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Mark_M selektiver Wiederaufnahmehemmer
Anmeldungsdatum: 14.06.2006 Beiträge: 582
Wohnort: München
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(#549533) Verfasst am: 23.08.2006, 10:55 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Gibt es aber diesen Unterschied, sehe ich den anderen als Persönlichkeit, als autonomes Wesen, dem Rechte zustehen, dann folgt für mich daraus gleichzeitig, dass er die Verantwortung für seine willentlichen Taten hat und daher auch schuldhaft handeln kann. |
Richtig. Was einige nicht zu bedenken scheinen ist, dass die Forderung nach Verbannung solcher Kategorien wie "Schuld", "Strafe", "Vergeltung" etc. aus unserem sozialen Leben nur dann konsequent ist, wenn auch deren Gegensätze, nämlich "Verdienst", "Lohn", "Dankbarkeit" etc. gleich mit verbannt werden. Wenn man beim Aufräumen gründlich vorgeht, gibt es am Ende nur noch eine sinnvolle Einstellung gegenüber anderen Menschen und ihren Taten: gar keine Einstellung. Metaphysisch oder ontologisch gedacht mag das ja auch richtig sein, aber eine dem Menschen gemäße Praxis, ein Gemeinschaftswesen, dürfte sich darauf kaum gründen lassen. |
jupp das glaub ich auch. wir sind menschen und was wir uns an emotionalen eigenheiten nehmen, macht uns nicht mehr sondern weniger zu menschen. das ist so wie wenn man einem spiel alle regeln nehmen würde (so wie in der waldorfschule...) , da macht das spielen auch keinen spaß mehr... aber wenigstens gibts keine verlierer und gewinner mehr...? ist auch doof. mensch sein heisst auch ungerecht und unlogisch sein wollen.
_________________ Gelobt sei der grosse und allbarmherzige Bananenaufhänger der uns die Früchte in die Bäume hängt !!!
Was wir morgen Abend machen , Pinky ? Dasselbe wie jeden Abend natürlich !
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#549558) Verfasst am: 23.08.2006, 11:37 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | Was einige nicht zu bedenken scheinen ist, dass die Forderung nach Verbannung solcher Kategorien wie "Schuld", "Strafe", "Vergeltung" etc. aus unserem sozialen Leben nur dann konsequent ist, wenn auch deren Gegensätze, nämlich "Verdienst", "Lohn", "Dankbarkeit" etc. gleich mit verbannt werden. |
Da ist sicher was dran - aber mehr auch nicht. Ich stimme insofern zu, als auch positiv-absolute Kategorien fragwürdig sind. Genauso wie eine absolute Schuld unhaltbar ist, gilt dies auch für einen absoluten Verdienst. Und ebenso wie ich dagegen bin, aus Gründen der Generalprävention eine abschreckend drakonische individuelle Strafe zu verhängen, bin ich auch dagegen, aus Gründen der Generalmotivation eine drakonisch hohe individuelle Belohnung zu vergeben.
Was bleibt also? "Virtuelle Konten" mit Vertrauenspunkten und entsprechender Verantwortungszumessung. Im Zwischenmenschlchen funktioniert es ja eh meist auf diese Weise. Wenn jemand sich also als sehr verläßlich erweist (bspw. anderen hilft usw.), bekommt er tendenziell mehr Verantwortung (Rechte und Pflichten).
Genauso wie bei Delikten kann es auch im postiven Fall einen Täter-Opfer-Ausgleich geben, also sozusagen einen Täter-Nutznießer-Ausgleich. Diese Art von Dankbarkeit ist für mich eher das Gegenstück zu "Verletzung" im Deliktfall, d.h. durch Ausgleich könnte man
- im Deliktfall demonstrieren, daß man Vertrauen zurückgewinnen möchte
- im positiven Fall demonstrieren, daß man die Handlung des Wohltäters wertschätzt und nicht nur ausnutzt
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Wenn man beim Aufräumen gründlich vorgeht, gibt es am Ende nur noch eine sinnvolle Einstellung gegenüber anderen Menschen und ihren Taten: gar keine Einstellung. Metaphysisch oder ontologisch gedacht mag das ja auch richtig sein, aber eine dem Menschen gemäße Praxis, ein Gemeinschaftswesen, dürfte sich darauf kaum gründen lassen. |
So weit würde ich - jedenfalls beim jetzigen Menschen - nicht gehen, und zwar deswegen weil die spieltheoretischen Aspekte beim jetzigen Menschen sehr stark mit den genetisch und soziobiologisch verankerten Aspekten verwoben sind, u.a. weil das menschliche Bewußtsein eine sehr starke "Hardware-Anbindung" hat (Hormonsystem, Instinkte und dgl.). Eine rein spieltheoretische (oder zumindest stärker unabhängige) Verhaltensweise wäre mE nur möglich, wenn man das Bewußtsein stärker vom Körper trennt.
Deswegen denke ich, daß man Zugeständnisse an die menschlichen Eigenschaften machen muß, und beschränke meine Forderungen daher zum jetzigen Zeitpunkt auf eine Bewußtmachung der Zusammenhänge und einen Abbau der aus meiner Sicht schlimmsten Auswüchse (Rache, Schuld- und Sühne-Prinzip, drakonische Abschreckungsstrafen usw.).
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#549653) Verfasst am: 23.08.2006, 15:03 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Eine rein spieltheoretische (oder zumindest stärker unabhängige) Verhaltensweise wäre mE nur möglich, wenn man das Bewußtsein stärker vom Körper trennt. |
Was ja schon beinahe christlich anmuten würde.
step hat folgendes geschrieben: | Deswegen denke ich, daß man Zugeständnisse an die menschlichen Eigenschaften machen muß, und beschränke meine Forderungen daher zum jetzigen Zeitpunkt auf eine Bewußtmachung der Zusammenhänge und einen Abbau der aus meiner Sicht schlimmsten Auswüchse (Rache, Schuld- und Sühne-Prinzip, drakonische Abschreckungsstrafen usw.). |
OK, wobei "drakonische Abschreckungsmaßnahmen" natürlich eine Frage der Definition ist. Der Mörder aus Texas wäre über 15 Jahre deutsches Gefängnis als wohl nicht allzu unglücklich. Zumal das Wort Abschreckung auch leicht missverstanden werden kann. Bestraft wird, wer sich nicht an die Spielregeln hält. Gar nicht primär um eine Einzelfallabschreckung zu erreichen, sondern weil die Spielregeln ansonsten jegliche Autorität einbüßten (innerhalb des Spiels ist allerdigs jeder frei. - das ist eine Grundidee der rechtsstaatlichen Demokratie). Der Begriff Pflicht ist nur im Zusammenhang mit Strafe im Falle der Pflichtverletzung sinnvoll. Eine Pflicht die im Übertretungsfall keine Konsequenzen nach sich zieht, kann man sich schenken. Imperative sind immer hypothetisch, niemals kategorisch.
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Mark_M selektiver Wiederaufnahmehemmer
Anmeldungsdatum: 14.06.2006 Beiträge: 582
Wohnort: München
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(#549723) Verfasst am: 23.08.2006, 16:24 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Eine rein spieltheoretische (oder zumindest stärker unabhängige) Verhaltensweise wäre mE nur möglich, wenn man das Bewußtsein stärker vom Körper trennt. |
Was ja schon beinahe christlich anmuten würde.
step hat folgendes geschrieben: | Deswegen denke ich, daß man Zugeständnisse an die menschlichen Eigenschaften machen muß, und beschränke meine Forderungen daher zum jetzigen Zeitpunkt auf eine Bewußtmachung der Zusammenhänge und einen Abbau der aus meiner Sicht schlimmsten Auswüchse (Rache, Schuld- und Sühne-Prinzip, drakonische Abschreckungsstrafen usw.). |
OK, wobei "drakonische Abschreckungsmaßnahmen" natürlich eine Frage der Definition ist. Der Mörder aus Texas wäre über 15 Jahre deutsches Gefängnis als wohl nicht allzu unglücklich. Zumal das Wort Abschreckung auch leicht missverstanden werden kann. Bestraft wird, wer sich nicht an die Spielregeln hält. Gar nicht primär um eine Einzelfallabschreckung zu erreichen, sondern weil die Spielregeln ansonsten jegliche Autorität einbüßten (innerhalb des Spiels ist allerdigs jeder frei. - das ist eine Grundidee der rechtsstaatlichen Demokratie). Der Begriff Pflicht ist nur im Zusammenhang mit Strafe im Falle der Pflichtverletzung sinnvoll. Eine Pflicht die im Übertretungsfall keine Konsequenzen nach sich zieht, kann man sich schenken. Imperative sind immer hypothetisch, niemals kategorisch. |
ja sehen wirs doch auch wie es ist : mit den menschen wie sie aktuell auf der erde leben (und nicht wie sie in im jahr 2532 in der startrek-föderation aussehen könnten) ist damit zu rechnen daß das absolute chaos ausbricht wenn der staat keine strafen mehr androhen würde.
wie ist es denn in der kindererziehung ? man darf sie zwar nicht schlagen, aber ohne strafen ein kind erziehen ? was soll/kann/wird aus dem kind werden ?
