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Leony gottlos
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus
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(#244313) Verfasst am: 15.01.2005, 00:53 Titel: |
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Nagarjuna hat folgendes geschrieben: | Leony hat folgendes geschrieben: | (z. B. "Das Neue Testament Griechisch und Deutsch" von Nestle-Aland).
Aber auch hier muss sich der Leser darauf verlassen,
dass diejenigen, die die erwähnten Textvarianten ausgewählt haben,
eine rational und sachlich begründete Auswahl getroffen haben. |
Diese Ausgabe wird von Fundamentalisten heftig angegriffen. Es
gibt innerhalb den evangelikalen und fundamentalistischen
Christen einen Trend, nur mehr dem sogenannten Textus Receptus zu
vertrauen. |
Interessante Information.
Nagarjuna hat folgendes geschrieben: | ... Es wird der Textus Receptus quasi als vom
Himmel heruntergefallenes Original definiert und jede Abweichung
des Nestle-Aland als satanisch bezeichnet. |
Da geht's ja zu wie bei den Muslimen, die ihren Koran für ein wörtlich von Allah diktiertes Werk halten.
Nagarjuna hat folgendes geschrieben: | Insgesamt denke ich schon, dass dieser Ausgabe durchaus zu trauen
ist. Soweit ich weiß, wird dabei durchaus wissenschaftlich korrekt gearbeitet. |
Das wollte ich überhaupt nicht bestreiten.
Ich wollte lediglich darauf hinweisen, dass selbst Menschen mit überdurchschnittlichen Kenntnissen
irgendwo an einen Punkt kommen, an dem ihnen nichts anderes übrig bleibt,
als sich auf das Urteil anderer Menschen zu stützen.
Originaltexte, in denen man die ursprüngliche Version einfach nachlesen könnte,
haben wir ja weder vom Alten Testament noch vom Neuen Testament.
_________________ Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren )
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Leony gottlos
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus
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(#244337) Verfasst am: 15.01.2005, 01:51 Titel: |
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Mandingo hat folgendes geschrieben: | Leony hat folgendes geschrieben: | ...Besonders wichtig finde ich das allerdings nicht.
Denn historisch und geistesgeschichtlich wirksam wurde nicht der historische Jesus, wie er wirklich war, sondern die literarische Figur Jesus, wie sie in der Bibel dargestellt wird. |
Meine liebe Leony, jetzt geht´s aber los!
Wenn du das so siehst, stimmen wir stärker überein, als es bis jetzt den Anschein hatte.
So sagte es schon Rudolf Bultmann: Christus ist ins Kerygma (seine Botschaft) auferstanden, sein Geist steckt in seinen Worten.
Wir lesen seine Botschaft (textkritisch, versteht sich) und werden entweder überzeugt oder lassen es bleiben. |
Eigentlich meinte ich den Jesus, genau so, wie er in der Bibel dargestellt wird,
ohne die textkritischen Korrekturen.
Denn diese unkorrigierte literarische Figur der Bibel war es,
die viele Jahrhunderte lang geschichtlich und geistesgeschichtlich wirksam war.
Allerdings gebe ich gern zu, dass textkritische Forschungen mittlerweile so viel Einfluss auf die Theologie gewonnen haben,
dass auch Vorstellungen von Jesus, die unter Berücksichtigung von textkritischen Forschungen entstanden sind,
einen gewissen geistesgeschichtlichen Einfluss gewonnen haben,
durch den sie ein gewisses Interesse verdienen.
Diese textkritischen Forschungen haben aber IMHO keineswegs bei allen Bibelstellen
zu gesicherten Ergebnissen geführt,
ob es sich um Worte des historischen Jesus handelt oder um Gemeindebildungen,
und ob in den Worten der Geist des historischen Jesus steckt oder nicht
(im Prinzip könnten auch Gemeindebildungen vom Geist des historischen Jesus inspiriert sein).
Darüber, in welchen Worten der Bibel der Geist des historischen Jesus stecken mag, können wir wohl diskutieren,
aber in vielen Fällen dürften wir nur (mehr oder weniger) begründete Vermutungen haben,
von denen keine in Anspruch nehmen kann, mit Sicherheit die richtige zu sein.
Über das "Kerygma", in das Christus nach Bultmann "auferstanden" sein soll,
lässt sich mithin keineswegs eindeutig feststellen,
in welcher Botschaft es denn nun eigentlich inhaltlich besteht.
_________________ Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren )
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pyrrhon registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.05.2004 Beiträge: 8770
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(#244525) Verfasst am: 15.01.2005, 19:22 Titel: |
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Alle Wörter existieren in der Bibel und es werden auch alle
morphosyntaktischen Kodierungsregeln eingehalten. Bei der
Kodierung gibt es mikrosemantisch zwar logische Zuordnungen,
die es erlauben, Teile der Bibel (vermeintlich) als ethisch
wertvoll zu verstehen, makrosemantisch jedoch hat die Bibel
praktisch keinen ethischen Wert.
Soviel zum Herauspicken von Rosinen.
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Leony gottlos
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus
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(#244674) Verfasst am: 16.01.2005, 01:11 Titel: |
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@ Nagarjuna:
Von einigen Details abgesehen, die der Kenner zweifellos zu würdigen weiß,
läuft dein letzter Beitrag wohl auf die Aussage hinaus:
"Wenn der Teig nichts taugt, dann helfen die besten Rosinen nichts, es wird kein guter Kuchen daraus."
_________________ Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren )
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#244869) Verfasst am: 16.01.2005, 12:29 Titel: |
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War Jesus nicht eigentlich auch Rosinenpicker?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Mandingo Sucher des verlorenen Schlüssels
Anmeldungsdatum: 03.01.2005 Beiträge: 456
Wohnort: Köln-Nähe
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(#245121) Verfasst am: 16.01.2005, 19:29 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | War Jesus nicht eigentlich auch Rosinenpicker? |
So sehe ich das auch, Step,
und verstehe nicht, wie man verlangen kann,
man dürfte nur die aktuellen ethischen Forderungen Jesu und die mit ihnen verbundenen Verheißungen für sein Leben nutzen,
wenn man die ganze Bibel für sich nutzt.
So geht doch niemand vor, der für sein Leben eine Grundlage oder praktikable Regeln sucht.
Du, liebe Leony,
weißt doch genau, dass die Bibel eine Bibliothek ist,
deren Abfassungszeit Jahrtausende ausmacht.
Da eine Kernaussage Jesu einzubetten,
als sei sie für diesen Kontext geschaffen, ist absoluter Blödsinn.
Die Bilder von Rosine und Kuchen
bezogen sich auf die eine Geschichte,
in der Jesus die alte mythologische Vorstellung vom Weltgericht benutzt,
um die Kriterien zu klären,
nach denen jemand zu "Gottes Reich" gehört oder nicht.
So ist es mit jeder Geschichte und ihrer Pointe (siehe Gleichnisse usw.).
Wir übernehmen doch nicht die alten mythischen Bilder,
wenn wir nach dem Geist eines Glaubens fragen.
Warum ich die ganze Bibel akzeptieren muss,
um mich als Christ zu verstehen, ist mir schleierhaft.
Ich lebe heute und nicht vor 3000 Jahren.
Wer glaubt, er picke keine Rosinen
aus Wissenschaft oder Weltanschauungen,
der lügt sch in die eigene Tasche.
