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Warum diskutieren Freigeister religiöse Glaubensinhalte ?
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26440
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2042495) Verfasst am: 02.02.2016, 10:29    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
zelig war ja auch kein Beispiel für den Affen von früher, sondern eines dafür, wie schwer es selbst heute und in kulturellen Brüchen, wie dem, in dem wir stecken, ist, die Tradition einfach über Bord zu werfen. Dieses Festhalten am Alten war aber die Voraussetzung dafür, dass die akkumulative Kultur überhaupt eine Chance hatte, bevor die Sprache da war, bevor der Sinn der eigenen Handlung wirklich reflektiert werden konnte. Das heißt, das ist ein uraltes Erbe vom Beginn der Menschheit, auch wenn wir es bei diesem besonderen Stück Kultur auch noch an bekannten psychischen Gegebenheiten (nicht zeligs, sondern allgemein menschlichen) festmachen können, warum diese Beharrlichkeit so stark ist. Und andererseits war die ursprüngliche Form der Kultur, die Weitergabe von Verhalten, die unerlässliche Vorraussetzung dafür, dass wir überhaupt eine Sprache entwickelt haben.


Ja nun, eine Sprache haben ja nun alle Kulturen. Das erklärt aber doch nicht deren Unterschiede und deren Wandel. Sprache übrigens schafft keine Kulturbrüche - etwa durch die Einführung neuer Begriffe - sondern vollzieht diese Brüche und Umwälzungen in den realen Verhältnissen und allem, was sich daraus dann an kulturellen Veränderungen ergibt, lediglich nach. Daraus ergeben sich dann neue Begriffe und alte verschwinden, aber die Sprache an sich bleibt ungefähr in ihrer Struktur gleich.

Sie dient im Grunde damit der Vermittlung des immer wieder neuen und weniger der Tradierung des alten.

Aha. Deshalb also bleiben Kulturen machmal über tausende von Jahren einfach nur stabil (Beispiele oben).
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Wenn wir hier gerade über Kultur reden, dann kann ich x-mal auf die einzige Definition hinweisen, die bei der grundsätzlichen Diskussion des Zusammenhanges zwischen Kultur und Evolution sinnvoll ist, aber verstanden wird das erst, wenn ich es bei einem ausgearbeiteten Widerspruch wie Deinem klarmachen kann: Kultur ist erst seit kurzen etwas, was wir über Operationen in der Sprache neu schaffen oder erweitern. Über ganz lange Zeiträume der Menschwerdung lief aber die Sprache bzw. ihre Vorstufen und damit das Denken hinter der Kultur her und nicht umgekehrt.


Das ist immer noch so und wird sich nie ändern.

Nein. Kultur als das gesammelte Wissen einer Gesellschaft wird heute wesentlich durch die Sprache bestimmt, weil wir in der Sprache denken, also jede Neuerung automatisch ihren Niederschlag in der Sprache findet. Und wenn Du speziell unsere Wissensproduktion ansiehst, das was wir normalerweise als Wissenschaft bezeichnen, dann kannst Du die auch so beschreiben, dass da Abteilungen der Gesellschaft damit beschäftigt sind, planvoll Fachsprachen zu erweitern. Wenn wir mal den Streit um die Evolution erstmal für die grundlegenden Tatsachen hintenanstellen, dann muss man heute von einer Co-Entwicklung von Sprachen zum Handlungsteil der Kultur sprechen. Da läuft kulturell nichts mehr hinterher.
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Die Frage war im übrigen nicht, was *die Kultur* - die ja aus einer primären Kultur (Produktiontechnologie, etc.) und einer sekundären Kultur (Denk- und Verhaltensweisen) besteht - mit biologischer Evolution zu tun hat. Sie hat ohne Zweifel damit etwas zu tun. Sondern die Diskussion war ja die, ob die kulturelle (Höher-)Entwicklung selber eine Evolution ist und wenn ja inwiefern genau unter Berücksichtigung der spezifischen Vielheiten der menschlichen Gesellschaft ...-.

Und da habe ich zumindest für den Anfang der Kultur oben nachgewiesen, dass das nicht anders gehen konnte, als evolutionär. Die Frage ist also weniger ob Evolution, sondern mehr, wieviel der Kultur heute unter anderen Bedingungen als am Anfang der Menschheit noch sinnvoll evolutionär beschrieben werden kann. Dass da einiges dabei ist, dazu haben sich die Geisteswissenschaften jetzt aber schon lange entschieden. Wichtig dabei ist nur, dass wir im Kopf behalten, dass wir von der Kultur reden und nicht von der Gesellschaft. Dein besonderer Freund Karlchen, den Du hier immer wieder einbringen möchtest, hatte die Gesellschaft im Blick, nicht die Kultur.
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2042500) Verfasst am: 02.02.2016, 11:38    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Die Frage war im übrigen nicht, was *die Kultur* - die ja aus einer primären Kultur (Produktiontechnologie, etc.) und einer sekundären Kultur (Denk- und Verhaltensweisen) besteht - mit biologischer Evolution zu tun hat. Sie hat ohne Zweifel damit etwas zu tun. Sondern die Diskussion war ja die, ob die kulturelle (Höher-)Entwicklung selber eine Evolution ist und wenn ja inwiefern genau unter Berücksichtigung der spezifischen Vielheiten der menschlichen Gesellschaft ...-.

Ich halte die Unterscheidung zwischen "primärer" und "sekundärer" Kultur bzw. zwischen Produktionstechnologie und Denk- und Verhaltensweisen für zweifelhaft. Produktionstechnologie ist nämlich auch nichts anderes als ein Begriff für eine bestimmte Art von Denk- und Verhaltensweisen.

Was du wahrscheinlich im Hinterkopf hast (neben Marx'schens Theorie von Basis und Überbau), ist zum Beispiel die am Beginn der Neuzeit aufkommende Schicht der Stadtbürger, deren wirtschaftsbürgerliche Geschäftstätigkeit nicht selten einher ging mit einer allgemein individuelleren Form von Weltsicht (um es mal sehr allgemein auszudrücken).

Aber eben nicht immer. Neues (im Sinne von neuen Denk- und Verhaltensweisen) entsteht nicht nur in einer bestimmten Schicht oder Gruppe. Bestimmte Denktraditionen folgen auch nicht immer der wirtschaftlich-technologische Entwicklung, und so kommt es immer wieder zur "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen". zwinkern
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2042505) Verfasst am: 02.02.2016, 12:20    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

zelig war ja auch kein Beispiel für den Affen von früher, sondern eines dafür, wie schwer es selbst heute und in kulturellen Brüchen, wie dem, in dem wir stecken, ist, die Tradition einfach über Bord zu werfen. Dieses Festhalten am Alten war aber die Voraussetzung dafür, dass die akkumulative Kultur überhaupt eine Chance hatte, bevor die Sprache da war, bevor der Sinn der eigenen Handlung wirklich reflektiert werden konnte. Das heißt, das ist ein uraltes Erbe vom Beginn der Menschheit, auch wenn wir es bei diesem besonderen Stück Kultur auch noch an bekannten psychischen Gegebenheiten (nicht zeligs, sondern allgemein menschlichen) festmachen können, warum diese Beharrlichkeit so stark ist. Und andererseits war die ursprüngliche Form der Kultur, die Weitergabe von Verhalten, die unerlässliche Vorraussetzung dafür, dass wir überhaupt eine Sprache entwickelt haben. Diese Kultur, die Tradition des Steineklopfens, beinhaltet als Voraussetzung bereits die wahrscheinlich wichtigste Fähigkeit unserer Art überhaupt: Das geteilte Interesse zweier Individuen. Das haben auch Schimpansen nicht. Bei uns ist diese Fähigkeit angeboren.

Wenn wir hier gerade über Kultur reden, dann kann ich x-mal auf die einzige Definition hinweisen, die bei der grundsätzlichen Diskussion des Zusammenhanges zwischen Kultur und Evolution sinnvoll ist, aber verstanden wird das erst, wenn ich es bei einem ausgearbeiteten Widerspruch wie Deinem klarmachen kann: Kultur ist erst seit kurzen etwas, was wir über Operationen in der Sprache neu schaffen oder erweitern. Über ganz lange Zeiträume der Menschwerdung lief aber die Sprache bzw. ihre Vorstufen und damit das Denken hinter der Kultur her und nicht umgekehrt.


Ich weiß nicht, ob das „unreflektierte Festhalten am Alten“ wirklich so ein Problem ist. Ich muß dazu noch einmal einen Schritt zurückgehen. Wir sprechen von Menschen, Kultur und Sprache, aber ich weiß nicht, ob man das so trennen kann. Die ersten Menschen, die Feuer und Steinwerkzeuge benutzten, sagt man, war der Homo Erectus. Nun ist es ein weiter Weg von der Nutzung des Feuers bis zur Fähigkeit, es selbst zu entzünden, und vom Aufsammeln als Werkzeug geeignet erscheinender Steine über deren Nachbearbeitung bis hin zur Anfertigen von Steinwerkzeugen. Warum zelig und andere also an ihren tradierten Glaubensvorstellung festhalten (wenn es überhaupt tradierte Vorstellungen sind und nicht ein Privatglaube, der sich gerade aus Diskussionen mit Anders- oder Nichtgläubigen ergeben hat, also höchst individuelle Vorstellungen), könnte also auch andere Gründe haben als ein tief in uns festgelegter biologischer Traditionalismus.

Zumindest für die Anfangsformen des Werkzeuggebrauchs braucht man nicht nur keine Sprache, sondern auch keine Fähigkeit von auf Sprache beruhender Reflektionsfähigkeit, wie man leicht an Schimpansen sehen kann, die in einigen Gruppen die Anfertigung und den Gebrauch von Stöcken aus Ästen üben, um damit Insekten aus allerlei Löchern zu friemeln. Es reicht, den Erfolg zu sehen, und das Verhalten solange nachzuahmen, bis es zufriedenstellend klappt. Das gilt meiner Ansicht nach für alles Verhalten auf dieser Ebene. Der, der es nachahmt, muß einen Sinn, einen Vorteil darin sehen, das Verhalten zu kopieren. Sonst funktioniert es nicht. (Wenn du andere Beispiele hast, immer her damit).

Ob es auf dieser Ebene auch Traditionen gab, die verständnislos und ohne einen individuellen Vorteil darin zu sehen weitergegeben wurden, halte ich für wenig wahrscheinlich. Tradition als Wert an sich setzt meiner Ansicht nach eine weit differenziertere Gesellschaftsstruktur voraus, die zB über eingeübte Rituale verfügt. All das scheint mir ohne die Fähigkeit von Symbolbildung, und damit ohne die Bildung von, und wenn auch noch so rudimentären sprachlichen Symbolen nicht möglich. Allerdings bin ich der Ansicht, daß die Entwicklung der Fähigkeit zu Sprechen vermutlich älter ist, als gemeinhin angenommen wird. Solange das weder zu beweisen noch zu widerlegen ist, sind wir weitgehend auf Vermutungen angewiesen.

fwo hat folgendes geschrieben:

Aber auch, nachdem die Sprache da ist, gibt es einen Teil der Kultur, der nur geringfügig durch den individuellen Intellekt beeinflusst wird: die Sprache selbst, die dann über den weiteren Zeitraum der Geistesgeschichte eigentlich die gesamte Kultur umfasst.