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#549739) Verfasst am: 23.08.2006, 16:43 Titel: |
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Mark_M hat folgendes geschrieben: | wie ist es denn in der kindererziehung ? man darf sie zwar nicht schlagen, aber ohne strafen ein kind erziehen ? was soll/kann/wird aus dem kind werden ? |
Auch in der Kindererziehung sind Strafen so ziemlich das schlechteste Erziehungsmittel überhaupt. Bei meinen Kindern komme ich jedenfalls ziemlich gut ohne aus.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
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(#549959) Verfasst am: 23.08.2006, 20:44 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Eine rein spieltheoretische (oder zumindest stärker unabhängige) Verhaltensweise wäre mE nur möglich, wenn man das Bewußtsein stärker vom Körper trennt. | Was ja schon beinahe christlich anmuten würde. |
Das überrascht mich - war es doch eher technokratisch gemeint. Auch Religionen und generell unsere Neigung zur Irrationalität scheinen mir übrigens mit dieser starken Körperbindung zusammenzuhängen.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#549962) Verfasst am: 23.08.2006, 20:50 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Mark_M hat folgendes geschrieben: | wie ist es denn in der kindererziehung ? man darf sie zwar nicht schlagen, aber ohne strafen ein kind erziehen ? was soll/kann/wird aus dem kind werden ? |
Auch in der Kindererziehung sind Strafen so ziemlich das schlechteste Erziehungsmittel überhaupt. Bei meinen Kindern komme ich jedenfalls ziemlich gut ohne aus. |
Das kann ich nur unterstreichen! Wenn Strafen überhaupt funktionieren, dann nur auf niedriger Konditionierungsebene. Nach meiner Erfahrung heißen die Zutaten:
- Zuwendung (emotional, intellektuell)
- Offenheit/Ehrlichkeit von Beginn an
- Vorbild sein, Fehler zugeben
- Kinder als vollwertige Menschen ansehen und so mit ihnen umgehen
- keine Gewalt, keine Machtdemonstration
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Ermanameraz auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.05.2006 Beiträge: 3932
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(#549996) Verfasst am: 23.08.2006, 21:33 Titel: |
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Vollkommen absurd anzunehmen, Determinismus habe irgendwas mit Atheismus zu tun. Im Gegenteil. Religiöse Positionen beanspruchen häufig Propheten und dergleichen. Im Übrigen versteht jeder, der sich etwas mit der Chaostheorie und Quantenmechanik auskennt, dass Determinusmus vollkommener Quatsch ist. Ein typisches Beispiel für Atheismus mit dem ich nichts zu tun haben will und der im Grunde mit heidnischem Aberglauben gleichzusetzen ist.
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Mark_M selektiver Wiederaufnahmehemmer
Anmeldungsdatum: 14.06.2006 Beiträge: 582
Wohnort: München
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(#550311) Verfasst am: 24.08.2006, 12:06 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Mark_M hat folgendes geschrieben: | wie ist es denn in der kindererziehung ? man darf sie zwar nicht schlagen, aber ohne strafen ein kind erziehen ? was soll/kann/wird aus dem kind werden ? |
Auch in der Kindererziehung sind Strafen so ziemlich das schlechteste Erziehungsmittel überhaupt. Bei meinen Kindern komme ich jedenfalls ziemlich gut ohne aus. |
bist Du Dir da wirklich sicher ? gibt es für die kinder keinerlei repressalien bei zuwiderhandlungen ? fernsehverbot ? stubenarrest ? aufräumen müssen ?
wie setzt Du abschreckende akzente ?
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Mark_M selektiver Wiederaufnahmehemmer
Anmeldungsdatum: 14.06.2006 Beiträge: 582
Wohnort: München
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(#550314) Verfasst am: 24.08.2006, 12:08 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | kolja hat folgendes geschrieben: | Mark_M hat folgendes geschrieben: | wie ist es denn in der kindererziehung ? man darf sie zwar nicht schlagen, aber ohne strafen ein kind erziehen ? was soll/kann/wird aus dem kind werden ? |
Auch in der Kindererziehung sind Strafen so ziemlich das schlechteste Erziehungsmittel überhaupt. Bei meinen Kindern komme ich jedenfalls ziemlich gut ohne aus. |
Das kann ich nur unterstreichen! Wenn Strafen überhaupt funktionieren, dann nur auf niedriger Konditionierungsebene. Nach meiner Erfahrung heißen die Zutaten:
- Zuwendung (emotional, intellektuell)
- Offenheit/Ehrlichkeit von Beginn an
- Vorbild sein, Fehler zugeben
- Kinder als vollwertige Menschen ansehen und so mit ihnen umgehen
- keine Gewalt, keine Machtdemonstration |
eine zu erwartende emotionale enttäuschung Deinerseits ist doch aber auch für die kinder wie eine strafandrohung, oder ? sie wissen, daß es Dich schmerzt wenn sie Unsinn anstellen.
das ist gewiss die beste methode die kinder zu mitfühlenden menschen zu erziehen, aber auchhier herrscht das prinzip von strafandrohung (liebesentzug)
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#550465) Verfasst am: 24.08.2006, 14:22 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Auch in der Kindererziehung sind Strafen so ziemlich das schlechteste Erziehungsmittel überhaupt. Bei meinen Kindern komme ich jedenfalls ziemlich gut ohne aus. |
Kann ich nichts zu sagen, da ich selber keine Kinder habe. Was mich irritiert ist allerdings das Wörtchen "auch". Denn für mich ist Erziehung überhaupt nur in Bezug auf Kinder gerechtfertigt. Die Aufgabe des demokratischen Staates ist es nicht, seine Bürger zu erziehen, sondern, vermöge einer repräsentativen Legislative, das Zusammenleben bestimmten Regeln zu unterstellen und diese mittelst der Exekutive durchzusetzen. Das Strafprinzip ist kein Erziehungsinstrument, sondern notwendiges Werkzeug zur Durchsetzung dieser Regeln. Es ist gar nicht erforderlich, dass die Gesetze von allen gewollt oder als sinnvoll anerkannt werden. Es kommt nur darauf an, dass sie eingehalten werden. Ich wüsste nicht, wie das ohne Strafandrohung funktionieren sollte.
step hat folgendes geschrieben: | Das überrascht mich - war es doch eher technokratisch gemeint. Auch Religionen und generell unsere Neigung zur Irrationalität scheinen mir übrigens mit dieser starken Körperbindung zusammenzuhängen. |
Das Christentum hat allerdings durchaus philosophische Vorläufer. Vor allem der Platonismus ist hier zu nennen. Platons "reiner Geist" fand als "Primat des Logos" Eingang in die christliche Theologie. U.a. daraus erklärt sich wohl auch die christliche Verachtung des Leibes, der die Ursache aller triebhaften Versuchungen, denen es zu widerstehen gelte, sei.
Die Idee einer instinktlosen Vernunft ist allerdings ebenso töricht wie die umgekehrte Version. Instinkt ohne Vernunft ist blind und führt zu Anarchie und Chaos, Vernunft ohne Instinkt ist blutleer und führt zu Welt- und Lebensnegation. Es gilt das richtige Maß zu finden. Erst das perfekte Zusammenspiel von Apoll und Dionysos ermöglicht "hohe Kultur".
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
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(#550472) Verfasst am: 24.08.2006, 14:28 Titel: |
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Erminamerjaz hat folgendes geschrieben: | Vollkommen absurd anzunehmen, Determinismus habe irgendwas mit Atheismus zu tun. Im Gegenteil. Religiöse Positionen beanspruchen häufig Propheten und dergleichen. Im Übrigen versteht jeder, der sich etwas mit der Chaostheorie und Quantenmechanik auskennt, dass Determinusmus vollkommener Quatsch ist. Ein typisches Beispiel für Atheismus mit dem ich nichts zu tun haben will und der im Grunde mit heidnischem Aberglauben gleichzusetzen ist. |
Komplett daneben geschossen, hast den Thread wohl gar nicht gelesen?
Es ging in dieser Diskussion überhaupt nicht darum, ob das Universum vollständig deterministisch ist, also genauer gesagt um die Frage, ob sich (zumindest prinzipiell) aus einem vollständigen Schnappschuss des Universum zum Zeitpunkt t ein beliebiger Schnappschuss zum Zeitpunkt (t+x) berechnen lässt. Angesichts der Tatsache, dass wir Quantenphänomene nur noch mit Wahrscheinlichkeiten beschreiben können, sieht es wohl derzeit so aus, als wäre das nicht der Fall, und mangels der Fähigkeit, vollständige Schnappschüsse zu erfassen und damit zu rechnen, ist es uns auch praktisch unmöglich.
