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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#551602) Verfasst am: 25.08.2006, 15:35 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | kolja hat folgendes geschrieben: | Um es etwas plakativ zu illustrieren: wenn ich auf der Straße jemanden antreffe, der sich äußerst mies benimmt, z.B. indem er sein Kind anschreit und herunterputzt, oder einen Migranten blöd anmacht, dann sehe ich mich in der Pflicht, mein Missfallen deutlich zu machen und dem Betroffenen Rückhalt zu zeigen. |
Du siehst das als deine "Pflicht" an? Starker Tobak, zumal dann, wenn du Begrifflichkeiten wie "Schuld" und "Strafe" ablehnst, ohne die sich eine Pflicht doch gar nicht sinnvoll begründen lässt. Wer erlegt dir diese Pflichten denn auf und was hat es für Konsequenzen, wenn du ihnen nicht nachkommst? |
Soo starken Tobak finde ich das nicht. Wer Schuld uns Strafe als Prinzip ablehnt, kann dennoch die Zumessung von Verantwortung durch die Gemeinschaft akzeptieren. So auch in diesem Fall: Es gibt in der Gesellschaft ein gewisses Maß an standardmäßig zugemessener Verantwortung, die u.a. darin besteht, Schwächere zu schützen. Wird man dieser Verantwortung nicht gerecht, so verliert man Vertrauenspunkte. Es gibt eine natürliche Schwankungsbreite im Verhalten, u.a. da die soziale Prägung nicht homogen ist.
Die zugemessene Verantwortung bezieht sich immer auf die Zukunft, und koljas Aktion intendiert nicht die Bestrafung des Täters, sondern den Schutz des Opfers, die Erziehung des Täters, und das Punktesammeln vor sich selbst und/oder Anderen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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HFRudolph Bright
Anmeldungsdatum: 24.08.2006 Beiträge: 1229
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(#551630) Verfasst am: 25.08.2006, 15:52 Titel: |
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@ AP:
General- und Spezialprävention (Abschreckung der Allgemeinheit und Abschreckung /Verhinderung weiterer Taten durch den Täter im Besonderen) in einem angemessenen und erforderlichen Verhältnis zur Tat sind hinreichende Gründe zur Strafe, sicher.
Was soll das Sühneprinzip bedeuten? Angenommen jemand ist für eine Tat verantwortlich im indeterministischen Sinne, warum soll er dann bestraft werden? Um mit Kant eine mathematische Gleichung zu begleichen? Warum sollte man eine Rechnung eröffnen? Weil das schon immer so war?
Es hat keinen Sinn. Wenn ich eine Handlung ohne Sinn und Zweck vornehme, ist es mir auch egal, ob das Ergebnis so oder so ausfällt, also gut oder böse ist. Meines Erachtens ist solches Handeln daher ansich schon ohne guten Willen und damit böse: Aber das ist natürlich eine moralische Einschätzung und hat mit der Frage des Determinismus nichts zu tun.
Gruß
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#551636) Verfasst am: 25.08.2006, 15:56 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Die zugemessene Verantwortung bezieht sich immer auf die Zukunft, und koljas Aktion intendiert nicht die Bestrafung des Täters, sondern den Schutz des Opfers, die Erziehung des Täters, und das Punktesammeln vor sich selbst und/oder Anderen. |
Läuft das nicht alles auf den letzten Punkt hinaus, nämlich den, vor anderen gut dazustehen? Ein weiteres mögliches Motiv wäre noch Mitleid mit den Opfern, das im Falle unterlassenen Engreifens zu Gewissensbissen führt. Wenn man das allerdings schon als Pflicht auslegt, sehe ich keinen Grund, Gewissensbisse nicht auch als Schuldgefühle zu interpretieren.
Wo es Verantwortung gibt, gibt es potienziell auch Schuld. Schuld ist bloß eine Bezeichnung für die Tatsache, dass man für etwas ungesetzliches oder als negativ empfundenes verantwortlich ist. Wie sollte man "Schuld" auch sonst definieren? Und ohne die Idee der Freiheit ist wohl auch die der Verantwortung nicht haltbar.
Zuletzt bearbeitet von Zumsel am 25.08.2006, 16:08, insgesamt einmal bearbeitet |
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#551646) Verfasst am: 25.08.2006, 16:06 Titel: |
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HFRudolph hat folgendes geschrieben: | General- und Spezialprävention (Abschreckung der Allgemeinheit und Abschreckung /Verhinderung weiterer Taten durch den Täter im Besonderen) in einem angemessenen und erforderlichen Verhältnis zur Tat sind hinreichende Gründe zur Strafe, sicher. |
Nein, meiner Meinung nach nicht. Es muss zusätzlich schuldhaftes Verhalten vorhanden gewesen sein. Wahrscheinlich meinst Du das auch, scheust Dich aber, den Begriff "Schuld" zu verwenden und versuchst ihn stattdessen in dem weiträumig interpretierbaren und daher nichtssagenden Ausdruck "angemessenes und erforderliches Verhältnis zur Tat" zu verstecken.
HFRudolph hat folgendes geschrieben: | Was soll das Sühneprinzip bedeuten? Angenommen jemand ist für eine Tat verantwortlich im indeterministischen Sinne, warum soll er dann bestraft werden? Um mit Kant eine mathematische Gleichung zu begleichen? |
Nein, natürlich nicht. Er soll nur bestraft werden, wenn zusätzlich Spezial- bzw. Generalprävention in seinem Falle sinnvoll erscheint.
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Deus ex Machina registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.03.2006 Beiträge: 789
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(#551714) Verfasst am: 25.08.2006, 17:25 Titel: |
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Ich möchte mich HFR vollumfänglich anschliessen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Was ist zum Beispiel Deiner Meinung nach die "letztliche Ursache" dafür, dass ich hiermit Deinen Beitrag beantworte? Ist es wirklich von meinem Unterbewusstsein gesteuert? Und wenn ja, wie kommst Du darauf? |
Die "letztliche Ursache" sind der Urknall und die Naturgesetze, was aber natürlich für unser soziales Miteinander nicht von Interesse ist. Unterbricht man das zurückverfolgen der Kausalkette etwas früher, kommt man bei deiner Erziehung, Erlebnissen und Erfahrungen an. Was ich aber aussagen wollte: Bevor du vor deinen PC gesessen bist um diesen Thread zu lesen, hast du den bewussten Wunsch verspürt, dies zu tun. Und dieser Wunsch hat nun keine bewusste, sondern ausschliesslich unbewusste Ursachen. Bzw., falls er doch eine bewusste Ursache hat, dass du z.B. zuerst daran gedacht hättest, dass es mal wieder Zeit wäre über den Determinismus zu diskutieren und darauf den Wunsch gefasst hast, ins Forum zu kommen, so hat jener Gedanke keine bewussten sondern nur unterbewusste Ursachen. Allgemein gesagt: Jeder Bewusstseinsinhalt, und damit auch jeder bewusste Wille, hat seine Ursache direkt oder indirekt im Unterbewusstsein. Das scheint mir eigentlich kaum bestreitbar. Du kannst dich ja mal selbst fragen, weshalb du dies oder jenes getan hast. Eventuell kannst du die Kette der Gründe dabei recht weit bewusst zurückverfolgen. Irgendwann aber kommst du unweigerlich zu einem "Weil ich ... will", welches keine bewusste Ursache mehr hat und somit auf das Unterbewusstsein zurückzuführen ist.
In Anbetracht dessen sehe ich nicht, weshalb gerade durch das Bewusstsein einer Handlung die Schuld ins Spiel kommen soll.
Zitat: | Richtig, eine Marionette wird komplett vom Puppenspieler gesteuert. Es wäre mMn daher vollkommen sinnlos, diesen Puppen eine Schuldfähigkeit zusprechen zu wollen. Ebenso wäre das der Fall, wenn Menschen ihre Handlungen nicht bewusst steuern könnten. |
Ok, es war unklar, was ich überhaupt sagen wollte: Die Spieler sollten das Unterbewusstsein sein, die Marionetten das Bewusstsein.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Das ist aber trivial. Für Handlungen, die unbewusst oder in Unkenntnis der Normverletzung durchgeführt wurden ist Bestrafung deshalb sinnlos, weil sie dann auch keine abschreckende Wirkung hat. |
Nein, das ist keineswegs trivial. Eine Bestrafung hat ja nicht nur das Ziel der Abschreckung des Einzelnen, sie hat auch das Ziel der Generalprävention (so man diesem zustimmt, was Du ja im Gegensatz zu step machst). Auch wenn eine Spezialprävention in einem solchen Falle keine große Aussicht auf Erfolg hätte, könnte sie zum Ziele der Generalprävention verhängt werden. Für den Betroffenen macht es wegen Deiner Negierung der Begriffe Schuld / Unschuld keinen Unterschied, denn die Tat ist ihm ja zuzuordnen und zwar verursacht durch das Unterbewusstsein, ebenso wie jede andere Tat dMn auch durch das Unterbewusstsein verursacht wurde. |
Ein potentieller Täter kann aber nur dann durch die Aussicht auf eine Strafe abgeschreckt werden, wenn er die Straftat bewusst begeht.
Bei der Generalprävention geht es ja nicht darum, anhand eines konkreten Falles ein Exempel zu statuieren, den Autodieb also vor laufenden Kameras in eine Zelle zu werfen und zu sagen "Seht her, so wird es allen ergehen, die das gleich Verbrechen begehen", sondern ausschliesslich darum, dass der potentielle Straftäter weiss, dass er im Gefängnis landen wird, weil er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist und nicht unter Hypnose steht. Die Situation, dass man einen Typen hat, der unter Hypnose ein Auto gestohlen hat (realisitisch? egal...) und sich dann sagt "Hm, wenn wir den verurteilen können wir vielleicht potentielle Autodiebe abschrecken" darf sich gar nicht ergeben, da im Vorhinein klar sein muss, unter welchen Bedingungen jemand verurteilt werden kann und unter welchen nicht. Die Entscheidung muss vorher, beim Verfassen der Gesetztestexte fallen. Und dann stellt sich die Frage, ob wir für Autodiebstähle, die unter Hypnose begangen wurden, eine Straufe aussetzen wollen. Da es keinen Nutzen hätte, muss die Antwort Nein sein.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ich verstehe wiederum nicht, was und warum sich für dich ändern würde, wenn sich die weitestgehenden Schlussfolgerungen aus dem Libet-Experiment bewahrheiten würden.
Auf den ersten Blick ist die Tatsache (so sie denn eine ist), dass unsere Handlungen ausgelöst werden, bevor wir einen bewussten Willen verspüren, schockierend. Auf den zweiten Blick, habe ich das Gefühl, hat sie überhaupt keine Konsequenzen. |
Wenn sie keine Konsequenzen hätte, wäre sie uninteressant, ein Glasperlenspiel. |
Ich meine: Hat für die Schuldfrage keine Konsequenzen.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Die heute praktizierte Straftheorie basiert auf Spezialprävention, Generalprävention und Vergeltung. Ohne den Baustein Vergeltung gäbe es weder eine Mindeststrafe noch eine Höchststrafe. Falls doch, wäre ich auf die Begründung gespannt. |
Weil man ansonsten nicht wüsste, wie man das Strafmass festlegen soll, führen wir den Vergeltungsgedanken ein... Non sequitur. |
Nein, das möchte ich anders verstanden wissen. Nur wenn man jemanden als bewusst handelndes Subjekt akzeptiert, kann man ihn bestrafen. Dieses Konzept des schuldhaften Handelns und der Anerkennung als Subjekt legitimiert mMn a) eine Mindeststrafe und b) begrenzt die Höchststrafe. |
Wie ergeben sich aus der Schuld die Mindest- und Höchststrafe? Wie rechnet man das eine in das andere um?
Zitat: | Wenn niemand für seine Taten verantwortlich wäre, wie Du behauptest, dann bekommst Du generell ein Problem mit der Legitimation von Strafen. |
Du erinnerst dich doch noch, dass ich 'mal einen Thread mit genau diesem Namen aufgemacht habe?
Zitat: | Meiner Meinung nach sind Strafen für eine nicht bewusst verursachte Tat nicht legitim. |
MMn auch nicht. Siehe oben.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zweitens finde ich es reichlich inhuman, ein Justitzsystem auf Vergeltung (=Rache) aufzubauen, zumal das auch etwas ist, was sich, so wie ich das sehe, höchstens mit der Strohmann-Vorstellung von Freiheit legitimieren lässt. |
Kann ich nicht nachvollziehen. |
Ich sehe einfach nicht, weshalb es besser sein sollte, einem Menschen A Schaden zuzufügen als einem Menschen B, nur weil Mensch A gegen ein Gesetz verstossen hat, was aber zwangsläufig (/zufällig) passiert ist. Du wirst sagen, dass ich dem Menschen damit seinen Subjektstatus aberkenne. Von mir aus. Dann lässt sich dein Subjektbegriff aber aller Gegenrede zum Trotz nicht mit einer verstehbaren Welt in Einklang bringen.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ansonsten ist jenes Strafmass angemessen, bei dem ein Minimum an Leid für den Delinquenten und die Opfer erreicht wird. |
Nein, wenn man Generalprävention befürwortet, ist das falsch, bzw. unvollständig. |
Weshalb?
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Setzt man umgekehrt eine Strafe von 5 Euro auf Autodiebstahl aus, fällt der Abschreckungseffekt praktisch weg und die Zahl der gestohlenen Wagen würde sich vervielfachen. Ein höheres Strafmass ist zumutbar um dies einzudämmen. |
Nein, ist es nach meinem Verständnis nicht. Die Rechte des Angeklagten werden hier nicht berücksichtigt. Eine Strafe nur mit der Begründung eines Abschreckungseffektes ist meiner Meinung nach nicht legitim. |
Mit der Begründung von Rachegefühlen aber schon?
Die Frage, ob, und wenn ja, in welchem Masse man Generalprävention verwendet, lässt sich so wie ich das sehe, nicht argumentativ beantworten, sondern ausschliesslich aufgrund der subjektiven Gewichtung der Möglichkeit, bei bewusstem Gesetztesübertritt bestraft zu werden gegenüber einer Eindämmung der Zahl an Straftaten. Insofern sehe ich zwischen meiner und Steps Position keinen prinzipiellen Unterschied, er gewichtet nur den Verzicht auf Strafe höher als ich. Seine Position betrachte ich als logisch schlüssig und vor allem argumentativ begründbar, ein auf Vergeltung beruhendes Justitzsystem dagegen nicht. (Es wäre argumentativ begründbar, wenn man ehrlicherweise Rachgegelüsten einen hohen Wert zuspräche, was aber niemand tut.)
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Handlungsfreiheit im Sinne von "kann tun, was er/sie will" oder "hätte auch anders gekonnt"? Falls letzteres, was soll das bedeuten? |
Kann tun was er/sie will und hätte anders handeln können, wenn er anders hätte handeln wollen. |
Dass er anders gehandelt hätte, wenn er etwas anderes gewollt hätte, ist trivial. Das hat nichts mit Freiheit zu tun. Die häufig verwendete Phrase "er hätte auch anders gekonnt" hat entweder die genannte triviale Bedeutung oder meint, dass man aufgrund von nicht vollständiger Information über seinen Gehirnzustand und Unmöglichkeit der Simulierbarkeit desselben die Handlung nicht vorhersagen konnte. Oder sie hat, was meistens der Fall ist, keine/eine unsinnige Bedeutung. In keinem Fall hat sie etwas mit Freiheit zu tun.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Es gibt dann keinen Unterschied zwischen einer bewussten und versehentlichen Handlung. Diese wären exakt gleich zu bewerten. |
Nein, da sich eine versehentliche Handlung nicht durch Abschreckung und schlechter durch Therapie unterbinden lässt. |
Diese Sichtweise eines Menschen als zu programmierendes System ist mir unangenehm, da sie die Rechte dieses Menschen außer Acht lässt. Außerdem vergisst Du mal wieder die Generalprävention. |
Ob etwas unangenehm ist, ist kein Wahrheitskriterium. Weshalb vergesse ich die GP?
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | und begehst wieder den non sequitur, dass daraus, dass wir von einer naturgesetzlichen Welt ausgehen, scheinbar absurde Konsequenzen folgen und dass wir den Menschen folglich als "autonomes Wesen" sehen sollen/dürfen. |
Nein, so ist das nicht gemeint. Ich versuche nur die Konsequenzen aufzuzeigen, die meiner Meinung nach aus Deinen Annahmen entstehen. Das soll kein Beweis für oder gegen etwas sein. Allerdings halte ich Deine Behauptungen für keineswegs nachgewiesen, sondern es handelt sich mMn lediglich um unbegründete Annahmen. |
Ich nehme das zurück.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Verzeihung, aber mir scheint, wenn man von einem rationalen Standpunkt aus die metaphysische, absolute Freiheit ad absurdum führt, weisst du sie genervt als Strohmann zurück, wenn es dann aber um moralische Konsequenzen geht bedienst du dich ihrer doch wieder, bzw. ziehst Konsequenzen, die sich aus einem kompatibilistischen Verständnis von Freiheit nicht ziehen lassen. |
Verstehe ich nicht. |
Ich wollte folgendes aussagen: Früher in diesem Thread haben verschiedene User aufgezeigt, dass die Vorstellung eines absolut, unbedingt freien Willens unsinnig ist. Du hast eingewandt, dass du gar keinen solchen vertretest, dass dein Freiheitsbegriff mit der Kausalität verträglich sei und dass du sowieso lieber über die konkreten moralischen Konsequenzen sprechen würdest. Wenn es dann um die Schuldfrage geht sprichst du wieder vom Subjektstatus des Menschen und beziehst Positionen, die ich im Widerspruch zu einem kompatibilistischen Freiheitsverständnis sehe.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Anders gefragt: Ist es auch abgesehen von praktisch Gründen (Prävention, Therapie) richtig/nötig, einen Mörder eine gewisse Zeit in Haft zu stellen? |
Ist es richtig? Ja, ich habe keinerlei moralischen Bedenken, jemanden für eine Tat, die er wissentlich und absichtlich begangen hat, vorher bekannten Sanktionen zu unterziehen.
Ist es nötig? Nein, wenn es keinen praktischen Grund dafür gibt, ist es nicht nötig. |
Wenn eine Strafe nun in diesem deinem Sinne richtig, aber nicht nötig wäre, würdest du sie dann verhängen? Ich nicht. Das ist eigentlich alles, was ich sagen wollte, auch in jenem von mir anno dazumal eröffneten Thread. |
Es wäre unsinnig, eine Strafe nur aus dem alleinigen Grunde der Vergeltung zu verhängen, das sehe ich auch so. |
Phuh, ok.
Aber kann dann der Vergeltungsgedanke das Strafmass über das für Prävention erforderliche erhöhen? Wenn nein, wozu ist er dann noch nötig?
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HFRudolph Bright
Anmeldungsdatum: 24.08.2006 Beiträge: 1229
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(#551736) Verfasst am: 25.08.2006, 18:02 Titel: |
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@Deus ex Machina: Danke
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#551767) Verfasst am: 25.08.2006, 18:46 Titel: |
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Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Allgemein gesagt: Jeder Bewusstseinsinhalt, und damit auch jeder bewusste Wille, hat seine Ursache direkt oder indirekt im Unterbewusstsein. Das scheint mir eigentlich kaum bestreitbar. Du kannst dich ja mal selbst fragen, weshalb du dies oder jenes getan hast. Eventuell kannst du die Kette der Gründe dabei recht weit bewusst zurückverfolgen. Irgendwann aber kommst du unweigerlich zu einem "Weil ich ... will", welches keine bewusste Ursache mehr hat und somit auf das Unterbewusstsein zurückzuführen ist. |
Diese Unterbrechung der Kausalkette scheint mir sehr willkürlich zu sein. Der Mensch ist ein System, das in andere Systeme eingebettet ist und durch diese anderen Systeme und seine eigenen Einflüsse zu dem wurde, was er ist. Klar kann man immer weiter zurückgehen, es gibt Umwelteinflüsse, genetische Einflüsse usw. Dass das Unterbewusstsein so ist, wie es ist, kommt auch nicht aus dem Nichts. Daher kann man auch nicht sagen, das Unterbewusstsein sei die Ursache für jeden Bewusstseinsinhalt, denn das hieße eben die Kausalkette ohne Grund zu unterbrechen. Aus dem Aufbau einer solchen Kausalkette kann man aber mMn nicht schließen, dass das Bewusstsein keine Einfluss auf diese Kausalkette hätte, was Du aber implizit zu tun scheinst. Anders gesagt, sehe ich nicht, wie uns diese Kausalkette bei der Frage, ob es eine persönliche Verantwortung und damit auch Schuld geben kann, weiter bringen könnte.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | In Anbetracht dessen sehe ich nicht, weshalb gerade durch das Bewusstsein einer Handlung die Schuld ins Spiel kommen soll. |
Schuld entsteht für mich bei einem bewussten Verstoß gegen (gesellschaftliche) Normen oder auch bei einem Verstoß gegen persönlichen Normen.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Richtig, eine Marionette wird komplett vom Puppenspieler gesteuert. Es wäre mMn daher vollkommen sinnlos, diesen Puppen eine Schuldfähigkeit zusprechen zu wollen. Ebenso wäre das der Fall, wenn Menschen ihre Handlungen nicht bewusst steuern könnten. |
Ok, es war unklar, was ich überhaupt sagen wollte: Die Spieler sollten das Unterbewusstsein sein, die Marionetten das Bewusstsein. |
Das Bild einer Marionette scheint mir für das Bewusstsein nicht passend zu sein, da eine Marionette offensichtlich kein handelnder Teil eines Systems ist.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ein potentieller Täter kann aber nur dann durch die Aussicht auf eine Strafe abgeschreckt werden, wenn er die Straftat bewusst begeht. [...] Die Entscheidung muss vorher, beim Verfassen der Gesetztestexte fallen. Und dann stellt sich die Frage, ob wir für Autodiebstähle, die unter Hypnose begangen wurden, eine Straufe aussetzen wollen. Da es keinen Nutzen hätte, muss die Antwort Nein sein. |
Es geht mir um den Grundsatz "keine Strafe ohne Schuld" und wie dieser nach Deiner Auffassung zu begründen wäre.
Nehmen wir dazu mal ein anderes Beispiel: ein Ehrenmord ist geschehen. Die Familienmitglieder werden verhört, es gibt starke Verdachtsmomente, aber es kann ihnen die Tat nicht eindeutig zugeordnet werden. Sieht man den Fall nur von der Seite der Generalprävention, hätte eine Verurteilung hier sicherlich einen Nutzen, da potentielle Täter nicht mehr auf einen eventuellen Mangel an Beweisen hoffen könnten. Warum sollte man die Familienmitglieder hier nicht bestrafen, wenn sie sowieso keine Verantwortung für ihre Taten haben?
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zweitens finde ich es reichlich inhuman, ein Justitzsystem auf Vergeltung (=Rache) aufzubauen, zumal das auch etwas ist, was sich, so wie ich das sehe, höchstens mit der Strohmann-Vorstellung von Freiheit legitimieren lässt. |
Kann ich nicht nachvollziehen. |
Ich sehe einfach nicht, weshalb es besser sein sollte, einem Menschen A Schaden zuzufügen als einem Menschen B, nur weil Mensch A gegen ein Gesetz verstossen hat, was aber zwangsläufig (/zufällig) passiert ist. |
Das ist eine stark verkürzte Darstellung unseres Strafrechtssystemes, die so einfach nicht stimmt. Niemand wird bestraft aus dem alleinigen Grunde, um Rache zu nehmen.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ansonsten ist jenes Strafmass angemessen, bei dem ein Minimum an Leid für den Delinquenten und die Opfer erreicht wird. |
Nein, wenn man Generalprävention befürwortet, ist das falsch, bzw. unvollständig. |
Weshalb? |
Minimum an Leid bedeutet, dass überhaupt keine Strafen verhängt werden dürfen.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Setzt man umgekehrt eine Strafe von 5 Euro auf Autodiebstahl aus, fällt der Abschreckungseffekt praktisch weg und die Zahl der gestohlenen Wagen würde sich vervielfachen. Ein höheres Strafmass ist zumutbar um dies einzudämmen. |
Nein, ist es nach meinem Verständnis nicht. Die Rechte des Angeklagten werden hier nicht berücksichtigt. Eine Strafe nur mit der Begründung eines Abschreckungseffektes ist meiner Meinung nach nicht legitim. |
Mit der Begründung von Rachegefühlen aber schon? |
Nein, das meine ich nicht. Eine Bestrafung ist mMn nur legitim bei persönlicher Schuld. Liegt keine Schuld vor, ist eine Bestrafung nicht legitim, auch dann nicht, wenn es einen gesellschaftlichen Nutzen bringen würde (siehe oben das Beispiel mit dem Ehrenmord).