Oh, ich denke schon, daß die Kultur, wie auch unsere Sprache, durch den Intellekt der einzelnen Individuen beeinflußt wurde und wird, nur entspricht das Ergebnis nicht immer den jeweils individuellen Intentionen: Unbeabsichtigte Folgen beabsichtigter Handlung könnte man es nennen. Menschen haben zu allen Zeiten den kulturellen Ausdruck ihrer Zeit zu ändern, um Neuem Ausdruck zu geben. Selbst die als weitgehend starr bekannte ägyptische darstellende Kunst hat einen Echnaton hervorgebracht. So habe auch Menschen ihre Sprache verändert, indem sie neue Begriffe verwendeten oder alten einen geänderte Bedeutung zu geben versuchten. Der Irrglaube, man brauchen einer Sache nur einen neuen Namen zu geben, um die Sache selbst zu verändern (streiche: Lehrling; setze: Azubi), ist allerdings neueren Datums. zwinkern
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fwo
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Beitrag(#2042519) Verfasst am: 02.02.2016, 13:33    Titel: Antworten mit Zitat

@ Marcellinus
Das Festhalten am Alten ist kein Problem, sondern eine conditio sine qua non für die biologische Möglichkeit, angeborenes Verhalten durch Kultur ersetzen zu können. Wenn das nicht ist, fängt jede Generation von vorne an - ohne unsere Möglichkeit der Bewertung. Und wenn jede Generation von neuem anfängt, gibt es auch keine Weiterentwicklung - dann bleibt dieser Affe bei den Schimpansen stehen. Es kommt ohne diese Kopiertreue übrigens auch nicht zu einer Sprache, weil die Akkumulation immer auf das Alte aufsetzt. Diese Kopiertreue kann deshalb am Anfang nur eine ohne Einsicht gewesen sein.

Angefangen hat das mit Steinen, den Geröllsteinen, die sehr schlicht sind. Ich hatte in der langen Antwort auf das Stadium Acheuléen hingewiesen, bei dem man am Werkzeug selbst sehen kann, dass da ein sehr geordnetes Übergeben der Kultur stattgefunden haben muss. Damit meine ich nicht nur Abgucken, sondern auch beibringen. Dauer ca. von 1,7 Mio bis 150 000 vor unserer Zeitrechnung, ohne große Veränderung. Erst vor 300 000 Jahren kommt mit der Schildkerntechnik eine Neuerung, die dann bis zu den Neanderthalern anhält. Wir sind hier also schon bei echten Menschen, aber immer noch nicht mit einer richtigen Sprache - warum wir davon ausgehen sollten, habe ich begründet. Allerdings gehe ich daon aus, dass die Sprache beim Steinekloppen entstanden ist. Das habe ich auch schon mal ziemlich ausgewalzt begründet - das ist am Anfang dieser Diskussion verlinkt. Wenn Du von Beurteilungsfähigkeit und Einsicht für die Tradition ausgehst, sind diese langen Zeiten in der Steinzeit nicht erklärbar, denn jede Form der Reflektion sollte zu einem höheren Tempo in der Entwicklung führen, als wir es hier sehen.

Dass bei einem so hochkomplexen Gegenstände wie Gott, in diesem Fall auch noch ein aufgeblasener Vater-Archetypus, noch ganz andere Mechanismen beteiligt sind, hatte ich selbst schon dazugeschrieben. Oder anderesherum: Selbst, wenn Du bei jedem Einzelfall betrachtest, dass hier dieses und da jenes eine Rolle spielt, kommst Du nicht umhin, festzustellen, dass die Kopiertreue in der Summe gewaltig ist. Die Vorgänge im Einzelnen sind das Eine, das Andere ist, wie sich das auf die Summe dessen auswirkt, was von dieser Gesellschaft (weiter-)getragen wird. Denn das ist die Kultur.
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Marcellinus
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Beitrag(#2042554) Verfasst am: 02.02.2016, 20:35    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
@ Marcellinus
Das Festhalten am Alten ist kein Problem, sondern eine conditio sine qua non für die biologische Möglichkeit, angeborenes Verhalten durch Kultur ersetzen zu können. Wenn das nicht ist, fängt jede Generation von vorne an - ohne unsere Möglichkeit der Bewertung. Und wenn jede Generation von neuem anfängt, gibt es auch keine Weiterentwicklung - dann bleibt dieser Affe bei den Schimpansen stehen. Es kommt ohne diese Kopiertreue übrigens auch nicht zu einer Sprache, weil die Akkumulation immer auf das Alte aufsetzt. Diese Kopiertreue kann deshalb am Anfang nur eine ohne Einsicht gewesen sein.

Ich mag ja blöd sein, aber entweder begreife ich etwas an deinem Argument nicht, oder dein Argument hat einen Fehler. Nehmen wir eine Schimpansen-Gruppe, in der einzelne Schimpansen sich Stöckchen als Werkzeuge anfertigen, um damit in kleinen Löchern nach Eßbarem zu angeln (solche Gruppen kann man beobachten, nicht nur bei Affen, sondern zB auch bei Vögeln). Fest steht, sie lernen es von älteren Artgenossen. Offenbar hat es irgendwann ein besonders heller Affe ausgefunden, denn es gibt Gruppen in der gleichen Gegend, die das nicht kennen.

Nun die zwei Interpretationen: Ich sage, diese Affen schauen sich dieses Verhalten von älteren Artgenossen ab, weil sie auch an diese Leckereien wollen. Um das zu sehen, brauchen sie weder eine Sprache, noch eine besondere Einsichtsfähigkeit hinaus. Sie müssen nur eine Leckerei als eine solche erkennen können. Du sagst, sie tun es, weil ihnen der Zwang, andere nachzuahmen, das zu tun, was Ältere tun, irgendwie angeboren ist. Wer hat Recht? Oder verstehe ich deine Interpretation falsch?

Mit der Sprache geht es übrigens genauso. Wenn in einer Gruppe bestimmte sprachliche Symbole zur Verständigung verwendet werden, ist es das eigene Interesse, das Interesse der Heranwachsenden, diese Symbole zu erlernen und zu verwenden, einfach, weil sie sich sonst nicht verständigen können. Kann man übrigens ganz leicht auch heute noch bei Kleinkindern beobachten. Zuerst fangen sie einfach wahllos an zu brabbeln. Wenn dann die Eltern den Fehler machen, aus diesen an sich inhaltlosen Geräuschen bestimmte Informationen herauslesen zu wollen, vermeintlich, um den Kindern entgegenzukommen, lernen manche dieser Kinder nie richtig sprechen. Die Praxen von Sprachtherapeuten sind voll von solchen Fällen. Die Motivation, bestimmtes Verhalten zu kopieren, muß also offenbar ebenfalls erlernt werden.
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fwo
Caterpillar D9



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Beitrag(#2042580) Verfasst am: 02.02.2016, 22:27    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
....Nehmen wir eine Schimpansen-Gruppe, in der einzelne Schimpansen sich Stöckchen als Werkzeuge anfertigen, um damit in kleinen Löchern nach Eßbarem zu angeln (solche Gruppen kann man beobachten, nicht nur bei Affen, sondern zB auch bei Vögeln). Fest steht, sie lernen es von älteren Artgenossen. Offenbar hat es irgendwann ein besonders heller Affe ausgefunden, denn es gibt Gruppen in der gleichen Gegend, die das nicht kennen.

Nun die zwei Interpretationen: Ich sage, diese Affen schauen sich dieses Verhalten von älteren Artgenossen ab, weil sie auch an diese Leckereien wollen. Um das zu sehen, brauchen sie weder eine Sprache, noch eine besondere Einsichtsfähigkeit hinaus. Sie müssen nur eine Leckerei als eine solche erkennen können. Du sagst, sie tun es, weil ihnen der Zwang, andere nachzuahmen, das zu tun, was Ältere tun, irgendwie angeboren ist. Wer hat Recht? Oder verstehe ich deine Interpretation falsch?

Da sind verschiedene Sachen leicht daneben: Suddendorf (Der Unterschied. Was den Mensch zum Menschen macht) sagt, dass keine geregelte Übergabe solcher Fertigkeiten bei den Schimpansen existiert. Wikipedia zitiert dazu Peter Weber: Schimpansenkinder imitieren nicht, und sie bekommen keinen Unterricht. In gewisser Hinsicht bekommt ein Schimpanse von seiner Mutter nicht mehr geliefert als eine Vorstellung, was zu tun ist. Wie man das Werkzeug jedoch zweckmäßig handhabt, muss er selbst herausfinden. Der Gebrauch eines Werkzeugs bedeutet so für jede Schimpansengeneration einen Neubeginn.
Die wissen zwar, was ihnen schmeckt, aber das Abgucken scheint nicht so gut zu funktionieren. Es ist bei uns auch nicht nur ein Nachahmen, es ist gleichzeitig ein Vormachen durch die Älteren. Natürlich wird es auch belohnt. Evtl. direkt durch die Eltern aber spätestens mit dem Erfolg. Aber dieser Zusammenhang schein bei Schimpansen nicht ausreichend zu sein. Zu deiner vorherigen Argumentation ist in diesem Zusammenhang ja auch noch anzumerken, dass es keine sinnlosen Rituale sind, die hier tradiert werden, bzw. keine Rituale, die Ihren Sinn erst durch irgendwelche hochabstrakten religiöse Überbauten erhalten.

Was hier geschaffen werden, sind Waffen, Werkzeuge. Beides sind auch Statussymbole. Die Faszination, die davon ausgeht, ist auch bei genderverzogenen kleinen Jungs sofort zu sehen, bei Mädels weniger. Kirschmann (das ist unser user Edukir) zeigt übrigens auch, dass Jungs sowohl anatomisch als auch von der Koodination besser an die Tätigkeit des Werfens angepasst sind als Mädels - wir haben da wahrscheinlich eine sehr frühe Bindung an den Stein als Gerät.

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Mit der Sprache geht es übrigens genauso. Wenn in einer Gruppe bestimmte sprachliche Symbole zur Verständigung verwendet werden, ist es das eigene Interesse, das Interesse der Heranwachsenden, diese Symbole zu erlernen und zu verwenden, einfach, weil sie sich sonst nicht verständigen können. Kann man übrigens ganz leicht auch heute noch bei Kleinkindern beobachten. Zuerst fangen sie einfach wahllos an zu brabbeln. Wenn dann die Eltern den Fehler machen, aus diesen an sich inhaltlosen Geräuschen bestimmte Informationen herauslesen zu wollen, vermeintlich, um den Kindern entgegenzukommen, lernen manche dieser Kinder nie richtig sprechen. Die Praxen von Sprachtherapeuten sind voll von solchen Fällen. Die Motivation, bestimmtes Verhalten zu kopieren, muß also offenbar ebenfalls erlernt werden.

Was Du da beschreibst, ist, dass den Kindern das eigentliche Erfolgserlebnis vorenthalten wird, indem bereits Laute mit Erfolg belohnt werden, die eigentlich keine (interpretierbare) Nachricht darstellen. Kann ich mir gut vorstellen, dass das die Entwicklung verzögert, wenn die lieben Kleinen sich weniger anstrengen müssen. Ich glaube auch nicht, dass vielen Eltern klar ist, was es für ein Kunststück darstellt, aus Symbolen eine Welt zu zaubern. Das Kunststück sprachliche Kommunikation erfordert ja viel mehr als nur einen Symbolvorrat. ***

Das klappt übrigens alles nur so gut, weil es zwischen den Alten bereits so gut klappt. Und das Kind erfährt bereits im Mutterleib, dass Töne eine große Rolle spielen und sobald es auf der Welt ist, erfährt es, dass es auch außer dem angeborenen Geschrei noch andere Töne absondern sollte, wenn es dazugehören will. Und dieses Wollen ist angeboren und stammesgeschichtlich viel älter als das Menschsein.