Am Anfang steht das Bedürfnis des Menschen
nach Überleben, Gemeinschaft, Orientierung und Basis für eine menschliche Welt und Zukunft.
Dann sucht man in Büchern und Religionen nach Antworten.
Man geht doch nicht umgekehrt von einer Schrift aus
und fragt, ob sie lückenlos zu seinem Leben passt.
Für mich gibt es überhaupt keine Schrift und keine komplette Religion,
die lückenlos zu meinem Leben passt und von mir akzeptiert wird.
Ich bin deshalb auf "Rosinenpicken" angewiesen,
und finde das gut so.
King Luis Beispiel
von den Rosinen Goethes und Schillers
und dem Nazi-Teig (s.o.) hat mit meinen Gedanken nichts zu tun,
sondern ist völlig daneben.
Nationalsozialismus ist kein Kontext für deutschen Idealismus.
Wo soll denn da der Zusammenhang sein?
Wenn ein Atheist Durchfall hat,
sind dessen Ergebnisse auch nicht der Kontext (oder Teig) für seine weltanschaulichen Einsichten.
_________________ "Wer sagt, hier herrscht Freiheit, lügt, denn Freiheit herrscht nicht." (Erich Fried)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#245174) Verfasst am: 16.01.2005, 21:14 Titel: |
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Mandingo hat folgendes geschrieben: | ... und verstehe nicht, wie man verlangen kann, man dürfte nur die aktuellen ethischen Forderungen Jesu und die mit ihnen verbundenen Verheißungen für sein Leben nutzen,
wenn man die ganze Bibel für sich nutzt. So geht doch niemand vor, der für sein Leben eine Grundlage oder praktikable Regeln sucht. |
Wer für sein Leben praktikable Regeln sucht, der pickt (kritisch) Rosinen, dem würde ich zustimmen.
Das Problem beginnt erst, wenn jemand - über die ethischen Tips hinaus - an den metaphysischen Überbau glaubt. Wer das tut - und sei es um sich vor der unbequmen Relativität ethischer Tips zu schützen - verhält sich inkonsistent, wenn er aus der einzigen Offenbarungsquelle "pickt".
Wer darüberhinaus auch noch an ein System glaubt, das elitär und missionarisch gegenüber Un- oder Andersgläubigen ist (z.B. Christentum und Islam), der verhält sich mE möglicherweise sogar gemeinschaftsschädlich. - auch wenn ihm das nicht unbedingt bewußt ist.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Mandingo Sucher des verlorenen Schlüssels
Anmeldungsdatum: 03.01.2005 Beiträge: 456
Wohnort: Köln-Nähe
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(#245261) Verfasst am: 16.01.2005, 22:38 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | ...Wer darüberhinaus auch noch an ein System glaubt, das elitär und missionarisch gegenüber Un- oder Andersgläubigen ist (z.B. Christentum und Islam), der verhält sich mE möglicherweise sogar gemeinschaftsschädlich. - auch wenn ihm das nicht unbedingt bewußt ist.
gruß/step |
Wer "elitär und missionarisch gegenüber Un- oder Andersgläubigen ist",
ist in der Regel ein Fundamentalist,
egal zu welcher Religion oder Weltanschauung er gehört
und wird durch diesen Fundamentalismus "gemeinschaftsschädlich",
so wie Bush & Co. zur Zeit für die Weltgemeinschaft.
Ich habe inzwischen den Eindruck gewonnen,
dass man sehr wenig über einen Menschen weiß, wenn man seine Religionszugehörigkeit kennt.
Man könnte fast die Zahl der Welt-Religionen auf zwei reduzieren:
eine der dogmatischen Fundamentalisten und eine der kritisch-progressiv-offenen.
So würden die Glaubenshaltungen und -inhalte klarer unterschieden als bisher.
Die Unterschiede innerhalt der beiden Religions-Gruppen sind kaum größer als die zwischen den entsprechenden Gruppen innerhalb einer Religion.
_________________ "Wer sagt, hier herrscht Freiheit, lügt, denn Freiheit herrscht nicht." (Erich Fried)
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Mandingo Sucher des verlorenen Schlüssels
Anmeldungsdatum: 03.01.2005 Beiträge: 456
Wohnort: Köln-Nähe
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(#245267) Verfasst am: 16.01.2005, 22:45 Titel: |
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Leony hat folgendes geschrieben: | ....Du aber pickst dir die Rosinen heraus
und forderst dann, dass das ganze Buch so verstanden werden müsste
wie die aus dem Zusammenhang gerissenen Rosinen.... |
Diese Forderung, Leony,
habe ich nie erhoben!
Erstens habe ich immer betont,
dass das ganze kein Buch ist, sondern eine Bibliothek,
die ganz unterschiedliche Aussagen hat.
Zweitens habe ich eindeutig klar gestellt,
dass ich alles, was nicht zu Jesu Bergpredigt passt,
für uns heute irrelevant oder nur noch literarisch-historisch interessant finde.
_________________ "Wer sagt, hier herrscht Freiheit, lügt, denn Freiheit herrscht nicht." (Erich Fried)
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Heike N. wundert gar nix mehr
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 26138
Wohnort: Bottrop
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(#245273) Verfasst am: 16.01.2005, 22:58 Titel: |
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Mandingo hat folgendes geschrieben: | Zweitens habe ich eindeutig klar gestellt,
dass ich alles, was nicht zu Jesu Bergpredigt passt,
für uns heute irrelevant oder nur noch literarisch-historisch interessant finde. |
Was passt denn nicht zur legendären (im ursprünglichen Sinne des Wortes) Bergpredigt des außerehelichen Wanderpredigers? Seine posthumen Sekretäre skizzieren und unterstreichen doch gerade da hervorragend den Charakter der vorherigen Aussagen.
_________________ God is Santa Claus for adults
Front Deutscher Äpfel (F.D.Ä.) - Nationale Initiative gegen die Überfremdung des deutschen Obstbestandes und gegen faul herumlungerndes Fallobst
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#245275) Verfasst am: 16.01.2005, 23:02 Titel: |
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Mandingo hat folgendes geschrieben: | Wer "elitär und missionarisch gegenüber Un- oder Andersgläubigen ist", ist in der Regel ein Fundamentalist, egal zu welcher Religion oder Weltanschauung er gehört und wird durch diesen Fundamentalismus "gemeinschaftsschädlich", so wie Bush & Co. zur Zeit für die Weltgemeinschaft. |
Das Neue Testament ist damit "fundamentalistisch".
Mandingo hat folgendes geschrieben: | Ich habe inzwischen den Eindruck gewonnen, dass man sehr wenig über einen Menschen weiß, wenn man seine Religionszugehörigkeit kennt. |
Das ist sicher richtig. Außer er ist Fundamentalist. Kuschelchristen dagegen schaffen es nach meiner Erfahrung, jede Lebenseinstellung mit dem Christentum zu vereinbaren, so daß man tatsächlich aus der Tatsache, daß sie sich Christen nennen, nichts über sie weiß.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | Man könnte fast die Zahl der Welt-Religionen auf zwei reduzieren: eine der dogmatischen Fundamentalisten und eine der kritisch-progressiv-offenen. |
Mir würden 3 "Ideologielevel" besser gefallen:
1. Fundamentalisten (konservativ / radikal, abergläubisch)
2. Kuschelgläubige (liberal, abergläubisch)
3. Ungläubige (progressiv, kritisch)
Es gibt natürlich auch Grauzonen sowei weitere Kriterien, die nur teilweise damit korrelieren, etwa moralische.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Leony gottlos
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus
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(#245276) Verfasst am: 16.01.2005, 23:05 Titel: |
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Mandingo hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | War Jesus nicht eigentlich auch Rosinenpicker? |
So sehe ich das auch, Step,
und verstehe nicht, wie man verlangen kann,
man dürfte nur die aktuellen ethischen Forderungen Jesu und die mit ihnen verbundenen Verheißungen für sein Leben nutzen,
wenn man die ganze Bibel für sich nutzt.