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Die Frage, ob, und wenn ja, in welchem Masse man Generalprävention verwendet, lässt sich so wie ich das sehe, nicht argumentativ beantworten, sondern ausschliesslich aufgrund der subjektiven Gewichtung der Möglichkeit, bei bewusstem Gesetztesübertritt bestraft zu werden gegenüber einer Eindämmung der Zahl an Straftaten. Insofern sehe ich zwischen meiner und Steps Position keinen prinzipiellen Unterschied, er gewichtet nur den Verzicht auf Strafe höher als ich. |
Ich sehe da aber schon prinzipielle Unterschiede. Step lehnt Strafen prinzipiell ab, was mMn eine folgerichtige Konsequenz seiner Sichtweise ist. Generalprävention lehnt er auch ab. Außerdem berücksichtigt er, im Gegensatz zu Dir, die Änderungen der gesellschaftlichen Maßstäbe, die sich seiner Meinung nach aus den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen ergeben müssten. Auch das ist folgerichtig, obwohl es extrem spekulativ bleiben muss.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Seine Position betrachte ich als logisch schlüssig und vor allem argumentativ begründbar, ein auf Vergeltung beruhendes Justitzsystem dagegen nicht. (Es wäre argumentativ begründbar, wenn man ehrlicherweise Rachgegelüsten einen hohen Wert zuspräche, was aber niemand tut.) |
Das Justizsystem beruht ja nicht ausschließlich auf Vergeltung. Ein Justizsystem, das auf den Schuldbegriff verzichtet, ist wiederum für mich nicht wünschenswert, was ich mehrfach versucht habe, darzulegen.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Handlungsfreiheit im Sinne von "kann tun, was er/sie will" oder "hätte auch anders gekonnt"? Falls letzteres, was soll das bedeuten? |
Kann tun was er/sie will und hätte anders handeln können, wenn er anders hätte handeln wollen. |
Dass er anders gehandelt hätte, wenn er etwas anderes gewollt hätte, ist trivial. Das hat nichts mit Freiheit zu tun. |
Ich schließe mich einfachheitshalber an dieser Stelle mal diesem Zitat von Zumsel an:
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Freiheit ist nicht das Gegenteil von Determinismus, sondern von Zwang. Das Gegenteil von Determinismus ist Zufälligkeit. Die Begriffe Freiheit und Zwang ergeben nur in Bezug auf unser Erleben und unsere Existenz als Sozialwesen Sinn. Es ist ein Kategorienfehler, sie anderweitig verwenden zu wollen. Man benötigt keinen ontologischen Freiheitsbegriff, um mit diesen Kategorien denken zu können. |
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ich wollte folgendes aussagen: Früher in diesem Thread haben verschiedene User aufgezeigt, dass die Vorstellung eines absolut, unbedingt freien Willens unsinnig ist. Du hast eingewandt, dass du gar keinen solchen vertretest, dass dein Freiheitsbegriff mit der Kausalität verträglich sei und dass du sowieso lieber über die konkreten moralischen Konsequenzen sprechen würdest. Wenn es dann um die Schuldfrage geht sprichst du wieder vom Subjektstatus des Menschen und beziehst Positionen, die ich im Widerspruch zu einem kompatibilistischen Freiheitsverständnis sehe. |
Inwiefern?
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Es wäre unsinnig, eine Strafe nur aus dem alleinigen Grunde der Vergeltung zu verhängen, das sehe ich auch so. |
Phuh, ok.
Aber kann dann der Vergeltungsgedanke das Strafmass über das für Prävention erforderliche erhöhen? Wenn nein, wozu ist er dann noch nötig? |
Der Vergeltungsgedanke ist hier im Prinzip für mich gleichbedeutend damit, dass es das Konzept der Schuld gibt, also die persönliche Verantwortung für begangene Normverletzungen.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#552288) Verfasst am: 26.08.2006, 13:29 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Die zugemessene Verantwortung bezieht sich immer auf die Zukunft, und koljas Aktion intendiert nicht die Bestrafung des Täters, sondern den Schutz des Opfers, die Erziehung des Täters, und das Punktesammeln vor sich selbst und/oder Anderen. |
Läuft das nicht alles auf den letzten Punkt hinaus, nämlich den, vor anderen gut dazustehen? Ein weiteres mögliches Motiv wäre noch Mitleid mit den Opfern, das im Falle unterlassenen Engreifens zu Gewissensbissen führt. Wenn man das allerdings schon als Pflicht auslegt, sehe ich keinen Grund, Gewissensbisse nicht auch als Schuldgefühle zu interpretieren. |
Vielleicht Schuld im Sinne von Schulden, also der Verantwortung, etwas wiedergutzumachen. Aber eben nicht Schuld im Sinne von "Grund zur Bestrafung".
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Wo es Verantwortung gibt, gibt es potienziell auch Schuld. Schuld ist bloß eine Bezeichnung für die Tatsache, dass man für etwas ungesetzliches oder als negativ empfundenes verantwortlich ist. Wie sollte man "Schuld" auch sonst definieren? |
Wenn Du unter "Schuld" nur noch verstehst, daß einer zuvor zugemessenen Verantwortung nicht nachgekommen wurde, dann bin ich zwar einverstanden, aber ein solches Verständnis rechtfertigt mE keine Bestrafung, höchstens Wiedergutmachung, Entschuldigung, Verantwortungseingrenzung usw.
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Und ohne die Idee der Freiheit ist wohl auch die der Verantwortung nicht haltbar. |
Doch. Ich messe jemandem Verantwortung zu (vertraue ihm z.B. etwas an), weil mir zu diesem Zeitpunkt das Wissen fehlt, daß er dieser Verantwortung nicht gerecht werden wird. Hätte ich dieses Wissen, würde ich ihm die Verantwortung wohl eher nicht zumessen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#552339) Verfasst am: 26.08.2006, 14:41 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Wenn Du unter "Schuld" nur noch verstehst, daß einer zuvor zugemessenen Verantwortung nicht nachgekommen wurde, dann bin ich zwar einverstanden, aber ein solches Verständnis rechtfertigt mE keine Bestrafung, höchstens Wiedergutmachung, Entschuldigung, Verantwortungseingrenzung usw. |
Was heißt "nur noch"? Schuld besteht immer darin, dass man einer zugemessenen Verantwortung nicht nachkommt. Das Strafprinzip erklärt sich daraus, dass jedem Menschen ab einem gewissen Alter verbindlich bestimmte Rechte und damit auch Pflichten zugesprochen werden. Wer ein Gesetz verletzt, verletzt eine Norm, zu deren Einhaltung schlichtweg jeder mündige Bürger pauschal verpflichtet ist. Das ist eine direkte Folge der demokratischen Idee der Gleichheit aller Bürger. Jeder ist vor dem Gesetz gleich. Das heißt: gleiche Konsequenzen für gleiche Übertretungen. Freilich gibt es immer Ausnahmen und gewisse Abweichungen von diesem Prinzip. Aber am Grundsatz selbst wird sich kaum rütteln lassen, ohne nicht auch die Idee der fundamentalen Gleichheit in Frage zu stellen, was notwendigerweise das Ende des Grundsatzes: "Gleiche Rechte für Alle" bedeutete. Denn kein Recht ohne Pflicht.
step hat folgendes geschrieben: | Doch. Ich messe jemandem Verantwortung zu (vertraue ihm z.B. etwas an), weil mir zu diesem Zeitpunkt das Wissen fehlt, daß er dieser Verantwortung nicht gerecht werden wird. Hätte ich dieses Wissen, , die sich in einem solchen Staat wohler fühlen würden, allein: auf mich trifft das nicht zu. würde ich ihm die Verantwortung wohl eher nicht zumessen. |
Wie gesagt: das Gesetz geht davon aus, dass jeder gesunde Bürger ab 18 bzw. 21 Jahren fähig ist, bestimmten Verantwortungen gerecht zu werden. Verletzt er trotz dieser Verantwortung die Spielregeln und wir dabei erwischt, muss er dafür die ihm bereits vorher bekannten Konsequenzen tragen. So funktioniert jedes gute Spiel. Alles andere würde meiner Überzeugung nach entweder auf Anarchie oder auf staatliche Gängelung hinauslaufen.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#552511) Verfasst am: 26.08.2006, 18:22 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wenn Du unter "Schuld" nur noch verstehst, daß einer zuvor zugemessenen Verantwortung nicht nachgekommen wurde, dann bin ich zwar einverstanden, aber ein solches Verständnis rechtfertigt mE keine Bestrafung, höchstens Wiedergutmachung, Entschuldigung, Verantwortungseingrenzung usw. | Was heißt "nur noch"? Schuld besteht immer darin, dass man einer zugemessenen Verantwortung nicht nachkommt. Das Strafprinzip erklärt sich daraus, dass jedem Menschen ab einem gewissen Alter verbindlich bestimmte Rechte und damit auch Pflichten zugesprochen werden. Wer ein Gesetz verletzt, verletzt eine Norm, zu deren Einhaltung schlichtweg jeder mündige Bürger pauschal verpflichtet ist. Das ist eine direkte Folge der demokratischen Idee der Gleichheit aller Bürger. Jeder ist vor dem Gesetz gleich. Das heißt: gleiche Konsequenzen für gleiche Übertretungen. Freilich gibt es immer Ausnahmen und gewisse Abweichungen von diesem Prinzip. Aber am Grundsatz selbst wird sich kaum rütteln lassen, ohne nicht auch die Idee der fundamentalen Gleichheit in Frage zu stellen, was notwendigerweise das Ende des Grundsatzes: "Gleiche Rechte für Alle" bedeutete. Denn kein Recht ohne Pflicht. |
Ich finde es erstaunlich, wie stark Du in diesem Zusammenhang den Grundsatz "gleiches Recht für alle" zugunsten Deiner Position wertest. Große Teile des Gemeinwesens basieren darauf, daß man sich eine gewisse Gleichbehandlung erkauft mit einer Ungleichbehandlung auf einer anderen Ebene, z.B. bei der "leistungsgerechten Bezahlung". Oder es wird gleich ganz gegen den Grundsatz verstoßen, z.B. bei der Ausbeutung der Dritten Welt. Es scheint mir eine ziemlich willkürliche und primitive Grenzziehung, beim strafrechtlichen Vergeltungsprinzip die Gleichbehandlung ausgerechnet am objektiven Strafmaß festzumachen.
Zumsel hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Zumsel hat folgendes geschrieben: | Und ohne die Idee der Freiheit ist wohl auch die der Verantwortung nicht haltbar. | Doch. Ich messe jemandem Verantwortung zu (vertraue ihm z.B. etwas an), weil mir zu diesem Zeitpunkt das Wissen fehlt, daß er dieser Verantwortung nicht gerecht werden wird. Hätte ich dieses Wissen, , die sich in einem solchen Staat wohler fühlen würden, allein: auf mich trifft das nicht zu. würde ich ihm die Verantwortung wohl eher nicht zumessen. | Wie gesagt: das Gesetz geht davon aus, dass jeder gesunde Bürger ab 18 bzw. 21 Jahren fähig ist, bestimmten Verantwortungen gerecht zu werden. Verletzt er trotz dieser Verantwortung die Spielregeln und wir dabei erwischt, muss er dafür die ihm bereits vorher bekannten Konsequenzen tragen. So funktioniert jedes gute Spiel. Alles andere würde meiner Überzeugung nach entweder auf Anarchie oder auf staatliche Gängelung hinauslaufen. |
Hmm ... letzteres sehe ich nicht so. Und ich sehe auch nicht, inwiefern es Deine Behauptung belegt, ohne die Idee der Freiheit sei wohl auch die der Verantwortung nicht haltbar.
Und zum "muß er eben die Konsequenzen tragen": Auch in meinem System müßte er das ja, und auch da wüßte er vorher, nach welchen Regeln gespielt wird, auch wenn sie zugegeben etwas weniger archaisch wären.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#552945) Verfasst am: 27.08.2006, 16:00 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Ich finde es erstaunlich, wie stark Du in diesem Zusammenhang den Grundsatz "gleiches Recht für alle" zugunsten Deiner Position wertest. |
Es geht um Gleichheit vor dem Gesetz.
step hat folgendes geschrieben: | Große Teile des Gemeinwesens basieren darauf, daß man sich eine gewisse Gleichbehandlung erkauft mit einer Ungleichbehandlung auf einer anderen Ebene, z.B. bei der "leistungsgerechten Bezahlung". |
Klar, es muss definiert sein, auf welcher Ebene gleichbehandelt wird. Bei leistungsgerechter Bezahlung richtet sich der Lohn nach dem objektiven Kriterium Leistung. Derjenige, der weniger leistet, bekommt auch weniger Geld. Dass er möglicherweise gar nicht mehr zu leisten imstande ist, weil er vielleicht unfähig oder von trägem Gemüt ist, spielt bei dem Grundsatz gleiches Geld für gleiche Leistung keine Rolle. Bei dem Grundsatz: gleiche Strafe für gleiche Straftat wird etwas anders vorgegangen, da hier auch das vermutetes Motiv und der Wille des Täters eine Rolle spielen. Und das hat auch seine Berechtigung. Denn jemanden für eine Tat zu bestrafen, für deren strafrechtliche relevante Auswirkungen zu erkennen ihm die Mittel fehlten, ist sinnlos, da sie nicht in dem ihm pauschal zugesprochenen Verantwortungsbereich fallen. Denn verantwortlich ist man nur für jene Auswirkungen seiner Taten, die einem im Moment der Tat bewusst sind.
step hat folgendes geschrieben: | Es scheint mir eine ziemlich willkürliche und primitive Grenzziehung, beim strafrechtlichen Vergeltungsprinzip die Gleichbehandlung ausgerechnet am objektiven Strafmaß festzumachen. |
Wie würdest du denn anders etwa die Einhaltung von Geschwindigkeitsbegrenzungen durchsetzen wollen? Willst du jeden "Temposünder" einer psychologischen Untersuchung unterziehen und im Bedarfsfall so lange therapieren, bis er sein Fehlverhalten einsieht? Das ist doch eine völlig unverhältnismäßige Maßnahme und nebenbei auch ein wohl auch kaum finanzierbarer Aufwand. Lässt man Verstöße gegen die StVO dagegen ungesühnt, kann man es auch gleich bei Appellen an die Vernunft belassen. Oder nehmen wir das Beispiel Ladendiebstahl. In deinem System müsste der Dieb die Ware ersetzen, sprich: einfach zurückgeben und gut is. Der potenzielle Dieb hat also praktisch nichts zu verlieren und sagt sich: "Probieren kann mans ja." Muss er dagegen befürchten, angezeigt zu werden und eine Vorstrafe oder, im Wiederholungsfall, gar schlimmeres zu bekommen, hat er vielleicht ein paar Gründe mehr, seine Hände bei sich zu behalten.
Auch hier wäre eine Psychotherapie außerhalb jeder Relation.
Der Vorwurf der Primitivität tangiert mich dabei wenig. Ich löhne fürs Falschparken lieber primitiv 20 Euro Bußgeld als mich intelligent und innovativ von irgendeinem Psycho-Heini auf meine Gesellschaftskompatibilität untersuchen zu lassen.
Bei Kapitalverbrechen kann eine Psychotherapie unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein und eine entsprechend positive Sozialprognose auch zu vorzeitiger Haftentlassung führen. Allerdings erst nach Verbüßung einer der Tat entsprechenden Mindeststrafe. Denn andernfalls bestünde die Gefahr, dass beispielsweise raffinierte Mörder im Knast die Verwandlung des Saulus zum Paulus mimen und planmäßig nach kürzester Zeit wieder frei durch die Gegend laufen können. Zudem halte ich den Vergeltungsgedanken im Strafrecht bis zu einem gewissen Grad für ein legitimes Zugeständnis an ein urmenschliches Bedürfnis. Befürworter eines komplett rationalisierten Rechtssystems könnte man auch fragen: Warum werden Menschen, die eine erhöhte Gefahr für die Gesellschaft darstellen, nicht einfach hingerichtet? Ist effizient und kostengünstig. Warum sollte man Rücksicht auf den primitiven Selbsterhaltungsinstinkt des Täters nehmen (den man ja mit entsprechenden Methoden auch wegtherapieren könnte)? Gesetzgebung ist immer auch ein Abwägen von Interessen. Auch hier gilt es, das richtige Maß zu finden. Ein Justizsystem, in dem gefasste Mörder straffrei ausgehen können, würde kaum auf Akzeptanz stoßen und vermutlich sogar die Bereitschaft zur Selbstjustiz deutlich erhöhen.
step hat folgendes geschrieben: | Und ich sehe auch nicht, inwiefern es Deine Behauptung belegt, ohne die Idee der Freiheit sei wohl auch die der Verantwortung nicht haltbar. |
Weil "Verantwortung" ohne Freiheit nichts anderes ist als die Prognose, dass sich jemand in einer bestimmten Weise verhalten wird. Von Verantwortung kann aber erst gesprochen werden, wenn ein Imperativ hinzukommt, den derjenige befolgen kann oder eben nicht.
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Deus ex Machina registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.03.2006 Beiträge: 789
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(#553251) Verfasst am: 27.08.2006, 23:39 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Allgemein gesagt: Jeder Bewusstseinsinhalt, und damit auch jeder bewusste Wille, hat seine Ursache direkt oder indirekt im Unterbewusstsein. Das scheint mir eigentlich kaum bestreitbar. Du kannst dich ja mal selbst fragen, weshalb du dies oder jenes getan hast. Eventuell kannst du die Kette der Gründe dabei recht weit bewusst zurückverfolgen. Irgendwann aber kommst du unweigerlich zu einem "Weil ich ... will", welches keine bewusste Ursache mehr hat und somit auf das Unterbewusstsein zurückzuführen ist. |
Diese Unterbrechung der Kausalkette scheint mir sehr willkürlich zu sein. Der Mensch ist ein System, das in andere Systeme eingebettet ist und durch diese anderen Systeme und seine eigenen Einflüsse zu dem wurde, was er ist. Klar kann man immer weiter zurückgehen, es gibt Umwelteinflüsse, genetische Einflüsse usw. Dass das Unterbewusstsein so ist, wie es ist, kommt auch nicht aus dem Nichts. Daher kann man auch nicht sagen, das Unterbewusstsein sei die Ursache für jeden Bewusstseinsinhalt, denn das hieße eben die Kausalkette ohne Grund zu unterbrechen. Aus dem Aufbau einer solchen Kausalkette kann man aber mMn nicht schließen, dass das Bewusstsein keine Einfluss auf diese Kausalkette hätte, was Du aber implizit zu tun scheinst. Anders gesagt, sehe ich nicht, wie uns diese Kausalkette bei der Frage, ob es eine persönliche Verantwortung und damit auch Schuld geben kann, weiter bringen könnte. |
Ich befürchte wir drehen uns im Kreis. Du hast Schuld, im Sinne von Vergeltungsbedarf, explizit an bewusste Absichten geknüpft und gesagt, dass es dein Freiheits- und Schuldverständnis, sogar dein Menschenbild erschüttern würde, wenn das Bewusstsein vollständig das Produkt unbewusster Vorgänge wäre. Ich habe versucht aufzuzeigen, warum ich denke, dass dem so ist, dass es gar nicht anders sein kann.
Nun wendest du ein, das sei ein willkürlicher Abbruch der Kausalkette, man könne sie schliesslich auch bis auf Umwelt- und genetische Einflüsse oder noch weiter zurückverfolgen. Das ist natürlich richtig. Aber diese Einflüsse haben ja noch viel weniger mit der jeweiligen Person zu tun, sind noch viel weiter vom "Individuum" entfernt.
Weiter weist du darauf hin, man könne nicht schliessen, "dass das Bewusstsein keinen Einfluss auf diese Kausalkette hätte, was Du aber implizit zu tun scheinst." Erstens habe ich das Gegenteil geschrieben - und zwar explizit. Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Natürlich gibt es auch Rückkoppelungen aus dem Bewusstsein ins Unterbewusstsein, bei komplexen Problemstellungen, sozialen Interaktionen, vorausschauendem Handeln usw. | Zweitens hat diese Rückkoppelung aus dem Bewusstseins ins Unterbewusstsein eben natürlich wieder eine unbewusste Ursache.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | In Anbetracht dessen sehe ich nicht, weshalb gerade durch das Bewusstsein einer Handlung die Schuld ins Spiel kommen soll. |
Schuld entsteht für mich bei einem bewussten Verstoß gegen (gesellschaftliche) Normen oder auch bei einem Verstoß gegen persönlichen Normen. |
Das beantwortet nicht meine Frage, es sei denn, du willst aussagen, dass du, aus Gründen, die du nicht rational erläutern kannst, einem Menschen dann Schuld zuschreibst, wenn er eben bewusst gegen geltende Normen verstossen hat. Und mMn sollte sich ein Begriff von solcher Signifikanz wie "Schuld", sofern er nicht im umgangssprachlichen sondern im juristischen Sinne verwendet wird, begründen lassen.
Für all das braucht man übrigens - ich wiederhole mich - kein bisschen Neurowissenschaften. Franz von Liszt bsp.sweise hat schon um die letzte Jahrhundertwende Ansichten vertreten, die sich mit meinen weitgehend decken.
Zitat: | Das Bild einer Marionette scheint mir für das Bewusstsein nicht passend zu sein, da eine Marionette offensichtlich kein handelnder Teil eines Systems ist. |
Dem wollte ich Rechnung tragen indem ich schrieb, dass sich die Puppenspieler auch von den Marionetten beeinflussen lassen. Die Aussage sollte also sein "Kein bewusster Vorgang (Bewegung der Marionette) ohne entsprechende unbewusste Ursachen (Spieler)".
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ein potentieller Täter kann aber nur dann durch die Aussicht auf eine Strafe abgeschreckt werden, wenn er die Straftat bewusst begeht. [...] Die Entscheidung muss vorher, beim Verfassen der Gesetztestexte fallen. Und dann stellt sich die Frage, ob wir für Autodiebstähle, die unter Hypnose begangen wurden, eine Straufe aussetzen wollen. Da es keinen Nutzen hätte, muss die Antwort Nein sein. |
Es geht mir um den Grundsatz "keine Strafe ohne Schuld" und wie dieser nach Deiner Auffassung zu begründen wäre.
Nehmen wir dazu mal ein anderes Beispiel: ein Ehrenmord ist geschehen. Die Familienmitglieder werden verhört, es gibt starke Verdachtsmomente, aber es kann ihnen die Tat nicht eindeutig zugeordnet werden. Sieht man den Fall nur von der Seite der Generalprävention, hätte eine Verurteilung hier sicherlich einen Nutzen, da potentielle Täter nicht mehr auf einen eventuellen Mangel an Beweisen hoffen könnten. Warum sollte man die Familienmitglieder hier nicht bestrafen, wenn sie sowieso keine Verantwortung für ihre Taten haben? |
Noch einmal: Wenn wir in einem Justitzsystem mit rechtsstaatlichen Prinzipien leben wollen, darf sich die geschilderte Problemstellung gar nicht ergeben. Der zuständige Justitzbeamte darf sich nicht fragen müssen, "Welche Entscheidung ist in dieser eventuell nützlicher für die Gesellschaft?", sondern es muss im Vorhinein festgelegt sein, unter welchen Bedingungen jemand verurteilt werden kann. Und da wohl niemand in einem System leben will, in dem er ohne zwingende Beweise verurteilt werden kann, sollte dies auch nicht gängie Praxis sein.
Um dem zu erwartenden und gegen HFR schon vorgebrachten Einwand vorwegzugreifen, ich würde eigentlich den Schuldbegriff implizit verwenden und mich nur dagegen sträuben, ihn auch zu benutzen, möchte ich sagen, dass man den Ausdruck von mir aus auch weiterverwenden kann - auch im juristischen Kontext - allerdings im Bewusstsein, dass es eine vom Menschen geschaffene Begriffskrücke ist, dass man ihn insbesondere nicht als Vergeltungsbedarf verstehen kann.
Dass wir dabei zu ähnlichen Konsequenzen kommen, wie wenn wir uns von unserem intuitiven Rechtsverständnis, in dem Vergeltung ja eine zentrale Rolle spielt, leiten lassen, mag nur auf den ersten Blick überraschen. Wenn jemand während eines epileptischen Anfalles jemanden verletzt machen wir ihm keine Vorwürfe, wenn es dagegen jemand in böswilliger Absicht tut schon, und wir werden dann wohl auch eine Strafe fordern, ohne dass wir dabei bewusst die Absicht hätten, Prävention zu betreiben und seine Gehirnwindungen zu verändern. Dabei ist es eigentlich nur einleuchtend, dass wir als Produkt einer auch kulturellen Evolution uns gewisse Reflexe angeignet haben, die letztlich unser Zusammenleben erst ermöglichen. Man darf nur nicht den Fehler machen, zu denken, diese Gefühle hätten eine unbestreitbare Moral zur Grundlage, wie wir dies aber praktisch durchwegs tun.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ich sehe einfach nicht, weshalb es besser sein sollte, einem Menschen A Schaden zuzufügen als einem Menschen B, nur weil Mensch A gegen ein Gesetz verstossen hat, was aber zwangsläufig (/zufällig) passiert ist. |
Das ist eine stark verkürzte Darstellung unseres Strafrechtssystemes, die so einfach nicht stimmt. Niemand wird bestraft aus dem alleinigen Grunde, um Rache zu nehmen. |
Das ist mir auch klar. Ich sehe es aber auch nicht als legitimen Mitgrund. Selbst viele Strafgründe, die einen konkreten Nutzen anstreben halte ich für nicht gerechtfertigt. Wenn Zumsel z.B. schreibt Zumsel hat folgendes geschrieben: | Zudem halte ich den Vergeltungsgedanken im Strafrecht bis zu einem gewissen Grad für ein legitimes Zugeständnis an ein urmenschliches Bedürfnis. [...] Gesetzgebung ist immer auch ein Abwägen von Interessen. Auch hier gilt es, das richtige Maß zu finden. Ein Justizsystem, in dem gefasste Mörder straffrei ausgehen können, würde kaum auf Akzeptanz stoßen und vermutlich sogar die Bereitschaft zur Selbstjustiz deutlich erhöhen. | so ist das zwar ehrlich, mE aber nicht legitim. Wenn überhaupt, dann wäre hier Sensibilisierung und Aufklärung auf der anderen Seite zu betreiben. Dazu kommt, dass sich in der gängigen Rechtspraxis verwendete Strafen, die über, ich sag mal: zehn Jahre hinausgehen niemals generalpräventiv rechtfertigen lassen. Generalprävention ist eher bei kleineren Vergehen (Beispiel Ladendiebstahl) wirksam und nötig.
