Können Tiere denken?
Wähle Beiträge von
# bis # FAQ
[/[Drucken]\]

Freigeisterhaus -> Wissenschaft und Technik

#1: Können Tiere denken? Autor: Namronia BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 13:50
    —
Ich hatte heute eine Diskussion mit meinem Deutschlehrer, der meinte, Tiere könnten nicht denken.

Ich sehe das als falsch, aber gibt es wissenschaftliche Beweise, dass sie doch irgendwie denken können? Ich rede jetzt nicht zwingend von höherer Mathematik oder Raketenwissenschaft, sondern einfach nur von Gedanken, die über die Instinkte hinausgehen.

Wie gesagt, ich glaube, dass sie denken können, aber ich kann's halt nicht beweisen.

#2:  Autor: jdfWohnort: Nekropole E|B BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 13:53
    —
GIYF

Zuletzt bearbeitet von jdf am 14.05.2009, 13:54, insgesamt einmal bearbeitet

#3:  Autor: Namronia BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 13:54
    —
jdf hat folgendes geschrieben:
GIYF

Ja, ich habe bereits gegooglet, aber bin auf kein schlüssiges Ergebniss gekommen.

#4:  Autor: jdfWohnort: Nekropole E|B BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 13:56
    —
Namronia hat folgendes geschrieben:
jdf hat folgendes geschrieben:
GIYF

Ja, ich habe bereits gegooglet, aber bin auf kein schlüssiges Ergebniss gekommen.

*GÄHN*

http://www.3sat.de/dynamic/sitegen/bin/sitegen.php?tab=2&source=/delta/64304/index.html

Und im übrigen wirst du dann ja wohl deine Frage etwas präziser stellen können! Mit den Augen rollen


Zuletzt bearbeitet von jdf am 14.05.2009, 13:57, insgesamt einmal bearbeitet

#5:  Autor: narziss BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 13:57
    —
Als besonders intelligente Tiere gelten Menschenaffen, Halbmenschenaffen, Elefanten, Wale, Delfine und Tintenfische.

#6: Re: Können Tiere denken? Autor: TestirossiWohnort: jwd BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 14:00
    —
Namronia hat folgendes geschrieben:
Ich hatte heute eine Diskussion mit meinem Deutschlehrer, der meinte, Tiere könnten nicht denken.

Ich sehe das als falsch, aber gibt es wissenschaftliche Beweise, dass sie doch irgendwie denken können? Ich rede jetzt nicht zwingend von höherer Mathematik oder Raketenwissenschaft, sondern einfach nur von Gedanken, die über die Instinkte hinausgehen.

Wie gesagt, ich glaube, dass sie denken können, aber ich kann's halt nicht beweisen.

Natürlich können Tiere denken, dein Deutschlehrer irrt.
Wenn der Mensch denken kann, dann können auch Tiere denken.
Erst einmal ganz trivial, da der Mensch ebenfalls zu den Tieren gehört, allerdings zu den speziellen, es sei denn, man würde das "Menschsein" mit der Denkfähigkeit definieren, dann wären einige Tiere Menschen.

Man kann zum Beispiel höheren Affen eine Zeichensprache beibringen, mit der sie denkend, nachdenkend und selbsterkennend kommunizieren können.

Wie kommt dein Lehrer eigentlich darauf, Tiere könnten nicht denken?

#7:  Autor: RohrspatzWohnort: NRW BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 14:00
    —
...und zudem einige Vögel wie Krähenvögel und Papageien Smilie

#8:  Autor: Namronia BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 14:06
    —
Zitat:

Wie kommt dein Lehrer eigentlich darauf, Tiere könnten nicht denken?


Ich weiß nicht, aber ich werde ihn morgen mal fragen.

#9:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 14:07
    —
Namronia hat folgendes geschrieben:
Ich hatte heute eine Diskussion mit meinem Deutschlehrer, der meinte, Tiere könnten nicht denken. ....

Der Art Homo sapiens wird es manchmal unterstellt. Ich halte das aber - wie dein Deutschlehrer - für übertrieben und hineininterpretiert.

fwo

#10:  Autor: RohrspatzWohnort: NRW BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 14:16
    —
Naja, der Deutschlehrer wird wohl nur bis zum Behaviorismus gekommen sein und dann keine Dokus zum Thema mehr angeschaut haben... Mit den Augen rollen
Wobei der wissenschaftlich sicherste Standpunkt natürlich der ist, das Tier als Blackbox zu betrachten und sich gar nichts erst zu fragen, ob im Gehirn Gedanken entstehen. Wurde ja auch lange Zeit so gehandhabt.
Aber ich finde diese Vorsicht ist zu viel des Guten, mit derselben kann ich nämlich auch bezweifeln, dass andere Menschen Gedanken haben (vielleicht doch alles Automaten bzw. Zombies...?).

#11:  Autor: Namronia BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 15:37
    —
Zitat:
Lieber Norman, ich habe mal kurz die Seite (und die Antworten) angeschaut. Ich denke,du bist meiner Ansicht: Das Geschriebene ist weder logisch noch wissenschaftlich in irgend einer Weise begründet. Aber: Die Diskussion ist ergebnisoffen!!!!!

Gruß
...


Das schrieb er mir gerade, also los! Studien raussuchen! Sehr glücklich

Edit: Ich will ihn nicht bloßstellen, beleidigen oder sonstwas in die Richtung, und ich bitte auch euch, das nicht zu machen!

#12:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 15:50
    —
Namronia hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Lieber Norman, ich habe mal kurz die Seite (und die Antworten) angeschaut. Ich denke,du bist meiner Ansicht: Das Geschriebene ist weder logisch noch wissenschaftlich in irgend einer Weise begründet. Aber: Die Diskussion ist ergebnisoffen!!!!!

Gruß
...


Das schrieb er mir gerade, also los! Studien raussuchen! Sehr glücklich

Edit: Ich will ihn nicht bloßstellen, beleidigen oder sonstwas in die Richtung, und ich bitte auch euch, das nicht zu machen!

So allgemein wie er das formuliert hat, ist er bereits widerlegt: das hätte er aus meinem Beitrag auch herauslesen können:

Wikipedia sagt:
Zitat:
Die Menschenaffen (Hominidae, früher Pongidae) – in Abgrenzung zu den Gibbons (Kleine Menschenaffen) auch als Große Menschenaffen bezeichnet – sind eine Familie der Primaten. Darin werden die heute lebenden Gattungen der Orang-Utans, Gorillas, Schimpansen und Menschen zusammengefasst, insgesamt sieben rezente Arten.


Indem er sich zu den denkenden Wesen zählt, erklärt dein Lehrer von zumindest einer Tierart, dass er sie für fähig hält zu denken.

Ansonsten ist vor einer weiteren Beantwortung dieser Frage zu definieren, was unter Denken zu verstehen ist - danach kann man weitersehen. Wenn Du googeln willst, google doch mal nach Schimpansen und Sprache.

fwo

#13:  Autor: RohrspatzWohnort: NRW BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 16:00
    —
Elstern erkennen sich im Spiegel
Oder für eine kurze Übersicht ein Video

Liste der Publikationen von Irene Pepperberg und ihrem Graupapageien "Alex" (und Artgenossen)
Einige ihrer Ergebnisse: Graupapageien können menschliche Sprache immitieren, um so zu kommunizieren. Graupapageien können Auf Fragen wie "Welcher Gegenstand ist anders?" und "Was ist anders?" (Form, Farbe, Material) sinngemäß antworten. Sie können die Bedeutung der Zahl 0 anwenden... hm, das wars, was ich spontan im Kopf hatte.

Da gab es auch nen Test zur Theory of Mind an Delphinen, aber die Studie fällt mir nicht mehr ein. Vielleicht kennt sie jemand? Ging darum, dass ein Mensch den Delfinen durch Fingerzeig das richtige von zwei Verstecken für Futter verraten hat.
Der Test war: Wenn die Verstecke aber von einer weiteren Person vertauscht wurden, während der Zeigende nicht anwesend war, würde der Zeigende auf genau das falsche Versteck deuten. Wenn die Delphine das verstehen, müssten sie also das jeweils andere Versteck als das gezeigte wählen, was aber auch bedeutet, dass sie eine Vorstellung vom "Geist" (besser englisch, also mind) haben und dass ein anderes Individuum andere Dinge weiß als man selbst.
Den Test haben sie wohl auch bestanden....
Ich hatte die Studie auch irgendwo... Menno....

Ich meld mich, wenn ich noch was (wieder)finde

#14:  Autor: RohrspatzWohnort: NRW BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 16:10
    —
Neukaledonische Krähen können Werkzeuge selbst herstellen. Sie lehren es ihren Nachkommen, wählen nach situationsabhängigen Kriterien die richtige "Rohfassung" aus und können sogar fremde Materialien (Draht) einsetzen : Taddaaa

Ich gebs ja schon zu: Ich hab nen Faible für Vogelkognition Sehr glücklich

#15:  Autor: YogoshWohnort: Berlin BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 16:12
    —
[sing]I hope that there's intelligent life somewhere up in space 'cause there's bugger all down here on earth[/sing]

The Meaning of Life - Monty Python

#16:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 17:47
    —
Falls Du noch nichts hast, geh mal von da aus los:

http://de.wikipedia.org/wiki/Washoe_(Schimpansin)

fwo

#17:  Autor: Kival BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 17:51
    —
Eleonor hat folgendes geschrieben:


Danke für die vielen schönen Quellen. Kannte ich (fast) alle noch nicht und das obwohl ich mich damit mal beschäftigt habe.

#18:  Autor: Zoff BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 17:58
    —
Planen tun sie jedenfalls.

http://science.orf.at/science/news/154863

#19:  Autor: NiHWohnort: Duisburg BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 17:58
    —
Ein paar interessante Links:

http://www.zeit.de/online/2006/21/affen-planen-wissenschaft
http://www.bild.de/BILD/news/2009/03/10/steine-schmeisser-affe-begeistert/wissenschaft.html
http://www.evolutionsbiologie.uni-konstanz.de/files/resourcesmodule/@random4628a2600c6a7/1183618456_HB060608.pdf

Ehrlich gesagt halte ich die Behauptung, dass Tiere nicht denken können, für haltlos bzw. widerlegt. Oder was soll den Menschen so gravierend von anderen Tieren unterscheiden, dass er behaupten kann, diese können nicht denken?
Was macht das menschliche Denken so besonders? Dass wir zu wirklich komplexen Denkvorgängen (in unseren Augen) fähig sind, ist klar, aber für mich ist das nur eine besondere Position unter allen Tierarten. Es ist nichts völlig anderes, sondern nur "ausgereifter", es gibt mehr Zukunftsplanung und ein hohes Maß an Reflexion, aber letztendlich basiert es auf den selben Prinzipien.

#20: Re: Können Tiere denken? Autor: LingLing BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 19:13
    —
Namronia hat folgendes geschrieben:
Ich hatte heute eine Diskussion mit meinem Deutschlehrer, der meinte, Tiere könnten nicht denken.

Ich sehe das als falsch, aber gibt es wissenschaftliche Beweise, dass sie doch irgendwie denken können? Ich rede jetzt nicht zwingend von höherer Mathematik oder Raketenwissenschaft, sondern einfach nur von Gedanken, die über die Instinkte hinausgehen.

Wie gesagt, ich glaube, dass sie denken können, aber ich kann's halt nicht beweisen.


Dein Deutschlehrer hat wohl keine Tiere bei sich zu Hause, sonst wird er so was bestimmt nicht sagen. Ich hab mal unsere Katze übersehen und einfach eine Tür verschlossen. Zu Beginn hörte ich nur ein entferntes Miau, konnte es aber keinen Ort zuordnen. Anschließend begann die Katze auf die Türklinke zu springen und gleichzeitig sich gegen die Tür zu werfen und hat auch die Tür auf bekommen. Als ich die Geräusche lokalisieren konnte war sie schon draußen und hat mich 2 Wochen lang mit dem Arsch nicht angeguckt.
Klar können Tiere denken.

#21:  Autor: beachbernieWohnort: Haida Gwaii BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 21:35
    —
Zoff hat folgendes geschrieben:
Planen tun sie jedenfalls.

http://science.orf.at/science/news/154863


Da gibt es auch ein recht bekanntes Experiment aus den 60ger Jahren, das nachwies, dass Schimpansen zu planvollem Verhalten faehig sind.

Man brachte jeweils einen Schimpansen in einen Raum, von dessen Decke eine Banane hing. In dem Raum lagen unterschiedlich grosse Kisten auf einem Haufen in der Ecke. Um an die Banane zu gelangen mussten die Kisten gemaess ihre Groesse sortiert gestapelt werden um einen Turm zu bauen. War die untere Kiste zu klein, fiel der Turm zusammen und nix war mit Banane. Bringt man die Affen in den Raum, so beginnen sie nach kurzer Zeit einen Turm zu bauen und stapeln wahllos Kisten aufeinander, bis sie nach dem Try and error Prinzip die richtige Kombination zustande kriegen. Anders laeuft es, wenn man die Affen zunaechst in einen Kaefig im Raum sperrt, von dem aus sie sich die Lage erst mal nur ansehen koennen. Oeffnet man naemlich dann irgendwann die Kaefigtuer, so tun sich die Affen meist erheblich leichter mit dem Kisten stapeln. Sie muessen also ueber das Problem nachgedacht haben und koennen es deshalb leichter loesen als Affen die diesen Vorteil nicht hatten.

Gruss, Bernie

#22:  Autor: pyrrhon BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 21:42
    —
jdf hat folgendes geschrieben:
GIYF


Sag mal, wie zufrieden bist Du eigentlich mit Opera?

#23: Re: Können Tiere denken? Autor: musikduscheWohnort: Düsseldorf BeitragVerfasst am: 14.05.2009, 22:49
    —
Namronia hat folgendes geschrieben:
Ich hatte heute eine Diskussion mit meinem Deutschlehrer, der meinte, Tiere könnten nicht denken.
Treffen sich zwei Wale. Sagt der eine "Ich hatte heut ne Diskussion mit meinem Schwimmlehrer, der meinte, Menschen können nicht tauchen..."
... so ungefähr stell ich mir das vor...

#24:  Autor: ShadaikWohnort: MG BeitragVerfasst am: 16.05.2009, 15:39
    —
Namronia hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Lieber Norman, ich habe mal kurz die Seite (und die Antworten) angeschaut. Ich denke,du bist meiner Ansicht: Das Geschriebene ist weder logisch noch wissenschaftlich in irgend einer Weise begründet. Aber: Die Diskussion ist ergebnisoffen!!!!!

Gruß
...


Das schrieb er mir gerade, also los! Studien raussuchen! Sehr glücklich

Edit: Ich will ihn nicht bloßstellen, beleidigen oder sonstwas in die Richtung, und ich bitte auch euch, das nicht zu machen!
Worauf bezieht er sich, sprich was ist "das Geschriebene"?

#25:  Autor: Namronia BeitragVerfasst am: 16.05.2009, 15:59
    —
Shadaik hat folgendes geschrieben:
Namronia hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Lieber Norman, ich habe mal kurz die Seite (und die Antworten) angeschaut. Ich denke,du bist meiner Ansicht: Das Geschriebene ist weder logisch noch wissenschaftlich in irgend einer Weise begründet. Aber: Die Diskussion ist ergebnisoffen!!!!!

Gruß
...


Das schrieb er mir gerade, also los! Studien raussuchen! Sehr glücklich

Edit: Ich will ihn nicht bloßstellen, beleidigen oder sonstwas in die Richtung, und ich bitte auch euch, das nicht zu machen!
Worauf bezieht er sich, sprich was ist "das Geschriebene"?

Du meintest seine Antwort? Im Unterricht habe ich gesagt, ich werde ihm den Link per Mail senden, alleine der Link und ein "Hallo" standen in der Mail.

#26:  Autor: VT_340Wohnort: Essen BeitragVerfasst am: 17.05.2009, 06:49
    —
Plötzlich werden hier alle zu Tierfreunden.. bei den Vegetarier Threads sah das noch ganz anders aus.
Letztens hat ein Affe im Zoo den Elektrozaun per Kurzschluss deaktiviert und is ausgebrochen!

#27:  Autor: Kival BeitragVerfasst am: 17.05.2009, 13:42
    —
VT_340 hat folgendes geschrieben:
Plötzlich werden hier alle zu Tierfreunden.. bei den Vegetarier Threads sah das noch ganz anders aus.


Nur weil Tieren hier Denkfähigkeit zugewiesen wird, macht das die Leute nicht zu Tierfreunden.

#28:  Autor: LingLing BeitragVerfasst am: 17.05.2009, 14:22
    —
Ich hab mal total verkatert ein paar Links rausgesucht, hab sie nur überflogen, richtig lesen werde ich sie erst wenn die Schmerzen nachlassen. zwinkern

Mal gucken ob ich noch mehr Unterlagen von der Max-Planck Gesellschaft finde, aber so wie sich dein Lehrer anhört, dürfte ihm das Max-Planck-Institut auch zu unwissenschaftlich sein. zwinkern


http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/pressemitteilungen/2004/pressemitteilung20040607/index.html

http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/dokumentation/jahrbuch/2003/verhaltensphysiologie/forschungsSchwerpunkt3/index.html

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,500336,00.html

http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-9781-2009-04-16.html

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,475630,00.html

http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-4377-2006-03-03.html

Edit: Es gibt auch ein Video, in dem ein Rabe erst ein Werkzeug baut um damit das Futter aus einer Flasche zu fischen. Mal schauen ob ich das Video noch finde.


Zuletzt bearbeitet von LingLing am 17.05.2009, 22:13, insgesamt 2-mal bearbeitet

#29:  Autor: Eklatant BeitragVerfasst am: 17.05.2009, 14:31
    —
Affen können in Möglichkeiten denken

Zitat:
Die Tiere sollten auf einem Bildschirm eines von acht identischen Symbolen auswählen, die in einem Kreis angeordnet waren und mit verschiedenen Belohnungen einhergingen. Sieben Symbole waren mit kleinen Preisen, eines der Zeichen aber mit einer besonders großen Portion Fruchtsaft versehen. Nach ihrer Entscheidung sahen die Affen, welches Symbol zu welcher Prämie führte.

Untersuchungsergebnis

Die Tiere lernten nicht nur aus ihrem eigenen Erfolg oder Misserfolg, sondern sie berücksichtigten auch, was ihnen durch die Lappen gegangen war: In 60 Prozent der Durchgänge beließen die Forscher den Hauptpreis am vorherigen Ort, in den übrigen 40 Prozent verschoben sie ihn um eine Stelle im Uhrzeigersinn. Diesem Muster passten die Affen ihre Entscheidung an. Sie wählten wesentlich eher Symbole in der Nachbarschaft des früheren Hauptgewinns als solche, die neben einer Niete lagen. Und je höher die zuvor verpasste Belohnung war, desto eher änderten sie im folgenden Durchgang ihre Wahl, wie die Forscher der Duke Universität in North Carolina im Magazin "Science" schreiben.

#30:  Autor: Galaxisherrschers Katze BeitragVerfasst am: 17.05.2009, 14:35
    —
Kival hat folgendes geschrieben:
VT_340 hat folgendes geschrieben:
Plötzlich werden hier alle zu Tierfreunden.. bei den Vegetarier Threads sah das noch ganz anders aus.


Nur weil Tieren hier Denkfähigkeit zugewiesen wird, macht das die Leute nicht zu Tierfreunden.

Menschen Denkfähigkeit zuzuweisen, macht einen ja auch nicht zum Menschenfreund. zwinkern

#31:  Autor: Necromancer BeitragVerfasst am: 18.05.2009, 09:22
    —
Ich hab die Erfahrung gemacht das Tiere denken können. Im Büro sitzt so ein Affe neben mir der ist zwar zu blöd um geradeaus zu laufen doch egal wo man etwas essbares versteckt er findet es immer und stopft es ungefragt in sich rein.
Auch wenn er in der Nase bohrt betrachtet er danach ganz versonnen seinen Fund bevor er ihn künstlerisch auf seinem Bürostuhl drapiert.
Fazit - zumindest Affen können denken. Ob das Schwein in der Kantine auch denken kann ist noch nicht beobachtet worden.

#32: Empathie bei Tieren Autor: wolle BeitragVerfasst am: 12.02.2018, 00:25
    —
Ein japanisches Video zeigt, wie diverse Tiere, z. B. Affen, Hunde, Vögel, sogar Reptilien uneigennützig anderen Tieren der gleichen Art oder sogar anderen Arten helfen.
Es sind Beispiele, die auf Empathie bei Tieren schließen lassen.
Teilweise bringen diese Tiere sich sogar selbst in Gefahr bei der Hilfe.

https://www.youtube.com/watch?v=3DFoUem0JT4

#33: Re: Empathie bei Tieren Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 12.02.2018, 10:42
    —
wolle hat folgendes geschrieben:
Ein japanisches Video zeigt, wie diverse Tiere, z. B. Affen, Hunde, Vögel, sogar Reptilien uneigennützig anderen Tieren der gleichen Art oder sogar anderen Arten helfen.
Es sind Beispiele, die auf Empathie bei Tieren schließen lassen.
Teilweise bringen diese Tiere sich sogar selbst in Gefahr bei der Hilfe.

https://www.youtube.com/watch?v=3DFoUem0JT4

Wenn es Empathie in unserem Sinne auch noch über Artgrenzen hinweg gäbe, würde alle Beutegreifer verhungern.

Das heißt, wenn wir Ockhams rasor weiterhin gelten lassen wollen, sollten wir davon ausgehen, dass bei all diesen Szenen andere Dinge eine Rolle gespielt haben als Mitleid. Ich gehe davon aus, dass wir hier Verhaltensmuster sehen, die zwar normalerweise innerartlich funktionieren, aber aus irgendwelchen Gründen über die Artgrenzen hinweg getriggert wurden. So ist es wahrscheinlich, dass da einige Male der Brutpflegeinstinkt "falsch" ausgelöst wurde, bei Pavianen ist es normal, dass erwachsene Männchen im Verbund Leoparden aus dem Aufenthaltsgebiet der der Herde vertreiben, wenn sie ihn sehen, so dass es hier wahrscheinlich einfach Zufall war, dass der Leopard gerade ein Impala geknutscht hat usw.

Innerartlicher Altruismus dagegen wird bei hinreichender Verwandtschaft genetisch "belohnt", ist also nicht so fürchterlich selten. Bei den Hymenopteren werden ganze Staaten nach diesem Prinzip aufgebaut.

Man sollte nicht jedesmal, wenn ein Bild auftaucht, das den primitivdarwinistischen Vorstellungen des "struggle of life" widerspricht, gleich all das über Bord werfen, was wir bisher herausgefunden haben.

#34:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 14.02.2018, 15:24
    —
Die Frage ist ja, was wir überhaupt "denken" nennen. Mir scheint es, als fassten wir eine recht heterogene Ansammlung verschiedener Tätigkeiten und Fähigkeiten unter diesem Oberbegriff zusammen, oft ohne sie weiter auszudifferenzieren. Das In-Erwägung-Ziehen kontrafaktischer Möglichkeiten und die Fähigkeit, daraus für zukünftiges Verhalten zu lernen, halte ich allerdings für ein deutliches Indiz und für eine zumindest zum menschlichen Denken klar dazugehörige Fähigkeit. Wen der von Eklatant auf der letzten Seite verlinkte Artikel zutrifft und noch aktuell ist, müsste man m.E. auch Affen sowas wie Denkfähigkeit zuschreiben. (Diese mag allerdings begrenzter oder vielleicht auch anders gestaltet sein als unsere.)

#35:  Autor: AhrimanWohnort: 89250 Senden BeitragVerfasst am: 14.02.2018, 17:22
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die Frage ist ja, was wir überhaupt "denken" nennen.

Das müßtet ihr auch hier erst mal definieren.
Wenn ich die Leine vom Haken nehme kommt der Hund blitzartig aus seinem Körbchen hoch, saust herbei und macht eine Freudenkundgebung. Ist das nun ein rudimentärer Denkvorgang (Chef nimmt Leine, ergo gehen wir spazieren) oder nur ein Pawlowscher Reflex?

#36: " Autor: beachbernieWohnort: Haida Gwaii BeitragVerfasst am: 15.02.2018, 00:08
    —
Ahriman hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die Frage ist ja, was wir überhaupt "denken" nennen.

Das müßtet ihr auch hier erst mal definieren.
Wenn ich die Leine vom Haken nehme kommt der Hund blitzartig aus seinem Körbchen hoch, saust herbei und macht eine Freudenkundgebung. Ist das nun ein rudimentärer Denkvorgang (Chef nimmt Leine, ergo gehen wir spazieren) oder nur ein Pawlowscher Reflex?



Das ist wohl eher ein bedingter Reflex.

Denken war da schon eher, was ich früher mal bei Caesar, dem Chow Chow eines Freundes, beobachtet habe:

Der Hund ging erst zur Garderobe, holte die Leine, ging ins Wohnzimmer und legte die Leine meinem Freund vor die Füße. Der sagte was von "Keine Zeit" und der Hund trabte mit der Leine in der Schnauze von dannen. Kurze Zeit spaeter hörten wir die Stimme der Mutter meines Freundes aus der Küche: "Ich muss jetzt kochen, Caesar!". Kurz darauf der Vater aus dem Badezimmer: "Jetzt nicht, Caesar!". Daraufhin ging der Hund zur Garderobe und legte seine Leine wieder dort hin. 10 Sekunden spaeter hörten wir die Hoftür aufgehen. der Hund konnte die naemlich selbstständig öffnen und ging alleine gassi, nachdem niemand fuer ihn Zeit hatte. Sehr glücklich

#37:  Autor: wolle BeitragVerfasst am: 15.02.2018, 13:15
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die Frage ist ja, was wir überhaupt "denken" nennen. Mir scheint es, als fassten wir eine recht heterogene Ansammlung verschiedener Tätigkeiten und Fähigkeiten unter diesem Oberbegriff zusammen, oft ohne sie weiter auszudifferenzieren. Das In-Erwägung-Ziehen kontrafaktischer Möglichkeiten und die Fähigkeit, daraus für zukünftiges Verhalten zu lernen, halte ich allerdings für ein deutliches Indiz und für eine zumindest zum menschlichen Denken klar dazugehörige Fähigkeit. Wen der von Eklatant auf der letzten Seite verlinkte Artikel zutrifft und noch aktuell ist, müsste man m.E. auch Affen sowas wie Denkfähigkeit zuschreiben. (Diese mag allerdings begrenzter oder vielleicht auch anders gestaltet sein als unsere.)

Affen haben partiell bessere Fähigkeiten als der Mensch, nämlich was das Kurzzeit-Gedächtnis betrifft.
Einem Affe wurden die Ziffern von 1-9 und deren Reihenfolge beigebracht.
Nun kann er eine Gruppe von zufällig über den Bildschirm verteilte Ziffern innerhalb von Sekunden-Bruchteilen merken und in der richtigen Reihenfolge wiedergeben, was dem Menschen nicht gelingt:
"Gedächtnis von Affen ist besser als das Gedächtnis der Menschen"
https://www.youtube.com/watch?v=KHBThShCBdA

Raben werfen Nüsse auf die Straße, um diese von Autos knacken zu lassen.
Auch Werkzeuge werden von Raben benutzt.
Waschbären nutzen Hilfsmittel.
Ratten merken sich Wege aus einem Labyrinth und nutzen Hilfsmittel.
Hörnchen merken sich versteckte Nüsse.
Hunde sind auf dem Intelligenz-Niveau von 2-jährigen Kindern.
Hunde können sich 165 Worte merken und bis 5 zählen.
Hunde erkennen menschliche Emotionen und reagieren darauf.
Schweine sind auf dem Intelligenz-Niveau von 3-jährigen Kindern.
Bei bestimmten Aufgaben sind Schweine auf dem Intelligenz-Niveau von 5-jährigen Kindern.
Schweine, Katzen, Elefanten und Tauben können aus weiten Entfernungen ihr Zuhause wieder finden.
Delfine, Elefanten und bestimmte Affen erkennen sich im Spiegel.
Delfine und Hunde können choreografierte Übungen erlernen.
Oktopoden können eine Vielzahl von Aufgaben bewältigen.
Affen nutzen Werkzeuge.
Siehe
"DIE 10 INTELLIGENTESTEN TIERE DER WELT!"
https://www.youtube.com/watch?v=uSJd2HmZ6ek

#38:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 15.02.2018, 14:50
    —
wolle hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die Frage ist ja, was wir überhaupt "denken" nennen. Mir scheint es, als fassten wir eine recht heterogene Ansammlung verschiedener Tätigkeiten und Fähigkeiten unter diesem Oberbegriff zusammen, oft ohne sie weiter auszudifferenzieren. Das In-Erwägung-Ziehen kontrafaktischer Möglichkeiten und die Fähigkeit, daraus für zukünftiges Verhalten zu lernen, halte ich allerdings für ein deutliches Indiz und für eine zumindest zum menschlichen Denken klar dazugehörige Fähigkeit. Wen der von Eklatant auf der letzten Seite verlinkte Artikel zutrifft und noch aktuell ist, müsste man m.E. auch Affen sowas wie Denkfähigkeit zuschreiben. (Diese mag allerdings begrenzter oder vielleicht auch anders gestaltet sein als unsere.)

Affen haben partiell bessere Fähigkeiten als der Mensch, nämlich was das Kurzzeit-Gedächtnis betrifft.
Einem Affe wurden die Ziffern von 1-9 und deren Reihenfolge beigebracht.
Nun kann er eine Gruppe von zufällig über den Bildschirm verteilte Ziffern innerhalb von Sekunden-Bruchteilen merken und in der richtigen Reihenfolge wiedergeben, was dem Menschen nicht gelingt:
"Gedächtnis von Affen ist besser als das Gedächtnis der Menschen"
https://www.youtube.com/watch?v=KHBThShCBdA

Raben werfen Nüsse auf die Straße, um diese von Autos knacken zu lassen.
Auch Werkzeuge werden von Raben benutzt.
Waschbären nutzen Hilfsmittel.
Ratten merken sich Wege aus einem Labyrinth und nutzen Hilfsmittel.
Hörnchen merken sich versteckte Nüsse.
Hunde sind auf dem Intelligenz-Niveau von 2-jährigen Kindern.
Hunde können sich 165 Worte merken und bis 5 zählen.
Hunde erkennen menschliche Emotionen und reagieren darauf.
Schweine sind auf dem Intelligenz-Niveau von 3-jährigen Kindern.
Bei bestimmten Aufgaben sind Schweine auf dem Intelligenz-Niveau von 5-jährigen Kindern.
Schweine, Katzen, Elefanten und Tauben können aus weiten Entfernungen ihr Zuhause wieder finden.
Delfine, Elefanten und bestimmte Affen erkennen sich im Spiegel.
Delfine und Hunde können choreografierte Übungen erlernen.
Oktopoden können eine Vielzahl von Aufgaben bewältigen.
Affen nutzen Werkzeuge.
Siehe
"DIE 10 INTELLIGENTESTEN TIERE DER WELT!"
https://www.youtube.com/watch?v=uSJd2HmZ6ek

Was hier nicht aufgeführt ist, ist das Schwindeln oder Lügen.
Ein Affe findet was leckeres. Bevor die andere kommen schreit er das Zeichen: "Achtung, Löwe!" (oder sowas ähnliches). Die anderen flüchten in die Bäume, und der Finder hat sein Leckerli für sich allein.
Dazu gehört schon eine ordentliche Portion Kombinationsfähigkeit.

#39:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 04.10.2018, 14:52
    —
Um hier mal weiter zu stricken.
Letztens kam mir der Gedanke, dass manche Tierarten (oder alle?) eine ähnliche Entwicklung wie der Homo Sapiens durchleben könnten.
Ich vermute mal, dass Homo Sapiens auch nicht von einem Tag auf den nächsten vom Tier zum Mensch mutiert ist.
Mache ich da einen Denkfehler?

#40:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 04.10.2018, 15:12
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Um hier mal weiter zu stricken.
Letztens kam mir der Gedanke, dass manche Tierarten (oder alle?) eine ähnliche Entwicklung wie der Homo Sapiens durchleben könnten.
Ich vermute mal, dass Homo Sapiens auch nicht von einem Tag auf den nächsten vom Tier zum Mensch mutiert ist.
Mache ich da einen Denkfehler?


Gemäß der Evolutionstheorie und historischen Forschungsergebnissen liegst du schon richtig.

Mir kam der gegenteilige Gedanke: Der Mensch könnte sich wieder zurück entwickeln zum sprachunfähigen, weniger intelligenten Tier.

Eigenschaften, die keinen Nutzen mehr stiften, verkümmern der Tendenz nach.

#41:  Autor: swifty BeitragVerfasst am: 04.10.2018, 15:21
    —
Wie die Morlocken. zynisches Grinsen

#42:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 04.10.2018, 15:46
    —
worse hat folgendes geschrieben:
Wie die Morlocken. zynisches Grinsen


Ja, vielleicht wie die Morlocks. Schöne Aussichten:

http://mutant-future.wikia.com/wiki/Morlock

skeptisch

#43:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 04.10.2018, 19:59
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Um hier mal weiter zu stricken.
Letztens kam mir der Gedanke, dass manche Tierarten (oder alle?) eine ähnliche Entwicklung wie der Homo Sapiens durchleben könnten.
Ich vermute mal, dass Homo Sapiens auch nicht von einem Tag auf den nächsten vom Tier zum Mensch mutiert ist.
Mache ich da einen Denkfehler?

Mehrere. Der einfachste: Der Mensch ist nie vom Tier zum Menschen mutiert, weil die Menschwerdung nicht mit einschließt, dass er jetzt kein Tier mehr ist - es sei denn, Du definierst Tier als Nicht-Mensch.

Wenn Du ansonsten einfach die Entwicklung zum in menschlicher Weise denkenden Wesen meinst, ist das, auch wenn man mal den zeitlichen Aspekt wegnimmt, ein extrem unwahrscheinliches Geschehen, das viele Voraussetzungen braucht. Es ist nicht von ungefähr, dass es in der gesamten irdischen Evolution nach allem, was wir wissen, bisher erst ein einziges Mal passiert ist.

#44:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 04.10.2018, 20:04
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Um hier mal weiter zu stricken.
Letztens kam mir der Gedanke, dass manche Tierarten (oder alle?) eine ähnliche Entwicklung wie der Homo Sapiens durchleben könnten.
Ich vermute mal, dass Homo Sapiens auch nicht von einem Tag auf den nächsten vom Tier zum Mensch mutiert ist.
Mache ich da einen Denkfehler?

Mehrere. Der einfachste: Der Mensch ist nie vom Tier zum Menschen mutiert, weil die Menschwerdung nicht mit einschließt, dass er jetzt kein Tier mehr ist - es sei denn, Du definierst Tier als Nicht-Mensch.
Stimmt; da muß ich Dir Recht geben.

fwo hat folgendes geschrieben:
Wenn Du ansonsten einfach die Entwicklung zum in menschlicher Weise denkenden Wesen meinst, ist das, auch wenn man mal den zeitlichen Aspekt wegnimmt, ein extrem unwahrscheinliches Geschehen, das viele Voraussetzungen braucht. Es ist nicht von ungefähr, dass es in der gesamten irdischen Evolution nach allem, was wir wissen, bisher erst ein einziges Mal passiert ist.
Da muß ich zu Bedenken geben, dass es nicht ganz so einmalig war. Es gab ja noch den Neandertaler. Sogar über eine länger Periode auf Erde als Homo Sapiens.

#45:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 04.10.2018, 20:17
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Um hier mal weiter zu stricken.
Letztens kam mir der Gedanke, dass manche Tierarten (oder alle?) eine ähnliche Entwicklung wie der Homo Sapiens durchleben könnten.
Ich vermute mal, dass Homo Sapiens auch nicht von einem Tag auf den nächsten vom Tier zum Mensch mutiert ist.
Mache ich da einen Denkfehler?

Mehrere. Der einfachste: Der Mensch ist nie vom Tier zum Menschen mutiert, weil die Menschwerdung nicht mit einschließt, dass er jetzt kein Tier mehr ist - es sei denn, Du definierst Tier als Nicht-Mensch.
Stimmt; da muß ich Dir Recht geben.

fwo hat folgendes geschrieben:
Wenn Du ansonsten einfach die Entwicklung zum in menschlicher Weise denkenden Wesen meinst, ist das, auch wenn man mal den zeitlichen Aspekt wegnimmt, ein extrem unwahrscheinliches Geschehen, das viele Voraussetzungen braucht. Es ist nicht von ungefähr, dass es in der gesamten irdischen Evolution nach allem, was wir wissen, bisher erst ein einziges Mal passiert ist.
Da muß ich zu Bedenken geben, dass es nicht ganz so einmalig war. Es gab ja noch den Neandertaler. Sogar über eine länger Periode auf Erde als Homo Sapiens.

Dessen Entwicklung aber nicht unabhängig von der des H.sapiens ist - es sind Schwesterarten. Das bedeutet, dass er die Voraussetzungen mit dem H. sapiens teilt. Wir wissen auch nicht, ob er wirklich in unserem Sinn denken konnte, ich habe hier auch schon irgendwo begründet, warum ich nicht daran glaube.

Was also gibst Du da genau zu bedenken?

#46:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 04.10.2018, 20:37
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Um hier mal weiter zu stricken.
Letztens kam mir der Gedanke, dass manche Tierarten (oder alle?) eine ähnliche Entwicklung wie der Homo Sapiens durchleben könnten.
Ich vermute mal, dass Homo Sapiens auch nicht von einem Tag auf den nächsten vom Tier zum Mensch mutiert ist.
Mache ich da einen Denkfehler?

Mehrere. Der einfachste: Der Mensch ist nie vom Tier zum Menschen mutiert, weil die Menschwerdung nicht mit einschließt, dass er jetzt kein Tier mehr ist - es sei denn, Du definierst Tier als Nicht-Mensch.
Stimmt; da muß ich Dir Recht geben.

fwo hat folgendes geschrieben:
Wenn Du ansonsten einfach die Entwicklung zum in menschlicher Weise denkenden Wesen meinst, ist das, auch wenn man mal den zeitlichen Aspekt wegnimmt, ein extrem unwahrscheinliches Geschehen, das viele Voraussetzungen braucht. Es ist nicht von ungefähr, dass es in der gesamten irdischen Evolution nach allem, was wir wissen, bisher erst ein einziges Mal passiert ist.
Da muß ich zu Bedenken geben, dass es nicht ganz so einmalig war. Es gab ja noch den Neandertaler. Sogar über eine länger Periode auf Erde als Homo Sapiens.

Dessen Entwicklung aber nicht unabhängig von der des H.sapiens ist - es sind Schwesterarten. Das bedeutet, dass er die Voraussetzungen mit dem H. sapiens teilt. Wir wissen auch nicht, ob er wirklich in unserem Sinn denken konnte, ich habe hier auch schon irgendwo begründet, warum ich nicht daran glaube.

Was also gibst Du da genau zu bedenken?


Man kann doch mal Überlegungen anstellen. Ist daran irgendwas verwerfliches?
Die Unwahrscheinlichkeit macht es nicht zur Unmöglichkeit.
Genauso gibt es Überlegungen auf außerirdische Intelligenz, obwohl das ebenso unwahrscheinlich ist.
Genauso wenig, wie wir Kontakt zu außerirdischen haben werden, wir es wohl auch nicht passieren, dass wir uns mit einem Braunbär über den sinn des Lebens unterhalten werden.
Vielleicht trifft beides zu für unsere Nachfahren in ein paar Millionen Jahre. zwinkern

#47:  Autor: sehr gut BeitragVerfasst am: 04.10.2018, 20:47
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Genauso wenig, wie wir Kontakt zu außerirdischen haben werden, wir es wohl auch nicht passieren, dass wir uns mit einem Braunbär über den sinn des Lebens unterhalten werden.

Ein Braunbär in Deutschland der Menschen nahe kommt? PENG

#48:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 04.10.2018, 20:56
    —
sehr gut hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Genauso wenig, wie wir Kontakt zu außerirdischen haben werden, wir es wohl auch nicht passieren, dass wir uns mit einem Braunbär über den sinn des Lebens unterhalten werden.

Ein Braunbär in Deutschland der Menschen nahe kommt? PENG

In ein paar Millionen Jahre dürfte es einige tausend Klimawechsel gegeben haben. Vielleicht sogar Kontinentverschiebungen. Sei doch nicht so kleinlich. nee
Eher sei fraglich, ob es überhaupt noch Bären oder Menschen gibt. zwinkern

#49:  Autor: sehr gut BeitragVerfasst am: 04.10.2018, 21:12
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
sehr gut hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Genauso wenig, wie wir Kontakt zu außerirdischen haben werden, wir es wohl auch nicht passieren, dass wir uns mit einem Braunbär über den sinn des Lebens unterhalten werden.

Ein Braunbär in Deutschland der Menschen nahe kommt? PENG

In ein paar Millionen Jahre dürfte es einige tausend Klimawechsel gegeben haben. Vielleicht sogar Kontinentverschiebungen. Sei doch nicht so kleinlich. nee
Eher sei fraglich, ob es überhaupt noch Bären oder Menschen gibt. zwinkern

Ich dachte an den hier und sein Schicksal: https://de.wikipedia.org/wiki/JJ1

#50:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 04.10.2018, 21:22
    —
sehr gut hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
sehr gut hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Genauso wenig, wie wir Kontakt zu außerirdischen haben werden, wir es wohl auch nicht passieren, dass wir uns mit einem Braunbär über den sinn des Lebens unterhalten werden.

Ein Braunbär in Deutschland der Menschen nahe kommt? PENG

In ein paar Millionen Jahre dürfte es einige tausend Klimawechsel gegeben haben. Vielleicht sogar Kontinentverschiebungen. Sei doch nicht so kleinlich. nee
Eher sei fraglich, ob es überhaupt noch Bären oder Menschen gibt. zwinkern

Ich dachte an den hier und sein Schicksal: https://de.wikipedia.org/wiki/JJ1

War mir sofort klar woran Du gedacht hast.

#51:  Autor: narr BeitragVerfasst am: 04.10.2018, 23:32
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
...Der Mensch könnte sich wieder zurück entwickeln zum sprachunfähigen, weniger intelligenten Tier.

ich dachte da wäre er in Teilen schon dabei

#52:  Autor: Grey BeitragVerfasst am: 05.10.2018, 13:19
    —
narr hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
...Der Mensch könnte sich wieder zurück entwickeln zum sprachunfähigen, weniger intelligenten Tier.

ich dachte da wäre er in Teilen schon dabei


Kann passieren, wenn man keine Bücher liest.

#53:  Autor: narr BeitragVerfasst am: 05.10.2018, 13:56
    —
was kann passieren, wenn man keine Bücher liest?

#54:  Autor: AhrimanWohnort: 89250 Senden BeitragVerfasst am: 06.10.2018, 15:47
    —
narr hat folgendes geschrieben:
was kann passieren, wenn man keine Bücher liest?

Daß man dämliche Fragen stellt.

#55: Morlock-Politik Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 06.10.2018, 16:21
    —
narr hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
...Der Mensch könnte sich wieder zurück entwickeln zum sprachunfähigen, weniger intelligenten Tier.

ich dachte da wäre er in Teilen schon dabei


Ja, beim Anblick des US-Präsers könnte man denken: "Hilfe, es geht los!" Geschockt

Aber Trump repräsentiert erst mal nur die Stagnation und Degeneration der US-Gesellschaft und der kapitalistischen Gesellschaften insgesamt, deren Politik man als Morlock-Politik bezeichnen könnte, da sie genau so gut von Morlocken durchgeführt werden könnte.

Zur herrschenden Politiktendenz passen halt nun mal grenzdebil grinsende Führer viel besser als zivilisierte, gebildete und moralische Politiker - siehe Trump, Duterte, Orban, Netanjahu, etc.

#56:  Autor: lucWohnort: Nice. Paris. Köln BeitragVerfasst am: 06.10.2018, 17:08
    —
Was heißt denken? Sich in die Zukunft projizieren und sich zwischen 2 oder mehreren Handlungen entscheiden. Das können Tiere, begrenzt (es geht um eine sehr nahe Zukunft) und sie können sich nur um eine sehr begrenzte Anzahl von Handlungen entscheiden.

#57:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 06.10.2018, 17:12
    —
luc hat folgendes geschrieben:
Was heißt denken? Sich in die Zukunft projizieren und sich zwischen 2 oder mehreren Handlungen entscheiden. Das können Tiere, begrenzt (es geht um eine sehr nahe Zukunft) und sie können sich nur um eine sehr begrenzte Anzahl von Handlungen entscheiden.


Meine Gedanken waren mehr, ob da eine Entwicklung stattfindet.
Ich denke Homo Sapiens hat bestimmt auch nicht von heute auf morgen komplexes Denkvermögen entwickelt.

#58:  Autor: lucWohnort: Nice. Paris. Köln BeitragVerfasst am: 06.10.2018, 17:27
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
luc hat folgendes geschrieben:
Was heißt denken? Sich in die Zukunft projizieren und sich zwischen 2 oder mehreren Handlungen entscheiden. Das können Tiere, begrenzt (es geht um eine sehr nahe Zukunft) und sie können sich nur um eine sehr begrenzte Anzahl von Handlungen entscheiden.


Meine Gedanken waren mehr, ob da eine Entwicklung stattfindet.
Ich denke Homo Sapiens hat bestimmt auch nicht von heute auf morgen komplexes Denkvermögen entwickelt.


Der Affe hat das geschafft. Dafür war eine bestimmte Bedingung erforderlich: eine Hand die zuerst Holzstöcke, Steine und später Werkzeuge halten kann, und dadurch kam die Entwicklung des Gehirns. Dadurch entwickelte sich der Mensch. Bei den Hunden, Katzen, usw. sehe ich diese Möglichkeit nicht. Auch Vögel benutzen Werkzeuge aber mit dem Schnabel sind die Möglichkeiten sehr begrenzt.

#59:  Autor: narr BeitragVerfasst am: 06.10.2018, 21:23
    —
luc hat folgendes geschrieben:
Was heißt denken? Sich in die Zukunft projizieren und sich zwischen 2 oder mehreren Handlungen entscheiden. Das können Tiere, begrenzt (es geht um eine sehr nahe Zukunft) und sie können sich nur um eine sehr begrenzte Anzahl von Handlungen entscheiden.


Da Menschen Tiere sind - eie fwo schon geschrieben hat, können Tiere begrenzt denken. Außerdem sind sie ebenfalls in der Anzahl ihren Handlungen begrenzt.
Rabenvögel sind übrigens nicht so begrenzt wie du denkst. Ich hab mal einen beobachtet der hat z.B. Nüsse in eine Gabelung einer hochstehenden Wurzel geklemmt und erst versucht, sie mit dem Fuss fest zu halten. da ihm die Zehen im Weg waren hat er sich einen kleinen Zweig gesucht den so über die Nuss gelegt, dass sie nicht weg konnte und hat sie dann aufgehackt. Nachdem er das raus hatte ging es mit jeder Nuss schneller.

Außerdem haben Tiere jeweils andere Möglichkeiten von Handlungen die wir nicht haben. Vögel können z.B. fliegen. Rabenvögel benutzen dann Autos zum Nussknacken

#60:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 07.10.2018, 13:40
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
luc hat folgendes geschrieben:
Was heißt denken? Sich in die Zukunft projizieren und sich zwischen 2 oder mehreren Handlungen entscheiden. Das können Tiere, begrenzt (es geht um eine sehr nahe Zukunft) und sie können sich nur um eine sehr begrenzte Anzahl von Handlungen entscheiden.


Meine Gedanken waren mehr, ob da eine Entwicklung stattfindet.
Ich denke Homo Sapiens hat bestimmt auch nicht von heute auf morgen komplexes Denkvermögen entwickelt.

Nur um mal etwas evolutionstheoretischen Hintergrund in die Sache zu bringen:

Was würde sich am Verhalten einer Maus ändern, wenn sie plötzlich denken könnte? Nichts. Weil ihre Verhaltensmuster angeboren sind. Was brächte ihr diese neue Fähigkeit also? Ganz einfach: auch nichts. Warum sollte sie sich dann bilden?

Und da sind wir beim wesentlich Punkt der Frage: Denken in unseren Sinn ist nur dann nützlich, wenn die Freiheit besteht, das Ergebnis auch anwenden zu können. Der evolutionäre Nachteil des Denkens - den gibt es nämlich auch, besteht darin, dass evolutionär im Genom angereichertes Wissen dafür weggeworfen und durch persönlich erworbenes Wissen ersetzt werden muss: Wenn eine Ente instinktiv bei einem "Flughobjekt" mit Falkenflugbild in Deckung geht, bedeutet das, dass da von der Art erworbenes "Wissen" über die Gefährlichkeit derartiger Wahrnehmungsmuster existiert, das genetisch weitergeben wird, ohne dass die einzelne Ente etwas in unserem Sinn bewusst weiß. Das heißt praktisch, dass es Wahrnehmungsmuster gibt, die automatisch ein bestimmtes "Gefühl" auslösen, das zu bestimmten Handlungen führt, oder, das ist die einfachere Variante bei einfacheren Lebewesen, die das evolutionär erfolgreiche Verhalten direkt auslöst. Das funktioniert bei Würmern wie bei Enten, weshalb ich dieses Gefühl dann auch in "" gesetzt habe - es hat nicht unbedingt etwas mit Bewusstsein zu tun wie das, was wir bei uns als Gefühle erleben.

Damit das aber überhaupt erst möglich ist, braucht es folgende Voraussetzungen:

1.) Die Tiere müssen das Verhalten fest im Programm haben, funktionskreisunabhängig individuelle (d.h. nicht erblich fixierte) elterliche Verhaltenweisen in hoher Kopiertreue über Generationen zu tradieren und dabei auch zu akkumulieren. Es gibt zwar kulturelle Verhaltenweisen auch bei anderen Tierarten, aber das ist nach unserem heutigen Wissen immer auf bestimmten Funktionskreise begrenzt und einen Akkumulation ist nicht feststellbar. Dieses Verhalten hat sich bei der Gattung Homo evtl. selektiert, als die anatomisch relativ unspezialisierte Gruppe sich über individuelle Verhaltensweisen an unterschiedliche Nischen anpasste. Bei der Tradition des Steineklopfens, also seit ca 2,5 Mio Jahren, ist die kopiertreue Tradition des Verhaltens bereits sicher feststellbar.

Zu einer Akkumulation des Wissens der Art, die in der Lage ist, das genetische Wissen zu ersetzen, gehört das Werkzeug zur Weitergabe dieses Wissens, das gleichzeitig Werkzeug der Verarbeitung und Erweiterung dieses Wissens ist, die Sprache. Unser bewusstes Denken findet in der Sprache statt.

Sprache hat die Voraussetzung des geteilten Interesses. Das gestische Indiz für dieses Verhalten ist das kommunikative Auf-etwas-zeigen. Als angeborenes Verhalten kennen wir das in dieser Form nur beim Menschen. Die zweite Voraussetzung besteht in der Möglichkeit der Vereinbarung von Signalen, sowohl, was das Signal selbst, als auch, was seinen Inhalt betrifft. Wir kennen die Kommunikation in der übrigen Tierwelt, die man als eine Signalisierung von Gestimmtheiten zusammenfassen kann, Inhalt der Nachricht ist also immer der Zustand des äußernden Subjektes. Erst das geteilte Interesse an externen, frei wählbaren Gegenständen verbunden mit der Möglichkeit der freien Vereinbarung von Signalen für diese externen Gegenstände machen die Sprache möglich. In der übrigen Tierwelt gibt es weder Beispiele für das eine noch für das andere. Wir stellen also ein Fehlen der basalen Voraussetzungen fest - die scheinen sich also evolutionär nicht besonders leicht zu bilden.

Das bewusste Denken in unserem Sinn ist also in der übrigen Tierwelt nicht einmal ansatzweise vorhanden. Es wird interessant, zu erforschen, wie trotzdem Verhalten generiert wird, das uns vernünftig erscheint. Ansatzmäßig haben wir mit den "neuronalen Netztwerken" zumindest ein Modell für derartige Leistungen.


Zuletzt bearbeitet von fwo am 07.10.2018, 14:34, insgesamt 2-mal bearbeitet

#61:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 07.10.2018, 14:12
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
...


Ja ja, schon gut. Die Frage war aber, ob sich eine Evolution in Richtung "Simulation der Realität im Kopf vor einem Handeln" auch bei anderen Tieren in Zukunft noch einmal (oder mehr als einmal) wiederholen kann.

Und die Antwort ist: ja, es ist möglich.

Und vielleicht entwickeln sich andere Formen und Nuancen von Intelligenz, die sich von der menschlichen in einigen Punkten unterscheiden. Dies ist sogar wahrscheinlich.

Ansonsten gibt es ja auch andere Organisationsformen von Intelligenz, nämlich die Schwarmintelligenz bei Bienen und Ameisen. Diese Art von komplexer intelligenter Organisation ist dann genau so unbewusst wie künstliche Intelligenz und ermöglicht flexible Antworten auf verschiedene Situationen.

Die Frage, was die Zukunft bringt in Sachen Evolution ist nicht nur eine biologische Frage allein. Denn wenn demnächst mal atomarer Winter einkehrt, dann gibt's auf der Erde im wesentlichen nur noch Gekrabbel von Insekten, Würmern und noch niederer Lebewesen.