So geht doch niemand vor, der für sein Leben eine Grundlage oder praktikable Regeln sucht. |
Sag mal, Mandingo, kapierst du's nicht, oder willst du's nicht kapieren?
Leony hat folgendes geschrieben: | Das Problem ist, dass du immer wieder zwei völlig verschiedene Fragestellungen durcheinander bringst:- Die Frage, wie die Bibel zu verstehen ist -
und das ist für jeden seriösen Interpreten die Frage, was der oder die Urheber zum Ausdruck bringen wollten;
- und die Frage, was dir im Leben weiterhilft.
Das Problem ist:
Deine Forderung, die Antwort auf die zweite Frage
als Antwort auf die erste Frage zu betrachten,
ist eine Forderung nach einer unseriösen Methode der Interpretation,
die geeignet ist, zu falschen Ergebnissen zu führen. |
Also:
Ich verlange überhaupt nicht, dass du die ganze Bibel nutzen müsstest,
wenn du bestimmte ethische Forderungen und Verheißungen für dein Leben nutzen willst.
Aber wenn es um die Frage geht, welche Art von Buch die Bibel ist,
dann verlange ich sehr wohl,
dass man, um ein zutreffendes und gerechtes Urteil zu fällen, die gesamte Bibel berücksichtigen muss
und nicht nur das, was man für die Rosinen hält.
Ebenso gilt für die Rede Jesu vom Weltgericht (Matthäus 25, 31-46):
Wenn es um die Frage geht, was du daraus für dein Leben gebrauchen kannst,
dann darfst du dir gern die Rosinen herauspicken.
Wenn es aber um die Frage geht,
welcher Geist, welche Gesinnung in dieser Rede Jesu zum Ausdruck kommt,
dann muss die gesamte Rede berücksichtigt werden
und nicht nur das, was man für die Rosinen hält.
Da ist es durchaus möglich,
dass in dieser Rede eine Rosine vorkommt, nämlich der Gedanke, dass es auf die praktizierte Nächstenliebe ankomme,
dass man aber beim Lesen der gesamten Rede zu dem Urteil kommt,
dass ihr Urheber zwar oberflächlich einige Werke der Nächstenliebe aufzählen können mag,
dass ihm aber der Geist der Nächstenliebe, die freundliche und wohlwollende Haltung gegenüber anderen Menschen,
so fremd geblieben ist
wie dem Blindgeborenen die Schönheit der Farbe.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | Du, liebe Leony,
weißt doch genau, dass die Bibel eine Bibliothek ist,
deren Abfassungszeit Jahrtausende ausmacht.
Da eine Kernaussage Jesu einzubetten,
als sei sie für diesen Kontext geschaffen, ist absoluter Blödsinn. |
Mir ist rätselhaft, auf welche meiner Äußerungen
du das für eine passende Erwiderung hältst.
Ich gehe davon aus, dass du da etwas kommentierst, was du missverstanden hast.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | Die Bilder von Rosine und Kuchen
bezogen sich auf die eine Geschichte,
in der Jesus die alte mythologische Vorstellung vom Weltgericht benutzt,
um die Kriterien zu klären,
nach denen jemand zu "Gottes Reich" gehört oder nicht.
So ist es mit jeder Geschichte und ihrer Pointe (siehe Gleichnisse usw.).
Wir übernehmen doch nicht die alten mythischen Bilder,
wenn wir nach dem Geist eines Glaubens fragen. |
"Nicht übernehmen" ist nicht gleichbedeutend mit "ignorieren".
So sehen das jedenfalls die wichtigsten der Theologen, deren Bücher ich gelesen habe:
Sie wollen die mythischen Bilder zwar nicht so übernehmen, wie sie überliefert sind,
aber sie wollen diese mythischen Bilder sehr wohl daraufhin untersuchen,
was sie über den Geist des Glaubens aussagen sollen.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | Warum ich die ganze Bibel akzeptieren muss,
um mich als Christ zu verstehen, ist mir schleierhaft.
Ich lebe heute und nicht vor 3000 Jahren. |
Noch mal: Das verlange ich nicht.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | Wer glaubt, er picke keine Rosinen
aus Wissenschaft oder Weltanschauungen,
der lügt sch in die eigene Tasche. |
Dergleichen glaube ich nicht und habe ich auch nicht behauptet.
Ich habe mir auch schon aus Religionen, Weltanschauungen und Philosophien
interessante Gedanken herausgepickt,
ohne diese Religionen, Weltanschauungen und Philosophien komplett zu übernehmen.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | Am Anfang steht das Bedürfnis des Menschen
nach Überleben, Gemeinschaft, Orientierung und Basis für eine menschliche Welt und Zukunft.
Dann sucht man in Büchern und Religionen nach Antworten.
Man geht doch nicht umgekehrt von einer Schrift aus
und fragt, ob sie lückenlos zu seinem Leben passt.
Für mich gibt es überhaupt keine Schrift und keine komplette Religion,
die lückenlos zu meinem Leben passt und von mir akzeptiert wird.
Ich bin deshalb auf "Rosinenpicken" angewiesen,
und finde das gut so. |
Darüber streiten wir überhaupt nicht,
solange es um die Frage geht, was du für dein Leben gebrauchen kannst.
Ich protestiere aber gegen deine Forderung, die Bibel so zu verstehen, wie es zu deinen Rosinen passt.
Deine Rosinen sind kein Kriterium dafür, wie die Bibel zu verstehen ist.
Sie sind kein Kriterium dafür, was die Urheber der Bibelstellen zum Ausdruck bringen wollten.
_________________ Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren )
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Sermon panta rhei
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18430
Wohnort: Sine Nomine
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(#245278) Verfasst am: 16.01.2005, 23:07 Titel: |
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Mandingo hat folgendes geschrieben: | Ich habe inzwischen den Eindruck gewonnen,
dass man sehr wenig über einen Menschen weiß, wenn man seine Religionszugehörigkeit kennt. |
Das ist die Schwache aller monokausalen Erklarungsversuche.
Zitat: | Man könnte fast die Zahl der Welt-Religionen auf zwei reduzieren:
eine der dogmatischen Fundamentalisten und eine der kritisch-progressiv-offenen.
So würden die Glaubenshaltungen und -inhalte klarer unterschieden als bisher.
Die Unterschiede innerhalt der beiden Religions-Gruppen sind kaum größer als die zwischen den entsprechenden Gruppen innerhalb einer Religion. |
Ein Begriffsumdefinition, die nichts klarer macht, sondern systematisch verunklart, hilft eben nicht weiter.