P.s. *** OT in diesem Thread: Es wird ja immer wieder versucht herauszufinden, was denn den Unterschied machte, dass sapiens den neanderthaensis hat aussterben lassen (bis auf die paar eingekreuzten). Was man da findet, sind aber allenfalls die anatomischen Unterschiede, und die in der Bewaffnung. Es kann aber sein, dass sapiens als wesentliche Waffe nur einen etwas anderen grammatischen Ansatz in den Sprachanfängen hatte, die er mitbrachte und dass dieser andere Ansatz besser geeignet war, Kausalzusammenhänge abzubilden.
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Skeptiker
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Anmeldungsdatum: 14.01.2005
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Beitrag(#2042589) Verfasst am: 02.02.2016, 23:38    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... eine Sprache haben ja nun alle Kulturen. Das erklärt aber doch nicht deren Unterschiede und deren Wandel. Sprache übrigens schafft keine Kulturbrüche - etwa durch die Einführung neuer Begriffe - sondern vollzieht diese Brüche und Umwälzungen in den realen Verhältnissen und allem, was sich daraus dann an kulturellen Veränderungen ergibt, lediglich nach. Daraus ergeben sich dann neue Begriffe und alte verschwinden, aber die Sprache an sich bleibt ungefähr in ihrer Struktur gleich.

Sie dient im Grunde damit der Vermittlung des immer wieder neuen und weniger der Tradierung des alten.


Aha. Deshalb also bleiben Kulturen machmal über tausende von Jahren einfach nur stabil (Beispiele oben).


Und die vielen Gegenbeispiele vor allem auch! zwinkern

Kulturen sind beständig im Wandel. Und sind sie längere Zeit nach außen scheinbar gleich, so nur deshalb, weil auch deren Bedingungen ungefähr gleich geblieben sind, wie bei den Eskimos.

So lange der Schnee nicht schmilzt, kann die Iglu-Kultur mit allem drum und dran fortbestehen. Und solange der Permfrostboden im Sommer nicht taut, können die Sibirer ihre Häuser dort verankern und ihre Häuserbaukultur weiter fortpflanzen.

Aber die Welt und die Lebens- und Denkweisen der Menschen ändern sich in der Geschichte nicht zufällig. Da wäre eine noch so intensive Vermittlung des plötzlich Überholten einfach nur ziemlich blöd.

Und doch bleibt die Sprache Sprache. Tja.

fwo hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Kultur ist erst seit kurzen etwas, was wir über Operationen in der Sprache neu schaffen oder erweitern. Über ganz lange Zeiträume der Menschwerdung lief aber die Sprache bzw. ihre Vorstufen und damit das Denken hinter der Kultur her und nicht umgekehrt.


Das ist immer noch so und wird sich nie ändern.


Nein. Kultur als das gesammelte Wissen einer Gesellschaft wird heute wesentlich durch die Sprache bestimmt, weil wir in der Sprache denken, also jede Neuerung automatisch ihren Niederschlag in der Sprache findet. Und wenn Du speziell unsere Wissensproduktion ansiehst, das was wir normalerweise als Wissenschaft bezeichnen, dann kannst Du die auch so beschreiben, dass da Abteilungen der Gesellschaft damit beschäftigt sind, planvoll Fachsprachen zu erweitern. Wenn wir mal den Streit um die Evolution erstmal für die grundlegenden Tatsachen hintenanstellen, dann muss man heute von einer Co-Entwicklung von Sprachen zum Handlungsteil der Kultur sprechen. Da läuft kulturell nichts mehr hinterher.


So speziell Sprache auch sein mag, sie muss die Funktion erfüllen, nicht nur von Person A auf Person B und auf Personen 1, ..., z vermittelbar zu sein, sondern sie muss zuerst die Funktion haben, spezielle Teile der Welt auch wirklich abzubilden. Sprache hat kein sinnvolles Eigenleben außerhalb der Realität.

Aber vielleicht hast du ja mal ein konkrestes Beispiel.

Ein wichtiger Punkt, auf den ich hinweisen möchte ist aber folgender:

Sobald eine Spzialsprache entsteht - z.B. medizinische, mathematische Fachsprache oder Programmiersprache - ist sie kein Bestandteil einer bestimmten Kultur (mehr), sondern aufgrund ihrer Universalität Menschheitskultur, die sich von einer begrenzten Kultur unmittelbar gelöst hat.

fwo hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... die Diskussion war ja die, ob die kulturelle (Höher-)Entwicklung selber eine Evolution ist und wenn ja inwiefern genau unter Berücksichtigung der spezifischen Vielheiten der menschlichen Gesellschaft ...-.


Und da habe ich zumindest für den Anfang der Kultur oben nachgewiesen, dass das nicht anders gehen konnte, als evolutionär. Die Frage ist also weniger ob Evolution, sondern mehr, wieviel der Kultur heute unter anderen Bedingungen als am Anfang der Menschheit noch sinnvoll evolutionär beschrieben werden kann. Dass da einiges dabei ist, dazu haben sich die Geisteswissenschaften jetzt aber schon lange entschieden. Wichtig dabei ist nur, dass wir im Kopf behalten, dass wir von der Kultur reden und nicht von der Gesellschaft. Dein besonderer Freund Karlchen, den Du hier immer wieder einbringen möchtest, hatte die Gesellschaft im Blick, nicht die Kultur.


Ach, Kultur schwebt nicht im luftleeren Raum. So wie es keine Zimmer ohne Gebäude gibt, keine (sinnvolle) Sprache ohne Realität, so keine Kultur ohne eine Gesellschaft oder zumindest Gemeinschaft von Menschen. Kultur muss die Vielheit der Gesell-/Gemeinschaft abbilden durch die Art und Weise, wie Menschen denken, leben, sich verhalten und sprechen.

Es gibt seit kurzem ja den Studiengang "Kultur & Technik", wo auch kulturelle Wirkungen von Technik Thema ist. Natürlich ist der Lehrplan in gewisser Weise beschränkt wie so vieles an den Hochschulen, aber trotzdem gibt es Gründe, so etwas zu kombinieren.

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Die Frage war im übrigen nicht, was *die Kultur* - die ja aus einer primären Kultur (Produktiontechnologie, etc.) und einer sekundären Kultur (Denk- und Verhaltensweisen) besteht - mit biologischer Evolution zu tun hat. Sie hat ohne Zweifel damit etwas zu tun. Sondern die Diskussion war ja die, ob die kulturelle (Höher-)Entwicklung selber eine Evolution ist und wenn ja inwiefern genau unter Berücksichtigung der spezifischen Vielheiten der menschlichen Gesellschaft ...-.

Ich halte die Unterscheidung zwischen "primärer" und "sekundärer" Kultur bzw. zwischen Produktionstechnologie und Denk- und Verhaltensweisen für zweifelhaft. Produktionstechnologie ist nämlich auch nichts anderes als ein Begriff für eine bestimmte Art von Denk- und Verhaltensweisen.

Was du wahrscheinlich im Hinterkopf hast (neben Marx'schens Theorie von Basis und Überbau), ist zum Beispiel die am Beginn der Neuzeit aufkommende Schicht der Stadtbürger, deren wirtschaftsbürgerliche Geschäftstätigkeit nicht selten einher ging mit einer allgemein individuelleren Form von Weltsicht (um es mal sehr allgemein auszudrücken).


Wir waren ja zwischendurch bei den *Memen*, die Dawkins als die Gesamtheit der Ideen, Vorstellungen und Verhaltensweisen der *Memträger* bezeichnet. Wenn man sich daran orientiert, kann man *meme* als sekundäre Kulturelemente ansehen, deren Rahmenbedingungen durch die Entwicklung revolutionärer/neuer Technologien immer wieder auf den Kopf gestellt werden.

Siehe das Beispiel mit der *neolithischen Revolution*. Wer ernsthaft glaubt, dass sich damit die gleichen *Meme* durch Weitervermittlung fortgepflanzt haben, der schreibt diesen Kuluturelementen idealistischer Weise ein Eigenleben zu, unabhängig von der Welt.

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Aber eben nicht immer. Neues (im Sinne von neuen Denk- und Verhaltensweisen) entsteht nicht nur in einer bestimmten Schicht oder Gruppe. Bestimmte Denktraditionen folgen auch nicht immer der wirtschaftlich-technologische Entwicklung, und so kommt es immer wieder zur "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen". zwinkern


Ja, auch das gibt es. Smilie

Der Mensch ist zuweilen auch ein Traditionswesen, der Angst hat vor dem Wandel und der Weiterentwicklung der Welt. Und es gibt auch so etwas wie einen normalen time lag des kulturellen Nachvollziehens ...-
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2042598) Verfasst am: 02.02.2016, 23:52    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Suddendorf (Der Unterschied. Was den Mensch zum Menschen macht) sagt, dass keine geregelte Übergabe solcher Fertigkeiten bei den Schimpansen existiert. Wikipedia zitiert dazu Peter Weber: Schimpansenkinder imitieren nicht, und sie bekommen keinen Unterricht. In gewisser Hinsicht bekommt ein Schimpanse von seiner Mutter nicht mehr geliefert als eine Vorstellung, was zu tun ist. Wie man das Werkzeug jedoch zweckmäßig handhabt, muss er selbst herausfinden. Der Gebrauch eines Werkzeugs bedeutet so für jede Schimpansengeneration einen Neubeginn.

Die wissen zwar, was ihnen schmeckt, aber das Abgucken scheint nicht so gut zu funktionieren. Es ist bei uns auch nicht nur ein Nachahmen, es ist gleichzeitig ein Vormachen durch die Älteren. Natürlich wird es auch belohnt. Evtl. direkt durch die Eltern aber spätestens mit dem Erfolg. Aber dieser Zusammenhang schein bei Schimpansen nicht ausreichend zu sein.


Ja, ich denke, ich kann mir so langsam vorstellen, was du meinst. Ich bin zwar nicht sicher, ob Schimpansenkinder wirklich nicht imitieren, oder einfach nur weniger, gemessen an Menschenkindern, aber daß bei uns der Prozeß des Lernens eine weit größere Bedeutung hat, schon, weil Menschenkinder sehr viel mehr lernen müssen, um zu Stand der Vorgängergeneration aufzuschließen, leuchtet mir ein.

fwo hat folgendes geschrieben:

*** OT in diesem Thread: Es wird ja immer wieder versucht herauszufinden, was denn den Unterschied machte, dass sapiens den neanderthaensis hat aussterben lassen (bis auf die paar eingekreuzten). Was man da findet, sind aber allenfalls die anatomischen Unterschiede, und die in der Bewaffnung. Es kann aber sein, dass sapiens als wesentliche Waffe nur einen etwas anderen grammatischen Ansatz in den Sprachanfängen hatte, die er mitbrachte und dass dieser andere Ansatz besser geeignet war, Kausalzusammenhänge abzubilden.