Zitat: | Minimum an Leid bedeutet, dass überhaupt keine Strafen verhängt werden dürfen. |
Weshalb? Denkst du nicht, dass, wenn wir Strafen vollständig abschafften, dies zu ziemlichem gesellschaftlichem Chaos führte?
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Setzt man umgekehrt eine Strafe von 5 Euro auf Autodiebstahl aus, fällt der Abschreckungseffekt praktisch weg und die Zahl der gestohlenen Wagen würde sich vervielfachen. Ein höheres Strafmass ist zumutbar um dies einzudämmen. |
Nein, ist es nach meinem Verständnis nicht. Die Rechte des Angeklagten werden hier nicht berücksichtigt. Eine Strafe nur mit der Begründung eines Abschreckungseffektes ist meiner Meinung nach nicht legitim. |
Mit der Begründung von Rachegefühlen aber schon? |
Nein, das meine ich nicht. Eine Bestrafung ist mMn nur legitim bei persönlicher Schuld. Liegt keine Schuld vor, ist eine Bestrafung nicht legitim, auch dann nicht, wenn es einen gesellschaftlichen Nutzen bringen würde (siehe oben das Beispiel mit dem Ehrenmord). |
Folglich meint dein Schuldbegriff also mehr als "willentlich gegen geltendes Recht verstossen", denn das wäre hier ja gegeben. Dann vermisse ich immer noch eine Erläuterung, worin dein Verständniss von Schuld besteht, wie es zustande kommt, weshalb es eine Strafe legitimiert.
Im Übrigen möchte ich dich noch einmal fragen, wie sich aus der Schuld, beispielsweise eines Autodiebstahles, die Mindest- und Höchststrafe ergeben.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Dass er anders gehandelt hätte, wenn er etwas anderes gewollt hätte, ist trivial. Das hat nichts mit Freiheit zu tun. |
Ich schließe mich einfachheitshalber an dieser Stelle mal diesem Zitat von Zumsel an:
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Freiheit ist nicht das Gegenteil von Determinismus, sondern von Zwang. Das Gegenteil von Determinismus ist Zufälligkeit. Die Begriffe Freiheit und Zwang ergeben nur in Bezug auf unser Erleben und unsere Existenz als Sozialwesen Sinn. Es ist ein Kategorienfehler, sie anderweitig verwenden zu wollen. Man benötigt keinen ontologischen Freiheitsbegriff, um mit diesen Kategorien denken zu können. |
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Eben, ein kompatibilistisches ( = zum Determinismus nicht im Widerspruch stehendes) Verständnis von Freiheit. Allerdings hast du mehrfach betont, dass du, wenn die Handlung eines Menschen von vornherein völlig festgelegt wäre, Strafen für nicht mehr legitim halten würdest.
Ich möchte meine Aussage von oben deshalb präzisieren: Die Aussage "er hätte auch anders gekonnt" lässt kein Verständnis zu, bei dem er für einen Menschen zutrifft, nicht aber auch für ein genügend komplexes Programm. Das ist es, was unser traditionelles, intuitives Freiheitsverständnis so erschüttert, welches, so wie ich (und du, wenn ich dich richtig verstehe) das sehe, das einzige ist, welche einen nach Vergeltung rufenden Schuldbegriff zulässt.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn es dann um die Schuldfrage geht sprichst du wieder vom Subjektstatus des Menschen und beziehst Positionen, die ich im Widerspruch zu einem kompatibilistischen Freiheitsverständnis sehe. |
Inwiefern? |
Bei dem Audodiebstahlsbeispiel z.B. hast du gesagt, dass eine Strafe nicht legitim wäre, wenn die Tat des Diebes von vornherein festgestanden hätte.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Es wäre unsinnig, eine Strafe nur aus dem alleinigen Grunde der Vergeltung zu verhängen, das sehe ich auch so. |
Phuh, ok.
Aber kann dann der Vergeltungsgedanke das Strafmass über das für Prävention erforderliche erhöhen? Wenn nein, wozu ist er dann noch nötig? |
Der Vergeltungsgedanke ist hier im Prinzip für mich gleichbedeutend damit, dass es das Konzept der Schuld gibt, also die persönliche Verantwortung für begangene Normverletzungen. |
Jetzt hast du "Schuld" durch "persönliche Verantwortung" ersetzt. Erläutere bitte diesen Begriff!
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#554326) Verfasst am: 29.08.2006, 13:34 Titel: |
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Das wird etwas lang hier, ich werde einiges snippen, was mir nicht wesentlich erscheint oder mMn schon gesagt wurde.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Du hast Schuld, im Sinne von Vergeltungsbedarf, explizit an bewusste Absichten geknüpft und gesagt, dass es dein Freiheits- und Schuldverständnis, sogar dein Menschenbild erschüttern würde, wenn das Bewusstsein vollständig das Produkt unbewusster Vorgänge wäre. |
Nein, mein Menschenbild wäre dann erschüttert, wenn das Bewusstsein keine Einfluss auf die Handlungen eines Menschen hätte, wenn das Bewusstsein quasi nur ein Beobachter der Handlungen des Menschen wäre.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Weiter weist du darauf hin, man könne nicht schliessen, "dass das Bewusstsein keinen Einfluss auf diese Kausalkette hätte, was Du aber implizit zu tun scheinst." Erstens habe ich das Gegenteil geschrieben - und zwar explizit. Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Natürlich gibt es auch Rückkoppelungen aus dem Bewusstsein ins Unterbewusstsein, bei komplexen Problemstellungen, sozialen Interaktionen, vorausschauendem Handeln usw. |
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Gut, soweit sind wir uns ja einig. Es ist mir hier nur wichtig, festzuhalten, dass es bewusst ausgeführte Handlungen gibt und dass diese eben nicht komplett von äußeren, nicht der Persönlichkeit zuzuordnenden Faktoren bestimmt werden und dass zusätzlich bewusste Handlungen möglich sind.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | In Anbetracht dessen sehe ich nicht, weshalb gerade durch das Bewusstsein einer Handlung die Schuld ins Spiel kommen soll. |
Schuld entsteht für mich bei einem bewussten Verstoß gegen (gesellschaftliche) Normen oder auch bei einem Verstoß gegen persönlichen Normen. |
Das beantwortet nicht meine Frage, es sei denn, du willst aussagen, dass du, aus Gründen, die du nicht rational erläutern kannst, einem Menschen dann Schuld zuschreibst, wenn er eben bewusst gegen geltende Normen verstossen hat. Und mMn sollte sich ein Begriff von solcher Signifikanz wie "Schuld", sofern er nicht im umgangssprachlichen sondern im juristischen Sinne verwendet wird, begründen lassen. |
"Schuld" = "ein bewusster Verstoß gegen (gesellschaftliche) Normen" ist hier erst mal nur eine Definition, die allerdings nur dann gültig ist, wenn dem Menschen Entscheidungs- und Handlungsfreiheit zugestanden wird. Dazu ist aber mMn Bewusstsein eine Voraussetzung.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ein potentieller Täter kann aber nur dann durch die Aussicht auf eine Strafe abgeschreckt werden, wenn er die Straftat bewusst begeht. [...] Die Entscheidung muss vorher, beim Verfassen der Gesetztestexte fallen. Und dann stellt sich die Frage, ob wir für Autodiebstähle, die unter Hypnose begangen wurden, eine Straufe aussetzen wollen. Da es keinen Nutzen hätte, muss die Antwort Nein sein. |
Es geht mir um den Grundsatz "keine Strafe ohne Schuld" und wie dieser nach Deiner Auffassung zu begründen wäre.
Nehmen wir dazu mal ein anderes Beispiel: ein Ehrenmord ist geschehen. Die Familienmitglieder werden verhört, es gibt starke Verdachtsmomente, aber es kann ihnen die Tat nicht eindeutig zugeordnet werden. Sieht man den Fall nur von der Seite der Generalprävention, hätte eine Verurteilung hier sicherlich einen Nutzen, da potentielle Täter nicht mehr auf einen eventuellen Mangel an Beweisen hoffen könnten. Warum sollte man die Familienmitglieder hier nicht bestrafen, wenn sie sowieso keine Verantwortung für ihre Taten haben? |
Noch einmal: Wenn wir in einem Justitzsystem mit rechtsstaatlichen Prinzipien leben wollen, darf sich die geschilderte Problemstellung gar nicht ergeben. Der zuständige Justitzbeamte darf sich nicht fragen müssen, "Welche Entscheidung ist in dieser eventuell nützlicher für die Gesellschaft?", sondern es muss im Vorhinein festgelegt sein, unter welchen Bedingungen jemand verurteilt werden kann. Und da wohl niemand in einem System leben will, in dem er ohne zwingende Beweise verurteilt werden kann, sollte dies auch nicht gängie Praxis sein. |
Diese Begründung ist mehr als zirkelschlüssig. Du kannst nicht mit "rechtsstaatlichen Prinzipien" das von Dir gewollte rechtsstaatliche Prinzip begründen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Wenn man davon ausgeht, dass Menschen keine Handlungsfreiheit haben, dann entfällt der Grundsatz "keine Strafe ohne Schuld" erst einmal ersatzlos. Ich sehe nicht, wie er zu halten wäre, auch Dein Einwand, die Leute wollten das nicht, ist dabei wenig hilfreich, denn weiter unter widerlegst Du ihn selber, indem Du Sensibilisierung und Aufklärung forderst. Im Vorneherein festgelegt kann ja übrigens alles mögliche sein, auch dass man "Unschuldige" (die es ja Deiner Meinung nach gar nicht mehr gibt), zum Zwecke einer wahrscheinlich erfolgreichen Generalprävention inhaftiert.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Das ist mir auch klar. Ich sehe es aber auch nicht als legitimen Mitgrund. Selbst viele Strafgründe, die einen konkreten Nutzen anstreben halte ich für nicht gerechtfertigt. Wenn Zumsel z.B. schreibt Zumsel hat folgendes geschrieben: | Zudem halte ich den Vergeltungsgedanken im Strafrecht bis zu einem gewissen Grad für ein legitimes Zugeständnis an ein urmenschliches Bedürfnis. [...] Gesetzgebung ist immer auch ein Abwägen von Interessen. Auch hier gilt es, das richtige Maß zu finden. Ein Justizsystem, in dem gefasste Mörder straffrei ausgehen können, würde kaum auf Akzeptanz stoßen und vermutlich sogar die Bereitschaft zur Selbstjustiz deutlich erhöhen. | so ist das zwar ehrlich, mE aber nicht legitim. Wenn überhaupt, dann wäre hier Sensibilisierung und Aufklärung auf der anderen Seite zu betreiben. |
Ja, Sensibilisierung und Aufklärung wäre eine Möglichkeit dafür, eine gesellschaftliche Änderung durchzusetzen. Der status quo ist natürlich änderbar.
Nur bin ich immer noch anderer Meinung als Du. Bestrafung ist eben mMn dann legitim (und nur dann!), wenn schuldhaftes Handeln vorliegt. Nur aus Prinzip sollte aber niemand bestraft werden; hier kann zusätzlich die Akzeptanz und die Wirkung auf die Bevölkerung (aka Generalprävention) eine Rolle spielen. Wäre die Bestrafung nicht legitim (d.h. in meiner Sicht bei nicht schuldhaftem Verhalten), dann darf auch die gesellschaftliche Auswirkung einer Bestrafung oder Nichtbestrafung keine Rolle spielen.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Allerdings hast du mehrfach betont, dass du, wenn die Handlung eines Menschen von vornherein völlig festgelegt wäre, Strafen für nicht mehr legitim halten würdest. |
Wenn die Handlung im Vorneherein durch ausschließlich äußere Faktoren festgelegt wäre.
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Deus ex Machina registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.03.2006 Beiträge: 789
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(#556155) Verfasst am: 31.08.2006, 23:44 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Das wird etwas lang hier, ich werde einiges snippen, was mir nicht wesentlich erscheint oder mMn schon gesagt wurde. |
Danke.
Zitat: | Nein, mein Menschenbild wäre dann erschüttert, wenn das Bewusstsein keine Einfluss auf die Handlungen eines Menschen hätte, wenn das Bewusstsein quasi nur ein Beobachter der Handlungen des Menschen wäre. |
Aber ob, und wenn ja, wie das Bewusstsein Einfluss auf die Handlung hat, ist doch eben wiederum unbewusst bedingt.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Weiter weist du darauf hin, man könne nicht schliessen, "dass das Bewusstsein keinen Einfluss auf diese Kausalkette hätte, was Du aber implizit zu tun scheinst." Erstens habe ich das Gegenteil geschrieben - und zwar explizit. Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Natürlich gibt es auch Rückkoppelungen aus dem Bewusstsein ins Unterbewusstsein, bei komplexen Problemstellungen, sozialen Interaktionen, vorausschauendem Handeln usw. |
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Gut, soweit sind wir uns ja einig. Es ist mir hier nur wichtig, festzuhalten, dass es bewusst ausgeführte Handlungen gibt und dass diese eben nicht komplett von äußeren, nicht der Persönlichkeit zuzuordnenden Faktoren bestimmt werden und dass zusätzlich bewusste Handlungen möglich sind. |
Tut mir Leid, aber "dass diese eben nicht komplett von äußeren, nicht der Persönlichkeit zuzuordnenden Faktoren bestimmt werden" kann ich so nicht unterschreiben. Denn diese der Persönlichkeit zuzuordnenden Faktoren sind eben nur solche, wenn den das Zurückverfolgen des Fadens an einer willkürlichen Stelle unterbricht. Für Schuld, so schreibst du, ist es nötig, dass der Persönlichkeit zuzuordnende Faktoren an der Auslösung der Handlung beteiligt sind. Aber wie nun diese Faktoren wiederum geartet sind, dafür gibt es keine Schuld und keine Verantwortung. Damit wird der Delinquent eben letztlich doch für die für ihn ausschlaggebenden Einflüsse bestraft.
Zitat: | "Schuld" = "ein bewusster Verstoß gegen (gesellschaftliche) Normen" ist hier erst mal nur eine Definition, die allerdings nur dann gültig ist, wenn dem Menschen Entscheidungs- und Handlungsfreiheit zugestanden wird. Dazu ist aber mMn Bewusstsein eine Voraussetzung. |
Wenn also Schuld, als Bedingung für Strafe, einer Definition bedarf, ist sie doch ein von Menschen geschaffenes Konstrukt, nicht? Wie kann ein solches ein Kriterium dafür sein, was legitim ist und was nicht? Sie kann es höchstens soweit sein, wie wir etwas legitim nennen oder nicht. Und da ich mir von Vergeltung gegen einen Delinquenten nichts verspreche, würde ich sie nicht legitim nennen. (Zumsel hat zwar aufgezeigt, dass eine Strafe zu Vergeltungszwecken durchaus ihre Nutzen haben kann, diese würde ich aber nicht als hinreichende Begründung betrachten und du meiner Einschätzung nach auch nicht.)
Zitat: | Diese Begründung ist mehr als zirkelschlüssig. Du kannst nicht mit "rechtsstaatlichen Prinzipien" das von Dir gewollte rechtsstaatliche Prinzip begründen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. |
Um das Wort rechtsstaatlich zu vermeiden: Da kaum jemand in einem System leben will, in dem es von den subjektiven Einschätzungen eines Gesetzeshüters darüber, was für die Gesellschaft wohl nützlich wäre, abhängt, ob er oder sie verurteilt wird, da zudem wohl jeder im Voraus wissen will unter welchen Bedingungen er bestraft werden kann, ist es nicht legitim jemanden zu bestrafen, ohne dass derselbe bewusst gegen geltendes Recht verstossen hat.
Zitat: | Wenn man davon ausgeht, dass Menschen keine Handlungsfreiheit haben,... |
Ich dachte wir waren uns darin einig, dass dieser Begriff entweder sinnlos oder bei anderem Verständnis mit der Vorstellung einer verstehbaren Welt verträglich ist. Daher sehe ich den Sinn des Wenn nicht ganz, dh. ich sehe nicht, inwiefern der Mensch "Handlungsfreiheit haben kann oder auch nicht", wozu da eine Unterscheidung gefällt werden muss.
Zitat: | Ich sehe nicht, wie er zu halten wäre, auch Dein Einwand, die Leute wollten das nicht, ist dabei wenig hilfreich, denn weiter unter widerlegst Du ihn selber, indem Du Sensibilisierung und Aufklärung forderst. |
Ich habe geschrieben: "Wenn überhaupt, dann wäre hier Sensibilisierung und Aufklärung ... zu betreiben." Aber du sprichst da ein schwieriges, so wie ich das sehe in dieser Diskussion neues Thema an. Wie weit muss und darf sich das Justitzsystem nach den Wünschen der betreffenden Menschen richten? Kurz gesagt denke ich, dass es sich prinzipiell ausschliesslich auf die Interessen seiner Bürger (nicht auf Gott, den Kaiser oder woraufauchimmer) gründet, aber es muss selbige auch gehen Stimmungsschwankungen, Launen, überbordende Gefühlsausbrüche usw. schützen, dh. die Interessen derjenigen schützen, gegen welche sich der aktuelle Mehrheitswille richtet. Damit löst sich auch der von dir in meinem Posting gesehene Widerspruch.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ich sehe es [Vergeltung] aber auch nicht als legitimen Mitgrund. Selbst viele Strafgründe, die einen konkreten Nutzen anstreben halte ich für nicht gerechtfertigt. Wenn Zumsel z.B. schreibt Zumsel hat folgendes geschrieben: | Zudem halte ich den Vergeltungsgedanken im Strafrecht bis zu einem gewissen Grad für ein legitimes Zugeständnis an ein urmenschliches Bedürfnis. [...] Gesetzgebung ist immer auch ein Abwägen von Interessen. Auch hier gilt es, das richtige Maß zu finden. Ein Justizsystem, in dem gefasste Mörder straffrei ausgehen können, würde kaum auf Akzeptanz stoßen und vermutlich sogar die Bereitschaft zur Selbstjustiz deutlich erhöhen. | so ist das zwar ehrlich, mE aber nicht legitim. Wenn überhaupt, dann wäre hier Sensibilisierung und Aufklärung auf der anderen Seite zu betreiben. |
[...]Nur bin ich immer noch anderer Meinung als Du. Bestrafung ist eben mMn dann legitim (und nur dann!), wenn schuldhaftes Handeln vorliegt. Nur aus Prinzip sollte aber niemand bestraft werden; hier kann zusätzlich die Akzeptanz und die Wirkung auf die Bevölkerung (aka Generalprävention) eine Rolle spielen. Wäre die Bestrafung nicht legitim (d.h. in meiner Sicht bei nicht schuldhaftem Verhalten), dann darf auch die gesellschaftliche Auswirkung einer Bestrafung oder Nichtbestrafung keine Rolle spielen. |
Mir erschlisst sich nicht ganz, inwiefern das meiner Position widerspricht.
Die grösste offene Frage sehe ich in der Bemessung des Strafmasses. Ich habe versucht meine Vorstellung darzulegen, du hast mir auf mehrfache Anfrage hin nicht erklären können, wie sich dMn aus der Schul die legitime Mindest- und Höchststrafe ergibt. Können wir auf diesen Punkt eingehen?
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Allerdings hast du mehrfach betont, dass du, wenn die Handlung eines Menschen von vornherein völlig festgelegt wäre, Strafen für nicht mehr legitim halten würdest. |
Wenn die Handlung im Vorneherein durch ausschließlich äußere Faktoren festgelegt wäre. |
Was sie aber letztlich ist, die "inneren Faktoren" sind nur ein Glied zwischen "äusseren" und der Handlung.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#556210) Verfasst am: 01.09.2006, 01:54 Titel: |
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Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Nein, mein Menschenbild wäre dann erschüttert, wenn das Bewusstsein keine Einfluss auf die Handlungen eines Menschen hätte, wenn das Bewusstsein quasi nur ein Beobachter der Handlungen des Menschen wäre. |
Aber ob, und wenn ja, wie das Bewusstsein Einfluss auf die Handlung hat, ist doch eben wiederum unbewusst bedingt. |
Das Bewusstsein ist ein bestimmender Teil der Kausalkette. Das ist erst mal das, was ich festhalten möchte.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Tut mir Leid, aber "dass diese eben nicht komplett von äußeren, nicht der Persönlichkeit zuzuordnenden Faktoren bestimmt werden" kann ich so nicht unterschreiben. Denn diese der Persönlichkeit zuzuordnenden Faktoren sind eben nur solche, wenn den das Zurückverfolgen des Fadens an einer willkürlichen Stelle unterbricht. Für Schuld, so schreibst du, ist es nötig, dass der Persönlichkeit zuzuordnende Faktoren an der Auslösung der Handlung beteiligt sind. Aber wie nun diese Faktoren wiederum geartet sind, dafür gibt es keine Schuld und keine Verantwortung. Damit wird der Delinquent eben letztlich doch für die für ihn ausschlaggebenden Einflüsse bestraft. |
Nein, er wird bestraft für die von ihm ausgegangene Normverletzung. Das geht natürlich nur, wenn man ihn denn als seine Handlung bestimmendes Wesen akzeptiert.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | "Schuld" = "ein bewusster Verstoß gegen (gesellschaftliche) Normen" ist hier erst mal nur eine Definition, die allerdings nur dann gültig ist, wenn dem Menschen Entscheidungs- und Handlungsfreiheit zugestanden wird. Dazu ist aber mMn Bewusstsein eine Voraussetzung. |
Wenn also Schuld, als Bedingung für Strafe, einer Definition bedarf, ist sie doch ein von Menschen geschaffenes Konstrukt, nicht? Wie kann ein solches ein Kriterium dafür sein, was legitim ist und was nicht? Sie kann es höchstens soweit sein, wie wir etwas legitim nennen oder nicht. |
Selbstverständlich. Wenn ich verkürzt sage, etwas sei legitim, dann meine ich damit immer nur, es sei aus meiner Sichtweise legitim. Ich schreibe deswegen auch meistens "mMn" dazu, falls das mal fehlen sollte, ist es trotzdem implizit gemeint.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Und da ich mir von Vergeltung gegen einen Delinquenten nichts verspreche, würde ich sie nicht legitim nennen. (Zumsel hat zwar aufgezeigt, dass eine Strafe zu Vergeltungszwecken durchaus ihre Nutzen haben kann, diese würde ich aber nicht als hinreichende Begründung betrachten und du meiner Einschätzung nach auch nicht.) |
Eine Strafe muss auch immer einen Nutzen haben, unabhängig von der Vergeltung, da sind wir uns wohl einig.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Diese Begründung ist mehr als zirkelschlüssig. Du kannst nicht mit "rechtsstaatlichen Prinzipien" das von Dir gewollte rechtsstaatliche Prinzip begründen. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. |
Um das Wort rechtsstaatlich zu vermeiden: Da kaum jemand in einem System leben will, in dem es von den subjektiven Einschätzungen eines Gesetzeshüters darüber, was für die Gesellschaft wohl nützlich wäre, abhängt, ob er oder sie verurteilt wird, da zudem wohl jeder im Voraus wissen will unter welchen Bedingungen er bestraft werden kann, ist es nicht legitim jemanden zu bestrafen, ohne dass derselbe bewusst gegen geltendes Recht verstossen hat. |
Wir sind uns sicherlich einig darin, dass die Festlegung der Normen und deren Sanktionen geschehen muss, bevor eine solche Sanktion erfolgen darf. Alles andere wäre Willkür. Diesen Punkt können wir also abhaken, darum ging es mir aber auch nie.
Interessant ist aber, dass Du plötzlich die Formulierung "bewusst gegen geltendes Recht verstoßen" verwendest, was nämlich Handlungsfreiheit impliziert.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Wenn man davon ausgeht, dass Menschen keine Handlungsfreiheit haben,... |
Ich dachte wir waren uns darin einig, dass dieser Begriff entweder sinnlos oder bei anderem Verständnis mit der Vorstellung einer verstehbaren Welt verträglich ist. Daher sehe ich den Sinn des Wenn nicht ganz, dh. ich sehe nicht, inwiefern der Mensch "Handlungsfreiheit haben kann oder auch nicht", wozu da eine Unterscheidung gefällt werden muss. |
Handlungsfreiheit bedeutet für mich, dass er seine Handlungen aus seiner Persönlichkeit heraus bestimmt. Wenn Du Handlungsfreiheit in diesem Sinne ablehnst, dann sollte es wiederum keine Rolle spielen für eine Bestrafung, ob eine Handlung gewollt war oder nicht. In meiner Sicht ist eine Bestrafung jedoch eben prinzipiell nicht zulässig (nicht legitim), wenn es keine Handlungsfreiheit in diesem Sinne gibt.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Ich sehe nicht, wie er zu halten wäre, auch Dein Einwand, die Leute wollten das nicht, ist dabei wenig hilfreich, denn weiter unter widerlegst Du ihn selber, indem Du Sensibilisierung und Aufklärung forderst. |
Ich habe geschrieben: "Wenn überhaupt, dann wäre hier Sensibilisierung und Aufklärung ... zu betreiben." Aber du sprichst da ein schwieriges, so wie ich das sehe in dieser Diskussion neues Thema an. Wie weit muss und darf sich das Justitzsystem nach den Wünschen der betreffenden Menschen richten? Kurz gesagt denke ich, dass es sich prinzipiell ausschliesslich auf die Interessen seiner Bürger (nicht auf Gott, den Kaiser oder woraufauchimmer) gründet, aber es muss selbige auch gehen Stimmungsschwankungen, Launen, überbordende Gefühlsausbrüche usw. schützen, dh. die Interessen derjenigen schützen, gegen welche sich der aktuelle Mehrheitswille richtet. Damit löst sich auch der von dir in meinem Posting gesehene Widerspruch. |
Nein, der Widerspruch löst sich nicht. Wenn Du behauptest, es gäbe keine Entscheidungs- und Handlungsfreiheit und das sei eine gesicherte Erkenntnis, dann steht das im Widerspruch zur geltenden Auffassung. Daraus ergeben sich Folgerungen, die eine Änderung des jetzigen Menschenbildes ergeben. Daher kannst Du nicht mit dem Wollen der heutigen Gesellschaft argumentieren, das ja auf einer Deiner Meinung nach falschen Prämisse beruht, sondern müsstest auf eine (schrittweise) Änderung dieses (dMn falschen) Menschenbildes hinarbeiten. Aus dieser Änderung ergeben sich dann irgendwann andere Interessen.