In dieser Diskussion ging es vielmehr darum, dass die Vorgänge im Gehirn, die unser Bewusstsein und unsere Entscheidungen hervorbringen, deterministisch sind, so dass ein von Naturgesetzen und Kausalität "freier Wille" nicht möglich ist. Ob der Quantenzufall diese Prozesse teilweise beeinflusst ist dafür auch völlig unerheblich, denn dadurch würden unsere Entscheidungen auch nicht "freier", sondern nur zufälliger und ggf. chaotischer.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
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(#550522) Verfasst am: 24.08.2006, 15:21 Titel: |
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Mark_M hat folgendes geschrieben: | bist Du Dir da wirklich sicher ? |
Na logo.
Mark_M hat folgendes geschrieben: | gibt es für die kinder keinerlei repressalien bei zuwiderhandlungen ? fernsehverbot ? stubenarrest ? aufräumen müssen ? |
Nein. Natürlich versuche ich den Fernsehkonsum meiner Kinder in vernünftigen Grenzen zu halten, und gelegentlich motiviere ich sie auch zum Aufräumen. Ich verwende dies jedoch niemals als Maßnahme um ein anderes Fehlverhalten zu sanktionieren.
Mark_M hat folgendes geschrieben: | wie setzt Du abschreckende akzente ? |
Gar nicht. Meistens reicht es aus, freundlich um das zu bitten, was ich von ihnen möchte, wobei ich mich natürlich auf solche Bitten beschränke, die ihrer Fähigkeit zu Verständnis und Selbstkontrolle angemessen sind. Ich versuche bei Nichtbefolgen an ihre Vernunft oder an ihre Gefühle zu appellieren, z.B. indem ich deutlich mache, wenn ich besorgt oder enttäuscht bin, oder indem ich zeige, dass meine Belastungsfähigkeit erschöpft ist. Damit appelliere ich letztlich an ihr Einfühlungsvermögen mir gegenüber.
Mark_M hat folgendes geschrieben: | [...] aber auchhier herrscht das prinzip von strafandrohung (liebesentzug) |
Nein, da bestehen wesentliche Unterschiede. Ich kann Enttäuschung, Sorge und Erschöpfung zeigen, ohne deshalb meine Zuneigung zu entziehen, und es ist auch sehr wichtig, diesen Unterschied jederzeit deutlich zu machen. Außerdem bedeutet Strafe, dass man willkürliche (also aus dem Fehlverhalten nicht natürlicherweise folgende) Sanktionen verhängt. Das ist es im Wesentlichen, was step mit "Machtdemonstration" meint: man lässt das Kind spüren, dass man jederzeit die Macht hat, den eigenen Willen mit Zwangsmaßnahmen durchzusetzen.
Lies dir mal den Text "Erziehen ist gemein" durch, der zeigt auch an Beispielen, worauf ich ungefähr hinaus will. (Der Text ist kritikwürdig, weil er einen aus heutiger Sicht verengten Erziehungsbegriff angreift, aber wenn man von diesem Streit um Begrifflichkeiten absieht, wird das angestrebte Prinzip doch deutlich.)
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
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(#550548) Verfasst am: 24.08.2006, 15:50 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Auch in der Kindererziehung sind Strafen so ziemlich das schlechteste Erziehungsmittel überhaupt. Bei meinen Kindern komme ich jedenfalls ziemlich gut ohne aus. |
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Kann ich nichts zu sagen, da ich selber keine Kinder habe. Was mich irritiert ist allerdings das Wörtchen "auch". Denn für mich ist Erziehung überhaupt nur in Bezug auf Kinder gerechtfertigt. |
Das sehe ich etwas anders, was auch daran liegt, dass Erziehung von Kindern für mich eine Bedeutung hat, die vom traditionellen Verständnis abweicht. (Siehe dazu den letzten Absatz meines vorangehenden Beitrags.)
Eher meine ich, dass der Umgang mit Kindern letztlich von der gleichen Art sein sollte, wie der Umgang von Erwachsenen miteinander, und dabei halte ich es für normal und gerechtfertigt, das Verhalten von Mitmenschen in Richtung größerer Sozialverträglichkeit zu beeinflussen. Lediglich die Feinabstimmung der Methoden wird bei Kindern und Erwachsenen dem jeweiligen Entwicklungsstand entsprechend unterschiedlich ausfallen.
Um es etwas plakativ zu illustrieren: wenn ich auf der Straße jemanden antreffe, der sich äußerst mies benimmt, z.B. indem er sein Kind anschreit und herunterputzt, oder einen Migranten blöd anmacht, dann sehe ich mich in der Pflicht, mein Missfallen deutlich zu machen und dem Betroffenen Rückhalt zu zeigen. Ähmliches gilt auch gegenüber Kindern: wenn ein fremdes Kind sich mir oder anderen gegenüber unangebracht verhält, dann setze ich meine Grenzen selber durch, ich überlasse das also weder dem Eingreifen der Eltern, noch interessiert es mich, ob die Eltern das Verhalten ihres Kindes überhaupt für korrekturwürdig halten.
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Die Aufgabe des demokratischen Staates ist es nicht, seine Bürger zu erziehen, sondern, vermöge einer repräsentativen Legislative, das Zusammenleben bestimmten Regeln zu unterstellen und diese mittelst der Exekutive durchzusetzen. |
Auch das sehe ich anders. Die staatlichen Sanktionen sollten die letzten Erziehungsmittel sein, die wir für diejenigen benötigen, die über normale soziale Interaktion nicht mehr zu verträglichem Verhalten gebracht werden können.
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Ermanameraz auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.05.2006 Beiträge: 3932
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(#550577) Verfasst am: 24.08.2006, 16:14 Titel: |
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Oh.. hoppla
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Deus ex Machina registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.03.2006 Beiträge: 789
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(#550602) Verfasst am: 24.08.2006, 16:36 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Dumm gefragt: Woher, wenn nicht aus dem Unterbewusstsein (was für mich auch den Sinnesapparat miteinschliesst) sollen denn die Bewusstseinsinhalte kommen? |
[...]Denkt man die angeblichen und auch hier immer wieder vertretenen Schlussfolgerungen aus dem Libet-Experiment zu Ende, dann bedeutet das, dass das Bewusstsein lediglich das ausführende Organ des Unterbewusstseins wäre. Verallgemeinert man die Ergebnisse auf alle Entscheidungen, dann wären eben alle diese Entscheidungen im Vorneherein vom Unterbewusstsein getroffen worden und das Bewusstein wäre lediglich eine nutzlose Instanz, ein reiner Beobachter, der sich selber aber eine Entscheidungsfreiheit in die Tasche lügt. Das erscheint mir aber aus verschiedenen Gründen unwahrscheinlich zu sein. Wozu wäre dann das Bewusstsein überhaupt erst evolutionär entstanden? Es wäre sozusagen der Blinddarm der Gehirnfunktionen. |
Eigentlich finde ich es bedauerlich, dass wir uns jetzt von Steps Konzept weg wieder den Grundbegriffen zuwenden. Aber natürlich habe ich daran auch eine gewisse Mitschu... äh... habe ich auch dazu beigetragen.
Es geht mir weniger um die zeitliche Abfolge von unbewusster und bewusster Handlungsentscheidung und neuronaler Auslösung der entsprechenden Handlung (worum es ja im Libet-Experiment geht), als um die eigentlich triviale Feststellung, dass eben jeder Bewusstseinsinhalt seine Ursache letztlich im Unterbewusstsein haben muss. "Wenn aber, wie einige Wissenschaftler aufgrund von Libets Experimenten behaupten, das Unterbewusstein komplett das Bewusstsein steuern würde, dann hätte ich Probleme mit meiner Auffassung von Persönlichkeit und das würde meiner Auffassung von Willensfreiheit widersprechen." Das würde ich eben auch ohne die Erkenntnisse des Libet-Experimentes so sehen. Natürlich gibt es auch Rückkoppelungen aus dem Bewusstsein ins Unterbewusstsein, bei komplexen Problemstellungen, sozialen Interaktionen, vorausschauendem Handeln usw.
Ich bemühe mich mal um eine anschauliche Darstellung: Stell dir vor, auf einer Bühne befinden sich hinter einem Vorhang, also unsichtbar, Pupenspieler, die über Fäden sich vor dem Vorhang befindende Pupen steuern. Dies tun sie aufgrund von verschiedenen Regieanweisungen und Inputs, die sie von ausserhalb erhalten, aber auch aufgrund von Absprache untereinander. Zwar ist es auch möglich, dass einer der Puppenspieler sich von dem, was die Pupe eines anderen Spielers vorführt, beeinflussen lässt. Dennoch wäre es doch richtig zu sagen, dass die Bewegungen der Pupen komplett von den Spielern gesteuert werden.