_________________ "Der Typ hat halt so seine Marotten" (Sermon über Sermon)
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Spekulatia furchteinflößend
Anmeldungsdatum: 27.12.2004 Beiträge: 625
Wohnort: ja
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(#245321) Verfasst am: 16.01.2005, 23:55 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Mandingo hat folgendes geschrieben: | Man könnte fast die Zahl der Welt-Religionen auf zwei reduzieren: eine der dogmatischen Fundamentalisten und eine der kritisch-progressiv-offenen. |
Mir würden 3 "Ideologielevel" besser gefallen:
1. Fundamentalisten (konservativ / radikal, abergläubisch)
2. Kuschelgläubige (liberal, abergläubisch)
3. Ungläubige (progressiv, kritisch)
Es gibt natürlich auch Grauzonen sowei weitere Kriterien, die nur teilweise damit korrelieren, etwa moralische.
gruß/step |
Da wär ich vorsichtig. Es gibt auch ungläublige Fundamentalisten, die sich anmaßen, jeden, der glaubt, als rückständig und abergläubisch zu bezeichnen. Das ist mE genauso unkritisch und dogmatisch wie Fundamentalismus von Gläubigen.
Und da sind mir liberale Gläubige um einiges lieber.
_________________ remember when life used to be simple and cool?
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Mandingo Sucher des verlorenen Schlüssels
Anmeldungsdatum: 03.01.2005 Beiträge: 456
Wohnort: Köln-Nähe
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(#245527) Verfasst am: 17.01.2005, 14:07 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | ...Mir würden 3 "Ideologielevel" besser gefallen:
1. Fundamentalisten (konservativ / radikal, abergläubisch)
2. Kuschelgläubige (liberal, abergläubisch)
3. Ungläubige (progressiv, kritisch) gruß/step |
Deine Kategorisierung, Step,
ist höchst problematisch, sowohl das Etikett als auch die Merkmal-Klammer:
Bei Fundamentalisten
bezieht sich das von dir genannte Merkmale "radikal" nur auf die Art der primitiven wörtlichen Übernahme und Übernahme alter Mythen in unsere Zeit, auch wenn das aktuelle Weltbild dabei platzt,
ansonsten werden, um die Wörtlichkeit zu retten Widersprüche total "liberal" behandelt.
So kann man das Gebot "Du sollst nicht töten" wunderbar mit Todesstrafe und Kreuzzügen oder Völkermord im AT verbinden.
Da ist dann nichts mehr "radikal".
"Kuschelgläubige"
ist ein typischer Ausdruck von Fundamentalisten. Du kategorisierst hier aus deren Perspektive.
Die von dir und den Fundamentalisten "liberal" genannten "Kuschelchristen"
fordern meist eine radikale Ernstnahme der Bergpredigt,
lehnen es radikal ab, Widersprüche zu harmonisieren und entscheiden sich "radikal" für einen der beiden Pole.
"Aberglauben" musst du ihnen erst einmal nachweisen.
Wer weiß, dass Mythen Mythen sind und Gottesbilder verboten,
ist Aberglauben nur schwer zugänglich.
Allerdings verstehen Außenstehende seine Sprache oft nicht und nehmen sie wörtlich.
Man muss nicht ungläubig sein,
um kritisch und progressiv zu sein.
Es gibt genug Ungläubige, die an sich selbst so naiv glauben, ohne es zu merken, dass Kritik da keinen Platz hat.
Entsprechend können Wissenschaftsgläubige sehr progressiv sein usw..
Etiketten sind leicht Wortgeklingel und Sprachspiel (siehe Wittgenstein),
so wie in deinen Beispielen.
Außerdem:
Seit wann zählst du "Ungläubige" zur Religion?
_________________ "Wer sagt, hier herrscht Freiheit, lügt, denn Freiheit herrscht nicht." (Erich Fried)
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GermanHeretic Individualoptimist & Kulturpessimist
Anmeldungsdatum: 16.06.2004 Beiträge: 4932
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(#245529) Verfasst am: 17.01.2005, 14:21 Titel: |
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Spekulatia hat folgendes geschrieben: |
Es gibt auch ungläublige Fundamentalisten, die sich anmaßen, jeden, der glaubt, als rückständig und abergläubisch zu bezeichnen. Das ist mE genauso unkritisch und dogmatisch wie Fundamentalismus von Gläubigen.
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In der Kombination vielleicht. Aber ich bezeichne jeden Gläubigen als abergläubisch - und das mit Recht. Glaube und Aberglaube sind für mich synonym, letztes wird schließlich von "Gläubigen" als abwertender Ausdruck für "Andersgläubige" gebraucht. Ob jemand an die Schöpfungsgeschichte der Edda oder die der Bibel glaubt, wo ist da qualitativ der Unterschied? Beide sind nachgewiesen falsch.
_________________ "Nehmen Sie einem Durchschnittsmenschen die Lebenslüge, und Sie nehmen ihm zu gleicher Zeit das Glück." (Henrik Ibsen)
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Mandingo Sucher des verlorenen Schlüssels
Anmeldungsdatum: 03.01.2005 Beiträge: 456
Wohnort: Köln-Nähe
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(#245539) Verfasst am: 17.01.2005, 14:36 Titel: |
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Leony hat folgendes geschrieben: | Mandingo hat folgendes geschrieben: | o"] Du, liebe Leony,
weißt doch genau, dass die Bibel eine Bibliothek ist,
... |
Mir ist rätselhaft, auf welche meiner Äußerungen
du das für eine passende Erwiderung hältst.
Ich gehe davon aus, dass du da etwas kommentierst, was du missverstanden hast. |
Im Gegenteil, Leony,
ich habe genau gelesen, dass du ständig von der Bibel weiter als "einem Buch" schreibst. DAS IST SIE NICHT!!!
Dass man die einzelnen Bücher dann nach ihrer Eigenaussage fragen kann,
ist mir klar, auch dass Intertextualität Bezüge erkennen lässt.
Wir können alle Textgattungen (Mythen, Sagen, Lieder, Gedichte, Märchen, Legenden, Gleichnisse usw.) durchgehen und werden höchst unterschiedliche Glaubensbekenntnisse heraus lesen. Die meisten Psalmisten bekennen etwas anderes als der Hiob-Buch-Verfasser u.ä..
Da ich aber nur ein Bekenntnis habe,
muss ich mich entscheiden.
So ging es bei der Diskussion um das Rosinenpicken nicht um die Theologie von AT und NT, sondern um die Legitimität des Selektierens für den christlichen Glauben.
Wenn wir Bibel-Exegese machen wollen, meinetwegen.
Dann werden wir auch keinen Mythos "ignorieren", sondern, wie schon früher Bultmann und jetzt Hasenhüttl fordern, existenzial interpretieren oder auch nicht existenzial.
Klar, will ich als Theologe wissen,
was die Aussagen der einzelnen biblischen Bücher sind.
Es ist auch meine Pflicht alle zu analysieren und zu verstehen.
Dennoch kann ich ihre Botschaften an der Bergpredigt messen und ihren Stellenwert so bewerten, wenn es mein Maßstab ist.
Als Christ wirst du dann deine Bewertung auch nach der heutigen Verwertbarkeit fragen, wirst deuten, ablehnen usw..
Ich glaube, darin sind wir uns einig.
Der Rosinenpicker-Aspekt kam nicht von mir ins Spiel,
sondern folgt auf einen Vorwurf, der für mich keiner war.
Leony hat folgendes geschrieben: | ..So sehen das jedenfalls die wichtigsten der Theologen, deren Bücher ich gelesen habe:
Sie wollen die mythischen Bilder zwar nicht so übernehmen, wie sie überliefert sind,
aber sie wollen diese mythischen Bilder sehr wohl daraufhin untersuchen,
was sie über den Geist des Glaubens aussagen sollen. |
So sehen das auch die, die ich gelesen habe,
und ich auch.
