Entsprechung in anderen Ideologien gebe - und mir wollte keine einfallen. Was damit zusammenhängen mag, daß ich mich nie so sehr bemüht habe, mich in Faschisten, Stalinisten oder andere Ideologen hineinzuversetzen, wie ich mich bemühte, das Denken der Religiösen zu verstehen. Also helft mir aus, falls Euch eine Entsprechung im Nichtreligiösen einfällt.
Es geht nicht darum, daß Ideologie dem Einzelnen die Entschuldigung (vor sich selbst und anderen) für moralisch verwerfliche Handlungen ermöglicht. Das klappt beim Nazi (für mein Volk und Vaterland muß es sein!) und beim Stalinisten (für die Interessen der arbeitenden Klasse muß es sein !) ebensogut wie beim abrahamitischen Monotheisten (für Gott...!). Wenn es allein darum ginge, hielte ich das Weinberg-Zitat tatsächlich für ein wenig platt, bzw. problemlos auf jede Art Ideologie, also auch eine, die ohne "geoffenbarte" Wahrheiten auskommt, anwendbar.
Nur die Religion aber macht es möglich, das Böse zum Guten zu erklären, ohne sich in der Pflicht zu sehen, dies auch einsichtig zu machen: Warum es moralisch gut ist, dem eigenen Sohn die Klinge an den Hals zu setzen um ihn auf dem Opferhackklotz hinzuschlachten - das ist eben nicht erklärbar und es wird auch nicht der Versuch gemacht, es zu erklären. Vielmehr wird zumindest im abrahamitischen Kontext allein das Bedürfnis nach einer Erklärung zur Sünde erklärt (Naschen vom Baum der Erkenntnis).
Der Abgrund des Totalitären bei Orwells "1984" kommt daher für meinen Geschmack nicht mal annähernd - was Tiefe und Schwärze angeht - an den Abgrund der Hiob- und Isaak-Opferungs-Erzählungen heran. Neusprech ist ja zumindest noch der Versuch, das Böse in das Gewand des Guten zu verkleiden und trägt also noch dem Bedürfnis der Menschen Rechnung, das als "gut" Verstandene zu tun, bzw. gut zu nennen.
Beim abrahamitischen Gott aber ist der Versuch, das Gute als gut zu erkennen, von vornherein zwecklos, da per Definition böse (indem der Mensch versucht, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, trennt er sich per Sünde von Gott, also dem definitionsgemäß Guten...)
Ich bin mir nicht sicher, ob es die Entsprechung eines solchen Mindfucks auch in nicht-abrahamitischen Religionen gibt (auch hier wieder: mangelnde Informiertheit meinerseits). In meiner Erfahrungswelt sind aber abrahamitischer Monotheismus und Religion weitgehend kongruent - und deswegen leuchtete mir das Weinberg-Zitat auch in dem Sinne, daß nur die Religion es vermöchte, gute Menschen (d.h. Menschen, die moralisch gut handeln wollen) dazu zu bringen, (von ihnen als solches erkanntes) Böses zu tun, ein.
_________________ Still confused - but on a higher level.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26444
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1893817) Verfasst am: 29.12.2013, 03:53 Titel: |
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Chinasky hat folgendes geschrieben: | ....
Ich habe für mich selbst überlegt, ob es für diese spezielle Art religiösen Mindfucks eine Entsprechung in anderen Ideologien gebe - und mir wollte keine einfallen. Was damit zusammenhängen mag, daß ich mich nie so sehr bemüht habe, mich in Faschisten, Stalinisten oder andere Ideologen hineinzuversetzen, wie ich mich bemühte, das Denken der Religiösen zu verstehen. Also helft mir aus, falls Euch eine Entsprechung im Nichtreligiösen einfällt. .... |
Ganz abgesehen davon, dass Du hier Ideologien aufzählst, die man auch selbst als Religion betrachten kann: Der Widerspruch zwischen Nazi sein und Christ sein ist ungefähr so groß wie der zwischen Moafioso sein und Christ sein - das klappt hervorragend gleichzeitig. Die Nazis waren nicht nur praktisch alle christlich sozialisiert, sondern verstanden sich zum größten Teil auch selbst als Christen (man denke nur an das "positive Christentum" im Programm der NSDAP). Vor dem Hintergrund und mit einem Interview (aus Lanzmanns Shoah?) im Hinterkopf, indem ein ehemaliger KZ -Aufseher sich nicht ohne Stolz erinnerte, wie hart diese Arbeit im KZ war und wie man immer wieder seinen inneren Schweinehund überwinden musste, um hier seine Pflicht erfüllen zu können, gehe ich schon davon aus, dass auch die sich die Kraft für ihre Arbeit im Gebet geholt haben - so sind die doch aufgewachsen.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Naastika RL rulez<->auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 23.11.2003 Beiträge: 6100
Wohnort: an der Fütterungsstelle der Eichhörnchen
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(#1893840) Verfasst am: 29.12.2013, 13:21 Titel: |
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Danke, Chinasky, für die Ausführungen.
Im Gegensatz zu Religionen beinhalten die aufgezählten Ideologien zumindest einen Rest an rationeller Erklärung. Natürlich können andere Systeme die Menschen verrohen (siehe "Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben", alliierte Abhörprotokolle von deutschen Kriegesgefangenen).
Doch nur Gott hat die vermeintliche Macht, Menschen in ihrem Denken zu kontrollieren. So dass diese, anderes in säkulärem Totalitarismus, nicht mal in ihren Gedanken frei sein können.
Und wenn Gott das absolute Gute ist, wie soll der Mensch gegen ihn rebellieren?
Und, zu der allgemeinen Diskussion: Es ist schon interessant, dass Freidenker (ich nehme mal dies als Oberbegriff für alle A-Fraktionenm, auch wenn es philosophisch gesehen wahrscheinlich nicht stimmt... ) sich so leicht auseinanderdividieren können. Könnte auch mit ein Grund für weiterhin bestehende gesellschaftliche Dominanz der Theisten (hier in Form der Christen).