Wenn es keine Schuld mehr gibt, dann ergibt sich daraus mMn für das Strafrechtssystem der Wegfall des Vergeltungsprinzipes. Dieses scheint für Dich etwas prinzipiell schlechtes zu sein, für mich begründet es aber genau im Gegenteil den Schutz des Einzelnen gegenüber dem Staat. Denn wenn Schuld und Vergeltung wegfallen, dann bleiben zur Begründung einer Strafe nur noch Spezial- und Generalprävention übrig. Wenn dann in einzelnen Fällen eine Spezialprävention versagt, bleibt eben in diesem Falle nur die Generalprävention. Und dann gibt es keine Begründung mehr, warum man nicht jemanden "schuldlos" (was es ja dann nicht mehr gibt!) sanktioniert, wenn es denn der Generalprävention dient.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Die grösste offene Frage sehe ich in der Bemessung des Strafmasses. Ich habe versucht meine Vorstellung darzulegen, du hast mir auf mehrfache Anfrage hin nicht erklären können, wie sich dMn aus der Schul die legitime Mindest- und Höchststrafe ergibt. Können wir auf diesen Punkt eingehen? |
Hm, ich verstehe nicht, warum Dir dieser Punkt so wichtig ist. Es ergibt sich nicht direkt ein bestimmtes Strafmaß. Dies muss gesellschaftlich festgelegt werden; d.h. es muss festgelegt werden, wie schlimm die Normverletzung angesehen wird. Dadurch ergibt sich eine Rangfolge der Normverletzungen (schlimm - weniger schlimm), die sich im verhängten Strafmaß widerspiegeln müssen.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Allerdings hast du mehrfach betont, dass du, wenn die Handlung eines Menschen von vornherein völlig festgelegt wäre, Strafen für nicht mehr legitim halten würdest. |
Wenn die Handlung im Vorneherein durch ausschließlich äußere Faktoren festgelegt wäre. |
Was sie aber letztlich ist, die "inneren Faktoren" sind nur ein Glied zwischen "äusseren" und der Handlung. |
Die Frage ist einfach, ob man den Menschen als selbstständig handelndes Wesen ansieht (was nicht bedeutet, dass er seine Handlungen absolut frei bestimmen kann) oder nicht. Tut man das nicht, dann ergibt sich die oben beschriebene Folgerung für das Strafrechtssystem. Es sei denn, man würde Strafen prinzipiell ablehnen. Wenn man aber trotzdem noch Strafen für legitim hält, dann wird ein Mensch lediglich als ein zu konditionierendes Objekt angesehen und zusätzlich werden auch strafrechtliche Maßnahmen gegen ihn legitim, wenn er (aus meiner Sicht, aus Deiner gibt es das dann ja nicht mehr) schuldlos gehandelt hat.
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Deus ex Machina registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.03.2006 Beiträge: 789
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(#556406) Verfasst am: 01.09.2006, 13:40 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Nein, er wird bestraft für die von ihm ausgegangene Normverletzung. Das geht natürlich nur, wenn man ihn denn als seine Handlung bestimmendes Wesen akzeptiert. |
Ich verstehe nicht, was du mit dieser Formulierung "seine Handlung bestimmendes Wesen" genau ausdrücken willst. Meint das das gleiche wie "etwas bewusst, ohne inneren und äusseren Zwang" tun? Wenn nein, was kommt da noch hinzu?
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Und da ich mir von Vergeltung gegen einen Delinquenten nichts verspreche, würde ich sie nicht legitim nennen. (Zumsel hat zwar aufgezeigt, dass eine Strafe zu Vergeltungszwecken durchaus ihre Nutzen haben kann, diese würde ich aber nicht als hinreichende Begründung betrachten und du meiner Einschätzung nach auch nicht.) |
Eine Strafe muss auch immer einen Nutzen haben, unabhängig von der Vergeltung, da sind wir uns wohl einig. |
MMn ist aber auch der angestrebte Nutzen, damit "ein menschliches Urbedürfnis zu befriedigen", da man andernfalls Unverständnis befürchtet, kein legitimer Strafzweck. Wenn also - wie man aus Erfahrung weiss - eine langjährige Haftstrafe zu Präventionszwecken für einen Gesetzesbrecher wirkungslos wäre, so hielte ich es für Unrecht, ihn aus den genannten Gründen dennoch zu einer solchen zu verurteilen.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Um das Wort rechtsstaatlich zu vermeiden: Da kaum jemand in einem System leben will, in dem es von den subjektiven Einschätzungen eines Gesetzeshüters darüber, was für die Gesellschaft wohl nützlich wäre, abhängt, ob er oder sie verurteilt wird, da zudem wohl jeder im Voraus wissen will unter welchen Bedingungen er bestraft werden kann, ist es nicht legitim jemanden zu bestrafen, ohne dass derselbe bewusst gegen geltendes Recht verstossen hat. |
Wir sind uns sicherlich einig darin, dass die Festlegung der Normen und deren Sanktionen geschehen muss, bevor eine solche Sanktion erfolgen darf. Alles andere wäre Willkür. Diesen Punkt können wir also abhaken, darum ging es mir aber auch nie.
Interessant ist aber, dass Du plötzlich die Formulierung "bewusst gegen geltendes Recht verstoßen" verwendest, was nämlich Handlungsfreiheit impliziert. |
Wenn jemand bewusst ein Unrecht tut, so gibt es für mich zwei Gründe ihn deshalb dafür zu bestrafen, welche beide im unbewussten Fall (Reflex, Tourette, Hypnose,...) nicht zutreffen:
- Prävention ist wirksam
- mein intuitives Rechtsempfinden fordert eine Strafe gegen ihn, ich spreche ihm "Schuld" zu, er hat "Vergeltung verdient"
Ich habe schon versucht darzulegen, weshalb ich es für keinen Zufall halte, dass diese beiden Gründe zum selben Ergebnis kommen. Für das Strafrecht hat aber mE ausschliesslich der erste Grund eine Rolle zu spielen, sollten der erste und der zweite Grund zu einem sich widersprechenden Ergebnis kommen, ist dem ersten der Vorzug zu geben.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Wenn man davon ausgeht, dass Menschen keine Handlungsfreiheit haben,... |
Ich dachte wir waren uns darin einig, dass dieser Begriff entweder sinnlos oder bei anderem Verständnis mit der Vorstellung einer verstehbaren Welt verträglich ist. Daher sehe ich den Sinn des Wenn nicht ganz, dh. ich sehe nicht, inwiefern der Mensch "Handlungsfreiheit haben kann oder auch nicht", wozu da eine Unterscheidung gefällt werden muss. |
Handlungsfreiheit bedeutet für mich, dass er seine Handlungen aus seiner Persönlichkeit heraus bestimmt. |
Siehe dazu meine Frage oben.
Zitat: | Wenn Du Handlungsfreiheit in diesem Sinne ablehnst, dann sollte es wiederum keine Rolle spielen für eine Bestrafung, ob eine Handlung gewollt war oder nicht. In meiner Sicht ist eine Bestrafung jedoch eben prinzipiell nicht zulässig (nicht legitim), wenn es keine Handlungsfreiheit in diesem Sinne gibt. |
Weshalb ich Bestrafung für nicht bewusst oder unter Zwang begangene Straftaten für nicht legitim halte, habe ich schon versucht darzulegen. Aber ich sehe noch nicht, weshalb das für dich so ist. Ist das einfach eine keiner Begründung bedürfende Präferenz?
(Weil er keine Schuld hat, klar. Aber weshalb ist es dMn falsch einen Unschuldigen zu bestrafen? Kommst du da nicht zwangsläufig auch auf meine Argumentationsschiene, dass du einfach nicht in einer Gesellschaft leben willst, die Unschulige zur Abschreckung verurteilt, auch deshalb, weil du dann ja selbst dem zum Opfer fallen könntest?)
Zitat: | Nein, der Widerspruch löst sich nicht. Wenn Du behauptest, es gäbe keine Entscheidungs- und Handlungsfreiheit und das sei eine gesicherte Erkenntnis,... |
Es ist möglich, dass der Mensch eine Handlung bewusst, reflektiert, nach bestem Wissen und Gewissen, ohne äusseren oder inneren Zwang durchführt. Ein darüber hinausgehendes Verständnis ("er hätte auch anders handeln können") des Begriffes lehne ich ab. Wie ich deines einordnen muss, weiss ich immer noch nicht.
Zitat: | ...dann steht das im Widerspruch zur geltenden Auffassung. Daraus ergeben sich Folgerungen, die eine Änderung des jetzigen Menschenbildes ergeben. Daher kannst Du nicht mit dem Wollen der heutigen Gesellschaft argumentieren, das ja auf einer Deiner Meinung nach falschen Prämisse beruht, sondern müsstest auf eine (schrittweise) Änderung dieses (dMn falschen) Menschenbildes hinarbeiten. Aus dieser Änderung ergeben sich dann irgendwann andere Interessen. |
Nicht unbedingt. Das Interesse, nicht willkürlich verurteilt zu werden, sehe ich nicht im Widerspruch zu meinem Verständnis von (Un-)Freiheit. Eine Strafe um ihrer selbst Willen lehne ich tatsächlich deshalb ab, weil ich das traditionelle, intuitive Freiheitsverständnis und das zugehörige Menschenbild für sinnlos halte. Aber das tust du ja auch (Strafe um ihrer selbst Willen ablehnen, meine ich).
Zitat: | Wenn es keine Schuld mehr gibt, dann ergibt sich daraus mMn für das Strafrechtssystem der Wegfall des Vergeltungsprinzipes. Dieses scheint für Dich etwas prinzipiell schlechtes zu sein, für mich begründet es aber genau im Gegenteil den Schutz für die Mitglieder der Gesellschaft. Wenn Schuld und Vergeltung wegfallen, dann bleiben zur Begründung einer Strafe nur noch Spezial- und Generalprävention übrig. Wenn dann in einzelnen Fällen eine Spezialprävention versagt, bleibt eben in diesem Falle nur die Generalprävention. Und dann gibt es keine Begründung mehr, warum man nicht jemanden "schuldlos" (was es ja dann nicht mehr gibt!) sanktioniert, wenn es denn der Generalprävention dient. |
Ich habe doch wiederholt dargelegt, weshalb ich es für illegitim halte, jemanden ohne bewussten und willentlichen Gesetzesbruch zu bestrafen. Irgendwie denken wir da aneinander vorbei.
Ich versuch es mal so: Dass du es als negative Konsequenz meiner Ablehnung des Schuldbegriffes hinstellst, dass dann eben jeder, ob Gesetzesbrecher oder nicht, zum Zwecke der Generalprävention sanktioniert werden könnte, enthält ja schon implizit die Ablehung dieser Konsequenzen; und es enthält diese Ablehnung ja trotz des Verzichtes auf den Schuldbegriff. Das heisst nichts anderes, als dass du es eben - Schuldbegriff hin oder her - für falsch hältst, jemanden ohne bewusst begangenes Unrecht zum Zwecke der Generalprävention zu verurteilen.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Die grösste offene Frage sehe ich in der Bemessung des Strafmasses. Ich habe versucht meine Vorstellung darzulegen, du hast mir auf mehrfache Anfrage hin nicht erklären können, wie sich dMn aus der Schul die legitime Mindest- und Höchststrafe ergibt. Können wir auf diesen Punkt eingehen? |
Hm, ich verstehe nicht, warum Dir dieser Punkt so wichtig ist. Es ergibt sich nicht direkt ein bestimmtes Strafmaß. Dies muss gesellschaftlich festgelegt werden; d.h. es muss festgelegt werden, wie schlimm die Normverletzung angesehen wird. Dadurch ergibt sich eine Rangfolge der Normverletzungen (schlimm - weniger schlimm), die sich im verhängten Strafmaß widerspiegeln müssen. |
Es ist mir deshalb wichtig, weil einerseits der Schuldbegriff häufig als nötig proklamiert wird, um eine Höchststrafe zu begrenzen. Aber da du von einer Rangfolge und nicht von absoluten Grössen sprachst, hat sich das erledigt. Es ist mir weiterhin deshalb wichtig, weil das vielleicht ein Punkt ist, wo wir uns bzgl. einer konkreten Fragestellung widersprechen. Wenn Normverletzung A von der Gesellschaft als schlimmer betrachtet wird als Normverletzung B, so ist dMn A auch schwerer zu bestrafen als B. Wenn sich nun aber herausstellte, dass Täter die Straftat A begangen haben kaum abzuschrecken, dafür aber leichter zu therapieren sind, so ist mMn B schwerer zu bestrafen als A.
Meiner nicht fundierten küchen-kriminalpsychologischen Einschätzung nach werden sich z.B. krankhafte Sexualstraftäter kaum von der Aussicht auf eine lanjährige Haftstrafe abschrecken lassen, Autodiebe viel eher. Umgekehrt wird es wohl weniger schwer sein den Sexualstraftäter dahingehend zu therapieren, dass er lernt, die Gefühle und Interessen anderer Menschen als wichtig anzuerkennen, als den Autodieb zur Erkenntnis zu bringen, das Eigentum anderer Menschen sei doch zu respektieren. Sexualstraftaten werden nun gesellschaftlich zweifellos als schlimmer betrachtet als Wagendiebstähle, woraus sich dMn eindeutig eine Rangfolge in der Schwere der Sanktionen ergibt. Ich hielte es unter den geschilderten Umständen eher für angebracht, den Wagendieb zu einer Haftstrafe und den Sexualstraftäter zu einer Therapie zu verurteilen, selbst wenn die Therapie bei sehr gutem Verlauf vielleicht weniger lange dauern könnte als die Haftstrafe. Wenn du nun wie beschrieben den Sexualstraftäter zu einer schwereren Straft verurteilen würdest, so hätte das - gesetzt den Fall, meine Annahmen sind richtig - doch wieder etwas sehr Strafe-um-ihrer-selbst-Willen-mässiges, nicht?
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Wenn die Handlung im Vorneherein durch ausschließlich äußere Faktoren festgelegt wäre. |
Was sie aber letztlich ist, die "inneren Faktoren" sind nur ein Glied zwischen "äusseren" und der Handlung. |
Die Frage ist einfach, ob man den Menschen als selbstständig handelndes Wesen ansieht (was nicht bedeutet, dass er seine Handlungen absolut frei bestimmen kann) oder nicht. | selbstständig handelndes = planend, reflektierend, bewusst, vorausschauend handelnd? Oder meint das doch wieder eine Form von Autonomie, die den Menschen quasi über die Kausalketten heraushebt.
Zitat: | Tut man das nicht, dann ergibt sich die oben beschriebene Folgerung für das Strafrechtssystem. | Dass man Unschuldige zur Abschreckung verurteilen dürfte? Nein, das wäre mMn eben nicht der Fall.
Zitat: | Wenn man aber trotzdem noch Strafen für legitim hält, dann wird ein Mensch lediglich als ein zu konditionierendes Objekt angesehen | Kann man so ausdrücken. Aber ich empfinde es nicht gerade als human, ihm einen unklar definierten Subjektstatus zuzusprechen, damit man dann seine Taten vergelten kann.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#556605) Verfasst am: 01.09.2006, 18:23 Titel: |
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Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Und da ich mir von Vergeltung gegen einen Delinquenten nichts verspreche, würde ich sie nicht legitim nennen. (Zumsel hat zwar aufgezeigt, dass eine Strafe zu Vergeltungszwecken durchaus ihre Nutzen haben kann, diese würde ich aber nicht als hinreichende Begründung betrachten und du meiner Einschätzung nach auch nicht.) |
Eine Strafe muss auch immer einen Nutzen haben, unabhängig von der Vergeltung, da sind wir uns wohl einig. |
MMn ist aber auch der angestrebte Nutzen, damit "ein menschliches Urbedürfnis zu befriedigen", da man andernfalls Unverständnis befürchtet, kein legitimer Strafzweck. |
Wenn Du mit "menschlichem Urbedürfnis" simples Rachedenken meinst, dann ist dieses selbstverständlich auch mMn kein legitimer Strafzweck.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn also - wie man aus Erfahrung weiss - eine langjährige Haftstrafe zu Präventionszwecken für einen Gesetzesbrecher wirkungslos wäre, so hielte ich es für Unrecht, ihn aus den genannten Gründen dennoch zu einer solchen zu verurteilen. |
Ich bin jedesmal verwirrt, wenn Du unspezifisch von Prävention schreibst. Du meinst dann immer nur die Spezialprävention, oder? Wenn ja, dann stimme ich nicht zu. Ich halte es durchaus auch zum Zwecke der Generalprävention für legitim einem Gesetzesbrecher eine langjährige Haftstrafe aufzubrummen. Auch dann, wenn eine Spezialprävention unwahrscheinlich scheint, weil er sehr uneinsichtig ist. Grundvoraussetzung ist allerdings schuldhaftes Verhalten.
Wenn Du aber mit Prävention hier jegliche Prävention meinst, dann kann ich mir einen solchen Fall schlicht und einfach nicht vorstellen, dann bräuchte ich mal ein Beispiel.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn jemand bewusst ein Unrecht tut, so gibt es für mich zwei Gründe ihn deshalb dafür zu bestrafen, welche beide im unbewussten Fall (Reflex, Tourette, Hypnose,...) nicht zutreffen:
- Prävention ist wirksam
- mein intuitives Rechtsempfinden fordert eine Strafe gegen ihn, ich spreche ihm "Schuld" zu, er hat "Vergeltung verdient"
Ich habe schon versucht darzulegen, weshalb ich es für keinen Zufall halte, dass diese beiden Gründe zum selben Ergebnis kommen. Für das Strafrecht hat aber mE ausschliesslich der erste Grund eine Rolle zu spielen, sollten der erste und der zweite Grund zu einem sich widersprechenden Ergebnis kommen, ist dem ersten der Vorzug zu geben. |
Ich sehe das anders. Entscheidend für mich ist erst mal, ob die Tat frei von äußeren und inneren Zwängen ausgeführt wurde. Dann ist sie aus meiner Sicht schuldhaft und nur dann darf erst eine Bestrafung erwogen werden, d.h. nur dann ist eine solche aus meiner Sicht legitim. Diese Bestrafung muss einen Zweck erfüllen, sei es Spezial- oder Generalprävention. Erst wenn ein solcher Zweck gegeben ist, darf die Bestrafung auch durchgeführt werden. Verzichtet man aber auf diesen Schuldbegriff, wie Du es wohl tust, (ich bin mir dessen aber gar nicht mehr so sicher), dann mag nur der erste Punkt eine Rolle spielen. Wobei ich noch nicht weiß, ob Du nur Spezial- oder auch Generalprävention meinst. Falls dMn ersteres gegeben sein muss, dann dürftest Du einen uneinsichtigen und nicht therapierbaren Täter nicht bestrafen, eine unabsichtliche Tat aber sehr wohl, wenn sich herausstellen sollte, dass durch diese Bestrafung eine Konditonierung des Täter möglich ist.
Wenn Du jedoch auch eine Generalprävention als Grund für eine Strafe akzeptierst, ohne dass die Spezialprävention erfolgreich ist, dann gibt es eben auch Fälle, in denen eine Bestrafung eines unschuldigen Täters eine Generalprävention erwirken könnte. Siehe dazu oben mein Beispiel mit dem Ehrenmord. Warum also sollte man nicht diesen "Unschuldigen" bestrafen, wenn dadurch voraussichtlich einige künftige derartige Fälle verhindert werden könnten?
Man könnte jetzt zwar argumentieren, dass eine solche Bestrafung eines "Unschuldigen" kontraproduktiv für die Einstellung der Mitglieder der Gesellschaft sei und deswegen im Endeffekt mehr Schaden als Nutzen anrichten würde. Dann hätte man aber nicht den zukünftigen notwendigen Sinneswandel der Gesellschaft berücksichtigt. Wenn Taten sowieso schuldlos sind, weil sie nämlich komplett durch äußere Einflüsse bestimmt wurden, dann kann man der Gesellschaft vielleicht diese neue Erkenntnis beibringen. Wenn sowieso alle schuldlos sind, dann ist ja jegliche Bestrafung letztendlich willkürlich und passiert nur, weil derjenige eben "Pech" gehabt hat. Wenn sein Beitrag zur Tat von ihm sowieso nicht zu beeinflussen ist, dann sollte es für ihn auch keinen Unterschied machen, ob die Tat seinem Körper zuzuordnen ist oder nicht.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Weshalb ich Bestrafung für nicht bewusst oder unter Zwang begangene Straftaten für nicht legitim halte, habe ich schon versucht darzulegen. Aber ich sehe noch nicht, weshalb das für dich so ist. Ist das einfach eine keiner Begründung bedürfende Präferenz?
(Weil er keine Schuld hat, klar. Aber weshalb ist es dMn falsch einen Unschuldigen zu bestrafen? Kommst du da nicht zwangsläufig auch auf meine Argumentationsschiene, dass du einfach nicht in einer Gesellschaft leben willst, die Unschulige zur Abschreckung verurteilt, auch deshalb, weil du dann ja selbst dem zum Opfer fallen könntest?) |
Ja, im Endeffekt schon. Es entspricht nicht meinem Gerechtigkeitsgefühl. Nur entspricht dieses Gerechtigkeitsgefühl nicht mehr der Realität, wenn man das Konzept der Schuld ablehnt. Du müsstest es daher ohne dieses Konzept begründen können. Das ist Dir aber bisher nicht gelungen, denn Strafe lediglich auf Prävention aufzubauen ist eben etwas anderes als das Prinzip "keine Strafe ohne Schuld".
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Nein, der Widerspruch löst sich nicht. Wenn Du behauptest, es gäbe keine Entscheidungs- und Handlungsfreiheit und das sei eine gesicherte Erkenntnis,... |
Es ist möglich, dass der Mensch eine Handlung bewusst, reflektiert, nach bestem Wissen und Gewissen, ohne äusseren oder inneren Zwang durchführt. |
Gut. Eine solche Handlung, wenn sie gegen Normen verstößt, ist in meiner Sicht schuldhaft.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ich habe doch wiederholt dargelegt, weshalb ich es für illegitim halte, jemanden ohne bewussten und willentlichen Gesetzesbruch zu bestrafen. |
Hm, sorry, aber das hört sich genau wie mein Schuldbegriff an.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Irgendwie denken wir da aneinander vorbei.
Ich versuch es mal so: Dass du es als negative Konsequenz meiner Ablehnung des Schuldbegriffes hinstellst, dass dann eben jeder, ob Gesetzesbrecher oder nicht, zum Zwecke der Generalprävention sanktioniert werden könnte, enthält ja schon implizit die Ablehung dieser Konsequenzen; und es enthält diese Ablehnung ja trotz des Verzichtes auf den Schuldbegriff. |
Nein, wie kommst Du darauf?
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Die grösste offene Frage sehe ich in der Bemessung des Strafmasses. [...] |
Hm, ich verstehe nicht, warum Dir dieser Punkt so wichtig ist. [...] |
[...] Es ist mir weiterhin deshalb wichtig, weil das vielleicht ein Punkt ist, wo wir uns bzgl. einer konkreten Fragestellung widersprechen. Wenn Normverletzung A von der Gesellschaft als schlimmer betrachtet wird als Normverletzung B, so ist dMn A auch schwerer zu bestrafen als B. Wenn sich nun aber herausstellte, dass Täter die Straftat A begangen haben kaum abzuschrecken, dafür aber leichter zu therapieren sind, so ist mMn B schwerer zu bestrafen als A.
Meiner nicht fundierten küchen-kriminalpsychologischen Einschätzung nach werden sich z.B. krankhafte Sexualstraftäter kaum von der Aussicht auf eine lanjährige Haftstrafe abschrecken lassen, Autodiebe viel eher. Umgekehrt wird es wohl weniger schwer sein den Sexualstraftäter dahingehend zu therapieren, dass er lernt, die Gefühle und Interessen anderer Menschen als wichtig anzuerkennen, als den Autodieb zur Erkenntnis zu bringen, das Eigentum anderer Menschen sei doch zu respektieren. Sexualstraftaten werden nun gesellschaftlich zweifellos als schlimmer betrachtet als Wagendiebstähle, woraus sich dMn eindeutig eine Rangfolge in der Schwere der Sanktionen ergibt. Ich hielte es unter den geschilderten Umständen eher für angebracht, den Wagendieb zu einer Haftstrafe und den Sexualstraftäter zu einer Therapie zu verurteilen, selbst wenn die Therapie bei sehr gutem Verlauf vielleicht weniger lange dauern könnte als die Haftstrafe. Wenn du nun wie beschrieben den Sexualstraftäter zu einer schwereren Straft verurteilen würdest, so hätte das - gesetzt den Fall, meine Annahmen sind richtig - doch wieder etwas sehr Strafe-um-ihrer-selbst-Willen-mässiges, nicht? |
Nein, es würde nur die Generalprävention mehr berücksichtigen, als Du das tust. Allerdings gibt es bei Sexualstraftätern schon eine Besonderheit, denn der Sexualtrieb kann durchaus nicht kontrollierbar sein, es kann ein innerer Zwang sein. Mit anderen Worten, in bestimmten Fällen ist eine Sexualstraftat wohl in meinem Begriffe als weniger schuldhaft anzusehen. Eine Therapie würde ich auf jeden Falle befürworten; wenn die Therapie Erfolg hat und die persönliche Schuld als gering angesehen wird, wäre ich auch mit einer früheren Entlassung einverstanden.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Die Frage ist einfach, ob man den Menschen als selbstständig handelndes Wesen ansieht (was nicht bedeutet, dass er seine Handlungen absolut frei bestimmen kann) oder nicht. | selbstständig handelndes = planend, reflektierend, bewusst, vorausschauend handelnd? Oder meint das doch wieder eine Form von Autonomie, die den Menschen quasi über die Kausalketten heraushebt. |
Ersteres.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Kann man so ausdrücken. Aber ich empfinde es nicht gerade als human, ihm einen unklar definierten Subjektstatus zuzusprechen, damit man dann seine Taten vergelten kann. |
Darum geht es mir nicht. Es geht mir nur darum, den Verdächtigen und auch den sonstigen Mitgliedern der Gesellschaft Rechte zuzubilligen, die ich für grundlegend für das Funktionieren einer Gesellschaft halte.