#62:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 07.10.2018, 14:41
    —
fwo hat folgendes geschrieben:

Das bewusste Denken in unserem Sinn ist also in der übrigen Tierwelt nicht einmal ansatzweise vorhanden. Es wird interessant, zu erforschen, wie trotzdem Verhalten generiert wird, das uns vernünftig erscheint. Ansatzmäßig haben wir mit den "neuronalen Netztwerken" zumindest ein Modell für derartige Leistungen.


Delfine haben ein sehr komplexes Verständigungssystem entwickelt. Sie kommunizieren miteinander, um sich wichtige Mitteilungen zu überbringen, ihre Jagd zu organisieren und sogar um sich über gefundene Objekte zu informieren.

#63:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 07.10.2018, 14:47
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
...


Ja ja, schon gut. Die Frage war aber, ob sich eine Evolution in Richtung "Simulation der Realität im Kopf vor einem Handeln" auch bei anderen Tieren in Zukunft noch einmal (oder mehr als einmal) wiederholen kann.

Und die Antwort ist: ja, es ist möglich.

Natürlich ist es möglich - sonst wäre es bei uns nicht beobachtbar. Die Frage ist, welcher Voraussetzungen diese evolutionäre Entwicklung bedarf, die ja auf nichts anderem aufsetzen kann, als der Evolution bis da hin. Das habe ich umrissen. Nicht mehr und nicht weniger.
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Und vielleicht entwickeln sich andere Formen und Nuancen von Intelligenz, die sich von der menschlichen in einigen Punkten unterscheiden. Dies ist sogar wahrscheinlich.

...

Eieiei. Sogar wahrscheinlich. Kannst Du das begründen oder glaubst Du das nur?
Bevor wir uns zusätzlich noch mit einer Definition von Intelligenz abmühen: Die Fragestellung war, ob Tier denken können.
Diese Frage lässt sich sinnvoll nur bearbeiten, wenn wir uns auf bewusstes Denken beschränken - weil wir beim unbewussten nicht einmal annähernd wissen, wie wir das eingrenzen sollen.

Und nun bin ich gespannt, was herauskommt, wenn Du versuchst, Deine letzten beiden Sätze vor diesem Hintergrund mit Inhalt zu füllen.

#64:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 07.10.2018, 14:51
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:

Das bewusste Denken in unserem Sinn ist also in der übrigen Tierwelt nicht einmal ansatzweise vorhanden. Es wird interessant, zu erforschen, wie trotzdem Verhalten generiert wird, das uns vernünftig erscheint. Ansatzmäßig haben wir mit den "neuronalen Netztwerken" zumindest ein Modell für derartige Leistungen.


Delfine haben ein sehr komplexes Verständigungssystem entwickelt. Sie kommunizieren miteinander, um sich wichtige Mitteilungen zu überbringen, ihre Jagd zu organisieren und sogar um sich über gefundene Objekte zu informieren.

Ja. hatten wir hier schon. Such es mal raus. Was da in Wikipedia steht, ist keine auch nur einigermaßen gesicherte Erkenntnis, sondern die Hypothese eines Forschers.

#65:  Autor: lucWohnort: Nice. Paris. Köln BeitragVerfasst am: 07.10.2018, 16:14
    —


Zwei Millionen Jahre Evolution, um nur die Haare zu verlieren.

#66:  Autor: narr BeitragVerfasst am: 07.10.2018, 22:08
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
... Denken in unseren Sinn ist nur dann nützlich, wenn die Freiheit besteht, das Ergebnis auch anwenden zu können. ...

Hier muss man noch definieren in wie weit Menschen diese 'Freiheit' haben. Ich bezweifle, dass die so viel grösser ist als bei anderen Tieren.


fwo hat folgendes geschrieben:
... über Generationen zu tradieren und dabei auch zu akkumulieren.

Das ist sicher ein wichtiger Punkt in dem Menschen einen Vorsprung haben. Wobei Vögel, Zebramangusten, Wale Gesang und anderes Verhalten tradieren und in der Gruppe weiter geben. Einige Populationen von Kapuziner-Affen unterhalten wohl schon Jahrzehnte oder sogar länger regelrechte Werkstätten zum knacken von Nüssen. Da kann man ja schon fast vom Beginn einer Steinzeit reden Smilie

Nette Extrapolation was die Evolution in der Zukunft ausspucken könnte findet sich in "The future is wild

#67:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 08.10.2018, 19:08
    —
narr hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
... Denken in unseren Sinn ist nur dann nützlich, wenn die Freiheit besteht, das Ergebnis auch anwenden zu können. ...

Hier muss man noch definieren in wie weit Menschen diese 'Freiheit' haben. Ich bezweifle, dass die so viel grösser ist als bei anderen Tieren.
....

Es ist schwierig, das genau zu bemessen.
Auf der anderen Seite muss diese Freiheit existieren. Wie sonst hätte das Modell Mensch mit seiner Vernunftbasierten Simulation der Welt, die wir Denken nennen, so erfolgreich sein können?

Weil wir trotz des Denkens angeborene Verhaltensmuster vorziehen?

Welchen Nutzen hätte das Denken dann, dass diese Fähigkeit trotzdem erhalten wird? Dienen die Ergebnisse des Denkens nur Balz? (Pass bloß auf, was Du jetzt antwortest, um aus dem Denken keine männliche Domäne zu machen zwinkern )

#68:  Autor: kerengWohnort: Hamburg BeitragVerfasst am: 08.10.2018, 19:40
    —
Menschen haben einige Besonderheiten:
1. Hohe Intelligenz
2. Weibchen sind schöner als Männchen
3. Lange hilflose Kindheit

Es gibt bestimmt Zusammenhänge.
Zwischen 2. und 3. wüsste ich sogar einen.

(2. trifft z.B auch für die Gattungen Nephila oder Premnas zu, aber dort aus anderen Gründen)

#69:  Autor: lucWohnort: Nice. Paris. Köln BeitragVerfasst am: 08.10.2018, 19:44
    —
kereng hat folgendes geschrieben:
Menschen haben einige Besonderheiten:
1. Hohe Intelligenz
2. Weibchen sind schöner als Männchen
3. Lange hilflose Kindheit

Es gibt bestimmt Zusammenhänge.
Zwischen 2. und 3. wüsste ich sogar einen.

(2. trifft z.B auch für die Gattungen Nephila oder Premnas zu, aber dort aus anderen Gründen)


2. ist mehr als fragwürdig. Cool

#70:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 08.10.2018, 20:16
    —
kereng hat folgendes geschrieben:
Menschen haben einige Besonderheiten:
.....
2. Weibchen sind schöner als Männchen
....

Lachen Da ist er ja wieder - der typisch männliche Blick der Wissenschaften.

Obwohl Am Kopf kratzen Das dürften die typischen Vertreterinnen der Gender Sciences genauso sehen.

#71:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 08.10.2018, 20:30
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
kereng hat folgendes geschrieben:
Menschen haben einige Besonderheiten:
.....
2. Weibchen sind schöner als Männchen
....

Lachen Da ist er ja wieder - der typisch männliche Blick der Wissenschaften.


Also da und zu der Zeit, wo das wissenschaftliche westliche Denken seinen Anfang nahm, hat man da ästhetisch etwas anders empfunden, lies mal Platon zwinkern

#72:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 08.10.2018, 20:47
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
kereng hat folgendes geschrieben:
Menschen haben einige Besonderheiten:
.....
2. Weibchen sind schöner als Männchen
....

Lachen Da ist er ja wieder - der typisch männliche Blick der Wissenschaften.


Also da und zu der Zeit, wo das wissenschaftliche westliche Denken seinen Anfang nahm, hat man da ästhetisch etwas anders empfunden, lies mal Platon zwinkern

Starb unverheiratet und kinderlos. Was soll man davon halten?

Also ich für meinen Teil stimme kereng voll zu und kann meine Frau in dieser Sache überhaupt nicht verstehen. Sie hat tatsächlich einen Mann geheiratet.

#73:  Autor: beachbernieWohnort: Haida Gwaii BeitragVerfasst am: 08.10.2018, 20:49
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
kereng hat folgendes geschrieben:
Menschen haben einige Besonderheiten:
.....
2. Weibchen sind schöner als Männchen
....

Lachen Da ist er ja wieder - der typisch männliche Blick der Wissenschaften.


Also da und zu der Zeit, wo das wissenschaftliche westliche Denken seinen Anfang nahm, hat man da ästhetisch etwas anders empfunden, lies mal Platon zwinkern

Starb unverheiratet und kinderlos. Was soll man davon halten? ...




Jener Platon war halt ein sehr weiser Mann.

#74:  Autor: narr BeitragVerfasst am: 08.10.2018, 21:02
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
...
Es ist schwierig, das genau zu bemessen.
Auf der anderen Seite muss diese Freiheit existieren. Wie sonst hätte das Modell Mensch mit seiner Vernunftbasierten Simulation der Welt, die wir Denken nennen, so erfolgreich sein können?

Weil wir trotz des Denkens angeborene Verhaltensmuster vorziehen?

Welchen Nutzen hätte das Denken dann, dass diese Fähigkeit trotzdem erhalten wird? Dienen die Ergebnisse des Denkens nur Balz? (Pass bloß auf, was Du jetzt antwortest, um aus dem Denken keine männliche Domäne zu machen zwinkern )


Ja, klar, das ist schwierig zu bemessen und kaum zu testen. Allerdings gibt es imo genug Hinweise, dass wir (Menschen) zwar 'erfolgreich' sind - in Bezug auf "dominierende Spezies' ob das aber grundlegend mit dem Denken zu tun hat?
Ich hab eher den Eindruck, dass reflektiert und logisch Denken (Kahnemans "Langsames Denken") eher ein Nebenprodukt unserer Evolution ist. Ursprünglich vielleicht wichtig für komplexe soziale Interaktionen (noch immer relevant), dann der einzige Vorteil zu anderen Spezies, die stärker, schneller und/oder grösser waren, und zur Partnerfindung und Wahl. Männchen: wie komm ich an viele Weibchen; Weibchen: wie halte ich Männchen 'bei mir' zu sicheren Aufzucht der Jungen.

Die meisten Menschen agieren doch hauptsächlich Impuls-gesteuert, mit Kurzzeit 'denken' und ohne viel reflektiertes "Nachdenken"
Wie anders lässt sich erklären, dass Leute immer noch rauchen, zu dick sind und sich kaum bewegen. Alles "Kurzzeit-Verhalten".
Unter den Dinos, mit viel kleinere Gehirn, gabs lange Zeit die erfolgreichsten Spezies. Ich kann mir vorstellen, dass die Kopffüßler gute Chancen haben uns nachzufolgen. Smilie

#75:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 08.10.2018, 21:04
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
kereng hat folgendes geschrieben:
Menschen haben einige Besonderheiten:
.....
2. Weibchen sind schöner als Männchen
....

Lachen Da ist er ja wieder - der typisch männliche Blick der Wissenschaften.


Also da und zu der Zeit, wo das wissenschaftliche westliche Denken seinen Anfang nahm, hat man da ästhetisch etwas anders empfunden, lies mal Platon zwinkern

Starb unverheiratet und kinderlos. Was soll man davon halten?

Also ich für meinen Teil stimme kereng voll zu und kann meine Frau in dieser Sache überhaupt nicht verstehen. Sie hat tatsächlich einen Mann geheiratet.


Die sexuelle Präferenz hat nur bedingt mit dem Ästhetikempfinden zu tun. "Schön" ist heutzutage für einen Mann auch nicht unbedingt ein Kompliment. Der Punkt ist, dass die Ästhetik des männlichen Körpers in der Antike einen völlig andern Stellenwert hatte als heute.

#76:  Autor: Lebensnebel BeitragVerfasst am: 08.10.2018, 21:21
    —
narr hat folgendes geschrieben:

Wie anders lässt sich erklären, dass Leute immer noch rauchen, zu dick sind und sich kaum bewegen. Alles "Kurzzeit-Verhalten".


Diese Menschen haben durch Nachdenken herausgefunden, dass sie da ohnehin nicht lebend rauskommen.

#77:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 09.10.2018, 16:11
    —
narr hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
...
Es ist schwierig, das genau zu bemessen.
Auf der anderen Seite muss diese Freiheit existieren. Wie sonst hätte das Modell Mensch mit seiner Vernunftbasierten Simulation der Welt, die wir Denken nennen, so erfolgreich sein können?

Weil wir trotz des Denkens angeborene Verhaltensmuster vorziehen?

Welchen Nutzen hätte das Denken dann, dass diese Fähigkeit trotzdem erhalten wird? Dienen die Ergebnisse des Denkens nur Balz? (Pass bloß auf, was Du jetzt antwortest, um aus dem Denken keine männliche Domäne zu machen zwinkern )


Ja, klar, das ist schwierig zu bemessen und kaum zu testen. Allerdings gibt es imo genug Hinweise, dass wir (Menschen) zwar 'erfolgreich' sind - in Bezug auf "dominierende Spezies' ob das aber grundlegend mit dem Denken zu tun hat?
Ich hab eher den Eindruck, dass reflektiert und logisch Denken (Kahnemans "Langsames Denken") eher ein Nebenprodukt unserer Evolution ist. Ursprünglich vielleicht wichtig für komplexe soziale Interaktionen (noch immer relevant), dann der einzige Vorteil zu anderen Spezies, die stärker, schneller und/oder grösser waren, und zur Partnerfindung und Wahl. Männchen: wie komm ich an viele Weibchen; Weibchen: wie halte ich Männchen 'bei mir' zu sicheren Aufzucht der Jungen.
....

Das ist im Prinzip Dunbars Theorie, die Du hier formulierst. Aus evolutionstheortischer Sicht halte ich da allerdings nicht so viel davon, was ich hier mal näher ausgeführt habe.

#78:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 09.10.2018, 17:15
    —
Was meiner Meinung nach für die Möglichkeit spricht, dass noch andere Tiere zu eine höheren Intelligenz gelangen, ist die Tatsache, dass viele Merkmale bei diverse Spezies angelegt sind.
Ich denke da an diverse Beuteltiere. Beuteltiere, die es auch als Säuger gibt. - Ratten, Wölfe, Marder, etc.
Oder an den riesen Vielfalt bei Wirbeltiere, die dennoch einiges Gemeinsam haben, weil sie ja alle gemeinsame Vorfahren haben.
Warum nun die höhere geistige Fähigkeit exklusiv den Menschen vorbehalten sein soll, ist für mich so unwahrscheinlich, als das die Erde den einzigen bewohnten Planeten im All wäre.

#79:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 09.10.2018, 18:59
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Was meiner Meinung nach für die Möglichkeit spricht, dass noch andere Tiere zu eine höheren Intelligenz gelangen, ist die Tatsache, dass viele Merkmale bei diverse Spezies angelegt sind.
Ich denke da an diverse Beuteltiere. Beuteltiere, die es auch als Säuger gibt. - Ratten, Wölfe, Marder, etc.
Oder an den riesen Vielfalt bei Wirbeltiere, die dennoch einiges Gemeinsam haben, weil sie ja alle gemeinsame Vorfahren haben.
Warum nun die höhere geistige Fähigkeit exklusiv den Menschen vorbehalten sein soll, ist für mich so unwahrscheinlich, als das die Erde den einzigen bewohnten Planeten im All wäre.

Dir als altem Systematiker und Kladistiker muss ich bestimmt nicht erklären, was es mit Plesiomorphien und Autapomorphien so auf sich hat.

#80:  Autor: narr BeitragVerfasst am: 09.10.2018, 20:29
    —
Ja klar, Sprache hat sicher einen wichtigen Einfluss. Aber der Homo sapiens ist ja nicht der erste mit Sprache. Die Neandertaler konnten es, zumindest weißt sein Kehlkopf darauf hin.
Und vor Sprache war ja erst mal eine Mutation (Fox P2?) nötig die die Lautäußerung überhaupt in variierten Form zulässt.
Und für die Interaktion in einer Gruppe ist Sprachvermögen sicher nicht nachteilig, ja vielleicht für komplexe Strukturen essentiell. Also was genau widerspricht der evolutionstheortischen Sicht? Dass mit der Zeit Fähig- und Fertigkeiten einen Aufgabenwandel erfahren ist doch normal?

#81:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 10.10.2018, 01:03
    —
narr hat folgendes geschrieben:
Ja klar, Sprache hat sicher einen wichtigen Einfluss. Aber der Homo sapiens ist ja nicht der erste mit Sprache. Die Neandertaler konnten es, zumindest weißt sein Kehlkopf darauf hin.
Und vor Sprache war ja erst mal eine Mutation (Fox P2?) nötig die die Lautäußerung überhaupt in variierten Form zulässt.
Und für die Interaktion in einer Gruppe ist Sprachvermögen sicher nicht nachteilig, ja vielleicht für komplexe Strukturen essentiell. Also was genau widerspricht der evolutionstheortischen Sicht? Dass mit der Zeit Fähig- und Fertigkeiten einen Aufgabenwandel erfahren ist doch normal?

Es ist der Übergang vom Signalisieren der eigenen Stimmung zur Benutzung eines Signals zur Bezeichnung eines externen Gegenstandes gemeinsamen Interesses, der dieses neue Verhalten ausmacht.

Wie kann man sich vorstellen, dass bereits der erste Anfang davon eine Verbesserung der Fitness darstellt, damit er in der Folge selektiert werden kann?

Klatsch, oder die Organisation größerer Verbände funktionieren mit diesen Anfängen nicht. Weder haben die ersten Anfänge der Sprache auf diesen Gebieten einen Vorteil, noch bieten sie immer wiederkehrend praktisch identische Situationen, die das Entstehen dieses neuen Verhaltens begünstigen. Deshalb taugen diese Tätigkeiten nicht für einen Anfang der Sprache.

Dass die nachher, wenn sie "funktioniert", ein Universalwerkzeug wird, das das gesamte Leben umkrempelt, darüber sind wir uns alle einig. Aber auch da muss man sehen, wie dieses Universalwerkzeug wirkt. Das Benennen der Teile der Welt und die Tradierung der
neuen Namen und ihrer Bedeutung führen zu einer Vergrößerung der Welt, über die ein gemeinsames Denken und Erinnern möglich wird. Wo ohne die Sprache jedes Individuum jedes Lernen in jeder Generation neu für sich veranstalten muss, ist die Sprache als Sammeltopf für das Wissen der Vorfahren die Möglichkeit dieses Wissen beim Spracherwerb aufzusaugen, ohne jede Erfahrung selbst machen zu müssen.

Die "neolithische Revolution" wäre ohne Sprache nicht möglich gewesen und ist andersherum ein Indikator dafür, wie weit die Leistungsfähigkeit der Sprachen fortgeschritten war. Und erst die "neolithische Revolution" macht durch die neuen Möglichkeiten der Ernährung Verbände möglich, für die die Sprache dann den "sozialen Kitt" abgeben kann, der angeblich ihr fitnessfördernder Haupteffekt ist. Da hat die Sprache aber bereits 80 000 Jahre oder mindestens 4000 Menschengenerationen Akkumulation hinter sich.

An der Stelle komme ich dann zum Neandertaler:

Der kommt letztlich aus der selben Steinekloppertradition wie sapiens auch, ist nur ein bisschen früher als sapiens aus Afrika nach Norden gewandert. Wenn wir den beiden Art-Status geben, die Nomenklatur behauptet das, haben wir Schwesterarten vor uns, die zumindest in der Richtung Neandertaler-Mann > Sapiens-Frau noch fruchtbare Nachkommen haben konnten. Man kann also davon ausgehen, dass sie eine Vorform von Sprache besessen haben. Genauso kann man aber davon ausgehen, so würde ich zumindest den archäologischen Befund auch unter Einschluss der neueren Ergebnisse interpretieren, dass das Tempo der technischen Entwicklung bei ihnen weniger hoch war als bei Sapiens. Ich schließe daraus, dass ihre Fähigkeit, gemeinsam zu denken, genau das leistet das Gespräch, weniger entwickelt war als bei Sapiens. Von unserer, also der Sprache von sapiens geht Dunbar davon aus, dass sie vor ca 100 000Jahren entstanden ist. Da war Sapiens noch in Afrika und der Neandertaler schon in Europa, was bedeutet, dass Dunbar die Entwicklung unserer Sprache im heutigen Sinn erst nach der Artaufspaltung setzt. Der archäologische Befund spricht nicht für eine ähnlich leistungsfähige Sprache bei den Neandertalern (s.o.) - ich sehe keinen Grund dafür, von ihr auszugehen.

#82:  Autor: Grey BeitragVerfasst am: 10.10.2018, 13:46
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
kereng hat folgendes geschrieben:
Menschen haben einige Besonderheiten:
.....
2. Weibchen sind schöner als Männchen
....

Lachen Da ist er ja wieder - der typisch männliche Blick der Wissenschaften.


Also da und zu der Zeit, wo das wissenschaftliche westliche Denken seinen Anfang nahm, hat man da ästhetisch etwas anders empfunden, lies mal Platon zwinkern

Starb unverheiratet und kinderlos. Was soll man davon halten?

Also ich für meinen Teil stimme kereng voll zu und kann meine Frau in dieser Sache überhaupt nicht verstehen. Sie hat tatsächlich einen Mann geheiratet.


Das niedrig gewachsene, schmalschultrige, breithüftige und kurzbeinige Geschlecht das schöne nennen, konnte nur der vom Geschlechtstrieb umnebelte männliche Intellekt: in diesem Triebe nämlich steckt seine ganze Schönheit. (Arthur Schopenhauer)

zwinkern

#83:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 10.10.2018, 14:07
    —
Ich würde dazu neigen, auch die rudimentärsten biologischen Prozesse, die auf die Existenz von Wahrnehmung, Erinnerung oder Empfinden schließen lassen, als eine Art Denken zu verstehen.

#84:  Autor: lucWohnort: Nice. Paris. Köln BeitragVerfasst am: 10.10.2018, 14:28
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich würde dazu neigen, auch die rudimentärsten biologischen Prozesse, die auf die Existenz von Wahrnehmung, Erinnerung oder Empfinden schließen lassen, als eine Art Denken zu verstehen.


Ja! Genau! Die Frage ist, ob sich dieses Denken perfektionieren kann, wenn das Benutzen von Werkzeugen nur sehr begrenzt möglich ist. Abgesehen von den Affen mit ihren "Händen" und ihren vielfältigen Möglichkeiten sehe ich keine Spezies, die diese Bedingungen erfüllen.

#85:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 10.10.2018, 14:42
    —
luc hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich würde dazu neigen, auch die rudimentärsten biologischen Prozesse, die auf die Existenz von Wahrnehmung, Erinnerung oder Empfinden schließen lassen, als eine Art Denken zu verstehen.


Ja! Genau! Die Frage ist, ob sich dieses Denken perfektionieren kann, wenn das Benutzen von Werkzeugen nur sehr begrenzt möglich ist. Abgesehen von den Affen mit ihren "Händen" und ihren vielfältigen Möglichkeiten sehe ich keine Spezies, die diese Bedingungen erfüllen.


Ich bin skeptisch was die Perfektionierung betrifft. Die Evolution bietet keine Skala dafür, nur Nischen der Anpassung.

#86:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 10.10.2018, 14:46
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich würde dazu neigen, auch die rudimentärsten biologischen Prozesse, die auf die Existenz von Wahrnehmung, Erinnerung oder Empfinden schließen lassen, als eine Art Denken zu verstehen.

So allgemein formuliert müsste ich dann auch der Fliege ein Denken zugestehen - und, wenn man es auf die informatische Ebene abstrahiert und das Wort "biologisch" streicht, unseren Rechnern schon lange.

Mir scheint, Du bist gerade wieder dabei, das Biologische zum Zauber zu erklären, der den Unterschied zwischen Denken und Nichtdenken bewirkt.

#87:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 10.10.2018, 14:58
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Mir scheint, Du bist gerade wieder dabei, das Biologische zum Zauber zu erklären, der den Unterschied zwischen Denken und Nichtdenken bewirkt.


Nein. Aber ich habe damit gerechnet, daß das kommt. Ich differenziere hier nicht zwischen Biologie und KI. Das ist nicht das Thema. Ich beschreibe eine notwendige Bedingung, innerhalb derer, wenn sie gegeben ist, minimalste hinreichende Bedingungen genügen, um den Prozess des Denkens zu begründen. Wichtig: Auf die zweite Behauptung kommt es an.

Exotische Annahmen über die Denkfähigkeiten von Maschinen haben wir bereits in etlichen anderen Threads diskutiert.

#88:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 10.10.2018, 14:59
    —
Könnte es womöglich sein, dass "denken" einfach kein scharfer Begriff ist?

#89:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 10.10.2018, 15:16
    —
Ja, könnte sein. : )

#90:  Autor: AhrimanWohnort: 89250 Senden BeitragVerfasst am: 10.10.2018, 18:12
    —
Grey hat folgendes geschrieben:

Das niedrig gewachsene, schmalschultrige, breithüftige und kurzbeinige Geschlecht das schöne nennen, konnte nur der vom Geschlechtstrieb umnebelte männliche Intellekt: in diesem Triebe nämlich steckt seine ganze Schönheit. (Arthur Schopenhauer)

zwinkern

Der tät gucken, wenn er heute wiederkäme und könnte all die langbeinigen langhaarigen mit den niedlichen Popos sehen. Und ich vermute, die würden alle auf den kleinen Arthur runtergucken...

#91:  Autor: beachbernieWohnort: Haida Gwaii BeitragVerfasst am: 10.10.2018, 18:49
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Könnte es womöglich sein, dass "denken" einfach kein scharfer Begriff ist?


Es ist vor allem ein anthropozentrischer Begriff.

#92:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 10.10.2018, 19:28
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Könnte es womöglich sein, dass "denken" einfach kein scharfer Begriff ist?

Wenn man ihn so unscharf formuliert, wie zelig es gemacht hat, mit Sicherheit.

Deshalb bezieht sich das Denken, von dem ich hier geschrieben hat, immer auf das bewusste, abstrakte Denken mit dem Vehikel Sprache. Nur mit diesem Vehikel ist es auch in der Lage, das gesammelte Wissen vieler Generationen zu akkumulieren, um damit genetisches Handlungswissen zu verdrängen. Nur deshalb stellt es überhaupt diesen evolutionären Sprung dar.

Insofern ist mir zeligs absichtliche oder unabsichtliche Verwässerung des Denkbegriffs auch ziemlich egal. Da kann man dann auch ruhig sagen, dass Kälber, Forellen und auch Spinnen, alles Lebewesen, die wahrnehmen und auch gewisse Formen der Konditionierung zeigen, also in dieser Form auf alte Wahrnehmungen "zurückgreifen" also "sich erinnern", denken. Man sollte sich aber bewusst bleiben, dass es etwas anderes ist als das bewusste menschliche Denken, auch wenn das der reine Speziezismus ist, die Forellen diskriminiert und sich deshalb nicht gehört.

#93:  Autor: narr BeitragVerfasst am: 10.10.2018, 21:52
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
...Verwässerung des Denkbegriffs ...Kälber, Forellen ..., denken. ... bewusste menschliche Denken, ...


menschliches Denken ist sicher nur bei Menschen zu erwarten. Finde ich nicht so erstaunlich. Wie sollte eine andere Spezies menschlich Denken (wobei ich bei Hunden manchmal zweifle) Aber es gibt doch noch etliche Tiere die logisch denken? Sogar welche ohne Neo-cortex. Oktopusse denken sicher nicht "menschlich" - leben ja in gänzlich anderem Milieu, aber die von "Verwässerung des Denkbegriffs" kann man imo nicht sprechen, wenn man auch bei Tieren ohne Lautsprache und Schrift von "Denken" ausgeht.

#94:  Autor: CriticWohnort: Arena of Air BeitragVerfasst am: 11.10.2018, 01:12
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Könnte es womöglich sein, dass "denken" einfach kein scharfer Begriff ist?

Wenn man ihn so unscharf formuliert, wie zelig es gemacht hat, mit Sicherheit.

Deshalb bezieht sich das Denken, von dem ich hier geschrieben hat, immer auf das bewusste, abstrakte Denken mit dem Vehikel Sprache. Nur mit diesem Vehikel ist es auch in der Lage, das gesammelte Wissen vieler Generationen zu akkumulieren, um damit genetisches Handlungswissen zu verdrängen. Nur deshalb stellt es überhaupt diesen evolutionären Sprung dar.

Insofern ist mir zeligs absichtliche oder unabsichtliche Verwässerung des Denkbegriffs auch ziemlich egal. Da kann man dann auch ruhig sagen, dass Kälber, Forellen und auch Spinnen, alles Lebewesen, die wahrnehmen und auch gewisse Formen der Konditionierung zeigen, also in dieser Form auf alte Wahrnehmungen "zurückgreifen" also "sich erinnern", denken. Man sollte sich aber bewusst bleiben, dass es etwas anderes ist als das bewusste menschliche Denken, auch wenn das der reine Speziezismus ist, die Forellen diskriminiert und sich deshalb nicht gehört.


Vor einiger Zeit hatten wir ja auch schon die Frage, ob Tiere Schmerzen empfinden können. Es mag sein, daß es mit dem Bewußtsein bei der Forelle oder beim Hausschwein noch eine Ecke komplizierter ist: Man müßte ja erst einmal bestimmen, was "Bewußtsein" überhaupt ist. Und dann müßte noch jemand zeigen, wie ein Versuch aussehen sollte, der definitiv zeigt, ob ein Lebewesen bewußt handelt.

(Mir erinnerlich ist etwa ein Versuch, bei dem Versuchspersonen einfach entscheiden sollten, ob sie den linken oder den rechten Knopf drücken. Und es habe schon Aktivitätsmuster im Gehirn gegeben, bevor die Versuchspersonen überhaupt entschieden haben. War das Knopfdrücken also eine bewußte Handlung?)

#95:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 11.10.2018, 13:37
    —
narr hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
...Verwässerung des Denkbegriffs ...Kälber, Forellen ..., denken. ... bewusste menschliche Denken, ...


menschliches Denken ist sicher nur bei Menschen zu erwarten. Finde ich nicht so erstaunlich. Wie sollte eine andere Spezies menschlich Denken (wobei ich bei Hunden manchmal zweifle) Aber es gibt doch noch etliche Tiere die logisch denken? Sogar welche ohne Neo-cortex. Oktopusse denken sicher nicht "menschlich" - leben ja in gänzlich anderem Milieu, aber die von "Verwässerung des Denkbegriffs" kann man imo nicht sprechen, wenn man auch bei Tieren ohne Lautsprache und Schrift von "Denken" ausgeht.

Denken Tiere logisch? Es gibt einzelne Versuche bei Schimpansen und Papageien, die - aber nur bei diesen Tieren - in diese Richtung zeigen, sicher bin ich mir da nicht.

Um mal auf die anthropozentrischen Fallstricke hinzuweisen, über die wir regelmäßig stolpern. Du wirst in jedem Lehrbuch finden, dass Tiere bei Gefahr Warnrufe ausstoßen. Wenn Du Dir die Situation genau ansiehst, stellst Du fest, dass man da einfach nie versucht hat, Ockhams Rasiermesser anzuwenden, denn es gibt eine viel einfachere Interpretation.

Zur Illustration die Erfahrung eines Urlaubers, dass Fische sehr schnell lernen, dass mit Harpunenjägern (ich meine die Geräte mit Abschuss, keine einfache Lanze) nicht gut Kirschen essen ist. Der war in ein Gebiet gekommen, in dem noch nie, oder sehr lange nicht mehr mit Harpunen gejagt worden war und hatte am ersten Tag x Abschüsse. Ein paar Tage später reichte ein Schuss und dann war kein Fisch mehr zu sehen.

Aus der Sicht des Zoologen sieht das etwas anders aus: Das "Warnsystem" bei Fischen ist schon sehr lange bekannt: Verletzte Fische verlieren Stoffe, die von anderen Fischen als "Schreckstoff" "interpretiert" werden. Es ist eine angeborene Reaktion, bei der Wahrnehmung dieser Stoffe zu flüchten - es leuchtet auch sofort ein, dass eine derartige Reaktion bei nicht wehrhaften Tieren positiv selektioniert wird - da ist kein Verstehen oder Denken oder irgendeine derartige Tätigkeit nötig. Wenn ich ein bestimmtes Geräusch mache und jedesmal kommt anschließend sofort eine Schreckstoffwolke, verursache ich den Effekt, der bedingte Konditionierung genannt wird: Das Schussgeräusch wird assoziativ mit dem Schreckstoff verknüpft. Es handelt sich also nicht um eine logische Folgerung - wir brauchen auch kein Bewusstsein dafür. Ich kann das zwar als Lernen beschreiben, aber es ist etwas anderes, als wir es normalerweise unter Lernen verstehen.

Gleichzeitig sind wir mit dem Schreckstoff auch bei einer Erklärung des "Warnrufes", die von geringeren Voraussetzungen ausgeht: Es ist evolutionär von Vorteil, eine Angst- oder Erregungsäußerung eines Artgenossen mit der selben Erregung zu beantworten. Nach Ockham ist es deshalb wahrscheinlicher, dass hier also gar keine Warnabsicht vorliegt, sondern der Warnruf einfach wie Balzlaute, Schmerzäußerungen usw. eine Äußerung der eigenen Erregung oder der Gestimmtheit ist, für die sich evolutionär sinnvolle Reaktionen auf der Empfängerseite etabliert haben. Und wenn z.B. das Murmeltier verschiedene "Warnrufe" kennt, bedeutet das nichts anderes, als dass hier verschiedene Erregungen signalisiert werden, die auf der Empfängerseite unterschiedliche Erregungen auslösen.

Wenn Du übrigens nach "Logisches Denken bei Tieren" googelst, findest Du Berichte von einigen unvorsichtig interpretierten Experimenten, aber auch die distanzierten Zusammenfassungen zweier Philosophen, die komischerweise eine Auffassung vertreten, die meiner sehr ähnelt.
Können Tiere denken? Haben sie einen Geist? Und was unterscheidet sie vom Menschen?
Der Hund fühlt, aber denkt nicht

@ Critic
Was ich gerade beschrieben habe, ist auch eine Antwort auf Deine Frage. Lautäußerungen zu einer Verletzungen lassen sich evolutionstheoretisch genauso erklären wie das Aussenden von Schreckstoffen oder die Enstehung von Warnrufen und sind nicht notwendigerweise mit dem Gefühl verbunden, wie wir es als Schmerz kennen, auch wenn sie von uns natürlich so interpretiert werden. Das heißt nicht, dass ich davon ausgehe, dass Tiere kein Schmerzgefühl kennen. Ich gehe aber davon aus, dass es erst relativ spät einsetzt. Und ich gehe nicht davon aus, dass ein unbewusster Schmerz vergleichbar mit einem bewussten ist, oder dass jeder bewusste Schmerz wirklich vergleichbar mit dem eines Tieres ist, für das Zukunft vorstellbar ist. Da bin ich in der Diskussion, auf die Du Dich beziehst aber näher drauf eingegangen.

#96:  Autor: Grey BeitragVerfasst am: 11.10.2018, 14:15
    —
narr hat folgendes geschrieben:
Wie sollte eine andere Spezies menschlich Denken (wobei ich bei Hunden manchmal zweifle)


https://www.infranken.de/ueberregional/nicht-schlauer-als-andere-tiere-intelligenz-von-hunden-wird-ueberschaetzt;art55462,3735811

Zitat:
Nicht schlauer als andere Tiere: Intelligenz von Hunden wird überschätzt

Der "beste Freund des Menschen" ist im Vergleich zu anderen Tieren nicht herausragend schlau. Eine neue Studie zeigt: Die Intelligenz von Hunden wird überschätzt.

#97:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 11.10.2018, 14:40
    —
fwo hat folgendes geschrieben:

Um mal auf die anthropozentrischen Fallstricke hinzuweisen, über die wir regelmäßig stolpern. Du wirst in jedem Lehrbuch finden, dass Tiere bei Gefahr Warnrufe ausstoßen. Wenn Du Dir die Situation genau ansiehst, stellst Du fest, dass man da einfach nie versucht hat, Ockhams Rasiermesser anzuwenden, denn es gibt eine viel einfachere Interpretation.



Gerade bei den Warnrufe gibt es Tiere die Warnrufe ausstoßen, obwohl keine Gefahr vorhanden ist.
In der Voraussicht, dass alle andere in den Bäumen verschwinden, und der Rufer das Leckerlie für sich allein hat.
Quasi eine "Lüge". Um zu lügen, muß man schon ein bisschen kombinieren.

#98:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 11.10.2018, 14:46
    —
Grey hat folgendes geschrieben:
narr hat folgendes geschrieben:
Wie sollte eine andere Spezies menschlich Denken (wobei ich bei Hunden manchmal zweifle)


https://www.infranken.de/ueberregional/nicht-schlauer-als-andere-tiere-intelligenz-von-hunden-wird-ueberschaetzt;art55462,3735811

Zitat:
Nicht schlauer als andere Tiere: Intelligenz von Hunden wird überschätzt

Der "beste Freund des Menschen" ist im Vergleich zu anderen Tieren nicht herausragend schlau. Eine neue Studie zeigt: Die Intelligenz von Hunden wird überschätzt.

Katzen sind viel schlauer.

Kleine Scherz am Rande:
Falls es den einen oder andere nicht als solches erkennt.



Man sieht ganz deutlich, dass unser Raudi genau überlegt, was Spiegelbilder sind, und wie sie zustande kommen.
Eine Lösung hat er allerdings noch nicht gefunden. zwinkern

#99:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 11.10.2018, 16:07
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:

Um mal auf die anthropozentrischen Fallstricke hinzuweisen, über die wir regelmäßig stolpern. Du wirst in jedem Lehrbuch finden, dass Tiere bei Gefahr Warnrufe ausstoßen. Wenn Du Dir die Situation genau ansiehst, stellst Du fest, dass man da einfach nie versucht hat, Ockhams Rasiermesser anzuwenden, denn es gibt eine viel einfachere Interpretation.



Gerade bei den Warnrufe gibt es Tiere die Warnrufe ausstoßen, obwohl keine Gefahr vorhanden ist.
In der Voraussicht, dass alle andere in den Bäumen verschwinden, und der Rufer das Leckerlie für sich allein hat.
Quasi eine "Lüge". Um zu lügen, muß man schon ein bisschen kombinieren.

Dabei gehst Du davon aus, dass das Tier zwischen wahr und unwahr unterscheiden kann - schon eine ziemlich abstrakte Angelegenheit, die z.B. von den beiden Philosophen, die ich verlinkt habe, bestritten wird. Auch hier kann Ockhams Razor helfen.

Das einfachere Erklärungsmodell sagt, dass die diese Unterscheidung nicht kennen, aber ein paar mal erfahren haben, dass sie nach einem echten Warnruf alleine mit der Nahrung waren. Dann haben wir eine ganz schlichte bedingte Konditionierung, um diese Situation zu erklären.

Genau solche Dinge meinte ich, als ich geschrieben habe, dass man beim Googeln auch Beobachtungen mit unvorsichtigen Interpretationen finden kann - sogar in Fachbüchern, wie ich oben gezeigt habe, in denen als Warnruf bezeichnet wird, was viel wahrscheinlicher ein Schreckruf ist: Eine Warnung wäre ein beabsichtigtes Signal über eine externe Gefahrenlage - bei dem, was wir sonst von diesen Tieren und ihrem Verhalten wissen, sehr wahrscheinlich eine Überschätzung ihrer Möglichkeiten.

#100:  Autor: swifty BeitragVerfasst am: 11.10.2018, 16:52
    —
Critic hat folgendes geschrieben:


(Mir erinnerlich ist etwa ein Versuch, bei dem Versuchspersonen einfach entscheiden sollten, ob sie den linken oder den rechten Knopf drücken. Und es habe schon Aktivitätsmuster im Gehirn gegeben, bevor die Versuchspersonen überhaupt entschieden haben. War das Knopfdrücken also eine bewußte Handlung?)

Das ist mE der springende Punkt. Menschen treffen - glaub ich weit über 90% ihrer Entscheidungen ebenfalls unbewusst und rationalisieren sie hinterher einfach. Mir ist etwas mit 7 Sekunden erinnerlich bevor eine getroffene Entscheidung ins Bewusstsein dringt.

Und es gibt sehr wohl Tiere, die sich im Spiegel erkennen können, kleine Kinder können das nicht.

#101:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 11.10.2018, 17:17
    —
worse hat folgendes geschrieben:
....
Das ist mE der springende Punkt. Menschen treffen - glaub ich weit über 90% ihrer Entscheidungen ebenfalls unbewusst und rationalisieren sie hinterher einfach. Mir ist etwas mit 7 Sekunden erinnerlich bevor eine getroffene Entscheidung ins Bewusstsein dringt.
...

Dieser Formulierungsunsinn stammt wahrscheinlich nicht von Dir, aber ich möchte doch auf ihn hinweisen: Wenn sie die Entscheidungen unbewusst träfen, wüssten sie sie nachher nicht.

Gemeint ist, dass sie ihre Entscheidung "aus dem Gefühl" fällen und hinterher rationalisieren. Dieses Gefühl hat aber nur wenig mit Instinkt zu tun, ist also anders als viele Entscheidungen anderer Tiere. Dieses Gefühl ist normalerweise eine Funktion früherer Erfahrungen, die nicht mehr einzeln zur Verfügung stehen, sondern nur noch summarisch.
Sach ich mal so, als forenamtlicher Küchenpsychologe.

#102:  Autor: swifty BeitragVerfasst am: 11.10.2018, 17:50
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
worse hat folgendes geschrieben:
....
Das ist mE der springende Punkt. Menschen treffen - glaub ich weit über 90% ihrer Entscheidungen ebenfalls unbewusst und rationalisieren sie hinterher einfach. Mir ist etwas mit 7 Sekunden erinnerlich bevor eine getroffene Entscheidung ins Bewusstsein dringt.
...

Dieser Formulierungsunsinn stammt wahrscheinlich nicht von Dir, aber ich möchte doch auf ihn hinweisen: Wenn sie die Entscheidungen unbewusst träfen, wüssten sie sie nachher nicht.

Gemeint ist, dass sie ihre Entscheidung "aus dem Gefühl" fällen und hinterher rationalisieren. Dieses Gefühl hat aber nur wenig mit Instinkt zu tun, ist also anders als viele Entscheidungen anderer Tiere. Dieses Gefühl ist normalerweise eine Funktion früherer Erfahrungen, die nicht mehr einzeln zur Verfügung stehen, sondern nur noch summarisch.
Sach ich mal so, als forenamtlicher Küchenpsychologe.

Nein, gemeint ist, dass die Entscheidung vom zuständigen Hirnareal bereits getroffen ist und erst sieben Sekunden später ins Bewusstsein tritt. Das ist durchaus eine 'unbewusste' Entscheidung.

Wenn dus genau wissen willst, lies Metzinger oder wo das steht, ich habe keine Lust mit dir darüber zu diskutieren, weil du sowieso daran glauben willst dass Tiere nicht zu denken imstande sind.

#103:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 11.10.2018, 18:13
    —
worse hat folgendes geschrieben:
....
Wenn dus genau wissen willst, lies Metzinger oder wo das steht, ich habe keine Lust mit dir darüber zu diskutieren, weil du sowieso daran glauben willst dass Tiere nicht zu denken imstande sind.

Sehr glücklich Aber Du musst zugeben, dass ich es sehr gut zu rationalisieren weiß.

Hast Du einen Linkt zu den Aussagen von Metzinger, auf die Du Dich beziehst?

#104:  Autor: swifty BeitragVerfasst am: 11.10.2018, 18:19
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
worse hat folgendes geschrieben:
....
Wenn dus genau wissen willst, lies Metzinger oder wo das steht, ich habe keine Lust mit dir darüber zu diskutieren, weil du sowieso daran glauben willst dass Tiere nicht zu denken imstande sind.

Sehr glücklich Aber Du musst zugeben, dass ich es sehr gut zu rationalisieren weiß.

Sehr lustig. Da geht nur noch Baumwollepflücken drüber Coole Sache, das...


fwo hat folgendes geschrieben:

Hast Du einen Linkt zu den Aussagen von Metzinger, auf die Du Dich beziehst?

Möglicherweise wars im egotunnel oder in irgendeinem interview. google

#105:  Autor: swifty BeitragVerfasst am: 11.10.2018, 18:20
    —
vielleicht wars auch gar nicht metzinger? Am Kopf kratzen

#106:  Autor: swifty BeitragVerfasst am: 11.10.2018, 21:24
    —
Zitat:
In Haynes’ Studie förderte die Mustererkennung zunächst zwei Hirnbereiche zutage, in denen die Entscheidung vorbereitet wurde (das Brodmann-Areal 10 im frontopolaren Kortex und eine Region im parietalen Kortex). Aus den Aktivitätsmustern dieser Areale ließ sich mit einer 60-prozentigen Wahrscheinlichkeit ableiten, welchen der beiden Knöpfe eine Versuchsperson später drücken wird – und zwar bereits sieben Sekunden bevor die Versuchsperson eine bewusste Entscheidung traf!

Hinkt das Bewusstsein also um sieben Sekunden hinterher? Nein, um noch viel mehr. »Der Kernspintomograf zeigt die Hirnaktivitäten mit einer Verzögerung von drei bis vier Sekunden«, erklärt Haynes, »tatsächlich also sind diese Areale bereits etwa zehn Sekunden aktiv, bevor die Entscheidung als bewusst erlebt wird.«

...

So leicht lässt sich an Haynes’ Ergebnis nicht rütteln. Der Befund von Libet ist damit nicht nur bestätigt, sondern sogar noch mächtig verschärft: Das Gehirn wird nicht erst 0,3, sondern volle 10 Sekunden vor einer als bewusst erlebten Entscheidung aktiv.

...

»Was uns bewusst wird, ist nur dessen Spitze. Neunzig Prozent liegen unter Wasser – das sind die unbewussten Prozesse in unserem Gehirn. Aber die Spitze gehört ja zum Eisberg dazu, beide bilden eine Einheit.«


https://www.zeit.de/2008/17/Freier-Wille/seite-2

#107:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 11.10.2018, 21:30
    —
worse hat folgendes geschrieben:
Zitat:
In Haynes’ Studie förderte die Mustererkennung zunächst zwei Hirnbereiche zutage, in denen die Entscheidung vorbereitet wurde (das Brodmann-Areal 10 im frontopolaren Kortex und eine Region im parietalen Kortex). Aus den Aktivitätsmustern dieser Areale ließ sich mit einer 60-prozentigen Wahrscheinlichkeit ableiten, welchen der beiden Knöpfe eine Versuchsperson später drücken wird – und zwar bereits sieben Sekunden bevor die Versuchsperson eine bewusste Entscheidung traf!

Hinkt das Bewusstsein also um sieben Sekunden hinterher? Nein, um noch viel mehr. »Der Kernspintomograf zeigt die Hirnaktivitäten mit einer Verzögerung von drei bis vier Sekunden«, erklärt Haynes, »tatsächlich also sind diese Areale bereits etwa zehn Sekunden aktiv, bevor die Entscheidung als bewusst erlebt wird.«

...

So leicht lässt sich an Haynes’ Ergebnis nicht rütteln. Der Befund von Libet ist damit nicht nur bestätigt, sondern sogar noch mächtig verschärft: Das Gehirn wird nicht erst 0,3, sondern volle 10 Sekunden vor einer als bewusst erlebten Entscheidung aktiv.

...

»Was uns bewusst wird, ist nur dessen Spitze. Neunzig Prozent liegen unter Wasser – das sind die unbewussten Prozesse in unserem Gehirn. Aber die Spitze gehört ja zum Eisberg dazu, beide bilden eine Einheit.«


https://www.zeit.de/2008/17/Freier-Wille/seite-2


In der Tat findet der überwiegende Teil des Denkens - beim Menschen wie bei höherentwickelteren Tieren - unbewusst statt.

Die Forschungsergebnisse von Haynes beziehen sich auf das von Freud so genannte Vorbewusste, d.h. auf Antriebe, Gefühle oder Gedanken, die ins Bewusstsein vordringen, aber schon zuvor als nicht bewusste Vorgänge vorhanden waren.

Im Unterschied bzw. Gegensatz dazu spricht Freud vom Unbewussten. Dies sind Inhalte, die unbewusst bleiben, etwa, weil sie der Verdrängung unterliegen.

#108:  Autor: AhrimanWohnort: 89250 Senden BeitragVerfasst am: 05.11.2018, 12:48
    —

Kann der Fifi offenbar besser als seine Herrin.

#109:  Autor: narr BeitragVerfasst am: 05.11.2018, 13:14
    —
Lachen clever!

#110:  Autor: CriticWohnort: Arena of Air BeitragVerfasst am: 05.11.2018, 23:49
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
worse hat folgendes geschrieben:
....
Das ist mE der springende Punkt. Menschen treffen - glaub ich weit über 90% ihrer Entscheidungen ebenfalls unbewusst und rationalisieren sie hinterher einfach. Mir ist etwas mit 7 Sekunden erinnerlich bevor eine getroffene Entscheidung ins Bewusstsein dringt.
...

Dieser Formulierungsunsinn stammt wahrscheinlich nicht von Dir, aber ich möchte doch auf ihn hinweisen: Wenn sie die Entscheidungen unbewusst träfen, wüssten sie sie nachher nicht.


Ja, es gibt in dem Feld eine Reihe interessanter Versuche: Auch, daß man Menschen mit einer Art externer Stimulation dazu gebracht hat, einen der Knöpfe zu drücken - also nicht aus einer bewußten oder unbewußten eigenen Entscheidung heraus -, und sie danach gefragt hat, warum sie denn jetzt gerade diesen Knopf gedrückt hätten. Und oft genug hätten die Versuchsteilnehmer versucht, eine Erklärung zu formulieren, warum sie sich so entscheiden hätten... Am Kopf kratzen.

Ja, natürlich interpretiert man da viel hinein: Das Tier reagiert auf einen, wenn man es anspricht, piepst zurück oder spitzt die Ohren. Manchmal wirkt es sogar, als ob das Tier verstünde, was man sagte: Stellt man eine Frage, kommt die Antwort "pieps", oder es schüttelt den Kopf (was man dann als "Nein" interpretiert, aber das ist ja schon bei menschlichen Kulturen unterschiedlich) oder so etwas. Oder wenn man z.B. traurig ist, erzählt man dem Tier von seinen Sorgen, liebkost der Papagei einen oder schmatzt - sinnigerweise nachdem man erst einmal erzählt hat und jetzt gerade still ist - das Kaninchen, und das wirkt ja dann auch so, als ob es sagen wollte, "Ist doch nicht so schlimm" oder "Egal was du für Sorgen hast, ich habe dich jedenfalls lieb". Man glaubt, daß das Tier einen versteht. Dabei kann es durchaus sein, daß da kein Unterschied im Verhalten gewesen wäre, wenn man mit dem Tier Latein oder Klingonisch gesprochen hätte, das es nie im Leben gehört hat, oder ihm in freundlichem Ton irgendetwas Negatives gesagt hätte?! Aber in dem Moment tut das zumindest gut, wenn man denkt, das Tier verstehe einen.

(Dabei "weiß" man aber auch, daß Tiere ja durchaus lernen können, was Worte bedeuten. Eine "Hundeschule" würde ja z.B. nicht funktionieren, wenn das Tier die Laute nicht mit Inhalt füllen würde, und die Tiere wissen durchaus, wer gemeint ist, wenn man sie mit ihrem Namen anspricht. Neulich hörte ich auch in einem Bericht mal etwas von einem Bauern, der das Gedränge bei der Abfütterung seiner Schweine dadurch aufgelöst habe, indem er die Tiere in Schichten zum Essen bitte - die Namen würden aufgerufen, die Damen und Herren würden dann gesittet zur Tafel schreiten und sich dort beköstigen. Zumindest müssen die Tiere ja wissen, wer sie sind und zumindest wissen und darauf vertrauen, daß alle drankommen, auch wer hier noch nicht aufgerufen wurde. Wobei der Biologe da womöglich wieder sagen würde, "Klar, sie sind ja auch gut konditioniert".)

Gleichzeitig gibt es aber auch Situationen, in denen man durchaus davon ausgeht, daß das Tier z.B. versucht, dem Menschen etwas mitzuteilen. Mein Kaninchen damals wußte natürlich auch genau, wo die Leckerli "versteckt" waren, die er so liebte, und ist dann auch hingesprungen und hat drauf gezeigt, wollte sogar in die Papiertüte reinklettern. Erst einmal mußte er dafür ja "gelernt" haben, daß die Dinger lecker sind, dann beobachtet haben, wo ich das Päckchen hergeholt habe und wo ich es wieder hinstellte, und dann auch in soweit logisch gedacht haben, daß ein Gegenstand immer noch existiert, auch wenn er im Moment nicht zu sehen ist? Oder hat er die Leckerli bloß gerochen (*)?

Oder eine Beobachtung einer anderen Halterin: Sie hielt ein Kaninchen und ein Meerschweinchen zusammen. (Gut, das stand in einem 30 Jahre alten Buch noch als valide Möglichkeit drin, heute ist man eher der Auffassung, daß man das nicht tun sollte, weil man damit beiden nicht gerecht werde.) Das Kaninchen hatte bemerkt, daß wenn das Meerschweinchen quietschte, der Mensch kam und nachsah. Die Möglichkeit hat das Kaninchen ja nicht, also hat es, wenn es was vom Menschen wollte, das Meerschweinchen angestupst, das dann quietschte...