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1893848) Verfasst am: 29.12.2013, 13:49 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Klimsch hat folgendes geschrieben: |
"starker Aheismus" nun ist etwas, wovon du keine Ahnung hast, wie sich zeigt. Dein Versuch der Erklärung beweist, dass du gar nicht weißt, wovon da die Rede ist. Man glaubt nicht "stärker" an etwas.
Du musst nicht denken, dass das, was du dir ausdenkst, der Realität entspricht. Hättest du mal bisschen gegoogelt, hättest du dich besser informieren können.
Z.B. die hier: "Starker Atheismus beinhaltet übernatürliche (bzw. nicht-physikalische, metaphysische) Existenzaussagen bzw. deren Bestreitung"
"Starker Atheismus" bedeutet, dass man nicht nur die Existenz von Göttern ablehnt bzw. für unmöglich hält, sondern auch jeden anderen Aberglauben, jede mystische Bedeutung von Zahlen, Sternbildern etc. usw.
Man kann es auch als Materialismus oder als "Natur pur" beschreiben, wobei der Geist als solcher (der menschliche, die Intelligenz, auch die von Tieren) selbstverständlich auch auf Materie beruht. Deshalb kann es auch keine "frei schwebende", nach dem Tode eines Menschen weiter"lebende" Seele geben.
Und es gibt selbstverständlich auch kein Jenseits. Auch das ist nur mystischer Aberglaube. |
Ich muss abermals darauf hinweisen, dass der starke/positive Atheismus nicht mit dem Naturalismus, dem Materialismus oder dem Szientismus identisch ist. Er ist viel schwächer und inhaltsärmer als diese anderen Positionen. Denn es geht bei ihm um nicht mehr als die Nichtexistenz Gottes oder von Göttern allgemein, wobei unter einem Gott ein göttliches übernatürliches Wesen (Person/Akteur) zu verstehen ist. Das bedeutet, dass der starke/positive Atheismus durchaus u.a. mit dem Glauben an nichtgöttliche übernatürliche Wesen (z.B. Engel) vereinbar ist. |
Es ist sogar so, dass ein *starker Atheist* (- was für ein blöder Ausdruck übrigens, aber das nur nebenbei -) gleichzeitig ein *starker Buddhist* und gleichzeitig *starker Spiritualist/Antimaterialist* sein kann, welcher *jenseitige/jenseits der Natur liegende* bzw. *vernunftmäßig nicht erfassbare/mystische* Prinzipien des Universums voraus setzt.
Deswegen ist auch die Frage nach der Art des Atheismus zu kurz gesprungen.
Es müsst eigentlich gefragt werden:
"Zu welcher Gruppe von Anti-Überweltgläubigen/Anti-Irrationalisten zählt ihr euch?"
Klingt natürlich ein bisschen sperrig, gebe ich zu, ist aber halt umfassender entgegen der Vereengung des theistischen Religionsbegriffs. Denn theistische Religion bedeutet ja nur deshalb die Verehrung des *höheren, überweltlichen Wesens*, weil die kollektive Vernunft und Kräfte des Menschen bzgl. der Erkennbarkeit und rationalen Gestaltung des Diesseits grundsätzlich für unmöglich gehalten wird. Dieser *Niedrigkeit* des Menschen korrespondiert erst - als das fantastische Gegenbild - *das höhere, überweltliche, alles verstehende, alles könnende*.
Aber es muss nicht zu einem Theismus führen. Es kann auch in nicht-theistische, *höhere Prinzipien des Jenseits* münden, wie etwa im Buddhismus.
Deswegen finde ich auch das abtrennen der Buddhismus-Diskussions-Synopse falsch.
Buddhismus ist zwar kein Theismus, aber dennoch ein Glauben an jenseitige Prinzipien, die über die materielle Welt hinaus sozusagen eine *zweite Realitätsebene* proklamieren, an der sich das individuelle Leben auszurichten habe. Eine Welt hinter dieser diesseitigen, materiellen Welt also.
_________________ °
K.I.Z - Frieden
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Informationsstelle Militarisierung e.V.
Zuletzt bearbeitet von Skeptiker am 29.12.2013, 14:11, insgesamt 4-mal bearbeitet |
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Tom der Dino registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2011 Beiträge: 3949
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(#1893849) Verfasst am: 29.12.2013, 13:50 Titel: |
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Naastika hat folgendes geschrieben: | Im Gegensatz zu Religionen beinhalten die aufgezählten Ideologien zumindest einen Rest an rationeller Erklärung. Natürlich können andere Systeme die Menschen verrohen (siehe "Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben", alliierte Abhörprotokolle von deutschen Kriegesgefangenen).
Doch nur Gott hat die vermeintliche Macht, Menschen in ihrem Denken zu kontrollieren. So dass diese, anderes in säkulärem Totalitarismus, nicht mal in ihren Gedanken frei sein können.
Und wenn Gott das absolute Gute ist, wie soll der Mensch gegen ihn rebellieren? |
Hmmm... in 1984 entspricht Big Brother dieser Gottesfigur. Der Held stirbt am Ende "maximal gemindfuckt" in absoluter Liebe zum Großen Bruder. Im Nationalsozialismus hat der Kult um Hitler eine ähnliche Figur geschaffen. Überall wo eine Person oder eine Partei als übermäßig wissend verstanden wird, können sich solche "Mindfucks" etablieren. Immer dann wenn es dazu führt, dass Menschen das Selbstdenken aufgeben.