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Deus ex Machina registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.03.2006 Beiträge: 789
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(#557806) Verfasst am: 04.09.2006, 14:37 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | MMn ist aber auch der angestrebte Nutzen, damit "ein menschliches Urbedürfnis zu befriedigen", da man andernfalls Unverständnis befürchtet, kein legitimer Strafzweck. |
Wenn Du mit "menschlichem Urbedürfnis" simples Rachedenken meinst, dann ist dieses selbstverständlich auch mMn kein legitimer Strafzweck. |
"Menschliches Urbedürfnis" war Zumsels Wortwahl. Ob man das jetzt "simples Rachedenken" oder "Schuld- und Sühneprinzip" nennt, ist für mich eine Frage der rhetorischen Absicht, oder genauer: Schuld- und Sühneprinzip ist geregeltes und institutionalisiertes Rachedenken.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich sehe das anders. Entscheidend für mich ist erst mal, ob die Tat frei von äußeren und inneren Zwängen ausgeführt wurde. Dann ist sie aus meiner Sicht schuldhaft und nur dann darf erst eine Bestrafung erwogen werden, d.h. nur dann ist eine solche aus meiner Sicht legitim. Diese Bestrafung muss einen Zweck erfüllen, sei es Spezial- oder Generalprävention. Erst wenn ein solcher Zweck gegeben ist, darf die Bestrafung auch durchgeführt werden. |
Damit kommen wir uns doch schon sehr nahe; nur dass wir eine Bestrafung für unter Zwang begangene Taten aus unterschiedlichen Gründen für nicht legitim halten.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Verzichtet man aber auf diesen Schuldbegriff, wie Du es wohl tust, (ich bin mir dessen aber gar nicht mehr so sicher), dann mag nur der erste Punkt eine Rolle spielen. Wobei ich noch nicht weiß, ob Du nur Spezial- oder auch Generalprävention meinst. |
Meinst du mit "der erste Punkt" mein "Prävention ist wirksam"? Ich meine damit Spezial- wie Generalprävention.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Falls dMn ersteres gegeben sein muss, dann dürftest Du einen uneinsichtigen und nicht therapierbaren Täter nicht bestrafen, eine unabsichtliche Tat aber sehr wohl, wenn sich herausstellen sollte, dass durch diese Bestrafung eine Konditonierung des Täter möglich ist. |
Letzteres, ja. Ersteres ist mir etwas zu ungenau, aber wenn wir es ersetzen durch "Straftat, für die sich weder General- noch Spezialprävention als wirksam erwiesen haben und die weder Verwahrung des Täters erfordert noch eine Therapie nötig macht" (wobei mir da kein konkretes Beispiel einfallen will), kann ich auch zustimmen.
Damit hast du wohl sehr präzise den Unterschied zwischen unseren Standpunkten auf den Punkt gebracht, denn ich gehe mal davon aus, dass deine Beurteilung genau andersherum liegt. Wobei ich immer noch nicht weiss, wie du das begründen willst.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Siehe dazu oben mein Beispiel mit dem Ehrenmord. Warum also sollte man nicht diesen "Unschuldigen" bestrafen, wenn dadurch voraussichtlich einige künftige derartige Fälle verhindert werden könnten? |
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn wir in einem Justitzsystem mit rechtsstaatlichen Prinzipien leben wollen, darf sich die geschilderte Problemstellung gar nicht ergeben. Der zuständige Justitzbeamte darf sich nicht fragen müssen, "Welche Entscheidung ist in dieser eventuell nützlicher für die Gesellschaft?", sondern es muss im Vorhinein festgelegt sein, unter welchen Bedingungen jemand verurteilt werden kann. Und da wohl niemand in einem System leben will, in dem er ohne zwingende Beweise verurteilt werden kann, sollte dies auch nicht gängie Praxis sein. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wenn sowieso alle schuldlos sind, dann ist ja jegliche Bestrafung letztendlich willkürlich und passiert nur, weil derjenige eben "Pech" gehabt hat. |
Die Wörter "willkürlich" und "Pech" sind mir zu unpräzise. Wenn es "Pech" wäre, dass jemand eine Tat begangen hat, stelle ich mir das so vor, als ob da jemand die Handlungen aus der Innenperspektive beobachtet ohne Einfluss darauf nehmen zu können aber doch unter allen dieser Person zugefügten Schmerzen zu leiden hat. Damit wird ein Gegensatz zwischen einem bewussten Persönlichkeitskern und einem deterministisch ablaufenden Handlungsapparat konstruiert.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wenn sein Beitrag zur Tat von ihm sowieso nicht zu beeinflussen ist, dann sollte es für ihn auch keinen Unterschied machen, ob die Tat seinem Körper zuzuordnen ist oder nicht. |
Wieder diese falsche Unterscheidung zwischen "ihm" und "seinem Körper".
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Weshalb ich Bestrafung für nicht bewusst oder unter Zwang begangene Straftaten für nicht legitim halte, habe ich schon versucht darzulegen. Aber ich sehe noch nicht, weshalb das für dich so ist. Ist das einfach eine keiner Begründung bedürfende Präferenz?
(Weil er keine Schuld hat, klar. Aber weshalb ist es dMn falsch einen Unschuldigen zu bestrafen? Kommst du da nicht zwangsläufig auch auf meine Argumentationsschiene, dass du einfach nicht in einer Gesellschaft leben willst, die Unschuldige zur Abschreckung verurteilt, auch deshalb, weil du dann ja selbst dem zum Opfer fallen könntest?) |
Ja, im Endeffekt schon. Es entspricht nicht meinem Gerechtigkeitsgefühl. Nur entspricht dieses Gerechtigkeitsgefühl nicht mehr der Realität, wenn man das Konzept der Schuld ablehnt. |
Nur dann, wenn man Schuld in einem metaphysischen, über "bewusst und ohne Zwang begangenes Unrecht" hinausgehenden Sinne ablehnt.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Es ist möglich, dass der Mensch eine Handlung bewusst, reflektiert, nach bestem Wissen und Gewissen, ohne äusseren oder inneren Zwang durchführt. |
Gut. Eine solche Handlung, wenn sie gegen Normen verstößt, ist in meiner Sicht schuldhaft. |
Wenn schuldhaft meint, dass das notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für eine Strafe ist, kann ich dem zustimmen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ich habe doch wiederholt dargelegt, weshalb ich es für illegitim halte, jemanden ohne bewussten und willentlichen Gesetzesbruch zu bestrafen. |
Hm, sorry, aber das hört sich genau wie mein Schuldbegriff an. |
Worüber diskutieren wir denn noch?
Im Ernst: Ich verwende den Ausdruck "Schuld" nicht gerne, weil er falsche Assoziationen weckt, insbesondere weil man es als Wort mit entsprechender ontologischer Realität verstehen und vergessen kann, dass es sich um eine von Menschen geschaffene begriffliche Krücke handeln sollte.
Wenn du sagst, das höre sich genau wie dein Schuldbegriff an, sehe ich nicht, weshalb selbiger hinfällig werden sollte, wenn man von einer (abgesehen vom QM-Zufall) vollständig determinierten Welt ausgeht oder wenn sich die weitestgehenden Interpretationen des Libet-Experimentes bewahrheiten sollten.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Meiner nicht fundierten küchen-kriminalpsychologischen Einschätzung nach werden sich z.B. krankhafte Sexualstraftäter kaum von der Aussicht auf eine lanjährige Haftstrafe abschrecken lassen [...] Wenn du nun wie beschrieben den Sexualstraftäter zu einer schwereren Straft verurteilen würdest, so hätte das - gesetzt den Fall, meine Annahmen sind richtig - doch wieder etwas sehr Strafe-um-ihrer-selbst-Willen-mässiges, nicht? |
Nein, es würde nur die Generalprävention mehr berücksichtigen, als Du das tust. |
Du hast aber ausdrücklich geschrieben, dass die Höhe des Strafmasses von der schwere der Normerletzung und damit nicht von Präventionsabsichten abhängen soll. Ausserdem habe ich ja geschrieben, dass ich davon ausgehe, dass in diesem Falle Generalprävention wohl weniger wirksam wäre.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Allerdings gibt es bei Sexualstraftätern schon eine Besonderheit, denn der Sexualtrieb kann durchaus nicht kontrollierbar sein, es kann ein innerer Zwang sein. |
Inwiefern ist er da anders einzustufen, als Geld- oder Machtgier, Eifersucht, Neid,...?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mit anderen Worten, in bestimmten Fällen ist eine Sexualstraftat wohl in meinem Begriffe als weniger schuldhaft anzusehen. Eine Therapie würde ich auf jeden Falle befürworten; wenn die Therapie Erfolg hat und die persönliche Schuld als gering angesehen wird, wäre ich auch mit einer früheren Entlassung einverstanden. |
Ok, aber damit nennst du eigentlich doch eben genau das "schuldhaft", was sich durch Aussicht auf Sanktionen kontrollieren lässt, wodurch der Begriff eigentlich überflüssig wird. Weshalb hat ein Sexualstraftäter weniger "persönliche Schuld", als jemand, der aus Geldgier eine Bank überfällt? Beide sind in genau gleichem Masse, nämlich vollständig, das Produkt ihrer Einflüsse und diese bedingen auch, ob, und wenn ja, wie die Person durch Reflexion ihr Handeln verändert.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#557861) Verfasst am: 04.09.2006, 16:00 Titel: |
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Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Falls dMn ersteres gegeben sein muss, dann dürftest Du einen uneinsichtigen und nicht therapierbaren Täter nicht bestrafen, eine unabsichtliche Tat aber sehr wohl, wenn sich herausstellen sollte, dass durch diese Bestrafung eine Konditonierung des Täter möglich ist. |
Letzteres, ja. Ersteres ist mir etwas zu ungenau, aber wenn wir es ersetzen durch "Straftat, für die sich weder General- noch Spezialprävention als wirksam erwiesen haben und die weder Verwahrung des Täters erfordert noch eine Therapie nötig macht" (wobei mir da kein konkretes Beispiel einfallen will), kann ich auch zustimmen. |
An dieser Stelle wollte ich wissen, ob Du unter Prävention Spezial- und Generalprävention verstehst (ja) und ob Du eine Bestrafung generell ablehnst, wenn keine Spezialprävention gegeben ist (weiß noch nicht).
Für Deine Umformulierung findest Du kein Beispiel, weil es einen solchen Fall nicht gibt. So war es auch nicht gemeint, es geht mir um Fälle, bei denen eine Spezialprävention nichts nutzt. Es bleibt dann aber eben immer noch die Generalprävention.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Damit hast du wohl sehr präzise den Unterschied zwischen unseren Standpunkten auf den Punkt gebracht, denn ich gehe mal davon aus, dass deine Beurteilung genau andersherum liegt. |
Natürlich. Bist Du sicher, dass Du das anders siehst? Der zweite Fall wäre auf einen unter dem Tourette-Syndrom leidenden Menschen anwendbar, falls sich herausstellen sollte, dass das Syndrom oft durch eine längere Haft verschwinden würde.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wobei ich immer noch nicht weiss, wie du das begründen willst. |
Was begründen? Warum ich es nicht für legitim halte, einen Unschuldigen zu bestrafen? Oder warum ich es für legitim halte, einen Schuldigen auch dann zu bestrafen, wenn das voraussichtlich keinen Einfluss auf sein künftiges Verhalten hat?
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wenn sowieso alle schuldlos sind, dann ist ja jegliche Bestrafung letztendlich willkürlich und passiert nur, weil derjenige eben "Pech" gehabt hat. |
Die Wörter "willkürlich" und "Pech" sind mir zu unpräzise. Wenn es "Pech" wäre, dass jemand eine Tat begangen hat, stelle ich mir das so vor, als ob da jemand die Handlungen aus der Innenperspektive beobachtet ohne Einfluss darauf nehmen zu können aber doch unter allen dieser Person zugefügten Schmerzen zu leiden hat. Damit wird ein Gegensatz zwischen einem bewussten Persönlichkeitskern und einem deterministisch ablaufenden Handlungsapparat konstruiert. |
Ja, sicher, ich dachte bisher, Du wärst dieser inkompatibilistischen Ansicht, da Du mit dem Determinismus argumentiert hast.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wenn sein Beitrag zur Tat von ihm sowieso nicht zu beeinflussen ist, dann sollte es für ihn auch keinen Unterschied machen, ob die Tat seinem Körper zuzuordnen ist oder nicht. |
Wieder diese falsche Unterscheidung zwischen "ihm" und "seinem Körper". |
Ich habe die inkompatibilistische Formulierung mit Absicht gewählt.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Es entspricht nicht meinem Gerechtigkeitsgefühl. Nur entspricht dieses Gerechtigkeitsgefühl nicht mehr der Realität, wenn man das Konzept der Schuld ablehnt. |
Nur dann, wenn man Schuld in einem metaphysischen, über "bewusst und ohne Zwang begangenes Unrecht" hinausgehenden Sinne ablehnt. |
Vielleicht liegt einfach ein ganz großes Grundproblem in unserer Diskussion darin, dass ich nicht nachvollziehen kann, was Dein Begriff von "Schuld" überhaupt meint und warum Du Dich so offensiv gegen den Begriff wehrst. Keine Ahnung, was Du mit der "metaphysischen Bedeutung" überhaupt meinen könntest.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Es ist möglich, dass der Mensch eine Handlung bewusst, reflektiert, nach bestem Wissen und Gewissen, ohne äusseren oder inneren Zwang durchführt. |
Gut. Eine solche Handlung, wenn sie gegen Normen verstößt, ist in meiner Sicht schuldhaft. |
Wenn schuldhaft meint, dass das notwendige aber nicht hinreichende Bedingung für eine Strafe ist, kann ich dem zustimmen. |
Ja, das meint es.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Im Ernst: Ich verwende den Ausdruck "Schuld" nicht gerne, weil er falsche Assoziationen weckt, insbesondere weil man es als Wort mit entsprechender ontologischer Realität verstehen und vergessen kann, dass es sich um eine von Menschen geschaffene begriffliche Krücke handeln sollte. |
Welche falschen Assoziationen? Ich verstehe das einfach nicht. Und wieso "begriffliche Krücke"? Jedes Wort ist eine solche, oder? Und falls nicht: warum ist "Schuld" eine größere begriffliche Krücke als zum Beispiel "Politik" oder "Tisch"?
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn du sagst, das höre sich genau wie dein Schuldbegriff an, sehe ich nicht, weshalb selbiger hinfällig werden sollte, wenn man von einer (abgesehen vom QM-Zufall) vollständig determinierten Welt ausgeht |
Hm, er wird dann hinfällig, wenn man Inkompatibilist ist, wobei ich wie gesagt bisher dachte, Du wärest einer.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | oder wenn sich die weitestgehenden Interpretationen des Libet-Experimentes bewahrheiten sollten. |
Das ist wieder ein anderer Punkt. Dann würde er allerdings hinfällig, aber das führt zu weit vom Thema weg.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Meiner nicht fundierten küchen-kriminalpsychologischen Einschätzung nach werden sich z.B. krankhafte Sexualstraftäter kaum von der Aussicht auf eine lanjährige Haftstrafe abschrecken lassen [...] Wenn du nun wie beschrieben den Sexualstraftäter zu einer schwereren Straft verurteilen würdest, so hätte das - gesetzt den Fall, meine Annahmen sind richtig - doch wieder etwas sehr Strafe-um-ihrer-selbst-Willen-mässiges, nicht? |
Nein, es würde nur die Generalprävention mehr berücksichtigen, als Du das tust. |
Du hast aber ausdrücklich geschrieben, dass die Höhe des Strafmasses von der schwere der Normerletzung und damit nicht von Präventionsabsichten abhängen soll. Ausserdem habe ich ja geschrieben, dass ich davon ausgehe, dass in diesem Falle Generalprävention wohl weniger wirksam wäre. |
Ja, sicher muss die Höhe des Strafmaßes mMn von der Schwere der Tat ausgehen. Du scheinst übrigens Generalprävention mMn falsch zu verstehen: Generalprävention bedeutet nicht nur, potentielle Täter von der gleichen Tat abzuhalten, sondern sie muss auch das Vertrauen in das Rechtssystem stärken. Wenn ein Ladendieb härter bestraft würde als ein Mörder, dann wüde das wahrscheinlich eben dieses Vertrauen nicht gerade befördern.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Allerdings gibt es bei Sexualstraftätern schon eine Besonderheit, denn der Sexualtrieb kann durchaus nicht kontrollierbar sein, es kann ein innerer Zwang sein. |
Inwiefern ist er da anders einzustufen, als Geld- oder Machtgier, Eifersucht, Neid,...? |
Bitte beachten: ich habe kann geschrieben. Ich denke, es gibt innere Zwänge, die nicht der Persönlichkeit entsprechen. Dazu gehören z.B. das Tourette-Syndrom, evtl. Drogensucht, aber eben auch manchmal der Sexualtrieb. Geld- oder Machtgier würde ich hingegen meist als einen Teil der Persönlichkeit sehen.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mit anderen Worten, in bestimmten Fällen ist eine Sexualstraftat wohl in meinem Begriffe als weniger schuldhaft anzusehen. Eine Therapie würde ich auf jeden Falle befürworten; wenn die Therapie Erfolg hat und die persönliche Schuld als gering angesehen wird, wäre ich auch mit einer früheren Entlassung einverstanden. |
Ok, aber damit nennst du eigentlich doch eben genau das "schuldhaft", was sich durch Aussicht auf Sanktionen kontrollieren lässt, wodurch der Begriff eigentlich überflüssig wird. Weshalb hat ein Sexualstraftäter weniger "persönliche Schuld", als jemand, der aus Geldgier eine Bank überfällt? |
Da liegt wohl ein kleines Missverständnis vor: ich möchte nicht sagen, dass Sexualstraftäter generell schuldloser seien. Nur in bestimmten Fällen, in denen der Sexualtrieb nicht ausreichend kontrolliert werden kann.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Beide sind in genau gleichem Masse, nämlich vollständig, das Produkt ihrer Einflüsse und diese bedingen auch, ob, und wenn ja, wie die Person durch Reflexion ihr Handeln verändert. |
Nein, das denke ich nicht. Ich denke, dass bei inneren Zwängen die Reflexion durchaus ebenso da ist und auch wohl oft zu der Entscheidung gekommen wird, das Verhalten zu ändern. Jedoch kann dieser innere Zwang so stark sein, dass man nicht dagegen angehen kann. Man ist in einer solchen Situation mMn nicht so frei, wie jemand, der nicht einem solchen inneren Zwang unterliegt.
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Deus ex Machina registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.03.2006 Beiträge: 789
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(#559048) Verfasst am: 06.09.2006, 12:51 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | An dieser Stelle wollte ich wissen, ob Du [...] eine Bestrafung generell ablehnst, wenn keine Spezialprävention gegeben ist (weiß noch nicht). |
Nein, ich halte Generalprävention für absolut legitim.
Zitat: | Für Deine Umformulierung findest Du kein Beispiel, weil es einen solchen Fall nicht gibt. So war es auch nicht gemeint, es geht mir um Fälle, bei denen eine Spezialprävention nichts nutzt. Es bleibt dann aber eben immer noch die Generalprävention. |
Eben.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Damit hast du wohl sehr präzise den Unterschied zwischen unseren Standpunkten auf den Punkt gebracht, denn ich gehe mal davon aus, dass deine Beurteilung genau andersherum liegt. |
Natürlich. Bist Du sicher, dass Du das anders siehst? Der zweite Fall wäre auf einen unter dem Tourette-Syndrom leidenden Menschen anwendbar, falls sich herausstellen sollte, dass das Syndrom oft durch eine längere Haft verschwinden würde. |
Ich habe an fahrlässig begangene Straftaten gedacht, denn fahrlässig meint ja eigentlich unabsichtlich, aber doch ohne Zwang, bei vollem Bewusstsein. Denken wir an einen Temposünder, der mit 180km/h auf der Autobahn unterwegs ist und (unwillentlich) einen Unfall mit mehreren Toten verursacht. Ist er nun dafür härter zu bestrafen, als jemand der ebenfalls mit 180km/h fährt, aber keinen Unfall verursacht hat? DMn ist die Sache klar: Er hat nicht willentlich Recht gebrochen (bzw. eben nur willentlich die Geschwindigkeitsgrenze übertreten aber nicht willentlich getötet), trägt diesbzgl. also keine Schuld und darf deshalb nicht verurteilt werden. Wenn wir nun gemäss deiner Voraussetzung davon ausgehen, "dass durch diese Bestrafung eine Konditonierung des Täter möglich ist", dh. ihn, und auch andere Autofahrer, dazu bringt, in Zukunft langsamer zu fahren und so weniger Verkehrstote zu verursachen, dünkt mich deine Prioritätensetzung etwas seltsam. Die entscheidende Bedingung, ob jemand bestraft werden kann, ist für mich nicht (wie für dich), ob jemand willentlich ein Gesetz gebrochen hat, sondern ob er es ohne Zwang und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte getan hat, was gegenüber deiner Beurteilung Fährlässigkeit eben miteinschliesst.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wobei ich immer noch nicht weiss, wie du das begründen willst. |
Was begründen? Warum ich es nicht für legitim halte, einen Unschuldigen zu bestrafen? |
Einen nach deinem Schuldverständnis Unschuldigen wie z.B. jemanden, der eine fahrlässige Straftat begeht, ja.
Zitat: | Oder warum ich es für legitim halte, einen Schuldigen auch dann zu bestrafen, wenn das voraussichtlich keinen Einfluss auf sein künftiges Verhalten hat? |
...oder auf das Verhalten dritter. Ja, das auch.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Es entspricht nicht meinem Gerechtigkeitsgefühl. Nur entspricht dieses Gerechtigkeitsgefühl nicht mehr der Realität, wenn man das Konzept der Schuld ablehnt. |
Nur dann, wenn man Schuld in einem metaphysischen, über "bewusst und ohne Zwang begangenes Unrecht" hinausgehenden Sinne ablehnt. |
Vielleicht liegt einfach ein ganz großes Grundproblem in unserer Diskussion darin, dass ich nicht nachvollziehen kann, was Dein Begriff von "Schuld" überhaupt meint und warum Du Dich so offensiv gegen den Begriff wehrst. Keine Ahnung, was Du mit der "metaphysischen Bedeutung" überhaupt meinen könntest. |
Wie soll ich das jetzt kurz erklären? Ich versuch's mal mit Wikipedia:
Zitat: | Als Voraussetzung für die Schuld wird meistens angenommen, dass der Schuldige die Option hatte, die als schlecht definierte Tat nicht auszuüben. [...] Allgemein existiert die Vorstellung, dass ein Ausgleich der Schuld erreicht werden könne, indem der Schuldige Buße tut, Wiedergutmachung leistet, die Untat des Schuldigen gerächt wird oder dem Schuldigen die Schuld vergeben wird. [...]
Strafrechtlich ist Schuld die Voraussetzung für Strafe, siehe Schuld (Justiz). In diesem Sinne ist sie "Vorwerfbarkeit", also der Vorwurf an den Täter, er hätte normgerecht handeln können. [...] Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass das Gehirn uns das "Bewusste" einer Handlung (z.B. das Heben einer Hand) nur vorgaukelt. Die "Entscheidung" für die Handlung ist nach diesen Untersuchungen aber "früher" und unbewusst gefallen. Sind diese Untersuchungen verifizierbar, wäre der juristische Schuldbegriff in seiner subjektiven Vorwerfbarkeit nicht mehr haltbar. |
Allerdings sehe ich nicht, weshalb man Hirnforschung braucht, um zu erkennen, dass alles entweder notwendig oder zufällig geschieht, dass Rache keinen unmittelbaren Nutzen hat, dass die Illusion, "dass der Schuldige die Option hatte, die als schlecht definierte Tat nicht auszuüben" nur aufgrund eingeschränkter Kenntniss der Umstände und mangelnder Möglichkeiten der Simulierbarkeit zustande kommt, dass es keinen auf das Subjekt zurückgehenden und diesem daher vorwerfbaren Willen geben kann, wie man verkennen kann, dass das Verlangen nach Sühne zum Ausgleich einer Schuld nichts anderes als Rachebedürfnis ist.