"Entmythologisierung" ist kein glücklicher Ausdruck.
Es geht mehr um die Übersetzung der damaligen Mythen in die unserer Zeit, um den Geist, der sie prägt, deutlich zu machen.
Leony hat folgendes geschrieben: | ...Ich protestiere aber gegen deine Forderung, die Bibel so zu verstehen, wie es zu deinen Rosinen passt.
Deine Rosinen sind kein Kriterium dafür, wie die Bibel zu verstehen ist.
Sie sind kein Kriterium dafür, was die Urheber der Bibelstellen zum Ausdruck bringen wollten. |
Da stimme ich dir zu,
natürlich hat jedes Buch der Bibel seine zeit- und situationsbezogene Botschaft, seine Tendenz und Motivation.
Dennoch wird die anschließende Bewertung der Botschaft nach der Beziehung zu den Kernstücken der Botschaft Jesu für jeden christlichen Theologen die Regel sein und zu Ablehnungen, Relativierungen oder Übersetzungen in die aktuelle Sprache unserer Zeit führen.
_________________ "Wer sagt, hier herrscht Freiheit, lügt, denn Freiheit herrscht nicht." (Erich Fried)
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Leony gottlos
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus
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(#245566) Verfasst am: 17.01.2005, 16:00 Titel: |
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Mandingo hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | ...Mir würden 3 "Ideologielevel" besser gefallen:
1. Fundamentalisten (konservativ / radikal, abergläubisch)
2. Kuschelgläubige (liberal, abergläubisch)
3. Ungläubige (progressiv, kritisch) gruß/step |
Deine Kategorisierung, Step,
ist höchst problematisch, sowohl das Etikett als auch die Merkmal-Klammer:
Bei Fundamentalisten
bezieht sich das von dir genannte Merkmale "radikal" nur auf die Art der primitiven wörtlichen Übernahme und Übernahme alter Mythen in unsere Zeit, auch wenn das aktuelle Weltbild dabei platzt,
ansonsten werden, um die Wörtlichkeit zu retten Widersprüche total "liberal" behandelt.
So kann man das Gebot "Du sollst nicht töten" wunderbar mit Todesstrafe und Kreuzzügen oder Völkermord im AT verbinden.
Da ist dann nichts mehr "radikal". |
Der einzige Widerspruch, den es da gibt,
ist der zwischen einer modernen Interpretation des Satzes "Du sollst nicht töten"
und der Bibel.
"Du sollst nicht töten" ist eine irreführende Übersetzung des biblischen Originals;
die Einheitsübersetzung übersetzt korrekt: "Du sollst nicht morden."
Wie dieser Satz des biblischen Originals zu verstehen ist,
dazu liefert der Zusammenhang den Kommentar:
Das "Du sollst nicht morden" der Bibel
verträgt sich wunderbar mit Angriffskrieg, Völkermord und exzessivem Gebrauch der Todesstrafe,
indem all das nicht als "Mord" angesehen wird.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | "Kuschelgläubige"
ist ein typischer Ausdruck von Fundamentalisten. Du kategorisierst hier aus deren Perspektive.
Die von dir und den Fundamentalisten "liberal" genannten "Kuschelchristen"
fordern meist eine radikale Ernstnahme der Bergpredigt,
lehnen es radikal ab, Widersprüche zu harmonisieren und entscheiden sich "radikal" für einen der beiden Pole. |
In irdischen Angelegenheiten sind diese "Kuschelchristen" manchmal tatsächlich radikal und unbequem.
Aber in Glaubensdingen zeigen sie trotzdem gewöhnlich so viel Harmoniebedürfnis,
dass sie den Eindruck zu erwecken versuchen,
ihre Auffassungen und die Schriften der Bibel ließen sich unter einen Hut bringen.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | "Aberglauben" musst du ihnen erst einmal nachweisen.
Wer weiß, dass Mythen Mythen sind und Gottesbilder verboten,
ist Aberglauben nur schwer zugänglich.
Allerdings verstehen Außenstehende seine Sprache oft nicht und nehmen sie wörtlich. |
Dass seine Sprache oft nicht verstanden wird, liegt an dem Sprecher selbst.
Wenn ich eine Birne meine, aber "Apfel" sage,
darf ich mich nicht beschweren, wenn jemand denkt, ich meine einen Apfel.
Was gemeint ist, wenn das Wort "Gott" gebraucht wird, ist manchmal gar nicht so leicht herauszufinden.
Auch unter den Christen, die nicht alles wörtlich nehmen, gibt es Menschen,
die unter "Gott" ein eigenständig existierendes persönliches Wesen verstehen,
das nicht Teil dieser Welt ist
und aus eigener Kraft handlungsfähig ist, nicht etwa nur indirekt durch die Handlungen der Gläubigen;
einige nennen dies Wesen sogar "allmächtig".
An einen solchen Gott zu glauben,
das ist ebenso unbegründet
und verdient ebenso die Bezeichnung "Aberglaube"
wie z. B. der Glaube an Hexen.
Andere moderne Christen vertreten pantheistische Positionen, sagen "Gott geschieht"
und/oder vertreten wirklich die Auffassung, die aus den Worten spricht: "Gott hat keine anderen Hände als unsere."
Schließlich gibt es Christen, bei denen man den Eindruck gewinnen kann,
sie wissen selbst nicht so genau, was sie eigentlich meinen, wenn sie "Gott" sagen,
ein eigenständig handlungsfähiges persönliches Wesen oder einen Aspekt dieser Welt.
Eine Unklarheit, die von den Betreffenden manchmal gar nicht als störend empfunden wird,
manchmal ganz im Gegenteil, sie nutzen die Unklarheit, um zwischen den Möglichkeiten hin und her zu oszillieren,
je nachdem, was ihnen in einer bestimmten Situation gerade in den Kram passt.
Es waren die modernen Christen,
die alte Wörter anders gebraucht haben, als sie nach alter Tradition gebraucht wurden,
und die dadurch eine Sprachverwirrung geschaffen haben,
dass man dann, wenn sie bestimmte Wörter benutzen, nicht mehr auf Anhieb verstehen kann, was gemeint ist.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | Man muss nicht ungläubig sein,
um kritisch und progressiv zu sein.
Es gibt genug Ungläubige, die an sich selbst so naiv glauben, ohne es zu merken, dass Kritik da keinen Platz hat. |
Solche Ungläubige gibt es zweifellos.
_________________ Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren )
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Leony gottlos
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus
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(#245567) Verfasst am: 17.01.2005, 16:03 Titel: |
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Mandingo hat folgendes geschrieben: | Leony hat folgendes geschrieben: | Mandingo hat folgendes geschrieben: | o"] Du, liebe Leony,
weißt doch genau, dass die Bibel eine Bibliothek ist,
... |
Mir ist rätselhaft, auf welche meiner Äußerungen
du das für eine passende Erwiderung hältst.
Ich gehe davon aus, dass du da etwas kommentierst, was du missverstanden hast. |
Im Gegenteil, Leony,
ich habe genau gelesen, dass du ständig von der Bibel weiter als "einem Buch" schreibst. DAS IST SIE NICHT!!! |
Na und? Wenn ich überall in meinen Beiträgen "ein Buch" durch "eine Büchersammlung" ersetze,
ändert sich an meinen wesentlichen Aussagen dazu nichts.