_________________ Am Anfang war ......das Experiment.
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Chinasky dirty ol' man
Anmeldungsdatum: 27.03.2006 Beiträge: 1264
Wohnort: Hoher Norden
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(#1893856) Verfasst am: 29.12.2013, 14:32 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: |
Hmmm... in 1984 entspricht Big Brother dieser Gottesfigur. Der Held stirbt am Ende "maximal gemindfuckt" in absoluter Liebe zum Großen Bruder. |
Das ist richtig. Der Mindfuck setzt aber z.B. bei der Issak-Opfer-Geschichte erst da so richtig ein, wo 1984 endet: bei der intendierten Wirkung auf's Publikum. Während 1984 von jedem mir bekannten Leser als Schreckensbild und Dystopie erkannt wird, also niemand so werden/enden will wie der Held, ist der ebenso gemindfuckte Abraham für die Anhänger der abrahamitischen Monotheismen das große Vorbild! Abrahams mentale Selbstaufgabe wird als heroische (Glaubens-) Leistung begriffen, nicht als schlußendliche Niederlage.
Falls ich mich richtig erinnere, verrät der "Held" in Orwells Roman unter der Folter auch jene Frau, mit der ihn anfangs die Liebe verband, welche gewissermaßen seine Rebellion gegen das System ausmachte. Oder war es umgekehrt, daß sie ihn verriet? (Müßte das Buch mal wieder lesen, ist gerade auf die Gute-Vorsätze-Liste-für-2014 gesetzt worden...) Wie auch immer: bei mir als Leser war an dem Punkt, wo sich die Liebenden hier verrieten, der Tiefpunkt an Traurigkeit erreicht. An Traurigkeit darüber, wie ohnmächtig der Mensch gegenüber dem Totalitären letztlich ist und daß dieses schöne Ideal der Liebe, an die und ihre alles überwindende Macht zu glauben man hierzulande ja von Kindheit an sozialisiert wird, nicht einlösen kann, was es verspricht.
Während ich als Leser nicht umhin komme, dem die Liebe verratenden Helden von 1984 von da an auch meine Sympathie zu kündigen, ist doch zumindest die beabsichtigte Wirkung der Isaak-Opfer-Geschichte genau entgegengesetzt: Abraham soll als Vorbild verehrt werden dafür, daß er den geliebten Sohn an (Big Brother) Gott verrät.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1893859) Verfasst am: 29.12.2013, 14:35 Titel: |
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Chinasky hat folgendes geschrieben: | Tom der Dino hat folgendes geschrieben: |
Hmmm... in 1984 entspricht Big Brother dieser Gottesfigur. Der Held stirbt am Ende "maximal gemindfuckt" in absoluter Liebe zum Großen Bruder. |
Das ist richtig. Der Mindfuck setzt aber z.B. bei der Issak-Opfer-Geschichte erst da so richtig ein, wo 1984 endet: bei der intendierten Wirkung auf's Publikum. Während 1984 von jedem mir bekannten Leser als Schreckensbild und Dystopie erkannt wird, also niemand so werden/enden will wie der Held, ist der ebenso gemindfuckte Abraham für die Anhänger der abrahamitischen Monotheismen das große Vorbild! Abrahams mentale Selbstaufgabe wird als heroische (Glaubens-) Leistung begriffen, nicht als schlußendliche Niederlage.
Falls ich mich richtig erinnere, verrät der "Held" in Orwells Roman unter der Folter auch jene Frau, mit der ihn anfangs die Liebe verband, welche gewissermaßen seine Rebellion gegen das System ausmachte. Oder war es umgekehrt, daß sie ihn verriet? (Müßte das Buch mal wieder lesen, ist gerade auf die Gute-Vorsätze-Liste-für-2014 gesetzt worden...) Wie auch immer: bei mir als Leser war an dem Punkt, wo sich die Liebenden hier verrieten, der Tiefpunkt an Traurigkeit erreicht. An Traurigkeit darüber, wie ohnmächtig der Mensch gegenüber dem Totalitären letztlich ist und daß dieses schöne Ideal der Liebe, an das und dessen alles übersteigende Macht zu glauben man hierzulande ja von Kindheit an sozialisiert wird, nicht einlösen kann, was es verspricht.
Während ich als Leser nicht umhin komme, dem die Liebe verratenden Helden von 1984 von da an auch meine Sympathie zu kündigen, ist doch zumindest die beabsichtigte Wirkung der Isaak-Opfer-Geschichte genau entgegengesetzt: Abraham soll als Vorbild verehrt werden dafür, daß er den geliebten Sohn an (Big Brother) Gott verrät. |
Ich denke, du hast Recht. Gute Gedanken!
_________________ °
K.I.Z - Frieden
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Zuletzt bearbeitet von Skeptiker am 29.12.2013, 14:39, insgesamt einmal bearbeitet |
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Naastika RL rulez<->auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 23.11.2003 Beiträge: 6100
Wohnort: an der Fütterungsstelle der Eichhörnchen
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(#1893860) Verfasst am: 29.12.2013, 14:35 Titel: |
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Tom der Dino hat folgendes geschrieben: | Naastika hat folgendes geschrieben: | Im Gegensatz zu Religionen beinhalten die aufgezählten Ideologien zumindest einen Rest an rationeller Erklärung. Natürlich können andere Systeme die Menschen verrohen (siehe "Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben", alliierte Abhörprotokolle von deutschen Kriegesgefangenen).
Doch nur Gott hat die vermeintliche Macht, Menschen in ihrem Denken zu kontrollieren. So dass diese, anderes in säkulärem Totalitarismus, nicht mal in ihren Gedanken frei sein können.
Und wenn Gott das absolute Gute ist, wie soll der Mensch gegen ihn rebellieren? |
Hmmm... in 1984 entspricht Big Brother dieser Gottesfigur. Der Held stirbt am Ende "maximal gemindfuckt" in absoluter Liebe zum Großen Bruder. Im Nationalsozialismus hat der Kult um Hitler eine ähnliche Figur geschaffen. Überall wo eine Person oder eine Partei als übermäßig wissend verstanden wird, können sich solche "Mindfucks" etablieren. Immer dann wenn es dazu führt, dass Menschen das Selbstdenken aufgeben. |
1984 ist literarische Fikiton.
Die Kulte um Stalin und Hitler waren nun mal doch nicht vergleichbar effektiv wie Religionen.