Zitat: | Der Grundsatz "keine Strafe ohne Schuld" besagt aber etwas anderes. Schuld kann man nur für Handlungen haben, die man bewusst und in Kenntnis der Normverletzung durchgeführt hat. Deine Beschreibung ist hingegen viel allgemeiner. Nach Deiner Begründung könnte auch jemand für eine Normverletzung, für die er nichts kann (z.B. unter Hypnose) zur Rechenschaft gezogen werden. |
Das ist aber trivial. Für Handlungen, die unbewusst oder in Unkenntnis der Normverletzung durchgeführt wurden ist Bestrafung deshalb sinnlos, weil sie dann auch keine abschreckende Wirkung hat. Eine Bestrafung für jemanden, der unter Hypnose stand oder unter Tourette leidet liesse sich, wenn überhaupt, dann höchstens mit einem nach Vergeltung rufenden Schuldbegriff legitimieren. Insofern sehe ich das von dir Beschriebene durch eine Ablehnung des Schuldbegriffes eher bekräftigt als widerlegt.
Zitat: | Vielleicht könntest Du mal konkret anhand von Beispielen die Unterschiede aufzeigen, die sich ergeben, wenn man Deine Vorstellungen ins Strafrecht umsetzt. Was wäre anders als heute? |
Ich verweise höflich auf das Ende des Postings.
Ich verstehe wiederum nicht, was und warum sich für dich ändern würde, wenn sich die weitestgehenden Schlussfolgerungen aus dem Libet-Experiment bewahrheiten würden.
Auf den ersten Blick ist die Tatsache (so sie denn eine ist), dass unsere Handlungen ausgelöst werden, bevor wir einen bewussten Willen verspüren, schockierend. Auf den zweiten Blick, habe ich das Gefühl, hat sie überhaupt keine Konsequenzen.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Es gibt nach Deinem Konzept keine im Vorneherein festgelegten Sanktionen. [...] |
Es ist doch heute schon so, dass man bei geringerer Rückfallgefahr eine Strafe eher zur Bewährung aussetzt. Ich sehe da keinen prinzipiellen Unterschied. |
Die heute praktizierte Straftheorie basiert auf Spezialprävention, Generalprävention und Vergeltung. Ohne den Baustein Vergeltung gäbe es weder eine Mindeststrafe noch eine Höchststrafe. Falls doch, wäre ich auf die Begründung gespannt. |
Weil man ansonsten nicht wüsste, wie man das Strafmass festlegen soll, führen wir den Vergeltungsgedanken ein... Non sequitur.
Erkläre mir erstens bitte, wie sich aufgrund des Vergeltungsgedankens das Strafmass festlegen lässt. Auge um Auge? Einen mehrfachen Gewalttäter verprügeln? Nein, doch nicht. Also: Welche Strafe ist für jemanden, der aus versicherungstechnischen Gründen sein Haus abfackelt, auf Grund der Vergeltungsidee angemessen? In welchem Verhältnis müssen Straftat und Strafmass hier stehen?
Zweitens finde ich es reichlich inhuman, ein Justitzsystem auf Vergeltung (=Rache) aufzubauen, zumal das auch etwas ist, was sich, so wie ich das sehe, höchstens mit der Strohmann-Vorstellung von Freiheit legitimieren lässt.
Zur Festleung des Strafmasses ist aus meiner Sicht folgendes zu sagen:
Eine prinzipielle Höchststrafe wird durch die Menschenrechte gesetzt.
Ansonsten ist jenes Strafmass angemessen, bei dem ein Minimum an Leid für den Delinquenten und die Opfer erreicht wird.
Beispiel:
Setzt man für Autodiebstahl die Todesstrafe aus, wird zwar die Anzal an Autodiebstählen drastisch zurückgehen, der Tod der dennoch Hingerichteten ist aber ein weitaus grösseres Übel, als jenes, welches damit eben verhindert wird.
Setzt man umgekehrt eine Strafe von 5 Euro auf Autodiebstahl aus, fällt der Abschreckungseffekt praktisch weg und die Zahl der gestohlenen Wagen würde sich vervielfachen. Ein höheres Strafmass ist zumutbar um dies einzudämmen.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Aber wie siehst du denn nun eigentlich die grundsätzliche Frage? Lässt sich aus deinem Freheitsverständniss eine "Schuld" oder "verdiente Strafe" herleiten? |
Wenn ich jemanden als freie individuelle Persönlichkeit akzeptiere, als Subjekt, dann geht das nur, wenn ich ihm Handlungsfreiheit unterstelle. |
Handlungsfreiheit im Sinne von "kann tun, was er/sie will" oder "hätte auch anders gekonnt"? Falls letzteres, was soll das bedeuten? Weshalb ist das ein unabdingbarer Bestandteil einer Persönlichkeit?
Zitat: | Wenn ich umgekehrt alle Handlungen eines Subjektes als vorherbestimmt und durch ihn nicht beeinflussbar ansehe, dann habe ich ihm damit seinen Subjektstatus abgesprochen. |
Weshalb? Was heisst "durch ihn nicht beinflussbar"? Weshalb ist das das gleiche wie "vorherbestimmt"? Inwiefern ist die Handlung denn nicht "vorherbestimmt"?
Zitat: | Er tut dann nur, was er tun muss und kann nichts dafür, was er tut. |
Was heist "dafür können"?
Zitat: | Es gibt dann keinen Unterschied zwischen einer bewussten und versehentlichen Handlung. Diese wären exakt gleich zu bewerten. |
Nein, da sich eine versehentliche Handlung nicht durch Abschreckung und schlechter durch Therapie unterbinden lässt.
Zitat: | Gibt es aber diesen Unterschied, sehe ich den anderen als Persönlichkeit, als autonomes Wesen, dem Rechte zustehen, dann folgt für mich daraus gleichzeitig, dass er die Verantwortung für seine willentlichen Taten hat und daher auch schuldhaft handeln kann. |
Du flüchtest dich hier in leere Wörter und begehst wieder den non sequitur, dass daraus, dass wir von einer naturgesetzlichen Welt ausgehen, scheinbar absurde Konsequenzen folgen und dass wir den Menschen folglich als "autonomes Wesen" sehen sollen/dürfen.
Verzeigung, aber mir scheint, wenn man von einem rationalen Standpunkt aus die metaphysische, absolute Freiheit ad absurdum führt, weisst du sie genervt als Strohmann zurück, wenn es dann aber um moralische Konsequenzen geht bedienst du dich ihrer doch wieder, bzw. ziehst Konsequenzen, die sich aus einem kompatibilistischen Verständnis von Freiheit nicht ziehen lassen.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Anders gefragt: Ist es auch abgesehen von praktisch Gründen (Prävention, Therapie) richtig/nötig, einen Mörder eine gewisse Zeit in Haft zu stellen? |
Ist es richtig? Ja, ich habe keinerlei moralischen Bedenken, jemanden für eine Tat, die er wissentlich und absichtlich begangen hat, vorher bekannten Sanktionen zu unterziehen.
Ist es nötig? Nein, wenn es keinen praktischen Grund dafür gibt, ist es nicht nötig. |
Wenn eine Strafe nun in diesem deinem Sinne richtig, aber nicht nötig wäre, würdest du sie dann verhängen? Ich nicht. Das ist eigentlich alles, was ich sagen wollte, auch in jenem von mir anno dazumal eröffneten Thread.
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Effô Tisetti Königsblau bis in den Tod
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(#550642) Verfasst am: 24.08.2006, 17:08 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: |
Richtig. Was einige nicht zu bedenken scheinen ist, dass die Forderung nach Verbannung solcher Kategorien wie "Schuld", "Strafe", "Vergeltung" etc. aus unserem sozialen Leben nur dann konsequent ist, wenn auch deren Gegensätze, nämlich "Verdienst", "Lohn", "Dankbarkeit" etc. gleich mit verbannt werden. |
Manchmal habe ich den Eindruck, bei einigen Mitdiskutanten liegt ein fundamentales Missverständnis vor: Es handelt sich doch nicht um "Forderungen" einiger "radikaler Deterministen", sondern - im Sinne eines "Was-wäre-wenn"-Spiels - um logische Konsequenzen, die aus einer ggf. neuen Erkenntnislage - die wir nicht beeinflussen können! - resultierten. Wenn man nun diese logischen Konsequenzen trotz der veränderten Erkenntnislage ablehnt, hat man dafür m.E. 2 Motive:
1.) Man hält die Konsequenzen für nicht-logisch. Das muss man dann begründen.
2.) Man hält die Konsequenzen für logisch schlüssig, aber für nicht praktikabel (um z.B. darauf ein "Gemeinschaftswesen" zu gründen). Dann muss man begründen, worauf sich das alte Konzept von "Schuld und Sühne", das man beibehalten möchte, künftig gründen kann. Denn der "Freie Wille" kann es ja dann nicht mehr sein!