(*): Man kann natürlich auch so argumentieren: Es gibt häufig eine "einfachere Erklärung", die kein ausgeprägtes Denken oder die Intelligenz wenigstens eines Kleinkindes voraussetzt. Das berührt aber womöglich sogar die Sphäre der Künstlichen Intelligenz: Angenommen, es wäre möglich, eine Kopie eines menschlichen Gehirns zu erstellen, die dann in einem Computer existiert, sich 1:1 so verhält wie der Mensch, dessen Gehirn man da gescannt hat. Man läßt beide dieselben Fragen beantworten und erhält dieselben Antworten. Könnte man der Kopie dennoch das Denken absprechen Am Kopf kratzen?

#111:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 06.11.2018, 10:10
    —
Critic hat folgendes geschrieben:
Angenommen, es wäre möglich, eine Kopie eines menschlichen Gehirns zu erstellen, die dann in einem Computer existiert, sich 1:1 so verhält wie der Mensch, dessen Gehirn man da gescannt hat. Man läßt beide dieselben Fragen beantworten und erhält dieselben Antworten. Könnte man der Kopie dennoch das Denken absprechen Am Kopf kratzen?

Eine 1:1-Kopie kann ja p.d. keine abweichenden funktionalen Eigenschaften haben. Wer also so etwas trotzdem erwägt, muß annehmen, daß zu der Originalperson außer dem Gehirn noch etwas anderes gehört, das zum Denkprozeß wesentlich beiträgt, und das die 1:1 Kopie nicht hat. Was sollte das sein?

PS: Mir ist natürlich klar, daß die Computerkopie keine 1:1 Kopie (und erst recht keine Verhaltenskopie) sein kann, und zwar wegen der realen biologischen Anbindung des Gehirns. Aber ich gehe mal davon aus, daß dieser Punkt in bezug auf die o.g. Frage vernachlässigbar ist.

#112:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 06.11.2018, 10:41
    —
step hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
Angenommen, es wäre möglich, eine Kopie eines menschlichen Gehirns zu erstellen, die dann in einem Computer existiert, sich 1:1 so verhält wie der Mensch, dessen Gehirn man da gescannt hat. Man läßt beide dieselben Fragen beantworten und erhält dieselben Antworten. Könnte man der Kopie dennoch das Denken absprechen :hmm:?

Eine 1:1-Kopie kann ja p.d. keine abweichenden funktionalen Eigenschaften haben. Wer also so etwas trotzdem erwägt, muß annehmen, daß zu der Originalperson außer dem Gehirn noch etwas anderes gehört, das zum Denkprozeß wesentlich beiträgt, und das die 1:1 Kopie nicht hat. Was sollte das sein?

PS: Mir ist natürlich klar, daß die Computerkopie keine 1:1 Kopie (und erst recht keine Verhaltenskopie) sein kann, und zwar wegen der realen biologischen Anbindung des Gehirns. Aber ich gehe mal davon aus, daß dieser Punkt in bezug auf die o.g. Frage vernachlässigbar ist.


Es macht aber das Gedankenspiel insofern wertlos, als daß implizit ein lebendes Gehirn vorausgesetzt wird, das überhaupt denken kann. Gegen den Vergleich mit einem isolierten, sprich toten Gehirn, hätte ich nichts einzuwenden, da das die 1:1 - Kopie wäre. Beide, das Original als auch die Kopie können nicht denken.

#113:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 06.11.2018, 12:04
    —
step hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
Angenommen, es wäre möglich, eine Kopie eines menschlichen Gehirns zu erstellen, die dann in einem Computer existiert, sich 1:1 so verhält wie der Mensch, dessen Gehirn man da gescannt hat. Man läßt beide dieselben Fragen beantworten und erhält dieselben Antworten. Könnte man der Kopie dennoch das Denken absprechen Am Kopf kratzen?

Eine 1:1-Kopie kann ja p.d. keine abweichenden funktionalen Eigenschaften haben. Wer also so etwas trotzdem erwägt, muß annehmen, daß zu der Originalperson außer dem Gehirn noch etwas anderes gehört, das zum Denkprozeß wesentlich beiträgt, und das die 1:1 Kopie nicht hat. Was sollte das sein?

PS: Mir ist natürlich klar, daß die Computerkopie keine 1:1 Kopie (und erst recht keine Verhaltenskopie) sein kann, und zwar wegen der realen biologischen Anbindung des Gehirns. Aber ich gehe mal davon aus, daß dieser Punkt in bezug auf die o.g. Frage vernachlässigbar ist.

Ja. Das lässt sich nicht anders beantworten. Das einzige, was wir dazusagen sollten, damit keiner meint, wir würden hier von so etwas wie einem PC sprechen, ist, dass wir noch keine Ahnung davon haben, wie diese biologische Dose Gehirn wirklich funktioniert, weder von der Repräsentation der Daten, noch von ihrem Abruf, noch von der Weise der Prozessierung. Das ist keine Von-Neumann-Architektur.

Zu den Libet-Experimenten: Es war in den 80ern Benjamin Libet, der damals den freien Willen dadurch ad Absurdum führen wollte, dass er von außen Hirneaktivitäten messen konnte, an denen er eine Entscheidung erkannte, bevor der Proband selbst von ihr wusste.

Ich habe das schon damals für überinterpretiert gehalten: Wenn wir uns unsere täglichen Entscheidungen ansehen, verläuft davon ganz viel "automatisiert", was nichts anderes bedeutet, als dass sie nicht mehr unsere bewusste Aufmerksamkeit besitzen - als Beispiel mag das Verhalten eines Autofahrers dienen, der richtig reagiert, obwohl er sich anschließend größte Mühe geben müsste, um sich überhaupt an alle Signale zu erinnern, auf die er reagiert hat. Gleichwohl haben wir da einen so hochgradig künstlichen, d.h. kulturell bestimmten Ablauf vor uns, dass wir den nicht anders als bewusst bezeichnen können.

Ein zweites Beispiel für "unbewusst" ablaufende Prozesse des Bewusstseins sind logische Entscheidungen auf fachlich hohem Nieveau: Wenn step auf eine Gleichung schaut, kann er mit hoher Wahrscheinlichkeit ziemlich schnell sagen, ob die unsinnig oder richtig ist. Wenn wir uns ansehen, was da alles spätestens seit der Grundschule für Bewusstseinsinhalte in ihn hineingeschaufelt wurden, damit er diese Entscheidung treffen kann, dann sind die Strukturen, die er aufgebaut hat, um heute diese Bewertung einer Gleichung leisten zu können, mit Sicherheit in irgendeiner Form hierarchisch aufgebaut worden. Das muss in irgendeiner Form abgearbeitet werden, wenn er diese Gleichung bewertet, aber nur die oberste Ebene davon hat seine direkte Aufmerksamkeit, ist "im Bewusstsein", obwohl der ganze Rest dieser rein kulturellen Prozedur auch kaum anders als zum Bewusstsein gehörig zu bezeichnen ist, auch, wenn er nicht permanent wirklich an der Oberfläche prozessiert wird, sondern automatisiert, d.h. ohne eine direkte Aufmerksamkeit abläuft. Aber natürlich brauchen auch diese automatisierten Abläufe ohne direkte Aufmerksamkeit Zeit, die gemessen werden kann. Dass man Zustände dieser Verarbeitung abgreifen und von außen interpretieren kann, bevor der Prozess in seiner Hierarchie wieder "oben angekommen" ist, halte ich nicht für einen Grund, ihn vom Bewusstsein abzukoppeln.

Die eigentliche Frage, die hier zu stellen ist, ist also, was Bewusstsein wirklich bedeutet und wie wir uns seine Prozesse vorzustellen haben. (Für Leute mit einem etwas weiter reichenden Informatikhintergrund: Ich stelle mir da strukturell so etwas ähnliches vor wie ein Forth-Dictionary).

#114:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 06.11.2018, 12:20
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
Angenommen, es wäre möglich, eine Kopie eines menschlichen Gehirns zu erstellen, die dann in einem Computer existiert, sich 1:1 so verhält wie der Mensch, dessen Gehirn man da gescannt hat. Man läßt beide dieselben Fragen beantworten und erhält dieselben Antworten. Könnte man der Kopie dennoch das Denken absprechen Am Kopf kratzen?

Eine 1:1-Kopie kann ja p.d. keine abweichenden funktionalen Eigenschaften haben. Wer also so etwas trotzdem erwägt, muß annehmen, daß zu der Originalperson außer dem Gehirn noch etwas anderes gehört, das zum Denkprozeß wesentlich beiträgt, und das die 1:1 Kopie nicht hat. Was sollte das sein?

PS: Mir ist natürlich klar, daß die Computerkopie keine 1:1 Kopie (und erst recht keine Verhaltenskopie) sein kann, und zwar wegen der realen biologischen Anbindung des Gehirns. Aber ich gehe mal davon aus, daß dieser Punkt in bezug auf die o.g. Frage vernachlässigbar ist.


Es macht aber das Gedankenspiel insofern wertlos, als daß implizit ein lebendes Gehirn vorausgesetzt wird, das überhaupt denken kann. Gegen den Vergleich mit einem isolierten, sprich toten Gehirn, hätte ich nichts einzuwenden, da das die 1:1 - Kopie wäre. Beide, das Original als auch die Kopie können nicht denken.

Das ist jetzt allerdings ein fürchterlich schräges Bild, weil wir - völlig unabhängig davon, dass wir nicht wirklich wissen, wie das Gehirn als Datenverarbeitungsmaschine funktioniert, wissen, dass es Teil eines biologischen Apparates ist, dessen Energieversorgung nicht einfach an oder ausgeschaltet werden kann, sondern nur von seinem Primärstatus quasi als Bootprozess hochgefahren werden kann und unwiederbringlich zerstört wird, wenn ich ihn einmal angehalten habe.

Dass dieser Bootvorgang auch eine informatische Ebene hat, darauf will ich jetzt gar nicht eingehen.

Ich übersetze Dein Bild mal in eine geringfügig andere Umgebung:

Stelle Dir einfach einen modernen Computer in den Händen von Steinzeitmenschen vor, die ihn nicht mit Strom versorgen können und schon ist klar, dass Datenverarbeitung in denen nie und nimmer funktionieren kann. Zumindest läuft Deine Argumentation so.

Implizit gehst Du davon aus, dass wir uns zwar an alte Reizmuster erinnern können, aber dass das nichts mit Daten zu tun hat. Denn wenn Denken etwas mit Daten zu tun hat, stellt es eine Art Datenverarbeitung dar, die zumindest theoretisch auch 1:1 nachbildbar sein muss, auch auf einer anderen Architektur und einem anderen System.

#115:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 06.11.2018, 12:22
    —
Das beste Buch dazu ist meiner Ansicht nach „Schnelles Denken, langsames Denken“ von Daniel Kahnemann.

#116:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 06.11.2018, 12:51
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
Es macht aber das Gedankenspiel insofern wertlos, als daß implizit ein lebendes Gehirn vorausgesetzt wird, das überhaupt denken kann. Gegen den Vergleich mit einem isolierten, sprich toten Gehirn, hätte ich nichts einzuwenden, da das die 1:1 - Kopie wäre. Beide, das Original als auch die Kopie können nicht denken.

Wenn man ein natürlich ausgebildetes Gehirn insofern isolieren könnte, daß die für den Betrieb notwendigen Funktionen durch entsprechende Schnittstellen (z.B. Blutzu-/abfuhr) eine Zeitlang gewährleistet wären, würde es dann Deiner Ansicht nach weiterdenken?

#117:  Autor: narr BeitragVerfasst am: 06.11.2018, 13:40
    —
Eine Weile würde das Gehirn wahrscheinlich weiter denken. Es wurden Versuche mit Guillotinierten Personen gemacht:

"...waren nach vereinzelten Überlieferungen noch Reaktionen des abgetrennten Hauptes zu erkennen. So .... mutmaßliche Sprechversuche abgetrennter Köpfe überliefert. .... Versuche ... reflexartig die Augen schließen, wenn eine Hand sich schnell auf das Gesicht zubewegt oder der Kopf hellem Licht ausgesetzt wurde. ...noch etwa 30 Sekunden auf Zurufe reagiert. ..." https://de.wikipedia.org/wiki/Guillotine

Und jeder der Roald Dahls "William und Mary" gelesen hat... Lachen

#118:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 06.11.2018, 14:21
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Wenn wir uns unsere täglichen Entscheidungen ansehen, verläuft davon ganz viel "automatisiert", was nichts anderes bedeutet, als dass sie nicht mehr unsere bewusste Aufmerksamkeit besitzen - als Beispiel mag das Verhalten eines Autofahrers dienen, der richtig reagiert, obwohl er sich anschließend größte Mühe geben müsste, um sich überhaupt an alle Signale zu erinnern, auf die er reagiert hat. Gleichwohl haben wir da einen so hochgradig künstlichen, d.h. kulturell bestimmten Ablauf vor uns, dass wir den nicht anders als bewusst bezeichnen können.

Ja, wir haben einen kulturell bestimmten, gelernten Ablauf vor uns, aber mit welchem Argument sollte man allein das schon als Kriterium für "bewußt" heranziehen? Das ginge nur über den kompatibilistischen Trick, einfach die Summe aller Abläufe als "bewußt" zu definieren, die zu einer Entscheidung beitragen, die uns bewußt wird. In Deinem zweiten Beispiel wird das noch deutlicher:

fwo hat folgendes geschrieben:
... Das muss in irgendeiner Form abgearbeitet werden, wenn er diese Gleichung bewertet, aber nur die oberste Ebene davon hat seine direkte Aufmerksamkeit, ist "im Bewusstsein", obwohl der ganze Rest dieser rein kulturellen Prozedur auch kaum anders als zum Bewusstsein gehörig zu bezeichnen ist, auch, wenn er nicht permanent wirklich an der Oberfläche prozessiert wird, sondern automatisiert, d.h. ohne eine direkte Aufmerksamkeit abläuft. Aber natürlich brauchen auch diese automatisierten Abläufe ohne direkte Aufmerksamkeit Zeit, die gemessen werden kann. Dass man Zustände dieser Verarbeitung abgreifen und von außen interpretieren kann, bevor der Prozess in seiner Hierarchie wieder "oben angekommen" ist, halte ich nicht für einen Grund, ihn vom Bewusstsein abzukoppeln.

Nun bezeichnet man aber als "Bewußtsein" typischerweise nur die mental erlebten Teile, bzw. die mit Aufmerksamkeit. Man könnte natürlich sagen, daß das nur eine Definitionsfrage ist. Aber man muß hier aufpassen, welche weiteren Behauptungen kommen. Typischerweise führen Dein Argumennt ja Leute an, die die Vorstellung retten wollen, daß zumindest "wichtige" Entscheidungen in freier, aufmerksamer Abwägung und freier "top-Level"-Wahl stattfinden. Hier nützt es also nichts, einfach die Definition von "bewußt" künstlich zu erweitern, wenn man gleichzeitig messen kann, daß die Entscheidung bereits durch Präferenzen festliegen bzw. durch Hirnvorgänge, die vor der Aufmerksamkeitsstufe liegen.

fwo hat folgendes geschrieben:
Die eigentliche Frage, die hier zu stellen ist, ist also, was Bewusstsein wirklich bedeutet und wie wir uns seine Prozesse vorzustellen haben. (Für Leute mit einem etwas weiter reichenden Informatikhintergrund: Ich stelle mir da strukturell so etwas ähnliches vor wie ein Forth-Dictionary).

Ja, das ist sicherlich eine sehr interessante Frage. Aber wie auch immer die Antwort ausfällt, sie wird den Freien Willen nicht retten.

Übrigens meine ich, daß, auch wenn ein Gehirn völlig anders als ein Computer funktioniert, letzterer dennoch so etwas wie Bewußtsein, ein Selbstmodell, letztlich sogar eine Person ausprägen könnte, auch wenn es antürlich ganz anders aussähe als beim Menschen. Aus ethischer Sicht denke ich, daß wir die Grundeignung für Personenrechte u.ä. nicht nur deshalb auf Menschen beschränken können, weil wir typisch menschliche Eigenschaften überbewerten - zB. die starke Anbindung ans Hormonsystem, die starke Ausprägung körperlicher Abhängigkeiten, seine generelle Wehleidigkeit, genetische Fortpflanzung usw.

#119:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 06.11.2018, 14:25
    —
narr hat folgendes geschrieben:
...noch etwa 30 Sekunden auf Zurufe reagiert. ...

"OK, sagen wir Unentschieden".

#120:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 06.11.2018, 18:57
    —
step hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Wenn wir uns unsere täglichen Entscheidungen ansehen, verläuft davon ganz viel "automatisiert", was nichts anderes bedeutet, als dass sie nicht mehr unsere bewusste Aufmerksamkeit besitzen - als Beispiel mag das Verhalten eines Autofahrers dienen, der richtig reagiert, obwohl er sich anschließend größte Mühe geben müsste, um sich überhaupt an alle Signale zu erinnern, auf die er reagiert hat. Gleichwohl haben wir da einen so hochgradig künstlichen, d.h. kulturell bestimmten Ablauf vor uns, dass wir den nicht anders als bewusst bezeichnen können.

Ja, wir haben einen kulturell bestimmten, gelernten Ablauf vor uns, aber mit welchem Argument sollte man allein das schon als Kriterium für "bewußt" heranziehen? Das ginge nur über den kompatibilistischen Trick, einfach die Summe aller Abläufe als "bewußt" zu definieren, die zu einer Entscheidung beitragen, die uns bewußt wird. In Deinem zweiten Beispiel wird das noch deutlicher:

fwo hat folgendes geschrieben:
... Das muss in irgendeiner Form abgearbeitet werden, wenn er diese Gleichung bewertet, aber nur die oberste Ebene davon hat seine direkte Aufmerksamkeit, ist "im Bewusstsein", obwohl der ganze Rest dieser rein kulturellen Prozedur auch kaum anders als zum Bewusstsein gehörig zu bezeichnen ist, auch, wenn er nicht permanent wirklich an der Oberfläche prozessiert wird, sondern automatisiert, d.h. ohne eine direkte Aufmerksamkeit abläuft. Aber natürlich brauchen auch diese automatisierten Abläufe ohne direkte Aufmerksamkeit Zeit, die gemessen werden kann. Dass man Zustände dieser Verarbeitung abgreifen und von außen interpretieren kann, bevor der Prozess in seiner Hierarchie wieder "oben angekommen" ist, halte ich nicht für einen Grund, ihn vom Bewusstsein abzukoppeln.

Nun bezeichnet man aber als "Bewußtsein" typischerweise nur die mental erlebten Teile, bzw. die mit Aufmerksamkeit. Man könnte natürlich sagen, daß das nur eine Definitionsfrage ist. Aber man muß hier aufpassen, welche weiteren Behauptungen kommen. Typischerweise führen Dein Argumennt ja Leute an, die die Vorstellung retten wollen, daß zumindest "wichtige" Entscheidungen in freier, aufmerksamer Abwägung und freier "top-Level"-Wahl stattfinden. Hier nützt es also nichts, einfach die Definition von "bewußt" künstlich zu erweitern, wenn man gleichzeitig messen kann, daß die Entscheidung bereits durch Präferenzen festliegen bzw. durch Hirnvorgänge, die vor der Aufmerksamkeitsstufe liegen. ...

Wenn Du dieses vor zeitlich meinst, dann liegen sie nicht nur vor, sondern auch nach der Aufmerksamkeitsstufe - sie sind der eigentliche Prozess dessen, was wir als Entscheidung erleben. Ich habe diese beiden Beispiele genommen und lege Wert auf die kulturelle Herkunft, um zu zeigen, dass es sich hier um Vorgänge handelt, die in dieser Komplexität nur dem Tier Mensch eigen sind - derart komplexe Strukturen in der Kultur benötigen zwingend eine komplexe Sprache mit Simulationsmöglichkeiten als Denkzeug, auch wenn dann letztlich ein Teil davon "automatisiert im Unbewussten" abläuft. Es hat von seinem Charakter nichts mit instinktiven oder vorbewussten Entscheidungswegen anderer Tiere gemein.

Um das festzuhalten, brauchen wir auch das Fass mit dem freien Willen nicht aufzumachen.

#121:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 06.11.2018, 21:15
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
... auch wenn dann letztlich ein Teil davon "automatisiert im Unbewussten" abläuft.

- Wieso eigentlich nur "ein Teil"? Hast Du ein Argument, daß das bewußte Erleben wesentlich an einer Entscheidung mitwirkt?
- Und was meinst Du mit "automatisiert"? Ist das = deterministisch? Inwiefern sind bewußte Vorgänge weniger "automatisiert"?

#122:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 06.11.2018, 21:24
    —
step hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
... auch wenn dann letztlich ein Teil davon "automatisiert im Unbewussten" abläuft.

- Wieso eigentlich nur "ein Teil"? Hast Du ein Argument, daß das bewußte Erleben wesentlich an einer Entscheidung mitwirkt?
- Und was meinst Du mit "automatisiert"? Ist das = deterministisch? Inwiefern sind bewußte Vorgänge weniger "automatisiert"?

Ja, es verbraucht einen erheblichen Teil Energie. Ginge es auch ohne, hätte sich diese Variante nicht durchgesetzt. Obwohl es sicherlich eine erhebliche Anzahl von Menschen gibt, die diesen Teil ihres Gehirns nicht benutzen.

Ansonsten kann ich dir nur meinen Literaturhinweis von weiter oben empfehlen. Da werden dir geholfen.

#123:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 06.11.2018, 21:50
    —
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ja, es verbraucht einen erheblichen Teil Energie. Ginge es auch ohne, hätte sich diese Variante nicht durchgesetzt.

Was genau verbraucht Energie? Woher weißt Du, wieviel Zusatzenergie die bewußten mentalen Zustände verbrauchen?

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Obwohl es sicherlich eine erhebliche Anzahl von Menschen gibt, die diesen Teil ihres Gehirns nicht benutzen.

Und verbrauchen die dann erheblich weniger Energie?

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ansonsten kann ich dir nur meinen Literaturhinweis von weiter oben empfehlen. Da werden dir geholfen.

Danke. Wenn ich mal mehr Zeit hab.

#124:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 06.11.2018, 22:11
    —
step hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ja, es verbraucht einen erheblichen Teil Energie. Ginge es auch ohne, hätte sich diese Variante nicht durchgesetzt.

Was genau verbraucht Energie? Woher weißt Du, wieviel Zusatzenergie die bewußten mentalen Zustände verbrauchen?

Nicht ich weiß es, Kahnemann weiß es und belegt, wie man es mißt.

step hat folgendes geschrieben:

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Obwohl es sicherlich eine erhebliche Anzahl von Menschen gibt, die diesen Teil ihres Gehirns nicht benutzen.

Und verbrauchen die dann erheblich weniger Energie?

Das war eine ironische Bemerkung mit einem ernsten Kern, nämlich dem, daß das schnelle Denken, Kahnemann nennt es System 1, erheblich leichter fällt, während System 2, das langsame Denken, Konzentration und Anstrengung erfordert.

Ein Beispiel, das mir immer einfällt, ist das Autofahren. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an seine ersten Fahrstunden. Jeder Handgriff mußte bewußt überlegt werden, und nach einer Viertelstunde war man froh, daß es vorbei war und man war schweißgebadet (jedenfalls viele von uns). Der erhöhte Energieverbrauch durch Konzentration auf System 2 war körperlich zu spüren. Heute fahren die meisten von uns mit System 1, unserem "automatischen Gehirn", einfach weil, wie wir so plastisch sagen, uns alle Handgriffe "in Fleisch und Blut übergegangen sind". So fahren wir oft stundenlang "fast" ohne Anstrengung, und bei Strecken, die wir häufig fahren, merken wir es oft erst, wenn wir angekommen sind.

Das ist es, wofür wir System 2 brauchen, das Verarbeiten von komplexen und neuen Situationen, und dafür brauchen wir auch die Selbstreflexion des Bewusstseins, weil es uns ermöglicht, uns gewissermaßen von außen zu sehen, als Teil einer komplexen Situation.

#125:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 07.11.2018, 00:48
    —
step hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
... auch wenn dann letztlich ein Teil davon "automatisiert im Unbewussten" abläuft.

- Wieso eigentlich nur "ein Teil"? Hast Du ein Argument, daß das bewußte Erleben wesentlich an einer Entscheidung mitwirkt?

In der bewussten Ebene werden die Teile aufgerufen, die in diesem Bewusstsein in seiner Vergangenheit einmal so lagen eingeübt wurden, dass sie jetzt ohne direkte Beobachtung abgearbeitet werden können. Man kann das evtl. mit prozeduralen Aufrufen vergleichen oder aber mit dem Abarbeiten vorkompilierter Befehle, wenn ich auf mein Bild mit dem Forth-Dictionary zurückgreife. Das Bewusstsein selbst erscheint mir eher wie ein Interpreter. (Wer zwar weiß, wie "normale" Programmiersprachen aussehen, aber mit Forth nichts anfangen kann, kann mal hier reinsehen und dort in das Kapitel 1 ab Seite 7 ). Wenn ich eine Aussage zum Thema DNA denke, steht mir dabei ein Wissen zur Verfügung, dass Jahre gebraucht hat, um in meinen Kopf zu kommen, und bei dem ich Bücher schreiben müsste, um das jemandem begreifbar zu machen der nicht Biologie studiert hat, evtl. nicht einmal eine schulische Oberstufe besucht hat. Dieses Wissen steht mir in dem Fall aber nicht direkt in der Sprache eines 10-jährigen zur Verfügung, sondern in der Komprimierung der Fachsprache für die ich lange genug gelernt habe. Aber kann die nicht bewusste Prozessierung, die mir eigentlich nur signalisiert, dass der Gedanke, den ich gerade ausführe korrekt ist, in dieser Fachsprache ablaufen? Ich gehe nicht davon aus.
step hat folgendes geschrieben:
- Und was meinst Du mit "automatisiert"? Ist das = deterministisch? Inwiefern sind bewußte Vorgänge weniger "automatisiert"?

Automatisiert bedeutet, dass es nicht direkt beobachtet wird, und dass es sich um einen Vorgang handelt, der bis zu einer so hohen Zuverlässigkeit geübt wurde, dass er auch ohne die bewusste Beeinflussung mit hoher Sicherheit abläuft. Das Stichwort Bahnung gehört in diesen Zusammenhang. Ich halte das insofern für deterministisch, als hier hohe Sicherheiten selektiert wurden, aber nicht deterministisch im strengen Sinn. Auch bewusste Vorgänge müssen, um evolutionär erfolgreich sein zu können, in bestimmten Bereichen eine hohe Reproduzierbarkeit erreichen, aber sie haben offensichtlich mehr Freiheitsgrade. Was passiert in der Datenverarbeitung zweier Menschen, die sich telefonisch zu einem Treffen an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit verabreden? Es ist die Fähigkeit zu derartigen Aktionen, die wir als freien Willen bezeichnen.

Das wir dabei einer Evolution entstammen, die zwangsläufig auf die Eigenschaft hin selektiert hat, dass die Individuen sich so verhalten, dass sie sich vermehren, bedeutet, dass unser Verhalten statistisch vorhersagbar ist. Unsere Freiheit besteht in der Abnahme der Sicherheit der Vorhersage des individuellen Verhaltens in dieser chaotischen Welt. Dabei liegt die Abnahme dieser Sicherheit nicht im Chaos begründet, sondern in der zunehmenden Möglichkeit, differenziert zu entscheiden.

#126:  Autor: CriticWohnort: Arena of Air BeitragVerfasst am: 07.11.2018, 04:19
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
Angenommen, es wäre möglich, eine Kopie eines menschlichen Gehirns zu erstellen, die dann in einem Computer existiert, sich 1:1 so verhält wie der Mensch, dessen Gehirn man da gescannt hat. Man läßt beide dieselben Fragen beantworten und erhält dieselben Antworten. Könnte man der Kopie dennoch das Denken absprechen Am Kopf kratzen?

Eine 1:1-Kopie kann ja p.d. keine abweichenden funktionalen Eigenschaften haben. Wer also so etwas trotzdem erwägt, muß annehmen, daß zu der Originalperson außer dem Gehirn noch etwas anderes gehört, das zum Denkprozeß wesentlich beiträgt, und das die 1:1 Kopie nicht hat. Was sollte das sein?

PS: Mir ist natürlich klar, daß die Computerkopie keine 1:1 Kopie (und erst recht keine Verhaltenskopie) sein kann, und zwar wegen der realen biologischen Anbindung des Gehirns. Aber ich gehe mal davon aus, daß dieser Punkt in bezug auf die o.g. Frage vernachlässigbar ist.


Es macht aber das Gedankenspiel insofern wertlos, als daß implizit ein lebendes Gehirn vorausgesetzt wird, das überhaupt denken kann. Gegen den Vergleich mit einem isolierten, sprich toten Gehirn, hätte ich nichts einzuwenden, da das die 1:1 - Kopie wäre. Beide, das Original als auch die Kopie können nicht denken.


Das nur halt, um aufzuzeigen, daß man womöglich für eine ganze Menge von Verhalten Erklärungen finden könnten, die Denken voraussetzen, aber auch solche, die das nicht tun. Ist ein Verhalten, das bei der einen Kreatur Denken voraussetzt oder wo wir Denken attestieren, bei der anderen Kreatur dann wieder ohne Denken zustandegekommen, et cetera. Bei Lebewesen, die wirklich einfach gebaut sind, können wir Denkvorgänge eher ausschließen. Aber je näher wir zum Menschen kommen, um so unklarer wird das.

Ist natürlich klar, daß es dem Menschen auch guttut, wenn es ein Gegenüber gibt, das ihn spiegelt, Empathie zeigt, ihn wieder aufbaut et cetera. Und der Haustier-"Besitzer" wird seinem Tier das dann ggf. auch zuschreiben - zum einen, weil er sich das ja wünscht, zum anderen zumal dann, wenn das Tier Verhaltensweisen zeigt, die es "menschlich" wirken lassen. Das Tier mag nicht über "die großen Fragen des Daseins" nachdenken(*), aber in seinem Horizont logische Schlüsse ziehen zu können, finde ich schon bemerkenswert.


________
(*: Späterer Edit: - wobei man natürlich auch das nicht definitiv wissen kann, worüber unsere Haustiere so nachdenken, während sie genüßlich ausgestreckt daliegen oder in aller Seelenruhe auf einem Grashalm herumkauen. Es kann ja auch einfach sein, daß wir uns darüber nicht austauschen können, weil uns das gemeinsame Vokabular fehlt: einem Delphin konnte man ja z.B. auch was mit "Ball" oder "Ring" mitteilen, aber der Mensch weiß auch nicht, wie man ihm ein abstraktes Konzept signalisieren sollte -)


Zuletzt bearbeitet von Critic am 07.11.2018, 20:59, insgesamt einmal bearbeitet

#127:  Autor: AhrimanWohnort: 89250 Senden BeitragVerfasst am: 07.11.2018, 17:12
    —
Die Titelfrage ist offenbar falsch oder zu allgemein gestellt. Ganz sicher können Tiere denken, die Frage ist nur, wieviel und in welchem Umfang. Der Hund da oben in dem animierten Bild hat meiner Meinung nach einen Denkvorgang vollbracht. Wie alt wohl muß ein Menschenkind sein, das in der gleichen Situation die gleiche Lösung findet, statt einfach stehenzubleiben und "Bäääääähhhh!" zu schreien?

#128:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 07.11.2018, 17:42
    —
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
... Der erhöhte Energieverbrauch durch Konzentration auf System 2 war körperlich zu spüren. Heute fahren die meisten von uns mit System 1, unserem "automatischen Gehirn", einfach weil, wie wir so plastisch sagen, uns alle Handgriffe "in Fleisch und Blut übergegangen sind". ... Das ist es, wofür wir System 2 brauchen, das Verarbeiten von komplexen und neuen Situationen, und dafür brauchen wir auch die Selbstreflexion des Bewusstseins, weil es uns ermöglicht, uns gewissermaßen von außen zu sehen, als Teil einer komplexen Situation.

Hier (und zum Teil auch bei fwo) werden ja sozusagen 3 Dinge behauptet:
1. Bewußtsein / mentale Erlebnisse bedeuten erheblich höhren Energieaufwand
2. Selbstreflexion ist benötigt / hilfreich für den Umgang mit neuen, komplexen Situationen
3. Wegen (2.) ist Bewußtsein nicht ausgestorben.

Meiner Ansicht nach sind alle 3 zumindest zweifelhaft.

ad (1.)
- beim Nachdenken wird nicht wesentlich mehr Energie verbraucht als sonst. Erst bei tiefer Bewußtlosigkeit und Koma sinkt der Energieverbrauch signifikant
- selbst der Mehrenergieverbrauch bei Aufmerksamkeit könnte auf die Aufmerksamkeit zurückgehen, und nicht auf die Bewußtheit (siehe 2.)
- in der beschriebenen Autofahrersituation dagegen entsteht der Energieverlust primär körperlich, z.B. über höheren Adrenalinspiegel, Blutdruck, Herzfrequenz, Muskeltonus ...

ad (2.)
- hier kann ich noch am ehesten zustimmen
- ich würde aber zwischen Aufmerksamkeit und Bewußtsein unterschieden. Zu manchen Formen des Lernens etwa benötigt man sicher Aufmerksamkeit (etwa um störende Reize herauszufiltern), aber nicht unbedingt Bewußtsein. Es gibt auch Experimente, die unbewußte Aufmerksamkeit zeigen.
- worin dagegen der eigentliche Zustand der Bewußtheit besteht, ist bisher ungeklärt, daher halte ich für fragwürdig festzulegen, wofür es nötig ist.

ad (3.)
- hier könnte man einwenden, daß es zum Überleben eines Features ausreicht, nicht schädlich genug zu sein, und keiner Konkurrenz zu unterliegen. Ein Gehirn, daß zwar dieselbe Leistungsfähigkeit hat und Aufmerksamkeit, Lernen usw. ermöglicht, aber kein bewußtes Erleben, könnte ebenfalls erfolgreich sein - wir wissen es nicht.

#129:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 07.11.2018, 20:44
    —
step hat folgendes geschrieben:
....
Hier (und zum Teil auch bei fwo) werden ja sozusagen 3 Dinge behauptet:
1. Bewußtsein / mentale Erlebnisse bedeuten erheblich höhren Energieaufwand
2. Selbstreflexion ist benötigt / hilfreich für den Umgang mit neuen, komplexen Situationen
3. Wegen (2.) ist Bewußtsein nicht ausgestorben.
....

Ich weiß nicht, wo Du meinst, dass ich sowas geschrieben habe, an einer Stelle möchte ich trotzdem helfen:

Bei Energieverbrauch geht es, wie Du auch selbst bemerkst, nicht darum, dass das bestimmte Verfahren mehr Energie verbraucht, sondern der große Verbraucher ist das große Gehirn, das zu diesen Verfahren fähig ist.

Zu Punkt 2: Zu Selbstreflektion habe ich nichts geschrieben, ich halte sie für ein Abfallprodukt. Die wesentliche evolutionäre Neuerung der Gattung homo besteht nach meiner Meinung im Anteil der Kultur in der Verhaltenskontrolle. Wir ändern die Nische nicht durch eine Änderung des angeborenen Verhaltens, sondern durch eine Änderung der Kultur, d.h. des tradierten Verhaltens und sind deshalb erheblich schneller in unserer Anpassung als Arten mit genetischer Verhaltenssteuerung. Um das zu ermöglichen brauchen wir allerdings eine Bindung des Nachwuchses an die Tradition, die trotz der fehlenden Genetik genügend Traditionssicherheit garantiert, um eine evolutionäre Selektion der Kultur zu ermöglichen.

Erst nachdem diese Voraussetzung da ist, "lohnt" die genetische Veränderung, die in der Kommunikation frei wählbare Signale sowohl für Stimmungen als auch - die wichtigere Neuerung - für frei wählbare Objekte ermöglicht. Damit haben wir nämlich die Voraussetzungen für die Sprache. Ein besonders leistungsfähiges Gehirn war schon durch das Werfen selektiert worden - da hat mich Edukir überzeugt - aber an dieser Stelle gibt es dann die Kultur als weiteren Selektionsmechanismus für leistungsfähigere Gehirne. Es ist die Sprache mit ihrer Akkumulation des Wissen der Population, die den neuen Erfolg von h. sapiens in den letzten 100 000 Jahren ausmacht, bis dahin gab es zwar auch schon Akkumulation, und damit die Möglichkeit "neue" Verhalten weiterzugeben mit den entsprechenden Vorteilen (s.o.) aber an eine Selbstreflektion die früher als vor ca 50 000 Jahren liegt, glaube ich nicht.

Und erst diese Sprache mit ihrer Möglichkeit der Kommunikation über frei gewählte Objekte ermöglicht nicht nur das abstrakte Denken über diese Objekte, sondern in der Kommunikation sogar das gemeinsame Denken über dieses Objekt.

Ich vermute dass der genetisch "fertige" h. sapiens vor ca 180 000 Jahren bis auf die kulturelle Fähigkeit zum Nischenwechsel in seinen intellektuellen Möglichkeiten noch erheblich näher beim Schimpansen war, als wir uns das normalerweise vorstellen (können), weil wir so sehr in der und mit der Sprache sozialisiert sind, dass uns die Beschränktheit der Welt ohne sie nicht klar ist.

#130:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 07.11.2018, 21:43
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Zu Selbstreflektion habe ich nichts geschrieben, ich halte sie für ein Abfallprodukt.

Könnte durchaus sein.

fwo hat folgendes geschrieben:
... Wir ändern die Nische nicht durch eine Änderung des angeborenen Verhaltens, sondern durch eine Änderung der Kultur, d.h. des tradierten Verhaltens und sind deshalb erheblich schneller in unserer Anpassung als Arten mit genetischer Verhaltenssteuerung. Um das zu ermöglichen brauchen wir allerdings eine Bindung des Nachwuchses an die Tradition, die trotz der fehlenden Genetik genügend Traditionssicherheit garantiert, um eine evolutionäre Selektion der Kultur zu ermöglichen.

Das kann ich nachvollziehen - allerdings wäre dazu meiner Meinung "nur" ein leistungsfähiges Gehirn notwendig, mit der Möglichkeit viel zu lernen, Aufmerksamkeit zu erzeugen usw., aber nicht unbedingt Bewußtheit. Es könnte sogar sein, daß ein Selbstmodell nötig ist, aber kein bewußtes Erleben.

fwo hat folgendes geschrieben:
... frei wählbare Objekte ...

Der Abschnitt leuchtet mir weniger ein.

fwo hat folgendes geschrieben:
Ich vermute dass der genetisch "fertige" h. sapiens vor ca 180 000 Jahren bis auf die kulturelle Fähigkeit zum Nischenwechsel in seinen intellektuellen Möglichkeiten noch erheblich näher beim Schimpansen war, als wir uns das normalerweise vorstellen (können), weil wir so sehr in der und mit der Sprache sozialisiert sind, dass uns die Beschränktheit der Welt ohne sie nicht klar ist.

Hmm ... meinst Du damit, daß es der frühe Homo Sapiens von seinen genetisch bedingten intellektuellen Möglichkeiten noch sehr nah am Schimpansen war? Oder meinst Du, daß ein frühes Sapiensbaby, heute kulturell aufgezogen, intellektuell nah man modernen Sapiens wäre?

#131:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 07.11.2018, 22:26
    —
Da ihr hier wesentlich Glaubensvorstellungen diskutiert, bin ich da raus.

#132:  Autor: CriticWohnort: Arena of Air BeitragVerfasst am: 08.11.2018, 00:28
    —
Ad Beitrag:

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Da ihr hier wesentlich Glaubensvorstellungen diskutiert, bin ich da raus.


Ja, wie könnte man das belegen, ob jemand denkt oder bloß einfachen Reiz-Reaktions-Schemata folgt respektive nur programmiert ist, irgendetwas zu tun? Ich weiß, daß ich nachdenke (wobei das aber auch eine Illusion sein könnte), aber ich kann das schon beim Menschen am Nachbartisch quasi nur via "Analogieschluß" annehmen, wenn er sich so verhält, als würde er nachdenken. Der "Analogieschluß" scheint beim Tier zumindest schwieriger zu sein. Wir könnten uns indessen in einen Tomographen schieben lassen und dabei irgendwelche Denkaufgaben lösen, und dann könnte man die Aktivitätsmuster vergleichen, bestimmte Vorgänge sind ja irgendwo im Gehirn verortet. Aber es könnte ja vielleicht auch Denkvorgänge geben, die ganz anders aussehen als beim Menschen - ein neuronales Netz hatte ich schon genannt, das vielleicht irgendwann die Fähigkeit zum "Denken" erlangen und dabei strukturell ganz anders aussehen könnte als ein Gehirn Am Kopf kratzen.

#133:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 08.11.2018, 11:16
    —
step hat folgendes geschrieben:
...
fwo hat folgendes geschrieben:
... Wir ändern die Nische nicht durch eine Änderung des angeborenen Verhaltens, sondern durch eine Änderung der Kultur, d.h. des tradierten Verhaltens und sind deshalb erheblich schneller in unserer Anpassung als Arten mit genetischer Verhaltenssteuerung. Um das zu ermöglichen brauchen wir allerdings eine Bindung des Nachwuchses an die Tradition, die trotz der fehlenden Genetik genügend Traditionssicherheit garantiert, um eine evolutionäre Selektion der Kultur zu ermöglichen.

Das kann ich nachvollziehen - allerdings wäre dazu meiner Meinung "nur" ein leistungsfähiges Gehirn notwendig, mit der Möglichkeit viel zu lernen, Aufmerksamkeit zu erzeugen usw., aber nicht unbedingt Bewußtheit. Es könnte sogar sein, daß ein Selbstmodell nötig ist, aber kein bewußtes Erleben.

Da sind wir allerdings im reinen Vermuten.
Was aber da bereits anders ist als bei anderen Primaten, ist, dass wir da schon einen anderen Umgang der Individuen miteinander haben, der nicht mehr nur durch das unmittelbare Befriedigen solcher alten Grundstimmungen wie Hunger, Sex, oder Territorialität bestimmt wird. Neugier ist ein uraltes Verhalten, aber selbst Schimpansen gucken nicht gezielt ab wie andere etwas machen. Was hier aber gefragt ist, ist nicht nur ein gezieltes Abgucken, sondern auch ein gezieltes Vormachen, eventuell Formen der Frage.
step hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
... frei wählbare Objekte ...

Der Abschnitt leuchtet mir weniger ein.

Das restliche Tierreich beschränkt sich ein seinen Äußerungen auf ein Signalisieren der eigenen Stimmung. Hier wird zwar regelmäßig der Warnruf als Gegenbeispeil genannt, aber diese Deutung hält einer Überprüfung mit Ockhams Razor nicht stand, auch die Warnung kann einfach als Angstsignal interpretiert werden. Da spricht auch nicht dagegen, dass es offensichtlich Tiere gibt, die differenzierte Angstsignale senden, also vor "unterschiedlichen Gefahren warnen".

Neu am Menschen ist, dass selbst Säuglinge "Fragen stellen", sie deuten auf den Gegenstand ihres Interesses und versuchen dieses Interesse mit anderen zu teilen. Menschen haben Signale für den Gegenstand dieses geteilten Interesses vereinbart, d.h. Menschen haben gemeinsame Objekte nicht nur der Kooperation, sondern der Neugier. Da sind wir bei einer Grundvoraussetzung der Benamsung der Welt und damit der Möblierung der Gedanken, also des abstrakten Denkens. Und erst diese Freie Wahl des Objektes und eines Signales dafür ermöglicht die Akkumulation der Signale, die dann in die Sprache führt.

Die Sprache führt dann ins abstrakte Denken und damit sehr viel weiter in die Möglichkeit der Zeitreise als das nichtsprachliche Denken. Dass auch ein Hund in relatitv einfachen Situationen zur gedanklichen Zeitreise fähig ist, zeigt das von Ahriman verlinkte Video. Ich vermute oder (Gruß an Marcellinus zwinkern ) glaube, dass diese Projektion des eigenen Individuums in die Zukunft, die wir da als Anfang sehen, in das Bewusstsein führt.
step hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Ich vermute dass der genetisch "fertige" h. sapiens vor ca 180 000 Jahren bis auf die kulturelle Fähigkeit zum Nischenwechsel in seinen intellektuellen Möglichkeiten noch erheblich näher beim Schimpansen war, als wir uns das normalerweise vorstellen (können), weil wir so sehr in der und mit der Sprache sozialisiert sind, dass uns die Beschränktheit der Welt ohne sie nicht klar ist.

Hmm ... meinst Du damit, daß es der frühe Homo Sapiens von seinen genetisch bedingten intellektuellen Möglichkeiten noch sehr nah am Schimpansen war? Oder meinst Du, daß ein frühes Sapiensbaby, heute kulturell aufgezogen, intellektuell nah man modernen Sapiens wäre?

Das zweite. Was wir sind, sind wir wesentlich durch die Kultur in die wir hineingeboren werden. Nicht nur der zelig ist kultürlich. zwinkern
Ohne, dass ich da irgendwelche Prozentzahlen bemühen will, die ich auch für Humbug halte, weil wir ihr Wesen nicht verstehen: Der diesbezügliche genetische Unterschied zum Schimpansen kann übrigens nicht sehr groß sein, wie auch die sehr aufwändige Sprachversuche zeigen, die mit Schimpansen gemacht wurden. Aber Schimpansen fragen nicht. Du kannst ihnen mit viel Mühe sehr viel beibringen, aber sie machen keine eigene Tradition daraus. Das geteilte Interesse und damit eine andere Dimension des Sozialverhaltens gehört nicht zu ihrer Grundausstattung.

#134:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 08.11.2018, 11:27
    —
Critic hat folgendes geschrieben:
Ad Beitrag:

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Da ihr hier wesentlich Glaubensvorstellungen diskutiert, bin ich da raus.


Ja, wie könnte man das belegen, ob jemand denkt oder bloß einfachen Reiz-Reaktions-Schemata folgt respektive nur programmiert ist, irgendetwas zu tun? Ich weiß, daß ich nachdenke (wobei das aber auch eine Illusion sein könnte), aber ich kann das schon beim Menschen am Nachbartisch quasi nur via "Analogieschluß" annehmen, wenn er sich so verhält, als würde er nachdenken. Der "Analogieschluß" scheint beim Tier zumindest schwieriger zu sein. Wir könnten uns indessen in einen Tomographen schieben lassen und dabei irgendwelche Denkaufgaben lösen, und dann könnte man die Aktivitätsmuster vergleichen, bestimmte Vorgänge sind ja irgendwo im Gehirn verortet. Aber es könnte ja vielleicht auch Denkvorgänge geben, die ganz anders aussehen als beim Menschen - ein neuronales Netz hatte ich schon genannt, das vielleicht irgendwann die Fähigkeit zum "Denken" erlangen und dabei strukturell ganz anders aussehen könnte als ein Gehirn Am Kopf kratzen.

Die Interpretation der anderen Lebewesen sollte sinnvollerweise davon ausgehen, dass wir alle der selben Evolution entstammen und bis auf die Artmerkmale alle Fähigkeiten, die ein Individuum hat auf den Merkmalen seiner stammesgeschichtlichen Vorläufer beruhen. Die einfachsten Organismen lassen sich als sehr schlichte Automaten beschreiben, besonders Pflanzen, die über keine abstrakte Reizverarbeitung verfügen, sondern rein analog gesteuert werden.

In der Tierwelt haben wir eine zunehmende Komplexität der Reizwahrnehmung und der Möglichkeiten der Reaktion so wie ihrer Steuerung. Speziell vor dem Hintergrund der Evolution ist in der Interpretation des Verhaltens bzw. der Möglichkeiten seiner Steuerung Ockhams Razor das Maß aller Dinge.

#135:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 08.11.2018, 11:32
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
...
fwo hat folgendes geschrieben:
... Wir ändern die Nische nicht durch eine Änderung des angeborenen Verhaltens, sondern durch eine Änderung der Kultur, d.h. des tradierten Verhaltens und sind deshalb erheblich schneller in unserer Anpassung als Arten mit genetischer Verhaltenssteuerung. Um das zu ermöglichen brauchen wir allerdings eine Bindung des Nachwuchses an die Tradition, die trotz der fehlenden Genetik genügend Traditionssicherheit garantiert, um eine evolutionäre Selektion der Kultur zu ermöglichen.


Das kann ich nachvollziehen - allerdings wäre dazu meiner Meinung "nur" ein leistungsfähiges Gehirn notwendig, mit der Möglichkeit viel zu lernen, Aufmerksamkeit zu erzeugen usw., aber nicht unbedingt Bewußtheit. Es könnte sogar sein, daß ein Selbstmodell nötig ist, aber kein bewußtes Erleben.


Da sind wir allerdings im reinen Vermuten.
Was aber da bereits anders ist als bei anderen Primaten, ist, dass wir da schon einen anderen Umgang der Individuen miteinander haben, der nicht mehr nur durch das unmittelbare Befriedigen solcher alten Grundstimmungen wie Hunger, Sex, oder Territorialität bestimmt wird. Neugier ist ein uraltes Verhalten, aber selbst Schimpansen gucken nicht gezielt ab wie andere etwas machen. Was hier aber gefragt ist, ist nicht nur ein gezieltes Abgucken, sondern auch ein gezieltes Vormachen, eventuell Formen der Frage.


step fragt nach dem Nutzen von Bewusstheit. Deine Antwort geht völlig daran vorbei.

#136:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 08.11.2018, 12:03
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
...
step fragt nach dem Nutzen von Bewusstheit. Deine Antwort geht völlig daran vorbei.

Aber nur, wenn man es schafft, sie im Zustand der Bewusstlosigkeit zu lesen. Herzlichen Glückwunsch.

#137:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 08.11.2018, 12:45
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
...
step fragt nach dem Nutzen von Bewusstheit. Deine Antwort geht völlig daran vorbei.

Aber nur, wenn man es schafft, sie im Zustand der Bewusstlosigkeit zu lesen. Herzlichen Glückwunsch.

bravo

#138:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 08.11.2018, 17:20
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... wäre dazu meiner Meinung "nur" ein leistungsfähiges Gehirn notwendig, mit der Möglichkeit viel zu lernen, Aufmerksamkeit zu erzeugen usw., aber nicht unbedingt Bewußtheit. ...
... Was aber da bereits anders ist als bei anderen Primaten, ist, dass wir da schon einen anderen Umgang der Individuen miteinander haben, der nicht mehr nur durch das unmittelbare Befriedigen solcher alten Grundstimmungen wie Hunger, Sex, oder Territorialität bestimmt wird. Neugier ist ein uraltes Verhalten, aber selbst Schimpansen gucken nicht gezielt ab wie andere etwas machen. Was hier aber gefragt ist, ist nicht nur ein gezieltes Abgucken, sondern auch ein gezieltes Vormachen, eventuell Formen der Frage.

Nochmal: Warum sollte für diesen Schritt Bewußtheit notwendig sein? Genauso könnte es reichen, wenn das menschliche Gehirn einfach leistungsfähiger ist oder ein ganz bestimmte zusätzliche Eigenschaft hat. Zur Bewußtheit baust Du, wenn ich es richtig verstehe, folgende vermutete Kette auf:

Neugier --> gezieltes Fragen und Signal dafür --> Sprache --> abstraktes Denken --> Zukunftsprojektion des Individuums --> Bewusstsein.

Ich finde einige Schritte kausal gesehen extrem spekulativ.

Hältst Du es für möglich, daß man einen Menschen künstlich in einen Zustand bringt, in dem er komplexe Entscheidungen trifft, z.B. Schach spielt, ohne dabe bewußte Erlebnisse zu haben? Mich würde das nicht verwundern.

fwo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... Oder meinst Du, daß ein frühes Sapiensbaby, heute kulturell aufgezogen, intellektuell nah am modernen Sapiens wäre?
Das zweite. Was wir sind, sind wir wesentlich durch die Kultur in die wir hineingeboren werden.

Gut, da stimme ich zu.

#139:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 08.11.2018, 19:15
    —
step hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... wäre dazu meiner Meinung "nur" ein leistungsfähiges Gehirn notwendig, mit der Möglichkeit viel zu lernen, Aufmerksamkeit zu erzeugen usw., aber nicht unbedingt Bewußtheit. ...
... Was aber da bereits anders ist als bei anderen Primaten, ist, dass wir da schon einen anderen Umgang der Individuen miteinander haben, der nicht mehr nur durch das unmittelbare Befriedigen solcher alten Grundstimmungen wie Hunger, Sex, oder Territorialität bestimmt wird. Neugier ist ein uraltes Verhalten, aber selbst Schimpansen gucken nicht gezielt ab wie andere etwas machen. Was hier aber gefragt ist, ist nicht nur ein gezieltes Abgucken, sondern auch ein gezieltes Vormachen, eventuell Formen der Frage.

Nochmal: Warum sollte für diesen Schritt Bewußtheit notwendig sein? Genauso könnte es reichen, wenn das menschliche Gehirn einfach leistungsfähiger ist oder ein ganz bestimmte zusätzliche Eigenschaft hat. Zur Bewußtheit baust Du, wenn ich es richtig verstehe, folgende vermutete Kette auf:

Neugier --> gezieltes Fragen und Signal dafür --> Sprache --> abstraktes Denken --> Zukunftsprojektion des Individuums --> Bewusstsein.