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Naastika RL rulez<->auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 23.11.2003 Beiträge: 6100
Wohnort: an der Fütterungsstelle der Eichhörnchen
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(#1893861) Verfasst am: 29.12.2013, 14:48 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Aber es muss nicht zu einem Theismus führen. Es kann auch in nicht-theistische, *höhere Prinzipien des Jenseits* münden, wie etwa im Buddhismus.
Deswegen finde ich auch das abtrennen der Buddhismus-Diskussions-Synopse falsch.
Buddhismus ist zwar kein Theismus, aber dennoch ein Glauben an jenseitige Prinzipien, die über die materielle Welt hinaus sozusagen eine *zweite Realitätsebene* proklamieren, an der sich das individuelle Leben auszurichten habe. Eine Welt hinter dieser diesseitigen, materiellen Welt also. |
Nein, nicht zwangsweise.
Die Abtrennung finde ich nicht falsch, wir diskutieren hier eher über abendlänisch geprägte Form des Atheismus.
Wenn wir im Gegensatz zu reinem Monotheismus noch andere Denk- und Empfindungssysteme als Gegenentwurf zun A.Th mit einbeziehen wollen, dann kämen wir auch z.B. zu schlichten Aberglauben (und, echt niemand ein kurzes, mulmiges Gefühl bei einer Klausur am Freitag, dem 13.? ) und wahrscheinlich anderen, dem Glauben grenzwertige Formen.
Würde diese, aus meiner Sicht eh schon leicht eigenartige Diskussion, noch weiter künstlich aufblähen.
Und so, btw, wieso diskutieren wir nicht eigentlich über praktische Maßnahmen, wie säkuläres, oder sogar atheistische Denken in der Gesellschaft zu verbreiten wäre? Hier "sitzt" doch creme de la creme des atheistischen Denken im deutschsprachigem Raum.
Also, was tun?
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Klimsch registrierter User
Anmeldungsdatum: 10.04.2008 Beiträge: 319
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(#1893869) Verfasst am: 29.12.2013, 16:08 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Ich muss abermals darauf hinweisen, dass der starke/positive Atheismus nicht mit dem Naturalismus, dem Materialismus oder dem Szientismus identisch ist. Er ist viel schwächer und inhaltsärmer als diese anderen Positionen. Denn es geht bei ihm um nicht mehr als die Nichtexistenz Gottes oder von Göttern allgemein, wobei unter einem Gott ein göttliches übernatürliches Wesen (Person/Akteur) zu verstehen ist. Das bedeutet, dass der starke/positive Atheismus durchaus u.a. mit dem Glauben an nichtgöttliche übernatürliche Wesen (z.B. Engel) vereinbar ist. |
Du wirfst zum einen hier den starken und den "positiven" - was immer das sein soll; die Einteilung in starken und schwachen A. teile ich so nicht - in einen Topf, dann hast du meine Erklärung offenbar gar nicht gelesen oder nicht verstanden, was dein Hinweis darauf zeigt, dass du meinst, beim "starken Atheismus" handle es sich um nicht mehr als um die Nichtexistenz Gottes.
Auch deine Aussage der Nichtidentität mit "Naturalismus, dem Materialismus oder dem Szientismus" ist nicht korrekt, und ich habe das auch gar nicht so behauptet.
Und dein letzter Satz ist daher regelrechter Unsinn, auch wenn das andere so gesehn haben. (Engels war auch kein Allwissender.) Gerade in Hinblick auf den starken Atheismus. Ein Atheist soll Götter ablehnen, seine Boten - die Engel - aber anerkennen oder für möglich halten ?? Ich bitte dich.
Auch die Darstellung, dass der starke A. gegenüber dem Agnostiker behauptet, es gäbe keine Götter, wohingegen der "schwache A." nicht weiß, welcher Überzeugung er sich nun anschließen soll, trifft es nicht unbedingt. Der halbwegs informierte (gebildete und intelligente) A. weiß selbst recht gut, dass ein Glaubender oder Agnostiker die Argumente des A. nicht anerkennen wird, z.B. das hier: Man muss eine Nichtexistenz nicht beweisen, allein das Fehlen jeglichen Beweises dafür ist Beweis genug. Kurz: Der Agnostizismus ist überhaupt keine Weltanschauung, und eine atheistische schon gar nicht. Er drückt lediglich eine einzige Frage philosophisch aus.
Vom Theodizee-Problem auch gar nicht weiter gesprochen. Die Fragen innerhalb dieses Problems deuten sämtlich auf die Nichtexistenz hin. Der Gläubige hingegen stellt sich solche Fragen meist erst gar nicht. Tut er es doch, kann es passieren, er verliert seinen Glauben.
Z.B. ist Marcel Reich-Ranicki zur Überzeugung gekommen, dass Gott - gäbe es ihn denn - Mitglied der SS gewesen sein müsse.
Ich versuchs also nochmal mit dir (bitte nicht vergnatzt sein, denn ich muss da einiges geraderücken)
(und beachte bitte, dass diese Bezeichnung "starker Atheismus" nicht von mir erfunden wurde, aber auf mich bzw. meine Überzeugungen absolut zutreffend ist):
Der starke A. verneint nicht nur jede Existenz von Göttern, übersinnlichen Wesen oder Geistern, d.h. "Wesen", die unabhängig von Materie (Gehirn) irgendwo und irgendwie dahinschweben, allgegenwärtig, auch teilweise allmächtig sind und vor allem einen eigenen Willen und eigene Möglichkeiten der Steuerung und Regelung der Prozesse im gesamten Universum, ja sogar menschliche Gefühle wie Rache, Gerechtigkeit oder Belohnung) haben und angeblich auch anwenden sollen.
Der starke A. lehnt weiterhin alles ab, was den Erkenntnissen der (unreligiösen) Naturwissenschaft eindeutig widerspricht, als da sind unmögliche Wunder wie die sog. Himmelfaht Jesus', Mohammed (sogar mit Pferd!) und auch Marias, echte Zauberei und auch Prophetie, Wahrsagerei, Hexen, Engel, Teufel etc., Einfluss der Sterne auf den menschlichen Charakter oder auf Ernten etc.