Ich hörte vor kurzem die Theorie, die Neandertaler seien nicht ausgestorben, weil die Homo Sapiens sie „haben aussterben lassen“, sondern schlicht Opfer eines Vulkanausbruchs geworden, der dort, wo er gewirkt habe, beide Menschenarten gleichermaßen schwer getroffen habe. Nur weil die Neandertaler weit weniger verbreitet waren, auch wohl sehr viel weniger Köpfe zählten, und die Auswirkungen dieser Naturkatastrophe eine Großteil ihres Siedlungsgebietes betroffen hätte, sei ihre Zahl unter eine kritische Grenze gefallen, und sie langsam ausgestorben, während die Sapienze, verbreitet über den ganzen Kontinent, die Sache überlebt hätten. Den Vulkanausbruch in der fraglichen Zeit hat es gegeben, das Aussterben von Neandertaler und die Überleben der Homo Sapiens auch. Ob beides zusammenhängt, wird sich zeigen. Jedenfalls höre ich als Laie zunehmend, daß Fachleute zunehmend die Neandertaler zwar für anders, aber den Homo Sapiens nicht mehr für prinzipiell unterlegen halten, wenn man mal von ihrer geringeren Vermehrungsfreude absieht. zwinkern
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Beitrag(#2042601) Verfasst am: 03.02.2016, 00:10    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Suddendorf (Der Unterschied. Was den Mensch zum Menschen macht) sagt, dass keine geregelte Übergabe solcher Fertigkeiten bei den Schimpansen existiert. Wikipedia zitiert dazu Peter Weber: Schimpansenkinder imitieren nicht, und sie bekommen keinen Unterricht. In gewisser Hinsicht bekommt ein Schimpanse von seiner Mutter nicht mehr geliefert als eine Vorstellung, was zu tun ist. Wie man das Werkzeug jedoch zweckmäßig handhabt, muss er selbst herausfinden. Der Gebrauch eines Werkzeugs bedeutet so für jede Schimpansengeneration einen Neubeginn.

Die wissen zwar, was ihnen schmeckt, aber das Abgucken scheint nicht so gut zu funktionieren. Es ist bei uns auch nicht nur ein Nachahmen, es ist gleichzeitig ein Vormachen durch die Älteren. Natürlich wird es auch belohnt. Evtl. direkt durch die Eltern aber spätestens mit dem Erfolg. Aber dieser Zusammenhang schein bei Schimpansen nicht ausreichend zu sein.


Ja, ich denke, ich kann mir so langsam vorstellen, was du meinst. Ich bin zwar nicht sicher, ob Schimpansenkinder wirklich nicht imitieren, oder einfach nur weniger, gemessen an Menschenkindern, aber daß bei uns der Prozeß des Lernens eine weit größere Bedeutung hat, schon, weil Menschenkinder sehr viel mehr lernen müssen, um zu Stand der Vorgängergeneration aufzuschließen, leuchtet mir ein.


Tiere lernen im Prinzip ebenfalls durch Imitation. Und auch aktives Lehren durch Tiereltern (bei höher entwickelten Tierarten) findet durch das Spielen mit den Nachkommen statt, ansonsten durch Vorbild, wahrscheinlich bewusst.

Da kann man wohl keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Mensch und (höher entwickelten) Tieren machen.

Der Unterschied bezüglich Sprache ist natürlich der, dass es a) eine biologische Fähigkeit des Sprachverständnisses und Sprechens geben muss und dass es b) länger dauert, eine Sprache zu lernen. Dies geschieht aber nicht allein durch Imitation, sondern durch eigenständige (Aus-)Übung und Ausbildung eines Sprachgefühls.
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smallie
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Beitrag(#2042721) Verfasst am: 03.02.2016, 23:51    Titel: Antworten mit Zitat

Eine ausführliche Antwort an Marcellinus zu einem anderen Beitrag steht noch aus, die habe ich erst mal auf's Wochenende verschoben.

Das hier schnell dazwischen geschoben:

fwo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
....Nehmen wir eine Schimpansen-Gruppe, in der einzelne Schimpansen sich Stöckchen als Werkzeuge anfertigen, um damit in kleinen Löchern nach Eßbarem zu angeln (solche Gruppen kann man beobachten, nicht nur bei Affen, sondern zB auch bei Vögeln). Fest steht, sie lernen es von älteren Artgenossen. Offenbar hat es irgendwann ein besonders heller Affe ausgefunden, denn es gibt Gruppen in der gleichen Gegend, die das nicht kennen.

Nun die zwei Interpretationen: Ich sage, diese Affen schauen sich dieses Verhalten von älteren Artgenossen ab, weil sie auch an diese Leckereien wollen. Um das zu sehen, brauchen sie weder eine Sprache, noch eine besondere Einsichtsfähigkeit hinaus. Sie müssen nur eine Leckerei als eine solche erkennen können. Du sagst, sie tun es, weil ihnen der Zwang, andere nachzuahmen, das zu tun, was Ältere tun, irgendwie angeboren ist. Wer hat Recht? Oder verstehe ich deine Interpretation falsch?

Da sind verschiedene Sachen leicht daneben: Suddendorf (Der Unterschied. Was den Mensch zum Menschen macht) sagt, dass keine geregelte Übergabe solcher Fertigkeiten bei den Schimpansen existiert. Wikipedia zitiert dazu Peter Weber: Schimpansenkinder imitieren nicht, und sie bekommen keinen Unterricht. In gewisser Hinsicht bekommt ein Schimpanse von seiner Mutter nicht mehr geliefert als eine Vorstellung, was zu tun ist. Wie man das Werkzeug jedoch zweckmäßig handhabt, muss er selbst herausfinden. Der Gebrauch eines Werkzeugs bedeutet so für jede Schimpansengeneration einen Neubeginn.

Peter Weber kannte vermutlich Gua nicht.

Im "natürlichen" Gebrauch eines Werkzeuges sind Schimpansen den Menschen bis zu einem gewissen Alter überlegen. Danach kehrt sich die Situation um.

Aber der Reihe nach. Das relevante Beispiel stammt aus dem Jahre 1931/32.

Zitat:
Gua (chimpanzee)

Gua war eine Schimpansin, die von Luella und Winthrop Kellogg gemeinsam mit ihrem Sohn Donald großgezogen wurde, als sei sie ein menschliches Kind. [...]

Gua kam im Alter von 7 1/2 Monaten zu den Kelloggs, deren Sohn damals 10 Monate alt war. Neun Monate lang wurden sie wie "Bruder und Schwester" erzogen; ihre Entwicklung wurde umfassend aufgezeichnet. Im Alter von einem Jahr war Gua Donald in vielem voraus, zum Beispiel darin, Anweisungen zu befolgen oder aus einer Tasse zu löffeln. [...] Gua erkannte Mensch an deren Kleidung und Geruch, Donald anhand deren Gesichtern.

Der entscheidende Unterschied kam mit der Sprache. Donald war 16 Monate alt und Gua etwas über ein Jahr, als ihre sprachlichen Fähigkeiten getestet wurden. Donald konnte bereits wörter formen, Gua nicht. Die Kellogs beendeten nach neuen Monaten das Experiment, weil Donald begann, die Laute von Gua nachzuahmen.



Original:

Gua was a chimpanzee raised as though she were a human child by scientists Luella and Winthrop Kellogg alongside their infant son Donald. Gua was the first chimpanzee to be used in a cross-rearing study in the US.

[...]

Gua was brought into the Kellogg home at the age of 7 1/2 months, and reared with their son Donald, who was 10 months old at the time. For nine months the Kelloggs raised the two as "brother and sister", and comprehensively recorded the development of the chimpanzee and the human child. When around one year old, Gua often tested ahead of Donald in such tasks as responding to simple commands or using a cup and spoon.[1] Slight differences in their placement included people recognition. Gua recognized people from their clothes and their smell while Donald recognized them by their faces.

The parting difference came with language. Donald was about 16 months and Gua was a little over a year old when they had language testing. Gua could not speak, but Donald could form words. On March 28, 1932, nine months into it, the Kelloggs officially ended the experiment as Donald began to copy Gua's sounds. Gua was returned to the primate center with Robert Yerkes in Florida, where she did experimental work with Yerkes' wife Ada. The Kelloggs returned to Indiana.

https://en.wikipedia.org/wiki/Gua_(chimpanzee)










Hier ein kurzes Youtube-Video.

Zwei Szenen finde ich besonders verblüffend. Sowohl Gua wie Donald können die Frage, wo ihre Nase ist, gestisch beantworten. Und: Gua kann, obwohl sie jünger ist, besser mit einem Löffel umgehen und besser aus einem Glas trinken, als Donald.
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Beitrag(#2042725) Verfasst am: 04.02.2016, 00:32    Titel: Antworten mit Zitat

Hier fand ich einen kleinen Artikel zum Thema:

Wölfe lernen auch von Menschen

Faszinierend ...-!
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Klaus-Peter
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Beitrag(#2042740) Verfasst am: 04.02.2016, 01:28    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Hier fand ich einen kleinen Artikel zum Thema:

Wölfe lernen auch von Menschen

Faszinierend ...-!

Dass Wölfe oder Eichhörnchen oder Affen lernen können, setze ich trivialerweise als bekannt voraus.

In Bezug auf die Mem-Idee: Ich denke, es ist korrekt, auch das was ein Wolf, Affe, Eichhörnchen, ... lernen kann, als "Mem" zu bezeichnen. Die entscheidende Frage ist dann: Was ist der Unterschied zu menschlichen Memen. Oder : Was benötigt man an zusätzlichen Eigenschaften (des Gehirns) um die Voraussetzung zu schaffen, dass Meme evolvieren können?

Ich postuliere: Die Fähigkeit, Meme hierarchisch strukturieren zu können, also nicht nur Verhaltensweisen, sondern auch Meme imitieren zu können.
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fwo
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Beitrag(#2042749) Verfasst am: 04.02.2016, 03:11    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
....
fwo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
....Nehmen wir eine Schimpansen-Gruppe, in der einzelne Schimpansen sich Stöckchen als Werkzeuge anfertigen, um damit in kleinen Löchern nach Eßbarem zu angeln (solche Gruppen kann man beobachten, nicht nur bei Affen, sondern zB auch bei Vögeln). Fest steht, sie lernen es von älteren Artgenossen. Offenbar hat es irgendwann ein besonders heller Affe ausgefunden, denn es gibt Gruppen in der gleichen Gegend, die das nicht kennen.

Nun die zwei Interpretationen: Ich sage, diese Affen schauen sich dieses Verhalten von älteren Artgenossen ab, weil sie auch an diese Leckereien wollen. Um das zu sehen, brauchen sie weder eine Sprache, noch eine besondere Einsichtsfähigkeit hinaus. Sie müssen nur eine Leckerei als eine solche erkennen können. Du sagst, sie tun es, weil ihnen der Zwang, andere nachzuahmen, das zu tun, was Ältere tun, irgendwie angeboren ist. Wer hat Recht? Oder verstehe ich deine Interpretation falsch?

Da sind verschiedene Sachen leicht daneben: Suddendorf (Der Unterschied. Was den Mensch zum Menschen macht) sagt, dass keine geregelte Übergabe solcher Fertigkeiten bei den Schimpansen existiert. Wikipedia zitiert dazu Peter Weber: Schimpansenkinder imitieren nicht, und sie bekommen keinen Unterricht. In gewisser Hinsicht bekommt ein Schimpanse von seiner Mutter nicht mehr geliefert als eine Vorstellung, was zu tun ist. Wie man das Werkzeug jedoch zweckmäßig handhabt, muss er selbst herausfinden. Der Gebrauch eines Werkzeugs bedeutet so für jede Schimpansengeneration einen Neubeginn.