_________________ Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren )
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#245568) Verfasst am: 17.01.2005, 16:06 Titel: |
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Es ist ein Haufen Papier, eingefasst durch zwei Hartdekkel und mit einem Titel. Ergo ein Buch.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Spekulatia furchteinflößend
Anmeldungsdatum: 27.12.2004 Beiträge: 625
Wohnort: ja
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(#245615) Verfasst am: 17.01.2005, 18:38 Titel: |
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GermanHeretic hat folgendes geschrieben: | Spekulatia hat folgendes geschrieben: |
Es gibt auch ungläublige Fundamentalisten, die sich anmaßen, jeden, der glaubt, als rückständig und abergläubisch zu bezeichnen. Das ist mE genauso unkritisch und dogmatisch wie Fundamentalismus von Gläubigen.
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In der Kombination vielleicht. Aber ich bezeichne jeden Gläubigen als abergläubisch - und das mit Recht. Glaube und Aberglaube sind für mich synonym, letztes wird schließlich von "Gläubigen" als abwertender Ausdruck für "Andersgläubige" gebraucht. Ob jemand an die Schöpfungsgeschichte der Edda oder die der Bibel glaubt, wo ist da qualitativ der Unterschied? Beide sind nachgewiesen falsch. |
Du sprichst jetzt von Ansichten, die klar widerlegt sind. Da kann ich den Vorwurf der Rückständigkeit usw verstehen. Aber was ist mit Gläubigen, deren Ansichten nicht der Wissenschaft widersprechen? (solls auch geben )
Damit meine ich jetzt gar nicht mal "Kuschelgläubige", sondern Gläubige, die sich ihre eigene Religion zusammenbasteln und gar nicht behaupten, einer "abergläubischen" Religion anzugehören.
_________________ remember when life used to be simple and cool?
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Leony gottlos
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus
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(#245645) Verfasst am: 17.01.2005, 20:13 Titel: |
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Mandingo hat folgendes geschrieben: | Da ich aber nur ein Bekenntnis habe,
muss ich mich entscheiden.
So ging es bei der Diskussion um das Rosinenpicken nicht um die Theologie von AT und NT, sondern um die Legitimität des Selektierens für den christlichen Glauben.
Wenn wir Bibel-Exegese machen wollen, meinetwegen.
Dann werden wir auch keinen Mythos "ignorieren", sondern, wie schon früher Bultmann und jetzt Hasenhüttl fordern, existenzial interpretieren oder auch nicht existenzial.
Klar, will ich als Theologe wissen,
was die Aussagen der einzelnen biblischen Bücher sind.
Es ist auch meine Pflicht alle zu analysieren und zu verstehen.
Dennoch kann ich ihre Botschaften an der Bergpredigt messen und ihren Stellenwert so bewerten, wenn es mein Maßstab ist.
Als Christ wirst du dann deine Bewertung auch nach der heutigen Verwertbarkeit fragen, wirst deuten, ablehnen usw..
Ich glaube, darin sind wir uns einig. |
Den Stellenwert der Botschaften für dich und dein Leben kannst du gern so bewerten.
Auf meinen Widerspruch triffst du aber dann,
wenn du das, was nach deinen Maßstäben für dich und dein Leben wichtig ist,
als "Kernstücke der Botschaft Jesu" bezeichnest.
Die Kernstücke der Botschaft Jesu sind die Botschaften, die Jesus nach seinen Maßstäben für wichtig hielt.
Das heißt übrigens konkret:
Kernstück der Botschaft Jesu war,
nach allem, was wir wissen,
seine apokalyptische Naherwartungs-Phantasie.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | ...
Leony hat folgendes geschrieben: | ..So sehen das jedenfalls die wichtigsten der Theologen, deren Bücher ich gelesen habe:
Sie wollen die mythischen Bilder zwar nicht so übernehmen, wie sie überliefert sind,
aber sie wollen diese mythischen Bilder sehr wohl daraufhin untersuchen,
was sie über den Geist des Glaubens aussagen sollen. |
So sehen das auch die, die ich gelesen habe,
und ich auch.
"Entmythologisierung" ist kein glücklicher Ausdruck.
Es geht mehr um die Übersetzung der damaligen Mythen in die unserer Zeit, um den Geist, der sie prägt, deutlich zu machen. |
Insoweit sind wir uns einig.
Eine andere Frage ist, was denn zu halten ist von jenem "Geist, der sie prägt".
Was meinst du denn, was für ein Geist das ist,
aus dem heraus die Weltgerichts-Rede gehalten wurde?
_________________ Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren )
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Leony gottlos
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus
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(#245647) Verfasst am: 17.01.2005, 20:15 Titel: |
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Shadaik hat folgendes geschrieben: | Es ist ein Haufen Papier, eingefasst durch zwei Hartdekkel und mit einem Titel. Ergo ein Buch. |
Latürnich
_________________ Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren )
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#245668) Verfasst am: 17.01.2005, 20:53 Titel: |
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Mandingo hat folgendes geschrieben: | Deine Kategorisierung, Step, ist höchst problematisch, sowohl das Etikett als auch die Merkmal-Klammer |
Ja, wie ich bereits in dem von Dir gesnippten Satz andeutete. Bedenke, daß Du mit dem Kategorisieren begonnen hast. Mir ging es um die Herausstellung, daß nach Deiner Kategorisierung jemand abergläubisch und gleichzeitig kritisch-offen sein kann. Das ist aber - jedenfalls bezüglich einer Sache - mE nicht möglich.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | Bei Fundamentalisten bezieht sich das von dir genannte Merkmale "radikal" nur auf die Art der primitiven wörtlichen Übernahme und Übernahme alter Mythen in unsere Zeit, auch wenn das aktuelle Weltbild dabei platzt, ... |
"radikal" bezieht sich auch auf die typisch fundamentalistische Einstellung, der Zweck heilige die Mittel. Das geht von Kreuzzügen bis zur Kindstaufe und dem "Einüben von Gebetsgesten", wie die EKD ein Ziel des Religionsunterrichts definiert.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | ... ansonsten werden, um die Wörtlichkeit zu retten Widersprüche total "liberal" behandelt. |
Widersprüche ja, andere Meinungen aber nicht. Übrigens sehe ich zwischen Rosinenpicken (liberale Christen) und Widerspruchleugnen (radikale) keinen soo großen Unterschied.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | "Kuschelgläubige" ist ein typischer Ausdruck von Fundamentalisten. Du kategorisierst hier aus deren Perspektive. |
Eigentlich ja, aber der Ausdruck hat sich im FGH eingebürgert.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | Die von dir und den Fundamentalisten "liberal" genannten "Kuschelchristen" fordern meist eine radikale Ernstnahme der Bergpredigt, lehnen es radikal ab, Widersprüche zu harmonisieren und entscheiden sich "radikal" für einen der beiden Pole. |
Nein, sie nehmen weder das Liebesgebot noch die historischen und theologischen Inhalte der Bibel besonders ernst, sondern finden, daß es ein nettes Buch ist, irgendwie ist das Soziale ja nicht schlecht, und daß es nicht schaden kann, seine Kinder in den RU zu schicken, und vielleicht is ja doch irgendwas dran. Aber Sternzeichen und Buddhismus ist auch cool.