Weiterhin lehnt der starke A. jede Form von eindeutigem Aberglauben ab und sieht ihn als Ergebnis des menschlichen Dranges nach Erklärung, des Unwissens und der Eigenschaft, solche Erzählungen leichtfertig zu glauben, ohne sich die Mühe zu machen, etwas besser darüber zu recherchieren und nachzudenken.
Es ist z.B. reiner Aberglaube, dass eine Ziffer entweder böse oder gute (je nachdem) Vorbedeutung hätte.
Eine Ziffer ist eine Ziffer - mehr nicht. Von der schwarzen Katze will ich gar nicht reden.
Nicht möglich sind auch Kontaktaufnahmen mit Verstorbenen oder das Wirken Verstorbener, vor allem deshalb nicht, weil es keine frei schwebende Seele gibt. Gleiches trifft auf die zwingende Vorbedeutung von Träumen zu, denn sie sind lediglich ein Produkt des halbwachen Geistes.
Kurz: Die Naturgesetze gelten immer und überall. Das ist unverrückbar, und falls das mal falsch werden sollte, dann war eben ein solches Gesetz nicht richtig erkannt worden. Dann hätte die Naturwissenschaft aber ein Riesenproblem...
Suie hat z.B. ein Riesenproblem mit Zeitreisen in Zukunft und Vergangenheit. Diese sind nur aufgrund von Formeln scheinbar möglich.
Das zeigt zweierlei:
Solche Reisen wären ein klarer Verstoß gegen Naturgesetze, z.B. dass der Zeitstrahl immer nur in eine Richtung zeigt, und
dass Formeln nicht als Ursache oder als Beweis für wissenschaftliche Fantasien dienen können.
Weiterhin zeigt es, dass Einsteins Formeln (Relativitätstheorie) gewisse Ungereimtheiten aufweisen.
Zur Beweisbarkeit der Nichtexistenz hab ich zwar gefunden:
"Durch die Beantwortung des Halteproblems ist die Nichtexistenz eines Gottes mit bestimmten Eigenschaften bewiesen. Dies setzt jedoch bestimmte Annahmen voraus."
Ich halte jedoch solche mathematische Beweisführungen für unsinnig, das trifft auch auf den angeblichen Gottesbeweis Gödels zu. Ein Beweis dessen Existenz ist allein schon aus atheistischer Überzeugung heraus gar nicht möglich. Und Formeln sind nicht in der Lage, derartiges nachzuweisen.
Kant wiederum hat nur versucht, seinen Unglauben mit der gesellschaftlichen Meinung in Einklang zu bringen, indem er sich den sog. "moralischen Gottesbeweis" (der keiner ist) ausdachte.
Soviel erst mal.
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Klimsch registrierter User
Anmeldungsdatum: 10.04.2008 Beiträge: 319
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(#1893871) Verfasst am: 29.12.2013, 16:20 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Ganz abgesehen davon, dass Du hier Ideologien aufzählst, die man auch selbst als Religion betrachten kann: Der Widerspruch zwischen Nazi sein und Christ sein ist ungefähr so groß wie der zwischen Moafioso sein und Christ sein - das klappt hervorragend gleichzeitig. Die Nazis waren nicht nur praktisch alle christlich sozialisiert, sondern verstanden sich zum größten Teil auch selbst als Christen (man denke nur an das "positive Christentum" im Programm der NSDAP). Vor dem Hintergrund und mit einem Interview (aus Lanzmanns Shoah?) im Hinterkopf, indem ein ehemaliger KZ -Aufseher sich nicht ohne Stolz erinnerte, wie hart diese Arbeit im KZ war und wie man immer wieder seinen inneren Schweinehund überwinden musste, um hier seine Pflicht erfüllen zu können, gehe ich schon davon aus, dass auch die sich die Kraft für ihre Arbeit im Gebet geholt haben - so sind die doch aufgewachsen.
fwo |
Das ist richtig. Die Naziführer schwörten in Nürnberg alle bis auf einen (ich glaub es war der Archtiket, und der sagte, dass er zwar nicht in der Kirche sei, zumindest aber an Gott glaubt) auf den allmächtigen und allwissenden Gott.
Hitler in einer Rede nach der Machtergreifung bei der Ankündigung der nächsten Neuwahl:
"... und mit uns begrüßen werden das neue deutsche Reich der Größe, der Ehre und der Kraft und der Herrlichkeit."
(ich habs mal in einer Sendung wörtlich mitgeschrieben)
Es fehlte nur "in Ewigkeit Amen."
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Chinasky dirty ol' man
Anmeldungsdatum: 27.03.2006 Beiträge: 1264
Wohnort: Hoher Norden
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(#1893872) Verfasst am: 29.12.2013, 16:21 Titel: |
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Klimsch hat folgendes geschrieben: | ... |
Du bist Dir über ziemlich Vieles ziemlich sicher.
_________________ Still confused - but on a higher level.
Mein Zeugs auf deviantart
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Klimsch registrierter User
Anmeldungsdatum: 10.04.2008 Beiträge: 319
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(#1893875) Verfasst am: 29.12.2013, 16:27 Titel: |
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Chinasky hat folgendes geschrieben: | Klimsch hat folgendes geschrieben: | ... |
Du bist Dir über ziemlich Vieles ziemlich sicher. :shock: | Stimmt. Wenn ich zweifle, dann hat es bestimmt einen Grund. Und dann suche ich nach einer mir plausiblen Antwort.
Wobei ich nicht im Sinn habe, irgendeine Ideologie oder meinen Atheismus zu stärken. Den habe ich mir im Laufe meines Lebens selbst erarbeitet (ich werde 69).
Es ist doch ganz einfach:
Ich bin zu 100 % überzeugt, dass es Götter nicht gibt. Es gibt höchsten physikalische (Natur-)Kräfte, die irgendetwas bewirken, wie z.B. die Gravitation.