Eigentlich deckt deine Frage ja grosse Teile des Threads ab, wir können den ja nicht neu aufrollen (zumindest habe ich keine Lust dazu). Der Einfachheit halber deshalb ein paar Quotes, denen ich voll und ganz zustimmen kann:
Zumsel hat folgendes geschrieben: | Schalker hat folgendes geschrieben: | Immerhin sieht man an der Diskussion, dass sobald sich die neurowissenschaftlichen Hinweise dahingehend verdichten, dass es tatsächlich keinen freien Willen gibt, eine breite gesellschaftliche Diskussion - und zwar weltweit - fällig ist. |
Was nur zeigt, wie Wissenschaftsgläubig viele Menschen sind. Als bedürfte es irgendwelcher neurowissenschaftlichen Erkenntnisse um die Idee eines freien Willens als unsinnig zu entlarven. |
Johnnyboy hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Ist ein Mensch hypnotisiert, dann hat er mMn keinen freien Willen. Er führt das aus, was man ihm sagt. Ich glaube, das was ich "freier Wille" nenne, ist das, was Du "mein Wille" nennst. |
Korrekt. Ich glaube auch das es - zumindest zwischen uns - ein rein sprachliches Problem ist. Dennoch muss man einen, so dumm es auch klingen mag, "freien Willen"(in meinem Sinne) haben damit man jemanden moralische Schuld zuweisen kann. Die Erkenntis das ein Mensch einen eigenen Willen haben kann und das er sich "frei" fühlt wenn er diesem ungehindert nachgehen kann und "unfrei" wenn er es eben nicht kann, ist mE ziemlich banal und wird häufig schlicht falsch gebraucht. |
Johnnyboy hat folgendes geschrieben: | Die "traditionelle" Definition von Willensfreiheit ist jedoch nicht die Fähigkeit durch bedingte Prozesse (wie z.b. Nachdenken) dein "Spektrum" an Handelsmöglichkeiten zu vergrößern, d.h. dein Wollen zu verwircklichen sondern vielmehr die Fähigkeiten zu wollen was man will. Damit wird der Rahmen der Bedingtheit gesprengt. In der Tat lässt sich diese Art der Willensfreiheit gar nicht einmal theoretisch konstruieren (was sehr, sehr schlimm ist für die Freiheitstheoretiker!) Trotzdem ist es genau diese Art von Willensfreiheit, die man braucht um ein moralistisches Wertesystem zu etabllieren, denn ein durchgängig bedingter Wille hat für soetws schlicht keinen Platz. Ist alles was der Mensch tut bedingt, dann ist die Aussage: "Du bist dran Schuld!" schlicht falsch. |
Johnnyboy hat folgendes geschrieben: | Und ich hoffe das in den nächsten 50 Jahren auch der letzte Mensch begriffen hat, dass der moralische Freiheitsbegriff unsinnig ist und selbst mit der primitivsten Logik auf Kriegsfuss steht. Und dazu braucht man keine Naturwissenschaften. |
HFRudolph hat folgendes geschrieben: | Welchen Sinn hat Sühne? Hat Rache einen Sinn? (Sinn im rationalen Sinne).
In der Natur dient es dazu, die Prävention zu verwirklichen. Ein Affe aber kann nicht insofern rational handeln und sich überlegen: Hmmm, wenn ich mich jetzt nicht wehre, kommt der Angreifer morgen wieder oder es kommen andere, die den Erfolg des Angreifers gesehen haben. Der Affe hat zunächst nur ein Gefühl, dass sein Handeln bestimmt. Dieses Gefühl erfüllt im Zusammenhang des Strafrechts KEINEN Zweck, es ist insofern überflüssig. Wenn das der Grund ist, anderen Menschen Strafe also Schaden zuzufügen, dann kann man auch jedes andere Gefühl heranziehen, es gibt da keine Grenzen. |
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Im Ernst: Ich verwende den Ausdruck "Schuld" nicht gerne, weil er falsche Assoziationen weckt, insbesondere weil man es als Wort mit entsprechender ontologischer Realität verstehen und vergessen kann, dass es sich um eine von Menschen geschaffene begriffliche Krücke handeln sollte. |
Welche falschen Assoziationen? Ich verstehe das einfach nicht. |
Dass, wer eine falsche Tat begeht, Schuld auf sich lädt, die einer Vergeltung oder zumindest Vergebung bedarf. Das ist ja in etwa das traditionelle, auch das intuitive Schuldverständnis. Natürlich kann man den Begriff nun so weit abschwächen, dass er nicht mehr unlogisch ist, aber dann stellt sich die Frage, weshalb man ihn den weiter verwenden soll. Weshalb kann man nicht einfach auf das Wort verzichten und sagen: "Wer unter Zwang oder nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte oder gar nicht gegen geltendes Rech verstossen hat, darf nicht dafür bestraft werden."?
Zitat: | Und wieso "begriffliche Krücke"? Jedes Wort ist eine solche, oder? Und falls nicht: warum ist "Schuld" eine größere begriffliche Krücke als zum Beispiel "Politik" oder "Tisch"? |
Ich versuch's mal so: Es gibt Wörter, die unmittelbar für eine Menge von häufig zusammen auftretenden Sinneseindrücken stehen, wie z.B. "Tisch". Dann gibt es Wörter, die entstehen, wenn man verschiedene solche "konkrete" Wörter in Beziehung zueinander setzt, also z.B. "Reparatur". Mit diesen Wörtern lassen sich nun noch abstraktere Begriffe bilden, irgendwann kommen wir dann zu "Politik" und zuoberst auf der Pyramide stehen dann Wörter wie "Gut", "Böse", "Sein", "Existenz", "Zeit" oder eben auch "Schuld", die überhaupt keine empirische Entsprechung mehr haben. Man darf nun nicht den Fehler begehen, da sich die Wörter "Baum" und "Böse" grammatikalisch gleich verwenden zu lassen, zu denken, dass "Böse" deshalb eine dem Tisch ähnliche reelle Existenz hat und sich mit den selben menschlichen Denkkategorien verwenden lässt. Sonst landet man dann bei solchem Theologengeschwätz (ich polemisier' mal wieder) wie der Frage, ob das Böse unabhängig vom Guten existiert oder nur dessen Abwesenheit darstellt. Oder was der Grund allen Seins ist. Oder wer Raum und Zeit geschaffen hat. Oder wie sich Schuld begleichen lässt.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn du sagst, das höre sich genau wie dein Schuldbegriff an, sehe ich nicht, weshalb selbiger hinfällig werden sollte, wenn man von einer (abgesehen vom QM-Zufall) vollständig determinierten Welt ausgeht |
Hm, er wird dann hinfällig, wenn man Inkompatibilist ist, wobei ich wie gesagt bisher dachte, Du wärest einer. |
Ob "Freiheit" oder "Freheit des Willens" mit dem Determinismus kompatibel ist, ist für mich eine Definitionsfrage. Ich sehe aber nicht, wie sich dein Freiheits- und Schuldverständnis mit der Vorstellung vertragen kann, dass die Handlung eines Menschen schon im Vorraus festgelegt war, dass er eben nicht anders gekonnt hat.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | oder wenn sich die weitestgehenden Interpretationen des Libet-Experimentes bewahrheiten sollten. |
Das ist wieder ein anderer Punkt. Dann würde er allerdings hinfällig, aber das führt zu weit vom Thema weg. |
Ne, es führt wieder zum ursprünglichen Threadthema.
Für mich ist das der entscheidende Punkt der ganzen Diskussion. Du sagst, Schuld besteht für dich darin, willentlich und ohne Zwang gegen geltendes Recht zu verstossen. Das könnte man doch weiterhin, auch wenn sich bewahrheiten sollte, dass ein bewusster Handlungswunsch immer erst entsteht, nachdem die Handlung ausgelöst wurde. Also muss es in deinem Freiheits- und Schuldverständnis eben doch noch mit dem Determinismus nicht verträgliche Elemente geben, was sich ja auch in deiner ständigen Betonung des "Subjektsatus" des Menschen zeigt.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ja, sicher muss die Höhe des Strafmaßes mMn von der Schwere der Tat ausgehen. Du scheinst übrigens Generalprävention mMn falsch zu verstehen: Generalprävention bedeutet nicht nur, potentielle Täter von der gleichen Tat abzuhalten, sondern sie muss auch das Vertrauen in das Rechtssystem stärken. Wenn ein Ladendieb härter bestraft würde als ein Mörder, dann wüde das wahrscheinlich eben dieses Vertrauen nicht gerade befördern. |
Es überrascht mich etwas, dass du hier offen forderst, jemanden in unnötig hohem Masse zu verurteilen, um damit die (Rachegefühle der) Mehrheit zufriedenzustellen. Ist aber zumindest konsequent. Denk daran, was sich mit dem gleichen Argument alles legitimieren liesse. Was, wenn das Volk Homosexualität eines Tages auch als schlimmeres Verbrechen als Ladendiebstahl betrachtet? Dann muss man doch Homosexuelle deiner Argumentation folgend auch härter bestrafen als Ladendiebe, weil ansonsten das Vertrauen in das Rechtssystem unterminiert würde. (Keine Strafe ohne Schuld! gilt nicht, denn Homosexualität wäre dann ja eben ein Verbrechen.)
Das ist eben genau jene Form der Strafe dich ich ablehne, da sie nicht darauf abzielt, künftige Verbrechen zu vermeiden sondern alleine dem Vergeltungs- und Rachegedanken Rechnung trägt. Könnte man das Vertrauen der Menschen in das Rechtssystem nicht auch fördern, indem man zeigt, dass alles verhältnismässige getan wird, um Straftaten zu vermeiden, dass aber niemand unnötige, dh. von diesem Ziel abweichende, Repressalien zu fürchten hat?
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Allerdings gibt es bei Sexualstraftätern schon eine Besonderheit, denn der Sexualtrieb kann durchaus nicht kontrollierbar sein, es kann ein innerer Zwang sein. |
Inwiefern ist er da anders einzustufen, als Geld- oder Machtgier, Eifersucht, Neid,...? |
Bitte beachten: ich habe kann geschrieben. |
Mein Fehler.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mit anderen Worten, in bestimmten Fällen ist eine Sexualstraftat wohl in meinem Begriffe als weniger schuldhaft anzusehen. Eine Therapie würde ich auf jeden Falle befürworten; wenn die Therapie Erfolg hat und die persönliche Schuld als gering angesehen wird, wäre ich auch mit einer früheren Entlassung einverstanden. |
Ok, aber damit nennst du eigentlich doch eben genau das "schuldhaft", was sich durch Aussicht auf Sanktionen kontrollieren lässt, wodurch der Begriff eigentlich überflüssig wird. Weshalb hat ein Sexualstraftäter weniger "persönliche Schuld", als jemand, der aus Geldgier eine Bank überfällt? |
Da liegt wohl ein kleines Missverständnis vor: ich möchte nicht sagen, dass Sexualstraftäter generell schuldloser seien. Nur in bestimmten Fällen, in denen der Sexualtrieb nicht ausreichend kontrolliert werden kann. |
Ja, weshalb ist denn in diesen Fällen die "persönliche Schuld" geringer? Ist das nicht durch und durch widersprüchlich bei einem Menschen mit unkontrollierbarem Sexualtrieb zu sagen "Der Arme kann doch nichts dafür, dass er aufgrund seines genetischen Erbes solch überbordende Triebe hat.", bei einem anderen, dessen Sexualtrieb eine "normale Stärke" hat, so dass er von den meisten Menschen im Zaum gehalten werden könnte, dies nicht tut und damit vergisst, dass er auf die Faktoren, welche es ihm ermöglichen seinen normal starken Sexualtrieb unter Kontrolle zu halten oder eben auch nicht, auch keinen Einfluss hatte?
Bemühst du da, indem du dich auf die "Persönlichkeit" als entscheidende Instanz berufst, nicht eben doch ein inkompatibilistisches Freiheits- und daraus sich ergebendes Schuldverständnis?
Weshalb ist man schuldig dafür, was sich aus seiner Persönlichkeit ergibt? Hat ein Mensch einen Einfluss auf seine Persönlichkeit? Wenn ja, wovon hängt es ab, ob und wie er sie verändert? Wenn du da genügend weit zurückgehst kommst du entweder auf Faktoren, die mit dem Handelnden überhaupt nichts zu tun haben oder du landest bei einem unbedingt freien Willen, dem unbewegten Beweger, den du immer vehement zurückgewiesen hast.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Beide sind in genau gleichem Masse, nämlich vollständig, das Produkt ihrer Einflüsse und diese bedingen auch, ob, und wenn ja, wie die Person durch Reflexion ihr Handeln verändert. |
Nein, das denke ich nicht. Ich denke, dass bei inneren Zwängen die Reflexion durchaus ebenso da ist und auch wohl oft zu der Entscheidung gekommen wird, das Verhalten zu ändern. Jedoch kann dieser innere Zwang so stark sein, dass man nicht dagegen angehen kann. Man ist in einer solchen Situation mMn nicht so frei, wie jemand, der nicht einem solchen inneren Zwang unterliegt. |
Das kann man so verstehen, ändert aber an meinem Satz nichts.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#559188) Verfasst am: 06.09.2006, 19:01 Titel: |
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Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Damit hast du wohl sehr präzise den Unterschied zwischen unseren Standpunkten auf den Punkt gebracht, denn ich gehe mal davon aus, dass deine Beurteilung genau andersherum liegt. |
Natürlich. Bist Du sicher, dass Du das anders siehst? Der zweite Fall wäre auf einen unter dem Tourette-Syndrom leidenden Menschen anwendbar, falls sich herausstellen sollte, dass das Syndrom oft durch eine längere Haft verschwinden würde. |
Ich habe an fahrlässig begangene Straftaten gedacht, denn fahrlässig meint ja eigentlich unabsichtlich, aber doch ohne Zwang, bei vollem Bewusstsein. Denken wir an einen Temposünder, der mit 180km/h auf der Autobahn unterwegs ist und (unwillentlich) einen Unfall mit mehreren Toten verursacht. Ist er nun dafür härter zu bestrafen, als jemand der ebenfalls mit 180km/h fährt, aber keinen Unfall verursacht hat? DMn ist die Sache klar: Er hat nicht willentlich Recht gebrochen (bzw. eben nur willentlich die Geschwindigkeitsgrenze übertreten aber nicht willentlich getötet), trägt diesbzgl. also keine Schuld und darf deshalb nicht verurteilt werden. |
Nein, so klar ist die Sache für mich nicht. Kommt immer auf die Umstände an. An einer fahrlässigen Tat hat man natürlich zumindest eine Mitschuld. Wenn ich mit einem Gewehr ziellos aus meinem Fenster schieße und dabei jemanden treffe, dann bin ich zweifellos an dessen Verletzung schuld, denn ich hätte damit rechnen müssen. Dein Beispiel mit der Autobahn ist allerdings schwieriger zu beurteilen. Hier kommt es auf die Umstände des Unfalls an.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn wir nun gemäss deiner Voraussetzung davon ausgehen, "dass durch diese Bestrafung eine Konditonierung des Täter möglich ist", dh. ihn, und auch andere Autofahrer, dazu bringt, in Zukunft langsamer zu fahren und so weniger Verkehrstote zu verursachen, dünkt mich deine Prioritätensetzung etwas seltsam. Die entscheidende Bedingung, ob jemand bestraft werden kann, ist für mich nicht (wie für dich), ob jemand willentlich ein Gesetz gebrochen hat, sondern ob er es ohne Zwang und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte getan hat, was gegenüber deiner Beurteilung Fährlässigkeit eben miteinschliesst. |
Ich verstehe das noch nicht so ganz. Was wäre denn Deine Bewertung des Autofahrers? Muss er härter bestraft werden als der Temposünder ohne Unfall? Was, wenn der Autofahrer das Tempobegrenzungsschild nicht gesehen hat? Würde das für Dich eine Rolle spielen? Müsste der Autofahrer genauso bestraft werden wie ein anderer Autofahrer, der absichtlich mit seinem Auto die Familie seines Nachbarn tötet, mit der er Streit hat? Wenn nein, warum nicht?
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wobei ich immer noch nicht weiss, wie du das begründen willst. |
Was begründen? Warum ich es nicht für legitim halte, einen Unschuldigen zu bestrafen? |
Einen nach deinem Schuldverständnis Unschuldigen wie z.B. jemanden, der eine fahrlässige Straftat begeht, ja. |
Fahrlässigkeit halte ich aber gar nicht für immer entschuldbar, wie oben schon dargestellt.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Oder warum ich es für legitim halte, einen Schuldigen auch dann zu bestrafen, wenn das voraussichtlich keinen Einfluss auf sein künftiges Verhalten hat? |
...oder auf das Verhalten dritter. Ja, das auch. |
Jemanden nur um des Prinzipes willen zu bestrafen, ohne dass es sonst einen Nutzen hätte, halte ich nicht für legitim. Das habe ich doch explizit gesagt. Abgesehen davon gibt es einen solchen Fall nicht. Darauf hatten wir uns doch geeinigt, oder?
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Allerdings sehe ich nicht, weshalb man Hirnforschung braucht, um zu erkennen, dass alles entweder notwendig oder zufällig geschieht, dass Rache keinen unmittelbaren Nutzen hat, dass die Illusion, "dass der Schuldige die Option hatte, die als schlecht definierte Tat nicht auszuüben" nur aufgrund eingeschränkter Kenntniss der Umstände und mangelnder Möglichkeiten der Simulierbarkeit zustande kommt, dass es keinen auf das Subjekt zurückgehenden und diesem daher vorwerfbaren Willen geben kann, wie man verkennen kann, dass das Verlangen nach Sühne zum Ausgleich einer Schuld nichts anderes als Rachebedürfnis ist. |
Wir drehen uns im Kreis. Für mich gibt es Entscheidungs- und Handlungsfreiheit und es gibt für mich einen auf das Subjekt zurückführbaren Willen.
Nun gut. Das sollten wir nicht unbedingt noch einmal aufrollen. Ich bin aber immer noch der Meinung, dass Du in deinen Schlussfolgerungen inkonsequent bist. Wenn Du Entscheidungs- und Handlungsfreiheit und einen auf das Subjekt zurückführbaren Willen negierst, dann gibt es keine Begründung mehr für eine Strafe. Warum sollte man überhaupt jemanden bestrafen dürfen und warum muss dazu gegeben sein, dass "die Tat ohne Zwang und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte getan wurde"? Das erscheint mir bei Deinen Prämissen ziemlich unlogisch. Was nutzt der "Vollbesitz der geistigen Kräfte", wenn man keine Entscheidungsfreiheit hat?
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn du sagst, das höre sich genau wie dein Schuldbegriff an, sehe ich nicht, weshalb selbiger hinfällig werden sollte, wenn man von einer (abgesehen vom QM-Zufall) vollständig determinierten Welt ausgeht [...] oder wenn sich die weitestgehenden Interpretationen des Libet-Experimentes bewahrheiten sollten. |
Das ist wieder ein anderer Punkt. Dann würde er allerdings hinfällig, aber das führt zu weit vom Thema weg. |
Ne, es führt wieder zum ursprünglichen Threadthema.
Für mich ist das der entscheidende Punkt der ganzen Diskussion. Du sagst, Schuld besteht für dich darin, willentlich und ohne Zwang gegen geltendes Recht zu verstossen. Das könnte man doch weiterhin, auch wenn sich bewahrheiten sollte, dass ein bewusster Handlungswunsch immer erst entsteht, nachdem die Handlung ausgelöst wurde. |
Was bedeuten würde, dass das Bewusstsein überhaupt nichts entscheidet, sondern seine einzige Funktion wäre, sich permanent selber vorzugaukeln, anderweitig getroffene Entscheidungen selber getroffen zu haben. Das Bewusstsein wäre also lediglich ein Beobachter ohne Einfluss auf das Geschehen, jedoch mit der festen Überzeugung, das Geschehen beeinflussen zu können. Wäre das der Fall, dann würde ich allerdings diesem System Mensch keine Schuld mehr zuordnen wollen, denn für mich ist eben das Bewusstsein ein wesentlicher Bestandteil der Persönlichkeit. Hat der Mensch durch sein Bewusstein keinerlei Einfluss auf seine eigenen Handlungen, dann sehe ich keinen Grund für eine Strafe.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Also muss es in deinem Freiheits- und Schuldverständnis eben doch noch mit dem Determinismus nicht verträgliche Elemente geben, was sich ja auch in deiner ständigen Betonung des "Subjektsatus" des Menschen zeigt. |
Diese Folgerung erschließt sich mir allerdings nicht. Ich glaube nur, dass die weitestgehende Interpretation des Libet-Experimentes falsch und unsinnig ist. D.h. ich glaube, dass das Bewusstein evolutionär deshalb entstanden ist, um Entscheidungen zu treffen und diese umzusetzen.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ja, sicher muss die Höhe des Strafmaßes mMn von der Schwere der Tat ausgehen. Du scheinst übrigens Generalprävention mMn falsch zu verstehen: Generalprävention bedeutet nicht nur, potentielle Täter von der gleichen Tat abzuhalten, sondern sie muss auch das Vertrauen in das Rechtssystem stärken. Wenn ein Ladendieb härter bestraft würde als ein Mörder, dann wüde das wahrscheinlich eben dieses Vertrauen nicht gerade befördern. |
Es überrascht mich etwas, dass du hier offen forderst, jemanden in unnötig hohem Masse zu verurteilen, um damit die (Rachegefühle der) Mehrheit zufriedenzustellen. Ist aber zumindest konsequent. |
Man nennt es positive Generalprävention. Das hat nichts mit einem "Rachegefühl der Mehrheit" zu tun. Oben waren wir doch noch einig über den Nutzen einer Generalprävention.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Denk daran, was sich mit dem gleichen Argument alles legitimieren liesse. Was, wenn das Volk Homosexualität eines Tages auch als schlimmeres Verbrechen als Ladendiebstahl betrachtet? Dann muss man doch Homosexuelle deiner Argumentation folgend auch härter bestrafen als Ladendiebe, weil ansonsten das Vertrauen in das Rechtssystem unterminiert würde. (Keine Strafe ohne Schuld! gilt nicht, denn Homosexualität wäre dann ja eben ein Verbrechen.) |
Abgesehen davon, dass mir der Begriff "das Volk" an dieser Stelle nicht gefällt und das Beispiel "Homosexualität" sehr unglücklich gewählt ist, ist das im Prinzip so. Die Gesellschaft legt Normen fest und gewichtet diese auch. Anhand dieser Gewichtung wird das Strafmaß festgelegt.
Welche Normen das sind und wie sie bewertet werden, kann und wird sich sicherlich im Laufe der Zeit ändern. Das wird in jedem System so sein, auch in steps und auch in Deinem.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Das ist eben genau jene Form der Strafe dich ich ablehne, da sie nicht darauf abzielt, künftige Verbrechen zu vermeiden sondern alleine dem Vergeltungs- und Rachegedanken Rechnung trägt. |
Du meinst die positive Generalprävention? Sehe ich nicht so.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Könnte man das Vertrauen der Menschen in das Rechtssystem nicht auch fördern, indem man zeigt, dass alles verhältnismässige getan wird, um Straftaten zu vermeiden, dass aber niemand unnötige, dh. von diesem Ziel abweichende, Repressalien zu fürchten hat? |
Oh, wenn Du mir hier "verhältnismäßig" und "unnötig" näher definierst und wie man das genau "zeigen" kann...
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Da liegt wohl ein kleines Missverständnis vor: ich möchte nicht sagen, dass Sexualstraftäter generell schuldloser seien. Nur in bestimmten Fällen, in denen der Sexualtrieb nicht ausreichend kontrolliert werden kann. |
Ja, weshalb ist denn in diesen Fällen die "persönliche Schuld" geringer? Ist das nicht durch und durch widersprüchlich bei einem Menschen mit unkontrollierbarem Sexualtrieb zu sagen "Der Arme kann doch nichts dafür, dass er aufgrund seines genetischen Erbes solch überbordende Triebe hat.", bei einem anderen, dessen Sexualtrieb eine "normale Stärke" hat, so dass er von den meisten Menschen im Zaum gehalten werden könnte, dies nicht tut und damit vergisst, dass er auf die Faktoren, welche es ihm ermöglichen seinen normal starken Sexualtrieb unter Kontrolle zu halten oder eben auch nicht, auch keinen Einfluss hatte? |
Das wäre dann widersprüchlich, wenn ich glauben würde, man hätte sowieso keinen Einfluss auf seine Handlungen. Das aber genau glaube ich nicht.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Bemühst du da, indem du dich auf die "Persönlichkeit" als entscheidende Instanz berufst, nicht eben doch ein inkompatibilistisches Freiheits- und daraus sich ergebendes Schuldverständnis? |
Nein, ich denke nicht.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Weshalb ist man schuldig dafür, was sich aus seiner Persönlichkeit ergibt? Hat ein Mensch einen Einfluss auf seine Persönlichkeit? |
MMn hat ein Mensch Einfluss auf seine Persönlichkeit.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn ja, wovon hängt es ab, ob und wie er sie verändert? |
Das hängt von den Umständen und seiner Persönlichkeit ab.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn du da genügend weit zurückgehst kommst du entweder auf Faktoren, die mit dem Handelnden überhaupt nichts zu tun haben |
Richtig, man landet beim Urknall. Für was oder gegen was soll das aber ein Argument sein? Dafür, dass der Mensch seine Persönlichkeit nicht zu 100 % bestimmen kann und dass sie auch von äußeren Faktoren abhängt? Ich habe nie etwas anderes behauptet.
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Deus ex Machina registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.03.2006 Beiträge: 789
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(#560020) Verfasst am: 07.09.2006, 23:23 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Nein, so klar ist die Sache für mich nicht. Kommt immer auf die Umstände an. An einer fahrlässigen Tat hat man natürlich zumindest eine Mitschuld. |
Weshalb? Ich dachte, Schuld entsteht durch willentlichen, absichtlichen Rechtsbruch?