Ich finde einige Schritte kausal gesehen extrem spekulativ.

Hältst Du es für möglich, daß man einen Menschen künstlich in einen Zustand bringt, in dem er komplexe Entscheidungen trifft, z.B. Schach spielt, ohne dabe bewußte Erlebnisse zu haben? Mich würde das nicht verwundern. ....

Ich kann Dir sogar eine Anekdote bringen, die ein Stück in diese Richtung geht - aber wie alle derartigen Selbstbeobachtungen mit Vorsicht zu genießen ist, schon allein, weil ungeklärt ist, inwieweit Träume Teil unseres Bewusstseins sind:
Ich hatte mal ein etwas komplexeres Problem in der Darstellung von Verteilungen mit unterschiedlicher Dichte, einer möglichst transparenten Form der Glättung, der Forderung der Maßstabsinvarianz usw. und es gab nichts zu kaufen, was da in meinem Sinne funktionierte. Da habe ich einige Tage drangesessen. Ich bin dann irgendwann nachts mit dem Gefühl, dass das die Lösung sei, aufgewacht. Ich habe den ganzen Mist kurz aufgeschrieben und hab eigentlich am nächsten Morgen nur eine Belustigung erwartet, aber es war tatsächlich eine funktionierende Lösung.

Ansonsten entspricht Deine Kette nicht dem, was ich geschrieben hatte, so hatte ich Neugier als etwas stammesgeschichtlich bereits älteres qualifiziert auch die Zukunftsprojektion ist, zumindest im kleinen Rahmen schon älter, wie der Hund zeigt.

Zukunftsprojektion des Individuums führt wahrscheinlich zu einfachen Formen des Bewusstseins - aber lange vor dem Menschen, von Notwendigkeit habe ich da nichts geschrieben.

Was wir beim Menschen neu finden, ist ein Verhaltensapparat für den Aufbau komplexer Traditionen, also Einigung auf ein gemeinsames Objekt, was ich als die erste Form der Frage charakterisiert habe, abgucken, unterweisen.

Hier tritt bereits Akkumulation auf.

Danach kommt irgendwann das Verhalten, für den Gegenstand des geteilten Interesses Lautsignale zu vereinbaren. Auch das ist neu, bis zum Menschen haben wir nur Stimmungsäußerungen. Da auch dieses Verhalten zur akkumulierbaren Tradition (=Kultur) gehört, entsteht so die Sprache. Und erst mit der wird abstraktes Denken, weitergehendes "Zeitreisen" (der Ausdruck stammt nicht von mir, sondern von Thomas Suddendorf) usw. möglich macht und damit zu einer Explosion des Bewusstseins führt.

Gemeinsames Denken in der Form wie wir es hier tun, oder Vorfahren in steinzeitlichen Siedlungen am gemeinsamen Feuer halte ich in der Tat ohne Bewusstsein und ohne abstrakte Sprache nicht für möglich.

Ansonsten: Natürlich ist das alles spekulativ. Es weiß keiner, wie es wirklich war, und wir werden das auch nie wissen. Ich kenne aber keine Spekulation, die sich mit den Mechanismen der Evolution besser in Einklang befindet, und das ist mein Maßstab. Wir sind hier in einem Gebiet, in dem es nicht mehr um Beweislage geht, sondern um die Stimmigkeit des Modells.

#140:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 09.11.2018, 00:23
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Zukunftsprojektion des Individuums führt wahrscheinlich zu einfachen Formen des Bewusstseins - aber lange vor dem Menschen, ...


Wo ist das der kausale Zusammenhang zwischen Zukunftsprojektionen und Bewusstsein? Warum soll dieser Zusammenhang wahrscheinlich sein?

fwo hat folgendes geschrieben:
... bis zum Menschen haben wir nur Stimmungsäußerungen. Da auch dieses Verhalten zur akkumulierbaren Tradition (=Kultur) gehört, entsteht so die Sprache. Und erst mit der wird abstraktes Denken, weitergehendes "Zeitreisen" (der Ausdruck stammt nicht von mir, sondern von Thomas Suddendorf) usw. möglich macht und damit zu einer Explosion des Bewusstseins führt.


Also beim Computer explodiert mit zunehmender Sprachfähigkeit und Fähigkeit zur Verarbeitung abstrakter Informationen keinerlei Bewusstsein.

Auch hier frage ich wieder: Wo ist der kausale Zusammenhang? Warum explodiere angeblich das Bewusstsein mit abstraktem Denken?

fwo hat folgendes geschrieben:
Gemeinsames Denken in der Form wie wir es hier tun, oder Vorfahren in steinzeitlichen Siedlungen am gemeinsamen Feuer halte ich in der Tat ohne Bewusstsein und ohne abstrakte Sprache nicht für möglich.


Das sind zwei verschiedene Sachen: gemeinsames Denken (was ist gemeinsames Denken eigentlich? Denkt nicht jeder für sich selbst?) und Lagerfeuerromantik. Das Herumsitzen um ein Feuer in der Steinzeit hatte übrigens weniger mit Romantik zu tun als mit solchen rationalen Beweggründen wie Raubtiere abzuschrecken, ansonsten Wärme zu liefern und eventuell Nahrung zu erwärmen. Warum braucht es dazu Bewusstsein?

fwo hat folgendes geschrieben:
Ansonsten: Natürlich ist das alles spekulativ. Es weiß keiner, wie es wirklich war, und wir werden das auch nie wissen. Ich kenne aber keine Spekulation, die sich mit den Mechanismen der Evolution besser in Einklang befindet, und das ist mein Maßstab. Wir sind hier in einem Gebiet, in dem es nicht mehr um Beweislage geht, sondern um die Stimmigkeit des Modells.


Innerlich stimmige Modelle können trotzdem falsch sein, wenn sie äußerlich, also mit den Tatsachen nicht stimmig sind.

Außerdem macht dein Text einen etwas aufgeblasenen Eindruck, nach dem Motto: "Ich habe zwar keine Ahnung, aber andere ja auch nicht."

Na ja, wer's braucht ...-

#141:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 09.11.2018, 01:05
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
....
fwo hat folgendes geschrieben:
Gemeinsames Denken in der Form wie wir es hier tun, oder Vorfahren in steinzeitlichen Siedlungen am gemeinsamen Feuer halte ich in der Tat ohne Bewusstsein und ohne abstrakte Sprache nicht für möglich.


Das sind zwei verschiedene Sachen: gemeinsames Denken (was ist gemeinsames Denken eigentlich? Denkt nicht jeder für sich selbst?) und Lagerfeuerromantik. Das Herumsitzen um ein Feuer in der Steinzeit hatte übrigens weniger mit Romantik zu tun als mit solchen rationalen Beweggründen wie Raubtiere abzuschrecken, ansonsten Wärme zu liefern und eventuell Nahrung zu erwärmen. Warum braucht es dazu Bewusstsein?....

Natürlich gibt es da immer welche, die das gemeinsame Denken nicht schaffen, die es nicht schaffen, mitzudenken. Aber Du brauchst deshalb keine Angst zu haben, die Post war nicht an Dich adressiert.

Dir ist in dem Absatz, auf den Du zu antworten geglaubt hast, übrigens ein Wort entgangen. Ich habe es gefettet. vielleicht kommst Du ja noch dahinter, was das in diesem Zusammenhang bedeutet.
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... Na ja, wer's braucht ...

Ja. Sowas gibt es. Hast Du im Moment den Blues?

#142:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 09.11.2018, 14:11
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Hältst Du es für möglich, daß man einen Menschen künstlich in einen Zustand bringt, in dem er komplexe Entscheidungen trifft, z.B. Schach spielt, ohne dabe bewußte Erlebnisse zu haben? ....
... [Ja + Anekdote]
fwo hat folgendes geschrieben:
... Und erst mit der [Sprache] wird abstraktes Denken, weitergehendes "Zeitreisen" ... usw. möglich macht und damit zu einer Explosion des Bewusstseins führt.
fwo hat folgendes geschrieben:
Gemeinsames Denken in der Form wie wir es hier tun, oder Vorfahren in steinzeitlichen Siedlungen am gemeinsamen Feuer halte ich in der Tat ohne Bewusstsein ... nicht für möglich.

Das sind aber doch 2 verschiedene Dinge:
1. eine Hypothese zur Notwendigkeit von Sprache / abstraktem Denken, sowie eine Hypothese zur (nicht notwendigen) Entstehung des Bewußtseins
2. eine Behauptung, das sei ohne Bewußtsein nicht möglich

Ich finde nach wie vor, zumindest (2.) ist in keiner Weise belegt oder auch nur sehr plausibel.

fwo hat folgendes geschrieben:
Natürlich ist das alles spekulativ. Es weiß keiner, wie es wirklich war, und wir werden das auch nie wissen. ...

Wie genau das alles entstanden ist, werden wir evtl. nie herausfinden. Ich denke jedoch, wir werden bald zumindest wissen, wie es heute funktioniert, bei Tier und Mensch. Wir wissen dann auch, was Bewußtsein ist, wozu es nötig ist und wozu nicht.

#143:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 09.11.2018, 14:24
    —
step hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Hältst Du es für möglich, daß man einen Menschen künstlich in einen Zustand bringt, in dem er komplexe Entscheidungen trifft, z.B. Schach spielt, ohne dabe bewußte Erlebnisse zu haben? ....
... [Ja + Anekdote]
fwo hat folgendes geschrieben:
... Und erst mit der [Sprache] wird abstraktes Denken, weitergehendes "Zeitreisen" ... usw. möglich macht und damit zu einer Explosion des Bewusstseins führt.
fwo hat folgendes geschrieben:
Gemeinsames Denken in der Form wie wir es hier tun, oder Vorfahren in steinzeitlichen Siedlungen am gemeinsamen Feuer halte ich in der Tat ohne Bewusstsein ... nicht für möglich.

Das sind aber doch 2 verschiedene Dinge:
1. eine Hypothese zur Notwendigkeit von Sprache / abstraktem Denken, sowie eine Hypothese zur (nicht notwendigen) Entstehung des Bewußtseins
2. eine Behauptung, das sei ohne Bewußtsein nicht möglich

Ich finde nach wie vor, zumindest (2.) ist in keiner Weise belegt oder auch nur sehr plausibel.
....

Wenn Du diese Diskussion bewusst verfolgt hast, ist Dir wahrscheinlich nicht entgangen, dass ich das miteinander über einen Gegenstand sprechen als gemeinsames Denken bezeichnet habe.

Wenn Du meinst, dass man ohne Bewusstsein in einem Forum miteinander diskutieren kann - das "hier" in meinem Satz hat eine Bedeutung, halte ich das für Dein Problem, nicht für meins.

Ansonsten hast Du meine Aussagen wieder verwurstet, ohne zu beachten, dass da eine Reihung vorliegt.

#144:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 09.11.2018, 15:28
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Hältst Du es für möglich, daß man einen Menschen künstlich in einen Zustand bringt, in dem er komplexe Entscheidungen trifft, z.B. Schach spielt, ohne dabe bewußte Erlebnisse zu haben? ....
... [Ja + Anekdote]
fwo hat folgendes geschrieben:
... Und erst mit der [Sprache] wird abstraktes Denken, weitergehendes "Zeitreisen" ... usw. möglich macht und damit zu einer Explosion des Bewusstseins führt.
fwo hat folgendes geschrieben:
Gemeinsames Denken in der Form wie wir es hier tun, oder Vorfahren in steinzeitlichen Siedlungen am gemeinsamen Feuer halte ich in der Tat ohne Bewusstsein ... nicht für möglich.

Das sind aber doch 2 verschiedene Dinge:
1. eine Hypothese zur Notwendigkeit von Sprache / abstraktem Denken, sowie eine Hypothese zur (nicht notwendigen) Entstehung des Bewußtseins
2. eine Behauptung, das sei ohne Bewußtsein nicht möglich

Ich finde nach wie vor, zumindest (2.) ist in keiner Weise belegt oder auch nur sehr plausibel.
....

Wenn Du diese Diskussion bewusst verfolgt hast, ist Dir wahrscheinlich nicht entgangen, dass ich das miteinander über einen Gegenstand sprechen als gemeinsames Denken bezeichnet habe.

Wenn Du meinst, dass man ohne Bewusstsein in einem Forum miteinander diskutieren kann - das "hier" in meinem Satz hat eine Bedeutung, halte ich das für Dein Problem, nicht für meins.

Ansonsten hast Du meine Aussagen wieder verwurstet, ohne zu beachten, dass da eine Reihung vorliegt.


Die strukturiert vorgetragenen Fragen von step hast du völlig unstruktiert, will sagen: gar nicht beantwortet.

Auch meine Interventionen haben daran leider nichts gebessert.

Und so stehen die Fragen weiterhin im Raum.

Die Kernfrage ist in der Tat die, was Bewusstsein eigentlich ist. Nur so kann man herausfinden, wofür es in einigen Zweigen der irdischen Evolutionsgeschichte nützlich war und ist.

Man sollte jedenfalls nicht verschiedene Dinge vermischen - etwa Intelligenz, abstraktes Denken, Sprache, Bewusstsein, Gruppendynamik, etc. Wäre etwa Bewusstsein ein Synonym für eines der anderen genannten Dinge bzw. einfach nur die *logische* Konsequenz daraus, so hätte man damit nicht ansatzweise eine Erklärung dieses Phänomens.

#145:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 10.11.2018, 11:11
    —
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Es macht aber das Gedankenspiel insofern wertlos, als daß implizit ein lebendes Gehirn vorausgesetzt wird, das überhaupt denken kann. Gegen den Vergleich mit einem isolierten, sprich toten Gehirn, hätte ich nichts einzuwenden, da das die 1:1 - Kopie wäre. Beide, das Original als auch die Kopie können nicht denken.

Wenn man ein natürlich ausgebildetes Gehirn insofern isolieren könnte, daß die für den Betrieb notwendigen Funktionen durch entsprechende Schnittstellen (z.B. Blutzu-/abfuhr) eine Zeitlang gewährleistet wären, würde es dann Deiner Ansicht nach weiterdenken?


Das isolierte biologische Gehirn könnte denken. Mein Einwand an der Stelle ist auch eher gegen eine simplifizierte Darstellung gerichtet, die letztlich doch die Differenz zwischen der Realität und ihrer Simulation vergisst. Wir hatten das schonmal diskutiert, wenn ich mich richtig erinnere.

#146:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 10.11.2018, 11:34
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
Angenommen, es wäre möglich, eine Kopie eines menschlichen Gehirns zu erstellen, die dann in einem Computer existiert, sich 1:1 so verhält wie der Mensch, dessen Gehirn man da gescannt hat. Man läßt beide dieselben Fragen beantworten und erhält dieselben Antworten. Könnte man der Kopie dennoch das Denken absprechen :hmm:?

Eine 1:1-Kopie kann ja p.d. keine abweichenden funktionalen Eigenschaften haben. Wer also so etwas trotzdem erwägt, muß annehmen, daß zu der Originalperson außer dem Gehirn noch etwas anderes gehört, das zum Denkprozeß wesentlich beiträgt, und das die 1:1 Kopie nicht hat. Was sollte das sein?

PS: Mir ist natürlich klar, daß die Computerkopie keine 1:1 Kopie (und erst recht keine Verhaltenskopie) sein kann, und zwar wegen der realen biologischen Anbindung des Gehirns. Aber ich gehe mal davon aus, daß dieser Punkt in bezug auf die o.g. Frage vernachlässigbar ist.


Es macht aber das Gedankenspiel insofern wertlos, als daß implizit ein lebendes Gehirn vorausgesetzt wird, das überhaupt denken kann. Gegen den Vergleich mit einem isolierten, sprich toten Gehirn, hätte ich nichts einzuwenden, da das die 1:1 - Kopie wäre. Beide, das Original als auch die Kopie können nicht denken.

Das ist jetzt allerdings ein fürchterlich schräges Bild, weil wir - völlig unabhängig davon, dass wir nicht wirklich wissen, wie das Gehirn als Datenverarbeitungsmaschine funktioniert, wissen, dass es Teil eines biologischen Apparates ist, dessen Energieversorgung nicht einfach an oder ausgeschaltet werden kann, sondern nur von seinem Primärstatus quasi als Bootprozess hochgefahren werden kann und unwiederbringlich zerstört wird, wenn ich ihn einmal angehalten habe.

Dass dieser Bootvorgang auch eine informatische Ebene hat, darauf will ich jetzt gar nicht eingehen.

Ich übersetze Dein Bild mal in eine geringfügig andere Umgebung:

Stelle Dir einfach einen modernen Computer in den Händen von Steinzeitmenschen vor, die ihn nicht mit Strom versorgen können und schon ist klar, dass Datenverarbeitung in denen nie und nimmer funktionieren kann. Zumindest läuft Deine Argumentation so.


Einiges stimmt, anderes nicht. Das Gehirn ist keine Datenverarbeitungsmaschine. Aber ich habe kein Problem damit zu sagen, daß im Gehirn Daten verarbeitet werden. Den Unterschied zwischen unseren Auffassungen macht, daß Du es (aus meiner Sicht) darauf reduzierst. Während ich eher eine holistische Sichtweise habe, die das Gehirn vom Körper nicht wirklich trennen kann. Es ist keine isolierte Kommandozentrale. Es erzeugt beispielsweise ausserhalb des Schädels, aber im Körper Signale, die in das Bewußtsein einfließen, und somit Auswirkung auf unser Verhalten hat. Die kämpferische Sprache, die viele spekulative Voraussetzungen macht wirkt wie eine Privatsprache. Aber das hatten wir auch bereits.

fwo hat folgendes geschrieben:
Implizit gehst Du davon aus, dass wir uns zwar an alte Reizmuster erinnern können, aber dass das nichts mit Daten zu tun hat. Denn wenn Denken etwas mit Daten zu tun hat, stellt es eine Art Datenverarbeitung dar, die zumindest theoretisch auch 1:1 nachbildbar sein muss, auch auf einer anderen Architektur und einem anderen System.


Ich finde ich bin nur etwas zurückhaltender als Du. Faktische Behauptungen zu ungeklärten Fragen wirst Du bei mir nicht finden.

#147:  Autor: VanHanegem BeitragVerfasst am: 10.11.2018, 13:18
    —
step hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
... auch wenn dann letztlich ein Teil davon "automatisiert im Unbewussten" abläuft.

- Wieso eigentlich nur "ein Teil"? Hast Du ein Argument, daß das bewußte Erleben wesentlich an einer Entscheidung mitwirkt?
- Und was meinst Du mit "automatisiert"? Ist das = deterministisch? Inwiefern sind bewußte Vorgänge weniger "automatisiert"?

gibts eine nette Satire von Hirschhausen dazu, der beschreibt, wie die tatsächliche entscheidung für den Griff zur Zigarette auf endorphinebene abläuft und von der Großhirnrinde als Sprecher des Gehirns (ohne an den tatsächlichen Enscheidungen beteiligt zu sein) nach außen vertreten wird mit "weil's schmeckt"

#148:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 10.11.2018, 15:34
    —
VanHanegem hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
... auch wenn dann letztlich ein Teil davon "automatisiert im Unbewussten" abläuft.

- Wieso eigentlich nur "ein Teil"? Hast Du ein Argument, daß das bewußte Erleben wesentlich an einer Entscheidung mitwirkt?
- Und was meinst Du mit "automatisiert"? Ist das = deterministisch? Inwiefern sind bewußte Vorgänge weniger "automatisiert"?

gibts eine nette Satire von Hirschhausen dazu, der beschreibt, wie die tatsächliche entscheidung für den Griff zur Zigarette auf endorphinebene abläuft und von der Großhirnrinde als Sprecher des Gehirns (ohne an den tatsächlichen Enscheidungen beteiligt zu sein) nach außen vertreten wird mit "weil's schmeckt"


Das isses.

#149:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 10.11.2018, 16:17
    —
Könnte es sein, daß einige hier schrieben, ohne daß ihr Bewußtsein daran mitwirkt? zwinkern

#150:  Autor: Lebensnebel BeitragVerfasst am: 10.11.2018, 16:31
    —
Könnte man Drogenkonsum als Test für Bewusstsein einsetzen? Würde sich jemand ohne Bewusstsein "zudröhnen"?

#151:  Autor: narr BeitragVerfasst am: 10.11.2018, 21:01
    —
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
...Würde sich jemand ohne Bewusstsein "zudröhnen"?

und das geschieht anscheinend alle Jahre wieder

#152:  Autor: Lebensnebel BeitragVerfasst am: 10.11.2018, 21:04
    —
narr hat folgendes geschrieben:
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
...Würde sich jemand ohne Bewusstsein "zudröhnen"?

und das geschieht anscheinend alle Jahre wieder


Wahrscheinlich, weil die Tiere Bewusstsein haben.

#153:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 10.11.2018, 21:09
    —
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
narr hat folgendes geschrieben:
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
...Würde sich jemand ohne Bewusstsein "zudröhnen"?

und das geschieht anscheinend alle Jahre wieder


Wahrscheinlich, weil die Tiere Bewusstsein haben.


Höchstwahrscheinlich weil sich diese Tiere von Menschen auch in diesem Punkt nur graduell unterscheiden, wenn überhaupt.

#154:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 11.11.2018, 04:09
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
narr hat folgendes geschrieben:
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
...Würde sich jemand ohne Bewusstsein "zudröhnen"?

und das geschieht anscheinend alle Jahre wieder


Wahrscheinlich, weil die Tiere Bewusstsein haben.


Höchstwahrscheinlich weil sich diese Tiere von Menschen auch in diesem Punkt nur graduell unterscheiden, wenn überhaupt.

Weiß nicht. Bin skeptisch.

- Ich denke, die Früchte werden ab Beginn der Reife gefressen, solange es sie gibt. Auf die Fermentation wartet kein hungriges Tier. Der Alkoholrausch wäre dann nur ein zufälliger Nebeneffekt und nicht absichtlich herbeigeführt.
- "fermentiert im Körper". Hmm. Ist die Verdauung nicht schneller?
- Wieviel Alkohol braucht es, um ein Tier von 500 kg oder gar einen Elephanten blau zu machen?
- Die Montage des Filmschnippsel schreit FAKE.

#155:  Autor: VanHanegem BeitragVerfasst am: 11.11.2018, 11:54
    —
smallie hat folgendes geschrieben:

- Ich denke, die Früchte werden ab Beginn der Reife gefressen, solange es sie gibt. Auf die Fermentation wartet kein hungriges Tier. Der Alkoholrausch wäre dann nur ein zufälliger Nebeneffekt und nicht absichtlich herbeigeführt.

Aber ein hungriges (oder auch nicht so hungriges) Tier kann eine Auswahl treffen zwischen den Früchten zu Beginn der Reife und denen, an der Schnittstelle zwischen Reife und Fäulnis. Wie die Auswahl ausfällt wird - wie übrigens auch beim Menschen - auf Endorphinebene geklärt. Das bringt uns dann wieder zu Hirschhausen.

#156:  Autor: AhrimanWohnort: 89250 Senden BeitragVerfasst am: 11.11.2018, 13:50
    —
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Könnte es sein, daß einige hier schrieben, ohne daß ihr Bewußtsein daran mitwirkt? zwinkern

Das ist doch keine Kunst.
Mit vollem Mund zu reden ist ungezogen. Mit leerem Kopf dagegen ist es durchaus üblich.


Glaubt ihr, der war bei vollem Bewußtsein?

Übergroßes Bild durch ein identisch kleineres ersetzt. vrolijke

#157:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 11.11.2018, 14:09
    —
Ahriman hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Könnte es sein, daß einige hier schrieben, ohne daß ihr Bewußtsein daran mitwirkt? zwinkern

Das ist doch keine Kunst.
Mit vollem Mund zu reden ist ungezogen. Mit leerem Kopf dagegen ist es durchaus üblich.
[Bild]
Glaubt ihr, der war bei vollem Bewußtsein?


Ich meinte allerdings nicht die üblichen Verdächtigen, die man tagtäglich auf der Straße beobachten kann, sondern durchaus einige von denen, die hier schreiben. Smilie

#158:  Autor: Lebensnebel BeitragVerfasst am: 11.11.2018, 15:34
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
narr hat folgendes geschrieben:
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
...Würde sich jemand ohne Bewusstsein "zudröhnen"?

und das geschieht anscheinend alle Jahre wieder


Wahrscheinlich, weil die Tiere Bewusstsein haben.


Höchstwahrscheinlich weil sich diese Tiere von Menschen auch in diesem Punkt nur graduell unterscheiden, wenn überhaupt.

Weiß nicht. Bin skeptisch.

- Ich denke, die Früchte werden ab Beginn der Reife gefressen, solange es sie gibt. Auf die Fermentation wartet kein hungriges Tier. Der Alkoholrausch wäre dann nur ein zufälliger Nebeneffekt und nicht absichtlich herbeigeführt.
- "fermentiert im Körper". Hmm. Ist die Verdauung nicht schneller?
- Wieviel Alkohol braucht es, um ein Tier von 500 kg oder gar einen Elephanten blau zu machen?
- Die Montage des Filmschnippsel schreit FAKE.


Fake ist es wohl nicht, aber es könnte die falsche Erklärung sein.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/alkoholkonsum-bei-tieren-am-tresen-mit-primaten-a-1103712.html
Zitat:
Und was die Marula-Früchte aus dem Film "Die lustige Welt der Tiere" angeht: Einige Forscher vermuten, dass der geringe Alkoholgehalt von nur etwa drei Prozent Elefanten und Giraffen kaum betrunken gemacht haben dürfte. Der Rausch ging wohl eher vom Gift einer in der Baumrinde vorkommenden Käferpuppe aus. "Denn die Elefanten müssten sonst unglaubliche Mengen der Früchte verzehren, um bei ihrer Masse einen Effekt zu spüren", sagt Ludwig. Zudem sei bekannt, dass die Tiere die Rinde der Bäume essen.

#159:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 11.11.2018, 16:58
    —
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
narr hat folgendes geschrieben:
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
...Würde sich jemand ohne Bewusstsein "zudröhnen"?

und das geschieht anscheinend alle Jahre wieder


Wahrscheinlich, weil die Tiere Bewusstsein haben.


Höchstwahrscheinlich weil sich diese Tiere von Menschen auch in diesem Punkt nur graduell unterscheiden, wenn überhaupt.

Weiß nicht. Bin skeptisch.

- Ich denke, die Früchte werden ab Beginn der Reife gefressen, solange es sie gibt. Auf die Fermentation wartet kein hungriges Tier. Der Alkoholrausch wäre dann nur ein zufälliger Nebeneffekt und nicht absichtlich herbeigeführt.
- "fermentiert im Körper". Hmm. Ist die Verdauung nicht schneller?
- Wieviel Alkohol braucht es, um ein Tier von 500 kg oder gar einen Elephanten blau zu machen?
- Die Montage des Filmschnippsel schreit FAKE.


Fake ist es wohl nicht, aber es könnte die falsche Erklärung sein.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/alkoholkonsum-bei-tieren-am-tresen-mit-primaten-a-1103712.html
Zitat:
Und was die Marula-Früchte aus dem Film "Die lustige Welt der Tiere" angeht: Einige Forscher vermuten, dass der geringe Alkoholgehalt von nur etwa drei Prozent Elefanten und Giraffen kaum betrunken gemacht haben dürfte. Der Rausch ging wohl eher vom Gift einer in der Baumrinde vorkommenden Käferpuppe aus. "Denn die Elefanten müssten sonst unglaubliche Mengen der Früchte verzehren, um bei ihrer Masse einen Effekt zu spüren", sagt Ludwig. Zudem sei bekannt, dass die Tiere die Rinde der Bäume essen.


Aber da torkeln ja auch noch andere Tiere herum: Paviane, Vogel Strauß, ein Warzenschein. Und die fressen ja keine Rinde.

Die Filmaufnahmen selbst müssen kein Fake sein, aber bei den großen Tieren kann (auch) die Rinde eine Rolle spielen.

Die Frage bleibt dennoch, ob einige Tiere den Rausch suchen oder ihn lediglich als unbeabsichtigte Nebenwirkung in Kauf nehmen.

Man muss ja auch sagen, dass es für bestimmte Wildtiere schnell tödlich werden kann, wenn sie besoffen in der Ecke hängen, während Kollege Löwe auf Streife geht ...-

#160:  Autor: Lebensnebel BeitragVerfasst am: 11.11.2018, 17:44
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
narr hat folgendes geschrieben:
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
...Würde sich jemand ohne Bewusstsein "zudröhnen"?

und das geschieht anscheinend alle Jahre wieder


Wahrscheinlich, weil die Tiere Bewusstsein haben.


Höchstwahrscheinlich weil sich diese Tiere von Menschen auch in diesem Punkt nur graduell unterscheiden, wenn überhaupt.

Weiß nicht. Bin skeptisch.

- Ich denke, die Früchte werden ab Beginn der Reife gefressen, solange es sie gibt. Auf die Fermentation wartet kein hungriges Tier. Der Alkoholrausch wäre dann nur ein zufälliger Nebeneffekt und nicht absichtlich herbeigeführt.
- "fermentiert im Körper". Hmm. Ist die Verdauung nicht schneller?
- Wieviel Alkohol braucht es, um ein Tier von 500 kg oder gar einen Elephanten blau zu machen?
- Die Montage des Filmschnippsel schreit FAKE.


Fake ist es wohl nicht, aber es könnte die falsche Erklärung sein.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/alkoholkonsum-bei-tieren-am-tresen-mit-primaten-a-1103712.html
Zitat:
Und was die Marula-Früchte aus dem Film "Die lustige Welt der Tiere" angeht: Einige Forscher vermuten, dass der geringe Alkoholgehalt von nur etwa drei Prozent Elefanten und Giraffen kaum betrunken gemacht haben dürfte. Der Rausch ging wohl eher vom Gift einer in der Baumrinde vorkommenden Käferpuppe aus. "Denn die Elefanten müssten sonst unglaubliche Mengen der Früchte verzehren, um bei ihrer Masse einen Effekt zu spüren", sagt Ludwig. Zudem sei bekannt, dass die Tiere die Rinde der Bäume essen.


Aber da torkeln ja auch noch andere Tiere herum: Paviane, Vogel Strauß, ein Warzenschein. Und die fressen ja keine Rinde.

Die Filmaufnahmen selbst müssen kein Fake sein, aber bei den großen Tieren kann (auch) die Rinde eine Rolle spielen.

Die Frage bleibt dennoch, ob einige Tiere den Rausch suchen oder ihn lediglich als unbeabsichtigte Nebenwirkung in Kauf nehmen.

Man muss ja auch sagen, dass es für bestimmte Wildtiere schnell tödlich werden kann, wenn sie besoffen in der Ecke hängen, während Kollege Löwe auf Streife geht ...-


Schimpansen und Meerkatzen suchen den Rausch.
https://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article142232773/Die-Alkoholexzesse-der-wilden-Schimpansen.html
Zitat:
In Guinea werden Raphiapalmen angeritzt, um den Saft in Behältern zu sammeln, wo er zu gären beginnt. Das verleitet dort lebende Schimpansen zu Saufgelagen. Forscher berichten von Alkoholexzessen.

Zitat:
Hockings und Kollegen verweisen auch auf Beobachtungen auf der Karibikinsel St. Kitts, wo eingeschleppte Westliche Grünmeerkatzen (Chlorocebus sabaeus) sich Cocktails von Touristen schnappen.

#161:  Autor: DonMartin BeitragVerfasst am: 11.11.2018, 23:50
    —
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:

Zitat:
Der Rausch ging wohl eher vom Gift einer in der Baumrinde vorkommenden Käferpuppe aus. "Denn die Elefanten müssten sonst unglaubliche Mengen der Früchte verzehren, um bei ihrer Masse einen Effekt zu spüren", sagt Ludwig. Zudem sei bekannt, dass die Tiere die Rinde der Bäume essen.

Kopfkino:
worse, wie er Rinde von den Bäumen kratzt, um an Drogenkäfer zu kommen.

(scnr)

#162:  Autor: swifty BeitragVerfasst am: 12.11.2018, 10:13
    —
DonMartin hat folgendes geschrieben:
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:

Zitat:
Der Rausch ging wohl eher vom Gift einer in der Baumrinde vorkommenden Käferpuppe aus. "Denn die Elefanten müssten sonst unglaubliche Mengen der Früchte verzehren, um bei ihrer Masse einen Effekt zu spüren", sagt Ludwig. Zudem sei bekannt, dass die Tiere die Rinde der Bäume essen.

Kopfkino:
worse, wie er Rinde von den Bäumen kratzt, um an Drogenkäfer zu kommen.

(scnr)

Lachen Gröhl...


Nein, im Ernst: würd ich machen. skeptisch

#163:  Autor: AhrimanWohnort: 89250 Senden BeitragVerfasst am: 12.11.2018, 12:56
    —
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ahriman hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Könnte es sein, daß einige hier schrieben, ohne daß ihr Bewußtsein daran mitwirkt? zwinkern

Das ist doch keine Kunst.
Mit vollem Mund zu reden ist ungezogen. Mit leerem Kopf dagegen ist es durchaus üblich.
[Bild]
Glaubt ihr, der war bei vollem Bewußtsein?


Ich meinte allerdings nicht die üblichen Verdächtigen, die man tagtäglich auf der Straße beobachten kann, sondern durchaus einige von denen, die hier schreiben. Smilie

Da hab ich selber auch schon dazugehört...

#164:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 12.11.2018, 13:25
    —
Ahriman hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ahriman hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Könnte es sein, daß einige hier schrieben, ohne daß ihr Bewußtsein daran mitwirkt? zwinkern

Das ist doch keine Kunst.
Mit vollem Mund zu reden ist ungezogen. Mit leerem Kopf dagegen ist es durchaus üblich.
[Bild]
Glaubt ihr, der war bei vollem Bewußtsein?


Ich meinte allerdings nicht die üblichen Verdächtigen, die man tagtäglich auf der Straße beobachten kann, sondern durchaus einige von denen, die hier schreiben. Smilie

Da hab ich selber auch schon dazugehört...

Wer nicht? Aber ich verfolge nun schon einige Jahre, was du schreibst. Du nimmst einiges nicht so ernst, hältst dich aus Debatten raus, in denen die Haare ziemlich dünn gespalten werden, hast zu einigem einen (vielleicht auch altersbedingten) größeren Abstand, aber konstant Stuß schreibst du nicht. Was du schreibst, hat Hand und Fuß und angenehm zu lesen ist es auch. Das ist mehr, als man von anderen sagen kann.

#165:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 12.12.2018, 02:27
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
Angenommen, es wäre möglich, eine Kopie eines menschlichen Gehirns zu erstellen, die dann in einem Computer existiert, sich 1:1 so verhält wie der Mensch, dessen Gehirn man da gescannt hat. Man läßt beide dieselben Fragen beantworten und erhält dieselben Antworten. Könnte man der Kopie dennoch das Denken absprechen Am Kopf kratzen?

Eine 1:1-Kopie kann ja p.d. keine abweichenden funktionalen Eigenschaften haben. Wer also so etwas trotzdem erwägt, muß annehmen, daß zu der Originalperson außer dem Gehirn noch etwas anderes gehört, das zum Denkprozeß wesentlich beiträgt, und das die 1:1 Kopie nicht hat. Was sollte das sein?

PS: Mir ist natürlich klar, daß die Computerkopie keine 1:1 Kopie (und erst recht keine Verhaltenskopie) sein kann, und zwar wegen der realen biologischen Anbindung des Gehirns. Aber ich gehe mal davon aus, daß dieser Punkt in bezug auf die o.g. Frage vernachlässigbar ist.


Es macht aber das Gedankenspiel insofern wertlos, als daß implizit ein lebendes Gehirn vorausgesetzt wird, das überhaupt denken kann. Gegen den Vergleich mit einem isolierten, sprich toten Gehirn, hätte ich nichts einzuwenden, da das die 1:1 - Kopie wäre. Beide, das Original als auch die Kopie können nicht denken.

Das ist jetzt allerdings ein fürchterlich schräges Bild, weil wir - völlig unabhängig davon, dass wir nicht wirklich wissen, wie das Gehirn als Datenverarbeitungsmaschine funktioniert, wissen, dass es Teil eines biologischen Apparates ist, dessen Energieversorgung nicht einfach an oder ausgeschaltet werden kann, sondern nur von seinem Primärstatus quasi als Bootprozess hochgefahren werden kann und unwiederbringlich zerstört wird, wenn ich ihn einmal angehalten habe.

Dass dieser Bootvorgang auch eine informatische Ebene hat, darauf will ich jetzt gar nicht eingehen.

Ich übersetze Dein Bild mal in eine geringfügig andere Umgebung:

Stelle Dir einfach einen modernen Computer in den Händen von Steinzeitmenschen vor, die ihn nicht mit Strom versorgen können und schon ist klar, dass Datenverarbeitung in denen nie und nimmer funktionieren kann. Zumindest läuft Deine Argumentation so.


Einiges stimmt, anderes nicht. Das Gehirn ist keine Datenverarbeitungsmaschine. Aber ich habe kein Problem damit zu sagen, daß im Gehirn Daten verarbeitet werden. Den Unterschied zwischen unseren Auffassungen macht, daß Du es (aus meiner Sicht) darauf reduzierst. Während ich eher eine holistische Sichtweise habe, die das Gehirn vom Körper nicht wirklich trennen kann. Es ist keine isolierte Kommandozentrale. Es erzeugt beispielsweise ausserhalb des Schädels, aber im Körper Signale, die in das Bewußtsein einfließen, und somit Auswirkung auf unser Verhalten hat. Die kämpferische Sprache, die viele spekulative Voraussetzungen macht wirkt wie eine Privatsprache. Aber das hatten wir auch bereits.

fwo hat folgendes geschrieben:
Implizit gehst Du davon aus, dass wir uns zwar an alte Reizmuster erinnern können, aber dass das nichts mit Daten zu tun hat. Denn wenn Denken etwas mit Daten zu tun hat, stellt es eine Art Datenverarbeitung dar, die zumindest theoretisch auch 1:1 nachbildbar sein muss, auch auf einer anderen Architektur und einem anderen System.


Ich finde ich bin nur etwas zurückhaltender als Du. Faktische Behauptungen zu ungeklärten Fragen wirst Du bei mir nicht finden.

Nein, Du bist nicht zurückhaltender, Du wirfst eine Nebelbombe, auch wenn Du das schöne ganzheitlich, das hier gerne mit Gelächter quittiert wird, zur Sicherheit durch das synonyme holistisch ersetzt.

Es ist klar, dass ich mich mit meinem Bild auf den Teilbereich des Systems Mensch beschränkt habe, der den entscheidenden Fehler Deines Bildes zeigt, wenn Du sagst, dass das tote Gehirn schließlich auch nicht funktioniert - auf die Energieversorgung.
Das das System Mensch in seiner Steuerung erheblich komplexer ist als das System PC, da brauchen wir uns eigentlich nicht darüber zu unterhalten, ich komme schließlich aus der Zoologie, aber ich zähle die Unterschiede trotzdem gerne einmal auf:
Ein PC hat eine Hardware die aus Prozessor und einem Arbeitsspeicher, externem Speicher (Festplatte), Anzeige und mehreren und Eingabekanälen besteht - energetisch wird das elektrisch versorgt. Selbstdiagnose beschränkt sich auf diese Hardware und auf das Feststellen der ausreichenden Energie - wenn die aus einem Akku kommt, wird der (Lade-)Zustand des Akkus geprüft und es gibt eine geregeltes Herunterfahren bei drohendem Akku-Leerstand. Wenn wir uns also eine Rechenmaschin ansehen, dann ist das eine Maschine, die nur minimale Rechenressourcen für die Hardware einsetzt und im Wesentlichen ihre Rechenleistung für irgendwelche Anwendungen zur Verfügung stellt.

Das System Mensch auch nur ähnlich oberflächlich zu beschreiben, würde die erträgliche Größe eines Beitrags sprengen, ich mache es deshalb etwas anders: Weil dieses System ein Produkt der biologischen (die kulturelle behalten wir uns für später vor) Evolution ist, haben wir hier einen Säugetierkörper in seiner Selbsterhaltung zu steuern. Das bedeutet, dass wir mehrere Steuersysteme haben, die teils unabhängig von einander funktionieren, aber trotzdem miteinander verzahnt sind, da sind an erster Stellen Hormonsystem und Nervensystem zu nennen. Die Steuerung eines biologischen Systems hat dabei natürlich die erheblich aufwändigere Hardware im Auge zu behalten und hat dabei viel mehr Kanäle zu überwachen, die sich in der Weise in den Vordergrund schieben können, wie etwa die Akku-Verwaltung eines Laptops. So ist z.B. die Lunge direkt am Denken beteiligt, was man z.B. daran sehen kann, dass bei Menschen mit insuffizienter Atmung auch das Denken schlechter wird und sei es nur, weil weniger Sauerstoff im Gehirn ankommt. Auch der Magen denkt mit, was schon lange bekannt ist und im Volksmund als "ein voller Bauch studiert nicht gern" transportiert wird.

Auf der anderen Seite unterhalten wir uns hier nicht über die Verwaltung der Hardwareumgebung, sondern wir unterhalten uns über Prozesse, in denen aus Informationen, die von ganz außerhalb kommen abstrakt verarbeitet und über den Zwischenprozess der Bewertung in Entscheidungen münden, eben das, was wir normalerweise Denken nennen. Und das Denken, das kommunizierbar ist, läuft in Sprache ab: Was z.B. Kant in seinen Büchern transportiert, sind seine Gedanken. Das Gehirn verwaltet zwar erheblich mehr als unsere Gedanken - nur nebenbei: auch dabei bleibt es ein Datenverarbeitungsapparat, denn etwas anderes als Daten kommt bei diesem Organ über die unterschiedlichen Reizleitungskanäle nicht an - aber wenn wir versuchen wollen das menschliche Denken nachzubilden, müssen wir dann wirklich auch die Verwaltung von Blase und Mastdarm mit nachbilden, um die Qualität menschlichen Denkens, das von einer vollen Blase genauso beeinflusst wird wie von einem vollen Mastdarm oder einem leeren Magen, wirklich zu erreichen?

Ist es zur Nachbildung menschlichen Denkens wirklich wichtig, dass wir es durch Kitzeln unterbrechen können, oder mehr oder weniger gezielt verändern können, indem wir Alkohol oder andere Chemikalien von Hormonen bis zu Speed in den Rechner kippen?

Ja, das menschliche Gehirn macht erheblich mehr als Denken, aber dass der Prozess des Denkens nur in biologischer Umgebung möglich ist, hast Du mit dem Hinweis auf die Ganzheitlichkeit Deines Denkens nicht einmal ansatzweise belegt.

#166:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 12.12.2018, 09:51
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Ist es zur Nachbildung menschlichen Denkens wirklich wichtig, dass wir es durch Kitzeln unterbrechen können, oder mehr oder weniger gezielt verändern können, indem wir Alkohol oder andere Chemikalien von Hormonen bis zu Speed in den Rechner kippen?


Um genau zu sein, es ist nicht wichtig für die Nachbildung. Nur für die Gleichsetzung.

fwo hat folgendes geschrieben:
Ja, das menschliche Gehirn macht erheblich mehr als Denken, aber dass der Prozess des Denkens nur in biologischer Umgebung möglich ist, hast Du mit dem Hinweis auf die Ganzheitlichkeit Deines Denkens nicht einmal ansatzweise belegt.


Sowas habe ich hoffentlich nicht behauptet. Ich plädiere nur für Zurückhaltung vor der These, KI und Gehirn seien funktional identisch.

#167:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 12.12.2018, 10:38
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Ist es zur Nachbildung menschlichen Denkens wirklich wichtig, dass wir es durch Kitzeln unterbrechen können, oder mehr oder weniger gezielt verändern können, indem wir Alkohol oder andere Chemikalien von Hormonen bis zu Speed in den Rechner kippen?


Um genau zu sein, es ist nicht wichtig für die Nachbildung. Nur für die Gleichsetzung.

fwo hat folgendes geschrieben:
Ja, das menschliche Gehirn macht erheblich mehr als Denken, aber dass der Prozess des Denkens nur in biologischer Umgebung möglich ist, hast Du mit dem Hinweis auf die Ganzheitlichkeit Deines Denkens nicht einmal ansatzweise belegt.


Sowas habe ich hoffentlich nicht behauptet. Ich plädiere nur für Zurückhaltung vor der These, KI und Gehirn seien funktional identisch.

Dann ist Dein Widerspruch zu mir allerdings unverständlich: Diese Identität kann niemand behaupten, denn die maschinelle Nachbildung menschlichen Denkens ist im Gegensatz zum Menschlichen Denken keine Tatsache, sondern ein Projekt.

Aber es kann dabei nur um die funktionale Nachbildung einer Ebene der menschlichen Datenverarbeitung gehen, nicht um die Funktion eines Gehirns in seiner Gesamtheit, das natürlich die Steuerung des Verhaltens des gesamten biologischen Apparates einschließlich seines Aufbaus, seiner Erhaltung und seiner Fortpflanzung besorgt. Das sind Aufgabenkreise, die die Maschine nicht hat. Insofern könnte eine Maschine klarer denken als Menschen, weil bei ihr z.B. die Gefahr nicht bestünde, dass die Gedanken sich beim Anblick eines schönen Weibes oder sogar nur dicker Möpse in Nichts auflösen. Aus der Sicht des Denkens sprechen wir da aber von einer Fehleranfälligkeit, die der evolutionäre Apparat haben muss, die maschinell nachzubilden der reine Blödsinn wäre. Diese besondere Qualität des menschlichen Denkens kann nicht sinnvoll in der Zielsetzung einer Nachbildung sein.

#168:  Autor: matzemühler BeitragVerfasst am: 13.12.2018, 11:52
    —
Ich bin der festen Überzeugung, dass auch Tiere denken können. Bei manchen Arten ist das Gehirn ggf. weiter ausgeprägt als bei anderen. Hunde und Affen sind von der Entwicklungsstufe sehr weit.
Würden Tiere nicht wirklich denken können, wären ihre Arten schon längst ausgestorben.

#169:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 13.12.2018, 12:10
    —
matzemühler hat folgendes geschrieben:
Ich bin der festen Überzeugung, dass auch Tiere denken können. Bei manchen Arten ist das Gehirn ggf. weiter ausgeprägt als bei anderen. Hunde und Affen sind von der Entwicklungsstufe sehr weit.
Würden Tiere nicht wirklich denken können, wären ihre Arten schon längst ausgestorben.

Definiere Denken.

#170:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 13.12.2018, 17:09
    —
Bei "funktional identisch" ist auch immer die Frage, auf welcher Ebene. Ein Herd und ein Feuer sind funktional identisch auf der Ebene des Erhitzens / Kochens von Speisen, teiweise identisch auf der Ebene der Umwandlung von Energie in Wärme, und funktional unterschiedlich auf der Ebene des Energiezufuhr, des Wärmetransports usw.

Ich erwarte, daß eine KI funktional identisch mit einem Gehirn sein könnte auf Ebenen wie: Mustererkennung, Abstraktion, logisches Schlußfolgern, Sprache, kreative Prozesse, sowie auch Ausbildung eines Selbstbildes und Theory of Mind. Eventuell auch bestimmte abstrakte Aspekte eines neuronalen Netzwerks.

Und ich denke nicht, daß man sich - etwa bei der ethischen Personalitätsfrage - einfach auf die zweifellos vorhandenen funktional wesentlich unterschiedlichen Ebenen berufen kann.

#171:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 13.12.2018, 17:14
    —
step hat folgendes geschrieben:
....
Und ich denke nicht, daß man sich - etwa bei der ethischen Personalitätsfrage - einfach auf die zweifellos vorhandenen funktional wesentlich unterschiedlichen Ebenen berufen kann.

Ich weiß leider nicht, worauf Du Dich mit dieser Aussage beziehst.

#172:  Autor: AhrimanWohnort: 89250 Senden BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 12:20
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
....
Und ich denke nicht, daß man sich - etwa bei der ethischen Personalitätsfrage - einfach auf die zweifellos vorhandenen funktional wesentlich unterschiedlichen Ebenen berufen kann.

Ich weiß leider nicht, worauf Du Dich mit dieser Aussage beziehst.

Vielleicht ist gemeint, daß es puttegal ist, wie und auf welche Weise eine KI denkt, selbst wenn sie ein Zahnradgetriebe hätte, Hauptsache sie denkt.

#173:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 12:47
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
matzemühler hat folgendes geschrieben:
Ich bin der festen Überzeugung, dass auch Tiere denken können. Bei manchen Arten ist das Gehirn ggf. weiter ausgeprägt als bei anderen. Hunde und Affen sind von der Entwicklungsstufe sehr weit.
Würden Tiere nicht wirklich denken können, wären ihre Arten schon längst ausgestorben.


Definiere Denken.


Denken ist u.a. die Fähigkeit, aus Regelmäßigkeiten Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, zu formulieren und ggf. praktisch anzuwenden.

Hatte letztens etwas zu IQ-Tests mit Waschbären gelesen. Die kleinen Racker waren ganz gut, was das Rankommen an ein Leckerli betrifft. Smilie

#174:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 19:19
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
.... Und ich denke nicht, daß man sich - etwa bei der ethischen Personalitätsfrage - einfach auf die zweifellos vorhandenen funktional wesentlich unterschiedlichen Ebenen berufen kann.
Ich weiß leider nicht, worauf Du Dich mit dieser Aussage beziehst.

Man liest häufig den Argumentationsversuch, daß KIs keine ethischen Subjekte sein könnten, weil sie auf bestimmten Ebenen anders funktionierten als menschliche Personen. Ich wollte hier zum Ausdruck bringen, daß nicht alle funktionalen Ebenen für diese Frage relevant sind, sondern nur die, die ethische Kategorien hervorbringen. Wenn eine KI also ein Konzept davon hat oder ausbildet, was gut oder nützlich ist, und was anderen schadet, und wenn sie dies in Handlungsbewertungen einfließen läßt, dann reicht das aus, egal wie die funktionalen Ebenen darunter aussehen.

#175:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 19:31
    —
step hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
.... Und ich denke nicht, daß man sich - etwa bei der ethischen Personalitätsfrage - einfach auf die zweifellos vorhandenen funktional wesentlich unterschiedlichen Ebenen berufen kann.
Ich weiß leider nicht, worauf Du Dich mit dieser Aussage beziehst.

Man liest häufig den Argumentationsversuch, daß KIs keine ethischen Subjekte sein könnten, weil sie auf bestimmten Ebenen anders funktionierten als menschliche Personen. Ich wollte hier zum Ausdruck bringen, daß nicht alle funktionalen Ebenen für diese Frage relevant sind, sondern nur die, die ethische Kategorien hervorbringen. Wenn eine KI also ein Konzept davon hat oder ausbildet, was gut oder nützlich ist, und was anderen schadet, und wenn sie dies in Handlungsbewertungen einfließen läßt, dann reicht das aus, egal wie die funktionalen Ebenen darunter aussehen.


Unsinn. Ethik und Moral machen ohne Bewusstsein null Sinn. Konzepte für das, was "gut" oder "nützlich" sei, sind irrelevant ohne Bewusstsein, d.h. ohne Gefühle.

#176:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 20:23
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Ethik und Moral machen ohne Bewusstsein null Sinn.

Von "ohne Bewußtsein" war nicht die Rede.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Konzepte für das, was "gut" oder "nützlich" sei, sind irrelevant ohne Bewusstsein, ...

Dito.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... d.h. ohne Gefühle.

Diese Gleichsetzung lehne ich ab. Für eine sinnvolle Ethik wäre es zwar wohl u.a. nötig, daß eine KI eine Theory of Mind hat, sich also in andere Subjekte simulativ hineinversetzen kann. Ich wüßte aber nicht, warum dazu unbedingt die Ausbildung menschlicher, sehr an Biologie gebundene Gefühle wie Liebe, Neid usw. notwendig wären.

"Ethik" bedeutet ja nichts anderes, als daß sich Wesen mit Interessen darauf einigen, was unter ihnen als "gut" bzw. "nützlich" gelten soll, damit sie effizienter, verläßlicher usw. kooperieren können.

#177:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 20:42
    —
step hat folgendes geschrieben:
"Ethik" bedeutet ja nichts anderes, als daß sich Wesen mit Interessen darauf einigen, was unter ihnen als "gut" bzw. "nützlich" gelten soll, damit sie effizienter, verläßlicher usw. kooperieren können.


Du meinst sowas wie die StVO?

#178:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 20:48
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
"Ethik" bedeutet ja nichts anderes, als daß sich Wesen mit Interessen darauf einigen, was unter ihnen als "gut" bzw. "nützlich" gelten soll, damit sie effizienter, verläßlicher usw. kooperieren können.
Du meinst sowas wie die StVO?

Kein freundliches Beispiel ... aber ja. Oder die Grundrechte. Oder Gleichberechtigung. Oder "one man, one vote".

EDIT: Jetzt wo ich drüber nachdenke: Nein, die StVO ist doch eher so etwas wie Moral bzw. Gesetze ("Du sollst nur links überholen"). Sie enthält Ge-/Verbote, während eine Ethik ja eher die reflektierten Grundprinzipien formuliert.