Peter Weber kannte vermutlich Gua nicht.

Im "natürlichen" Gebrauch eines Werkzeuges sind Schimpansen den Menschen bis zu einem gewissen Alter überlegen. Danach kehrt sich die Situation um.

....

Ich habe mir die Filme auch angesehen. Wenn da nicht noch etwas ganz anderes kommt, ist da kein Widerspruch zu Weber. Die Kelloggs haben Gua in die eigene Familie aufgenommen und großen Wert darauf gelegt, sie genauso zu behandeln wie ihr eigenes Kind. Das heißt, sie bekam ein Training, das kein freier Schimpanse je erlebt, und zeigt daher Eigenschaften, die kein wilder Schimpanse zeigt. Dass Schimpansen auch Symbolverarbeitung können, wenn man sie trainiert, wissen wir seit Washoe. Was aber selbst bei so hochtrainierten Schimpansen wie Washoe, die selbst Fragen beantworten können, nie beobachtet werden konnte, ist, dass sie selbst Fragen stellen. Das bedeutet, dass Probleme nur selbst gelöst werden, Lösungen werden nicht von außen erwartet. Das deckt sich auch damit, dass Schimpansen nicht auf den Gegenstand ihres Interesses zeigen.

Dass die motorische Geschicklichkeit und damit auch Lernfähigkeit bei einem kleinen Schimpansen größer ist als bei einem gleichalten Menschenjungen, ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wenn man sich die frühkindliche körperliche Entwicklung bei beiden Arten ansieht: Ein neugeborener Mensch ist von seiner Entwicklung eigentlich noch fötal und wird nur rausgeworfen, weil er später nicht mehr durch den Geburtskanal passen würde. Junge Schimpansen halten sich vom ersten Tag an im Fell der Mutter fest, die Kontrolle der Muskulatur wird hier sofort gefordert. Ab 6 Monate etwa reiten sie auf der Mutter und tragen sich damit im Prinzip selbst. Sie sind also von Beginn an körperlich erheblich selbständiger als Menschen. Das gezeigte Verhalten, das Trinken aus einem Becher enthielt durch das Getränk seine Belohnung gleich selbst. Es ist also eigentlich nur eine wohlkoordinierte Bewegung mit einem gereichten Gegenstand und von da her mit einer selbständigen Werkzeugbenutzung oder gar Werkzeugherstellung nicht vergleichbar.
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Zuletzt bearbeitet von fwo am 04.02.2016, 08:56, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag(#2042751) Verfasst am: 04.02.2016, 03:44    Titel: Antworten mit Zitat

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Hier fand ich einen kleinen Artikel zum Thema:

Wölfe lernen auch von Menschen

Faszinierend ...-!

Dass Wölfe oder Eichhörnchen oder Affen lernen können, setze ich trivialerweise als bekannt voraus.

In Bezug auf die Mem-Idee: Ich denke, es ist korrekt, auch das was ein Wolf, Affe, Eichhörnchen, ... lernen kann, als "Mem" zu bezeichnen. Die entscheidende Frage ist dann: Was ist der Unterschied zu menschlichen Memen. Oder : Was benötigt man an zusätzlichen Eigenschaften (des Gehirns) um die Voraussetzung zu schaffen, dass Meme evolvieren können?

Ich postuliere: Die Fähigkeit, Meme hierarchisch strukturieren zu können, also nicht nur Verhaltensweisen, sondern auch Meme imitieren zu können.

Nö. Dadurch, dass Bello Männchen macht, weil er oft genug mit Zuwendung belohnt wurde, dass er "weiß", dass er diese Zuwendung kriegt, wenn er Männchen macht, wird Männchenmachen nicht zum Mem. Zum Mem würde es, wenn Bello es dann Waldi beibrächte.
Wikipedia hat folgendes geschrieben:
Ein Mem (Neutrum; Plural: Meme) bezeichnet nach der Memtheorie einen einzelnen Bewusstseinsinhalt (zum Beispiel einen Gedanken), der durch Kommunikation weitergegeben und damit vervielfältigt werden kann.

Das Wesentliche am Mem ist, dass es durch Kommunikation zum Bestandteil einer Tradition wird. Wir reden immer noch über Kultur:
Wikipedia hat folgendes geschrieben:
Gleichwohl ist es möglich, dass ein Tier von den Eltern durch Prägung oder Imitationslernen erworbene Eigenschaften an die eigenen Nachkommen weitergibt. „Die Übertragung von Informationen von einer Generation zur nächsten auf nichtgenetischem Wege wird im Allgemeinen als kulturelle Tradition bezeichnet.“ In der Biologie werden solche kulturellen Traditionen allerdings häufig verkürzt als Kultur bezeichnet.

Und wesentlich für die Kultur des Menschen ist, dass sie nicht an bestimmte Funktionskreise gebunden und schon dadurch kumulativ ist.
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Zuletzt bearbeitet von fwo am 04.02.2016, 09:01, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Beitrag(#2042752) Verfasst am: 04.02.2016, 04:28    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
....
Ich hörte vor kurzem die Theorie, die Neandertaler seien nicht ausgestorben, weil die Homo Sapiens sie „haben aussterben lassen“, sondern schlicht Opfer eines Vulkanausbruchs geworden, der dort, wo er gewirkt habe, beide Menschenarten gleichermaßen schwer getroffen habe. Nur weil die Neandertaler weit weniger verbreitet waren, auch wohl sehr viel weniger Köpfe zählten, und die Auswirkungen dieser Naturkatastrophe eine Großteil ihres Siedlungsgebietes betroffen hätte, sei ihre Zahl unter eine kritische Grenze gefallen, und sie langsam ausgestorben, während die Sapienze, verbreitet über den ganzen Kontinent, die Sache überlebt hätten. Den Vulkanausbruch in der fraglichen Zeit hat es gegeben, das Aussterben von Neandertaler und die Überleben der Homo Sapiens auch. Ob beides zusammenhängt, wird sich zeigen. Jedenfalls höre ich als Laie zunehmend, daß Fachleute zunehmend die Neandertaler zwar für anders, aber den Homo Sapiens nicht mehr für prinzipiell unterlegen halten, wenn man mal von ihrer geringeren Vermehrungsfreude absieht. zwinkern

Es war nicht nur die Vermehrungsfreude, bei der man wohl auch sehen muss, dass die bei allen Arten wesentlich durch die Menge zur Verfügung stehenden Nahrung bestimmt wird. Das bedeutet für mich, dass der Neandertaler als Jäger nicht so erfolgreich war, dass er sich eine große Nachkommenschaft leisten konnte. Der Cro-Magnon, der ihn ersetzt oder verdrängt hat, war von Beginn an zahlreicher, was man nur ganz schwer anders interpretieren kann, als dass er auch erfolgreicher im Nahrungheranschaffen war.

Außerdem kamen mit ihm auch andere Werkzeuge/Waffen, er brachte also plötzlich Bewegung in die bis dahin sehr langsame Entwicklung. Ich habe dazu noch einen Text von Tattersal vom 1.4.2002 im Spektrum gefunden. Titel: Evolution des Geistes: Wie der Mensch das Denken lernte. Der Artikel ist ein leicht gekürzter Auszug aus dem Buch "The Monkey in the Mirror"

Darin heißt es dazu:
Zitat:

Zweifellos kann ein Lebewesen mit intuitivem Schlussfolgern alleine schon viel erreichen. Das beweisen, wie mir scheint, die Neandertaler. In ihrem reichhaltigen archäologischen Vermächtnis finden sich zwar nur äußerst magere Hinweise auf abstrakte Fähigkeiten; Symbole hatten offensichtlich keinen großen Stellenwert in ihrem Dasein. Dennoch erscheinen ihre Leistungen höchst beachtlich. Soweit sich das beurteilen lässt, beherrschten sie die Natur besser als alle ihre Vorgänger in der Menschheitsgeschichte. Neidlos muss man ihnen zugestehen, mit ihren rein intuitiven Fähigkeiten die komplexeste Lebensweise erreicht zu haben, die auf dieser Basis überhaupt möglich sein dürfte.

Das wirft unweigerlich die Frage auf, deren Antwort jeder gerne wüsste: Konnten die Neandertaler sprechen? Viele von uns wollen – vor allem angesichts der ausgefeilten Steinwerkzeuge, welche die Neandertaler mit so viel Geschick herstellten – kaum glauben, dass sie nicht über Sprache verfügten. Wie hätten solche bemerkenswerten Fertigkeiten von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden sollen, wenn nicht durch sprachliche Vermittlung?

Vor gar nicht langer Zeit hat ein japanisches Forscherteam einen ersten Versuch unternommen, diese Frage zu beantworten. Es teilte eine Anzahl von Studenten in zwei Gruppen auf. Der einen brachten Archäologen anhand ausführlicher verbaler Erläuterungen in Verbindung mit praktischen Demonstrationen bei, wie man ein typisches Ne-andertaler-Steinwerkzeug anfertigt. Der anderen Gruppe wurde die Technik nur wortlos vorgeführt. Eines machte das Experiment auf eklatante Weise deutlich: Wie schwer es überhaupt ist, Steinwerkzeuge herzustellen; einige Versuchsteilnehmer lernten es nie. Noch bemerkenswerter aber war, dass im Ergebnis zwischen beiden Gruppen praktisch kein Unterschied bestand – weder in der Geschwindigkeit, mit der die Studenten die sie gelehrte Fertigkeit erwarben, noch im Geschick, das sie am Ende zeigten. Offenbar reicht zur Weitergabe auch anspruchsvoller Herstellungstechniken für Steinwerkzeuge stummes Vorführen völlig aus.

Obwohl an diesem Experiment natürlich heutige Menschen und keine Neandertaler teilnahmen, zeigt das Ergebnis doch einmal mehr überdeutlich, welch ein fundamentaler Irrtum es ist, davon auszugehen, dass unsere Art der Kommunikation die einzig effektive sei. Das soll natürlich nicht heißen, dass die Neandertaler keine Form der lautlichen Verständigung hatten; vielleicht war sie sogar recht differenziert. Das Kommunizieren mit Lautäußerungen ist unter den Wirbeltieren schließlich gang und gäbe. Es kann kaum Zweifel daran geben, dass die Neandertaler in einem allgemeinen Sinn gesprochen haben. Was sie jedoch fast mit Sicherheit nicht kannten, war Sprache in der uns heute vertrauten Form.

Der Cro-Magnon hatte nicht nur neue Werkzeuge, er ist auch der erste mit figürlichen Darstellungen. Insofern fängt der moderne Mensch erst mit ihm so richtig an - vor ca 40.000 Jahren. Das Experiment mit dem Lehren des Steinekloppens aus Japan ist an anderer Stelle übrigens mit anderem Ergebnis wiederholt worden. Die fanden raus, dass es mit Sprache schneller geht und weniger Ausschuss dabei produziert wird. Von Tattersalls Gedanken zum Thema Exaptation im Sinne einer Präadaptation halte ich nicht viel. Es ist zwar richtig, dass eine zufällige Mutation in der Anatomie, die unschädlich ist, beibehalten bleibt, aber sie breitet sich in der Population nur aus, wenn sie besser ist als nur unschädlich. Vor Allem würde sie nicht verstärkt, wenn sie keinen Nutzen hätte. Das stetig zunehmende Gehirn in der Gattung Homo bzw. ihren Vorläufern durch Präadaptationt zu "erklären" ist also Unsinn. Das Gehirn muss bereits sehr spezifisch genutzt worden sein, sonst wäre nicht in seine Richtung selektiert worden. An der Stelle ist Kirschmanns Werfertheorie unbedingt vorzuziehen.