Zitat: | Ich verstehe das noch nicht so ganz. Was wäre denn Deine Bewertung des Autofahrers? Muss er härter bestraft werden als der Temposünder ohne Unfall? |
Schwierige Frage. Ich denke eher ja. Man kann nicht jeden verurteilen, der einen Stein aus dem Fenster auf den Gehsteig fallen lässt (das soll jetzt stellvertretend ein doofes Beispiel für alle fahrlässig begangenen Straftaten sein), schon aus rein praktischen Gründen. Um dennoch zu unterbinden, dass jemand wahllos Steine fallen lässt, muss man halt bei denen ansetzen, die auch einen Schaden anrichten und z.B. einen Menschen erschlagen. Zudem wird den Bürgern somit gewissermassen auch ein Quäntchen Autorität zum Brechen des Gesetzes zugestanden: Auf einer geraden, übersichtlichen, verkehrsarmen Autobahn spricht ja eigentlich nicht umbedingt etwas dagegen, in nüchternem Zustand mit 125km/h zu fahren und wer, aus welchem Grund auch immer, aus einem einsamen Landhaus einen Stein fallen lassen will, tut auch nichts falsches.
Zitat: | Was, wenn der Autofahrer das Tempobegrenzungsschild nicht gesehen hat? Würde das für Dich eine Rolle spielen? |
Nein. Begründung dürfte klar sein.
Zitat: | Müsste der Autofahrer genauso bestraft werden wie ein anderer Autofahrer, der absichtlich mit seinem Auto die Familie seines Nachbarn tötet, mit der er Streit hat? Wenn nein, warum nicht? |
Zur Spezialprävention ist ein Führerscheinentzug ausreichend.
Abschreckung ist deshalb weniger nützlich als bei Mord, weil der Täter die Tat ja eben nicht willentlich begeht, sich also auch nicht überlegt, welche Konsequenzen sie wohl haben wird.
Zitat: | Für mich gibt es Entscheidungs- und Handlungsfreiheit und es gibt für mich einen auf das Subjekt zurückführbaren Willen. |
Kannst du mir einmal genau erklären, was "Entscheidungs- und Handlungsfreiheit" und "Subjekt" für dich konkret bedeutet. Vermeide dabei bitte Wörter mit zu grossem Bedeutungsspielraum wie "autonom", "Persönlichkeit" usw., bzw. ersetze sie durch konkrete Begriffe. Ist es für dich möglich, das in einer unmissverständlichen Form zu formulieren, anhand derer sich eindeutig entscheiden lässt, ob ein Wesen "einen freien Willen" oder "Subjektstatus" hat?
Zitat: | Ich bin aber immer noch der Meinung, dass Du in deinen Schlussfolgerungen inkonsequent bist. Wenn Du Entscheidungs- und Handlungsfreiheit und einen auf das Subjekt zurückführbaren Willen negierst, dann gibt es keine Begründung mehr für eine Strafe. |
Jene Vorstellung von Freiheit, die ich ablehne, ist für Bestrafung nicht notwendig. In einer Gesellschaft, die auf geregelte Bestrafung verzichtet, möchte ich nicht leben.
Zitat: | Warum sollte man überhaupt jemanden bestrafen dürfen |
Was bedeutet das "dürfen" in diesem Satz?
Wenn man dMn niemanden mehr bestrafen dürfte, dann ist die Vermeidung von Verbrechen für dich eben doch nicht alleiniger Strafgrund, sondern es geht dir auch um Vergeltung, welche eben nichts anderes als Rache ist.
Zitat: | und warum muss dazu gegeben sein, dass "die Tat ohne Zwang und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte getan wurde"? |
Das hatten wir doch schon mehrmals. Weil bei unter den geschilderten Umständen begangene Taten keine Spezialprävention nötig machen, um zukünftige Taten des selben Täters (wenn wir ihn trotzdem so nennen wollen) zu verhindern und Abschreckung keinen Nutzen hat.
Zitat: | Das erscheint mir bei Deinen Prämissen ziemlich unlogisch. Was nutzt der "Vollbesitz der geistigen Kräfte", wenn man keine Entscheidungsfreiheit hat? |
Was soll "Entscheidungsfreiheit" sein? Unser intuitives, traditionelles Verständnis von Willens-, Entscheidungs- oder überhaupt Freiheit gründet sich mE auf die subjektiv erlebte Offenheit der Zukunft, auf die Vorstellung, dass unsere Handlungen und diejenigen unserer Mitmenschen nicht im Vornhinein festgelegt sind, sondern auch anders hätten kommen können. Jeder Mensch wächst wohl mit einer solchen Vorstellung auf, die meisten behalten sie ihr Leben lang; gleichwohl ist sie (denk dir bitte einfach in jeden Satz ein "mE" rein*) offensichtlich unsinnig.
[* Und alle "du", "deine", etc. grossgeschrieben. Hab' mal versucht es mir anzugewöhnen, geht aber nicht.]
Wenn Entscheidungs- oder Willensfreiheit meint, dass der Mensch tun kann, was er bei reflexierter Betrachtung für richtig hält, ist es etwas, was ihm trivialerweise zukommen kann.
Ich verstehe deshalb auch diesen ganzen Rummel um die Hirnforschung oder Sätze wie "Wenn sich bewahrheiten sollte, dass der Mensch keinen freien Willen hat..." nicht.
Dein Freiheistverständnis scheint mir da irgendwo zwischen den beiden genannten zu schweben, deshalb auch mein Bitte oben.
Zitat: | Wäre das der Fall [Folgerungen aus dem Libet-Experiment], dann würde ich allerdings diesem System Mensch keine Schuld mehr zuordnen wollen, denn für mich ist eben das Bewusstsein ein wesentlicher Bestandteil der Persönlichkeit. Hat der Mensch durch sein Bewusstein keinerlei Einfluss auf seine eigenen Handlungen, dann sehe ich keinen Grund für eine Strafe. |
Ist Verbrechen zu vermeiden kein Strafgrund?
Mit deiner Frage hast du doch wieder implizit zugegeben, dass das für dich eben keiner oder zumindest nicht der hauptsächliche Strafgrund ist.
Bestrafung zur Abschreckung wäre dann natürlich nicht mehr legitim, wirst du einwenden, da der Mensch keinen Einfluss auf seine Taten hätte, käme ihm keine Schuld zu, man dürfte ihn also nicht verurteilen, egal mit welchem Ziel.
In deinem heutigen Weltbild (so ich das richtig verstanden habe) sind die Handlungen eines Menschen zwar von den Naturgesetzen bestimmt und damit determiniert, das Bewusstsein (was immer das sein soll) hat aber einen Einfluss auf seine Handlungen. Bestrafungen sind legitim.
Wenn Handlungen aber ausgelöst werden, bevor der bewusste Wille entsteht, sind Strafen nicht mehr legitim.
Spielt es für dein Gewissen bei der Bestrafung solch eine grosse Rolle, ob der bewusste Wille zur Straftat nun vor oder nach dem Auslösen der Handlung entstand, wobei die Handlung so oder so im Vornhinein feststand?
Wenn in einem Jahr die ganze Fachwelt vom Libet-Experiment überzeugt wäre und jeder Mensch das nachvollziehen könnte, hättest du dann wirklich plötzlich Skrupel, einen Mörder zu einer Haftstrafe zu verurteilen und würdest stattdessen die Anarchie in Kauf nehmen?
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Also muss es in deinem Freiheits- und Schuldverständnis eben doch noch mit dem Determinismus nicht verträgliche Elemente geben, was sich ja auch in deiner ständigen Betonung des "Subjektsatus" des Menschen zeigt. |
Diese Folgerung erschließt sich mir allerdings nicht. Ich glaube nur, dass die weitestgehende Interpretation des Libet-Experimentes falsch und unsinnig ist. D.h. ich glaube, dass das Bewusstein evolutionär deshalb entstanden ist, um Entscheidungen zu treffen und diese umzusetzen. |
Mir erschliesst sich dagegen der Zusammenhang von Bewusstsein und Schuld nicht. Weshalb ist Schuld so eng an das Bewusstsein gekuppelt, wo es doch ein vom Menschen geschaffener Begriff ohne reelle Entsprechung (im Gegensatz eben z.B. zu "Tisch") ist? Können wir sie nicht kuppeln, woran wir wollen?
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ja, sicher muss die Höhe des Strafmaßes mMn von der Schwere der Tat ausgehen. Du scheinst übrigens Generalprävention mMn falsch zu verstehen: Generalprävention bedeutet nicht nur, potentielle Täter von der gleichen Tat abzuhalten, sondern sie muss auch das Vertrauen in das Rechtssystem stärken. Wenn ein Ladendieb härter bestraft würde als ein Mörder, dann wüde das wahrscheinlich eben dieses Vertrauen nicht gerade befördern. |
Es überrascht mich etwas, dass du hier offen forderst, jemanden in unnötig hohem Masse zu verurteilen, um damit die (Rachegefühle der) Mehrheit zufriedenzustellen. Ist aber zumindest konsequent. |
Man nennt es positive Generalprävention. Das hat nichts mit einem "Rachegefühl der Mehrheit" zu tun. |
Sondern? Inwiefern würde denn das Vertrauen in das Rechtssystem erschüttert, wenn ein Mörder geringer bestraft würde als ein Ladendieb? Widerstrebt dies einfach dem "natürlichen Gerechtigkeitsempfinden" der Menschen? Weshalb fordern alle harte Strafen gegen Kindsmissbraucher u.ä.? Das dies ohne die (bewusste) Absicht der Verhinderung zukünftiger Straftaten geschieht, sollte klar sein. Aber "Rachegelüste" tönt halt zu böse und tierisch; nennen wir es deshalb einfach "Gerechtigkeit".
Zitat: | Oben waren wir doch noch einig über den Nutzen einer Generalprävention. |
Ich habe darunter nur Abschreckung verstanden.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Das ist eben genau jene Form der Strafe dich ich ablehne, da sie nicht darauf abzielt, künftige Verbrechen zu vermeiden sondern alleine dem Vergeltungs- und Rachegedanken Rechnung trägt. |
Du meinst die positive Generalprävention? Sehe ich nicht so. |
Was siehst du nicht so, meine Beurteilung der positiven Generalprävention oder dass ich sie auf Grund dieser Beurteilung ablehne? In beiden Fällen: Begründung?
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Könnte man das Vertrauen der Menschen in das Rechtssystem nicht auch fördern, indem man zeigt, dass alles verhältnismässige getan wird, um Straftaten zu vermeiden, dass aber niemand unnötige, dh. von diesem Ziel abweichende, Repressalien zu fürchten hat? |
Oh, wenn Du mir hier "verhältnismäßig" und "unnötig" näher definierst und wie man das genau "zeigen" kann... |
verhältnismässige Strafe: Strafe, die zu einem Minimum an Leid für den Täter und die zu erwartenden Opfer führt
unnötige Strafe: Strafe, die nicht darauf abziehlt, zukünftige Verbrechen zu vermeiden
eine Absicht zeigen: diese Absicht mitteilen und sein Handeln auf diese ausrichten
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ja, weshalb ist denn in diesen Fällen die "persönliche Schuld" geringer? Ist das nicht durch und durch widersprüchlich bei einem Menschen mit unkontrollierbarem Sexualtrieb zu sagen "Der Arme kann doch nichts dafür, dass er aufgrund seines genetischen Erbes solch überbordende Triebe hat.", bei einem anderen, dessen Sexualtrieb eine "normale Stärke" hat, so dass er von den meisten Menschen im Zaum gehalten werden könnte, dies nicht tut und damit vergisst, dass er auf die Faktoren, welche es ihm ermöglichen seinen normal starken Sexualtrieb unter Kontrolle zu halten oder eben auch nicht, auch keinen Einfluss hatte? |
Das wäre dann widersprüchlich, wenn ich glauben würde, man hätte sowieso keinen Einfluss auf seine Handlungen. Das aber genau glaube ich nicht. |
Was bedeutet denn "man hat Einfluss auf seine Handlungen"? Ganz ehrlich, ich kann mir darunter überhaupt nichts vorstellen. Könntest du auch das einmal präzise und unmissverständlich erläutern?
Zitat: | MMn hat ein Mensch Einfluss auf seine Persönlichkeit. |
Was ist denn "der Mensch", abgesehen von seiner Persönlichkeit? Und wovon hängt es ab, wie "der Mensch Einfluss auf seine Persönlichkeit nimmt"? Komm jetzt nicht wieder mit dem Urknall. Es hängt doch vollständig von den vielzitierten Einflüssen wie genetischem Erbe, Erziehung, sonstigen Erlebnissen usw. ab. Alles andere müsste den Naturgesetzen widersprechen, ist nicht einmal denkmöglich.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn ja, wovon hängt es ab, ob und wie er sie verändert? |
Das hängt von den Umständen und seiner Persönlichkeit ab. |
Und seine Persönlichkeit hängt ja wiederum von vorherigen Umständen ab. Also hängt die Persönlichkeit eben vollständig von den Umständen zu verschiedenen Zeitpunkten ab. (Ich fürchte, ich wiederhole mich.)
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn du da genügend weit zurückgehst kommst du entweder auf Faktoren, die mit dem Handelnden überhaupt nichts zu tun haben |
Richtig, man landet beim Urknall. Für was oder gegen was soll das aber ein Argument sein? Dafür, dass der Mensch seine Persönlichkeit nicht zu 100 % bestimmen kann und dass sie auch von äußeren Faktoren abhängt? |
Nicht "auch" und "nicht zu 100%", sondern tuticuanti.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#560216) Verfasst am: 08.09.2006, 11:00 Titel: |
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Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Nein, so klar ist die Sache für mich nicht. Kommt immer auf die Umstände an. An einer fahrlässigen Tat hat man natürlich zumindest eine Mitschuld. |
Weshalb? Ich dachte, Schuld entsteht durch willentlichen, absichtlichen Rechtsbruch?  |
Schuld entsteht auch dann, wenn jemand durch sein Verhalten fahrlässig jemand anderen schädigt. Zum Beispiel, wenn jemand mit dem Gewehr ziellos in die Gegend ballert.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Müsste der Autofahrer genauso bestraft werden wie ein anderer Autofahrer, der absichtlich mit seinem Auto die Familie seines Nachbarn tötet, mit der er Streit hat? Wenn nein, warum nicht? |
Zur Spezialprävention ist ein Führerscheinentzug ausreichend.
Abschreckung ist deshalb weniger nützlich als bei Mord, weil der Täter die Tat ja eben nicht willentlich begeht, sich also auch nicht überlegt, welche Konsequenzen sie wohl haben wird. |
Diese Konklusion ist mir, wenn ich Deine Weltsicht bedenke, nicht klar: Jemand ist zu schnell gefahren. Ein Unfall passiert, bei dem Leute sterben. Jemand will seine Nachbarfamilie umbringen und überfährt sie mit dem Auto. Wieder sterben Leute. Das Ergebnis ist bei beiden Fällen gleich: es sterben Leute, was gesellschaftlich unerwünscht ist. Lehnt man den Begriff der Schuld komplett ab, dann kann man keinen Unterschied mehr zwischen diesen Fällen machen. Selbstverständlich funktioniert hier in beiden Fällen Prävention und zwar sowohl Spezial- als auch Generalprävention.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Für mich gibt es Entscheidungs- und Handlungsfreiheit und es gibt für mich einen auf das Subjekt zurückführbaren Willen. |
Kannst du mir einmal genau erklären, was "Entscheidungs- und Handlungsfreiheit" und "Subjekt" für dich konkret bedeutet. Vermeide dabei bitte Wörter mit zu grossem Bedeutungsspielraum wie "autonom", "Persönlichkeit" usw., bzw. ersetze sie durch konkrete Begriffe. |
Ein Mensch ist ein komplexes System innerhalb der Welt, die selber wieder aus komplexen Systemen besteht. Diese Systeme sind voneinander abhängig und beeinflussen sich gegenseitig. Der Mensch ist ein System, das sich selber beeinflussen kann.
Ein Mensch besteht aus seinem Körper und, auf einer abstrakteren Ebene, den geistigen Fähigkeiten und Möglichkeiten.
Entscheidungsfreiheit bedeutet, dass ein Mensch aufgrund seiner Reflexionsfähigkeit bewusste Entscheidungen treffen kann. Wird diese Entscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten gefällt und gibt es keine inneren oder äußere Zwänge, dann ist sie frei.
Handlungsfreiheit bedeutet, dass diese getroffene Entscheidung ohne innere und äußere Zwänge ausgeführt werden kann.
Ein innerer Zwang ist dabei ein Trieb oder eine Regung, die nicht kontrollierbar ist (z.B. Tourette-Syndrom).
Ein solches System, das die beschriebene Entscheidungs- und Handlungsfreiheit hat, ist für mich ein Subjekt.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ist es für dich möglich, das in einer unmissverständlichen Form zu formulieren, anhand derer sich eindeutig entscheiden lässt, ob ein Wesen "einen freien Willen" oder "Subjektstatus" hat? |
Ach, ich möchte inzwischen eigentlich den Begriff "freier Wille" vermeiden. Da streitet man sich nur über Sprache. Ich bevorzuge momentan "Entscheidungsfreiheit".
Nein, eindeutig entscheiden kann man das nicht. Das ist das Gedankenmodell des philosophischen Zombies. Man kann nur durch Indizien darauf schließen, indem man die Erfahrungen und Wahrnehmungen, die man selber hat, auf andere überträgt. Einen Subjektstatus "hat" man übrigens nicht, sondern dieser wird von anderen zugesprochen. Da ich keinen Grund habe, anzunehmen, es gäbe Zombies, spreche ich diesen Subjektstatus automatisch den anderen Menschen zu.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Ich bin aber immer noch der Meinung, dass Du in deinen Schlussfolgerungen inkonsequent bist. Wenn Du Entscheidungs- und Handlungsfreiheit und einen auf das Subjekt zurückführbaren Willen negierst, dann gibt es keine Begründung mehr für eine Strafe. |
Jene Vorstellung von Freiheit, die ich ablehne, ist für Bestrafung nicht notwendig. In einer Gesellschaft, die auf geregelte Bestrafung verzichtet, möchte ich nicht leben.
Zitat: | Warum sollte man überhaupt jemanden bestrafen dürfen |
Was bedeutet das "dürfen" in diesem Satz? |
"Dürfen" ist die Frage nach der Legitimation, der Rechtfertigung der Strafe. Eine Strafe ist ein aggressiver Akt gegenüber jemandem, der begründet werden muss. Zur Legitimation einer Strafe gehört für mich der Begriff Schuld, der wiederum abhängt von Entscheidungs- und Handlungsfreiheit. Mir ist aber immer noch nicht klar, wie Du eine Strafe rechtfertigst, wenn Du davon ausgehst, dass ein Mensch sein Handeln nicht selber bestimmen kann.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | und warum muss dazu gegeben sein, dass "die Tat ohne Zwang und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte getan wurde"? |
Das hatten wir doch schon mehrmals. Weil bei unter den geschilderten Umständen begangene Taten keine Spezialprävention nötig machen, um zukünftige Taten des selben Täters (wenn wir ihn trotzdem so nennen wollen) zu verhindern und Abschreckung keinen Nutzen hat. |
Es stimmt ja einfach nicht. Nehmen wir ein neues Beispiel. In der Zukunft stellt sich heraus, dass Sippenhaft ein gutes Mittel ist, um Verbrechen einzudämmen. Das Wissen um die mögliche Mitbestrafung der Familienmitglieder hindert viele potentielle Straftäter an der Ausübung der Straftat. Die Generalprävention wirkt also. Die Verbrechen gehen zurück. Damit alles seine Ordnung hat, wird die Sippenhaft schön in Gesetze gegossen, denn Willkür soll vermieden werden.
Wäre das dMn ok, und wenn nicht, warum nicht?
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Das erscheint mir bei Deinen Prämissen ziemlich unlogisch. Was nutzt der "Vollbesitz der geistigen Kräfte", wenn man keine Entscheidungsfreiheit hat? |
Was soll "Entscheidungsfreiheit" sein? Unser intuitives, traditionelles Verständnis von Willens-, Entscheidungs- oder überhaupt Freiheit gründet sich mE auf die subjektiv erlebte Offenheit der Zukunft, auf die Vorstellung, dass unsere Handlungen und diejenigen unserer Mitmenschen nicht im Vornhinein festgelegt sind, sondern auch anders hätten kommen können. Jeder Mensch wächst wohl mit einer solchen Vorstellung auf, die meisten behalten sie ihr Leben lang; gleichwohl ist sie (denk dir bitte einfach in jeden Satz ein "mE" rein*) offensichtlich unsinnig. |
Die Diskussion hatte ich nun auch schon öfter. Inzwischen habe ich aber verstanden, dass immer dann, wenn jemand sagt: "die Zukunft ist nicht offen", er immer nur meint: "es gibt nur eine Gegenwart". Das aber ist trivial. Klar kann ich zum Zeitpunkt X nur das machen, was ich dann mache und ich kann nicht das machen, was ich dann nicht mache.
Wichtig für meinen Standpunkt ist, dass die Zukunft durch meine Handlungen mitbestimmt wird. Wenn ich mich für etwas entscheide und danach handle, dann ist die Zukunft anders, als wenn ich mich für etwas anderes entscheide. Natürlich hätte also etwas anders kommen können. Dass aber alles so passiert, wie es eben passiert, ist wieder eine andere Sache und ist eben das oben erwähnte "es gibt nur eine Gegenwart".
Die Frage ist nur: entscheide ich oder entscheide ich nicht.
Wenn man sagt: der Mensch entscheidet nicht, es ist das Schicksal (Kismet), das entscheidet, dann frage ich mich wieder, warum es eine Rolle spielt, ob der Mensch bei dieser von außen getroffenen Entscheidung bei "Vollbesitz der geistigen Kräfte" war oder nicht.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn Entscheidungs- oder Willensfreiheit meint, dass der Mensch tun kann, was er bei reflexierter Betrachtung für richtig hält, ist es etwas, was ihm trivialerweise zukommen kann. |
Ach, das ist auf einmal für Dich trivial? Widerspricht aber eigentlich Deinem Standpunkt, oder ich habe ihn noch nicht verstanden.
Was Du beschreibst, ist Handlungsfreiheit. Entscheidungsfreiheit bedeutet, dass er reflektieren kann und aus dieser Reflektion heraus zu Entscheidungen kommen kann.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Wäre das der Fall [Folgerungen aus dem Libet-Experiment], dann würde ich allerdings diesem System Mensch keine Schuld mehr zuordnen wollen, denn für mich ist eben das Bewusstsein ein wesentlicher Bestandteil der Persönlichkeit. Hat der Mensch durch sein Bewusstein keinerlei Einfluss auf seine eigenen Handlungen, dann sehe ich keinen Grund für eine Strafe. |
Ist Verbrechen zu vermeiden kein Strafgrund? |
Da habe ich mich wohl falsch ausgedrückt. Ich meinte "Legitimation" statt "Grund".
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | In deinem heutigen Weltbild (so ich das richtig verstanden habe) sind die Handlungen eines Menschen zwar von den Naturgesetzen bestimmt und damit determiniert, das Bewusstsein (was immer das sein soll) hat aber einen Einfluss auf seine Handlungen. Bestrafungen sind legitim.
Wenn Handlungen aber ausgelöst werden, bevor der bewusste Wille entsteht, sind Strafen nicht mehr legitim. |
Ja, exakt.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Spielt es für dein Gewissen bei der Bestrafung solch eine grosse Rolle, ob der bewusste Wille zur Straftat nun vor oder nach dem Auslösen der Handlung entstand, wobei die Handlung so oder so im Vornhinein feststand? |
Ja, sicher spielt das eine große Rolle. Wenn man keine Möglichkeit hat, eine bewusste Entscheidung zu treffen, wenn diese Entscheidung von Instanzen getroffen wird, auf die man keinerlei Einfluss hat und wenn man diese getroffene Entscheidung zwanghaft ausführen muss, dann ist diese Entscheidung nicht dem Subjekt zuzuordnen. Dieses Subjekt ist dann nicht verantwortlich für die Entscheidung und kann aus meiner Sicht nicht dafür bestraft werden.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn in einem Jahr die ganze Fachwelt vom Libet-Experiment überzeugt wäre und jeder Mensch das nachvollziehen könnte, hättest du dann wirklich plötzlich Skrupel, einen Mörder zu einer Haftstrafe zu verurteilen und würdest stattdessen die Anarchie in Kauf nehmen? |
Ach, das Libet-Experiment gibt das aber nicht her, was manche behaupten, daraus lesen zu können.
Lass mich deswegen die Frage umformulieren: was soll passieren, wenn es Menschen gibt, die Dinge tun, die der Gesellschaft sehr schaden, die aber nicht schuldfähig sind. In einem solchen Fall kann es in extremen Fällen als letztes Mittel gerechtfertigt sein, zum Schutze der Gesellschaft denjenigen in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken, wenn es sonst kein Mittel gibt, seine künftigen Verhaltensweisen zu beeinflussen.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Mir erschliesst sich dagegen der Zusammenhang von Bewusstsein und Schuld nicht. Weshalb ist Schuld so eng an das Bewusstsein gekuppelt, wo es doch ein vom Menschen geschaffener Begriff ohne reelle Entsprechung (im Gegensatz eben z.B. zu "Tisch") ist? Können wir sie nicht kuppeln, woran wir wollen? |
Was meinst Du mit "ohne reelle Entsprechung"? Der Begriff Bewusstsein ist sicherlich ein abstrakter Begriff für ein auftretendes Phänomen, das zwar nicht dinglich ist wie ein Tisch, aber dennoch ebenso existiert wie ein Tisch. Unser Bewusstsein, unser Wahrnehmungsapparat ist das Einzige, was uns direkt zugänglich ist.