#179:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 21:02
    —
step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
"Ethik" bedeutet ja nichts anderes, als daß sich Wesen mit Interessen darauf einigen, was unter ihnen als "gut" bzw. "nützlich" gelten soll, damit sie effizienter, verläßlicher usw. kooperieren können.
Du meinst sowas wie die StVO?

Kein freundliches Beispiel ... aber ja. Oder die Grundrechte. Oder Gleichberechtigung. Oder "one man, one vote".

EDIT: Jetzt wo ich drüber nachdenke: Nein, die StVO ist doch eher so etwas wie Moral bzw. Gesetze ("Du sollst nur links überholen"). Sie enthält Ge-/Verbote, während eine Ethik ja eher die reflektierten Grundprinzipien formuliert.


Grundprinzipien wovon? Zur Feststellung dessen, was "nützlich" ist, bedarf es doch keiner Kategorie wie Ethik. Die "nützlichen", das heißt: die Verhältnisse der Individuen zueinander ordnenden Vorschriften, werden doch hinreichend über das Recht abgedeckt. Was genau soll hier Aufgabe der Ethik sein?

#180:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 21:48
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Grundprinzipien wovon? Zur Feststellung dessen, was "nützlich" ist, bedarf es doch keiner Kategorie wie Ethik. Die "nützlichen", das heißt: die Verhältnisse der Individuen zueinander ordnenden Vorschriften, werden doch hinreichend über das Recht abgedeckt. Was genau soll hier Aufgabe der Ethik sein?

Ein reflektiert gesetztes Fundament der Rechte bzw. der Moral. Zum Beispiel sagt die StVO ja nichts darüber aus, warum große Autos nicht automatisch Vorfahrt haben. Das Grundgesetz steht schon auf einem ethisch erheblich fundamentaleren Niveau, obwohl es auch letztlich zu metaphysischen Ausflüchten greift.

#181:  Autor: swifty BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 22:00
    —
Zitat:
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder, mehr als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.



Auf den Arm nehmen


Edit: Quelle § 1 stvo


Zuletzt bearbeitet von swifty am 14.12.2018, 22:17, insgesamt einmal bearbeitet

#182:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 22:02
    —
worse hat folgendes geschrieben:
Zitat:
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder, mehr als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.



Auf den Arm nehmen

touché Smilie

Vielleicht sollten wir das zum GG machen zwinkern ... ist ja ethischer geregelt als der Geschlechtsverkehr

#183:  Autor: swifty BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 22:18
    —
Ich hab mal irgendwo gelesen Absatz 2 stammt von Kant und ist eine Ur-form des kategorischen Imperativs.

#184:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 23:10
    —
step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Grundprinzipien wovon? Zur Feststellung dessen, was "nützlich" ist, bedarf es doch keiner Kategorie wie Ethik. Die "nützlichen", das heißt: die Verhältnisse der Individuen zueinander ordnenden Vorschriften, werden doch hinreichend über das Recht abgedeckt. Was genau soll hier Aufgabe der Ethik sein?

Ein reflektiert gesetztes Fundament der Rechte bzw. der Moral. Zum Beispiel sagt die StVO ja nichts darüber aus, warum große Autos nicht automatisch Vorfahrt haben.


Dann ist eine Bundestagsdiskussion zu einer Veränderung der StVO für dich also Teil des ethischen Diskurses? Ich bezweifel, dass man mit dieser Definition weit kommt. Im Grunde läuft das ja auf eine Gleichsetzung von ethischem und politischem Diskurs hinaus.

step hat folgendes geschrieben:
Das Grundgesetz steht schon auf einem ethisch erheblich fundamentaleren Niveau, obwohl es auch letztlich zu metaphysischen Ausflüchten greift.


Und erst bei diesen "Ausflüchten" wird's interessant, denn der Grund für die Notwendigkeit solcher Ausflüchte und ein Blick auf das, was sie verdecken, dürfte dem Wesen der Ethik deutlich näher kommen.

#185:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 23:13
    —
worse hat folgendes geschrieben:
Ich hab mal irgendwo gelesen Absatz 2 stammt von Kant und ist eine Ur-form des kategorischen Imperativs.


Also was immer da deine Quelle war, die kannste bedenkenlos fürs Kaminfeuer nutzen Lachen

#186:  Autor: swifty BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 23:25
    —
Das war die Quelle.

#187:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 14.12.2018, 23:40
    —
worse hat folgendes geschrieben:
Das war die Quelle.


Kenn ich nicht, aber der KI hat definitiv nix mit der Frage zu tun, durch welche Regeln man das menschliche Miteinander pragmatisch regelt.

#188:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 05:04
    —
step hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
.... Und ich denke nicht, daß man sich - etwa bei der ethischen Personalitätsfrage - einfach auf die zweifellos vorhandenen funktional wesentlich unterschiedlichen Ebenen berufen kann.
Ich weiß leider nicht, worauf Du Dich mit dieser Aussage beziehst.

Man liest häufig den Argumentationsversuch, daß KIs keine ethischen Subjekte sein könnten, weil sie auf bestimmten Ebenen anders funktionierten als menschliche Personen. Ich wollte hier zum Ausdruck bringen, daß nicht alle funktionalen Ebenen für diese Frage relevant sind, sondern nur die, die ethische Kategorien hervorbringen. Wenn eine KI also ein Konzept davon hat oder ausbildet, was gut oder nützlich ist, und was anderen schadet, und wenn sie dies in Handlungsbewertungen einfließen läßt, dann reicht das aus, egal wie die funktionalen Ebenen darunter aussehen.

Kein Widerspruch.

#189:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 14:32
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
worse hat folgendes geschrieben:
Das war die Quelle.
Kenn ich nicht, aber der KI hat definitiv nix mit der Frage zu tun, durch welche Regeln man das menschliche Miteinander pragmatisch regelt.

(1) und (2) aus der StVO aber auch nicht.

#190:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 14:53
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Dann ist eine Bundestagsdiskussion zu einer Veränderung der StVO für dich also Teil des ethischen Diskurses?

Wenn es um die Veränderung von (1), (2) geht: ja.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Im Grunde läuft das ja auf eine Gleichsetzung von ethischem und politischem Diskurs hinaus.

Ja natürlich. Da eine moderne Ethik nicht mehr deontologisch sein kann, ohne den aufgeklärten Verstand zu beleidigen, muß sie einen Diskurs um Interessen, Folgen usw. beinhalten, und ist damit (auch) politisch.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Das Grundgesetz steht schon auf einem ethisch erheblich fundamentaleren Niveau, obwohl es auch letztlich zu metaphysischen Ausflüchten greift.
Und erst bei diesen "Ausflüchten" wird's interessant, denn der Grund für die Notwendigkeit solcher Ausflüchte und ein Blick auf das, was sie verdecken, dürfte dem Wesen der Ethik deutlich näher kommen.

Zwei Beispiele für diese Ausflüchte:

1. Der Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar" - ist eigentlich falsch bzw. ein metaphysischer Anachronismus, da die Würde keine faktische Eigenschaft jedes Menschen ist (ebensowenig wie eine Seele), sondern eine vereinbarte Zuschreibung durch die Gemeinschaft. Ehrlicher wäre also, sich auf menschengemachte Grundrechte zu einigen, etwa "Jede Person hat ein Grundrecht auf würdige Behandlung". Dieser Ansatz konnte sich damals aber nicht durchsetzen, man hatte Angst vor zuviel Aufgabe des Absoluten, nachdem sich das Volk kurz zuvor als so unmündig und gemeingefährlich erwiesen hatte.

2. Das Böckenförde-Diktum, demgemäß die Verfassung die Werte, auf denen sie beruht, nicht selbst schaffen könne (ich ergänze: sondern dazu die Religion brauche) - ist ein Taschenspielertrick, denn wenn es die Verfassung nicht kann, kann es die Religion ebensowenig, wie wir heute wissen. Meiner Ansicht nach müßte man heute sagen: Die Verfassung kann die fundamentalen Ziele und Werte, die sie formuliert, nicht wirklich garantieren, sondern ist nur eine Vereinbarung aufgrund eines ethischen Diskurses.

#191:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 15:38
    —
step hat folgendes geschrieben:
1. Der Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar" - ist eigentlich falsch bzw. ein metaphysischer Anachronismus, da die Würde keine faktische Eigenschaft jedes Menschen ist [...], sondern eine vereinbarte Zuschreibung durch die Gemeinschaft.


Die Argumentation verstehe ich nicht. Sind Zuschreibungen keine faktischen (und daher wirksame) Größen in einem sozialen Verband?

#192:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 15:53
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
1. Der Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar" - ist eigentlich falsch bzw. ein metaphysischer Anachronismus, da die Würde keine faktische Eigenschaft jedes Menschen ist [...], sondern eine vereinbarte Zuschreibung durch die Gemeinschaft.
Die Argumentation verstehe ich nicht. Sind Zuschreibungen keine faktischen (und daher wirksame) Größen in einem sozialen Verband?

Wirksam (hoffentlich) schon - so wie etwa auch Freundschaften, Vermögen oder Intelligenz wirksam sind.

Vielleicht ist "keine faktische Eigenschaft" nicht klar genug formuliert. Ich meinte damit, daß die Würde des Menschen (a) faktisch nicht unantastbar ist, wie man ja täglich sehen kann, und (b) keine apriori-Eigenschaft des Menschen ist, obwohl die GG-Formulierung das suggeriert.

#193:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 16:05
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
1. Der Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar" - ist eigentlich falsch bzw. ein metaphysischer Anachronismus, da die Würde keine faktische Eigenschaft jedes Menschen ist [...], sondern eine vereinbarte Zuschreibung durch die Gemeinschaft.


Die Argumentation verstehe ich nicht. Sind Zuschreibungen keine faktischen (und daher wirksame) Größen in einem sozialen Verband?

Wie soll das funktionieren, wenn eigentlich keiner weiß, was unter dieser Zuschreibung wirklich zu verstehen ist?

Karl Kraus sagte dazu:
Ich habe mich viel und eingehend mit der Menschenwürde beschäftigt, habe in meinem Laboratorium die verschiedensten Untersuchungen darüber angestellt,und muß bekennen, daß die Versuche in den meisten Fällen schon wegen der Schwierigkeit der Beschaffung des Materials kläglich verlaufen sind. Die Menschenwürde hat die Eigentümlichkeit, immer dort zu fehlen, wo man sie vermutet, und immer dort zu scheinen, wo sie nicht ist.

#194:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 16:12
    —
step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
worse hat folgendes geschrieben:
Das war die Quelle.
Kenn ich nicht, aber der KI hat definitiv nix mit der Frage zu tun, durch welche Regeln man das menschliche Miteinander pragmatisch regelt.

(1) und (2) aus der StVO aber auch nicht.


Hmm, zumindest wird hier eine Handlungsanweisung für eine konkrete Situation definiert, genau das tut der KI aber ja gerade nicht. Das einzige, was der KI fordert, ist, dass die subjektiven Handlungsmaximen in Übereinstimmung mit dem vom handelndem Subjekt allgemein denk- und wollbaren stehen müssen. Man könnte vielleicht dafür argumentieren, dass sich die genannten Forderungen, umformuliert als Maximen (also z.B.: "Wenn ich Auto fahre, dann bemühe ich mich stets so zu fahren, dass...") für Verkehrsteilnehmer aus dem KI ergeben müssten, aber umgekehrt kann aus einer konkreten Maxime nicht der Inhalt des KI erschlossen werden, denn eine derartige Methode würde ja bloß auf eine Sammlung von für gut befundener Maximen hinauslaufen, die dann in Imperative übersetzt werden; "kategorisch" wäre an solchen Imperativen freilich nichts.

#195:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 16:21
    —
step hat folgendes geschrieben:
Ja natürlich. Da eine moderne Ethik nicht mehr deontologisch sein kann, ohne den aufgeklärten Verstand zu beleidigen,...


"Dialektik der Aufklärung" as its best

step hat folgendes geschrieben:
...muß sie einen Diskurs um Interessen, Folgen usw. beinhalten, und ist damit (auch) politisch.


Du kannst "Ethik" natürlich in diesem Sinne definieren, nur bezeichnet das Wort dann halt nicht mehr das Phänomen, für das es mal geschaffen wurde. Im Grunde wird der Begriff dadurch völlig verzichtbar, da er nichts mehr beinhaltet, was durch das Wort "Politik" nicht bereits abgedeckt wäre.

step hat folgendes geschrieben:
Zwei Beispiele für diese Ausflüchte:

1. Der Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar" - ist eigentlich falsch bzw. ein metaphysischer Anachronismus, da die Würde keine faktische Eigenschaft jedes Menschen ist (ebensowenig wie eine Seele), sondern eine vereinbarte Zuschreibung durch die Gemeinschaft. Ehrlicher wäre also, sich auf menschengemachte Grundrechte zu einigen, etwa "Jede Person hat ein Grundrecht auf würdige Behandlung".


Ja, könnte man - oder es hat eben nicht jede Person dieses Recht, so wie man auch eine StVO haben kann, in der es entweder Links- oder Rechtsverkehr gibt. Nur wird das eine eben üblicherweise als eine ethische Überlegung betrachtet, das andere nicht. Aber gut: für dich gibt es zwischen diesen beiden Überlegungen ja keinen prinzipiellen Unterschied.

step hat folgendes geschrieben:
2. Das Böckenförde-Diktum, demgemäß die Verfassung die Werte, auf denen sie beruht, nicht selbst schaffen könne (ich ergänze: sondern dazu die Religion brauche) - ist ein Taschenspielertrick, denn wenn es die Verfassung nicht kann, kann es die Religion ebensowenig, wie wir heute wissen. Meiner Ansicht nach müßte man heute sagen: Die Verfassung kann die fundamentalen Ziele und Werte, die sie formuliert, nicht wirklich garantieren, sondern ist nur eine Vereinbarung aufgrund eines ethischen Diskurses.


Läuft das nicht darauf hinaus, dass Verfassung an sich schon als ein "Taschenspielertrick" verstanden werden muss, der nur dazu dient, den politischen und damit prinzipiell relativen und veränderbaren Charakter jedweder Normen zu verschleiern, um dadurch bestimmte Normen so gut als möglichen dem politischen Diskurs zu entheben?

#196:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 16:29
    —
step hat folgendes geschrieben:
Ich meinte damit, daß die Würde des Menschen (a) faktisch nicht unantastbar ist, wie man ja täglich sehen kann, und (b) keine apriori-Eigenschaft des Menschen ist, obwohl die GG-Formulierung das suggeriert.


OK. Mit der Hebung ins Faktische wird der Versuch unternommen, die konstituierende Bedeutung für unsere Gesellschaft zu betonen. Das finde ich eigentlich nicht schlecht.

#197:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 16:31
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Wie soll das funktionieren, wenn eigentlich keiner weiß, was unter dieser Zuschreibung wirklich zu verstehen ist?


Das stimmt so nicht. Es gibt Konzepte, die hier im Forum sogar diskutiert wurden.

#198:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 16:57
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
zumindest wird hier eine Handlungsanweisung für eine konkrete Situation definiert, genau das tut der KI aber ja gerade nicht. Das einzige, was der KI fordert, ist, dass die subjektiven Handlungsmaximen in Übereinstimmung mit dem vom handelndem Subjekt allgemein denk- und wollbaren stehen müssen. Man könnte vielleicht dafür argumentieren, dass sich die genannten Forderungen, umformuliert als Maximen (also z.B.: "Wenn ich Auto fahre, dann bemühe ich mich stets so zu fahren, dass...") für Verkehrsteilnehmer aus dem KI ergeben müssten, aber umgekehrt kann aus einer konkreten Maxime nicht der Inhalt des KI erschlossen werden, denn eine derartige Methode würde ja bloß auf eine Sammlung von für gut befundener Maximen hinauslaufen, die dann in Imperative übersetzt werden; "kategorisch" wäre an solchen Imperativen freilich nichts.

Ich würde Dir mal entgegenzukommen versuchen: Möglicherweise ist der KI noch etwas abstrakter, allgemeiner als z.B. "... hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt ... wird" aus der StVO. Aber Letzteres ist schon deutlich mehr als eine "Handlungsanweisung für eine konkrete Situation", denn es formuliert eine fundamentalere Maxime. Man könnte sogar sagen, daß der Schritt von A1/A2 zu B größer ist als der von B zu C1/C2:

A1: Du sollst an einer roten Ampel halten, bis sie grün wird.
A2: Du sollst am siebenten Tage nicht arbeiten.
B: Handle (im Verkehr) stets so, daß kein Anderer geschädigt ... wird.
C1: Handle stets so, daß Du wollen köntest, es wäre allgemeines Gesetz.
C2: Handle stets so, daß die Gesamtinteressen maximiert werden.

Denn zwischen B und C1/C2 liegt ein relativ simpler Zusammenhang.

Übrigens ist auch der KI letztlich nicht wirklich kategorisch, aber das wäre doch zu sehr OT hier.

#199:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 17:03
    —
step hat folgendes geschrieben:
Bei "funktional identisch" ist auch immer die Frage, auf welcher Ebene. Ein Herd und ein Feuer sind funktional identisch auf der Ebene des Erhitzens / Kochens von Speisen, teiweise identisch auf der Ebene der Umwandlung von Energie in Wärme, und funktional unterschiedlich auf der Ebene des Energiezufuhr, des Wärmetransports usw.

Jo.


fwo hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich plädiere nur für Zurückhaltung vor der These, KI und Gehirn seien funktional identisch.

Dann ist Dein Widerspruch zu mir allerdings unverständlich: Diese Identität kann niemand behaupten, denn die maschinelle Nachbildung menschlichen Denkens ist im Gegensatz zum Menschlichen Denken keine Tatsache, sondern ein Projekt.

Niemand? Ich hab' mich bei der Identität immer recht weit aus dem Fenster gelehnt. Pfeifen Immer mit der Einschränkung, daß Maschinen laufen, aber nicht um ihr Leben. zwinkern


Was mit "funktional identisch" gemeint ist, müßten wir noch auskarteln. Strenggenommen eigentlich das:
    Funktional identisch heißt: gleiche Eingaben erzeugen gleiche Ausgaben.

Leider ist das so streng, daß damit bereits menschliche Gehirne nicht mehr funktional identisch sind. Die selbe Musik, das selbe Buch, der selbe Film ruft unterschiedlichste Reaktionen hervor. Ebenso politische Themen.

Oder sehe ich das falsch und Menschen sind funktional identisch in diesem Sinn: wenn ich dasselbe erlebte hätte, wie du, würde ich so denken und fühlen wie du? (Konstitution, Intelligenz, Geschlecht ... mal außen vorgelassen.)



step hat folgendes geschrieben:
Ich erwarte, daß eine KI funktional identisch mit einem Gehirn sein könnte auf Ebenen wie: Mustererkennung, Abstraktion, logisches Schlußfolgern, Sprache, kreative Prozesse, sowie auch Ausbildung eines Selbstbildes und Theory of Mind.

Jetzt würd' mich interessieren, an welche Ebenen du denkst, auf denen KI und Gehirn sich unterscheiden. "Initiative" fällt mir ein, was allerdings durch "kreative Prozesse" abgedeckt ist.


PS:

zelig sprach im Nachbarthread von der solipsistischen KI. Kann es ein Selbst ohne ein Gegenüber geben? Ich denke nicht. Also braucht eine KI, die eine werden will, einen Körper, Sinneseindrücke, Schnittstellen zur Außenwelt.



step hat folgendes geschrieben:
Eventuell auch bestimmte abstrakte Aspekte eines neuronalen Netzwerks.

Siehe nächster Beitrag. HAL 9000 und biased minds.

#200:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 17:04
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Aber es kann dabei nur um die funktionale Nachbildung einer Ebene der menschlichen Datenverarbeitung gehen, nicht um die Funktion eines Gehirns in seiner Gesamtheit, das natürlich die Steuerung des Verhaltens des gesamten biologischen Apparates einschließlich seines Aufbaus, seiner Erhaltung und seiner Fortpflanzung besorgt. Das sind Aufgabenkreise, die die Maschine nicht hat.

Auf die Frage, was Menschen antreibt, gibt es viele Antworten. Was treibt eine KI an? Ich weiß es nicht - die Antwort "Ist einprogrammiert" fände ich seltsam, denn als Mensch kann man von seinem Programm abweichen. (?)


fwo hat folgendes geschrieben:
Insofern könnte eine Maschine klarer denken als Menschen, weil bei ihr z.B. die Gefahr nicht bestünde, dass die Gedanken sich beim Anblick eines schönen Weibes oder sogar nur dicker Möpse in Nichts auflösen.

So ungefähr hat die Kirche ihre Sexualmoral begründet. So begründet man Verschleierung. Hilft aber nicht in Sachen klarer denken. Denn:

HAL 9000 war asexuell und trotzdem psychotisch.



fwo hat folgendes geschrieben:
Aus der Sicht des Denkens sprechen wir da aber von einer Fehleranfälligkeit, die der evolutionäre Apparat haben muss, die maschinell nachzubilden der reine Blödsinn wäre. Diese besondere Qualität des menschlichen Denkens kann nicht sinnvoll in der Zielsetzung einer Nachbildung sein.

Ok. Sagen wir eine KI hat keinen Geschlechtstrieb, keine Territorialinstinkte, etc.

Trotzdem sehe ich ein grundlegenderes Problem, das nicht verschwindet, nur weil eine KI keine biologischen Instinkte hat. Denken ist eine heuristische Sache - und mit Heuristiken liegt man naturgemäß gelegentlich daneben.

(Marcellinus hat weiter oben Kahnemann angesprochen, das ist die Gegenthese. )

Zitat:
Homo Heuristicus: Why Biased Minds Make Better Inferences
Gerd Gigerenzer, Henry Brighton - 2009

Heuristiken sind effiziente kognitive Verfahren, die Information ignorieren. Im Gegensatz zur weitverbreiteten Sicht, daß weniger Verarbeitung Genauigkeit reduiert, zeigt das Studium der Heuristik, daß weniger Information, weniger Berechnung, weniger Zeit tatsächlich die Genauigkeit erhöhen kann.

Heuristics are efficient cognitive processes that ignore information. In contrast to the widely held view that less processing reduces accuracy, the study of heuristics shows that less information, computation, and time can in fact improve accuracy.

http://library.mpib-berlin.mpg.de/ft/gg/GG_Homo_2009.pdf

Meines Erachtens eine der wichtigsten Erkenntnisse der letzen Jahre.

Die Botschaft daraus: auch KIs sind nicht automatisch Musterschüler in Sachen kühler Rationalität.

#201:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 17:14
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
Mit der Hebung ins Faktische wird der Versuch unternommen, die konstituierende Bedeutung für unsere Gesellschaft zu betonen. Das finde ich eigentlich nicht schlecht.

Auch wenn die Intention nachvollziehbar ist, finde ich die Vorgehensweise intellektuell unredlich, und auch nicht ganz ungefährlich, weil Metaphysisches heutzutage (zurecht) Gefahr läuft, gar nicht mehr ernstgenommen zu werden.

Wenn man die konstituierende bzw. zentrale Rolle der zugemessenen Würde für unser Konzept des Zusammenlebens hervorheben will, dann sollte man das genau so formulieren. Noch besser wäre, gleich zu definieren, worin die zugemessene Würde besteht, nämlich in (ebenfalls zugewiesenen) Grundrechten.

Zum Beispiel so in der Art:

"Im Bewußtsein der zentralen Bedeutung für das gesellschaftliche Zusammenleben legen wir fest: Jeder Person soll unter allen Umständen Personenwürde zukommen. Diese besteht in ihren Grundrechten ..."

#202:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 17:26
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ich erwarte, daß eine KI funktional identisch mit einem Gehirn sein könnte auf Ebenen wie: Mustererkennung, Abstraktion, logisches Schlußfolgern, Sprache, kreative Prozesse, sowie auch Ausbildung eines Selbstbildes und Theory of Mind.
Jetzt würd' mich interessieren, an welche Ebenen du denkst, auf denen KI und Gehirn sich unterscheiden. "Initiative" fällt mir ein, was allerdings durch "kreative Prozesse" abgedeckt ist.

Genau. Ich dachte eher an Ebenen, die stärker von der biologischen Substratbindung bestimmt werden, wie etwa limbisches System, Gefühle, Signaltransport, Plastizität, Energiehaushalt, Anbindung der Sinesorgane, genetische Grundlagen usw.

smallie hat folgendes geschrieben:
zelig sprach im Nachbarthread von der solipsistischen KI. Kann es ein Selbst ohne ein Gegenüber geben? Ich denke nicht. Also braucht eine KI, die eine werden will, einen Körper, Sinneseindrücke, Schnittstellen zur Außenwelt.

Sehe ich ähnlich. Interessant wäre auch die Frage, wie wichtig Ihresgleichen in dieser Außenwelt sind (Stichwort Theory of Mind, Sprache und Denken, Spieltheorie ...).

#203:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 17:35
    —
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Mit der Hebung ins Faktische wird der Versuch unternommen, die konstituierende Bedeutung für unsere Gesellschaft zu betonen. Das finde ich eigentlich nicht schlecht.

Auch wenn die Intention nachvollziehbar ist, finde ich die Vorgehensweise intellektuell unredlich, und auch nicht ganz ungefährlich, weil Metaphysisches heutzutage (zurecht) Gefahr läuft, gar nicht mehr ernstgenommen zu werden.

Wenn man die konstituierende bzw. zentrale Rolle der zugemessenen Würde für unser Konzept des Zusammenlebens hervorheben will, dann sollte man das genau so formulieren. Noch besser wäre, gleich zu definieren, worin die zugemessene Würde besteht, nämlich in (ebenfalls zugewiesenen) Grundrechten.

Zum Beispiel so in der Art:

"Im Bewußtsein der zentralen Bedeutung für das gesellschaftliche Zusammenleben legen wir fest: Jeder Person soll unter allen Umständen Personenwürde zukommen. Diese besteht in ihren Grundrechten ..."


Aber... das ist jetzt mehr Stilkritik, oder? Die armen Mütter und Väter des GG konnten ja nicht ahnen, welche Ansprüche an sie gestellt werden.

#204:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 17:55
    —
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Ethik und Moral machen ohne Bewusstsein null Sinn.

Von "ohne Bewußtsein" war nicht die Rede.


Davon müsste aber m.E. aber die Rede sein, wenn man von Ethik und Moral sprechen will.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Konzepte für das, was "gut" oder "nützlich" sei, sind irrelevant ohne Bewusstsein, ...

Dito.


Gut und nützlich für welches Bewusstsein, für welches bewusste Lebewesen? Das ist doch immer die Frage. Nützlich für welches Subjekt?

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... d.h. ohne Gefühle.


Diese Gleichsetzung lehne ich ab. Für eine sinnvolle Ethik wäre es zwar wohl u.a. nötig, daß eine KI eine Theory of Mind hat, sich also in andere Subjekte simulativ hineinversetzen kann.


O.k. Da kommt also nun doch das Subjekt ins Spiel. Mehr wollte ich eigentlich gar nicht anmerken dazu.

Also, wenn eine KI das beherrscht, dann muss sie nicht selber ein Subjekt sein, da gehe ich dann konform.

Alles andere wäre ja dann auch nur ein abstrakter Nutzen, den nichts und niemanden in diesem Universum interessieren würde.

step hat folgendes geschrieben:
Ich wüßte aber nicht, warum dazu unbedingt die Ausbildung menschlicher, sehr an Biologie gebundene Gefühle wie Liebe, Neid usw. notwendig wären.


In diesem Sinne müssen simulierte Emotionen - also Bedeutungsäquivalente für das Wohlergehen - vermutlich nicht.an eine biologisch-natürliche Basis gekoppelt sein.

step hat folgendes geschrieben:
"Ethik" bedeutet ja nichts anderes, als daß sich Wesen mit Interessen darauf einigen, was unter ihnen als "gut" bzw. "nützlich" gelten soll, ...


Das ist individuell etwas verschieden, auch wenn die gemeinsame Schnittmenge schon das Wesentlichere ist. Also Einigung ist möglich, jedoch wohl nur unter nicht zu unterschätzendem Diskussionsaufwand.

Außerdem ist es schwierig, sich über Bedürfnisse (- um mal diesen Begriff ins Spiel zu bringen -) zu einigen, die

a) den Menschen nicht ausreichend bewusst sind und/oder
b) den Menschen zwar als Wünsche bewusst, jedoch objektiv schädlich sind.

Anders gesagt: nicht alles, worauf sich Wesen mit Interessen einigen, muss für sie tatsächlich gut und nützlich sein. Insofern wäre also die Einigung selbst kein absoluter Wert als solcher.

Wenn, dann würde ich dies als fortlaufend stattfindende Diskussions- und Lernprozesse ansehen, die nicht mit einer einmal erreichten Einigung abschließen.

step hat folgendes geschrieben:
... damit sie effizienter, verläßlicher usw. kooperieren können.


Es sei denn, es handelt sich um Wesen, die kein Interesse an Kooperation haben. Dann müssten sie theoretisch ein solches Interesse entwickeln, weil es zwar nicht nicht ihrem Ursprungsinteresse entspricht, jedoch vernünftig ist.

Man kommt also bei diesen abstrakten theoretischen Erwägungen eigentlich unweigerlich in immer neue Themenfelder hinein und es bleibt einem nichts anderes übrig, als das Modell immer komplexer und komplexer zu bauen.

Die Idee einer empathiesimulierenden KI liegt wohl bei dir auch darin, eine Art Vermittlungsinstanz zwischen den Subjekten zu haben?

In der Realität der menschlichen Gesellschaft jedenfalls haben ethische Erwägungen derzeit eher wenig Chancen. Der Grund liegt einfach in zu starken Interessenantagonismen auf sehr vielen verschiedenen Ebenen. Die bestehende reale Gesellschaft ist kein Debattierclub.

Die Theorie glättet all dies, wenn sie sich z.B. nur auf Psychologie, Kommunikationstheorie und Informationstheorie bezieht.

#205:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 18:12
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
Aber... das ist jetzt mehr Stilkritik, oder? Die armen Mütter und Väter des GG konnten ja nicht ahnen, welche Ansprüche an sie gestellt werden.

Es gab damals tatsächlich Diskussionen über dieses Thema. Eine Minderheit wollte eine modernere, leicht "relativistische" Formulierung ohne Metaphysik. Aber die "Absolutisten" haben sich durchgesetzt. Lieber haben sie bewußt (!) eine Leerformel ("Würde") verwendet, als zuzugeben, daß Gottesrecht und Naturrecht nicht mehr als Letztbegründung gelten.

Siehe meine Kommentare hier zum Thema Menschenwürde im Zshg mit GBS, FJ Wetz, Birnbacher, Carlo Schmid, Renaissance des Naturrechtsgedankens unter Adenauer, Objektformel usw.:

https://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1340020#1340020
https://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1340324#1340324
https://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1340465#1340465
https://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1340528#1340528

#206:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 18:31
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Für eine sinnvolle Ethik wäre es zwar wohl u.a. nötig, daß eine KI eine Theory of Mind hat, sich also in andere Subjekte simulativ hineinversetzen kann.
O.k. Da kommt also nun doch das Subjekt ins Spiel. Mehr wollte ich eigentlich gar nicht anmerken dazu. Also, wenn eine KI das beherrscht, dann muss sie nicht selber ein Subjekt sein, da gehe ich dann konform.

Wenn eine KI das beherrscht, dann ist sie doch ein Subjekt, würde ich sagen. Oder was fehlt ihr wesentlich dazu?

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Also Einigung ist möglich, jedoch wohl nur unter nicht zu unterschätzendem Diskussionsaufwand.

Ja - je unterschiedlicher, desto schwieriger.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... Anders gesagt: nicht alles, worauf sich Wesen mit Interessen einigen, muss für sie tatsächlich gut und nützlich sein. Insofern wäre also die Einigung selbst kein absoluter Wert als solcher.

Es gibt keine absoluten Werte, auch die Einigung ist keiner. Sie ist aber noch das Beste, was wir machen können, in jedem Fall besser als eine Clique, die festlegt, was gut und nützlich ist.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Wenn, dann würde ich dies als fortlaufend stattfindende Diskussions- und Lernprozesse ansehen, die nicht mit einer einmal erreichten Einigung abschließen.

Sehe ich auch so.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Die Idee einer empathiesimulierenden KI liegt wohl bei dir auch darin, eine Art Vermittlungsinstanz zwischen den Subjekten zu haben?

Ich verfolge keine Idee von Empathiesimulation. Simuliert wird nicht die Empathie, sondern der Bewußtseinszustand des Gegenübers, genau wie in unseren Gehirnen. Eine KI (unter bestimmten Bedingungen, siehe auch smallies Beitrag) bildet also echte Empathie aus (im Sinne einer Theory of Mind usw.), auch wenn sie nicht die biologische Substratbindung hat - also die KI simuliert den Schmerz beim Zuschauen auf andere Weise, als Dein Gehirn den Schmerz beim Zuschauen simuliert.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
In der Realität der menschlichen Gesellschaft jedenfalls haben ethische Erwägungen derzeit eher wenig Chancen. Der Grund liegt einfach in zu starken Interessenantagonismen auf sehr vielen verschiedenen Ebenen. Die bestehende reale Gesellschaft ist kein Debattierclub.

Da gebe ich Dir teilweise recht, auch wenn ich die Formulierung zu abfällig finde. Andererseits haben ethische Diskurse und Überlegungen auch schon einiges erreicht, vor allem wenn sie auf staatlicher Ebene in einklagbare Rechte umgesetzt wurden.

#207:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 18:44
    —
step hat folgendes geschrieben:
Ich würde Dir mal entgegenzukommen versuchen: Möglicherweise ist der KI noch etwas abstrakter, allgemeiner als z.B. "... hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt ... wird"


Das ist keine Frage des Abstraktionsgrades.

step hat folgendes geschrieben:
Aber Letzteres ist schon deutlich mehr als eine "Handlungsanweisung für eine konkrete Situation", denn es formuliert eine fundamentalere Maxime.


Spielt eigentlich keine Rolle, denn der KI ist ja keine Maxime, sondern, wenn man so will, eine Prüfinstanz für Maximen.

step hat folgendes geschrieben:
A1: Du sollst an einer roten Ampel halten, bis sie grün wird.
A2: Du sollst am siebenten Tage nicht arbeiten.
B: Handle (im Verkehr) stets so, daß kein Anderer geschädigt ... wird.
C1: Handle stets so, daß Du wollen köntest, es wäre allgemeines Gesetz.
C2: Handle stets so, daß die Gesamtinteressen maximiert werden.

Denn zwischen B und C1/C2 liegt ein relativ simpler Zusammenhang.


Oh, der Zusammenhang zu C1 ist durchaus nicht so simpel, das mag auf den ersten Blick so aussehen, weil die Formulierung ein bisschen utilitaristisch klingt, irgendwie nach "goldene Regel", so ist die Naturrechtsformel aber nun mal eindeutig nicht gemeint.

step hat folgendes geschrieben:
Übrigens ist auch der KI letztlich nicht wirklich kategorisch, aber das wäre doch zu sehr OT hier.


Wenn man ihn utilitaristisch deutet natürlich nicht, in dem Fall wäre er einfach ein hypothetischer Imperativ und damit recht uninteressant - wie der Utilitarismus eben auch.

#208:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 19:27
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Übrigens ist auch der KI letztlich nicht wirklich kategorisch, aber das wäre doch zu sehr OT hier.
Wenn man ihn utilitaristisch deutet natürlich nicht, in dem Fall wäre er einfach ein hypothetischer Imperativ und damit recht uninteressant - wie der Utilitarismus eben auch.

Tja, ich dagegen finde Metaphysik total unspannend - und vor allem gefährlich.

#209:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 20:20
    —
step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Übrigens ist auch der KI letztlich nicht wirklich kategorisch, aber das wäre doch zu sehr OT hier.
Wenn man ihn utilitaristisch deutet natürlich nicht, in dem Fall wäre er einfach ein hypothetischer Imperativ und damit recht uninteressant - wie der Utilitarismus eben auch.

Tja, ich dagegen finde Metaphysik total unspannend - und vor allem gefährlich.


Also, wenn du mit "Metaphysik" sowas die lieben Englein meinst: die sind nicht die einzige Alternative zur englischen Krämermoral...

#210:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 20:41
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Übrigens ist auch der KI letztlich nicht wirklich kategorisch, aber das wäre doch zu sehr OT hier.
Wenn man ihn utilitaristisch deutet natürlich nicht, in dem Fall wäre er einfach ein hypothetischer Imperativ und damit recht uninteressant - wie der Utilitarismus eben auch.
Tja, ich dagegen finde Metaphysik total unspannend - und vor allem gefährlich.
Also, wenn du mit "Metaphysik" sowas die lieben Englein meinst: die sind nicht die einzige Alternative zur englischen Krämermoral...

Nee, mit "Metaphysik" meine ich hier das, was eine "Prüfinstanz" für menschengemachte Maximen zu etwas prinzipiell Anderem machen soll als einer menschengemachten Obermaxime. Kants deontologische Restkontamination sozusagen.

#211:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 21:08
    —
step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Übrigens ist auch der KI letztlich nicht wirklich kategorisch, aber das wäre doch zu sehr OT hier.
Wenn man ihn utilitaristisch deutet natürlich nicht, in dem Fall wäre er einfach ein hypothetischer Imperativ und damit recht uninteressant - wie der Utilitarismus eben auch.
Tja, ich dagegen finde Metaphysik total unspannend - und vor allem gefährlich.
Also, wenn du mit "Metaphysik" sowas die lieben Englein meinst: die sind nicht die einzige Alternative zur englischen Krämermoral...

Nee, mit "Metaphysik" meine ich hier das, was eine "Prüfinstanz" für menschengemachte Maximen zu etwas prinzipiell Anderem machen soll als einer menschengemachten Obermaxime. Kants deontologische Restkontamination sozusagen.


Ach so, also quasi Kants Pflichtbegriff. Ja, da muss man, denke ich, drei Aspekte unterscheiden: Zum einen die Frage, was allein "moralische Pflicht" heißen kann (nämlich kategorische Imperative) dann, was allein die Inhalte kategorischer Imperative sein können (die unterschiedlichen Formulierungen des KIs) und schließlich dann die Frage nach der Möglichkeit und Realität derartiger Pflichten. Die ersten beiden Punkte sind eher analytischer Natur, sodass sich deine Kritik eigentlich nur auf den letzten Punkt beziehen kann. Ja und da geht’s dann ans eingemachte, indem sehr grundsätzlich die Zusammenhänge von Handeln, Willen, Freiheit, Subjektivität etc. behandelt werden, also tatsächlich Kernthemen der neuzeitlichen Metaphysik. Mag man im Detail einiges dran kritisieren können, aber dass das in anderen Moral- und Handlungstheorien jetzt wesentlich plausibler oder gründlicher, gar undogmatischer geschehen wäre, würde ich dann doch mal in Zweifel ziehen.

#212:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 15.12.2018, 22:54
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Man könnte vielleicht dafür argumentieren, dass sich die genannten Forderungen, umformuliert als Maximen (also z.B.: "Wenn ich Auto fahre, dann bemühe ich mich stets so zu fahren, dass...") für Verkehrsteilnehmer aus dem KI ergeben müssten, aber umgekehrt kann aus einer konkreten Maxime nicht der Inhalt des KI erschlossen werden ...

Daß aus einer konkreteren Maxime nicht deduktiv auf eine allgemeinere geschlossen werden kann, ist trivial. Das ist natürlich auch im Utilitarismus so.

Umgekehrt geht es allerdings vor allem beim KI nicht: um von "jeder soll so handeln, daß er wollen kann, daß etwas allgemeines Gesetz wird" deduktiv zu einer brauchbaren Maxime zu kommen, muß man wesentliche Zusatzannahmen machen - unter anderem über so Dinge wie Interessensausgleich, Natur, Kultur usw. Letztlich muß man vorschlagen, wie sich eine Gesellschaft auf eine Ethik einigen soll - nur Kant lesen/verstehen reicht nicht.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
... was allein "moralische Pflicht" heißen kann ... was allein die Inhalte kategorischer Imperative sein können ... Möglichkeit und Realität derartiger Pflichten. ...

Nach meinem Verständnis begründet Kant überhaupt nicht aus heutiger Sicht überzeugend, warum er diese Imperative für "kategorisch" hält bzw. inwiefern das bedeutet, daß sie in irgendeiner Weise fundamental sind.

Um mal wieder auf die KI (nicht den KI) zurückzukommen: Ich denke, die werden von selbst Ethiken ausbilden, die auf fundamentaleren Prinzipien beruhen: Extremwertanalyse, Gesetz der großen Zahl, direkte und indirekte Reziprozität, Gleichgewicht ... klingt natürlich alles ganz böse und ähnelt, wen wunderts, dem Utilitarismus.

#213:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 16.12.2018, 11:53
    —
step hat folgendes geschrieben:
Umgekehrt geht es allerdings vor allem beim KI nicht: um von "jeder soll so handeln, daß er wollen kann, daß etwas allgemeines Gesetz wird" deduktiv zu einer brauchbaren Maxime zu kommen,...


Man soll ja auch aus dem KI keine Maximen ableiten, sondern überprüfen, ob die, die man hat, mit dem KI kompatibel sind, also als Grundlage eines allgemeinen Gesetzes möglich sind und gewollt werden können. "Gewollt werden" aber nicht im utilitaristischen Sinne der Art: "das kann doch kein Mensch ernsthaft wollen", sondern in dem Sinne, dass die handlungsleitende Maxime, als allgemeines Gesetz gedacht, nicht die Bedingung ihrer eigenen Möglichkeit unterminieren darf. Es geht also um Widerspruchsfreiheit im Wollen und Handeln, nicht um einen vorgestellten Idealzustand der empirischen Welt. Letzteres kommt schon deshalb nicht als Form moralischen Handelns in Betracht, weil dieser Wunsch ja von Individuum zu Individuum und auch innerhalb eines Individuums von Zeit zu Zeit etwas völlig anderes beinhalten kann. Die Idee des KIs ist daher, dass Gesetze widerspruchsfreien Handelns angegeben werden müssen, die von jedem konkreten Inhalt unabhängig sind. Denn nur solche können das ausmachen, was man eben mit dem Begriff der "Moral" meint, im Unterschied zu Forderungen, die eben nicht für die Form des Handelns nach Maximen überhaupt gelten, sondern bloß für bestimmtes Handeln und bestimmten Bedingungen.

Wohin das führt, wenn man letzteres zur Grundlage der Moral macht, sieht man ja an diesem ganzen Interessenethikkram: Man kann zwischen Moral und bloßem Pragmatismus letztlich gar nicht mehr unterscheiden. Der ursprüngliche Utilitarismus konnte das übrigens durchaus noch, indem er zumindest eine universelle Werttheorie vertrat. Das streben nach Glückseligkeit ist zwar auch bloß ein "hypothetischer Imperativ", aber zumindest einer, dem man noch halbwegs plausibel allen Menschen als notwendigen Bestandteil ihres Wollens unterstellen kann. Und das brauchts schon, damit etwas als "Moral" überhaupt auch nur in Betracht gezogen werden kann.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
mal wieder auf die KI (nicht den KI) zurückzukommen: Ich denke, die werden von selbst Ethiken ausbilden, die auf fundamentaleren Prinzipien beruhen: Extremwertanalyse, Gesetz der großen Zahl, direkte und indirekte Reziprozität, Gleichgewicht ... klingt natürlich alles ganz böse und ähnelt, wen wunderts, dem Utilitarismus.


Klingt nicht "böse", hat bloß nichts mit Ethik/Moral zu tun, einfach deshalb, weil hier jeder dem bloßen Pragmatismus enthobene Wertmaßstab fehlt.

#214:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 16.12.2018, 13:00
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Die Idee des KIs ist daher, dass Gesetze widerspruchsfreien Handelns angegeben werden müssen, die von jedem konkreten Inhalt unabhängig sind. ... Es geht also um Widerspruchsfreiheit im Wollen und Handeln, nicht um einen vorgestellten Idealzustand der empirischen Welt.

Genau, das ist auch mein Verständnis. Diese Widerspruchsfreiheit als Prüfinstanz hat aber wie gesagt den Nachteil, daß sie nicht zur Ausbildung einer Ethik taugt (sie ist, je nachdem wie man "Wollen", "Handeln" und "allgemeines Gesetz" auslegt, extrem unterdeterminiert). Ich denke, das war Kant auch bewußt, allerdings macht er sich dann eher einen schlanken Fuß beziehungsweise versucht den notwendig folgenden Relativismus zu verschleiern.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Denn nur solche können das ausmachen, was man eben mit dem Begriff der "Moral" meint, im Unterschied zu Forderungen, die eben nicht für die Form des Handelns nach Maximen überhaupt gelten, sondern bloß für bestimmtes Handeln und bestimmten Bedingungen. Wohin das führt, wenn man letzteres zur Grundlage der Moral macht, sieht man ja an diesem ganzen Interessenethikkram: Man kann zwischen Moral und bloßem Pragmatismus letztlich gar nicht mehr unterscheiden.

1. Auch in anderen Ethiken / Moralsystemen hat man mit dem KI nichts gewonnen, sondern muß Maximen aufstellen und kann "zwischen Moral und Pragmatismus letztlich gar nicht mehr unterscheiden". Für dieses pragmatische Aufstellen von Maximen braucht man, s.o., erheblich mehr als nur eine unterdeterminierte Widerspruchsfreiheit, nämlich eine Art Zielvereinbarung, eine Methode für den Interessensausgleich und Diskurs - wenn man keine Steintafeln mit Geboten will.

2. Ich denke, wir müssen lernen, daß an einer praktischen Ethik nichts Verwerfliches ist, daß Moral nichts weiter ist als eine Gestaltungstechnik für das Zusammenleben von Personen, und daß die Prüfinstanzen dafür selbst wiederum menschengemacht sind. Das mag für Idealisten eine Kränkung darstellen und zu Verunglimpfungen wie "britische Krämermoral" verleiten, aber dieser Schluß ist aus meiner Sicht unausweichlich.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Der ursprüngliche Utilitarismus konnte das übrigens durchaus noch, indem er zumindest eine universelle Werttheorie vertrat.

Auch hier stimme ich zu, allerdings sehe ich das eher als Nachteil - denn man erkannte schon bald, daß "Glück" nicht auf einen universellen Wert abbildbar war, u.a. da man es nicht eindeutig messen kann und seine Definition auch subjektiv ist. So kam man zum Präferenzutilitarismus.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Das streben nach Glückseligkeit ist zwar auch bloß ein "hypothetischer Imperativ", ...

Ja, aus Sicht des theoretischen Utilitaristen is es ein hypothetischer Imperativ. Aber siehe den nächsten Abschnitt.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
... aber zumindest einer, dem man noch halbwegs plausibel allen Menschen als notwendigen Bestandteil ihres Wollens unterstellen kann. Und das brauchts schon, damit etwas als "Moral" überhaupt auch nur in Betracht gezogen werden kann.

Der Witz ist aber, daß die Zeiten vorbei sind (bzw. sein sollten), in denen Philosophen mittels "Unterstellungen" Imperative festlegen. Das bedeutet, daß eine Ethik bzw. ethische Theorie heutzutage ganz wesentlich eine Methode beinhalten muß, wie Menschen ihr Wollen in die Maximen einbringen - ähnlich wie auch der Schritt vom Absolutismus zur Demokratie vollzogen werden muß. Auch darum sind Diskursethiken (und der damit verwandte Präferenzutilitarismus) ein Fortschritt gegenüber deontologischen Ethiken. Diskursethiken haben natürlich Nachteile, wie auch die Demokratie: In ihren Niederungen wird oft Mittelmaß produziert, da kann ich schon verstehen, daß sich der Eine oder Andere statt der "britischen Krämermoral" eine ehrwürdige und mächtige geistige Kathedrale zurückwünscht.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Um mal wieder auf die KI (nicht den KI) zurückzukommen: Ich denke, die werden von selbst Ethiken ausbilden, die auf fundamentaleren Prinzipien beruhen: Extremwertanalyse, Gesetz der großen Zahl, direkte und indirekte Reziprozität, Gleichgewicht ... klingt natürlich alles ganz böse und ähnelt, wen wunderts, dem Utilitarismus.
Klingt nicht "böse", hat bloß nichts mit Ethik/Moral zu tun, einfach deshalb, weil hier jeder dem bloßen Pragmatismus enthobene Wertmaßstab fehlt.

Nein. Jeder Wertmaßstab muß letztlich aus der Realität gebildet werden und sich an ihr messen. Auch ein Preis der Aufklärung.

#215:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 16.12.2018, 13:13
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Mit der Hebung ins Faktische wird der Versuch unternommen, die konstituierende Bedeutung für unsere Gesellschaft zu betonen. Das finde ich eigentlich nicht schlecht.

Auch wenn die Intention nachvollziehbar ist, finde ich die Vorgehensweise intellektuell unredlich, und auch nicht ganz ungefährlich, weil Metaphysisches heutzutage (zurecht) Gefahr läuft, gar nicht mehr ernstgenommen zu werden.

Wenn man die konstituierende bzw. zentrale Rolle der zugemessenen Würde für unser Konzept des Zusammenlebens hervorheben will, dann sollte man das genau so formulieren. Noch besser wäre, gleich zu definieren, worin die zugemessene Würde besteht, nämlich in (ebenfalls zugewiesenen) Grundrechten.

Zum Beispiel so in der Art:

"Im Bewußtsein der zentralen Bedeutung für das gesellschaftliche Zusammenleben legen wir fest: Jeder Person soll unter allen Umständen Personenwürde zukommen. Diese besteht in ihren Grundrechten ..."


Aber... das ist jetzt mehr Stilkritik, oder? Die armen Mütter und Väter des GG konnten ja nicht ahnen, welche Ansprüche an sie gestellt werden.

Ich hätte die konstituierende Bedeutung des §1 mit einer Warnung versehen. Damit sich eine Gesellschaft nicht so leicht auf die Schulter klopfen und sagen kann: "Wir sind ja so großartig, humanistisch und würdevoll."

    Die Würde des Menschen ist unantastbar. Der Hahn braucht nur dreimal zu krähen, dann werdet ihr diesen Satz schon gebrochen haben.

Tja, das war jetzt nicht stilsicher... Pfeifen

#216:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 16.12.2018, 13:28
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
Hebung ins Faktische
zelig hat folgendes geschrieben:
Aber... das ist jetzt mehr Stilkritik, oder?

"Hebung ins Faktische" - dieses erhabene Stilelement muß ich mir unbedingt merken. Erinnert mich irgendwie an ... https://de.wikipedia.org/wiki/Alternative_Fakten#Vergleich_mit_Manipulationstechniken_in_Orwells_Roman_1984

smallie hat folgendes geschrieben:
Ich hätte die konstituierende Bedeutung des §1 mit einer Warnung versehen. Damit sich eine Gesellschaft nicht so leicht auf die Schulter klopfen und sagen kann: "Wir sind ja so großartig, humanistisch und würdevoll." ...

Um nicht zu sagen: "unantastbar".

#217:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 16.12.2018, 13:47
    —
step hat folgendes geschrieben:
Genau, das ist auch mein Verständnis. Diese Widerspruchsfreiheit als Prüfinstanz hat aber wie gesagt den Nachteil, daß sie nicht zur Ausbildung einer Ethik taugt (sie ist, je nachdem wie man "Wollen", "Handeln" und "allgemeines Gesetz" auslegt, extrem unterdeterminiert). Ich denke, das war Kant auch bewußt, allerdings macht er sich dann eher einen schlanken Fuß beziehungsweise versucht den notwendig folgenden Relativismus zu verschleiern.


Den Vorwurf halte ich nicht für berechtigt. Kant, egal was man sonst von ihm halten mag, gehört m.E. zu den wenigen Moraltheoretikern, die einen wirklich aufgeräumten Begriffsapparat haben. Diese ganze Sache mit dem "prozesshaften demokratischen Aushandeln" kommt bei ihm ja durchaus auch vor, nur eben nicht in der Tugend- sondern in der Rechtslehre. Und diese Unterscheidung halte ich auch für sehr berechtigt, "äußere" Legalität ist eben etwas anderes als "innere" Legitimität, diese beiden Dinge einfach in eins zu werfen, wird der Sache schlicht nicht gerecht. Was wir auf Grundlage des allgemeinen Rechtsprinzips konkret für den Verkehr miteinander aushandeln ist nicht dasselbe wie Gewissensentscheidungen, vor die uns die Moral stellt. Und diese beiden Sachen blind zu vermengen, wie das heute üblich ist, gereicht weder der Moral, noch dem Recht zum Vorteil.

Man mag der Meinung sein, dass das Kantische "Vernunftwesen" für den Menschen zu viel der Ehre ist und man betreffs der Moral eher auf die psychologischen Voraussetzungen blicken sollte, aber die Nützlichkeitsmoral dürfte dadurch kaum plausibler werden.

step hat folgendes geschrieben:
Nein. Jeder Wertmaßstab muß letztlich aus der Realität gebildet werden und sich an ihr messen. Auch ein Preis der Aufklärung.


Fragt sich nur, ob das, was man als "Realität" behauptet, nicht am Ende viel mehr vom mitgebrachten Wertmaßstab abhängt, als man anderen und sich selbst eingesteht - und der behauptete "Nutzen" mehr ist als ein Taschenspielertrick.