_________________ "Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
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AgentProvocateur registrierter User
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(#550781) Verfasst am: 24.08.2006, 19:06 Titel: |
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Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Es geht mir weniger um die zeitliche Abfolge von unbewusster und bewusster Handlungsentscheidung und neuronaler Auslösung der entsprechenden Handlung (worum es ja im Libet-Experiment geht), als um die eigentlich triviale Feststellung, dass eben jeder Bewusstseinsinhalt seine Ursache letztlich im Unterbewusstsein haben muss. |
Ich verstehe nicht. Möchtest Du jetzt doch eine endlose Kausalkette konstruieren? Warum beginnt diese Kausalkette dann aber im Unterbewusstsein? Das erscheint mir nicht logisch. Was bedeutet überhaupt "Ursache" in diesem Zusammenhang? Was ist zum Beispiel Deiner Meinung nach die "letztliche Ursache" dafür, dass ich hiermit Deinen Beitrag beantworte? Ist es wirklich von meinem Unterbewusstsein gesteuert? Und wenn ja, wie kommst Du darauf?
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | "Wenn aber, wie einige Wissenschaftler aufgrund von Libets Experimenten behaupten, das Unterbewusstein komplett das Bewusstsein steuern würde, dann hätte ich Probleme mit meiner Auffassung von Persönlichkeit und das würde meiner Auffassung von Willensfreiheit widersprechen." Das würde ich eben auch ohne die Erkenntnisse des Libet-Experimentes so sehen. |
Lassen wir das Libet-Experiment, über dessen notwendige Schlussfolgerungen man sicher trefflich streiten kann, erst mal außen vor.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Natürlich gibt es auch Rückkoppelungen aus dem Bewusstsein ins Unterbewusstsein, bei komplexen Problemstellungen, sozialen Interaktionen, vorausschauendem Handeln usw. |
Nun, das hört sich doch schon wieder anders an. Da können wir uns wieder nähern.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Dennoch wäre es doch richtig zu sagen, dass die Bewegungen der Pupen komplett von den Spielern gesteuert werden. |
Richtig, eine Marionette wird komplett vom Puppenspieler gesteuert. Es wäre mMn daher vollkommen sinnlos, diesen Puppen eine Schuldfähigkeit zusprechen zu wollen. Ebenso wäre das der Fall, wenn Menschen ihre Handlungen nicht bewusst steuern könnten.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Der Grundsatz "keine Strafe ohne Schuld" besagt aber etwas anderes. Schuld kann man nur für Handlungen haben, die man bewusst und in Kenntnis der Normverletzung durchgeführt hat. Deine Beschreibung ist hingegen viel allgemeiner. Nach Deiner Begründung könnte auch jemand für eine Normverletzung, für die er nichts kann (z.B. unter Hypnose) zur Rechenschaft gezogen werden. |
Das ist aber trivial. Für Handlungen, die unbewusst oder in Unkenntnis der Normverletzung durchgeführt wurden ist Bestrafung deshalb sinnlos, weil sie dann auch keine abschreckende Wirkung hat. |
Nein, das ist keineswegs trivial. Eine Bestrafung hat ja nicht nur das Ziel der Abschreckung des Einzelnen, sie hat auch das Ziel der Generalprävention (so man diesem zustimmt, was Du ja im Gegensatz zu step machst). Auch wenn eine Spezialprävention in einem solchen Falle keine große Aussicht auf Erfolg hätte, könnte sie zum Ziele der Generalprävention verhängt werden. Für den Betroffenen macht es wegen Deiner Negierung der Begriffe Schuld / Unschuld keinen Unterschied, denn die Tat ist ihm ja zuzuordnen und zwar verursacht durch das Unterbewusstsein, ebenso wie jede andere Tat dMn auch durch das Unterbewusstsein verursacht wurde.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Eine Bestrafung für jemanden, der unter Hypnose stand oder unter Tourette leidet liesse sich, wenn überhaupt, dann höchstens mit einem nach Vergeltung rufenden Schuldbegriff legitimieren. Insofern sehe ich das von dir Beschriebene durch eine Ablehnung des Schuldbegriffes eher bekräftigt als widerlegt. |
Nein, das sehe ich anders und zwar genau im Gegenteil. Das Prinzip der Vergeltung greift nur, wenn eine Tat bewusst begangen wurde. Daher wäre eine Bestrafung eines unter dem Tourette-Syndrom Leidenden nicht legitim, da kein schuldhaftes Verhalten vorliegt, da derjenige sein Verhalten nicht kontrollieren kann. Spielt es aber keine Rolle, ob etwas bewusst oder unbewusst geschieht, und das ist der Fall bei Deiner Sichtweise, dann ist eine Bestrafung dann genauso legitim, wie die Bestrafung eines "normalen" Täters, falls Du diese als legitim ansiehst.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ich verstehe wiederum nicht, was und warum sich für dich ändern würde, wenn sich die weitestgehenden Schlussfolgerungen aus dem Libet-Experiment bewahrheiten würden.
Auf den ersten Blick ist die Tatsache (so sie denn eine ist), dass unsere Handlungen ausgelöst werden, bevor wir einen bewussten Willen verspüren, schockierend. Auf den zweiten Blick, habe ich das Gefühl, hat sie überhaupt keine Konsequenzen. |
Wenn sie keine Konsequenzen hätte, wäre sie uninteressant, ein Glasperlenspiel.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Die heute praktizierte Straftheorie basiert auf Spezialprävention, Generalprävention und Vergeltung. Ohne den Baustein Vergeltung gäbe es weder eine Mindeststrafe noch eine Höchststrafe. Falls doch, wäre ich auf die Begründung gespannt. |
Weil man ansonsten nicht wüsste, wie man das Strafmass festlegen soll, führen wir den Vergeltungsgedanken ein... Non sequitur. |
Nein, das möchte ich anders verstanden wissen. Nur wenn man jemanden als bewusst handelndes Subjekt akzeptiert, kann man ihn bestrafen. Dieses Konzept des schuldhaften Handelns und der Anerkennung als Subjekt legitimiert mMn a) eine Mindeststrafe und b) begrenzt die Höchststrafe. Verwirft man das Konzept, bleiben die beiden Ziele Konditionierung des Einzelnen (Spezialprävention), Konditionierung der Anderen (Generalprävention) und eventuell, als zusätzlicher, heute nicht üblicher Bestandteil des Strafrechtes, der Schutz der Gesellschaft übrig. Bei einer solchern Sichtweise jedoch besteht meiner Ansicht nach die große Gefahr, dass die Rechte des Einzelnen zugunsten dieser Ziele aufgegeben werden.
Wenn niemand für seine Taten verantwortlich wäre, wie Du behauptest, dann bekommst Du generell ein Problem mit der Legitimation von Strafen. Meiner Meinung nach sind Strafen für eine nicht bewusst verursachte Tat nicht legitim.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Erkläre mir erstens bitte, wie sich aufgrund des Vergeltungsgedankens das Strafmass festlegen lässt. |
Wie man das Maß im Einzelnen festlegt, sei erst einmal dahingestellt. Mir geht es gerade um die Begrenzung des Strafmaßes nach unten und nach oben.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zweitens finde ich es reichlich inhuman, ein Justitzsystem auf Vergeltung (=Rache) aufzubauen, zumal das auch etwas ist, was sich, so wie ich das sehe, höchstens mit der Strohmann-Vorstellung von Freiheit legitimieren lässt. |
Kann ich nicht nachvollziehen.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Eine prinzipielle Höchststrafe wird durch die Menschenrechte gesetzt. |
Du meinst, keine Todesstrafe, oder? Todesstrafe gibt es bei uns sowieso nicht, daher können wir das hier 'rauslassen.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ansonsten ist jenes Strafmass angemessen, bei dem ein Minimum an Leid für den Delinquenten und die Opfer erreicht wird. |
Nein, wenn man Generalprävention befürwortet, ist das falsch, bzw. unvollständig.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Setzt man für Autodiebstahl die Todesstrafe aus, wird zwar die Anzal an Autodiebstählen drastisch zurückgehen, der Tod der dennoch Hingerichteten ist aber ein weitaus grösseres Übel, als jenes, welches damit eben verhindert wird. |
Lassen wir die Todesstrafe weg.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Setzt man umgekehrt eine Strafe von 5 Euro auf Autodiebstahl aus, fällt der Abschreckungseffekt praktisch weg und die Zahl der gestohlenen Wagen würde sich vervielfachen. Ein höheres Strafmass ist zumutbar um dies einzudämmen. |
Nein, ist es nach meinem Verständnis nicht. Die Rechte des Angeklagten werden hier nicht berücksichtigt. Eine Strafe nur mit der Begründung eines Abschreckungseffektes ist meiner Meinung nach nicht legitim.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Wenn ich jemanden als freie individuelle Persönlichkeit akzeptiere, als Subjekt, dann geht das nur, wenn ich ihm Handlungsfreiheit unterstelle. |
Handlungsfreiheit im Sinne von "kann tun, was er/sie will" oder "hätte auch anders gekonnt"? Falls letzteres, was soll das bedeuten? |
Kann tun was er/sie will und hätte anders handeln können, wenn er anders hätte handeln wollen.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Weshalb ist das ein unabdingbarer Bestandteil einer Persönlichkeit? |
Eine Persönlichkeit ergibt für mich sich aus den Handlungen des Individuums, aber nur aus den Handlungen, die er aus eigenem Willen durchführt.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Wenn ich umgekehrt alle Handlungen eines Subjektes als vorherbestimmt und durch ihn nicht beeinflussbar ansehe, dann habe ich ihm damit seinen Subjektstatus abgesprochen. |
Weshalb? Was heisst "durch ihn nicht beinflussbar"? |
Ein Mensch ist ein Individuum mit einem Bewusstsein und einem eigenen Willen. Wäre dieses Bewusstsein zum Beispiel vom Unterbewusstsein gesteuert, wäre das Bewusstsein nur ein Beobachter der Handlungen des Menschen, dann wären sie durch ihn meiner Vorstellung nach nicht beeinflussbar. Wenn aber das Bewusstsein Entscheidungen trifft, dann sind diese Entscheidungen eigenverantwortlich getroffen und also beeinflussbar.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Es gibt dann keinen Unterschied zwischen einer bewussten und versehentlichen Handlung. Diese wären exakt gleich zu bewerten. |
Nein, da sich eine versehentliche Handlung nicht durch Abschreckung und schlechter durch Therapie unterbinden lässt. |
Diese Sichtweise eines Menschen als zu programmierendes System ist mir unangenehm, da sie die Rechte dieses Menschen außer Acht lässt. Außerdem vergisst Du mal wieder die Generalprävention.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Gibt es aber diesen Unterschied, sehe ich den anderen als Persönlichkeit, als autonomes Wesen, dem Rechte zustehen, dann folgt für mich daraus gleichzeitig, dass er die Verantwortung für seine willentlichen Taten hat und daher auch schuldhaft handeln kann. |
Du flüchtest dich hier in leere Wörter |
Was meinst Du genau?