Das, was "mich" ausmacht, ist ohne das Bewusstsein nicht möglich. Nur mit Bewusstsein kann ich etwas erkennen und darüber reflektieren. Wie man "Schuld" definieren könnte, so dass sie auch für Wesen ohne Bewusstsein anwendbar wäre, ist mir vollkommen unklar.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Man nennt es positive Generalprävention. Das hat nichts mit einem "Rachegefühl der Mehrheit" zu tun. |
Sondern? Inwiefern würde denn das Vertrauen in das Rechtssystem erschüttert, wenn ein Mörder geringer bestraft würde als ein Ladendieb? Widerstrebt dies einfach dem "natürlichen Gerechtigkeitsempfinden" der Menschen? |
Ja, natürlich widerspricht das dem Gerechtigkeitsempfinden. Die Rechtsordnung spiegelt das ethische System einer Gesellschaft wieder und in diesem System werden Normen und deren Bewertung festgelegt. Ein Mord wird als wesentlich schlimmere Normverletzung angesehen als ein Ladendiebstahl. Würde ein Mörder geringer bestraft als ein Ladendieb, dann wäre das genau die umgekehrte Botschaft. Hier spielt aber gleichzeitig auch die negative Generalprävention eine Rolle.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Weshalb fordern alle harte Strafen gegen Kindsmissbraucher u.ä.? Das dies ohne die (bewusste) Absicht der Verhinderung zukünftiger Straftaten geschieht, sollte klar sein. Aber "Rachegelüste" tönt halt zu böse und tierisch; nennen wir es deshalb einfach "Gerechtigkeit". |
Nein, das wiederum hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun, sondern nur mit Rachegelüsten, die aber in einer Strafgesetzgebung keine Rolle spielen sollten.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Könnte man das Vertrauen der Menschen in das Rechtssystem nicht auch fördern, indem man zeigt, dass alles verhältnismässige getan wird, um Straftaten zu vermeiden, dass aber niemand unnötige, dh. von diesem Ziel abweichende, Repressalien zu fürchten hat? |
Oh, wenn Du mir hier "verhältnismäßig" und "unnötig" näher definierst und wie man das genau "zeigen" kann... |
verhältnismässige Strafe: Strafe, die zu einem Minimum an Leid für den Täter und die zu erwartenden Opfer führt
unnötige Strafe: Strafe, die nicht darauf abziehlt, zukünftige Verbrechen zu vermeiden
eine Absicht zeigen: diese Absicht mitteilen und sein Handeln auf diese ausrichten |
Das ist genau so schwammig wie vorher. Natürlich bin ich auch für verhältnismäßige Strafen und gegen unnötige Strafen.
Wenn das aber dazu führt, so wie Du angedeutet hast, dass Strafen völlig tatunabhängig bestimmt werden sollen, dann sehe ich nicht, wie man damit Vertrauen in das Rechtssystem fördern könnte. Dieses Rechtssystem wäre nach außen ein willkürliches Rechtssystem, da das jeweilige Maß der Strafe letzlich für Außenstehende nicht mehr nachvollziehbar wäre und schnell das Problem der Bevorzugung bestimmter gesellschaftlicher Schichten und Benachteiligung anderer gesellschaftlicher Schichten auftreten würde. Ein derartiges nach Willkür riechendes Rechtssystem würde nicht viel Vertrauen erlangen können.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#560479) Verfasst am: 08.09.2006, 18:32 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wenn man sagt: der Mensch entscheidet nicht, es ist das Schicksal (Kismet), das entscheidet, dann frage ich mich wieder, warum es eine Rolle spielt, ob der Mensch bei dieser von außen getroffenen Entscheidung bei "Vollbesitz der geistigen Kräfte" war oder nicht. |
Das frage ich mich auch. "Vollbesitz der geistigen Kräfte" heißt nämlich - nach naturalistischem Verständnis - nur soviel, daß wir schätzen, daß sein Gehirn die Folgen erkennen und bewerten konnte. Die Bewertungskriterien waren aber letztlich wieder naturgesetzlich vorgegeben. Die mildernden Umstände sind also mE nicht viel mehr als eine Kompensation der Tatsache, daß wir eigentlich generell nicht strafen dürften, nur fällt das beim Unzurechnungsfähigen deutlicher auf.
Bleibt noch ein letzter Grund zur unterschiedlichen Behandlung: die Besserungswahrscheinlichkeit bzw. die Ursache der Tat, sofern bekannt. Z.B. Mördern aus Habgier kann ich versuchen, das Morden aus Habgier abzugewöhnen, oder die Habgier, unzurechnungsfähigen Totschlägern kann ich versuchen das Saufen (mal vereinfacht dargestellt) abzugewöhnen. Bei Letzteren kann ich vielleicht auf nüchterne Einsicht hoffen, und daher auf Kooperation usw. - letztlich ist es aber utilitaristisch bedingt und damit immer nur ein gradueller Unterschied.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Deus ex Machina registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.03.2006 Beiträge: 789
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(#560516) Verfasst am: 08.09.2006, 19:39 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zur Spezialprävention ist ein Führerscheinentzug ausreichend.
Abschreckung ist deshalb weniger nützlich als bei Mord, weil der Täter die Tat ja eben nicht willentlich begeht, sich also auch nicht überlegt, welche Konsequenzen sie wohl haben wird. |
Diese Konklusion ist mir, wenn ich Deine Weltsicht bedenke, nicht klar: Jemand ist zu schnell gefahren. Ein Unfall passiert, bei dem Leute sterben. Jemand will seine Nachbarfamilie umbringen und überfährt sie mit dem Auto. Wieder sterben Leute. Das Ergebnis ist bei beiden Fällen gleich: es sterben Leute, was gesellschaftlich unerwünscht ist. Lehnt man den Begriff der Schuld komplett ab, dann kann man keinen Unterschied mehr zwischen diesen Fällen machen. Selbstverständlich funktioniert hier in beiden Fällen Prävention und zwar sowohl Spezial- als auch Generalprävention. |
Mehr habe ich nicht zu sagen.
Spezialprävention: Derjenige, der absichtlich seine Nachbarsfamilie überfährt, wird je nach Motivation, vielleicht wieder einmal jemanden ermorden, was entsprechende Präventionsmassnahmen nötig macht. Derjenige, der einfach zu schnell gefahren ist, wird niemanden mehr überfahren, wenn man im den Führerschein wegnimmt.
Abschreckung: Wer willentlich jemanden tötet überlegt sich im Vorhinein auch, welche strafrechtlichen Konsequenzen das für ihn haben wird. Wer zu schnell fährt überlegt sich eher, wieviel er halt bezahlen muss, wenn er geblitzt wird.
Zitat: | Mir ist aber immer noch nicht klar, wie Du eine Strafe rechtfertigst, wenn Du davon ausgehst, dass ein Mensch sein Handeln nicht selber bestimmen kann. |
Immer noch, indem damit zukünftige Verbrechen vermieden werden sollen. Ich habe aber ganz bestimmt nie geschrieben, "dass ein Mensch sein Handeln nicht selber bestimmen kann", zumal ich auch gar nicht weiss, was das bedeuten soll, wenn es keine triviale Aussage ist.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | und warum muss dazu gegeben sein, dass "die Tat ohne Zwang und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte getan wurde"? |
Das hatten wir doch schon mehrmals. Weil bei unter den geschilderten Umständen begangene Taten keine Spezialprävention nötig machen, um zukünftige Taten des selben Täters (wenn wir ihn trotzdem so nennen wollen) zu verhindern und Abschreckung keinen Nutzen hat. |
Es stimmt ja einfach nicht. |
Ach. Kannst du das auch begründen?
Zitat: | Nehmen wir ein neues Beispiel. In der Zukunft stellt sich heraus, dass Sippenhaft ein gutes Mittel ist, um Verbrechen einzudämmen. Das Wissen um die mögliche Mitbestrafung der Familienmitglieder hindert viele potentielle Straftäter an der Ausübung der Straftat. Die Generalprävention wirkt also. Die Verbrechen gehen zurück. Damit alles seine Ordnung hat, wird die Sippenhaft schön in Gesetze gegossen, denn Willkür soll vermieden werden. |
Ich bewerte es als wesentlich wichtiger, nicht für die Dummheiten, die mein Vetter begangen hat, bestraft werden zu können, als die Straftaten zu vermeiden, die damit angeblich vermieden werden können. Weshalb soll man nicht direkt den Delinquenten bestrafen?
Zitat: | Wenn ich mich für etwas entscheide und danach handle, dann ist die Zukunft anders, als wenn ich mich für etwas anderes entscheide. Natürlich hätte also etwas anders kommen können. |
Eben nicht. Das ist genau der Punkt. Dass es hätte anders kommen können, ist eine Illusion, die sich daraus ergibt, dass du halt nicht sämtliche Voraussetzungen kennst. Wofür du dich entscheidest, steht im Vorhinein fest (wenn nicht, dann ist es Zufall), auch wenn dir das subjektiv bei dir wei bei anderen Menschen anders erscheinen mag. Wusst ich's doch, dass sich dein Freheitsverständnis nicht mit dem Determinismus verträgt.
Zitat: | Wenn man sagt: der Mensch entscheidet nicht, es ist das Schicksal (Kismet), das entscheidet, dann frage ich mich wieder, warum es eine Rolle spielt, ob der Mensch bei dieser von außen getroffenen Entscheidung bei "Vollbesitz der geistigen Kräfte" war oder nicht. |
„Der Mensch entscheidet nicht“ habe ich sicher ebenso wenig wie etwas von „Schicksal“ geschrieben.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn Entscheidungs- oder Willensfreiheit meint, dass der Mensch tun kann, was er bei reflexierter Betrachtung für richtig hält, ist es etwas, was ihm trivialerweise zukommen kann. |
Ach, das ist auf einmal für Dich trivial? |
Naja, ich glaube nicht, dass da jemand widersprechen würde, oder? Ich habe jedenfalls nie etwas anderes geschrieben:
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Es ist möglich, dass der Mensch eine Handlung bewusst, reflektiert, nach bestem Wissen und Gewissen, ohne äusseren oder inneren Zwang durchführt. |
Zitat: | Lass mich deswegen die Frage umformulieren: was soll passieren, wenn es Menschen gibt, die Dinge tun, die der Gesellschaft sehr schaden, die aber nicht schuldfähig sind. In einem solchen Fall kann es in extremen Fällen als letztes Mittel gerechtfertigt sein, zum Schutze der Gesellschaft denjenigen in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken, wenn es sonst kein Mittel gibt, seine künftigen Verhaltensweisen zu beeinflussen. |
Wenn er sich durch das Wissen um eine ihn erwartende Strafe von dem Verbrechen abhalten liesse, wäre das nicht auch eine Möglichkeit?
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Mir erschliesst sich dagegen der Zusammenhang von Bewusstsein und Schuld nicht. Weshalb ist Schuld so eng an das Bewusstsein gekuppelt, wo es doch ein vom Menschen geschaffener Begriff ohne reelle Entsprechung (im Gegensatz eben z.B. zu "Tisch") ist? Können wir sie nicht kuppeln, woran wir wollen? |
Was meinst Du mit "ohne reelle Entsprechung"? Der Begriff Bewusstsein ist sicherlich ein abstrakter Begriff... |
Ich habe damit „Schuld“ gmeint, nicht „Bewusstsein“.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Man nennt es positive Generalprävention. Das hat nichts mit einem "Rachegefühl der Mehrheit" zu tun. |
Sondern? Inwiefern würde denn das Vertrauen in das Rechtssystem erschüttert, wenn ein Mörder geringer bestraft würde als ein Ladendieb? Widerstrebt dies einfach dem "natürlichen Gerechtigkeitsempfinden" der Menschen? |
Ja, natürlich widerspricht das dem Gerechtigkeitsempfinden. Die Rechtsordnung spiegelt das ethische System einer Gesellschaft wieder und in diesem System werden Normen und deren Bewertung festgelegt. Ein Mord wird als wesentlich schlimmere Normverletzung angesehen als ein Ladendiebstahl. Würde ein Mörder geringer bestraft als ein Ladendieb, dann wäre das genau die umgekehrte Botschaft. |
Und weshalb fordert unser Gerechtigkeitsempfinden für ein schlimmeres Verbrechen eine schlimmere Strafe? Wo besteht da der Unterschied zu Rache? Denk daran, unser Gerechtigkeitsempfinden entstand vor dem Wort „Schuld“.
Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | unnötige Strafe: Strafe, die nicht darauf abziehlt, zukünftige Verbrechen zu vermeiden |
Das ist genau so schwammig wie vorher. Natürlich bin ich auch für verhältnismäßige Strafen und gegen unnötige Strafen. |
Anscheinend bist du nicht gegen unnötige Strafen, zumindest nicht gegen unnötige Strafen nach meiner obigen Definition; denn sonst würdest du ja keine Strafen fordern, um die Gesellschaft zufriedenzustellen.
(Auf Steps Beitrag werde ich morgen antworten, wenn ich Zeit habe. Ich muss gehen.)
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#560582) Verfasst am: 08.09.2006, 21:58 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wenn man sagt: der Mensch entscheidet nicht, es ist das Schicksal (Kismet), das entscheidet, dann frage ich mich wieder, warum es eine Rolle spielt, ob der Mensch bei dieser von außen getroffenen Entscheidung bei "Vollbesitz der geistigen Kräfte" war oder nicht. |
Das frage ich mich auch. "Vollbesitz der geistigen Kräfte" heißt nämlich - nach naturalistischem Verständnis - nur soviel, daß wir schätzen, daß sein Gehirn die Folgen erkennen und bewerten konnte. Die Bewertungskriterien waren aber letztlich wieder naturgesetzlich vorgegeben. |
Hm, wo bleibt aber da das System "Mensch", das mMn teilweise selbstbezüglich ist? Irgendwie scheint mir das wegrationalisiert zu sein. Du machst keine Unterschiede zwischen "inneren" und "äußeren" Ursachen, die für mich den entscheidenden Unterschied machen in der Bewertung. Und was heißt, das "Gehirn könne die Folgen erkennen und bewerten"? Ist das Gehirn lediglich ein Beobachter und Bewerter seiner Handlungen, aber ohne Einflussmöglichkeit?
step hat folgendes geschrieben: | Die mildernden Umstände sind also mE nicht viel mehr als eine Kompensation der Tatsache, daß wir eigentlich generell nicht strafen dürften, nur fällt das beim Unzurechnungsfähigen deutlicher auf. |
Das bezieht sich dann aber nur auf die heutige (aus Deiner Sicht wohl falsche) Sicht der Dinge. Wenn sich Deine Sichtweise durchsetzen sollte, dann fällt dieser Umstand ersatzlos weg. Übrig bliebe die Erkenntnis, nicht strafen zu dürfen.
step hat folgendes geschrieben: | Bleibt noch ein letzter Grund zur unterschiedlichen Behandlung: die Besserungswahrscheinlichkeit bzw. die Ursache der Tat, sofern bekannt. Z.B. Mördern aus Habgier kann ich versuchen, das Morden aus Habgier abzugewöhnen, oder die Habgier, unzurechnungsfähigen Totschlägern kann ich versuchen das Saufen (mal vereinfacht dargestellt) abzugewöhnen. Bei Letzteren kann ich vielleicht auf nüchterne Einsicht hoffen, und daher auf Kooperation usw. - letztlich ist es aber utilitaristisch bedingt und damit immer nur ein gradueller Unterschied. |
Was könnte eine solche Einsicht dMn bewirken? Hat diese Einsicht Einfluss auf die weiteren Handlungen? Kann eine Einsicht eine Handlung bewirken?
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step registriert
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(#560594) Verfasst am: 08.09.2006, 22:24 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Was könnte eine solche Einsicht dMn bewirken? Hat diese Einsicht Einfluss auf die weiteren Handlungen? Kann eine Einsicht eine Handlung bewirken? |
Ja natürlich. Wobei die Einsicht selbst wieder nur eine Wirkung anderer Ursachen ist.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#560613) Verfasst am: 08.09.2006, 22:44 Titel: |
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Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Abschreckung: Wer willentlich jemanden tötet überlegt sich im Vorhinein auch, welche strafrechtlichen Konsequenzen das für ihn haben wird. Wer zu schnell fährt überlegt sich eher, wieviel er halt bezahlen muss, wenn er geblitzt wird. |
Hat diese Überlegung einen Einfluss auf seine Handlung? Ist diese Überlegung ein Teil des Menschen?
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ich habe aber ganz bestimmt nie geschrieben, "dass ein Mensch sein Handeln nicht selber bestimmen kann", zumal ich auch gar nicht weiss, was das bedeuten soll, wenn es keine triviale Aussage ist. |
Das hab ich doch oben erklärt, was ich unter Entscheidungs- und Handlungsfreiheit verstehe.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | und warum muss dazu gegeben sein, dass "die Tat ohne Zwang und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte getan wurde"? |
Das hatten wir doch schon mehrmals. Weil bei unter den geschilderten Umständen begangene Taten keine Spezialprävention nötig machen, um zukünftige Taten des selben Täters (wenn wir ihn trotzdem so nennen wollen) zu verhindern und Abschreckung keinen Nutzen hat. |
Es stimmt ja einfach nicht. |
Ach. Kannst du das auch begründen? |
Ja, mit dem folgenden Beispiel.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Nehmen wir ein neues Beispiel. In der Zukunft stellt sich heraus, dass Sippenhaft ein gutes Mittel ist, um Verbrechen einzudämmen. Das Wissen um die mögliche Mitbestrafung der Familienmitglieder hindert viele potentielle Straftäter an der Ausübung der Straftat. Die Generalprävention wirkt also. Die Verbrechen gehen zurück. Damit alles seine Ordnung hat, wird die Sippenhaft schön in Gesetze gegossen, denn Willkür soll vermieden werden. |
Ich bewerte es als wesentlich wichtiger, nicht für die Dummheiten, die mein Vetter begangen hat, bestraft werden zu können, als die Straftaten zu vermeiden, die damit angeblich vermieden werden können. Weshalb soll man nicht direkt den Delinquenten bestrafen? |
Der Delinquent wird natürlich zusätzlich bestraft. In meinem Konstrukt der Schuld darf nur er bestraft werden, da er den Gesetzesbruch verursacht hat. Wenn man aber der Meinung ist, dass Menschen nicht ursächlich ihre Handlungen bestimmen, dann kommen wir eben zu dem Beispiel der Sippenhaft. Du bist dann genausowenig schuld wie Dein Cousin und wenn es der Generalprävention dient, wirst Du auch verurteilt. Es sei denn, Du könntest Deine Ablehnung dessen besser begründen. Ein reines Unbehagen reicht mir da nicht aus, denn Dein Cousin wird dieses ebenso verspüren.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Wenn ich mich für etwas entscheide und danach handle, dann ist die Zukunft anders, als wenn ich mich für etwas anderes entscheide. Natürlich hätte also etwas anders kommen können. |
Eben nicht. Das ist genau der Punkt. Dass es hätte anders kommen können, ist eine Illusion, die sich daraus ergibt, dass du halt nicht sämtliche Voraussetzungen kennst. Wofür du dich entscheidest, steht im Vorhinein fest (wenn nicht, dann ist es Zufall), auch wenn dir das subjektiv bei dir wei bei anderen Menschen anders erscheinen mag. Wusst ich's doch, dass sich dein Freheitsverständnis nicht mit dem Determinismus verträgt.  |
Doch, verträgt es sich wohl. Ich habe meine Handlung in Übereinstimmung mit meinen persönlichen Präferenzen gebracht. Das kann ich auch, wenn die Handlung theoretisch vorbestimmt war. Hätte ich andere Präferenzen gehabt, dann wäre ich zu einer anderen Entscheidung gekommen und damit eben auch zu einer anderen Handlung. Das ist ausschlagebend dafür, dass ich für meine Handlung verantwortlich bin und dass ich schuldhaft handle, falls diese Handlung gegen gesellschaftliche Normen verstößt.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Wenn man sagt: der Mensch entscheidet nicht, es ist das Schicksal (Kismet), das entscheidet, dann frage ich mich wieder, warum es eine Rolle spielt, ob der Mensch bei dieser von außen getroffenen Entscheidung bei "Vollbesitz der geistigen Kräfte" war oder nicht. |
„Der Mensch entscheidet nicht“ habe ich sicher ebenso wenig wie etwas von „Schicksal“ geschrieben. |
Entweder entscheidet der Mensch und ist damit verantwortlich für seine Handlungen oder etwas anderes entscheidet. Was aber wäre das in Deinem Modell, wenn nicht das Schicksal?
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wenn Entscheidungs- oder Willensfreiheit meint, dass der Mensch tun kann, was er bei reflexierter Betrachtung für richtig hält, ist es etwas, was ihm trivialerweise zukommen kann. |
Ach, das ist auf einmal für Dich trivial? |
Naja, ich glaube nicht, dass da jemand widersprechen würde, oder? Ich habe jedenfalls nie etwas anderes geschrieben: |
Naja, aber wenn Du zustimmst, warum ist es dann so wichtig, ob die Handlung vorherbestimmt war oder nicht?
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Lass mich deswegen die Frage umformulieren: was soll passieren, wenn es Menschen gibt, die Dinge tun, die der Gesellschaft sehr schaden, die aber nicht schuldfähig sind. In einem solchen Fall kann es in extremen Fällen als letztes Mittel gerechtfertigt sein, zum Schutze der Gesellschaft denjenigen in seiner Bewegungsfreiheit einzuschränken, wenn es sonst kein Mittel gibt, seine künftigen Verhaltensweisen zu beeinflussen. |
Wenn er sich durch das Wissen um eine ihn erwartende Strafe von dem Verbrechen abhalten liesse, wäre das nicht auch eine Möglichkeit? |
Selbstverständlich. Deswegen habe ich extra vom "letzten Mittel" geschrieben.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Inwiefern würde denn das Vertrauen in das Rechtssystem erschüttert, wenn ein Mörder geringer bestraft würde als ein Ladendieb? Widerstrebt dies einfach dem "natürlichen Gerechtigkeitsempfinden" der Menschen? |
Ja, natürlich widerspricht das dem Gerechtigkeitsempfinden. Die Rechtsordnung spiegelt das ethische System einer Gesellschaft wieder und in diesem System werden Normen und deren Bewertung festgelegt. Ein Mord wird als wesentlich schlimmere Normverletzung angesehen als ein Ladendiebstahl. Würde ein Mörder geringer bestraft als ein Ladendieb, dann wäre das genau die umgekehrte Botschaft. |
Und weshalb fordert unser Gerechtigkeitsempfinden für ein schlimmeres Verbrechen eine schlimmere Strafe? |
Dadurch wird, wie gesagt, die Rangfolge der Normverletzungen festgelegt. Eine als schlimmer eingestufte Normverletzung rechtfertigt eine höhere Strafe. Eine Durchsetzung dieser Strafe ist bei normalen Umständen mAn notwendig zur Generalprävention.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Wo besteht da der Unterschied zu Rache? |
Unter Rache verstehe ich eine archaische Regung, die keine Rücksicht auf bestehende Normen und Gesetze und Verhältnismäßigkeit nimmt.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Denk daran, unser Gerechtigkeitsempfinden entstand vor dem Wort „Schuld“. |
Wie kommst Du darauf? So ist das mMn nicht. Das, was wir als gerecht empfinden, unterliegt einem ständigen Wandel und wird auch durch die gesellschaftlichen Umstände geprägt. Ich sehe das als eine Art Rückkopplungsprozess.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | unnötige Strafe: Strafe, die nicht darauf abziehlt, zukünftige Verbrechen zu vermeiden |
Das ist genau so schwammig wie vorher. Natürlich bin ich auch für verhältnismäßige Strafen und gegen unnötige Strafen. |
Anscheinend bist du nicht gegen unnötige Strafen, zumindest nicht gegen unnötige Strafen nach meiner obigen Definition; denn sonst würdest du ja keine Strafen fordern, um die Gesellschaft zufriedenzustellen. |
Das ist doch aber genau Generalprävention, die Du auch befürwortet hast. Deine Formulierung "zufriedenstellen" ändert daran gar nichts.
Vielleicht könntest Du mal ein Beispiel konstruieren, von dem Du glaubst, dass wir es unterschiedlich bewerten würden.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#560618) Verfasst am: 08.09.2006, 22:51 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Was könnte eine solche Einsicht dMn bewirken? Hat diese Einsicht Einfluss auf die weiteren Handlungen? Kann eine Einsicht eine Handlung bewirken? |
Ja natürlich. Wobei die Einsicht selbst wieder nur eine Wirkung anderer Ursachen ist. |
Ja, sicher. Alles ist letztlich eine Wirkung anderer Ursachen. Mir scheint dies aber nicht besonders hilfreich und auch nicht besonders wichtig für die Bewertung von Handlungen von Menschen zu sein.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#560787) Verfasst am: 09.09.2006, 11:23 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Was könnte eine solche Einsicht dMn bewirken? Hat diese Einsicht Einfluss auf die weiteren Handlungen? Kann eine Einsicht eine Handlung bewirken? |
Ja natürlich. Wobei die Einsicht selbst wieder nur eine Wirkung anderer Ursachen ist. |
Ja, sicher. Alles ist letztlich eine Wirkung anderer Ursachen. Mir scheint dies aber nicht besonders hilfreich und auch nicht besonders wichtig für die Bewertung von Handlungen von Menschen zu sein. |
Hmm .. es könnte aber doch sinnvoll sein, sich klarzumachen, daß man eigentlich nicht "den Menschen" bewertet, sondern ein Integral über sämtliche bisherigen (letzlich physikalischen) situativen Prägungen, die sein Gehirn und sein Körper erfahren haben. Dadurch kommt man davon weg, das Wesen eines Menschen (seinen Willen usw.) als irgendwie "atomar" - im Sinne von grundlegend, eigenständig - anzusehen.
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