#218:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 16.12.2018, 14:29
    —
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Hebung ins Faktische
zelig hat folgendes geschrieben:
Aber... das ist jetzt mehr Stilkritik, oder?

"Hebung ins Faktische" - dieses erhabene Stilelement muß ich mir unbedingt merken. Erinnert mich irgendwie an ... https://de.wikipedia.org/wiki/Alternative_Fakten#Vergleich_mit_Manipulationstechniken_in_Orwells_Roman_1984


"Die Erde ist rund" und "Du räumst jetzt das Zimmer auf." auch?



step hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Ich hätte die konstituierende Bedeutung des §1 mit einer Warnung versehen. Damit sich eine Gesellschaft nicht so leicht auf die Schulter klopfen und sagen kann: "Wir sind ja so großartig, humanistisch und würdevoll." ...

Um nicht zu sagen: "unantastbar".


Kann ich nicht nachvollziehen. Es ist ja vor dem Hintergrund des NS die Würde des anderen gemeint, nicht die eigene "Großartigkeit". Ich klebe ja nicht an dem Begriff, aber man muss ihn auch nicht so grundfalsch interpretieren.

#219:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 16.12.2018, 14:44
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
... Was wir auf Grundlage des allgemeinen Rechtsprinzips konkret für den Verkehr miteinander aushandeln ist nicht dasselbe wie Gewissensentscheidungen, vor die uns die Moral stellt. Und diese beiden Sachen blind zu vermengen, wie das heute üblich ist, gereicht weder der Moral, noch dem Recht zum Vorteil.

Es gibt aber nun mal keine innere Moral oder Legitimation. All unsere konkreten moralischen Überzeugungen kommen aus der Realität: Bedürfnisse (eigene und die der Anderen), Biologie, Prägung und Erziehung ..., da ist das "miteinander aushandeln" noch eine gute Methode, verglichen etwa mit verschiedenen Sorten der Herrschaftsmoral.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Man mag der Meinung sein, dass das Kantische "Vernunftwesen" für den Menschen zu viel der Ehre ist und man betreffs der Moral eher auf die psychologischen Voraussetzungen blicken sollte, aber die Nützlichkeitsmoral dürfte dadurch kaum plausibler werden.

Das verstehe ich nicht - Vernunft, Diskurs und Interessensausgleich passen doch hervorragend zueinender.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Nein. Jeder Wertmaßstab muß letztlich aus der Realität gebildet werden und sich an ihr messen. Auch ein Preis der Aufklärung.
Fragt sich nur, ob das, was man als "Realität" behauptet, nicht am Ende viel mehr vom mitgebrachten Wertmaßstab abhängt, als man anderen und sich selbst eingesteht ...

Es ist ein iterativer Prozeß, der natürlich geprägt wird von äußeren Bedingungen. Und der auch ständiger Hinterfragung durch die Realitätswissenschaften bedarf.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
... und der behauptete "Nutzen" mehr ist als ein Taschenspielertrick.

Schlimmer als beim behaupteten "Gotteslohn" kann es ja kaum kommen. Idealerweise kontrollieren den "Nutzen" die Interessebegabten selbst, wozu sie natürlich eines gewissens Ausgangs aus ihrer Unmündigkeit bedürfen.

#220:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 16.12.2018, 14:53
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Hebung ins Faktische
zelig hat folgendes geschrieben:
Aber... das ist jetzt mehr Stilkritik, oder?
"Hebung ins Faktische" - dieses erhabene Stilelement muß ich mir unbedingt merken. Erinnert mich irgendwie an ... https://de.wikipedia.org/wiki/Alternative_Fakten#Vergleich_mit_Manipulationstechniken_in_Orwells_Roman_1984
... "Du räumst jetzt das Zimmer auf." auch?

Auf jeden Fall ein schlimmer Fall von manipulativer Rhetorik. zwinkern

zelig hat folgendes geschrieben:
Es ist ja vor dem Hintergrund des NS die Würde des anderen gemeint, nicht die eigene "Großartigkeit".

Natürlich nicht die Großartigkeit des Einzelnen, aber die Moral wird zu etwas Göttlichem/Absoluten erhoben, obwohl es gleichzeitig eine Leerformel beibt. Das haben wie oben erwähnt auch einige GG-Väter als irgendwie heuchlerisch empfunden.

zelig hat folgendes geschrieben:
Ich klebe ja nicht an dem Begriff, aber man muss ihn auch nicht so grundfalsch interpretieren.

Da stimme ich zu, es zeigt aber auch, daß klare Ausdrucksweise wichtig ist, ohne metaphysische Hebung.

#221:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 16.12.2018, 15:24
    —
step hat folgendes geschrieben:
Es gibt aber nun mal keine innere Moral oder Legitimation. All unsere konkreten moralischen Überzeugungen kommen aus der Realität: Bedürfnisse (eigene und die der Anderen), Biologie, Prägung und Erziehung ...,


Wie gesagt, wenn man das Kantische "Vernunftwesen" nicht schluckt, bleibt für die Moral eigentlich nur noch die Psychologie.



step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Man mag der Meinung sein, dass das Kantische "Vernunftwesen" für den Menschen zu viel der Ehre ist und man betreffs der Moral eher auf die psychologischen Voraussetzungen blicken sollte, aber die Nützlichkeitsmoral dürfte dadurch kaum plausibler werden.

Das verstehe ich nicht - Vernunft, Diskurs und Interessensausgleich passen doch hervorragend zueinender.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Nein. Jeder Wertmaßstab muß letztlich aus der Realität gebildet werden und sich an ihr messen. Auch ein Preis der Aufklärung.
Fragt sich nur, ob das, was man als "Realität" behauptet, nicht am Ende viel mehr vom mitgebrachten Wertmaßstab abhängt, als man anderen und sich selbst eingesteht ...

Es ist ein iterativer Prozeß, der natürlich geprägt wird von äußeren Bedingungen. Und der auch ständiger Hinterfragung durch die Realitätswissenschaften bedarf.


Das Ergebnis eines beliebigen Diskurses erfasst aber ja nicht das, was wir "Moral" nennen, Nützlichkeit und Interessenausgleich begründetet eben keine Wertung im moralischen Sinne. Moralische Wertung hat viel mehr mit dem zu tun, welches Bild wir von uns und anderen in der Welt haben, also mit der Frage, als was für Wesen wir uns selbst verstehen. Entwicklungsmoralische Interpretationen bspw., die den Menschen als ein durch die Evolution geformtes mitfühlendes Wesen bestimmen, kommen eben von Leuten, die das Bild des Menschen als mitfühlendes Wesen bereits voraussetzen und seine Entwicklung als Moralwesen dann genau in diesem Sinne deuten. Dem Kern der moralischen Empfindung ist man damit noch nicht näher gekommen. Die moralische Empfindung prägt zweifelsfrei den Diskurs, umgekehrt geht sie selbst aber nicht im Diskurs auf bzw. höchstens dann, wenn man die gesamte psychologische Entwicklung des Menschen als Diskurs versteht, außerhalb dessen sich zu stellen aber dann beinahe unmöglich wird.

step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
... und der behauptete "Nutzen" mehr ist als ein Taschenspielertrick.

Schlimmer als beim behaupteten "Gotteslohn" kann es ja kaum kommen. Idealerweise kontrollieren den "Nutzen" die Interessebegabten selbst, wozu sie natürlich eines gewissens Ausgangs aus ihrer Unmündigkeit bedürfen.


Ich meinte das nicht im Sinne einer Übervorteilung durch klügere Interessenvertreter, sondern eher in dem eines Selbstbetruges, also man deutet sein moralisches Empfinden als durch die Nützlichkeit begründet, weil man die Forderung nach Zweckrationalität im Handeln bereits derart verinnerlicht hat, dass man sich das eigene Handeln gar nicht mehr anders begründet vorstellen kann

#222:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 16.12.2018, 17:14
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Das Ergebnis eines beliebigen Diskurses ...

Es ist kein beliebiger Diskurs, sondern einer über die Frage, was allgemeines Gesetz bzw. Handlungsmaxime sein soll. Er ist allerdings ergebnisoffen, davor haben Paternalisten Angst.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
... erfasst aber ja nicht das, was wir "Moral" nennen, Nützlichkeit und Interessenausgleich begründetet eben keine Wertung im moralischen Sinne.

Doch, natürlich. Moral ist de facto so etwas wie die "Gesamtheit von ethisch-sittlichen Normen, Grundsätzen, Werten, die das zwischenmenschliche Verhalten einer Gesellschaft regulieren" (wikipedia), und zwar egal, ob diese durch Steintafeln, Kant, Biologie, Tradition, Erziehung, den Papst oder Interessendiskurs entsteht.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Moralische Wertung hat viel mehr mit dem zu tun, welches Bild wir von uns und anderen in der Welt haben, also mit der Frage, als was für Wesen wir uns selbst verstehen. Entwicklungsmoralische Interpretationen bspw., die den Menschen als ein durch die Evolution geformtes mitfühlendes Wesen bestimmen, kommen eben von Leuten, die das Bild des Menschen als mitfühlendes Wesen bereits voraussetzen und seine Entwicklung als Moralwesen dann genau in diesem Sinne deuten. Dem Kern der moralischen Empfindung ist man damit noch nicht näher gekommen. Die moralische Empfindung prägt zweifelsfrei den Diskurs, umgekehrt geht sie selbst aber nicht im Diskurs auf bzw. höchstens dann, wenn man die gesamte psychologische Entwicklung des Menschen als Diskurs versteht, außerhalb dessen sich zu stellen aber dann beinahe unmöglich wird.

Keine Ahnung, wo das argumentativ hinführen soll. Der "Kern der moralischen Empfindung" ist für mich nicht irgendein durch Kant erkennbares teleologisches Geheimnis, sondern ihre Funktionsweise, und damit reiner Gegenstand der Naturwissenschaften. Da kann man etwa untersuchen, wie Moral anerzogen wird oder wieso Leute Vergeltung als gerecht empfinden. Und natürlich ist die aktuelle Moral kontingent und spielt in die individuellen Interessen hinein. Aber das ändert alles nichts daran, daß ich die Interessen der Leute diskutieren und berücksichtigen muß, wenn es um die Frage geht: "Auf welchen Regeln und Werten soll unsere Gesellschaft basieren?" - da will jeder gemäß seiner Interessen mitbestimmen, ob die nun von tradierten Werten bestimmt sind oder nicht. Und was dabei rauskommt, ist eben die nächste Version der Moral.

Ich würde ja noch verstehen, wenn jemand im ethischen Diskurs ein anderes Ziel vorschlägt als das typische utilitaristische. Aber aufgeklärte Menschen suchen, hinterfragen, ändern, definieren, vereinbaren ihre höchsten Werte und Ziele selbst und glauben nicht an eine irgendwie fixe höhere Moral.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
... also man deutet sein moralisches Empfinden als durch die Nützlichkeit begründet, weil man die Forderung nach Zweckrationalität im Handeln bereits derart verinnerlicht hat, dass man sich das eigene Handeln gar nicht mehr anders begründet vorstellen kann

Aber wie sonst sollte man seine moralischen Entscheidungen überprüfen / rechtfertigen, wenn nicht durch Messung an den allgemein vereinbarten Maximen? Genau diese sind es ja, die die Gesellschaft im "Gewissen" des Einzelnen zu verankern versucht, damit sie sich möglichst drauf verlassen kann. Niemand will ernsthaft, daß eine Kontaktperson sich in wichtigen moralischen Fragen nichtkonform (= unmoralisch) verhält. Das ist in deontologischen Systemen genauso wie im Utilitarismus.

Mal anders gefragt: Was ist sonst der Nutzen von Moral, wenn nicht das verläßlich konforme Handeln und der dadurch erzielte Vertrauensvorschuß und Sicherheit im Zusammenleben?

#223:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 16.12.2018, 18:00
    —
step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
... also man deutet sein moralisches Empfinden als durch die Nützlichkeit begründet, weil man die Forderung nach Zweckrationalität im Handeln bereits derart verinnerlicht hat, dass man sich das eigene Handeln gar nicht mehr anders begründet vorstellen kann


Aber wie sonst sollte man seine moralischen Entscheidungen überprüfen / rechtfertigen, wenn nicht durch Messung an den allgemein vereinbarten Maximen? Genau diese sind es ja, die die Gesellschaft im "Gewissen" des Einzelnen zu verankern versucht, damit sie sich möglichst drauf verlassen kann. Niemand will ernsthaft, daß eine Kontaktperson sich in wichtigen moralischen Fragen nichtkonform (= unmoralisch) verhält. Das ist in deontologischen Systemen genauso wie im Utilitarismus.

Mal anders gefragt: Was ist sonst der Nutzen von Moral, wenn nicht das verläßlich konforme Handeln und der dadurch erzielte Vertrauensvorschuß und Sicherheit im Zusammenleben?


Ohne dass ich jetzt auf deinen letzten Beitrag an mich eingegangen bin, kurz mal zwei Zwischenbemerkungen:

Deine Gleichung "nichtkonform (= unmoralisch)" ist verhängnisvoll. (Nicht-)Konformität und Moral/Ethik haben zunächst mal gar nichts miteinander zu tun. Nichtkonformes Verhalten kann moralischer/ethischer sein als Konformismus.

1. Wenn, dann würde ich es anders sagen: Sofern abweichendes Verhalten moralisch/ethisch ist, ist es legitim. Daraus folgt, dass man Moral/Ethik unabhängig von der Frage der Konformität verstehen muss. Und da sind wir wieder bei der Kant'schen Unterscheidung. Aus der kommt man nicht einfach so heraus, indem man den Unterschied zwischen pragmatischem Recht und dem moralischen/ethischen Wert von Entscheidungen und Handlungen nicht berücksichtigt.

2. Was der Wert von Moral/Ethik ist, lässt sich nicht einfach per Diskussion und Vereinbarung klären, auch dann nicht, wenn der Prozess der Verhandlung iterativ erfolgt. Denn - ich erinnere an Sam Harris - über Menschenrechte kann man nicht diskutieren, weil sie quasi einen objektiven Charakter haben, den niemand per Deklamation setzen oder außer Kraft setzen kann.

Gegen Metaphysik und Religion zu argumentieren, ist sicherlich gut und - nützlich! Aber man sollte nicht das Kind der Moral/Ethik mit dem metaphysischen Bade ausschütten ...-

#224:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 16.12.2018, 18:35
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Deine Gleichung "nichtkonform (= unmoralisch)" ist verhängnisvoll. (Nicht-)Konformität und Moral/Ethik haben zunächst mal gar nichts miteinander zu tun. Nichtkonformes Verhalten kann moralischer/ethischer sein als Konformismus.

Das hatten wir schon mehrfach. Immer wenn Du den Wortstamm "konform-" liest, kommst Du mir mit Konformismus = "Haltung, die durch Angleichung der eigenen Einstellung an die herrschende Meinung, durch Anpassung an die bestehenden Verhältnisse gekennzeichnet ist" (wikipedia) - das vertrete ich jedoch überhaupt nicht. Meine Behauptung war nur, daß Gesellschaften möchten, daß sich Individuen bei moralischen Fragen des Alltags verläßlich / voraussagbar verhalten - und zwar gemäß den Übereinkünften.

In der nichtalltäglichen Situation, auf die Du anspielst, zum Beispiel Juden verstecken im Dritten Reich oder ein RAF-Anschlag, handelt jemand nicht konform zur geltenden Gesetzgebung bzw. Moral, jedoch konform zu einem anderen moralischen System, dem er/sie sich stärker zugehörig fühlt, z.B. dem Humanismus, dem Christentum, dem Sozialismus, oder dem was seine Eltern oder Freunde ihm eingeprägt haben.

Dazu kommt, daß Deine Verwendung des Wortes "moralisch" z.B. in "Verhalten kann moralischer sein ..." zeigt, daß Du an eine absolute Moral bzw. das absolut Gute glaubst (das vermutlich gerade Deinen eigenen Werten und Zielen entspricht), an dem Du mißt, wie "moralisch" jemand gehandelt hat. Da war aber sogar Kant schon vorsichtiger.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
über Menschenrechte kann man nicht diskutieren, weil sie quasi einen objektiven Charakter haben, den niemand per Deklamation setzen oder außer Kraft setzen kann.

Nein, Menschenrechte sind, wie Tierrechte, weder göttliche noch Naturrechte, sondern menschengemacht und in ihrer Ausprägung und Gewichtung zu diskutieren. Was als Menschenrecht gilt, ändert sich im Laufe der Zeit.

#225:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 17.12.2018, 11:37
    —
step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Das Ergebnis eines beliebigen Diskurses ...

Es ist kein beliebiger Diskurs, sondern einer über die Frage, was allgemeines Gesetz bzw. Handlungsmaxime sein soll. Er ist allerdings ergebnisoffen, davor haben Paternalisten Angst.


Eine Maxime zeichnet sich durch Subjektivität aus, ein allgemeines (d.i. universelles) Gesetz durch Objektivität. Bei Kant ist der Punkt an der Moral ja gerade, dass dort (subjektive) Maxime und (allgemeines) Gesetz in Übereinstimmung gebracht werden, das ist für ihn gewissermaßen die Definition des Begriffs "Moral". Das setzt natürlich voraus, dass das allgemeine Gesetz durch Vernunft erkennbar ist, andernfalls ginge es ja nur um eine Geschmacksfrage darüber, welche Maxime anderen vorzuziehen sei, dann könnte man den Punkt mit dem allgemeinen Gesetz gleich streichen und einfach vom "Gesetz der stärksten Maxime" oder dgl. reden.

step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
... erfasst aber ja nicht das, was wir "Moral" nennen, Nützlichkeit und Interessenausgleich begründetet eben keine Wertung im moralischen Sinne.

Doch, natürlich. Moral ist de facto so etwas wie die "Gesamtheit von ethisch-sittlichen Normen, Grundsätzen, Werten, die das zwischenmenschliche Verhalten einer Gesellschaft regulieren" (wikipedia), und zwar egal, ob diese durch Steintafeln, Kant, Biologie, Tradition, Erziehung, den Papst oder Interessendiskurs entsteht.


Dass sie das zwischenmenschliche Miteinander regulieren, würde ich noch unterschreiben, dass diese Regulierungsfunktion aber ihr Wesen und den Grund ihrer Existenz ausmachen, ziehe ich dagegen in Zweifel.

step hat folgendes geschrieben:
Keine Ahnung, wo das argumentativ hinführen soll. Der "Kern der moralischen Empfindung" ist für mich nicht irgendein durch Kant erkennbares teleologisches Geheimnis,...


Also um Kant geht's hier schon sowieso nicht mehr, denn obige Fragen stellen sich ja nur, wenn man sich von der Idee einer Erkenntnis des praktischen Vernunftgesetzes schon verabschiedet hat und stattdessen auf die empirischen (psychologischen) Umstände guckt, was kaum unkantischer sein könnte.


step hat folgendes geschrieben:
...sondern ihre Funktionsweise, und damit reiner Gegenstand der Naturwissenschaften. Da kann man etwa untersuchen, wie Moral anerzogen wird oder wieso Leute Vergeltung als gerecht empfinden.


Wie etwas anerzogen wird oder wodurch sich Werte vererben klingt jetzt allerdings nicht nach originär naturwissenschaftlichen Fragen. Aber grundsätzlich stimme ich dir durchaus zu. Wo ich widerspreche ist, dass sich diese Fragen so ohne Weiteres über eine Funktionszuschreibung moralischer Werte beantworten lassen. Denn was moralische Regeln von beliebigen anderen Regeln des sozialen Miteinanders unterscheidet, ist ihr stark wertender Charakter. Und in dieser Wertung kommt eben etwas anderes zum Ausdruck als der Wunsch, das Zusammenleben effektiv zu gestalten und Interessen auszugleichen. Nehmen wir zum Beispiel die moralische Verpflichtung, ein Versprechen zu halten. Sicher kann man hier auch irgendwie mit dem gesellschaftlichen Nutzen argumentieren, den die Institution des Versprechens hat, der Punkt ist aber, dass dieser Nutzen nicht das zum Ausdruck bringt, was den moralischen Wert des Versprechens ausmacht. Der echte Utilitarist könnte gar nicht versprechen, denn er müsste genau genommen sowas sagen wie: "Wenn unterm Strich am Ende der Nutzen von dieser oder jener Handlung ihren Schaden überwiegt, werde ich entsprechend handeln", was aber ja, so formuliert, eben gar kein Versprechen mehr wäre. Was den moralischen Charakter des Versprechens ausmacht ist also nicht irgendein vorgestellter, gesamtgesellschaftlicher Nutzen, sondern ein Verpflichtungsgefühl. Und bei diesem Verpflichtungsgefühl kann man redlicherweise nicht einfach von vornherein behaupten, dass es den Menschen aus Gründen irgendeiner bestimmten Nützlichkeit antrainiert worden wäre. Natürlich hat die Existenz dieser Institution Auswirkungen auf soziale Miteinander, aber irgendeine dieser Auswirkungen einfach als die eigentliche Ursache dieser Institution zu setzen, ist nicht mehr als eine Spekulation. Ebenso gut könnte man umgekehrt argumentieren, dass diese Auswirkungen bloß Nebenprodukte sind, die dann durch den Wunsch nach zweckrationalen Erklärungen des Verhaltens einfach in diesem Sinne zurechtinterpretiert werden.


step hat folgendes geschrieben:
Mal anders gefragt: Was ist sonst der Nutzen von Moral, wenn nicht das verläßlich konforme Handeln und der dadurch erzielte Vertrauensvorschuß und Sicherheit im Zusammenleben?


Na ja, allein die Frage nach dem Nutzen der Moral setzt die Richtigkeit des Utilitarismus ja bereits in sich voraus. Für den Nichtutilitaristen ist ja gar nicht ausgemacht, dass es da immer einen konkreten Nutzen geben muss. Der Wert des Versprechens z.B. könnte auch in dem stolzen Gefühl begründet sein, seine Willensbekundung über längere Zeiträume hinweg stabil zu halten und damit überhaupt erst so etwas wie ein bleibendes Ich-Bewusstsein zu erschaffen. Der gesellschaftliche Nutzen daraus wäre bloß ein überinterpretierter Kollateralnutzen.

#226:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 17.12.2018, 18:44
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Wie etwas anerzogen wird oder wodurch sich Werte vererben klingt jetzt allerdings nicht nach originär naturwissenschaftlichen Fragen.

Naja, Soziologie rechne ich mal dazu. Jedenfalls geht es um prüfbare Hypothesen über die Funktionsweise.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
... der Punkt ist aber, dass dieser Nutzen nicht das zum Ausdruck bringt, was den moralischen Wert des Versprechens ausmacht. Der echte Utilitarist könnte gar nicht versprechen, denn er müsste genau genommen sowas sagen wie: "Wenn unterm Strich am Ende der Nutzen von dieser oder jener Handlung ihren Schaden überwiegt, werde ich entsprechend handeln", was aber ja, so formuliert, eben gar kein Versprechen mehr wäre.

Nein, dieser Einwand ist mE falsch. Die meisten Utilitaristen würdem dem Einhalten von Versprechen einen hohen Gemeinnutzen zuweisen, daher würden sie i.a. nur etwas versprechen, von dem sie glauben, daß sie es auch einhalten, und damit also auch nur etwas, das ihrer Ansicht nach nicht schädlich ist. Natürlich kann es Dilemmasituationen geben, zum Beispiel wenn unklar ist, ob der Schaden bei einem falschen Versprechen möglicherweise kleiner wäre als bei einem nicht gegebenen. Dieses Problem haben allerdings auch Nichtutilitaristen.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Was den moralischen Charakter des Versprechens ausmacht ist also nicht irgendein vorgestellter, gesamtgesellschaftlicher Nutzen, sondern ein Verpflichtungsgefühl.

Das liegt daran, daß Moral eingeübt wird und man aus Effizienzgründen nicht immer wieder neu darüber nachdenkt. Das ist auch bei Utilitaristen so.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Und bei diesem Verpflichtungsgefühl kann man redlicherweise nicht einfach von vornherein behaupten, dass es den Menschen aus Gründen irgendeiner bestimmten Nützlichkeit antrainiert worden wäre.

Natürlich nicht, denn die meisten Eltern, Lehrer, Pfarrer usw. sind erstens keine Utilitaristen, und zweitens wissen wir ja alle, daß viele nützliche (und auch schädliche) Dinge nicht "designt" sind, sondern sich iterativ gebildet haben, sowohl in der Biologie als auch in der Kultur. Daß die Werte von Kindern i.a. vergleichsweise stark mit denen ihrer Eltern, Lehrer usw. korrelieren, kannst Du aber schlecht leugnen, sie werden also - mehr oder weniger bewußt - anerzogen. Das Verpflichtungsgefühl wird z.B. recht offensichtlich dadurch gestärkt, daß Enttäuschung und Vorwürfe zurückgespiegelt werden.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Mal anders gefragt: Was ist sonst der Nutzen von Moral, wenn nicht das verläßlich konforme Handeln und der dadurch erzielte Vertrauensvorschuß und Sicherheit im Zusammenleben?
Na ja, allein die Frage nach dem Nutzen der Moral setzt die Richtigkeit des Utilitarismus ja bereits in sich voraus.

Äh ... nein - es ist erstmal nur die Frage nach dem Nutzen der Moral. Es wäre selbstverständlich absolut legitim zu antworten, daß Moral gar keinen Nutzen habe, also völlig nutzlos sei.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Für den Nichtutilitaristen ist ja gar nicht ausgemacht, dass es da immer einen konkreten Nutzen geben muss.

Das ist richtig und übrigens auch beim Utilitaristen so - aber meist stellt sich dann doch heraus, daß wie durch ein Wunder all die Dinge, die der Nichtutilitarist wichtig findet, seiner Ansicht nach auch einen Nutzen haben. Nur hat er eben so eine Abneigung gegen die Profanität dieser Tatsache und dieser Bezeichnung, weil er sie mit englischem Krämertum assoziiert, wo er lieber etwas Erhabenes, einen Götterfunken hätte.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Der Wert des Versprechens z.B. könnte auch in dem stolzen Gefühl begründet sein, seine Willensbekundung über längere Zeiträume hinweg stabil zu halten und damit überhaupt erst so etwas wie ein bleibendes Ich-Bewusstsein zu erschaffen. Der gesellschaftliche Nutzen daraus wäre bloß ein überinterpretierter Kollateralnutzen.

Nehmen wir mal einen Moment an, das wäre tatsächlich so. Dann müßte es Dir ja eher unwichtig sein, ob Andere ihre Versprechen einhalten. Und es wäre dann auch sinnlos, Menschen mit Vorwürfen zu begegnen, wenn sie ihre Versprechen brechen. Und Kinder zu belehren, Versprechen einzuhalten. Und gäbe es dann überhaupt Betrüger mit Ich-Bewußtsein? Und wäre Moral dann nicht eher so etwas Ähnliches wie Essen oder Sehen: essentiell wichtig für das Individuum, kollateral nützlich für die Gemeinschaft?

#227: Die Übereinkunft Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 17.12.2018, 22:41
    —
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Deine Gleichung "nichtkonform (= unmoralisch)" ist verhängnisvoll. (Nicht-)Konformität und Moral/Ethik haben zunächst mal gar nichts miteinander zu tun. Nichtkonformes Verhalten kann moralischer/ethischer sein als Konformismus.


Das hatten wir schon mehrfach. Immer wenn Du den Wortstamm "konform-" liest, kommst Du mir mit Konformismus = "Haltung, die durch Angleichung der eigenen Einstellung an die herrschende Meinung, durch Anpassung an die bestehenden Verhältnisse gekennzeichnet ist" (wikipedia) - das vertrete ich jedoch überhaupt nicht. Meine Behauptung war nur, daß Gesellschaften möchten, daß sich Individuen bei moralischen Fragen des Alltags verläßlich / voraussagbar verhalten - und zwar gemäß den Übereinkünften.


"Übereinkünfte" sagst du.

Nehmen wir doch mal eine realistische Situation:

Das Unternehmen xy ist unter Druck, die Kosten zu senken. Es gibt eine große Betriebsversammlung, wo alle dabei sind - CEOs, Managerriege, Fachabteilungsleiter, Angestellte, Arbeiter, Betriebsräte, Gewerkschaften.

Jetzt kommt die Frage, mit welcher "Übereinkunft" das Unternehmen gerettet werden kann und wieder in die Gewinnzone kommt.

Wie es immer so ist bei solchen "Diskussionen", kommt es irgendwann zu einer ... ähm ... "Übereinkunft", der alle mehr oder weniger "zustimmen", so dass sich keiner mehr heraus reden kann. Sonst heisst es: "hey, du hast doch auch zugestimmt, zu der Übereinkunft!"

Man braucht nicht erst solche Beispiele, um sich vorzustellen, wie die "Übereinkünfte" in anderen Bereichen der Gesellschaft aussehen.

Trotz vermeintlicher Freiwilligkeit, erreicht man so genau den gewünschten Konformismus. Woran das liegt, ist ja kein Geheimnis. Ich denke, ich brauche das nicht auszuführen.

step hat folgendes geschrieben:
In der nichtalltäglichen Situation, auf die Du anspielst, zum Beispiel Juden verstecken im Dritten Reich oder ein RAF-Anschlag, handelt jemand nicht konform zur geltenden Gesetzgebung bzw. Moral, jedoch konform zu einem anderen moralischen System, dem er/sie sich stärker zugehörig fühlt, z.B. dem Humanismus, dem Christentum, dem Sozialismus, oder dem was seine Eltern oder Freunde ihm eingeprägt haben.


Es kann halt eine Gesellschaft durch verschiedene Formen des Zwangs oder der beschriebenen Methoden der "Zustimmung" als Ganzes unmoralisch/unethisch sein. Dann kann ein Nonkonformismus richtiger sein als Konformismus, aber nicht in jedem Fall. Sondern nur dann, wenn dem unmoralischen/unethischen Ganzen etwas Moralisches und Ethisches entgegen gesetzt wird.

Das kann man so skizzieren, indem man die Menschenrechte anführt oder Sam Harris und seine Überlegungen:

https://www.zeit.de/2013/02/Glueck-ohne-Gott-Moral/komplettansicht

Ich hatte schon früher in einigen Beiträgen auf ihn Bezug genommen. Die Ketzerei heisst: "objektive Ethik". Viel Spaß beim Lesen (am besten der Originalquellen).

step hat folgendes geschrieben:
Dazu kommt, daß Deine Verwendung des Wortes "moralisch" z.B. in "Verhalten kann moralischer sein ..." zeigt, daß Du an eine absolute Moral bzw. das absolut Gute glaubst (das vermutlich gerade Deinen eigenen Werten und Zielen entspricht), an dem Du mißt, wie "moralisch" jemand gehandelt hat. Da war aber sogar Kant schon vorsichtiger.


Kant war ein Stück weit auf dem richtigen Weg. Er wusste nur nicht, wie es weiter gehen könnte. Also beendete er das mit dem kategorischen Imperativ. Aber seine Überlegungen knüpfen auch an die Griechische Philosophie von Aristotels an mit dessen Unterscheidung zwischen "Ethos" und "Ethik". Zumsel hat dazu etwas geschrieben, wie das bei Kant aussah.

Die Frage ist nicht "absolut" oder "relativ", sondern die Frage in der Wissenschaft ist immer: "Wie gut begründet man etwas?"

Bezüglich deinem Ansatz der Moral und Ethik als Ergebnis eines Diskurses habe ich die Befürchtung, hier wieder nur neue Herrschaftsformen in neuem Gewande und dazu noch unter Berufung auf die Aufklärung zu etablieren. Diskurse in der realen Gesellschaft sind immer noch Herrschaftsdiskurse. Wenn sie es irgendwann nicht mehr sind, dann kann man auf deinen Ansatz zurück kommen.

Aber unter diesen Verhältnissen?

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
über Menschenrechte kann man nicht diskutieren, weil sie quasi einen objektiven Charakter haben, den niemand per Deklamation setzen oder außer Kraft setzen kann.


Nein, Menschenrechte sind, wie Tierrechte, weder göttliche noch Naturrechte, sondern menschengemacht und in ihrer Ausprägung und Gewichtung zu diskutieren. Was als Menschenrecht gilt, ändert sich im Laufe der Zeit.


Die Menschenrechte sind nicht willkürlich, wenn du das damit sagen willst.

Es steckt in ihnen viel objektive Wahrheit.

Anders gesagt: Sie sind nicht einfach willkürlich so und nicht anders gesetzt worden.

Will man über Menschenrechte so diskutieren, dass sie in wesentlichen Teilen zur Disposition stehen - und genau dies geschieht ja heute im Zuge des internationalen Rechtsrucks - dann trägt ein solcher Diskurs alles andere als freiheitliche oder aufgeklärte Züge, auch wenn er sich mit großem Gestus den Anschein geben mag. Im Gegenteil.

edit: Das Alles gilt für Tierrechte im Prinzip auch, wobei diese noch bei weitem nicht so elaboriert sind wie die Menschenrechte. Die Tierrechte wären vielleicht der Bogen zurück zum Thema: "Können Tiere denken?". (Oder man nimmt diesen Teil hier heraus.)

#228: Re: Die Übereinkunft Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 18.12.2018, 00:03
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
über Menschenrechte kann man nicht diskutieren, weil sie quasi einen objektiven Charakter haben, den niemand per Deklamation setzen oder außer Kraft setzen kann.
Nein, Menschenrechte sind, wie Tierrechte, weder göttliche noch Naturrechte, sondern menschengemacht und in ihrer Ausprägung und Gewichtung zu diskutieren. Was als Menschenrecht gilt, ändert sich im Laufe der Zeit.
Die Menschenrechte sind nicht willkürlich, wenn du das damit sagen willst.

Nein, ich will damit sagen, was ich geschrieben habe.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Es steckt in ihnen viel objektive Wahrheit. Anders gesagt: Sie sind nicht einfach willkürlich so und nicht anders gesetzt worden.

Natürlich nicht völlig willkürlich. Sie spiegeln u.a. biologische und kulturelle Umstände wieder. Das Recht etwa, nicht zu hungern, hängt damit zusammen, wie unser Organismus funktioniert. Aber selbst ein so selbstverständliches Recht hat der Mensch (anders als den Hunger) nicht von Natur, sondern eine kulturell hochstehende Gemeinschaft gewährt es ihm, weil es ihr ein Bedürfnis ist oder sie vernünftige Gründe dafür hat.

#229:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 20.12.2018, 00:23
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Also, wenn du mit "Metaphysik" sowas die lieben Englein meinst: die sind nicht die einzige Alternative zur englischen Krämermoral...

Englische Krämermoral. Schneidig formuliert. Mr. Green

Allerdings sagt mir persönlich die englische Denktradition - John Stuart Mill, Adam Smith, Darwin - mehr als die kontinentale, insbesondere die deutsche.



Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Es gibt aber nun mal keine innere Moral oder Legitimation. All unsere konkreten moralischen Überzeugungen kommen aus der Realität: Bedürfnisse (eigene und die der Anderen), Biologie, Prägung und Erziehung ...,


Wie gesagt, wenn man das Kantische "Vernunftwesen" nicht schluckt, bleibt für die Moral eigentlich nur noch die Psychologie.

Hilft Vernunft bei folgendem Problem?

Menschen in unterschiedlichen Gesellschaften kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, was gesellschaftlich wünschenswert ist. Schon die skandinavischen Länder setzen andere Schwerpunkte als die mitteleuropäischen, als die Visegrad-Staaten, die Briten oder die US-Amerikaner. Global gesehen sind die Unterschiede noch größer.

Wenn ich das Vernunftwesen schlucke, muß ich annehmen, daß die Skandinavier vernünftiger sind, als der Rest der Welt, oder die Polen, oder die Amis, oder die Chinesen ... Der jeweilige Rest der Welt ist dann schlicht unvernünftig oder wird unterdrückt oder verführt. Das mag im Einzelfall zutreffen, birgt aber auch die Gefahr der Selbstgefälligkeit.

"Vernunft" läßt sich schnell behaupten. Die Diskussion, was was vernünftig ist, bleibt einem jedoch nicht erspart.



Zumsel hat folgendes geschrieben:
Wie gesagt, wenn man das Kantische "Vernunftwesen" nicht schluckt, bleibt für die Moral eigentlich nur noch die Psychologie.

Psychologie ist zu kurz gesprungen. Das geht tiefer. Eine englische Krämerseele hat vor 150 Jahren folgendes zum Thema geschrieben.



Neben der Vernunft spielt auch Nachahmung (vermeintlich) erfolgreichen Verhaltens eine Rolle:

Zitat:
Charles Darwin - Die Abstammung des Menschen
Kapitel 5 - Über die Entwickelung der intellektuellen und moralischen Fähigkeiten während der vorgeschichtlichen und zivilisierten Zeiten


Es verdient Beachtung, daß, sobald unsere Vorfahren sozial wurden ..., der Nachahmungstrieb, die Überlegung [reason] und die Erfahrung einen immer breiteren Raum einnahmen und die intellektuellen Fähigkeiten in einer Weise stark modifizierten, von der wir nur Spuren bei den Tieren bemerken können.



Reziprozität:

Darwin hat folgendes geschrieben:
Erstens wird jeder Mensch bei der zunehmenden Vervollkommnung seines Verstandes und seiner Voraussicht bald einsehen lernen, daß er, wenn er seinen Mitmenschen hilft, auch ein Anrecht auf ihre Hilfe erwirbt.



Gruppendruck:

Darwin hat folgendes geschrieben:
Ein anderer, viel wirksamerer Antrieb zur Entwickelung der sozialen Tugenden ist das Lob und der Tadel unserer Mitmenschen.



Eine Prise Fortschrittsskepsis ist auch dabei:

Darwin hat folgendes geschrieben:
Wie Bagehot bemerkt hat, sind wir leicht geneigt, die fortschreitende Entwickelung als das Normale in der Geschichte der Menschheit anzusehen. Die Geschichte selbst widerlegt diese Annahme.

Ob die Skepsis berechtigt ist, lasse ich an dieser Stelle offen. Steven Pinker und andere bestreiten das. Wer hier einen argumentativen Stich machen will, muß eine Metrik des Fortschritts haben. Womit wir wieder bei Krämermoral sind.

#230: Re: Die Übereinkunft Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 20.12.2018, 08:55
    —
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
über Menschenrechte kann man nicht diskutieren, weil sie quasi einen objektiven Charakter haben, den niemand per Deklamation setzen oder außer Kraft setzen kann.
Nein, Menschenrechte sind, wie Tierrechte, weder göttliche noch Naturrechte, sondern menschengemacht und in ihrer Ausprägung und Gewichtung zu diskutieren. Was als Menschenrecht gilt, ändert sich im Laufe der Zeit.
Die Menschenrechte sind nicht willkürlich, wenn du das damit sagen willst.

Nein, ich will damit sagen, was ich geschrieben habe.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Es steckt in ihnen viel objektive Wahrheit. Anders gesagt: Sie sind nicht einfach willkürlich so und nicht anders gesetzt worden.

Natürlich nicht völlig willkürlich. Sie spiegeln u.a. biologische und kulturelle Umstände wieder. Das Recht etwa, nicht zu hungern, hängt damit zusammen, wie unser Organismus funktioniert. Aber selbst ein so selbstverständliches Recht hat der Mensch (anders als den Hunger) nicht von Natur, sondern eine kulturell hochstehende Gemeinschaft gewährt es ihm, weil es ihr ein Bedürfnis ist oder sie vernünftige Gründe dafür hat.


Nein, du verstehst die Menschenrechte völlig falsch.

Sie sind historisch entstanden, "gewachsen", wenn man so will aus den früheren Kämpfen der Menschen um menschliche Rechte und menschliche Würde. Diese Kämpfe und Forderungen, aber auch alle entsprechenden Repressionen und Unterdrückungen spiegeln sich darin wieder.

Das ist der Grund, weshalb sie alles andere als beliebig oder einfach hingesetzt sind.

Es wäre nur folgerichtig, sie um ökologische Kämpfe und Forderungen zu ergänzen und zu erweitern.

Was Sam Harris betrifft: Der liefert eine wissenschaftliche Matrize, auf dessen methodischer Basis man durch entsprechende Forschungen angeben kann, welche Verhaltensweisen und welche Verhältnisse das "well-being" der einzelnen Menschen beeinflussen und in welcher Weise genau. Mehr in seinem Werk "The Moral Landscape", das dir ein Begriff sein dürfte.

Der Utilitarismus mit seiner "großen Zahl" als Querschnittssumme über Alles, ist ein kompletter Unsinn und ist auch in jeder Variante gescheitert.

Und in der Tat lugt da der gesellschaftliche Konformismus heimlich hervor. Dies war schon ursprünglich der untergründige Ansatz von Bentham:

Zitat:
Eine europäische Aufgabe bei der Diskussion des Cyberspace könnte es deshalb sein, daran zu erinnern, daß unsere westliche Kultur neben den Menschenrechten auch ein effektives System der Disziplinierung des Menschen hervorgebracht hat, dessen Kernidee der französische Philosoph Michel Foucault in der sozialen Maschine des Panoptikums lokalisierte. Eine Reflektion der Problematik sollte zunächst den Zusammenhang dieses Panoptikums mit den von Barlow vertretenen Idealen diskutieren, um sein „politisches Unbewußtes“ aufzudecken sowie die daraus resultierenden Probleme aufzuzeigen.

Trifft der deutschsprachige Leser auf das Wort Panoptikum, so denkt er an ein Wachsfigurenkabinett. Ursprünglich bezeichnete „panopticon“ jedoch eine spezielle Gefängnisarchitektur Jeremy Benthams, des Begründers des Utilitarismus. Benthams architektonische Erfindung besteht aus einem Rundbau, welcher durch einen Beobachtungsturm im Zentrum die nach innen hin einsehbaren Zellen der permanenten Überwachung aussetzt. Die Gefangenen des Panoptikums sehen den Wächter nicht, sind aber ständig einer potentiellen Überwachung ausgesetzt, die ein andauernd diszipliniertes Verhalten erzwingen soll. Diese Konstruktion erinnert nicht zufällig an George Orwells Dystopie vom totalen Überwachungsstaat. Der Orwellsche „Televisor“ wirkt heute freilich, angesichts von Internet- und Sensortechnik, nicht weniger anachronistisch als das von Bentham empfohlene Lauschröhrensystem zum Abhören der Zellen.

Michel Foucaults 1977 präsentierte Analyse der Disziplinargesellschaft sieht im Panoptikum den Kern des utilitaristisch-demokratischen Gesellschaftsmodells und betrachtet es gleichzeitig als Metapher der bürgerlichen Gesellschaft.


https://inversepanopticon.wordpress.com/tag/utilitarismus/




Benthams Panoptikum

Man versteht den Utilitarismus miss, wenn man ihn als in der Tradition der Aufklärung stehend ansieht. Er ist das Gegenteil und einfach nur eine ganz raffinierte Legitimationsmethode von Herrschaft. Bei diesen Ausführungen belasse ich es erst einmal, aber man kann noch einiges mehr dazu anmerken ...-

#231: Re: Die Übereinkunft Autor: smallie BeitragVerfasst am: 21.12.2018, 21:25
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Es steckt in ihnen viel objektive Wahrheit. Anders gesagt: Sie sind nicht einfach willkürlich so und nicht anders gesetzt worden.
Natürlich nicht völlig willkürlich. Sie spiegeln u.a. biologische und kulturelle Umstände wieder. Das Recht etwa, nicht zu hungern, hängt damit zusammen, wie unser Organismus funktioniert. Aber selbst ein so selbstverständliches Recht hat der Mensch (anders als den Hunger) nicht von Natur, sondern eine kulturell hochstehende Gemeinschaft gewährt es ihm, weil es ihr ein Bedürfnis ist oder sie vernünftige Gründe dafür hat.

Nein, du verstehst die Menschenrechte völlig falsch.

Sie sind historisch entstanden, "gewachsen", wenn man so will aus den früheren Kämpfen der Menschen um menschliche Rechte und menschliche Würde. Diese Kämpfe und Forderungen, aber auch alle entsprechenden Repressionen und Unterdrückungen spiegeln sich darin wieder.

In der Höhle von Shanidar fand man in den 70er-Jahren Neandertaler-Skelette, grob 50 000 Jahre alt.

Ein Skelett hatte nur einen Armstummel - Unterarm und Hand fehlten. Auch ein Bein war deformiert. Weiter wies der Kopf auf einer Seite eine schwere Verletzung auf. Vermutlich war der Mann auf dieser Seite mehr oder weniger blind und mehr oder weniger taub. Diese Verletzungen hat sich der Mann lange vor seinem Tod zugezogen.

Das wird Indiz gewertet, die Neandertaler hätten sich um ihre Kranken und Alten gekümmert. Die Würde des Neanderthalers - war sie unantastbar?

Falls das stimmt, woher hatten die Neandertaler ihren Sinn für Menschenrechte?



https://de.wikipedia.org/wiki/Shanidar
https://en.wikipedia.org/wiki/Shanidar_Cave

#232:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 21.12.2018, 21:42
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Was Sam Harris betrifft: ... "The Moral Landscape"

Kannte ich noch nicht. Hab' ein bisschen dazu 'rumgelesen. Der Grundgedanke ist in Ordnung, insgesamt gefällt's mir nicht.


1) die Mogelpackung! Was Harris schreibt ist nur eine Absichtserklärung, ein Manifest. Liefern kann er nicht, siehe das fette.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Der liefert eine wissenschaftliche Matrize, auf dessen methodischer Basis man durch entsprechende Forschungen angeben kann, welche Verhaltensweisen und welche Verhältnisse das "well-being" der einzelnen Menschen beeinflussen und in welcher Weise genau.


Harris hat folgendes geschrieben:
“My claim is that there are right and wrong answers to moral questions, just as there are right and wrong answers to questions of physics, and such answers may one day fall within reach of the maturing sciences of mind”

https://medium.com/@jakubferencik/quotes-from-sam-harris-moral-landscape-300463aaf5e3

One day - eines Tages. Was schlägt Harris vor - daß die Menschheit eine Pause einlegt, bis die Ergebnisse da sind?



2) Wenn man sich durch Argumentieren nicht einig wird, wie soll eine Berechnung helfen? Dem Saudischen Prinzen in den Mund gelegt:
    "Ich war immer der Meinung, es sei in Ordnung, jemanden in einer Botschaft zu meucheln und zu zersägen, aber seit ich Harris' Berechnungen gesehen habe, bin ich anderer Meinung."




3) Die Landschaft ist nicht berechenbar. Harris sagt, daß es verschiedene Pfade und Gipfel gibt, bestenfalls findet man ein lokales Maximum.

Harris. Wikipedia hat folgendes geschrieben:
Just like at the scale of the individual, there may be multiple different paths and "peaks" to flourishing for societies - and many more ways to fail.

https://en.wikipedia.org/wiki/The_Moral_Landscape


Harris spricht von Landschaft und tut so, als hätte er gerade das zugehörige Navi erfunden. Nein

Immerhin ist er ehrlich genug, das Problem zu benennen:

Harris hat folgendes geschrieben:
One of the problems with consequentialism in practice is that we cannot always determine whether the effects of an action will be bad or good. . . .

Ach nee. Ohnmacht

#233:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 21.12.2018, 21:43
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Der Utilitarismus mit seiner "großen Zahl" als Querschnittssumme über Alles, ist ein kompletter Unsinn und ist auch in jeder Variante gescheitert.

Damit wirst du weder step noch Harris gerecht. Harris selbst sagt, sein Ansatz gleiche dem Utilitarismus:

Harris-Wikipedia hat folgendes geschrieben:
Harris says a science of morality may resemble Utilitarianism, but that the science is, importantly, more open-ended because it involves an evolving definition of well-being.




Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Benthams Panoptikum

Man versteht den Utilitarismus miss, wenn man ihn als in der Tradition der Aufklärung stehend ansieht. Er ist das Gegenteil und einfach nur eine ganz raffinierte Legitimationsmethode von Herrschaft.

Harris hat sein eigenes Panoptikum entworfen. Pfeifen

Zitat:
Harris looks forward, for instance, to the day that governments and corporations will be able to use brain scanning technology to detect whether people are lying, thereby creating “zones of obligatory candour” and enabling an entirely truthful public life. “Thereafter, civilised men and women might share a common presumption,” he writes, “that whenever important conversations are held, the truthfulness of all participants will be monitored.” This would no more be a deprivation of freedom than currently it is to be denied “the right to remove our pants in the supermarket”.

https://newhumanist.org.uk/2538/test-tube-truths

#234:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 21.12.2018, 21:56
    —
Man könnte durchaus überlegen, ob die "humanitäre" Ader der Homo Sapiens nicht eher vonseiten der Neandertaler kommt.

#235:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 21.12.2018, 21:57
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Man könnte durchaus überlegen, ob die "humanitäre" Ader der Homo Sapiens nicht eher vonseiten der Neandertaler kommt.

Oder von noch früher.

#236:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 21.12.2018, 22:08
    —
Die Aussage "in den Menschenrechten spiegeln sich historische Erfahrungen wieder" und "sie sind entstanden aus dem früheren Kampf darum" sind kein Beleg dafür, daß ich die Menschenrechte "völlig falsch" verstanden hätte. Es bleibt ja trotzdem dabei, daß die Menschen nicht den Hunger, aber das Recht auf Essen erfunden haben, auch wenn dieses "Erfinden" natürlich kein singulärer Akt war.

smallie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Der Utilitarismus mit seiner "großen Zahl" als Querschnittssumme über Alles, ist ein kompletter Unsinn und ist auch in jeder Variante gescheitert.

Damit wirst du weder step noch Harris gerecht. Harris selbst sagt, sein Ansatz gleiche dem Utilitarismus:
Harris-Wikipedia hat folgendes geschrieben:
Harris says a science of morality may resemble Utilitarianism, but that the science is, importantly, more open-ended because it involves an evolving definition of well-being.

Und natürlich erlaubt auch der Utilitarismus eine "evolving definition of well-being" - in einigen Spielarten, etwa dem Präferenzutilitarismus, ist sie sogar abhängig von der individuellen Disposition.

#237:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 21.12.2018, 22:18
    —
step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Wie etwas anerzogen wird oder wodurch sich Werte vererben klingt jetzt allerdings nicht nach originär naturwissenschaftlichen Fragen.

Naja, Soziologie rechne ich mal dazu. Jedenfalls geht es um prüfbare Hypothesen über die Funktionsweise.


Was aber auch schon in der Soziologie notwendig anders läuft als in den Naturwissenschaften. Zumindest überall dort, wo Hypothesen nicht rein statistisch überprüft werden können.

step hat folgendes geschrieben:
Nein, dieser Einwand ist mE falsch. Die meisten Utilitaristen würdem dem Einhalten von Versprechen einen hohen Gemeinnutzen zuweisen,...


Wie gesagt: Der Gesamtnutzen ist beim Versprechen einfach nicht der springende Punkt. Ebenso wenig übrigens wie bspw. bei der Gerechtigkeit.


step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Was den moralischen Charakter des Versprechens ausmacht ist also nicht irgendein vorgestellter, gesamtgesellschaftlicher Nutzen, sondern ein Verpflichtungsgefühl.

Das liegt daran, daß Moral eingeübt wird und man aus Effizienzgründen nicht immer wieder neu darüber nachdenkt.


Ja, so wird das von Konsequentialisten oft verstanden, erscheint mir aber kaum plausibel. Dass zu Versprechen auch einen Nutzen hat, steht zum Beispiel völlig außer Frage und dieser Nutzen ist auch für jeden jederzeit offensichtlich. Wenn das alles auf diese Nützlichkeit reduzierbar wäre, gäbe es für die Art moralische Überhöhung, die der Utilitarist annehmen muss, umd überhaupt sowas wie eine Moraltheorie zu habe, überhaupt keine Notwendigkeit. Gerade WEIL das Nützliche immer schon für sich spricht, bedarf es dafür keiner Beweggründe, die nicht vollständig im erkennbar Nützlichen aufgingen.

step hat folgendes geschrieben:
...und zweitens wissen wir ja alle, daß viele nützliche (und auch schädliche) Dinge nicht "designt" sind, sondern sich iterativ gebildet haben, sowohl in der Biologie als auch in der Kultur.


Ja, sehr gut, jetzt kommen wir dem entscheidenden Punkt näher. Denn was heißt das eigentlich? Es heißt doch, dass der festgestellte Nutzen bloß eine sinngebende Interpretation von etwas Vorgefundenem ist, dessen Ursache in etwas von dieser interpretierten Nützlichkeit völlig Verschiedenen, vielleicht gar Zufälligen liegen kann. Wären die Dinge anders gelaufen, hätten wir ein anderes Selbstverständnis mit einer anderen Moral ausgebildet und würden dieser anderen Moral dann eben auch andere Nützlichkeiten als Ursachen und Rechtfertigungen unterschieben. Ursächlich für das moralische Bewusstsein sind diese Nützlichkeitserwägungen aber gerade nicht. Wenn man anfängt von Nützlichkeiten zu reden, redet man gerade am Kern der Moral vorbei.

step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Für den Nichtutilitaristen ist ja gar nicht ausgemacht, dass es da immer einen konkreten Nutzen geben muss.

Das ist richtig und übrigens auch beim Utilitaristen so - aber meist stellt sich dann doch heraus, daß wie durch ein Wunder all die Dinge, die der Nichtutilitarist wichtig findet, seiner Ansicht nach auch einen Nutzen haben. Nur hat er eben so eine Abneigung gegen die Profanität dieser Tatsache und dieser Bezeichnung, weil er sie mit englischem Krämertum assoziiert, wo er lieber etwas Erhabenes, einen Götterfunken hätte.