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | und begehst wieder den non sequitur, dass daraus, dass wir von einer naturgesetzlichen Welt ausgehen, scheinbar absurde Konsequenzen folgen und dass wir den Menschen folglich als "autonomes Wesen" sehen sollen/dürfen. |
Nein, so ist das nicht gemeint. Ich versuche nur die Konsequenzen aufzuzeigen, die meiner Meinung nach aus Deinen Annahmen entstehen. Das soll kein Beweis für oder gegen etwas sein. Allerdings halte ich Deine Behauptungen für keineswegs nachgewiesen, sondern es handelt sich mMn lediglich um unbegründete Annahmen.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Verzeigung, aber mir scheint, wenn man von einem rationalen Standpunkt aus die metaphysische, absolute Freiheit ad absurdum führt, weisst du sie genervt als Strohmann zurück, wenn es dann aber um moralische Konsequenzen geht bedienst du dich ihrer doch wieder, bzw. ziehst Konsequenzen, die sich aus einem kompatibilistischen Verständnis von Freiheit nicht ziehen lassen. |
Verstehe ich nicht.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Anders gefragt: Ist es auch abgesehen von praktisch Gründen (Prävention, Therapie) richtig/nötig, einen Mörder eine gewisse Zeit in Haft zu stellen? |
Ist es richtig? Ja, ich habe keinerlei moralischen Bedenken, jemanden für eine Tat, die er wissentlich und absichtlich begangen hat, vorher bekannten Sanktionen zu unterziehen.
Ist es nötig? Nein, wenn es keinen praktischen Grund dafür gibt, ist es nicht nötig. |
Wenn eine Strafe nun in diesem deinem Sinne richtig, aber nicht nötig wäre, würdest du sie dann verhängen? Ich nicht. Das ist eigentlich alles, was ich sagen wollte, auch in jenem von mir anno dazumal eröffneten Thread. |
Es wäre unsinnig, eine Strafe nur aus dem alleinigen Grunde der Vergeltung zu verhängen, das sehe ich auch so.
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HFRudolph Bright
Anmeldungsdatum: 24.08.2006 Beiträge: 1229
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(#551043) Verfasst am: 24.08.2006, 22:26 Titel: |
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Hallo (Agent)!
Das Strafrecht ist einer der wenigen Bereiche, wo Deterministen und Indeterminsten zu unterschiedlicher praktischer Anwendbarkeit kommen.
Wir sind uns doch einig, dass das Sühne/Schuld/ oder Racheprinzip unsinnig ist, also tierisch oder auch böse? Es dient niederen Trieben. Insofern wäre es wünschenswert, die Welt in diesem Bereich zumindest so zu behandeln, als wäre sie determiniert. Es ist auch unsinnig, eine Strafe AUCH aus dem Racheprinzip heraus zu verhängen.
Böse ist insofern auch ein religiöser Gerechtigkeitsbegriff, der gerade Sühne/Schuld und Rache voraussetzt. Sühne, Schuld und Rache im klassischen Sinne oder im religiösen Sinne oder besser: So, wie jeder 5-Jährige sie sieht, sind so etwas wie Wahnsinn oder Unsinn, wenn man sich in einen Determinsiten hineinversetzt, ein mathematischer Rechenfehler, 1+1=3.
Gruß
Holger
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#551066) Verfasst am: 24.08.2006, 22:43 Titel: |
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HFRudolph hat folgendes geschrieben: | Wir sind uns doch einig, dass das Sühne/Schuld/ oder Racheprinzip unsinnig ist, also tierisch oder auch böse? |
Nein, da sind wir uns nicht einig, wie Du unschwer erkennen kannst, wenn Du meinen letzten Beitrag liest.
HFRudolph hat folgendes geschrieben: | Es dient niederen Trieben. Insofern wäre es wünschenswert, die Welt in diesem Bereich zumindest so zu behandeln, als wäre sie determiniert. |
Was bedeutet das konkret?
HFRudolph hat folgendes geschrieben: | Böse ist insofern auch ein religiöser Gerechtigkeitsbegriff, der gerade Sühne/Schuld und Rache voraussetzt. |
Gibt es denn einen Gerechtigkeitsbegriff, der ohne Schuld bzw. Verantwortung auskommt?
HFRudolph hat folgendes geschrieben: | Sühne, Schuld und Rache im klassischen Sinne oder im religiösen Sinne oder besser: So, wie jeder 5-Jährige sie sieht, sind so etwas wie Wahnsinn oder Unsinn, wenn man sich in einen Determinsiten hineinversetzt, ein mathematischer Rechenfehler, 1+1=3. |
Ich weiß weder, wie ein 5-jähriger das Deiner Meinung nach sieht, noch was Du genau unter einem Deterministen verstehst.
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HFRudolph Bright
Anmeldungsdatum: 24.08.2006 Beiträge: 1229
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(#551350) Verfasst am: 25.08.2006, 10:24 Titel: |
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Hallo!
Welchen Sinn hat Sühne? Hat Rache einen Sinn? (Sinn im rationalen Sinne).
In der Natur dient es dazu, die Prävention zu verwirklichen. Ein Affe aber kann nicht insofern rational handeln und sich überlegen: Hmmm, wenn ich mich jetzt nicht wehre, kommt der Angreifer morgen wieder oder es kommen andere, die den Erfolg des Angreifers gesehen haben. Der Affe hat zunächst nur ein Gefühl, dass sein Handeln bestimmt. Dieses Gefühl erfüllt im Zusammenhang des Strafrechts KEINEN Zweck, es ist insofern überflüssig. Wenn das der Grund ist, anderen Menschen Strafe also Schaden zuzufügen, dann kann man auch jedes andere Gefühl heranziehen, es gibt da keine Grenzen.
„Schuld“ im strafrechtlichen Sinne ist die Fähigkeit, Unrecht einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Letzteres ist auch im Determinismus kein Problem, weil die Strafe Präventionszwecken dient, sogar dass der Richter den Zeigefinger erhebt und ein schlechtes Gefühl hervorruft. Es muss bestraft werden, um ein Zusammenleben zu ermöglichen, selbst wenn man annimmt, dass der Täter ansich gar nicht anders handeln konnte, solange die Tat sich in einem Bereich bewegt, wo der Täter nach indeterministischer Sichtweise annehmen musste, sich für eine Tat oder ein Risiko entscheiden zu können: Nur in diesem Bereich kann die Strafe einen Präventionszweck erfüllen.
Mit dem Bezug auf den 5jährigen meine ich, dass jeder Mensch als Indeterminsit gebohren wird. Es scheint zumindest so, als träfe man freie Entscheidungen.