Und falls doch irgendwann ein Nachweis für einen solchen Gott auftauchen sollte, würde ich mich zwar gewaltig wundern, aber dann wäre ich überzeugt, es gibt doch sowas.
Solange aber bin und bleibe ich zu 100 % überzeugter "starker Atheist".
Hier einige witzige Zitate zum Atheismus:
Unser Atheismus ist ein Suchen nach Unglück. Friedrich Nietzsche (Aus dem Nachlass)
"Atheismus ist der Versuch, die Erde ohne die Sonne zu erklären." - Sigismund von Radecki, Als ob das immer so weiter ginge
"Atheismus ist Selbstmord der Seele." - Jean Antoine Petit-Senn, Geistesfunken und Gedankensplitter
"Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaften macht atheistisch; aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott." - Werner Heisenberg
"Die Gläubigen glauben an die Auferstehung, die Atheisten an ein »come back«." - Stanislaw Jerzy Lec
"Es gibt nichts, was die Vorstellung von einem persönlichen Gotte unterstützen könnte. Ich bin Atheist. Es gab große Evolutionsbiologen, die an Gott geglaubt haben. Aber ich habe nie verstanden, wie man im Gehirn zwei völlig getrennte Fächer haben kann, und in einem liegt die Wissenschaft und im anderen die Religion." - Ernst Mayr
"Ich war ein Atheist, bis ich merkte, dass ich nichts zum Rufen hatte, während mir einer geblasen wurde." - Robert Anton Wilson, DragonCon, 2000
"Nur ein Atheist kann ein guter Christ sein, nur ein guter Christ kann ein Atheist sein." - Ernst Bloch
"Wenn ich einen Gottlosen bekehren wollte, würde ich ihn in eine Wüste verbannen." - Théodore Jouffroy, Das grüne Heft
Graffiti:
"Gott segne den Atheismus!"
Bibel:
"Das Wenige des Gerechten ist besser als der Überfluss vieler Gottloser. Denn die Arme der Gottlosen werden zerbrochen, aber der Herr stützt die Gerechten." - Psalm 37,16-17
"Stolz der Augen und Hochmut des Herzens - die Leuchte der Gottlosen ist Sünde." - Sprüche 21,4
"Wenn die Gerechten triumphieren, ist die Herrlichkeit groß; wenn aber die Gottlosen aufkommen, versteckt sich der Mensch." - Sprüche 28,12
Anmerkung: Die Bemerkung Blochs sowie einige andere halte ich für Blödsinn, vom unsterblichen Glauben an Gott hervorgebracht.
Bei der Bemerkung von Robert Anton Wilson fällt mir ein, dass in Ami-Filmen immer gern gerufen wird: "Oh my god!"
Manchmal gleich 5-mal hintereinander.
Gleiches gilt für Jean Antoine Petit-Senn, auch Heisenbergs Spruch ist ziemlich naiv und passt gar nicht zu einem Naturwissenschaftler.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1893876) Verfasst am: 29.12.2013, 16:39 Titel: |
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Chinasky hat folgendes geschrieben: | Falls ich mich richtig erinnere, verrät der "Held" in Orwells Roman unter der Folter auch jene Frau, mit der ihn anfangs die Liebe verband, welche gewissermaßen seine Rebellion gegen das System ausmachte. Oder war es umgekehrt, daß sie ihn verriet? |
Er verrät sie. Es wird allerdings impliziert, dass sie genauso gefoltert wird und dementsprechend auch ihn verrät.
Chinasky hat folgendes geschrieben: | Während ich als Leser nicht umhin komme, dem die Liebe verratenden Helden von 1984 von da an auch meine Sympathie zu kündigen, ist doch zumindest die beabsichtigte Wirkung der Isaak-Opfer-Geschichte genau entgegengesetzt: Abraham soll als Vorbild verehrt werden dafür, daß er den geliebten Sohn an (Big Brother) Gott verrät. |
Sorry, aber ich kann Winston nicht meine Sympathien kündigen, nur weil er unter Folter Verrat begeht. Die Folter (jede Folter) zielt gerade darauf, die psychologische und kognitive Konsistenz (oder Konsonanz) des Gefolterten zu zerstören, etwa indem sie den Verrat an dem erzwingt, was dem Gefolterten am wertvollsten ist, und sie erreicht dieses Ziel auch so gut wie immer. Wenn überhaupt verdient der Winston nach der Folterung unsere Sympathie und unser Mitgefühl. Genau an der Stelle krankt auch deine Kritik an der Abraham-Geschichte. Während du mit einer Figur wie Winston überhaupt nicht mehr umgehen, sondern sie nur noch als verloren und verworfen betrachten kannst, gibt die Abraham-Geschichte einer solchen Figur wenigstens wieder einen neuen möglichen Anknüpfungspunkt, um die psychische Konsistenz und Lebensfähigkeit wiederzufinden. Wir sind uns einig, dass das (genau wie die Liebe zum Großen Bruder) kein guter Anknüpfungspunkt ist, aber es ist wenigstens einer.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 29.12.2013, 16:52, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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Klimsch registrierter User
Anmeldungsdatum: 10.04.2008 Beiträge: 319
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(#1893877) Verfasst am: 29.12.2013, 16:45 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Deswegen ist auch die Frage nach der Art des Atheismus zu kurz gesprungen. |
In der Umfrage ist sie es in jedem Fall.
Zitat: | ... Denn theistische Religion bedeutet ja nur deshalb die Verehrung des *höheren, überweltlichen Wesens*, weil die kollektive Vernunft und Kräfte des Menschen bzgl. der Erkennbarkeit und rationalen Gestaltung des Diesseits grundsätzlich für unmöglich gehalten wird. Dieser *Niedrigkeit* des Menschen korrespondiert erst - als das fantastische Gegenbild - *das höhere, überweltliche, alles verstehende, alles könnende*. |
Das glaube ich nicht. Jedenfalls nicht vollständig. Ich denke eher, dass es im Wesen des Menschen liegt, nach Erklärungen für alles Mögliche zu suchen und nach Hilfe.