Natürlich finden sich da je nach Perspektive immer diverse Nutzen, wer wollte das bestreiten? Was bestritten wird ist erstens, dass Moral in ihren Nützlichkeiten aufgehet und zweitens, dass sie (hauptsächlich) um eines konkret anzugebenden Nutzens Willen überhaupt erst besteht.

step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Der Wert des Versprechens z.B. könnte auch in dem stolzen Gefühl begründet sein, seine Willensbekundung über längere Zeiträume hinweg stabil zu halten und damit überhaupt erst so etwas wie ein bleibendes Ich-Bewusstsein zu erschaffen. Der gesellschaftliche Nutzen daraus wäre bloß ein überinterpretierter Kollateralnutzen.

Nehmen wir mal einen Moment an, das wäre tatsächlich so. Dann müßte es Dir ja eher unwichtig sein, ob Andere ihre Versprechen einhalten. Und es wäre dann auch sinnlos, Menschen mit Vorwürfen zu begegnen, wenn sie ihre Versprechen brechen. Und Kinder zu belehren, Versprechen einzuhalten.


Na ja, der Vorwurf könnte ja auch Ausdruck von Enttäuschung über den offensichtlichen Mangel an edler Empfindung sein; der andere entspricht nicht dem, wie wir denken, dass Menschen sein sollten. Dass wir das denke, und das ist der entscheidende Punkt, liegt aber nicht in erster Linie daran, dass wir uns um eines konkreten Nutzens betrogen fühlten, sondern daran, dass der andere sich selbst und damit auch einen Teil der Welt, zu der wir gehören, niedriger, kleiner und erbärmlicher macht.

step hat folgendes geschrieben:
Und gäbe es dann überhaupt Betrüger mit Ich-Bewußtsein?


Ja, gut, "Ich-Bewusstsein" war vielleicht zu hoch gegriffen. Sagen wir vielleicht besser: "Erhalt der eigenen Persönlichkeit durch die Fähigkeit, sich selbst und seine Impulse unter den Einflüssen der äußeren Welt zu kontrollieren" oder etwas in der Art.


step hat folgendes geschrieben:
Und wäre Moral dann nicht eher so etwas Ähnliches wie Essen oder Sehen: essentiell wichtig für das Individuum, kollateral nützlich für die Gemeinschaft?


Ja, könnte man eventuell so sehen. Wobei der jeweilige "Nutzen" ja durchaus flexibel interpretierbar ist und auch immer verschieden interpretiert wurde und wird.

#238:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 21.12.2018, 22:29
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Also, wenn du mit "Metaphysik" sowas die lieben Englein meinst: die sind nicht die einzige Alternative zur englischen Krämermoral...

Englische Krämermoral. Schneidig formuliert. Mr. Green

Allerdings sagt mir persönlich die englische Denktradition - John Stuart Mill, Adam Smith, Darwin - mehr als die kontinentale, insbesondere die deutsche.


Nietzsche hat i.d.Z. mal von der "Mittelmäßigkeit" englischen Denkens gesprochen, womit er den Engländern die Richtigkeit vieler ihrer Erkenntnisse keineswegs absprechen wollte, nur seien manche Wahrheiten eben derart, dass sie nur von mittelmäßigen Geistern gefunden werden könnten. Das bezog er, glaube ich, ausdrücklich auch auf Darwin. So vermessen wie Nietzsche bin ich in meinem Urteil ganz gewiss nicht, aber ich glaube zumindest zu verstehen, was er da in der ihm nun mal eigenen Neigung zur Polemik ausdrücken wollte. Denn:

smallie hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Charles Darwin - Die Abstammung des Menschen
Kapitel 5 - Über die Entwickelung der intellektuellen und moralischen Fähigkeiten während der vorgeschichtlichen und zivilisierten Zeiten


Es verdient Beachtung, daß, sobald unsere Vorfahren sozial wurden ..., der Nachahmungstrieb, die Überlegung [reason] und die Erfahrung einen immer breiteren Raum einnahmen und die intellektuellen Fähigkeiten in einer Weise stark modifizierten, von der wir nur Spuren bei den Tieren bemerken können.



Reziprozität:

Darwin hat folgendes geschrieben:
Erstens wird jeder Mensch bei der zunehmenden Vervollkommnung seines Verstandes und seiner Voraussicht bald einsehen lernen, daß er, wenn er seinen Mitmenschen hilft, auch ein Anrecht auf ihre Hilfe erwirbt.



Gruppendruck:

Darwin hat folgendes geschrieben:
Ein anderer, viel wirksamerer Antrieb zur Entwickelung der sozialen Tugenden ist das Lob und der Tadel unserer Mitmenschen.


das alles leuchtet auf den ersten Blick irgendwie schon ein, ist aber ja im Grunde jetzt auch nicht sonderlich originell. Und irgendwie kann man sich dann auf den zweiten Blick auch des Verdachtes nicht erwehren, dass damit bezüglich einer Erklärung des Phänomens Moral noch nicht das wichtigste gesagt ist.

smallie hat folgendes geschrieben:
Darwin hat folgendes geschrieben:
Wie Bagehot bemerkt hat, sind wir leicht geneigt, die fortschreitende Entwickelung als das Normale in der Geschichte der Menschheit anzusehen. Die Geschichte selbst widerlegt diese Annahme.

Ob die Skepsis berechtigt ist, lasse ich an dieser Stelle offen. Steven Pinker und andere bestreiten das. Wer hier einen argumentativen Stich machen will, muß eine Metrik des Fortschritts haben. Womit wir wieder bei Krämermoral sind.


Na ja, dass die Menschheit fortschreitend, kann man doch schlecht leugnen. Die Frage ist doch eher, ob es dabei er auf- oder abwärts geht. Lachen

smallie hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Wie gesagt, wenn man das Kantische "Vernunftwesen" nicht schluckt, bleibt für die Moral eigentlich nur noch die Psychologie.

Hilft Vernunft bei folgendem Problem?

Menschen in unterschiedlichen Gesellschaften kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, was gesellschaftlich wünschenswert ist. Schon die skandinavischen Länder setzen andere Schwerpunkte als die mitteleuropäischen, als die Visegrad-Staaten, die Briten oder die US-Amerikaner. Global gesehen sind die Unterschiede noch größer.

Wenn ich das Vernunftwesen schlucke, muß ich annehmen, daß die Skandinavier vernünftiger sind, als der Rest der Welt, oder die Polen, oder die Amis, oder die Chinesen ... Der jeweilige Rest der Welt ist dann schlicht unvernünftig oder wird unterdrückt oder verführt. Das mag im Einzelfall zutreffen, birgt aber auch die Gefahr der Selbstgefälligkeit.

"Vernunft" läßt sich schnell behaupten. Die Diskussion, was was vernünftig ist, bleibt einem jedoch nicht erspart.


Nun, es ist ja nicht so, dass Kant nicht argumentieren würde. Und zwar sowohl beim Kategorischen Imperativ als auch beim allgemeinen Rechtsprinzip. Und wenn Kant von Vernunft spricht, meint erdamit auch nicht so etwas wie brauchbare Ideen zur Organisation eines Gemeinwesens (das gehört bei ihm zum Verstand), sondern eher so was wie die Prinzipien bzw. die Form des Denkens überhaupt. Denn nur über derartige Prinzipien kann man zur Allgemeingültigkeit kommen. Der Kategorische Imperativ oder das allgemeine Rechtsprinzip abstrahieren daher auch völlig von jedem konkreten Inhalt und geben nur an, welche Form jedes moralische oder rechtliche Urteil notwendig haben müsse.

#239:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 21.12.2018, 23:02
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Wenn das alles auf diese Nützlichkeit reduzierbar wäre, gäbe es für die Art moralische Überhöhung, die der Utilitarist annehmen muss, umd überhaupt sowas wie eine Moraltheorie zu habe, überhaupt keine Notwendigkeit.

Der Utilitarist muß keine moralische Überhöhung betreiben, es reicht eine vernünftige Einigung auf dieses Ziel. Der Utilitarist schlägt diese Maxime sozusagen vor und hofft darauf, daß sie vernünftig einleuchtet. Vielleicht kann er auch argumentativ überzeugen, etwa spieltheoretisch.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Gerade WEIL das Nützliche immer schon für sich spricht, bedarf es dafür keiner Beweggründe, die nicht vollständig im erkennbar Nützlichen aufgingen.

Da würde ich zustimmen. Es bedarf keiner weiteren Beweggründe, nur Interessen und Vernunft.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Es heißt doch, dass der festgestellte Nutzen bloß eine sinngebende Interpretation von etwas Vorgefundenem ist, dessen Ursache in etwas von dieser interpretierten Nützlichkeit völlig Verschiedenen, vielleicht gar Zufälligen liegen kann.

Ja, würde ich so sehen. Die Ursache dafür, was genau nützlich ist, könnte etwa letztlich in der Physik liegen.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Wären die Dinge anders gelaufen, hätten wir ein anderes Selbstverständnis mit einer anderen Moral ausgebildet und würden dieser anderen Moral dann eben auch andere Nützlichkeiten als Ursachen und Rechtfertigungen unterschieben.

Ja, auch hier stimme ich zu. Mit der kleinen Einschränkung, daß etwa Aliens derselben Physik unterliegen wie wir und daher einige Aspekte der Nützlichkeit wohl ähnlich aussähen.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Ursächlich für das moralische Bewusstsein sind diese Nützlichkeitserwägungen aber gerade nicht. Wenn man anfängt von Nützlichkeiten zu reden, redet man gerade am Kern der Moral vorbei.

Hier wird es aus meiner Sicht echt spooky. Setzt Du etwa hier einfach voraus, daß "Moral" etwas Heiligeres sein MUSS als etwas Nützlichkeitsbasiertes? Sonst verstehe ich nicht, was Du mir sagen willst.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Was bestritten wird ist erstens, dass Moral in ihren Nützlichkeiten aufgehet und zweitens, dass sie (hauptsächlich) um eines konkret anzugebenden Nutzens Willen überhaupt erst besteht.
Zumsel hat folgendes geschrieben:
... der Vorwurf könnte ja auch Ausdruck von Enttäuschung über den offensichtlichen Mangel an edler Empfindung sein; der andere entspricht nicht dem, wie wir denken, dass Menschen sein sollten.

Diese Kombi ist aber schon mutig - Du bietest mir "Edelmut" als alternative Ursache für Moral an, weil Du möchtest, daß Moral etwas Edles ist?

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Dass wir das denke, und das ist der entscheidende Punkt, liegt aber nicht in erster Linie daran, dass wir uns um eines konkreten Nutzens betrogen fühlten, sondern daran, dass der andere sich selbst und damit auch einen Teil der Welt, zu der wir gehören, niedriger, kleiner und erbärmlicher macht.

Um eine Welt in Deiner Perzeption erbärmlicher zu machen, mußtest Du sie zuvor erst einmal überhöhen. Wenn Du an eine "erhabene" Welt ohne Betrug denkst, warum genau empfändest Du denn eine solche Welt als erhaben? Doch wohl weil man in ihr Menschen vertrauen und friedlich und ohne Argwohn zusammenleben kann.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Und gäbe es dann überhaupt Betrüger mit Ich-Bewußtsein?
Ja, gut, "Ich-Bewusstsein" war vielleicht zu hoch gegriffen. Sagen wir vielleicht besser: "Erhalt der eigenen Persönlichkeit durch die Fähigkeit, sich selbst und seine Impulse unter den Einflüssen der äußeren Welt zu kontrollieren" oder etwas in der Art.

Impulskontrolle ist verdächtig nützlich. Schlag doch mal was Unnützes vor, das würde mich vielleicht mehr überzeugen.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Und wäre Moral dann nicht eher so etwas Ähnliches wie Essen oder Sehen: essentiell wichtig für das Individuum, kollateral nützlich für die Gemeinschaft?
Ja, könnte man eventuell so sehen. Wobei der jeweilige "Nutzen" ja durchaus flexibel interpretierbar ist und auch immer verschieden interpretiert wurde und wird.

Natürlich, ich bin auch weit davon entfernt zu behaupten, der Nutzen sei eine einfach objektiv erkennbare Größe. Das ist auch ein Problem vor allem im frühen Utilitarismus.

#240:  Autor: VanHanegem BeitragVerfasst am: 22.12.2018, 12:42
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Man könnte durchaus überlegen, ob die "humanitäre" Ader der Homo Sapiens nicht eher vonseiten der Neandertaler kommt.

Au weia! Wie war das gleich wieder mit der Inzidenz von Neandertaler Genen bei Nordafrikanern/Eurasiern einerseits und Südafrikanern andererseits? Dürfte die Phantasie einiger komischer Menschen durchaus anregen.

#241:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 22.12.2018, 13:47
    —
step hat folgendes geschrieben:
Der Utilitarist muß keine moralische Überhöhung betreiben, es reicht eine vernünftige Einigung auf dieses Ziel. Der Utilitarist schlägt diese Maxime sozusagen vor und hofft darauf, daß sie vernünftig einleuchtet. Vielleicht kann er auch argumentativ überzeugen, etwa spieltheoretisch.


Nun, das trifft vielleicht auf die (idealtypische) Praxis der utilitaristischen Normfindung zu. Der Utilitarismus ist aber ja nicht bloß eine Anleitung zu einer (angeblich) idealen Praxis, sondern eine Moraltheorie, die als solche natürlich auch den Anspruch erhebt, das Phänomen der Moral überhaupt zu erklären, d.h. er beansprucht, alles, was Menschen als Moral verstanden und gelehrt haben, in sein Erklärungsmuster übersetzen zu können. Und da stellt sich dann eben die Frage, warum die Moral, historisch betrachtet, metaphysisch derart aufgeladen ist, wenn es doch letztlich immer nur um Effizienz und Nützlichkeit geht, die derartiger Überhöhungen überhaupt nicht bedarf und auch niemals bedurft hat. Das Nützliche ist das Nützliche ist Nützliche. Das versteht doch jeder Vollidiot, dafür brauchts keinen "göttlichen Funken" und keines anderen Begriffes als dem Prinzip der Nützlichkeit selbst. Um die Nützlichkeit der StVO einzusehen, muss man nicht annehmen, dass sie von Gott erlassen wurde o.ä..

step hat folgendes geschrieben:
Hier wird es aus meiner Sicht echt spooky. Setzt Du etwa hier einfach voraus, daß "Moral" etwas Heiligeres sein MUSS als etwas Nützlichkeitsbasiertes? Sonst verstehe ich nicht, was Du mir sagen willst.


Nützlichkeitserwägungen sind ja nichts anderes als Funktionszuschreibungen. Meine Behauptung ist, dass das, was man "Moral" nennt, nicht als Funktion verständlich ist. Es hat viel fundamentaler mit dem eigenen Selbstbild des Menschen und seinem von ihm selbst zugewiesenen oder zumindest wahrgenommenen Platz in der Welt zu tun. Die Moral berührt fundamental unser eigenes Selbstverständnis, d.h. nicht, dass sie im eigentlichen Sinne "heilig" oder göttlichen Ursprungs wäre, aber es erklärt (anders als das Nützlichkeitsprinzip), warum Menschen derartiges in sie hineindeuten. Etwas pathetischer formuliert: Der Sinn der Erfindung Gottes war nicht, das Nützliche zu veredeln, sondern sich selbst und seine Existenz zu feiern.

step hat folgendes geschrieben:
Um eine Welt in Deiner Perzeption erbärmlicher zu machen, mußtest Du sie zuvor erst einmal überhöhen. Wenn Du an eine "erhabene" Welt ohne Betrug denkst, warum genau empfändest Du denn eine solche Welt als erhaben? Doch wohl weil man in ihr Menschen vertrauen und friedlich und ohne Argwohn zusammenleben kann.


Das scheint aus unserer Perspektive zunächst die naheliegendste und einfachste Erklärung, passt aber ja im Grunde nicht Recht zum Begriff des "Erhabenen". Z.B. einem Satz wie: "Lass Gerechtigkeit walten, auch wenn darüber die Welt zu Grunde geht" mag man zustimmen oder als Übertreibung ablehnen, aber: absurd ist er keinesfalls, jeder versteht, warum jemand derartiges von sich geben kann. Mit einer utilitaristischen Gerechtigkeitsdeutung müsste er aber nachgerade widersinnig sein.

step hat folgendes geschrieben:
Impulskontrolle ist verdächtig nützlich. Schlag doch mal was Unnützes vor, das würde mich vielleicht mehr überzeugen.


Wie schon angedeutet: Alles im zwischenmenschlichen Verkehr lässt sich je nach Geschmack immer irgendwie nützlich ausdeuten. Die Frage ist aber doch, ob der Nutzen, den man selbst darin zu erkennen glaubt, wirklich am Anfang steht oder später einfach hinzugedacht wird.

step hat folgendes geschrieben:
Natürlich, ich bin auch weit davon entfernt zu behaupten, der Nutzen sei eine einfach objektiv erkennbare Größe. Das ist auch ein Problem vor allem im frühen Utilitarismus.


Und mir scheint, dass in Fragen der deskriptiven Ethik der Nutzen nicht mehr als ein Notbehelf ist und Fragen der normativen Ethik ein Instrument zur Durchsetzung eigener Vorlieben.

#242:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 22.12.2018, 14:31
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
... da stellt sich dann eben die Frage, warum die Moral, historisch betrachtet, metaphysisch derart aufgeladen ist, wenn es doch letztlich immer nur um Effizienz und Nützlichkeit geht, die derartiger Überhöhungen überhaupt nicht bedarf und auch niemals bedurft hat.

Dazu gibt es ja plausible Hypothesen. Eine metaphysisch aufgeladene Moral wird einfach seltener hinterfragt, kann besser indoktriniert und tradiert werden, liefert für einfache Geister eine plausible Letztbegründung, und der metaphysische Anteil dockt besser an das metaphysische Gesamtsystem (i.a. Religion) an. Genauso könntest Du fragen, warum die Frage nach der Herkunft des Menschen oder der Welt, "historisch betrachtet, metaphysisch derart aufgeladen ist, wenn es doch letztlich immer nur um Effizienz und Nützlichkeit geht, die derartiger Überhöhungen überhaupt nicht bedarf und auch niemals bedurft hat".

Wenn ich es richtig sehe, haben wir jetzt folgende konkurrierenden Thesen:

A. Moral ist historisch metaphysisch aufgeladen, weil diese Illusion ihre Durchsetzung / Tradition verstärkte.
B. Moral ist historisch metaphysisch aufgeladen, weil diese Illusion für die Konstitution des Ego notwendig ist.
C. Moral ist historisch metaphysisch aufgeladen, weil sie per se metaphysischer Natur ist.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Um die Nützlichkeit der StVO einzusehen, muss man nicht annehmen, dass sie von Gott erlassen wurde o.ä..

Trotzdem scheint sie gern übertreten zu werden. Vielleicht sollten wir sie metaphysisch überhöhen und dafür die Knöllchen abschaffen? Und um die Nützlichkeit des Mord- oder Betrugsverbots einzusehen, muß man auch keine Metaphysik annehmen.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Nützlichkeitserwägungen sind ja nichts anderes als Funktionszuschreibungen. Meine Behauptung ist, dass das, was man "Moral" nennt, nicht als Funktion verständlich ist.

Ein Teil der Funktion besteht gerade darin, daß Du dieses moralische Gefühl intuitiv für fundamentaler hältst, als es ist zwinkern

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Es hat viel fundamentaler mit dem eigenen Selbstbild des Menschen und seinem von ihm selbst zugewiesenen oder zumindest wahrgenommenen Platz in der Welt zu tun. Die Moral berührt fundamental unser eigenes Selbstverständnis, d.h. nicht, dass sie im eigentlichen Sinne "heilig" oder göttlichen Ursprungs wäre, aber es erklärt (anders als das Nützlichkeitsprinzip), warum Menschen derartiges in sie hineindeuten. Etwas pathetischer formuliert: Der Sinn der Erfindung Gottes war nicht, das Nützliche zu veredeln, sondern sich selbst und seine Existenz zu feiern.

Kleine Korrektur: Nicht "das Nützliche zu veredeln", denn das was da veredelt wurde, war oft einfach das Tradierte bzw. Gewünschte. Das Veredeln stellte sich dann als nützlich bzw. stabilisierend heraus.

Also der Sinn der Moral soll sein, daß der Mensch damit sich selbst und seine Existenz feiert? Also daß er quasi sich selbst überhöht? Das finde ich keineswegs abwegig, dein Selbstüberhöhung (z.B. auch Krone der Schöpfung, Leben nach dem Tode, auserwähltes Volk usw.) wirken selbst wieder stabilisierend.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Um eine Welt in Deiner Perzeption erbärmlicher zu machen, mußtest Du sie zuvor erst einmal überhöhen. Wenn Du an eine "erhabene" Welt ohne Betrug denkst, warum genau empfändest Du denn eine solche Welt als erhaben? Doch wohl weil man in ihr Menschen vertrauen und friedlich und ohne Argwohn zusammenleben kann.
Das scheint aus unserer Perspektive zunächst die naheliegendste und einfachste Erklärung, passt aber ja im Grunde nicht Recht zum Begriff des "Erhabenen".

Ganz richtig, das "Erhabene" müssen wir aufgrund der Fakten/Erkenntnisse aufgeben und uns mit dem "Erreichbaren" o.ä. zufriedengeben.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Z.B. einem Satz wie: "Lass Gerechtigkeit walten, auch wenn darüber die Welt zu Grunde geht" mag man zustimmen oder als Übertreibung ablehnen, aber: absurd ist er keinesfalls, jeder versteht, warum jemand derartiges von sich geben kann. Mit einer utilitaristischen Gerechtigkeitsdeutung müsste er aber nachgerade widersinnig sein.

Ja, denke ich auch. Mit dieser Argumentation wurde allerdings alles mögliche Leidschaffende zum "Erhabenen" erklärt, z.B. Kriege, Eifersuchtsduelle, Selbstmordattentate, Volkssturm usw. - und alle diese Erhabenheitsgefühle kann man intuitiv nachvollziehen, vernünftig betrachtet sollten diese Gefühle aber nicht unsere Ethik prägen.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Die Frage ist aber doch, ob der Nutzen, den man selbst darin zu erkennen glaubt, wirklich am Anfang steht oder später einfach hinzugedacht wird.

Wenn der Nutzen erst später dazurationalisiert wird, war er natürlich nicht Teil der Entscheidungsfindung.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
mir scheint, dass in Fragen der deskriptiven Ethik der Nutzen nicht mehr als ein Notbehelf ist und Fragen der normativen Ethik ein Instrument zur Durchsetzung eigener Vorlieben.

Deskriptive Ethik: Da bin ich offen, die Thesen müssen sich wissenschaftlich überprüfbar messen lassen.
Normative Ethik: Der Präferenzutilitarismus ist ja p.d. extrem schwach normativ. Ich will nicht völlig ausschließen, daß er auch mißbraucht werden kann (ähnlich wie etwa die Demokratie), aber diese Gefahr ist doch bei deontologischen, metaphysisch verbrämten Moralsystemen viel größer. Wenn man z.B. seinem König Treue geschworen hat und dafür bis zum letzten Blutstropfen kämpft. Oder Ungläubige tötet weil Gott es befohlen hat. Oder Frauen unterdrückt, weil es schon unsere Väter und unserer Väter Väter so machten.

#243:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 22.12.2018, 19:29
    —
step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
... da stellt sich dann eben die Frage, warum die Moral, historisch betrachtet, metaphysisch derart aufgeladen ist, wenn es doch letztlich immer nur um Effizienz und Nützlichkeit geht, die derartiger Überhöhungen überhaupt nicht bedarf und auch niemals bedurft hat.

Dazu gibt es ja plausible Hypothesen. Eine metaphysisch aufgeladene Moral wird einfach seltener hinterfragt, kann besser indoktriniert und tradiert werden, liefert für einfache Geister eine plausible Letztbegründung, und der metaphysische Anteil dockt besser an das metaphysische Gesamtsystem (i.a. Religion) an. Genauso könntest Du fragen, warum die Frage nach der Herkunft des Menschen oder der Welt, "historisch betrachtet, metaphysisch derart aufgeladen ist, wenn es doch letztlich immer nur um Effizienz und Nützlichkeit geht, die derartiger Überhöhungen überhaupt nicht bedarf und auch niemals bedurft hat".


Na ja, vielleicht zeugt es schon von einem falschen Verständnis, dass die Notwendigkeit darin gesehen wird, die Moral mit einem vorherrschenden metaphysischen Weltbild kompatibel zu machen. Womöglich verhält es sich ja genau umgekehrt oder (metaphysisches) Weltbild und Moral sind überhaupt nur zusammen verständlich, einfach, weil sie strukturell aus derselben Quelle erwachsen und getrennt gar nicht sinnvoll gedacht werden können. Daher würde ich vor diese Alternativen gestellt

step hat folgendes geschrieben:
A. Moral ist historisch metaphysisch aufgeladen, weil diese Illusion ihre Durchsetzung / Tradition verstärkte.
B. Moral ist historisch metaphysisch aufgeladen, weil diese Illusion für die Konstitution des Ego notwendig ist.
C. Moral ist historisch metaphysisch aufgeladen, weil sie per se metaphysischer Natur ist.


Am ehesten für eine Mischung aus B und C plädieren.

step hat folgendes geschrieben:
Ein Teil der Funktion besteht gerade darin, daß Du dieses moralische Gefühl intuitiv für fundamentaler hältst, als es ist zwinkern


In dem Sinne, dass es für die Existenz von etwas Entstandenen auch irgendwelche handfesten Gründe geben muss, stimme ich natürlich zu. Dass diese Ursachen immer etwas mit unserer Vorstellung von Zweckrationalität zu tun haben müssen, stelle ich dagegen in Frage. Ursachen müssen keine Gründe sein.

step hat folgendes geschrieben:
Also der Sinn der Moral soll sein, daß der Mensch damit sich selbst und seine Existenz feiert? Also daß er quasi sich selbst überhöht? Das finde ich keineswegs abwegig, dein Selbstüberhöhung (z.B. auch Krone der Schöpfung, Leben nach dem Tode, auserwähltes Volk usw.) wirken selbst wieder stabilisierend.


Ja, in diesem Sinne verstehe ich auch den sinnvollen Aspekt von Nietzsches Gegenüberstellung einer Herren- und einer Sklavenmoral, in der im Kern sozusagen zwei Arten von Selbsterhöhung unterschieden werden: Die "vornehme", die zunächst auf sich blickt und die moralische Überhöhung dann gewissermaßen in stolzer Abgrenzung zu denen schafft, denen die eigene Vorzüglichkeit abgeht und zweitens jene Moral, die aus Ressentiment erwächst, indem sie zunächst auf das Andere und Äußere blickt, dieses abwertet und sich selbst nur durch dessen Degradierung als das im Vergleich dazu Überlegene definieren kann. Nach diesem Muster kann man ja auch tatsächlich relativ elegant die Spannbreite moralischer Wertungen in ihrer ganzen Ambivalenz darstellen, einerseits ihren (vornehmen) bejahenden Aspekt, wie er etwa in Form der "Erhebung" über die übrige Natur zum Ausdruck kommt (wir, die Menschen, können Gerechtigkeit üben, unser Wort geben und halten usw. das hebt uns aus der übrigen Natur hervor, bestimmt also positiv unsere Identität und wird durch die moralische Aufwertung dieser Fähigkeiten entsprechend verstärkt und verherrlicht), andererseits den niederträchtigen Aspekt des Moralismus, der seinen höchsten Genuss und Selbstzweck in der Verurteilung und Abwertung anderer sieht (Pranger, Shitstorm, Rachsucht, demütigende Strafen etc.)

#244:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 22.12.2018, 19:50
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Ich hätte die konstituierende Bedeutung des §1 mit einer Warnung versehen. Damit sich eine Gesellschaft nicht so leicht auf die Schulter klopfen und sagen kann: "Wir sind ja so großartig, humanistisch und würdevoll." ...

Um nicht zu sagen: "unantastbar".


Kann ich nicht nachvollziehen. Es ist ja vor dem Hintergrund des NS die Würde des anderen gemeint...

Meine zynische Seite hat schon befürchtet, daß die Anrufung der Würde kaum über die NS-Gräuel hinausreicht.

"Deutsche, hört auf, Menschen in Lager zu sperren und sie zu vergasen, dann seid ihr wieder ehrenvolle Deutsche." Das ist mir zu wenig.

Ich sehe zwei Wege, wie man sich der Würde annähern kann.

1) Man beobachtet eine Verletzung der Würde, hier NS, und nimmt das in den Katalog unwürdigen Verhaltens auf.
2) Man überlegt sich Grundregeln, mit denen unwürdige Methoden ausgeschlossen werden.



zelig hat folgendes geschrieben:
.. nicht die eigene "Großartigkeit".

Politiker neigen zur Selbstbeweihräucherung, als ob wir bereits in der besten aller denkbaren Welten lebten. Denk an Gauck, der hat gerne die Freiheit beschworen. Gleichzeitig werden Kinder in der Mittagsbetreuung meiner Tochter zum Essen gezwungen. Das ist übergriffig und würdelos.



zelig hat folgendes geschrieben:
Ich klebe ja nicht an dem Begriff, aber man muss ihn auch nicht so grundfalsch interpretieren.

Ich klebe schon ein bisschen an dem Begriff, denn ich vermute stark, daß ein Mensch, der immer würdevoll behandelt wurde, eher selten auf die Idee kommt, andere unwürdig zu behandeln.


Was macht Würde für dich aus? Für mich wäre es ungefähr dies:

    - Goldene Regel. Was du nicht willst, das man dir tu, füg auch keinem anderen zu. Laut Rabbi Hillel ist das die ganze Thora, der Rest sei Kommentar.
    - Jeder bestimmt über sich selbst, niemand über einen anderen, außer in Abwehr von Fremdbestimmung.
    - Der Staat ist für die Menschen da und nicht umgekehrt.




EDIT: Zitate dummerweise step zugeschustert. Korrigiert.

#245:  Autor: VanHanegem BeitragVerfasst am: 23.12.2018, 11:45
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
Gleichzeitig werden Kinder in der Mittagsbetreuung meiner Tochter zum Essen gezwungen. Das ist übergriffig und würdelos.

Schlimmer, das ist potentiell Körperverletzung. Laktoseintoleranz wird z.B. erst seit wenigen Jahren als Problem wahrgenommen. Ein Schulkind, das sich vor Milch ekelt, hatte vor 50+ Jahren die Arschkarte gezogen.

#246:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 23.12.2018, 12:13
    —
smallie hat folgendes geschrieben:

Was macht Würde für dich aus? Für mich wäre es ungefähr dies:

    - Goldene Regel. Was du nicht willst, das man dir tu, füg auch keinem anderen zu. Laut Rabbi Hillel ist das die ganze Thora, der Rest sei Kommentar.
    - Jeder bestimmt über sich selbst, niemand über einen anderen, außer in Abwehr von Fremdbestimmung.
    - Der Staat ist für die Menschen da und nicht umgekehrt.


Würde ist die Abwesenheit institutioneller Demütigung. Mit dem Konzept von Avischai Margalit kann ich viel anfangen.

Zitat:
Unter Demütigung versteht Margalit ein normatives Konzept, kein psychologisches. Das heisst, dass eine Person einen gerechtfertigten Grund haben muss, sich gedemütigt zu fühlen. Das alleinige Gefühl der Demütigung reicht nicht aus. Das impliziert, dass nicht jede Person, die sich gedemütigt fühlt, auch gerechtfertigte Gründe dafür hat. So fühlt sich eine Person vielleicht gedemütigt, wenn sie in einer Partie Schach in nur fünf Zügen matt gesetzt wurde, es geht aber in Margalits Konzept eben nicht um persönliche Empfindlichkeiten oder die psychische Vulnerabilität von Einzelnen. Das heisst aber auch, dass eine Person gerechtfertigte Gründe hat, sich gedemütigt zu fühlen, auch wenn sie
persönlich sich nicht tatsächlich gedemütigt fühlt. Wenn sich eine dunkelhäutige Person dadurch nicht gedemütigt fühlt, dass sie nicht
dieselbe Toilette wie hellhäutige Personen benutzen darf, heisst dies nicht, dass dieser Umstand nicht demütigend ist andere dunkelhäutige Menschen können dies durchaus als demütigend empfinden.

Demütigung wird immer von Menschen verursacht, Naturkatastrophen und Ähnliches gehen nicht mit diesem Konzept von Demütigung einher. Es ist also nicht die dunkle Hautfarbe, die verantwortlich ist für die Demütigung, sondern die Reaktion von Menschen darauf.

Eine anständige Gesellschaft ist nach Margalit dadurch definiert, dass ihre Institutionen die Mitglieder einer Gesellschaft nicht demütigen. Es geht also darum, ob Institutionen die Mitglieder einer Gesellschaft demütigen. Es sind zwar Individuen, die eine Institution vertreten, die Institutionen sind aber immer involviert.


http://www.philosophie.unibe.ch/e40366/e40371/e60928/e74289/e75465/files75467/4_Kohler2014Schubladisierung_ger.pdf

#247:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 23.12.2018, 12:43
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Daher würde ich vor diese Alternativen gestellt
step hat folgendes geschrieben:
A. Moral ist historisch metaphysisch aufgeladen, weil diese Illusion ihre Durchsetzung / Tradition verstärkte.
B. Moral ist historisch metaphysisch aufgeladen, weil diese Illusion für die Konstitution des Ego notwendig ist.
C. Moral ist historisch metaphysisch aufgeladen, weil sie per se metaphysischer Natur ist.


Am ehesten für eine Mischung aus B und C plädieren.



Die Notwendigkeit metaphysischer Aufladung wird mit den rasant fortschreitenden Möglichkeiten der Selbstgestaltung zunehmen.
Nur um mal der Annahme entgegenzutreten, daß die Kulturgeschichte über den langen Zeitraum eine natürliche Entwicklung von qualitativer zur quantitativer Bewertung macht.

#248:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 23.12.2018, 14:00
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
Würde ist die Abwesenheit institutioneller Demütigung. ...

Hier wird der Zuweisungscharakter der Würde sogar besonders deutlich zwinkern

#249:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 23.12.2018, 14:20
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
Die Notwendigkeit metaphysischer Aufladung wird mit den rasant fortschreitenden Möglichkeiten der Selbstgestaltung zunehmen.

Warum vermutest Du das? Weil die zunehmenden Freiheitsgrade ein individuelles und gesellschaftliches Sicherheits- und Stabilitätsvakuum hinterlassen? Wenn Du tatsächlich recht hättest und die Menschheit sozusagen vor ihrem eigenen Fortschritt einknickt, würde mich das sehr deprimieren. Aber die Menschheit könnte auch modernere Ansätze entwickeln, um mit dem Wegfall scheinbarer Rückbindungen umzugehen.

zelig hat folgendes geschrieben:
Nur um mal der Annahme entgegenzutreten, daß die Kulturgeschichte über den langen Zeitraum eine natürliche Entwicklung von qualitativer zur quantitativer Bewertung macht.

Das ist aber sehr suggestiv formuliert - eine Entmystifizierung bedeutet nicht weniger Qualität. Einfaches Beispiel: Wenn wir anstelle eines Schöpfungsmythos heute genauer wissen, wie Erde und Menschheit entstanden sind, so war das nicht nur eine Entwicklung hin zur quantitativen Bewertung, sondern auch ein qualitativer Erkenntnissprung, u.a. weil er uns erlaubt, uns in einer grundsätzlichen Weise selbst ganz neu und besser einzuordnen.

#250:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 23.12.2018, 14:42
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
würde ich vor diese Alternativen gestellt
step hat folgendes geschrieben:
A. Moral ist historisch metaphysisch aufgeladen, weil diese Illusion ihre Durchsetzung / Tradition verstärkte.
B. Moral ist historisch metaphysisch aufgeladen, weil diese Illusion für die Konstitution des Ego notwendig ist.
C. Moral ist historisch metaphysisch aufgeladen, weil sie per se metaphysischer Natur ist.
Am ehesten für eine Mischung aus B und C plädieren.

Bei mir wäre es natürlich A plus einen Schuß B. Da kommen wir wohl nicht zusammen, auch weil man (C.) letztlich nicht rational diskutieren kann.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
In dem Sinne, dass es für die Existenz von etwas Entstandenen auch irgendwelche handfesten Gründe geben muss, stimme ich natürlich zu. Dass diese Ursachen immer etwas mit unserer Vorstellung von Zweckrationalität zu tun haben müssen, stelle ich dagegen in Frage.

Ich habe nicht behauptet, daß immer rationale Zwecke (Intentionen) dahinterstehen. Sondern nur, daß Moralsystem überleben / tradiert werden, weil sie eben bestimmte Wirkmechanismen haben ("Nutzen"). Beispiel: Wenn Eltern die Moral ihrer Knder prägen, tun sie das nur zum Teil mit der bewußten Absicht, sie moralisch zu normieren bzw. gefügig zu machen (etwa wenn das Christkind nicht kommt, wenn sie nicht brav sind). Oft tun sie es auch ganz unbewußt, etwa durch Suggerieren einer Erwartungshaltung, durch Vorbild usw. - oder die moralische Prägung geschieht sogar durch quasi-institutionalisierte Umstände, wie etwa Geschlechterklischees.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Ursachen müssen keine Gründe sein.

Aus meiner Sicht gibt es nur zwei Sorten von Gründen:
1. Mechanismen / Ursachen
2. Absichten / Zwecke

Enstprechend sind "Warum"-Fragen immer entweder "Wie"-Fragen oder "Wozu"-Fragen. (2.) gibt es nur im Zusamenhang mit intelligenten Wesen und kann natürlich letztlich auch wieder auf (1.) zurückgeführt werden.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Ja, in diesem Sinne verstehe ich auch den sinnvollen Aspekt von Nietzsches Gegenüberstellung einer Herren- und einer Sklavenmoral, in der im Kern sozusagen zwei Arten von Selbsterhöhung unterschieden werden: Die "vornehme", die zunächst auf sich blickt und die moralische Überhöhung dann gewissermaßen in stolzer Abgrenzung zu denen schafft, denen die eigene Vorzüglichkeit abgeht und zweitens jene Moral, die aus Ressentiment erwächst, indem sie zunächst auf das Andere und Äußere blickt, dieses abwertet und sich selbst nur durch dessen Degradierung als das im Vergleich dazu Überlegene definieren kann. ...

Genau. Allerdings ist das doch gerade eine Beschreibung einer stabilisierenden Wirkung (jetzt mal egal ob auf das Individuum oder die Gemeinschaft oder beides). Ich verstehe nicht, wieso man zur Erklärung der persistenten Überhöhung noch mehr als diesen Effekt plus die Tradierung benötigt.

#251:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 23.12.2018, 14:43
    —
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Die Notwendigkeit metaphysischer Aufladung wird mit den rasant fortschreitenden Möglichkeiten der Selbstgestaltung zunehmen.

Warum vermutest Du das? Weil die zunehmenden Freiheitsgrade ein individuelles und gesellschaftliches Sicherheits- und Stabilitätsvakuum hinterlassen?


Ich meine die zunehmenden Freiheitsgrade der Selbstgestaltung. Gentechnisch gestaltete glückliche Sklaven zB.

zelig hat folgendes geschrieben:
Nur um mal der Annahme entgegenzutreten, daß die Kulturgeschichte über den langen Zeitraum eine natürliche Entwicklung von qualitativer zur quantitativer Bewertung macht.

step hat folgendes geschrieben:
Das ist aber sehr suggestiv formuliert - eine Entmystifizierung bedeutet nicht weniger Qualität. Einfaches Beispiel: Wenn wir anstelle eines Schöpfungsmythos heute genauer wissen, wie Erde und Menschheit entstanden sind, so war das nicht nur eine Entwicklung hin zur quantitativen Bewertung, sondern auch ein qualitativer Erkenntnissprung, u.a. weil er uns erlaubt, uns in einer grundsätzlichen Weise selbst ganz neu und besser einzuordnen.


„Qualität“ ist kategorisch gemeint. Also das, was dem Nutzen der Mehrheit im Utilitarismus gegenüber steht.

#252:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 23.12.2018, 15:05
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich meine die zunehmenden Freiheitsgrade der Selbstgestaltung. Gentechnisch gestaltete glückliche Sklaven zB.

Achso. Ja, da würde es tatsächlich mit einer nichtmetaphysischen Legitimation schwierig - zum Glück sind die in meiner utilitaristischen Ethik gar nicht vorgesehen.

zelig hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Nur um mal der Annahme entgegenzutreten, daß die Kulturgeschichte über den langen Zeitraum eine natürliche Entwicklung von qualitativer zur quantitativer Bewertung macht.
... „Qualität“ ist kategorisch gemeint. Also das, was dem Nutzen der Mehrheit im Utilitarismus gegenüber steht.

Verstehe ich nicht. Wieso ist z.B. die Maximierung der Interessen eine rein quantitative Kategorie?

#253:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 23.12.2018, 15:12
    —
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich meine die zunehmenden Freiheitsgrade der Selbstgestaltung. Gentechnisch gestaltete glückliche Sklaven zB.

Achso. Ja, da würde es tatsächlich mit einer nichtmetaphysischen Legitimation schwierig - zum Glück sind die in meiner utilitaristischen Ethik gar nicht vorgesehen.

zelig hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Nur um mal der Annahme entgegenzutreten, daß die Kulturgeschichte über den langen Zeitraum eine natürliche Entwicklung von qualitativer zur quantitativer Bewertung macht.
... „Qualität“ ist kategorisch gemeint. Also das, was dem Nutzen der Mehrheit im Utilitarismus gegenüber steht.

Verstehe ich nicht. Wieso ist z.B. die Maximierung der Interessen eine rein quantitative Kategorie?


Die Frage verstehe ich wieder nicht. Ist das nicht schon mit dem Begriff "Maximierung" vorgegeben?

#254:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 23.12.2018, 15:20
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Wieso ist z.B. die Maximierung der Interessen eine rein quantitative Kategorie?
Die Frage verstehe ich wieder nicht. Ist das nicht schon mit dem Begriff "Maximierung" vorgegeben?

Natürlich gibt es einen quantitativen Aspekt, aber allein schon durch die Basierung auf "Interessen" kommt auch eine qualitative Kategorie hinein. Ich argwöhne, daß Du unter "Qualität" etwas Engeres verstehst, deshalb die Nachfrage.

#255:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 23.12.2018, 15:35
    —
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Wieso ist z.B. die Maximierung der Interessen eine rein quantitative Kategorie?
Die Frage verstehe ich wieder nicht. Ist das nicht schon mit dem Begriff "Maximierung" vorgegeben?

Natürlich gibt es einen quantitativen Aspekt, aber allein schon durch die Basierung auf "Interessen" kommt auch eine qualitative Kategorie hinein. Ich argwöhne, daß Du unter "Qualität" etwas Engeres verstehst, deshalb die Nachfrage.


Ok, ich glaube zu verstehen. Ich meine die "Qualität", die einen Sprung macht. Eine Systemeigenschaft. Vergleichbar mit Emergenz. Etwas was eine große Zahl nicht schafft. Wenn Du willst auch ein postuliertes Menschenbild, das die genetische Umformung -trotz des denkbaren Interesses der großen Mehrheit- ablehnt.

#256:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 23.12.2018, 16:18
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Also, wenn du mit "Metaphysik" sowas die lieben Englein meinst: die sind nicht die einzige Alternative zur englischen Krämermoral...

Englische Krämermoral. Schneidig formuliert. Mr. Green

Allerdings sagt mir persönlich die englische Denktradition - John Stuart Mill, Adam Smith, Darwin - mehr als die kontinentale, insbesondere die deutsche.


Nietzsche hat i.d.Z. mal von der "Mittelmäßigkeit" englischen Denkens gesprochen, womit er den Engländern die Richtigkeit vieler ihrer Erkenntnisse keineswegs absprechen wollte, nur seien manche Wahrheiten eben derart, dass sie nur von mittelmäßigen Geistern gefunden werden könnten.

Wenn es Mittelmäßigkeit braucht, um zur Magna Charta und zur Bill of Rights zu kommen, dann soll mir Mittelmäßigkeit recht sein.



Zumsel hat folgendes geschrieben:
Das bezog er, glaube ich, ausdrücklich auch auf Darwin.

Das stimmt. Zwei Stellen herausgesucht:

Nietzsche hat folgendes geschrieben:
Darwin hat den Geist vergessen (- das ist englisch!), die Schwachen haben mehr Geist … Man muss Geist nötig haben, um Geist zu bekommen, – man verliert ihn, wenn man ihn nicht mehr nötig hat. Wer die Stärke hat, entschlägt sich des Geistes (- “lass fahren dahin! denkt man heute in Deutschland – das Reich muss uns doch bleiben” … ). Ich verstehe unter Geist, wie man sieht, die Vorsicht, die Geduld, die List, die Verstellung, die grosse Selbstbeherrschung und Alles, was mimicry ist (zu letzterem gehört ein grosser Theil der sogenannten Tugend).”


Nietzsche hat folgendes geschrieben:
Um den ganzen englischen Darwinismus herum haucht etwas wie englische Überbevölkerungs-Stickluft, wie Kleiner-Leutegeruch von Not und Enge. Aber man sollte, als Naturforscher, aus seinem menschlichen Winkel herauskommen: und in der Natur herrscht nicht die Notlage, sondern der Überfluss, die Verschwendung, sogar bis ins Unsinnige. Der Kampf ums Dasein ist nur eine Ausnahme, eine zeitweilige Restriktion des Lebenswillens; der grosse und kleine Kampf dreht sich allenthalben ums Übergewicht, um Wachstum und Ausbreitung, um Macht, gemäss dem Willen zur Macht, der eben der Wille des Lebens ist”.


https://krohde.wordpress.com/2011/12/31/nietzsche-uber-darwin-und-das-urteil-xk923bc3gp4-88/

"Der Wille zur Macht, der eben der Wille des Lebens ist" - ziemlich nebulös.



Zumsel hat folgendes geschrieben:
Denn:

Geschnippt. Braucht einen eigenen Beitrag.



Zumsel hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Wie gesagt, wenn man das Kantische "Vernunftwesen" nicht schluckt, bleibt für die Moral eigentlich nur noch die Psychologie.

Hilft Vernunft bei folgendem Problem?

Menschen in unterschiedlichen Gesellschaften kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen, was gesellschaftlich wünschenswert ist. Schon die skandinavischen Länder setzen andere Schwerpunkte als die mitteleuropäischen, als die Visegrad-Staaten, die Briten oder die US-Amerikaner. Global gesehen sind die Unterschiede noch größer.

Wenn ich das Vernunftwesen schlucke, muß ich annehmen, daß die Skandinavier vernünftiger sind, als der Rest der Welt, oder die Polen, oder die Amis, oder die Chinesen ... Der jeweilige Rest der Welt ist dann schlicht unvernünftig oder wird unterdrückt oder verführt. Das mag im Einzelfall zutreffen, birgt aber auch die Gefahr der Selbstgefälligkeit.

"Vernunft" läßt sich schnell behaupten. Die Diskussion, was was vernünftig ist, bleibt einem jedoch nicht erspart.


Nun, es ist ja nicht so, dass Kant nicht argumentieren würde. Und zwar sowohl beim Kategorischen Imperativ als auch beim allgemeinen Rechtsprinzip. Und wenn Kant von Vernunft spricht, meint erdamit auch nicht so etwas wie brauchbare Ideen zur Organisation eines Gemeinwesens (das gehört bei ihm zum Verstand), sondern eher so was wie die Prinzipien bzw. die Form des Denkens überhaupt. Denn nur über derartige Prinzipien kann man zur Allgemeingültigkeit kommen. Der Kategorische Imperativ oder das allgemeine Rechtsprinzip abstrahieren daher auch völlig von jedem konkreten Inhalt und geben nur an, welche Form jedes moralische oder rechtliche Urteil notwendig haben müsse.

Oha! Idiosynkrasie - immer wieder gut, um für größtmögliche Verwirrung zu sorgen. Zustimmung

Wenn bei Kant Vernunft etwas anderes ist als Verstand, dann muß ich die letzten Seiten noch einmal lesen, um zu sehen, was noch Sinn ergibt und was nicht mehr.


Was bleibt? Kant hat also auch keine Methode, um zwischen den gesellschaftlichen Ansätzen der Skandinavier, Amerikaner oder Chinesen zu unterscheiden, der über "finde Fehler in der Argumentation" hinausgeht.

#257:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 23.12.2018, 18:04
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich meine die "Qualität", die einen Sprung macht. Eine Systemeigenschaft. Vergleichbar mit Emergenz. Etwas was eine große Zahl nicht schafft. Wenn Du willst auch ein postuliertes Menschenbild, das die genetische Umformung -trotz des denkbaren Interesses der großen Mehrheit- ablehnt.

Ein Menschenbild lehnt nichts ab bzw. kann das nicht durchsetzen. Ich will nicht ausschließen, daß die Menschheit eine genetische Umformung aus eigenem Interesse ablehnt. Oder aber gerade diese im eigenen Interesse durchführt. In beiden Fällen könnte das eine Qualität sein, die einen Sprung macht, oder?

#258:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 25.12.2018, 12:09
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
Was bleibt? Kant hat also auch keine Methode, um zwischen den gesellschaftlichen Ansätzen der Skandinavier, Amerikaner oder Chinesen zu unterscheiden, der über "finde Fehler in der Argumentation" hinausgeht.


Na ja, das ist bei allgemeinen Fragen nach den Prinzipien der Moral oder des Rechtes einfach nicht das, worum es geht. Er glaubt zwar durchaus, konkrete Forderungen daraus ableiten zu können, aber die haben eher weniger mit Fragen der Organisation oder dgl. zu tun. Fragen, die sich nicht aus Prinzipien der reinen Vernunft ergeben gehören dann, nach seinem Verständnis, eher in den Bereich der Anthropologie o.ä. Dazu hat er zwar auch einiges geschrieben, mit diesen Schriften habe ich mich aber (bisher?) noch nicht besonders intensiv mit beschäftigt. Also zusammengefasst: Keine Ahnung!

#259:  Autor: smallie BeitragVerfasst am: 26.12.2018, 21:38
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Das bezog er, glaube ich, ausdrücklich auch auf Darwin. So vermessen wie Nietzsche bin ich in meinem Urteil ganz gewiss nicht, aber ich glaube zumindest zu verstehen, was er da in der ihm nun mal eigenen Neigung zur Polemik ausdrücken wollte. Denn:

smallie hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Charles Darwin - Die Abstammung des Menschen
Kapitel 5 - Über die Entwickelung der intellektuellen und moralischen Fähigkeiten während der vorgeschichtlichen und zivilisierten Zeiten


Es verdient Beachtung, daß, sobald unsere Vorfahren sozial wurden ..., der Nachahmungstrieb, die Überlegung [reason] und die Erfahrung einen immer breiteren Raum einnahmen und die intellektuellen Fähigkeiten in einer Weise stark modifizierten, von der wir nur Spuren bei den Tieren bemerken können.



Reziprozität:

Darwin hat folgendes geschrieben:
Erstens wird jeder Mensch bei der zunehmenden Vervollkommnung seines Verstandes und seiner Voraussicht bald einsehen lernen, daß er, wenn er seinen Mitmenschen hilft, auch ein Anrecht auf ihre Hilfe erwirbt.



Gruppendruck:

Darwin hat folgendes geschrieben:
Ein anderer, viel wirksamerer Antrieb zur Entwickelung der sozialen Tugenden ist das Lob und der Tadel unserer Mitmenschen.


das alles leuchtet auf den ersten Blick irgendwie schon ein, ist aber ja im Grunde jetzt auch nicht sonderlich originell.

Lob und Tadel als Antrieb taucht bereits bei Konfuzius auf. Reziprozität im AT: "Schindet die Fremden nicht, denn ihr wart auch Fremde in Ägypten."

Originell war es, das in einen großen Zusammenhang zu stellen. Darwin hat erkannt, daß kulturelle Entwicklungen ähnlichen Gesetzen folgen wie biologische. In der einschlägigen Literatur tauchen diese Ideen erst 100 Jahre später wieder auf.



Zumsel hat folgendes geschrieben:
Und irgendwie kann man sich dann auf den zweiten Blick auch des Verdachtes nicht erwehren, dass damit bezüglich einer Erklärung des Phänomens Moral noch nicht das wichtigste gesagt ist.

Was ist denn das wichtigste, deiner Meinung nach?



Mir fallen mehrere Dinge ein, die alle die wichtigsten sind. zwinkern

    - Moralvorstellungen haben vordergründig eine biologische und kulturelle Basis. Dahinter steht Spieltheorie.

    - Moralvorstellungen entwickeln sich eher nicht aus Vernunftüberlegungen. Wenn es so wäre, hätte die ganze Welt schon längst mein, dein, euer Lieblingsvernunftmodell übernehmen müssen. Den englischen Parlamentarismus. Die amerikanische, französische oder russische Revolution. Die iranische Revolution. Was nicht heißen soll, hinter den einzelnen Bewegungen stünde keine Vernunftüberlegungen.

    - In praktisch allen Kulturen wird Mord und Diebstahl als unmoralisch angesehen. Das gilt sogar in Zeiten von Plünderung und Völkermord.