Warum sitzt Du hier und liest diesen Beitrag? Es scheint so, als hättest Du Dich dafür entschieden und Du kannst vielleicht nicht die äußere Ursache dafür erkennen. Dabei bist Du so erzogen worden, dass Du Dich intellektuell mit einem solchen Thema beschäftigen kannst, es gab Ursachen, dieses Forum aufzusuchen u. s. w., es gab einen Anlass, bewusst oder unterbewusst, von außen oder aus der Physischen Zusammensetzung Deines Hirns, die durch die Erfahrungen von der Entstehung Deines Gehirns bis heute Durch Deine Sinne dort einprogrammiert worden sind, so weit sie nicht genetisch bestimmt bereits über den Bauplan des Gehirns (Gene) dort gewachsen sind: Selbst wenn man einen freien Willen annimmt, kann er sich dagegen nicht wehren. Warum liest Du dies gerade jetzt? Wurdest Du aufgehalten oder weil ich gerade erst jetzt geschrieben habe? Ich kann zumindest in diesem Zusammenhang nichts erkennen, was nicht regelmäßigen Gesetzmäßigkeiten folgend würde.
Selbst wenn man mit dem Indeterminismus feine Abweichungen annimmt, sind zumindest strafrecht
liche Handlungen sogar so weit Gesetzmäßigkeiten zuzuordnen, dass sie wie im Determinismus zu behandeln sind.
Im Strafrecht ist ein deterministisches Strafsystem für einen Indeterministen zu begründen und nachvollziehbar, umgekehrt aber nicht.
Gerechtigkeit und Verantwortung konnten von Anfang an auch im deterministischen Sinne verstanden werden (s. o.), ohne dass über die Differenzen gesprochen werden musste: Es handelt sich um einen Begriff, der aus unterschiedlichen Weltanschauungen unterschiedlich verstanden werden kann, mit nur geringen Konsequenzen, wenn überhaupt. Gerechtigkeit ist ein Regelungssystem, dass so und so ausfallen kann. Man kann damit arbeiten, ohne es zu verstehen, bloß mit Gefühlen, also Trieben, weil es daraus gewachsen ist.
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HFRudolph Bright
Anmeldungsdatum: 24.08.2006 Beiträge: 1229
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(#551351) Verfasst am: 25.08.2006, 10:30 Titel: |
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Wa ich unter einem Deterministen verstehe:
Ein Mensch, der den Determinismus für wahr hält.
Insoweit aus dem Brockhaus:
Determinismus
der, Philosophie: die Lehre von der eindeutigen Bestimmtheit allen Geschehens durch Ursachen, aller späteren Ereignisse durch frühere, im Gegensatz zum Indeterminismus. Der Determinismus in der Physik stammt aus der mit der klassischen Mechanik, … Deterministische Modelle in der Anthropologie, Ethik, Staats- und Geschichtsphilosophie schließen die Willensfreiheit aus.
Literatur:
Koch, G.: Kausalität, Determinismus und Zufall in der wissenschaftlichen Naturbeschreibung. Berlin 1994.
Honderich, T.: Wie frei sind wir? Das Determinismusproblem. Aus dem Englischen. Stuttgart 1995.
© 2003 Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#551381) Verfasst am: 25.08.2006, 11:16 Titel: |
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HFRudolph hat folgendes geschrieben: | „Schuld“ im strafrechtlichen Sinne ist die Fähigkeit, Unrecht einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Letzteres ist auch im Determinismus kein Problem, weil die Strafe Präventionszwecken dient, sogar dass der Richter den Zeigefinger erhebt und ein schlechtes Gefühl hervorruft. |
Für mich ist es durchaus ein Problem, da ich eine Strafe, die lediglich Präventionszwecken dient, als nicht legitim und als nicht zulässig ansehe.
HFRudolph hat folgendes geschrieben: | Es muss bestraft werden, um ein Zusammenleben zu ermöglichen, selbst wenn man annimmt, dass der Täter ansich gar nicht anders handeln konnte, solange die Tat sich in einem Bereich bewegt, wo der Täter nach indeterministischer Sichtweise annehmen musste, sich für eine Tat oder ein Risiko entscheiden zu können: Nur in diesem Bereich kann die Strafe einen Präventionszweck erfüllen. |
Deine Eingrenzung verstehe ich nicht, denn Deine Begründung stimmt nicht: auch wenn der Täter in einem bestimmten Falle egal aus welchem Grunde nicht konditionierbar scheint (das meinst Du hier, oder?), zum Beispiel, weil er aus Versehen handelte oder weil er die Moral der Gesellschaft prinzipiell nicht akzeptiert, so ist doch die Gesellschaft selber eventuell durch eine Bestrafung von ihm konditionierbar, demnach wird durchaus ein Präventionszweck erfüllt.
Wie gesagt, gibt es aber mMn ein unauflösbares Legitimitätsproblem, wenn man dem Indiviuduum seine Handlungsfreiheit abspricht. Strafe ohne Schuld ist aus meiner Sicht nicht akzeptabel.
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#551438) Verfasst am: 25.08.2006, 12:14 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Um es etwas plakativ zu illustrieren: wenn ich auf der Straße jemanden antreffe, der sich äußerst mies benimmt, z.B. indem er sein Kind anschreit und herunterputzt, oder einen Migranten blöd anmacht, dann sehe ich mich in der Pflicht, mein Missfallen deutlich zu machen und dem Betroffenen Rückhalt zu zeigen. |
Du siehst das als deine "Pflicht" an? Starker Tobak, zumal dann, wenn du Begrifflichkeiten wie "Schuld" und "Strafe" ablehnst, ohne die sich eine Pflicht doch gar nicht sinnvoll begründen lässt. Wer erlegt dir diese Pflichten denn auf und was hat es für Konsequenzen, wenn du ihnen nicht nachkommst?
Schalker hat folgendes geschrieben: | Manchmal habe ich den Eindruck, bei einigen Mitdiskutanten liegt ein fundamentales Missverständnis vor: Es handelt sich doch nicht um "Forderungen" einiger "radikaler Deterministen", sondern - im Sinne eines "Was-wäre-wenn"-Spiels - um logische Konsequenzen, die aus einer ggf. neuen Erkenntnislage - die wir nicht beeinflussen können! - resultierten. |
Wieso sollten wir nicht beeinflussen können, welche Bedeutung wir bestimmten Erkenntnissen für unser soziales Leben zumessen?
Schalker hat folgendes geschrieben: | Man hält die Konsequenzen für logisch schlüssig, aber für nicht praktikabel (um z.B. darauf ein "Gemeinschaftswesen" zu gründen). Dann muss man begründen, worauf sich das alte Konzept von "Schuld und Sühne", das man beibehalten möchte, künftig gründen kann. |
Auf der Tatsache, dass es sich bewährt hat und für unser Verständnis von Individualität und Gesellschaft unabdingbar ist. Man kommt dabei auch gar nicht in Rechtfertigungsnöte, denn wenn man all die genannten Begrifflichkeiten, die unser Selbstverständnis wesentlich ausmachen, wegdenkt, ist wohl auch nichts und niemand mehr da, dem man vermöge einer entsprechenden Bestrafung "Unrecht" tun könnte. Ein von aller Metaphysik befreites Weltbild kennt gar kein anderes Prinzip als Nützlichkeit. "Logisch schlüssig" ist etwas immer nur in Bezug auf ein gegebenes Problem, nicht aber absolut.
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HFRudolph Bright
Anmeldungsdatum: 24.08.2006 Beiträge: 1229
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(#551443) Verfasst am: 25.08.2006, 12:18 Titel: |
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Hallo noch mal,
„legitim“ bedeutet gesetzmäßig, aber das war wohl nicht gemeint. General und Spezialprävention sind unbestrittene Strafzwecke der Strafgesetze. Strafe ist in jedem Fall notwendig für ein zivilisiertes Zusammenleben, daher auch akzeptabel und moralich legitim, wodurch denn sonst legitimiert? Durch Gefühl oder Emotion? Was verursacht man, wenn man nicht straft? Das ist nicht akzeptabel.
Es muss gestraft werden, auch wenn man annimmt, dass der Täter nicht anders handeln konnte, bezieht sich das auf die Annahme des Determinismus, nicht auf Konditionierbarkeit im klassischen Sinne.
Sofern ich davon gesprochen habe, dass jemand bestraft wird, weil er ein Risiko eingegangen ist, so bezieht sich das auf die Fahrlässigkeitsstraftaten: Dort wird auch bestraft, wer aus versehen eine Folge herbeiführt.
Nach deterministischer Sichtweise kann ein Täter tatsächlich nichts für seine Tat. Insofern kann man ihm auch nicht „Böse sein“ oder wirklich Hass gegen ihn empfinden. Auch wenn der Täter im deterministischen Sinne nichts für seine Tat kann, muss er bestraft werden, um die Zivilisation als solche zu ermöglichen. Wer für die Zivilisation ist, muss strafen.
Gruß
Holger
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#551475) Verfasst am: 25.08.2006, 12:49 Titel: |
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HFRudolph hat folgendes geschrieben: | Nach deterministischer Sichtweise kann ein Täter tatsächlich nichts für seine Tat. Insofern kann man ihm auch nicht „Böse sein“ oder wirklich Hass gegen ihn empfinden. |
Genausowenig, wie man dann positive Gefühle gegenüber einem Menschen empfinden kann.