Du merkst schon: Du paßt in keine meiner Kategorien, und das ist auch Absicht: Von Deiner "Sorte" - jetzt mal nur aus Deinen postings geschlossen - gibt es nur wenige. Ein radikales, fundamentalistisches ethisches Gebot, ohne fundamentalistischen Überbau, das kommt nicht wirklich an.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | "Aberglauben" musst du ihnen erst einmal nachweisen. Wer weiß, dass Mythen Mythen sind und Gottesbilder verboten, ist Aberglauben nur schwer zugänglich. Allerdings verstehen Außenstehende seine Sprache oft nicht und nehmen sie wörtlich. |
Du bist sicher weniger abergläubisch als ein frommer Katholik, aber nur als Beispiel: auch die meisten liberalen Protestanten glauben, daß da oben ein Gott existiert, der die Welt geschaffen hat und bei dem die eigene Seele nach dem Tode weiterlebt. Das ist Aberglauben, denn nach derzeitigem Stand der Wissenschaft ist das Selbst, die Person mit dem Tod ausgelöscht.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | Man muss nicht ungläubig sein, um kritisch und progressiv zu sein. Es gibt genug Ungläubige, die an sich selbst so naiv glauben, ohne es zu merken, dass Kritik da keinen Platz hat. |
Das ist unlogisch: Letzteres ist richtig, aber wieso sollte es ein Beleg für ersteres sein?
Und ja, ich denke, man muss heute ungläubig sein, um kritisch und progressiv zu sein, jedenfalls in bezug auf das, was man klassischerweise religiösen Glauben nennt. Wer kritisch ist, muß heutzutage sagen: Es gibt nach derzeitigem Wissen nichts, das man Gott nennen könnte, das nicht entweder bereits entmystifiziert (naturalisiert) ist oder so abstrakt ist, daß man gar nichts darüber sagen kann.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | Etiketten sind leicht Wortgeklingel und Sprachspiel (siehe Wittgenstein), so wie in deinen Beispielen. |
Ja klar, das bringt uns nicht weiter. Wir sollten lieber über (hyp.) Fakten und ihre Erklärungen reden.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | Außerdem: Seit wann zählst du "Ungläubige" zur Religion? |
Ich habe sie auf einer virtuellen Skala der Religiösität bei Null platziert
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#245711) Verfasst am: 17.01.2005, 22:17 Titel: |
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Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | die Zahl der theistischen Agnostiker dürfte die der aufrechten Atheisten bei weitem übertreffen. |
Das bezweifle ich. Viele Christen sagen zwar, dass man Gott weder Beweisen noch wiederlegen könne. Das liegt aber meist eher daran, dass sie nicht wissen, was ein Beweis ist. Wenn man sie anders fragt, dann kommen sie dann doch oft mit den üblichen Beweisen für Gott.
Glaube an Gott ist ein weites Feld. Nehmen wir ein einfacheres Beispiel:
A: Warst du schon mal bei einer Geistheilerin?
B: Nein, natürlich nicht. Du glaubst den Blödsinn?
A: Sicher, man kann halt nicht alles Wissen und beweisen. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die die Wissenschaft nicht erklären kann. [ ... ]
Also ich bin davon voll überzeugt. Die Geistheilerin hat meine Magenverstimmung geheilt. Und auch alle meine Freunde haben nur gute Erfahrungen gemacht.
Die letzte Behauptung ist falsifizierbar. Die Wirkung eines Besuchs bei einer Geistheilerin ließe sich also beweisen. (In dem Sinne, in dem die Wirkung von Aspirin bewiesen ist, ontisch vs. epistemisch, yadda, yadda)
Der vorgespielte Agnostizimsus ist nur ein rhetorisches Vehikel, das erfahrungsgemäß bewirkt, dass beide Seiten das Thema wechseln, oder einen Kaffee trinken gehen.
Mandingo hat folgendes geschrieben: | modorok hat folgendes geschrieben: | ...Vornehmlich christliche Staaten(wo der Glaube ernster genommen wird als hier im katholischen Österreich) wollen sie wieder einführen oder haben sie noch. |
Im Sowjetbereich, in dem der Atheismus blühte, gab es überall die Todesstrafe.
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Russland hatte nach dem Fall der Sowjetunion nicht mehr Atheisten als Österreich heute und viel weniger als Frankreich. Und dabei vielen sehr viele islamische Gebiete noch weg, was die Statistik in Russland zugunsten des Atheismus verfälscht. Von einem blühenden Atheismus kann keine Rede sein.
In China gilt in etwa das gleiche. Die Regierung hat die Bevölkerung zu Atheisten erklärt. Das heißt aber wenig. Internationale atheistische Webseiten werden von China sogar geblockt!
narziss hat folgendes geschrieben: |
Im Wahlhampf stellte sich der papst gegen Kerry, obwohl dieser, anders als Bush die Todesstrafe abschaffen wollte. Und gegen die UN-Resolution die Straffreiheite für Homosexuelle vorsah stellte sich der Vatikan ebenfalls. |
Kerry befürwortete allerdings die Todesstrafe gegen Terroristen.
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#245744) Verfasst am: 17.01.2005, 23:16 Titel: |
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Mandingo hat folgendes geschrieben: |
Humanismus kann ich wunderbar aus der christlichen Lehre ableiten,
wie es Erasmus von Rotterdam u.v.a. taten.
Auch die pickten sich die Rosinen heraus, weil sie kluge Leute waren. |
Kurioserweise ist gerade Erasmus Textus Receptus die Grundlage der schlimmsten Bibelfundamentalisten.
Nach welchen Kriterien suchst du die Rosinen eigentlich aus? Du hast uns hier einige Bibelstellen zitiert und uns das, was dir gefällt fett herausgestrichen. Warum sollten wir gerade diese Stellen als gute Rosinen, also als gute Aussagen akzeptieren?
Amerikanische Christen suchen sich da zuweilen ganz andere Rosinen aus. Kirchen, die eine dir nahestehende Theologie vertreten (Unitarians, Anglikans) verlieren Mitglieder wie ein leckgeschlagener Tanker an Öl. Die rechten Kirchen legen hingegen zu. Deine Sichtweise hält also am freien Markt der Religionen, der in den USA existiert, nicht stand. Ist Popularität ein Kriterium?
Jesus der Kapitalist
Auch diese Leute picken Rosinen. Sie sehen Jesus Christus als gestanden Mann aus der gehobenen Mittelschicht (Tischler), nicht als Obdachlosen und Asketen. Ein Kolumnist der Minneapolis Times wurde sogar angefeindet, weil er, wie hierzulande sehr beliebt, zu Weihnachten die Geschichte um Josef und Maria in Bethlehem dazu nutzte auf das Leid der Obdachlosen hinzuweisen. Josef und Maria seien niemals Obdachlos gewesen, genauso wie ein Tourist, der kein Hotel findet und daher irgendwo anders übernachtet auch nicht obdachlos war. Ich persönlich kann diese Sichtweise sogar unterschrieben. Ich hab' schon einige Male im freien oder in Autos übernachtet. Käme aber nicht auf die Idee deswegen eine besondere Verbundenheit mit Sandlern zu empfinden.....
Für die meisten Amerikaner ist Jesus weiters ein gestandener Marktwirtschaftler. Nimm alleine das Gleichnis mit dem Weinberg her:
Zitat: |
Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg.