Wenn man grundsätzlich davon ausgeht, dass sich in der Evolution normalerweise zuerst das Verhalten ändert, statt der Anatomie, kann man sich die Exaptation als Konzept eigentlich komplett sparen, weil es eigentlich ein Selbstgänger ist, dass jede Selektion auf den Organismus wirkt, der gerade vorliegt. Dass es dabei zu Umwidmungen vorhandener Organe kommen kann, bedarf keiner besonderen Begründung.
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Marcellinus
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Beitrag(#2042785) Verfasst am: 04.02.2016, 12:37    Titel: Antworten mit Zitat

Ich möchte vorausschicken (soweit da überhaupt Zweifel bestanden), daß ich Laie bin auf diesem Gebiet, und mein Wissen wesentlich aus TV-Dokumentationen beziehe (arte, ZDFinfo und vergleichbare). Aber man macht sich ja so seine Gedanken, und verfolgt über die Jahre die sich verändernde Darstellung, von der zumindest behauptet wird, sie beruhe auf Fakten.

Es ist wohl unbestritten, daß die Zahl der Neandertaler niedriger war als die des Homo Sapiens, sowohl was die Größe ihrer Gruppen betraf als auch ihr Verbreitungsgebiet. Weniger klar ist der Stand ihrer Kultur. Das liegt vor allem an der an sich schon geringeren Zahl von Artefakten. Also füllt man sein Nichtwissen mit Vermutungen (um das Wort Fantasien nicht zu verwenden). Da die Kulturfähigkeit des Homo Sapiens nicht hinterfragt wird, war es bisher klar, daß die Neandertaler unterlegen gewesen sein mußten. Je mehr nur Fakten auch über die Neandertaler zutage gefördert werden, beginnt sich dieses Bild nach meiner Beobachtung zu verschieben. So fand ich die Entdeckung ziemlich interessant, daß die Neandertaler zur Befestigung von Steinklingen an ihren Speeren einen Art Kunststoff verwendeten, den sie in einem ziemlich komplizierten Verfahren gewonnen haben müssen (also nicht einfach Erdpech oder so ähnlich).

Nachdem die genetische Vermischung zwischen Neandertalern und Neuzeitmenschen mittlerweile unbestritten ist, was bei der damaligen Lebensweise beider Arten in Kleingruppen nicht nur gegenseitige Attraktivität, sondern auch kulturelle Verträglichkeit voraussetzte, können die Neandertaler nicht als wesentlich unterlegen wahrgenommen worden sein. Ich unterstelle, daß sie zB in der Lage waren, die Sprache des jeweils anderen zu erlernen, ohne das natürlich belegen zu können.

Bleibt die Frage nach dem Aussterben, und dabei die nach der geringeren Zahl. Du (und andere) erklärst das mit ihrem geringeren Jagderfolg, der zu geringeren Gruppengrößen und damit zu einer geringeren Zahl geführt habe. Ich habe eine andere Theorie (man sollte es besser Hypothese nennen, weil ihre Fundierung durch Fakten eher begrenzt ist): Ich sehe die geringere Gruppengröße wie die geringere Verbreitung der Neandertaler eher als eine soziale Tatsache (nenne es Kultur, wenn du willst).

Darauf gekommen bin ich, als ich mich mit der Verbreitung der Polynesier beschäftigt habe. Wie geschickte Seefahrer sie auch immer waren, die ersten von ihnen fuhren ins Nichts, mit nichts als einer Hoffnung auf Land und ein besseres Leben. Und es müssen die meisten dieser Expeditionen tödlich geendet sein, auf dem unendlich erscheinenden Meer verhungert und verdurstet, ohne je Land zu erreichen. Seitdem werde ich den Gedanken nicht los, daß, wenn es etwas ist, was die Neuzeitmenschen kennzeichnet und von anderen Menschenarten unterscheidet, ist es dies: die Bereitschaft alles, was sie haben, zu riskieren für eine Fantasievorstellung.

Die Geschichte ist voll von Beispielen für diese Risikobereitschaft, die Bereitschaft, das eigene Leben wie das seiner Gruppe zu riskieren für eine bloße Hoffnung, anderswo sei es besser. Wir sind geneigt, bei solchen Wanderungsbewegungen zu unterstellen, sie seien aus Not heraus erfolgt. Aber was, wenn das nicht stimmt, wenn es nur unsere gemeinsame Intuition ist, die uns das annehmen läßt? Was, wenn es eine uns eigene innere Rastlosigkeit ist, die uns antreibt, die vor allem dann auftritt, wenn es uns materiell eigentlich nicht schlecht geht?

Es gibt historische Beispiele dafür: Die Zeit der Bauernkriege war keine Zeit besonderer Verelendung (da waren andere Zeiten viel schlimmer), vielmehr eine Zeit des Niedergangs des Adels und des Aufstiegs der Städte und einer wachsenden Schicht wohlhabender Bauern, die sich mit der Vorherrschaft des Adels nicht mehr abfinden wollten („Als Adam grub und Eva spann, wer war denn da der Edelmann?“) Aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg haben wir sogar noch mehr Belege für eine weitverbreitete Stimmung der Langeweile und des Verdrusses, trotz oder gerade wegen einer langen Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs in Europa. Wir haben sogar ein Sprichwort dafür: „Nichts ist schlechter zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen.“

Was also, wenn die wesentliche Unterschied zwischen Neandertalern und Neuzeitmenschen die höhere Fantasieorientierung der letzteren gewesen wäre (und bis heute ist), und damit verbunden einer höheren Risikobereitschaft. Sie lebten in der gleichen Welt, aber vielleicht (ziemlich sicher sogar) nahmen sie sie unterschiedlich war. Risikobereitschaft ist immer verbunden damit, Vorstellungen von dem, was sein könnte, für attraktiver zu halten als das, was ist. Wir sind geneigt, bei uns und anderen das für das Ergebnis einer realistischen Abschätzung von Chancen und Risiken zu halten, und jeden, der nicht so risikobereit ist (auch unter uns Menschen gibt es da ja Unterschiede), für einen lahmarschigen Schlappschwanz. Wir halten es für ganz normal, wenn Leute nur aus dem Grunde unter Lebensgefahr auf vereiste Berge steigen, nur um irgendwann oben zu sein, und haben offenbar kein Problem damit, das Leben vieler zu riskieren, um einzelne Verunglückte aus ihre selbstverursachten Misere zu befreien.

All diese Menschen werden von Fantasievorstellungen getrieben, die ihnen realer erscheinen als die Welt, in der sie leben. Wir sagen (bewundernd) dazu: Sie folgen ihrem Traum. Was, wenn das der wesentliche Unterschied zwischen den Neandertalern und Neuzeitmenschen gewesen wäre, die größere Traumorientierung der letzteren (egal ob genetisch bedingt oder sozial tradiert oder eine Mischung aus beidem)? Es würde übrigens auch aufs Beste den reichhaltigeren Gebrauch von metaphysischen Symbolen bei Neuzeitmenschen bzw. deren Fehlen bei Neandertalern erklären. Es ist doch schon mehrwürdig, daß wir Religion für ein Kulturmerkmal halten, und deren Fehlen für einen Mangel, ein Vorurteil, das seltsamerweise offenbar auch von sonst Nichtgläubigen unhinterfragt übernommen wird.

Weil für sie die Hoffnungen immer etwas größer erschienen als die Risiken, machte es sie risikobereiter, und in der Welt, in der sie lebten, waren sie damit erst einmal erfolgreicher. So haben sie in kürzester Zeit jede ökologische Nische besetzt, die sich ihnen bot. Welche Art allerdings auf lange Sicht als die erfolgreichere bezeichnet werden kann, scheint mir noch nicht ausgemacht. Immerhin haben die Neandertaler vermutlich an die 200.000 Jahre oder länger existiert. Gerade unsere Traumorientierung, Risikobereitschaft und Vermehrungsfreude läßt es gegenwärtig eher unwahrscheinlich erscheinen, daß es uns auch nur ähnlich lange geben wird.

P.S.: Um einem Mißverständnis vorzubeugen. Ich halte die Neandertaler nicht für fantasielos, eher etwas nüchterner, etwas weniger fantasieorientiert. Es ist, wie in vielen Fällen, auch hier keine Sache von entweder-oder, sondern von mehr-oder-weniger.
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Beitrag(#2042790) Verfasst am: 04.02.2016, 13:32    Titel: Antworten mit Zitat

@Marcellinus
Bei diesem Thema sind wir hier übrigens alle Amateure, wenn auch mit unterschiedlicher Vorbildung und Blickrichtung. Amateure müssen aber nicht notwendigerweise schlecht sein.

Was Du da beschreibst, sind Utopien im eigentlichen Wortsinn, die evtl der eine hatte und der andere nicht. Das ist aber nur die Kehrseite der Annahme von Tattersall, dass die Neandertaler noch keine Sprache in unserem Sinn hatten, Cro_magnon, aber mit Sicherheit. Oder wo ich (s.o.) geschrieben habe, dass der objektive Unterschied nicht sehr groß zu sein braucht, und z.B. in einer leistungsfähigen Grammatik bestehen kann.

Bei den Leuten, die Bilder gemalt haben, gibt es wohl keinen, der nicht davon ausgeht, dass sie Geschichten dazu gesponnen haben. Genau das ist übrigens das Thema des Artikels "Die Urahnen der großen Myten" aus dem Spektrum 12/2015. Der Kopftext dazu lautet:
Zitat:
Anthropologen und Ethnologen analysieren Märchen, Mythen und Sagen, um Entwicklungslinien aufzudecken. Mit den Algirithmen von Genetikern verfolgen sie die Evolution der "Mythenfamilien" bis in vorgeschichtliche Zeit - und rekonstruieren deren Urformen.

Für die Leut, die friseusisch können (gehöre ich nicht dazu) gibt es auch das Original frei lesbar.

Der Kunststoff, auf den Du dich beziehst, ist übrigens Birkenpech und das Verfahren ist nicht so kompliziert. Falls Du einen Steinzeitpark irgendwo in der Nähe hast, in dem mit experimenteller Archäologie gespielt wird, dann kannst Du evtl. Vorführungen im Veranstaltungskalender finden, in denen diese Technik vermittelt wird.

Die genetischen Einsprengsel des Neandertalers müssen nicht unbedingt auf normalen Beziehungen beruhen, da kann durchaus auch Kinder- oder Frauenraub im Spiel gewesen sein, oder, wenn Dir die Vorstellung lieber ist, die Aufnahme von Waisen - wie immer die diesen Status erhalten haben.

Im Endeffekt wird es mehr als ein Faktor gewesen sein, der die Neandertaler verschwinden ließ - auf den Vulkanausbruch hast Du selbst hingewiesen.
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Beitrag(#2042804) Verfasst am: 04.02.2016, 16:37    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
.