HFRudolph hat folgendes geschrieben: | Auch wenn der Täter im deterministischen Sinne nichts für seine Tat kann, muss er bestraft werden, um die Zivilisation als solche zu ermöglichen. Wer für die Zivilisation ist, muss strafen. |
Hui. Bestrafung lediglich zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Zivilisation? Das ist in meinen Augen nicht zivilisiert. Mit der Begründung kann man beliebige Exempel an beliebigen Elementen der Gesellschaft statuieren.
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Effô Tisetti Königsblau bis in den Tod
Anmeldungsdatum: 18.09.2003 Beiträge: 9920
Wohnort: 75
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(#551489) Verfasst am: 25.08.2006, 13:02 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: |
Schalker hat folgendes geschrieben: | Manchmal habe ich den Eindruck, bei einigen Mitdiskutanten liegt ein fundamentales Missverständnis vor: Es handelt sich doch nicht um "Forderungen" einiger "radikaler Deterministen", sondern - im Sinne eines "Was-wäre-wenn"-Spiels - um logische Konsequenzen, die aus einer ggf. neuen Erkenntnislage - die wir nicht beeinflussen können! - resultierten. |
Wieso sollten wir nicht beeinflussen können, welche Bedeutung wir bestimmten Erkenntnissen für unser soziales Leben zumessen? |
Natürlich können wir das beeinflussen. Die Frage ist nur: auf welcher Grundlage? M.E. kann sich ein metaphysisches Deutungsmuster, das auf eindeutig falschen Annahmen von der realen Welt beruht ("Freier Wille"), nicht auf Dauer durchsetzen. Selbst der metaphysische Betonklotz Kirche musste Darwin und Gallilei irgendwann anerkennen.
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Schalker hat folgendes geschrieben: | Man hält die Konsequenzen für logisch schlüssig, aber für nicht praktikabel (um z.B. darauf ein "Gemeinschaftswesen" zu gründen). Dann muss man begründen, worauf sich das alte Konzept von "Schuld und Sühne", das man beibehalten möchte, künftig gründen kann. |
Auf der Tatsache, dass es sich bewährt hat und für unser Verständnis von Individualität und Gesellschaft unabdingbar ist. |
Man kann durchaus geteilter Meinung sein, ob sich dieses Konzept "bewährt" hat - womit wollte man es aber auch vergleichen? Es hat sich tatsächlich bewährt - und das ist keine Überraschung - im Kontext von Gesellschaften, die unter dem jahrtausendelangen Einfluss von Religionen standen, die ohne das Konzept vom "Freien Willen" mit besonderer Betonung auf "Schuld und Strafe" nicht denkbar wären. Aber auch dieser Einfluss schwindet mehr und mehr. Selbst unter der Annahme der Existenz eines "Freien Willens" befindet sich das Konzept schon heute in einem Dilemma: Der Gedanke der "Resozialisierung" soll, aber kann nicht hineinpassen und Huntsville kann, aber soll nicht heineinpassen.
Eine fiktive Indianerweisheit sagt:
Wenn dein Pferd tot ist, solltest du absteigen und schauen, wie du anderweitig fortkommst.
_________________ "Die einfache Formel: Jesus ist stärker! hilft Menschen, sich aus der Fixierung völlig irrationaler Wertesysteme zu lösen."
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HFRudolph Bright
Anmeldungsdatum: 24.08.2006 Beiträge: 1229
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(#551548) Verfasst am: 25.08.2006, 14:16 Titel: |
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zu AgentProvocateur:
Ich habe mich nicht korrekt ausgedrückt: Man KANN selbstverständlich derartige Gefühle empfinden, gute wie schlechte. Es handelt sich insofern eher um eine moralische Frage, ob man an den schlechten Gefühlen wie Hass arbeiten sollte: Ich meine ja.
Jedenfalls sollte ein Gefühl nicht dazu herhalten, anderen Menschen Leid zuzufügen.
Selbstverständlich dienen die Spezial- und Generalprävention der Erhaltung der Zivilisation: Sie sind Bedingung für die Zivilisation, das hat mit Exempeln nichts zu tun. Das Sühneprinzip dient im Gegensatz dazu überhaupt nichts, außer der Befriedigung von Trieben. Selbstverständlich kann man auch einen Trieb als rationales Argument benutzen, in dem man z. B. sagt, man werde krank, wenn man seinen Hass nicht befriedigt: Dann halte ich es aber für besser, an der Beherrschung dieses Gefühls zu arbeiten, als dies an anderen Menschen auszulassen.
Gruß
Holger
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#551574) Verfasst am: 25.08.2006, 14:54 Titel: |
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Schalker hat folgendes geschrieben: | Natürlich können wir das beeinflussen. Die Frage ist nur: auf welcher Grundlage? M.E. kann sich ein metaphysisches Deutungsmuster, das auf eindeutig falschen Annahmen von der realen Welt beruht ("Freier Wille"), nicht auf Dauer durchsetzen. |
Ich kann mich da nur wiederholen: Freiheit ist nicht das Gegenteil von Determinismus, sondern von Zwang. Das Gegenteil von Determinismus ist Zufälligkeit. Die Begriffe Freiheit und Zwang ergeben nur in Bezug auf unser Erleben und unsere Existenz als Sozialwesen Sinn. Es ist ein Kategorienfehler, sie anderweitig verwenden zu wollen. Man benötigt keinen ontologischen Freiheitsbegriff, um mit diesen Kategorien denken zu können. Gesellschaften werden nur selten auf der Grundlage ontologischer Überzeugungen gegründet. Vielmehr dienen Religionen und dogmatische Philosophien dazu, bestimmten Weltanschauungen ein Scheinfundament unterzuschieben. Geht man davon aus, dass das Dasein keinen Sinn hat, lässt sich auch keine Daseinsform rational begründen. Es ist immer ein Empfinden, ein Instinkt, ein Wille, vermöge welchen es gerechtfertigt wird. In Wirklichkeit nämlich ist die Religion nicht das Fundament, sondern bloß der Überbau einer bestimmten Lebenseinstellung. Es ist ein Irrtum zu glauben, mit dem Überbau verschwinde auch das Fundament. Wenn freilich auch das Fundament vernichtet werden soll, kommt man nicht umhin, es durch andere, ontologisch nicht weniger unbegründete zu ersetzen. Denn rationale Grundlagen hat das Leben nun einmal nicht. Die Ratio ist immer Mittel, niemals Zweck.
Zuletzt bearbeitet von Zumsel am 25.08.2006, 15:15, insgesamt einmal bearbeitet |
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AgentProvocateur registrierter User
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Wohnort: Berlin
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(#551582) Verfasst am: 25.08.2006, 15:00 Titel: |
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HFRudolph hat folgendes geschrieben: | Ich habe mich nicht korrekt ausgedrückt: Man KANN selbstverständlich derartige Gefühle empfinden, gute wie schlechte. Es handelt sich insofern eher um eine moralische Frage, ob man an den schlechten Gefühlen wie Hass arbeiten sollte: Ich meine ja. |
An seinen Gefühlen und Trieben, die man als schlecht empfindet, sollte man arbeiten. So weit, so gut. Aber ist Hass ein prinzipiell schlechtes Gefühl, das bekämpft werden müsste? Ich denke nicht.
Beispiel: Du stehst nachts an einer Bushaltestelle. Jemand kommt des Weges und bedroht Dich mit einer Pistole und verlangt Geld. Du willst es ihm geben, er schießt Dir aber, ohne zu warten, in Dein Knie. Was tust Du dann, wenn Du am Boden liegst? Denkst Du: och, der Arme, der kann ja nichts dafür, der ist ja determiniert? Oder empfindest Du abgrundtiefen schwarzen Hass? Falls letzteres: das wäre nach Deiner Ansicht eine falsche Empfindung, oder?
HFRudolph hat folgendes geschrieben: | Jedenfalls sollte ein Gefühl nicht dazu herhalten, anderen Menschen Leid zuzufügen. |
Ja, aber was ist Deiner Meinung nach eine gute Begründung, um Menschen Leid zuzufügen? Generalprävention?
HFRudolph hat folgendes geschrieben: | Selbstverständlich dienen die Spezial- und Generalprävention der Erhaltung der Zivilisation: Sie sind Bedingung für die Zivilisation, das hat mit Exempeln nichts zu tun. |
Das hat genau dann etwas mit Exempeln zu tun, wenn man Handlungsfreiheit negiert. Denn dann gibt es zwei Möglichkeiten: a) man sagt, Bestrafung ist generell abzulehnen oder b) jeder beliebige Mensch kann einfach so für nichts bestraft werden, wenn man meint, es nutze der Gesellschaft.
HFRudolph hat folgendes geschrieben: | Das Sühneprinzip dient im Gegensatz dazu überhaupt nichts, außer der Befriedigung von Trieben. |
Meiner Meinung nach dient das Sühneprinzip der Rechtfertigung einer Strafe. Fällt das Sühneprinzip weg, ist eine Bestrafung nicht mehr zulässig.
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