Kapitel 20
20,1 Denn mit dem Reich der Himmel ist es wie mit einem Hausherrn, der frühmorgens ausging, um Arbeiter in seinen Weinberg einzustellen. 20,2 Nachdem er aber mit den Arbeitern um einen Denar den Tag übereingekommen war, sandte er sie in seinen Weinberg. 20,3 Und als er um die dritte Stunde ausging, sah er andere auf dem Markt müßig stehen; 20,4 und zu diesen sprach er: Geht auch ihr hin in den Weinberg, und was recht ist, werde ich euch geben. 20,5 Sie aber gingen hin. Wiederum aber ging er aus um die sechste und neunte Stunde und tat ebenso. 20,6 Als er aber um die elfte [Stunde] ausging, fand er andere stehen und spricht zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag müßig? 20,7 Sie sagen zu ihm: Weil niemand uns eingestellt hat. Er spricht zu ihnen: Geht auch ihr hin in den Weinberg. 20,8 Als es aber Abend geworden war, spricht der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Rufe die Arbeiter und zahle den Lohn, angefangen von den letzten bis zu den ersten. 20,9 Und als die um die elfte Stunde [Eingestellten] kamen, empfingen sie je einen Denar. 20,10 Als aber die ersten kamen, meinten sie, daß sie mehr empfangen würden; und auch sie empfingen je einen Denar. 20,11 Als sie den aber empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn 20,12 und sprachen: Diese letzten haben eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleich gemacht, die wir die Last des Tages und die Hitze getragen haben. 20,13 Er aber antwortete und sprach zu einem von ihnen: Freund, ich tue dir nicht unrecht. Bist du nicht um einen Denar mit mir übereingekommen? 20,14 Nimm das Deine und geh hin! Ich will aber diesem letzten geben wie auch dir. 20,15 Ist es mir nicht erlaubt, mit dem Meinen zu tun, was ich will? Blickt dein Auge neidisch, weil ich gütig bin? 20,16 So werden die Letzten Erste und die Ersten Letzte sein; denn viele sind Berufene, wenige aber Auserwählte. |
Zusammenfassung für Lesefaule: Ein Winzer braucht Tagelöhner und engagiert welche für einen Denar. Später während des Tages kommt er drauf, dass er mehr Arbeiter benötigt und holt neue nach, um den gleichen Lohn. Die Arbeiter, die den ganzen Tag durch arbeiten mussten beklagen sich, dass die anderen den gleichen Lohn bekommen. Der Winzer pocht auf das Vertragsrecht und auf sein Eigentumsrecht.
Eine soziale Lösung ist das nicht, sondern eine streng kapitalistische. Besser wäre IMHO gewesen, denjenigen, die mehr arbeiten mussten, einen leichteren Job für die Zukunft in Aussicht zu stellen. Aber darüber kann man streiten ....
Weiters gibt es noch Jesus Terroranschlag auf den Tempel. Hier kann "die andere Wange hinhalten" relativiert werden. Das wird von amerikanischen Christen wirklich so verwendet, auch um Menschenrechtsverletzungen zu legitimieren.
Nächstenliebe im Kontext des Jenseitsglaubens
Wie man das Gebot zur Nächstenliebe verdrehen kann? Das geht ganz einfach, Mandingo. Sieh dir einmal an was Muslim und Mandy hier im Forum geschrieben haben. Die beiden vertreten eine enorm jenseitsgewandte Sichtweise, die es im Christentum fast gar nicht mehr gibt; auch nicht im amerikanischen. Wenn also alle Ungläubigen unaufhörliche Folter erwartet, dann muss man doch aus Nächstenliebe heraus dafür sorgen, dass so vielen (Nächsten) wie möglich diese Folter erspart bleibt. Was also, wenn ein ungläubiger Redner die Schäfchen auf Irrwege führt, also sie der Gefahr der Höllenfolter aussetzt? Dann befiehlt die Nächstenliebe diesen Redner mit allen Mitteln mundtot zu machen. Da der Ungläubige ohnehin ewig gefoltert werden wird, ist alles, was man ihm hier im Diesseits antun könnte, vernachlässigbar.
So hat mW Thomas Aquinas argumentiert und den Todesstrafe für Ungläubige gefordert. Sein islamischer Zwillingsbruder Al-Ghazali tat das Gleiche und war der Ansicht, dass der Unglaube das schlimmste aller Verbrechen sei.
Zuletzt bearbeitet von Sokrateer am 18.01.2005, 14:35, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#245746) Verfasst am: 17.01.2005, 23:22 Titel: |
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@Mandingo:
Bist du eigentlich der Ansicht, dass deine Interpretation von den Autoren der Bibel (wer auch immer das war) gewollt, bzw. geplant war?
Was ist mit den anderen Interpretationen? Es gibt zum Beispiel Veganer, die behaupten, dass Jesus den Veganismus predigte. War auch das von den Autoren geplant?
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#245754) Verfasst am: 17.01.2005, 23:36 Titel: |
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Ich würde gerne diesen Thread teilen. Der Großteil hat nichts mehr mit dem Ursprungsthema zu tun. So wird er von möglicherweise Interessierten übersehen.
Mein Vorschlag für eine neue Thread-Überschrift: "Liberale Theologie in Theorie und Praxis"
Einwände?
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Leony gottlos
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 3674
Wohnort: Aufklärung und Kritischer Rationalismus
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(#245793) Verfasst am: 18.01.2005, 00:38 Titel: |
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Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Ich würde gerne diesen Thread teilen. Der Großteil hat nichts mehr mit dem Ursprungsthema zu tun. So wird er von möglicherweise Interessierten übersehen. |
Keine Einwände.
Sokrateer hat folgendes geschrieben: | Mein Vorschlag für eine neue Thread-Überschrift: "Liberale Theologie in Theorie und Praxis"
Einwände?
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Als "liberale Theologie" bezeichnet mein Lexikon eine theologische Richtung des 19. Jahrhunderts.
Ich glaube kaum, dass darin so viel von Entmythologisierung die Rede war;
diesen Begriff prägte der protestantische Theologe Rudolf Bultmann (1884-1976).
Ich nehme an, dass die liberale Theologie auch sonst eher dem ähnelte,
was ich in den 60er Jahren in der Kirche zu hören bekam.
Da wurde zwar so manches gutbürgerlich glattgebügelt,
aber ein derart bewusstes Rosinen-Herauspicken wie bei Mandingo gab es nicht.
Ich würde vorschlagen:Bibelinterpretation - die Rosinen herauspicken?
_________________ Gruß, Leony (Gott losgeworden vor vielen Jahren )
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Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#245804) Verfasst am: 18.01.2005, 01:11 Titel: |
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Leony hat folgendes geschrieben: |
Als "liberale Theologie" bezeichnet mein Lexikon eine theologische Richtung des 19. Jahrhunderts.
Ich glaube kaum, dass darin so viel von Entmythologisierung die Rede war;
diesen Begriff prägte der protestantische Theologe Rudolf Bultmann (1884-1976).
Ich nehme an, dass die liberale Theologie auch sonst eher dem ähnelte,
was ich in den 60er Jahren in der Kirche zu hören bekam.
Da wurde zwar so manches gutbürgerlich glattgebügelt,
aber ein derart bewusstes Rosinen-Herauspicken wie bei Mandingo gab es nicht. |
Okay. Ich habe Mandingo's Theologie im Titel kurzerhand als "postliberal" bezeichnet. Ändern können wir es ja immer noch.
Leony hat folgendes geschrieben: | Ich würde vorschlagen:Bibelinterpretation - die Rosinen herauspicken? |
Der Titel war mir zu spezifisch. Es wurde und wird sicher auch anderes diskutiert.
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