All diese Menschen werden von Fantasievorstellungen getrieben, die ihnen realer erscheinen als die Welt, in der sie leben. Wir sagen (bewundernd) dazu: Sie folgen ihrem Traum. Was, wenn das der wesentliche Unterschied zwischen den Neandertalern und Neuzeitmenschen gewesen wäre, die größere Traumorientierung der letzteren (egal ob genetisch bedingt oder sozial tradiert oder eine Mischung aus beidem)?

Ich halte das für eine faszinierende und inspirierende Hypothese, ganz unabhängig davon, ob sie wahr ist oder nicht.
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Beitrag(#2042818) Verfasst am: 04.02.2016, 19:59    Titel: Antworten mit Zitat

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
.

All diese Menschen werden von Fantasievorstellungen getrieben, die ihnen realer erscheinen als die Welt, in der sie leben. Wir sagen (bewundernd) dazu: Sie folgen ihrem Traum. Was, wenn das der wesentliche Unterschied zwischen den Neandertalern und Neuzeitmenschen gewesen wäre, die größere Traumorientierung der letzteren (egal ob genetisch bedingt oder sozial tradiert oder eine Mischung aus beidem)?

Ich halte das für eine faszinierende und inspirierende Hypothese, ganz unabhängig davon, ob sie wahr ist oder nicht.

Mehr sollte es nicht sein. zwinkern
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3726

Beitrag(#2043088) Verfasst am: 07.02.2016, 15:46    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:

Um die Kurve zurück zum Sozialen zu kriegen. Aus der Warte des einzelnen Gens, ist ein Individuum eine soziale Veranstaltung. Unterschiedliche Gene müssen "kooperieren", um den Fortpflanzungserfolg des Trägers zu garantieren.

Dabei organisieren sich die Träger in immer komplexeren Systemen. Gene in Einzellern. Einzeller zu Vielzeller. Vielzeller in Kolonien, Herden oder Stämmen - so weit die Individuen "sozial" leben.


Worum es mir hier geht, ist die Tatsache, daß auf jeder dieser, ich nenne es mal Integrationsebenen die Bestandteile, die ein neues, komplexeres System bilden, weitgehend ihre ehemals vorhandene Selbständigkeit verlieren, und dafür Eigenschaften entwickeln, die sich nicht auf die Eigenschaften ihre ehemals selbständigen Bestandteile reduzieren lassen.

<schnipp>

Nur, um die Kurve zurück zur Biologie zu bekommen, die „komplexen Systeme“ der Menschenwelt, das, was ich Figurationen genannt habe, um auf keinen der vorgeprägten Begriffe wie Staat oder Gesellschaft zurückgreifen zu müssen, haben eben andere Eigenschaften als die komplexen System der nichtmenschlichen Natur. Und weil sie andere Eigenschaften haben, braucht es auch andere Begriffe und Modelle, um ihre Entwicklung zu beschreiben. Aber neben diesen Unterschieden gibt es sicher auch Gemeinsamkeiten. Menschen sind eben auch Teil der biologischen Natur, und teilen daher mit ihr Eigenschaften.

Aber das Problem (wenn es denn eines ist) hat die Biologie ja auch gegenüber der Physik. Auf jeder der Integrationsebenen unseres Universums sind mit zunehmend komplexeren Systemen neue Eigenschaften entstanden, die sich nicht aus den Eigenschaften ihrer Bestandteile erklären lassen und es notwendig machen, sie in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen mit unterschiedlichen Methoden, Modelle und Theorien zu beschreiben. Unterschiedlich, aber nicht absolut getrennt, denn auch die Welt, die wir miteinander bilden, ist es nicht.

In der Tat. Das würde ich nie bestreiten.

Und doch scheint mir, daß einige Strukturen in unterschiedlichen Emergenzebenen auftreten. Zwei Beispiele.



WELLEN

Eine Oboe klingt anders als eine Gitarre, beide klingen anders als ein Syntheziser. Einmal entsteht der Klang durch schwingende Luftsäulen, dann durch schwingende Saiten, dann durch elektrische Schwingkreise. Im Fall des Synthezisers sind die physikalischen Mechanismen ganz anders. Trotzdem lassen sich alle Fälle mathematisch-abstrakt durch die Wellengleichung beschreiben. Das Prinzip reicht weit über Akustik hinaus. Temperaturausbreitung in einem Stab fällt zum Beispiel auch darunter.

Sogar in der Biologie kommen Wellen vor. R. A. Fisher schrieb 1937 eine kleine Arbeit, in der er die Ausbreitung von Genen mit einer Wellengleichung modelliert. Fisher - The Wave of Advantagous Genes (1937). Fisher sagt übrigens ausdrücklich, er habe sein Ergebnis nicht praktisch überprüft - was zwingend nötig ist, um nicht zurecht dein Popper-Zitat von oben vorgeworfen zu bekommen.

Etwa sechzig Jahre später nutzen Boyd, Richerson und Bettinger das, um gegen eine Standardthese zu argumentieren, wie Landwirtschaft entstanden sei. Sie behaupten, die These könne nicht stimmen, weil der Zeitrahmen nicht passt.

smallie hat folgendes geschrieben:
Warum ist Landwirtschaft nicht schon früher entwickelt worden? Die Autoren greifen insbesondere diese These an: Landwirtschaft sei durch steigenden Bevölkerungsdruck "erzwungen" worden.

[...]

Zitat:
Population Growth Has Wrong Time Scale.

Cohen’s (1977) influential book argued that slowly accumulating global-scale population pressure was responsible for the eventual origins of agriculture beginning at the 11,600 B.P. time horizon. He imagines, quite plausibly, that subsistence innovation is driven by increases in population density, but, implausibly we believe, that a long, slow buildup of population gradually drove people to intensify subsistence systems to relieve shortages caused by population growth, eventually triggering a move to domesticates.


Was ist eine Welle ganz abstrakt betrachtet?

Eine Welle entsteht, wenn Partikel auf Nachbarpartikel einwirken und zum Beispiel Drücke, Temperatur weitergeben. Die Loala-Wellen in Fußballstadien zeigen recht deutlich, daß Wellen unabhängig von einer physikalischen Emergenzebene sind, unabhängig von dem "Substrat" in dem sie laufen.





DAS SOZIALE

Oben sagte ich, für die Gene sei das Individuum - gemeint war die Zelle - eine soziale Veranstaltung.

Bei Einzellern finden sich auch soziale Varianten. Zum Beispiel Dictyostelium discoideum. Die leben einzelgängerisch in ihrer Kolonie, bis sich Nahrungsknappheit einstellt. Dann aber organisierien sie sich gemeinschaftlich. Die Kolonie bildet einen Stängel, an dessen Ende Sporen freigesetzt werden. Die Zell-Individuen, die den Stängel bilden, haben sich "altruistisch geopfert", sie werden sich selbst nicht vermehren.



Altruistisch/Egoistisch halte ich in diesem Zusammenhang für eine unglückliche Begriffswahl, aber das ist historisch so entstanden. Besser wären Kooperation, Gegenseitigkeit (reciprocity), Konkurrenz, Betrug (defection), Schädigung (spite) und Gegenmaßnahmen (altruistic punishment). Diese Begriffe sind es, die Sozial (II) ausmachen.

Sie gelten für Bakterienkolonien, Ameisen oder menschliche Gemeinden.

Für alle, die nun einwenden möchten: Halt! Bakterienkolonien und Ameisen sind viel näher verwandt als menschliche Gesellschaften, deshalb kann man das nicht vergleichen nochmal Hamiltons Regel.


Code:
rB > C

r = genetische Verwandschaft
B = Nutzen (benefit)
C = Kosten (cost)


Ursprünglich stand r für genetische Verwandtschaft. Laut Steven Frank ist diese Auslegung aber zu streng, das gäbe die Mathematik dahinter nicht her. Vielmehr gehe es um besondere statistische Beziehung zwischen Individuen.


Zitat:
Foundations of Social Biology
Steven Frank - 1998

VERWANDSCHAFT, BEZIEHUNGEN, STAMMBÄUME UND INFORMATION

Der springende Punkt hier betrifft die Auslegung des Koeffizienten r. Der Koeffizient ist ganz einfach der Korrelationskoeffizient zwischen Phänotyp des Partners und Genotyp des Handelnden. Nichts in der Herleitung deutet darauf hin, daß die Partner verwandt sein müssen. Die Partner könnten einer anderen Spezies angehören und die Ableitung wäre immer noch gültig. Wenn es aber nicht um Sippschaft geht, was bedeutet der Regressionskoeffizient dann?

http://stevefrank.org/foundations/foundations.pdf

An anderer Stelle schreibt Frank:

Zitat:
Zur Vorhersage des Phänotypes taugen Allele, Gruppeneigenschaften, Umgebungsvariablen, kulturelle Einstellungen und so weiter.

The predictors of phenotype may include alleles, group characteristics, environmental variables, cultural beliefs, and so on.


Ich denke, das könnte der theoretische Unterbau sein, um Soziologie und Psychologie zu harten Wissenschaften zu machen.



PS:

Für's Archiv hier die Originalstelle bei Frank. Ich war am Zweifeln, ob ich das bringen soll, weil es ziemlich nach Mathematikkeule aussieht und nach Immunisierung durch Mathematik. Ich erwarte nicht, daß das jemand ausführlich liest. Aber meine Argumentation wäre unvollständig, ohne das eigentliche Argument zu nennen. (Mal sehen, ob die zwei anwesenden Mathematiker im Forum bullshit sagen.)

Nehmt es als Beispiel für eine Art von Evolutionsbiologie, die in den Medien wenig Aufmerksamkeit findet.






PPS:

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Wir nennen das dann oft verharmlosend „sozialen Wandel“ und du verwendest den Begriff ja auch, als wenn Gesellschaften normalerweise starre, stabile Systeme sind, die nur gelegentlich durch eine Phase „sozialen Wandels“ gehen, um dann einen neuen, stabilen Zustand zu erreichen.
<schnipp>
(Es wäre interessant zu untersuchen, wie Eingeborenengesellschaften, die es ja heute noch vereinzelt gibt, mit solchen Veränderungstendenzen umgehen.)

Ich wollte eigentlich nicht sagen, daß Gesellschaften "normalerweise starre, stabile Systeme" sind. Ich kann mir nur einen Fall vorstellen, in dem gesellschaftliche Entwicklung zu einem Ende kommt: wenn über viele Generationen hinweg keine technischen Erfindungen gemacht werden. Also etwa: Faustkeil, Speer und Pfeil und Bogen sind erfunden; das war's dann für die nächsten 1000 Jahre.

Sind nicht gerade die Eingeborenengesellschaften, die du ansprichst, ein Beispiel für Gesellschaften ohne sozialen Wandel? Ohne Eingriff von außen würde sich dort auch die nächsten tausend Jahre nicht viel ändern.



PPPS:

Hi, schtonk. Von dir habe ich mal einen noc geerntet, weil ich "sozial" in obigem Sinn gebrauchte. Vermutlich sagte ich damals, ich werde das irgendwann ausführlich aufschreiben - was mit diesem Beitrag getan ist.
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26440
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2044508) Verfasst am: 15.02.2016, 23:32    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
....
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Wir nennen das dann oft verharmlosend „sozialen Wandel“ und du verwendest den Begriff ja auch, als wenn Gesellschaften normalerweise starre, stabile Systeme sind, die nur gelegentlich durch eine Phase „sozialen Wandels“ gehen, um dann einen neuen, stabilen Zustand zu erreichen.
<schnipp>
(Es wäre interessant zu untersuchen, wie Eingeborenengesellschaften, die es ja heute noch vereinzelt gibt, mit solchen Veränderungstendenzen umgehen.)