Und er hat Angst. Angst, wenn es blitzt und donnert, wenn jemand stirbt, wenn Unwetter oder Feinde alles um ihn herum zerstören.
Für unmöglich hielt der Mensch es wohl noch nie, seine Umwelt zu gestalten. Nur erkennt er die Grenzen, die er nicht überwinden kann.
Und dann kamen die ersten Schamanen, Priester etc. Diese erkannten die Angst und die Möglichkeit, diese für sich zu nutzen.
Zitat: | Aber es muss nicht zu einem Theismus führen. Es kann auch in nicht-theistische, *höhere Prinzipien des Jenseits* münden, wie etwa im Buddhismus.
Deswegen finde ich auch das abtrennen der Buddhismus-Diskussions-Synopse falsch.
Buddhismus ist zwar kein Theismus, aber dennoch ein Glauben an jenseitige Prinzipien, die über die materielle Welt hinaus sozusagen eine *zweite Realitätsebene* proklamieren, an der sich das individuelle Leben auszurichten habe. Eine Welt hinter dieser diesseitigen, materiellen Welt also. |
Den Teil des Buddhismus, der auf Unmögliches hinauswill, wie z. B. die Wiedergeburt, lehnt der Atheist natürlich auch ab. Was das Meditieren angeht, so kann man dies durchaus als nützlich für den Geist (die Seele) betrachten, genauso wie in manchen Völkern die Tradition des Fastens.
Dem Körper nützt es, wenn ihm mal gezeigt wird, dass es eine Weile mal nichts zu futtern gibt.
Leider arbeitet die gesamte heutige Welt dem entgegen. Friss und sauf, was das Zeug hält, bis es dir aus den Ohren rauskommt, bis du fett und faul und geistig verarmt vor der Glotze stirbst.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1893878) Verfasst am: 29.12.2013, 17:02 Titel: |
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Nachtrag: Ein wichtiger Unterschied zwischen der Abraham-Geschichte und 1984 ist natürlich auch, dass Gott mit seiner Forderung nicht bis zum Ende geht, die Partei hingegen schon. Man könnte sogar sagen, Abraham konsequenter ist als Gott selbst. Im Grunde genommen ist die Abraham-Geschichte eine Geschichte darüber, wie sich in einer asymmetrischen Beziehung letztlich der Unterwürfige als der stärkere (und sogar mächtigere) Charakter herausstellen kann. Gott stellt eine scheinbar unerfüllbare Forderung an Abraham, aber es ist Gott, der vor der tatsächlichen Erfüllung seiner Forderung zurückschreckt. Natürlich ist an dieser Stelle der Deutung Isaaks Perspektive noch nicht berücksichtigt, aber Winstons Geschichte lässt sich aus verschiedenen Gründen gar nicht auf diese Weise lesen.
Es gibt noch andere relevante Unterschiede, aber ich belasse es erstmal dabei.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Waschmaschine777 auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.07.2008 Beiträge: 4007
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(#1893880) Verfasst am: 29.12.2013, 17:22 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Nachtrag: Ein wichtiger Unterschied zwischen der Abraham-Geschichte und 1984 ist natürlich auch, dass Gott mit seiner Forderung nicht bis zum Ende geht, die Partei hingegen schon. Man könnte sogar sagen, Abraham konsequenter ist als Gott selbst. Im Grunde genommen ist die Abraham-Geschichte eine Geschichte darüber, wie sich in einer asymmetrischen Beziehung letztlich der Unterwürfige als der stärkere (und sogar mächtigere) Charakter herausstellen kann. Gott stellt eine scheinbar unerfüllbare Forderung an Abraham, aber es ist Gott, der vor der tatsächlichen Erfüllung seiner Forderung zurückschreckt. Natürlich ist an dieser Stelle der Deutung Isaaks Perspektive noch nicht berücksichtigt, aber Winstons Geschichte lässt sich aus verschiedenen Gründen gar nicht auf diese Weise lesen.
Es gibt noch andere relevante Unterschiede, aber ich belasse es erstmal dabei. |
Na ja, diese Deutung überzeugt mich nicht.
Dass Gott "zurückschreckt" steht nicht in der Bibel:
http://bibel-online.net/buch/luther_1912/1_mose/22/
Gott sieht die Opferung als Loyalitätstest.
Ähnliche Tests gibt es wohl auch manchmal in kriminellen Organisationen, wenn der Bandenführer von einem Neumitglied die Tötung eines Menschen fordert. Wenn das Neumitglied den Pistolenabzug betätigt, dann ist es nach deiner Deutung der Stärkere, wenn die Waffe ungeladen ist. Wenn sie geladen ist, dann sollen die Stärkeverhältnisse anders aussehen?
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1893881) Verfasst am: 29.12.2013, 17:30 Titel: |
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Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | Dass Gott "zurückschreckt" steht nicht in der Bibel: |
Gott gibt zuerst einen schrecklichen Befehl und widerruft ihn dann kurz vor der Ausführung. Ohne zusätzliche Information, die dem widerspräche, sieht das aus wie ein Zurückschrecken.
Und natürlich war das ein Loyalitätstest. Gott wollte sehen, wie weit er mit Abraham gehen kann. Wie sich herausstellt, ganz bis zum Ende. Nur ist er selbst nicht bereit, so weit zu gehen. Ich halte das für geradezu klassisch.
Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | Wenn das Neumitglied den Pistolenabzug betätigt, dann ist es nach deiner Deutung der Stärkere, wenn die Waffe ungeladen ist. |
Nein. Ein Unterschied ist, dass bei Abraham der Befehl widerrufen, in deinem Beispiel hingegen vollzogen wird. Schon der Wissensunterschied verändert die Situation. Abraham weiss ganz genau, was passiert, wenn er wirklich bis zum Ende geht. Du musst das schon parallel konstruieren. Etwa so: Der Don gibt den Befehl zur Erschießung, zieht ihn aber kurz vor dem Abdrücken wieder zurück. Oder du müsstest die Abraham-Geschichte so erzählen, dass Gott Abraham zustechen lässt, aber vorher das Messer stumpf macht.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Waschmaschine777 auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.07.2008 Beiträge: 4007
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(#1893882) Verfasst am: 29.12.2013, 17:42 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | Wenn das Neumitglied den Pistolenabzug betätigt, dann ist es nach deiner Deutung der Stärkere, wenn die Waffe ungeladen ist. |
Quatsch. Da ist es dann der Wissensunterschied, der das Gefälle wieder in die andere Richtung kippt. Abraham weiss ganz genau, was passiert, wenn er wirklich bis zum Ende geht.
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Das glaubt das aufzunehmende Mitglied auch zu wissen. Wenn jemand eine Kugel in den Schädel bekommt, dann ist das nicht gut für den Betreffenden.
Zitat: |
Du musst das schon parallel konstruieren. Etwa so: Der Don gibt den Befehl zur Erschießung, zieht ihn aber kurz vor dem Abdrücken wieder zurück. |
Ein Unterschied in der Ausgangslage zu dem von mir angeführten Beispiel bestünde nur, wenn Gott die Opferung wirklich durchziehen wollte als er den Befehl zur Opferung gab. Die Bibel schweigt sich aber dazu aus.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1893883) Verfasst am: 29.12.2013, 17:46 Titel: |
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Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | Das glaubt das aufzunehmende Mitglied auch zu wissen. |
Zu wissen glauben ist nicht das selbe wie wissen. Dass seine Messer scharf sind, weiss Abraham, denn er hat sie vermutlich selbst geschliffen. Dass die Pistole geladen ist, weiss der Initiant ohne Überprüfung nicht.
Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | Ein Unterschied in der Ausgangslage zu dem von mir angeführten Beispiel bestünde nur, wenn Gott die Opferung wirklich durchziehen wollte als er den Befehl zur Opferung gab. |
Quatsch. Der Unterschied ist auf einer ganz anderen Ebene angesiedelt. Wie ich schon sagte: In einem Fall wird der Befehl vor Vollziehung widerrufen, im anderen nicht.
Es ist einfach ein Unterschied, ob ich sehen will, wie weit jemand geht, ohne selbst so weit gehen zu wollen, oder ob ich jemanden dazu bringe, die Grenze tatsächlich zu überschreiten.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 29.12.2013, 17:54, insgesamt einmal bearbeitet |
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Waschmaschine777 auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.07.2008 Beiträge: 4007
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(#1893884) Verfasst am: 29.12.2013, 17:53 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | Das glaubt das aufzunehmende Mitglied auch zu wissen. |
Zu wissen glauben ist nicht das selbe wie wissen. Schon dass der Don dem Initianten verbieten muss, zu überprüfen, ob die Waffe geladen ist, zeigt, dass du Unrecht hast. Gott hat Abraham ja nicht verboten, seine Messer zu schleifen.
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Aber Gott könnte Isaak auch durch ein Wunder retten. Abraham kann das nicht ausschließen, weil er davon überzeugt ist, dass der wirkliche Gott zu ihm spricht. Damit kommt Abraham nicht über ein "zu Wissen Glauben" hinaus, wenn er seinem Sohn die Kehle durchschneidet.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1893885) Verfasst am: 29.12.2013, 17:55 Titel: |
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Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | Aber Gott könnte Isaak auch durch ein Wunder retten. |
Tut er aber eben nicht. Warum nicht? Der Witz ist doch der, dass in der einen Geschichte eine Grenze überschritten wird und in der anderen eben nicht. Und das Wissensgefälle hat damit zu tun.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 29.12.2013, 17:58, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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Waschmaschine777 auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.07.2008 Beiträge: 4007
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(#1893886) Verfasst am: 29.12.2013, 17:57 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
Es ist einfach ein Unterschied, ob ich sehen will, wie weit jemand geht, ohne selbst so weit gehen zu wollen, oder ob ich jemanden dazu bringe, die Grenze tatsächlich zu überschreiten. |
Das ist erst einmal nur ein Unterschied für den Mord-Auftraggeber. Denn der Beauftragte ist davon überzeugt, dass er gleich einen Menschen umbringen muss.
Erst im Nachhinein macht es einen Unterschied für den Ausführenden aus.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1893887) Verfasst am: 29.12.2013, 17:58 Titel: |
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Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | Das ist erst einmal nur ein Unterschied für den Mord-Auftraggeber. [...] Erst im Nachhinein macht es einen Unterschied für den Ausführenden aus. |
Ja. Und?
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Waschmaschine777 auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.07.2008 Beiträge: 4007
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(#1893888) Verfasst am: 29.12.2013, 17:59 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | Aber Gott könnte Isaak auch durch ein Wunder retten. |
Tut er aber eben nicht. Warum nicht? Der Witz ist doch der, dass in der einen Geschichte eine Grenze überschritten wird und in der anderen eben nicht. Und das Wissensgefälle hat damit zu tun. |
In welcher Geschichte wird - im Unterschied zur anderen - welche Grenze überschritten?
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1893889) Verfasst am: 29.12.2013, 18:00 Titel: |
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Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | In welcher Geschichte wird - im Unterschied zur anderen - welche Grenze überschritten? |
Die Grenze ist die der aktiven Ausführung einer Tötungshandlung. Darum geht's ja. In der Mafia-Geschichte überschreitet der Initiant die Grenze.
In der Abraham-Geschichte überschreitet Abraham sie nicht, weil Gott den Befehl zurückzieht. Er hätte sie überschritten, aber Gott lässt das nicht zu.
Um mal die Sache mit dem Wunder umzudrehen: Warum zieht Gott überhaupt den Befehl zurück, wenn er Isaak auch einfach durch ein Wunder retten könnte?
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