Ich wollte eigentlich nicht sagen, daß Gesellschaften "normalerweise starre, stabile Systeme" sind. Ich kann mir nur einen Fall vorstellen, in dem gesellschaftliche Entwicklung zu einem Ende kommt: wenn über viele Generationen hinweg keine technischen Erfindungen gemacht werden. Also etwa: Faustkeil, Speer und Pfeil und Bogen sind erfunden; das war's dann für die nächsten 1000 Jahre.

Sind nicht gerade die Eingeborenengesellschaften, die du ansprichst, ein Beispiel für Gesellschaften ohne sozialen Wandel? Ohne Eingriff von außen würde sich dort auch die nächsten tausend Jahre nicht viel ändern.
....

Diese Gesellschaften hatte ich ja auch schon als Beispiele dafür benutzt, wie stabil im Sinne einer Kopiergenauigkeit die Tradition ist, wenn keine weiteren Einflüsse von außen oder Neuerungen von innen kommen.

Diese These, Landwirtschaft sei durch steigenden Bevölkerungsdruck "erzwungen" worden, zeigt ein Verständnis früher Gesellschaften, das sich nicht von dem heutiger unterscheidet. Dabei ist Wissenschaft, das heißt ein gezieltes Suchen nach Lösungen für Probleme, ein neues Phänomen. Die frühen Gesellschaften haben Hungersnöte als Schicksal hingenommen. Menschen konnte und kann es einfach immer soviel geben, wie die Landschaft bei der Lebensform, die sie innehaben oder ~hatten, tragen kann. Das waren und sind mit Landwirtschaft mehr als ohne, aber am Problem regelmäßiger Hungersnöte hat die Landwirtschaft nicht geändert - es fand dann alles nur bei höheren Bevölkerungszahlen statt.

Ich gehe davon aus, dass die Erfahrung, dass man Pflanzen säen kann, irgendwann zufällig erfolgte, nachdem man Pflanzensamen gezielt zur Bevorratung für den Winter gesammelt hatte und regelmäßig genug unordentlich genug beim Verbrauch war, um die Aussaat zu bemerken und nutzen zu können. Und als man die absichtliche Aussaat versucht hat, tat man das mit Sicherheit nicht, um mehr Leute ernähren zu können, sondern um sich das Leben einfacher zu machen. Ein Beispiel hierfür sind die Indios im Amazonasregenwald. Deren Anpflanzungen führen seit ein paar tausend Jahren nicht zu einer größeren Bevölkerungsdichte im Regenwald, weil sie nicht mehr Leute ernähren, als sie es tun. Da funktioniert es nicht, weil der Regenwald es nicht zulässt - der Boden ist nach ein paar Jahren "fertig" und die Anbauflächen müssen gewechselt werden.
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

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Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Hebart
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Anmeldungsdatum: 09.12.2015
Beiträge: 431

Beitrag(#2044513) Verfasst am: 16.02.2016, 00:01    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Und als man die absichtliche Aussaat versucht hat, tat man das mit Sicherheit nicht, um mehr Leute ernähren zu können, sondern um sich das Leben einfacher zu machen. Ein Beispiel hierfür sind die Indios im Amazonasregenwald.


Das denke ich auch und vor allem, das sollte man in seinen Gedanken mit einbeziehen. Grundsätzlich schlecht ist das schließlich nicht, bzw. diese Eigenschaft sollten wir mal als Fakt respektieren und darauf aufbauend alternative Modelle entwickeln....
Nein, ich habe keine (vernünftige) Ahnung, wie die genau aussehen sollten zwinkern
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Er_Win
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Anmeldungsdatum: 31.01.2008
Beiträge: 4482

Beitrag(#2073739) Verfasst am: 24.10.2016, 14:34    Titel: Antworten mit Zitat

Zurück zum Threadthema - Fundstück bei MSS:
Zitat:

Das zentrale Problem ist die Religion - nicht der Theismus

"Theismus und Atheismus sind die beiden Enden einer Wurst." Ich gebe zu: Früher habe ich mich über diesen Ausspruch ziemlich geärgert. Er schien mir ohne jegliche Begründung, zwei höchst unterschiedliche Phänomene in einen Topf zu werfen. Außerdem hielt ich ihn für eine schlecht getarnte Ausrede für Menschen, die sich den zentralen, existentiellen, aber mühsam zu bewältigenden Fragen des Lebens einfach nicht stellen wollten.

Im Laufe der letzten Jahre traf ich aber im freigeistigen Spektrum eine beachtliche Anzahl von Menschen, auf die der Satz dummerweise doch erschreckend zutraf: Atheisten, die so religiös fanatisiert über Atheismus sprachen, dass sie auf mich den Eindruck missionierender Wanderprediger machten, freigeistige Märtyrer, die das Misslingen ihres eigenen Lebens ausschließlich auf das Wirken klerikaler Seilschaften zurückführten, Menschen, die alle Katastrophen der letzten 2000 Jahre der katholischen Kirche anlasteten und deren Kirchenhass das Einzige zu sein schien, was ihrem Leben noch Halt zu geben vermochte.

Ich hatte den Eindruck, dass diese Menschen, die in der Regel der christlichen Religion entflohen waren, zwar ihren Gottesglauben verloren, das entscheidende Problem aber nicht gelöst hatten: Sie waren religiös geblieben, überzeugt von der unumstößlichen Wahrheit ihrer Glaubenssätze. So fest sie zuvor glaubten, Gott existiere, so waren sie nun davon überzeugt, dass er (sie oder es) nie existiert habe. Ihre Propheten der Wahrheit hießen nun nicht mehr Markus, Matthäus, Lukas und Johannes, sondern Nietzsche, Marx und Feuerbach. Widerrede war verpönt wie eh und je, die Schwarz auf Weiß gedruckte Wahrheit durfte nicht in Frage gestellt werden.

Die Konfrontation mit dieser Art religiöser Atheisten rief mir immer wieder zu Bewußtsein, was mir eigentlich schon seit Beginn meines Ausstiegs aus der Religion klar war, nämlich dass das entscheidende Problem nicht der Theismus ist, sondern die Religion. Schon in dem ersten religionskritischen Aufsatz, den ich jemals veröffentlichte, war dies die Grundthese. Ich plädierte dafür, den traditionellen Begriff der Religion zu erweitern: er müßte sowohl die theistischen als auch die atheistischen Heilsgeschichten umfassen.


http://www.schmidt-salomon.de/atheismus.htm
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sehr gut
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Anmeldungsdatum: 05.08.2007
Beiträge: 14852

Beitrag(#2073854) Verfasst am: 25.10.2016, 18:35    Titel: Antworten mit Zitat

Er_Win hat folgendes geschrieben:
Zurück zum Threadthema - Fundstück bei MSS:
Zitat:
[...]
Ich plädierte dafür, den traditionellen Begriff der Religion zu erweitern: er müßte sowohl die theistischen als auch die atheistischen Heilsgeschichten umfassen.


showtime




Interessanter Text, danke.
(Zitatkürzung von mir)
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Schlumpf
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Anmeldungsdatum: 17.11.2007
Beiträge: 2572

Beitrag(#2073857) Verfasst am: 25.10.2016, 19:34    Titel: Antworten mit Zitat

Das ist Unsinn! Atheisten haben keine Heilsgeschichten, können aber auch dummes Zeug daherreden.
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tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 22261

Beitrag(#2073899) Verfasst am: 26.10.2016, 01:26    Titel: Antworten mit Zitat

Naja, dass MSS den "Begriff der Religion" erweitern möchte auf "alles, was ich doof finde", ist nicht so neu.
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(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 22261

Beitrag(#2073900) Verfasst am: 26.10.2016, 01:28    Titel: Antworten mit Zitat

Schlumpf hat folgendes geschrieben:
Das ist Unsinn! Atheisten haben keine Heilsgeschichten, [...]

Manche Atheisten schon. Es gibt manche Spielarten säkularer Fortschrittsgewissheit oder der Erwartung eines plötzlichen, positiven Umschwungs, die durchaus als Heilsgeschichten verstanden werden können.
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Ahriman
Tattergreis



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Beitrag(#2073923) Verfasst am: 26.10.2016, 13:25    Titel: Antworten mit Zitat

MSS hat folgendes geschrieben:
Atheisten, die so religiös fanatisiert über Atheismus sprachen, dass sie auf mich den Eindruck missionierender Wanderprediger machten,

Finde ich verständlich und nicht so sehr falsch, wenn es um den Katholizismus und den Islam geht. Immerhin sind das die mörderischsten Religionen, die es je gab und beide gibt es noch, und der Islam bemüht sich ja sehr, mit den Katholiken gleichzuziehen oder gar sie zu übertreffen? Kann man es einem Atheisten verdenken, wenn er bei diesen Themen böse wird?
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Blasphemiker
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Anmeldungsdatum: 01.10.2016
Beiträge: 4

Beitrag(#2074073) Verfasst am: 28.10.2016, 13:18    Titel: Antworten mit Zitat

Ahriman hat folgendes geschrieben:
MSS hat folgendes geschrieben:
Atheisten, die so religiös fanatisiert über Atheismus sprachen, dass sie auf mich den Eindruck missionierender Wanderprediger machten,

Finde ich verständlich und nicht so sehr falsch, wenn es um den Katholizismus und den Islam geht. Immerhin sind das die mörderischsten Religionen, die es je gab und beide gibt es noch, und der Islam bemüht sich ja sehr, mit den Katholiken gleichzuziehen oder gar sie zu übertreffen? Kann man es einem Atheisten verdenken, wenn er bei diesen Themen böse wird?


Ich finde es richtig (und wichtig) gegen Lügen vorzugehen. Da sollte man sich auch nicht scheuen, mal böse zu werden, wenn man die Bosheit und Verlogenheit der Kirchen betrachtet.

Wenn manche Atheisten jedoch auf das WORT "Gott" böse werden, anstatt auf das erlogene Wort Gottes (d.h. die Bibel, der Koran, etc.), dann kann das schon etwas lächerlich wirken.
Ich finde schon, dass es halbwegs plausible Definitionen / Verwendungen des Wortes "Gott" gibt oder geben kann, allerdings haben die Kirchen mit ihrer Gotteslästerung (=Lügen) das Wort "Gott" so verhunzt und ins Widerwärtige verkehrt, dass man normalerweise "Gott" automatisch mit etwas negativem assoziiert. Man könnte sagen, es ist ihnen gelungen, einen Monismus zu schaffen, wo für ethisch normale Menschen gilt: "Gott" = "Teufel".
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Schlumpf
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Anmeldungsdatum: 17.11.2007
Beiträge: 2572

Beitrag(#2074142) Verfasst am: 29.10.2016, 11:13    Titel: Antworten mit Zitat

Blasphemiker hat folgendes geschrieben:
.....Man könnte sagen, es ist ihnen gelungen, einen Monismus zu schaffen, wo für ethisch normale Menschen gilt: "Gott" = "Teufel".

Jetzt übertreibst du aber! Überrascht
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