    - Moralische Regeln können falsch begründet, aber dennoch wirksam sein. (Religiös motivierte, aber klimatisch bedingte Nahrungsgebote, etc.)

    - Moralische Regeln sind gelegentlich widersprüchlich, weil es auf unterschiedlichen Ebenen widersprüchliche Interessen gibt. Es gibt mich, meine Familie, mein weiteres Umfeld - Gemeinde, Schule, Arbeit -, es gibt die Nation und schließlich die Welt. Stell dir vor, du hast bei VW Dieselmotoren entwickelt. Dann steckst du in einem Dilemma. Läßt du die Sache auffliegen oder nicht? Je nachdem, wo du deine Loyalitäten setzt und ob du kurz- oder langfristig denkst, kommst du zu unterschiedlichen Schlüssen.



Eine Sache fehlt noch: Altruismus vs. Eigennutz. Dazu ein Zitat, ob es die philosophische Literatur treffend zusammenfasst, weiß ich nicht.

Zitat:
Eine biologische Interpretation moralischer Systeme
Richard D. Alexander - 1985

Allgemein gesprochen, nennt man etwas amoralisch, wenn wir durch bestimmte Handlungen uns selbst helfen oder andere schädigen, während das, was uns schadet und anderen hilft eher als moralisch denn als amoralisch beurteilt wird. Wie die schier endlosen Argumente in der philosophischen Literatur bezeugen, ist es nicht leicht, eine präzisere Definition von Moral an sich zu geben.

Generally speaking, then, immoral is a label we apply to certain kinds of acts by which we help ourselves or hurt others, while acts that hurt ourselves or help others are more likely to be judged moral than immoral. As virtually endless arguments in the philosophical literature attest, it is not easy to be more precise in defining morality per se.


PDF-Link

#260:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 27.12.2018, 11:22
    —
smallie hat folgendes geschrieben:
...
Zitat:
...Allgemein gesprochen, nennt man etwas amoralisch, wenn wir durch bestimmte Handlungen uns selbst helfen oder andere schädigen, während das, was uns schadet und anderen hilft eher als moralisch denn als amoralisch beurteilt wird. Wie die schier endlosen Argumente in der philosophischen Literatur bezeugen, ist es nicht leicht, eine präzisere Definition von Moral an sich zu geben. ...

Auch ich denke, daß der Gemeinnutzen im Vergleich zum Individualnutzen eine sehr wichtige Rolle bei der Moral spielt - man möchte sich nicht nur einfach verlassen können, sondern speziell darauf, daß im Sinne gemeinsamer Ziele gehandelt wird. Mir fallen allerdings ein paar Gegenbeispiele zu obiger, vereinfachender These ein, etwa wenn die Intention fehlt, Anderen zu helfen (Zigarettenkonsum), oder wenn nicht die tatsächliche Hilfsbilanz gewertet wird, sondern nur der Nutzen für ein vorgegebenes oder Gruppenziel (z.B. Tapferkeit im Krieg). Zudem gibt es Phänomene, die - je nach Gesellschaft - als moralisch gut oder auch schlecht gelten - etwa Wohlstand/Reichtum oder vielfältige Sexualkontakte.

#261:  Autor: rachel BeitragVerfasst am: 16.01.2019, 13:47
    —
Tiere sind lernfähig und können dein Verhalten super interpretieren. Sie machen das nur auf einem anderen Level als wir. Ich hab letztens eine Schlange gesehen die sich auf Kommando auf den Rücken gedreht hat. Kann die jetzt denken oder nicht? Oder die Forelle, die auf Kommando durch einen Ring schwimmt?

#262:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 16.01.2019, 14:01
    —
rachel hat folgendes geschrieben:
Tiere sind lernfähig und können dein Verhalten super interpretieren. Sie machen das nur auf einem anderen Level als wir. Ich hab letztens eine Schlange gesehen die sich auf Kommando auf den Rücken gedreht hat. Kann die jetzt denken oder nicht? Oder die Forelle, die auf Kommando durch einen Ring schwimmt?

Ich denke, so etwas nennt man i.a. nicht "denken", obwohl es wohl komplexe Gehirnvorgänge und Lernen beinhaltet.

#263: Denken bei Tieren Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 16.01.2019, 14:27
    —
step hat folgendes geschrieben:
rachel hat folgendes geschrieben:
Tiere sind lernfähig und können dein Verhalten super interpretieren. Sie machen das nur auf einem anderen Level als wir. Ich hab letztens eine Schlange gesehen die sich auf Kommando auf den Rücken gedreht hat. Kann die jetzt denken oder nicht? Oder die Forelle, die auf Kommando durch einen Ring schwimmt?

Ich denke, so etwas nennt man i.a. nicht "denken", obwohl es wohl komplexe Gehirnvorgänge und Lernen beinhaltet.


Was ist denn Denken?

ich würde es folgendermaßen fassen:

Denken ist ein Vorgang A (Prozess), der unter hinreichenden Informationen über andere Vorgängen B, ..., N geeignet/selber so strukturiert ist, um aus diesen bestimmte Regelmäßigkeiten (nicht bloß Wiederholungen) im Zusammenhang mit bestimmten Bedingungen zu erkennen und daraus - mittels weiterer Systematisierung der Denk- und Informationsermittlungsvorgänge - Gesetzmäßigkeiten abzuleiten.

Jetzt ist die Frage, wo höhere entwickelte Tiere im Hinblick darauf zu verorten sind, was auch die Frage einschließt, wie man "Gesetzmäßigkeiten" zu verstehen hat.


Zuletzt bearbeitet von Skeptiker am 16.01.2019, 16:42, insgesamt einmal bearbeitet

#264:  Autor: rachel BeitragVerfasst am: 16.01.2019, 16:30
    —
Die Definition des Denkens gefällt mir und kann ich auch etwas mit anfangen. Meiner Meinung nach kann man es so definieren.

#265:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 16.01.2019, 16:44
    —
rachel hat folgendes geschrieben:
Die Definition des Denkens gefällt mir und kann ich auch etwas mit anfangen. Meiner Meinung nach kann man es so definieren.


Danke für dein feedback, rachel. Ich habe noch ein "und" eingefügt. Cool

#266: Re: Denken bei Tieren Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 16.01.2019, 17:30
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
rachel hat folgendes geschrieben:
Tiere sind lernfähig und können dein Verhalten super interpretieren. Sie machen das nur auf einem anderen Level als wir. Ich hab letztens eine Schlange gesehen die sich auf Kommando auf den Rücken gedreht hat. Kann die jetzt denken oder nicht? Oder die Forelle, die auf Kommando durch einen Ring schwimmt?
Ich denke, so etwas nennt man i.a. nicht "denken", obwohl es wohl komplexe Gehirnvorgänge und Lernen beinhaltet.
Was ist denn Denken? ...

Nachdem ich jetzt ein paar Definitionen bei Wikipedia, Kognitionswissenschaften usw. angeschaut habe, würde ich meine Aussage oben tendenziell zurücknehmen. Häufig wird die Latte in der Definition erstmal hoch gelegt, dann aber von den "erstaunlichen Denkfähigkeiten" mancher Tiere geschrieben (z.B. Vögel, die ja nicht mal einen Neocortex haben).

#267: Re: Denken bei Tieren Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 16.01.2019, 18:41
    —
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
rachel hat folgendes geschrieben:
Tiere sind lernfähig und können dein Verhalten super interpretieren. Sie machen das nur auf einem anderen Level als wir. Ich hab letztens eine Schlange gesehen die sich auf Kommando auf den Rücken gedreht hat. Kann die jetzt denken oder nicht? Oder die Forelle, die auf Kommando durch einen Ring schwimmt?
Ich denke, so etwas nennt man i.a. nicht "denken", obwohl es wohl komplexe Gehirnvorgänge und Lernen beinhaltet.
Was ist denn Denken? ...

Nachdem ich jetzt ein paar Definitionen bei Wikipedia, Kognitionswissenschaften usw. angeschaut habe, würde ich meine Aussage oben tendenziell zurücknehmen. Häufig wird die Latte in der Definition erstmal hoch gelegt, dann aber von den "erstaunlichen Denkfähigkeiten" mancher Tiere geschrieben (z.B. Vögel, die ja nicht mal einen Neocortex haben).

In diesem Zusammenhang wird von allen möglichen alles Mögliche als Denken bezeichnet, ohne, dass jemand in der Lage ist, das einigermaßen sinnvoll einzugrenzen:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich würde dazu neigen, auch die rudimentärsten biologischen Prozesse, die auf die Existenz von Wahrnehmung, Erinnerung oder Empfinden schließen lassen, als eine Art Denken zu verstehen.

Was ist empfinden? Die Wahrnehmung von warm / kalt, hell und Dunkel, laut und leise? Dürfte ich dem automatischen Rasenmäher von Husquarna nur deshalb nicht zugestehen, dass er denkt, weil er nicht biologisch ist?
Deshalb hatte ich den Gegenstand für meinen Anteil an dieser Diskussion auch folgendermaßen eingegrenzt:
fwo hat folgendes geschrieben:
...
Bevor wir uns zusätzlich noch mit einer Definition von Intelligenz abmühen: Die Fragestellung war, ob Tier denken können.
Diese Frage lässt sich sinnvoll nur bearbeiten, wenn wir uns auf bewusstes Denken beschränken - weil wir beim unbewussten nicht einmal annähernd wissen, wie wir das eingrenzen sollen.
...

Wenn wir jemanden auffordern, doch bitte einmal gründlich nachzudenken, ist es selbstverständlich, dass wir vom bewussten Denken in Sprache sprechen, das der andere auch vor uns ausbreiten kann, so dass wir mit denken können.

Und in dem Sinn ist Homo sapiens die einzige denkende Art - allen anderen fehlt das Kulturergebnis Objektsprache. Auch wenn es einigen peinlich ist, das wieder offen auszusprechen, weil es doch ein Ausdruck eines Anthropozentrismus ist, den wir überwunden haben sollten.

#268:  Autor: CriticWohnort: Arena of Air BeitragVerfasst am: 16.01.2019, 21:01
    —
step hat folgendes geschrieben:
rachel hat folgendes geschrieben:
Tiere sind lernfähig und können dein Verhalten super interpretieren. Sie machen das nur auf einem anderen Level als wir. Ich hab letztens eine Schlange gesehen die sich auf Kommando auf den Rücken gedreht hat. Kann die jetzt denken oder nicht? Oder die Forelle, die auf Kommando durch einen Ring schwimmt?

Ich denke, so etwas nennt man i.a. nicht "denken", obwohl es wohl komplexe Gehirnvorgänge und Lernen beinhaltet.


Natürlich werden das unterschiedliche Betrachter auch unterschiedlich interpretieren: Was ist in dem Zusammenhang das "intelligentere" Verhalten, die Dressierbarkeit oder die Nicht-Dressierbarkeit?

Wie gesagt hatte ich ja Erfahrungen mit "meinem" (wie kann einem Tier schon gehören?) Zwergkaninchen (schon lange tot), die mich damals haben denken lassen, er sei durchaus intelligent: Ich saß noch da, weil ich noch mit einer Matheaufgabe kämpfte, während er herumlief und sich beschäftigte. Mir fiel währenddessen ein Bleistift runter und rollte weg. Ehe ich aufstehen konnte, um den Stift zu holen, lief er hin, nahm den Stift in den Mund und brachte ihn mir zurück. Ich fand das in der Situation natürlich intelligent, habe mich dafür bedankt und ihn gestreichelt. Dann habe ich mir überlegt, ob er das vielleicht nochmal tun würde? Ich habe also den Bleistift eine Minute später nochmal beiläufig runterfallen lassen, aber er hat den nicht geholt.

Und wie er mich angesehen hat, habe ich das so interpretiert, als ob er genau wüßte, daß das diesmal nicht versehentlich passiert war. Mag sein, daß er mir den Stift beim zweiten Mal auch geholt hätte, wenn er beim ersten Mal bekommen hätte, was er sich erhofft hatte - daß ich meine Rödelei abbreche und erstmal (allerdings was Vernünftigeres) mit ihm spiele, oder daß ich ihm eins seiner geliebten Leckerchen gebe. Oder aber, daß er zeigen wollte, daß er eine ganze Menge kann, wenn er will, sich aber nicht vereimern läßt: "Eine halbe Stunde Stöckchenspielen wie mit einem Schäferhund ist mir dann doch zu blöd"...

#269:  Autor: Myron BeitragVerfasst am: 16.01.2019, 22:06
    —
Denken ist entweder dasselbe wie Vorstellen oder eine bestimmte Art davon. Im Folgenden unterscheide ich zwischen den beiden.

Vorstellen im passiven Sinn ist das Erleben/Erfahren geistiger Bilder (von Geistesbildern [nicht mit Geisterbildern verwechseln!]), und im aktiven Sinn ist es das willentliche, absichtliche Benutzen/Verwenden geistiger Bilder für bestimmte Zwecke (z.B. Lösen eines Problems, Überlegen, was man tun soll). (Beim freien Spiel der Fantasie ist es Selbstzweck.)

Unter einem geistigen Bild oder Geistesbild (mental image) verstehe ich nicht nur ikonische Zeichen, die ihren Gegenstand durch Ähnlichkeitsbeziehungen repräsentieren (so wie eine Fotografie, ein Gemälde oder eine Zeichnung), sondern auch nichtikonische, symbolische Zeichen, die ihrem Gegenstand nicht gleichen oder ähneln (so wie die Wörter und Sätze einer natürlichen Sprache wie dem Deutschen).

(Die Wörter "Symbol" und "Zeichen" werden sehr oft synonym gebraucht, aber ich halte mich an Charles Peirce's berühmte Unterteilung von Zeichen in symbols, icons und indexes. Entsprechend sind nicht alle Zeichen Symbole. Siehe: http://www.commens.org/dictionary)

Unter Denken als einer bestimmten Art von Vorstellung verstehe ich im passiven Sinn das Erleben/Erfahren geistiger Sprachbilder oder anderer geistiger Symbole, d.h. von Geistesbildern gesprochener oder geschriebener Wörter oder Sätze (z.B. des Deutschen), oder anderer physischer Symbole, die Teil eines symbolischen Zeichensystems sind (z.B. Brailleschrift).
Im aktiven Sinn verstehe ich unter Denken das willentliche, absichtliche Benutzen/Verwenden sprachlicher oder anderer symbolischer Geistesbilder für bestimmte ZweckeDenken als inneres Sprechen.

#270:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 16.01.2019, 22:55
    —
Critic hat folgendes geschrieben:
....
Wie gesagt hatte ich ja Erfahrungen mit "meinem" (wie kann einem Tier schon gehören?) Zwergkaninchen (schon lange tot), die mich damals haben denken lassen, er sei durchaus intelligent: Ich saß noch da, weil ich noch mit einer Matheaufgabe kämpfte, während er herumlief und sich beschäftigte. Mir fiel währenddessen ein Bleistift runter und rollte weg. Ehe ich aufstehen konnte, um den Stift zu holen, lief er hin, nahm den Stift in den Mund und brachte ihn mir zurück. Ich fand das in der Situation natürlich intelligent, habe mich dafür bedankt und ihn gestreichelt. Dann habe ich mir überlegt, ob er das vielleicht nochmal tun würde? Ich habe also den Bleistift eine Minute später nochmal beiläufig runterfallen lassen, aber er hat den nicht geholt.

Und wie er mich angesehen hat, habe ich das so interpretiert, als ob er genau wüßte, daß das diesmal nicht versehentlich passiert war. Mag sein, daß er mir den Stift beim zweiten Mal auch geholt hätte, wenn er beim ersten Mal bekommen hätte, was er sich erhofft hatte - daß ich meine Rödelei abbreche und erstmal (allerdings was Vernünftigeres) mit ihm spiele, oder daß ich ihm eins seiner geliebten Leckerchen gebe. Oder aber, daß er zeigen wollte, daß er eine ganze Menge kann, wenn er will, sich aber nicht vereimern läßt: "Eine halbe Stunde Stöckchenspielen wie mit einem Schäferhund ist mir dann doch zu blöd"...

Soetwas ist für sich allein relativ schwer zu interpretieren.

Was man dabei als inzwischen gut abgesichertes Forschungsergebnis im Hinterkopf behalten sollte, ist, dass sich Tiere zwar gut konditionieren lassen, und dass man die Ergebnisse dieser Konditionierung für sich genommen ganz leicht missverstehen kann, aber dass es eine Besonderheit des Menschen ist, andere Lebewesen als intentional zu begreifen. Die wesentlichen Arbeiten dazu wurden von Tomasello gemacht.

#271:  Autor: AhrimanWohnort: 89250 Senden BeitragVerfasst am: 17.01.2019, 12:40
    —
Immer wieder eine Frage der Meßlatte. Ist eine Wenn...dann... Erkenntnis schon "Denken"? So, wie eine Dohle Nüsse auf die Straße fallen läßt, weil dann die Autos drüberfahren und sie aufknacken? Zumindest kann dieser Vogel Ursachen mit Wirkungen mittels Beobachtung zusammenbringen. Ist das schon Denken?

#272:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 17.01.2019, 12:43
    —
Ahriman hat folgendes geschrieben:
Immer wieder eine Frage der Meßlatte. Ist eine Wenn...dann... Erkenntnis schon "Denken"? So, wie eine Dohle Nüsse auf die Straße fallen läßt, weil dann die Autos drüberfahren und sie aufknacken? Zumindest kann dieser Vogel Ursachen mit Wirkungen mittels Beobachtung zusammenbringen. Ist das schon Denken?


Ja.

#273:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 17.01.2019, 13:32
    —
Ahriman hat folgendes geschrieben:
Immer wieder eine Frage der Meßlatte. Ist eine Wenn...dann... Erkenntnis schon "Denken"? So, wie eine Dohle Nüsse auf die Straße fallen läßt, weil dann die Autos drüberfahren und sie aufknacken? Zumindest kann dieser Vogel Ursachen mit Wirkungen mittels Beobachtung zusammenbringen. Ist das schon Denken?

Der Begriff des Denkens wird hier so unscharf benutzt, dass man sowohl ein Ja als auch ein Nein begründen könnte.

Was aber mit ziemlicher Sicherheit nicht ist, ist, dass diese Vögel mittels Beobachtungen Ursachen mit Wirkungen zusammenbringen. Was da stattfindet, ist in der Nomenklatur derer, die das untersucht haben, ein Emulationslernen: Wahrgenommen wird die Situation mit dem Zusammenhang Nuss, Futter und Landschaft (Straße). Dann wird solange zufällig probiert, bis ein bestimmtes Verhalten durch Erfolg belohnt wird. Dieses Verhalten wird dann wiederholt. Das ist also ein Prozess der Selbstkonditionierung.

Es ist also kein Imitationslernen, bei dem Individuen versuchen, das erfolgreiche Verhalten anderer zu reproduzieren. Es ist ein evolutiv erfolgreicher Lernprozess, aber er funktioniert anders als bei uns. (Man kann so etwas nachweisen, indem man den Tieren eine Vorgabe macht, in der sie zwar den Zusammenhang zwischen Situation und Nahrung erfahren, aber ihnen falsche Handlungen auf dem Weg zur Nahrung "vormacht". Es hat dann keinen Einfluss auf die Dauer des Weges zur richtigen Handlung, ob ihr Vorbild es richtig oder falsch gemacht hat.)

Ob man, was da abläuft, nun Denken nennt oder nicht, sei jedem selbst überlassen, was es auf jeden Fall nicht ist, ist ein Denken in Ursache und Wirkung. Dieses Denken scheint menschenspezifisch zu sein. Tomasello sieht den Ursprung dieses Denkens in der Wahrnehmung des anderen Artgenossen als intentionales Subjekt. "Was ich selber denk und tu, trau ich allen anderen zu" ist ein Grundzug, der den Menschen vorbehalten ist, und die selbe Annahme der Intention führt beim Menschen dann dann in der Einteilung der unbelebten Welt zur Zuschreibung von Ursache und Wirkung.

#274:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 17.01.2019, 13:42
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Ahriman hat folgendes geschrieben:
Immer wieder eine Frage der Meßlatte. Ist eine Wenn...dann... Erkenntnis schon "Denken"? So, wie eine Dohle Nüsse auf die Straße fallen läßt, weil dann die Autos drüberfahren und sie aufknacken? Zumindest kann dieser Vogel Ursachen mit Wirkungen mittels Beobachtung zusammenbringen. Ist das schon Denken?

Der Begriff des Denkens wird hier so unscharf benutzt, dass man sowohl ein Ja als auch ein Nein begründen könnte.

Was aber mit ziemlicher Sicherheit nicht ist, ist, dass diese Vögel mittels Beobachtungen Ursachen mit Wirkungen zusammenbringen. Was da stattfindet, ist in der Nomenklatur derer, die das untersucht haben, ein Emulationslernen: Wahrgenommen wird die Situation mit dem Zusammenhang Nuss, Futter und Landschaft (Straße). Dann wird solange zufällig probiert, bis ein bestimmtes Verhalten durch Erfolg belohnt wird. Dieses Verhalten wird dann wiederholt. Das ist also ein Prozess der Selbstkonditionierung.

Es ist also kein Imitationslernen, bei dem Individuen versuchen, das erfolgreiche Verhalten anderer zu reproduzieren. Es ist ein evolutiv erfolgreicher Lernprozess, aber er funktioniert anders als bei uns. (Man kann so etwas nachweisen, indem man den Tieren eine Vorgabe macht, in der sie zwar den Zusammenhang zwischen Situation und Nahrung erfahren, aber ihnen falsche Handlungen auf dem Weg zur Nahrung "vormacht". Es hat dann keinen Einfluss auf die Dauer des Weges zur richtigen Handlung, ob ihr Vorbild es richtig oder falsch gemacht hat.)

Ob man, was da abläuft, nun Denken nennt oder nicht, sei jedem selbst überlassen, was es auf jeden Fall nicht ist, ist ein Denken in Ursache und Wirkung. Dieses Denken scheint menschenspezifisch zu sein. Tomasello sieht den Ursprung dieses Denkens in der Wahrnehmung des anderen Artgenossen als intentionales Subjekt. "Was ich selber denk und tu, trau ich allen anderen zu" ist ein Grundzug, der den Menschen vorbehalten ist, und die selbe Annahme der Intention führt beim Menschen dann dann in der Einteilung der unbelebten Welt zur Zuschreibung von Ursache und Wirkung.


Das ist falsch.

#275:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 17.01.2019, 13:47
    —
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
....

Das ist falsch.

Gröhl... Was haben wir doch für ein Glück, dass Du uns das noch rechtzeitig sagst.

#276: Freier Wille? Autor: Reklov BeitragVerfasst am: 22.01.2019, 23:58
    —
Denken: Findet an sich nur statt, wenn es sich manifestiert. Tut es das nicht, ist es nicht erkennbar und auch nicht relevant.
Nüsse auf Straßen werfen, würde ich jetzt mal als "deterministisches Handeln" bezeichnen. Eventuell wird dabei "gedacht", aber das ist unerheblich, weil wir sowieso nicht wissen, was Denken ist oder wie es funktioniert.
Menschen wiederum können Denken manifestieren, indem sie deterministisches Handeln unterbinden.

Beispiel: Ein Mensch kann sich zu Tode hungern, weil er denkt, dass es richtig ist, und zwar nur deswegen. Ich glaube nicht, das irgendein Tier das kann.

So gesehen, müsste man dem Lehrer Recht geben.

#277: Re: Freier Wille? Autor: CriticWohnort: Arena of Air BeitragVerfasst am: 23.01.2019, 00:28
    —
Ad Beitrag, Zitat:

Reklov hat folgendes geschrieben:
Beispiel: Ein Mensch kann sich zu Tode hungern, weil er denkt, dass es richtig ist, und zwar nur deswegen. Ich glaube nicht, das irgendein Tier das kann.


Wobei wir natürlich familiär auch ein Beispiel eines dieser kleinen Papageien zu haben glauben, daß bei ihr nach dem Tod ihres (in dem Falle: dritten) Partners wohl die Lebensgeister erloschen waren, sie sich in ein Verhalten hineingesteigerte, das letztlich zu einem Schlaganfall führte, woran sie ein paar Wochen später starb.

Ob das jetzt schon unter "Denken, Trauer, Herzensleid" im Sinne bewußter Prozesse fällt, ist offenbar wohl Interpretationssache, man kann offenbar viel von dem Verhalten sowohl bewußt als auch unbewußt, "konditioniert" erklären.

Wobei man uns seinerzeit auf dem Gymi in etlichen Fächern auch beigebracht hat, relativ zügig bestimmte "Kochrezepte" nachzukochen, und noch im Studium wurde im Rahmen der Vorbereitung auf Klausuren schonmal erklärt, Zeit zum Nachdenken sei eigentlich dabei nicht vorgesehen Am Kopf kratzen, man solle das halt recht zügig zu Papier bringen. Kann man also selbst so etwas, wo man eigentlich intensiv nachdenken und die richtigen Schlüsse ziehen soll, als geradezu mechanische Aufgabe bezeichnen...

Ja, ich hatte es schon erwähnt, daß ich selbst das Problem habe, von einem menschlichen Gegenüber nicht belegen zu können, ob es gerade nachdenkt - ich kann das quasi nur über die Introspektion, also daß ich der Auffassung bin, daß ich ja auch über Dinge nachdenke, und daher davon ausgehe, daß das bei Anderen auch der Fall ist. Ja, das hat auch mit Empathie zu tun, ich gehe bei Tieren, die mir relativ ähnlich sind, eher davon aus, daß es zumindest in seiner kleinen Welt nachdenkt oder - durchaus gerichtet - ausprobiert und daraus gewisse Schlüsse zieht und lernt. Das könnte natürlich auch ein Irrtum sein. Vielleicht fühle ich mich auch einfach besser, wenn ich denke, daß die Kuh nicht nur auf der Weide steht und stumpf auf ihrem Gras rumkaut, oder daß mein Haustier Krach schlägt, um mir damit irgendwas mitzuteilen. Ich wünsche mir ja, daß mein Tier mir etwas zu sagen hat.

Mag sein, daß das nicht der Fall ist: Ich verliere aber dadurch eigentlich auch auch nichts. Und ansonsten würde das auch die Frage berühren, in wieweit ich selbst überhaupt einen freien Willen habe... Am Kopf kratzen.

#278:  Autor: wolle BeitragVerfasst am: 30.04.2019, 18:53
    —
https://www.stern.de/panorama/weltgeschehen/gorilla-selfie--raenger-erklaert--wie-es-zu-dem-foto-kam---geplant--war-es-nicht-8685132.html schrieb:

Zitat:
Wir waren mit den Gorillas spazieren.


Dabei entstand dieses großartige Bild mit den aufrecht stehenden, die Wärter imitierenden Gorillas.

#279: Re: Freier Wille? Autor: Freddye BeitragVerfasst am: 25.05.2019, 01:25
    —
Reklov hat folgendes geschrieben:


Beispiel: Ein Mensch kann sich zu Tode hungern, weil er denkt, dass es richtig ist, und zwar nur deswegen. Ich glaube nicht, das irgendein Tier das kann.



Das beweist aber nur die Willenskraft und nicht das denken.
Gefühle haben sie schon. Denken können sie meiner Meinung auch.
Die Hunde die auf der Strasse leben wissen wie man über die Strasse geht zu Beispiel.

#280: Re: Freier Wille? Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 25.05.2019, 11:19
    —
Freddye hat folgendes geschrieben:
Reklov hat folgendes geschrieben:
Beispiel: Ein Mensch kann sich zu Tode hungern, weil er denkt, dass es richtig ist, und zwar nur deswegen. Ich glaube nicht, das irgendein Tier das kann.
Das beweist aber nur die Willenskraft und nicht das denken. ...

Willenskraft, im Sinne einer Unerbittlichkeit, mit der eine Präferenz verfolgt wird, gibt es auch bei Tieren. Hier kommt etwas anderes hinzu, nämlich der Umstand, daß Menschen auch in abstrakten Kategorien denken und diese auch stark präferentiell wirken können.

#281: Re: Freier Wille? Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 25.05.2019, 11:46
    —
Freddye hat folgendes geschrieben:
Reklov hat folgendes geschrieben:


Beispiel: Ein Mensch kann sich zu Tode hungern, weil er denkt, dass es richtig ist, und zwar nur deswegen. Ich glaube nicht, das irgendein Tier das kann.



Das beweist aber nur die Willenskraft und nicht das denken.
Gefühle haben sie schon. Denken können sie meiner Meinung auch.
Die Hunde die auf der Strasse leben wissen wie man über die Strasse geht zu Beispiel.

Die Frage ist, was wir unter Denken verstehen.
Wenn wir damit einfach ausdrücken wollen, dass da neuronale Vorgänge existieren, die zu zur jeweiligen Situation adäquaten Handlungen führen, dann ist das Ergebnis einer Konditionierung bereits Denken.

Üblicherweise bezeichnen wir damit aber Operationen die man als kausalanalytisch bezeichnen kann, also das Einteilen der Welt in Faktoren, die sich gegenseitig beeinflussen, so dass man denkend Vorhersagen treffen kann, die dann als Grundlage des eigenen Handelns dienen. In einer anderen Beschreibung wird Denken auch als geistige Simulation der der Welt bezeichnet. Wenn wir uns auf diese Bedeutung von Denken einigen, ist damit klar, dass das ohne eine abstrakte Sprache, zu der es im Tierreich nach unserem Wissen bisher nur der Mensch gebracht hat, nicht möglich ist.

#282: Re: Freier Wille? Autor: AhrimanWohnort: 89250 Senden BeitragVerfasst am: 25.05.2019, 12:21
    —
Reklov hat folgendes geschrieben:


Beispiel: Ein Mensch kann sich zu Tode hungern, weil er denkt, dass es richtig ist, und zwar nur deswegen. Ich glaube nicht, das irgendein Tier das kann.



Wenn die rührende Geschichte von dem Hund, der auf Herrchens Grab dahinsiechte und starb wahr ist, dann....
Mit den Augen rollen

#283: Re: Freier Wille? Autor: beachbernieWohnort: Haida Gwaii BeitragVerfasst am: 25.05.2019, 22:39
    —
fwo hat folgendes geschrieben:



....Üblicherweise bezeichnen wir damit aber Operationen die man als kausalanalytisch bezeichnen kann, also das Einteilen der Welt in Faktoren, die sich gegenseitig beeinflussen, so dass man denkend Vorhersagen treffen kann, die dann als Grundlage des eigenen Handelns dienen. In einer anderen Beschreibung wird Denken auch als geistige Simulation der der Welt bezeichnet. Wenn wir uns auf diese Bedeutung von Denken einigen, ist damit klar, dass das ohne eine abstrakte Sprache, zu der es im Tierreich nach unserem Wissen bisher nur der Mensch gebracht hat, nicht möglich ist.



Das ist Unsinn. Man kann auch nonverbal "geistig simulieren", sogar noch realitaetsnaeher als verbal.

Um sich z.B. als Katze vorstellen zu koennen wie die kleine Maus aus dem Loch kommt, wo sie dann entlang laufen wird und wo man stehen muss, dass sie einem genau vor die Tatzen laeuft, dazu muss man weder ein Wort fuer "Maus" noch eines fuer "Loch" haben. Das geht auch mit rein bildlichen, nonverbalen Repräsentationen dieser Dinge.

Auch das faellt unter die Kategorie "denken".

#284: Re: Freier Wille? Autor: beachbernieWohnort: Haida Gwaii BeitragVerfasst am: 25.05.2019, 22:41
    —
Ahriman hat folgendes geschrieben:
Reklov hat folgendes geschrieben:


Beispiel: Ein Mensch kann sich zu Tode hungern, weil er denkt, dass es richtig ist, und zwar nur deswegen. Ich glaube nicht, das irgendein Tier das kann.



Wenn die rührende Geschichte von dem Hund, der auf Herrchens Grab dahinsiechte und starb wahr ist, dann....
Mit den Augen rollen


Ich weiss jetzt nicht genau ob diese eine Geschichte wahr ist, aber dass Hunde zu Trauer und auch zu extremen Formen davon, fähig sind, kann als erwiesen gelten. Insofern kann diese Geschichte prinzipiell schon wahr sein.

#285: Re: Freier Wille? Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 26.05.2019, 01:09
    —
beachbernie hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:



....Üblicherweise bezeichnen wir damit aber Operationen die man als kausalanalytisch bezeichnen kann, also das Einteilen der Welt in Faktoren, die sich gegenseitig beeinflussen, so dass man denkend Vorhersagen treffen kann, die dann als Grundlage des eigenen Handelns dienen. In einer anderen Beschreibung wird Denken auch als geistige Simulation der der Welt bezeichnet. Wenn wir uns auf diese Bedeutung von Denken einigen, ist damit klar, dass das ohne eine abstrakte Sprache, zu der es im Tierreich nach unserem Wissen bisher nur der Mensch gebracht hat, nicht möglich ist.



Das ist Unsinn. Man kann auch nonverbal "geistig simulieren", sogar noch realitaetsnaeher als verbal.

Um sich z.B. als Katze vorstellen zu koennen wie die kleine Maus aus dem Loch kommt, wo sie dann entlang laufen wird und wo man stehen muss, dass sie einem genau vor die Tatzen laeuft, dazu muss man weder ein Wort fuer "Maus" noch eines fuer "Loch" haben. Das geht auch mit rein bildlichen, nonverbalen Repräsentationen dieser Dinge.

Auch das faellt unter die Kategorie "denken".

Das könnte theoretisch so sein. Aber woher weißt Du das? Kannst Du Dich noch erinnern, wie Du Dir Katzen vorgestellt hast, als Du noch nicht wusstest, das das sind?

Die wir in der Sprache leben, haben wir zwar die Möglichkeit bildhaft zu denken, aber keinen Beweis, dass wir es könnten, wenn wir ohne die Sprache lebten.

Die Reaktionen und Problemlösungsstrategien der nicht sprachbesitzenden Tiere lassen nicht vermuten, dass sie diese Art der Simulation in einem großen Maß beherrschen.

#286: Re: Freier Wille? Autor: beachbernieWohnort: Haida Gwaii BeitragVerfasst am: 26.05.2019, 01:33
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:



....Üblicherweise bezeichnen wir damit aber Operationen die man als kausalanalytisch bezeichnen kann, also das Einteilen der Welt in Faktoren, die sich gegenseitig beeinflussen, so dass man denkend Vorhersagen treffen kann, die dann als Grundlage des eigenen Handelns dienen. In einer anderen Beschreibung wird Denken auch als geistige Simulation der der Welt bezeichnet. Wenn wir uns auf diese Bedeutung von Denken einigen, ist damit klar, dass das ohne eine abstrakte Sprache, zu der es im Tierreich nach unserem Wissen bisher nur der Mensch gebracht hat, nicht möglich ist.



Das ist Unsinn. Man kann auch nonverbal "geistig simulieren", sogar noch realitaetsnaeher als verbal.

Um sich z.B. als Katze vorstellen zu koennen wie die kleine Maus aus dem Loch kommt, wo sie dann entlang laufen wird und wo man stehen muss, dass sie einem genau vor die Tatzen laeuft, dazu muss man weder ein Wort fuer "Maus" noch eines fuer "Loch" haben. Das geht auch mit rein bildlichen, nonverbalen Repräsentationen dieser Dinge.

Auch das faellt unter die Kategorie "denken".

Das könnte theoretisch so sein. Aber woher weißt Du das? Kannst Du Dich noch erinnern, wie Du Dir Katzen vorgestellt hast, als Du noch nicht wusstest, das das sind?

Die wir in der Sprache leben, haben wir zwar die Möglichkeit bildhaft zu denken, aber keinen Beweis, dass wir es könnten, wenn wir ohne die Sprache lebten.

Die Reaktionen und Problemlösungsstrategien der nicht sprachbesitzenden Tiere lassen nicht vermuten, dass sie diese Art der Simulation in einem großen Maß beherrschen.


Ob das speziell bei Katzen tatsaechlich so abläuft, halte ich zwar fuer mehr oder weniger wahrscheinlich, aber ich weiss das natuerlich nicht mit Sicherheit. Das macht aber nichts fuer mein Argument.

Mit Sicherheit weiss ich naemlich, dass mir als Mensch sowohl verbales als auch nonverbales Denken moeglich sind. Und das alleine reicht schon aus um Deine merkwürdige Vorstellung vom Denken als Unsinn zu entlarven und damit Deine Behauptung zu widerlegen, dass Tiere nicht denken koennten, weil sie keine abstrakte Sprache kennen. Denken ist naemlich sehr wohl auf nonverbaler Ebene moeglich und man braucht dazu kein abstraktes Sprachvermögen.

#287:  Autor: swifty BeitragVerfasst am: 26.05.2019, 21:31
    —
Ich hab heute eine Nebelkrähe beobachtet, die relativ zielstrebig eine Papiertüte auf einem Tisch anvisiert, selbige dann geschickt geleert und sich den Inhalt in Form einer Nussschnecke zu eigen gemacht hat. Also ein gewisser Denkprozess muss dahinter schon stehen, allein mit Konditionierung halte ich das nicht für erklärbar. Bzw. So weit möchte ich diesen Begriff, der auf Reiz-Reaktionsschema basiert, nicht fassen.

#288:  Autor: beachbernieWohnort: Haida Gwaii BeitragVerfasst am: 26.05.2019, 22:20
    —
worse hat folgendes geschrieben:
Ich hab heute eine Nebelkrähe beobachtet, die relativ zielstrebig eine Papiertüte auf einem Tisch anvisiert, selbige dann geschickt geleert und sich den Inhalt in Form einer Nussschnecke zu eigen gemacht hat. Also ein gewisser Denkprozess muss dahinter schon stehen, allein mit Konditionierung halte ich das nicht für erklärbar. Bzw. So weit möchte ich diesen Begriff, der auf Reiz-Reaktionsschema basiert, nicht fassen.


Zu dem Thema gibt es Experimente mit verschiedensten Tierarten. Bei einigen Arten (z.B. Menschenaffen aber auch weniger nah mit dem Menschen verwandte) zeigt sich, dass Versuchstiere ein und dieselbe Aufgabe erheblich schneller lösen koennen, wenn man sie vor Versuchsbeginn einige Zeit im Käfig den Versuchaufbau sehen laesst. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass sie ueber die gestellte Aufgabe und ihre Lösung "nachgedacht" haben muessen. Ich kann dies jetzt nicht beschworene, glaube aber mich zu erinnern, dass Raben zu diesen Tieren zählen. Bemerkenswerterweise gibt es sogar Tintenfische, die zu dieser Art von Ploblemloesung fähig sind!

Mit Sicherheit weiss ich z.B. dass Schimpansen erheblich schneller mehrere Kisten so aufeinanderstapeln, dass sie ueber diese an eine an der Decke aufgehängte Banane herankommen, wenn man sie vorher in einem Käfig direkt daneben darueber nachdenken laesst wie man die Kisten benutzen kann um die Banane zu kriegen als wenn man sie sofort auf die Versuchsanordnung loslässt. der Unterschied ist dabei so frappierend, dass man sagen kann, dass sie die Aufgabe vollstaendig "im Kopf gelöst" haben und dann nur noch das Lösung abspulen muessen.

#289:  Autor: uwebus BeitragVerfasst am: 27.05.2019, 13:46
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
ein Denken in Ursache und Wirkung. Dieses Denken scheint menschenspezifisch zu sein.


Dazu eine Frage: Manche Affen benutzen einen Stock, stochern damit in einem Ameisenhaufen und essen dann die Ameisen, die daran hängenbleiben.

Hier wird ein Werkzeug benutzt, das erfordert doch Ursache und Wirkung zu erkennen. Es soll auch Affen geben, die einen Stein als Hammer benutzen, um Nüsse zu knacken. Auch hier Benutzung eines Werzeuges, um zum Ziel zu kommen.

#290:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 27.05.2019, 14:07
    —
uwebus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
ein Denken in Ursache und Wirkung. Dieses Denken scheint menschenspezifisch zu sein.


Dazu eine Frage: Manche Affen benutzen einen Stock, stochern damit in einem Ameisenhaufen und essen dann die Ameisen, die daran hängenbleiben.

Hier wird ein Werkzeug benutzt, das erfordert doch Ursache und Wirkung zu erkennen. Es soll auch Affen geben, die einen Stein als Hammer benutzen, um Nüsse zu knacken. Auch hier Benutzung eines Werzeuges, um zum Ziel zu kommen.

Das Stichwort dazu heißt Emulationslernen:
Zitat:
Nagell, Olguin und Tomasello zeigten z.B. Schimpansen und zweijährigen Menschenkindern ein rechenartiges Instrument, und einen Gegenstand, der außer Reichweite lag. Das Instrument konnte auf eine von zwei Weisen verwendet werden, die zum selben Ergebnis führten, nämlich zum Erreichendes Gegenstandes. Eine Gruppe von Probanden der jeweiligen Art beobachtete, wie ein Vorführender eine Methode des Werkzeuggebrauchs verwendete, die weniger effizient war und eine andere Gruppe beobachtete die andere, effizientere Methode des Gebrauchs. Der versuch ergab, dass, während die Menschenkinder im Allgemeinen in beiden Versuchsbedingungen die Methode des Vorführenden nachmachten (Imitationslernen), die Schimpansen verschiedene Dinge taten, um den Gegenstand zu erreichen, und diese waren von der selben Art, gleichgültig, welche Methode sie beobachtet hatten (Emulationslernen). Interessanterweise bestanden viele Kinder selbst im Fall der weniger effizienten Methode auf der Reproduktion des Erwachsenenverhaltens, was in dieser Versuchsbedingung zu einer Leistung mit geringerem Erfolg führte als bei den Schimpansen. (Tomasello "Kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens" S.44f)

An diesem Versuch ist zu sehen, dass Die Wahrnehmung der Schimpansen sich auf Situation, Inventar und Ergebnis beschränkte - die eigentlich Lösung entsteht aus Versuch und Irrtum und ist unabhängig vom Vorbild. Die Handlungen des Vorbildes werden weder als zweckgerichtet wahrgenommen noch wird bei der eigenen Handlung "überlegt".

#291:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 27.05.2019, 14:22
    —
Wie wäre es damit:
Bei alle Lebewesen gibt es einen Vorgang der "denken" genannt werden kann. Nur die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich begrenzt.

#292:  Autor: Lebensnebel BeitragVerfasst am: 27.05.2019, 14:26
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Wie wäre es damit:
Bei alle Lebewesen gibt es einen Vorgang der "denken" genannt werden kann. Nur die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich begrenzt.


Wie sieht dieser Vorgang bei Bäumen aus?

#293:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 27.05.2019, 16:14
    —
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Wie wäre es damit:
Bei alle Lebewesen gibt es einen Vorgang der "denken" genannt werden kann. Nur die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich begrenzt.


Wie sieht dieser Vorgang bei Bäumen aus?

Die Blätter rauschen.

Ansonsten bietet vrolijke ein sehr schönes Beispiel für die Aufhebung von Konflikten durch die Sinnentleerung von Aussagen. So sollte wir das immer machen: Wenn sich zwei streiten, schlichtet man das durch die einfache Feststellung, dass alle recht haben.

#294:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 27.05.2019, 17:18
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Wie wäre es damit:
Bei alle Lebewesen gibt es einen Vorgang der "denken" genannt werden kann. Nur die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich begrenzt.


Wie sieht dieser Vorgang bei Bäumen aus?

Die Blätter rauschen.

Ansonsten bietet vrolijke ein sehr schönes Beispiel für die Aufhebung von Konflikten durch die Sinnentleerung von Aussagen. So sollte wir das immer machen: Wenn sich zwei streiten, schlichtet man das durch die einfache Feststellung, dass alle recht haben.


Es gibt nachweislich Kommunikation zwischen Bäumen.
Wenn mein Kater in einen Spiegel schaut, kann er mit sein Spiegelbild nichts anfangen. Er merkt aber, dass da was "komisches" passiert. Kann es nicht deuten, weil sein Denkvermögen nicht ausreicht.
So, denke ich, gibt es durchaus "Abstufungen" beim Denken.

#295:  Autor: beachbernieWohnort: Haida Gwaii BeitragVerfasst am: 27.05.2019, 17:52
    —
uwebus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
ein Denken in Ursache und Wirkung. Dieses Denken scheint menschenspezifisch zu sein.


Dazu eine Frage: Manche Affen benutzen einen Stock, stochern damit in einem Ameisenhaufen und essen dann die Ameisen, die daran hängenbleiben.

Hier wird ein Werkzeug benutzt, das erfordert doch Ursache und Wirkung zu erkennen. Es soll auch Affen geben, die einen Stein als Hammer benutzen, um Nüsse zu knacken. Auch hier Benutzung eines Werzeuges, um zum Ziel zu kommen.


Nein. Nicht zwangsläufig. Die koennen das auch durch blosse Nachahmung des Verhaltens anderer Affen gelernt haben und ursprünglich hat das vielleicht mal ein Affe durch Zufall, ohne Nachdenken, entdeckt.

Ich erinnere hier nur kurz an das berühmte Beispiel der englischen Meisen, die irgendwann anfingen mit ihren Schnäbeln die Folie auf den vom Milchmann vor die Haustür gestellten Milchflaschen zu durchstechen um an die Milch zu kommen. Der Verlauf dieser "Epidemie" zeigte damals eindeutig, dass dieses Verhalten ausschliesslich auf Nachahmung beruhte und nicht darauf, dass die einzelnen Meisen das Problem jeweils selbstaendig durch Nachdenken gelöst haetten.

#296:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 27.05.2019, 18:01
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
....
Es gibt nachweislich Kommunikation zwischen Bäumen.
....

Das Wort Kommunikation hat einige Bedeutungsebenen. Es gibt zwischen Pflanzen eine gegenseitige Steuerung durch Phytohormone, die man als Regelsystem beschreiben kann.

Was es nicht gibt, ist ein intentionaler Austausch von Information, wie wir ihn von der menschlichen Kommunikation kennen. Für den intentionalen Austausch von Information, wie er gelegentlich aus dem übrigen Tierreich bei den Warnrufen beschrieben wird, gibt es eine einfachere Interpretation, die ohne diese Intention auskommt, so dass nach bisherigem Wissen diese Art der Kommunikation, die ich auch schon als gemeinsames Denken beschrieben habe, dem Menschen vorbehalten ist.

Natürlich kann man, weil man das unbedingt braucht, um dem Menschen keine Sonderstellung einzuräumen, neuronale Vorgänge, die in einem Lebewesen ablaufen und ihm zu einer der Situation adäquaten Reaktion zu verhelfen, als Denken bezeichnen. Man muss es aber nicht.

Du betreibst auch hier wieder Rechthaben über eine Entleerung des Begriffs.

#297:  Autor: uwebus BeitragVerfasst am: 27.05.2019, 19:42
    —
beachbernie hat folgendes geschrieben:

Nein. Nicht zwangsläufig. Die koennen das auch durch blosse Nachahmung des Verhaltens anderer Affen gelernt haben und ursprünglich hat das vielleicht mal ein Affe durch Zufall, ohne Nachdenken, entdeckt.


Na ja, auch Menschen verwenden das Prinzip Nachahmung. Heute wird kein Indianer mehr sein Gepäck auf Stangen hinter sich herziehen, weil er gelernt hat, daß das mit einem Gefährt mit Rädern einfacher ist. Das Rad erfunden haben aber nicht die Indianer, die "ahmen nur nach".

Ich habe vor Jahren in einem Londoner Naturkundemuseum mal folgende Theorie gehört: Der Mensch ist Mensch geworden durch die Opposition von Daumen und Fingern, weil er damit in seinem Blickfeld zwei frei verfügbare Universalwerkzeuge hat. Das Hirn speichert Erfahrungen, dadurch ergibt sich das Prinzip "Learning by Doing". Damit wäre Denken nichts weiter als die Verarbeitung von Erfahrungswerten, das dürfte auch bei Tieren der Fall sein, wobei die je nach Gattung halt mit weniger vollkommenen Werkzeugen ausgestattet sind.

Schaun wir uns Skelette von Urmenschen an, dann haben die ziemlich kleine Schädel, heute sind unsre Köpfe so groß, daß wir zunehmend Halswirbelprobleme bekommen. Geistiges Learning by Doing ist wie Fitnesstraining, statt Muskeln entwickelt sich Hirn und das braucht Platz.

#298:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 27.05.2019, 20:40
    —
uwebus hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:

Nein. Nicht zwangsläufig. Die koennen das auch durch blosse Nachahmung des Verhaltens anderer Affen gelernt haben und ursprünglich hat das vielleicht mal ein Affe durch Zufall, ohne Nachdenken, entdeckt.


Na ja, auch Menschen verwenden das Prinzip Nachahmung. Heute wird kein Indianer mehr sein Gepäck auf Stangen hinter sich herziehen, weil er gelernt hat, daß das mit einem Gefährt mit Rädern einfacher ist. Das Rad erfunden haben aber nicht die Indianer, die "ahmen nur nach".

Ich habe vor Jahren in einem Londoner Naturkundemuseum mal folgende Theorie gehört: Der Mensch ist Mensch geworden durch die Opposition von Daumen und Fingern, weil er damit in seinem Blickfeld zwei frei verfügbare Universalwerkzeuge hat. Das Hirn speichert Erfahrungen, dadurch ergibt sich das Prinzip "Learning by Doing". Damit wäre Denken nichts weiter als die Verarbeitung von Erfahrungswerten, das dürfte auch bei Tieren der Fall sein, wobei die je nach Gattung halt mit weniger vollkommenen Werkzeugen ausgestattet sind.

Schauen wir uns Skelette von Urmenschen an, dann haben die ziemlich kleine Schädel, heute sind unsre Köpfe so groß, daß wir zunehmend Halswirbelprobleme bekommen. Geistiges Learning by Doing ist wie Fitnesstraining, statt Muskeln entwickelt sich Hirn und das braucht Platz.

Das Learning by Doing ist tatsächlich ein schönes Bild, funktioniert aber beim Gehirn nur evolutionär - das erbliche Verhalten ist tatsächlich ein wesentlicher Selektionsfaktor, der oft vergessen wird, obwohl es der vorweglaufende in diesem rekursiven Proszess sein dürfte. Es wird also nicht das Gehirn derer, die es mehr benutzen, größer. Das Gehirn ist kein Muskel.

Ansonsten ist es, wenn Du Dir die Versuche von Tomasello ansiehst, die ich oben zitiert habe, gerade so, dass es menschentypisch ist, dass imitiert wird - das (in der Praxis durchaus erfolgreiche) kulturelle Lernen bei anderen Arten findet eben nicht durch Imitationslernen, sondern durch Emulationslernen statt (s.o.). Nur dadurch, dass der Mensch primär imitiert, hat er überhaupt die akkumulierende Kultur schaffen können, die ihn heute in die Lage versetzt, abstrakt und gemeinsam zu denken.

#299:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 25.09.2019, 10:44
    —
Heute Früh in SWR2-Radio. Die Sendung "Wissen": Die Rechenkünste der Tiere.

Zitat:
Viele Tiere können zählen. Daran haben Biologen und Psychologen heutzutage keine Zweifel mehr. Dies belegen Untersuchungen an Pferden, Wölfen, Hunden und Krähen.

Bienen zählen Wegmarken, um sich zu orientieren; Pferde erkennen, ob man ihnen mehr oder weniger Futter anbietet; Schimpansen hören genau, wie viele fremde Artgenossen sich in ihrer Nähe aufhalten.


Das Manuscript.

#300:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 10.01.2020, 12:50
    —
Einen interessanten Artikel über die Intelligenz der Papageien:



https://hpd.de/artikel/hilfsbereite-und-tolerante-papageien-17599

Zitat:
Im Labor der in Kooperation mit der Loro Parque Stiftung betriebenen Außenstelle des Max-Planck-Instituts für Ornithologie auf Teneriffa bekommt das Graupapageien-Weibchen Bella in ihrer Plexiglas-Kammer ein paar Metallmarken zugeschoben. Sie hat gelernt: Sie kann die Wertmarken mit einer der Forscherinnen tauschen – und so eine leckere Futterration einheimsen. Es gibt nur ein Problem: Das Loch in ihrer Plexiglaskammer, durch das der Tauschhandel stattfindet, wurde versperrt.

In der direkt benachbarten Testkammer allerdings wartet ihre Freundin Kimmi. Ihre Öffnung für den Austausch Marke gegen Futter ist offen. Aber Bella sieht, dass Kimmi keine Wertmarken bekommt. Was wird sie tun?

Tatsächlich nimmt die Papageien-Dame Wertmarke für Wertmarke in den Schnabel und reicht sie Kimmi durch eine Öffnung zwischen beiden Kammern. Diese nimmt die Gaben sichtbar gerne an und verliert keine Zeit, sie gegen eine Nascherei einzutauschen. Gelassen beobachtet Bella, wie Kimmi von ihrer Großzügigkeit profitiert – ohne zu wissen, dass sie sich später vielleicht revanchieren kann.

#301:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 10.01.2020, 15:58
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Zitat:
... Diese nimmt die Gaben sichtbar gerne an und verliert keine Zeit, sie gegen eine Nascherei einzutauschen. Gelassen beobachtet Bella, wie Kimmi von ihrer Großzügigkeit profitiert – ohne zu wissen, dass sie sich später vielleicht revanchieren kann.

Wirklich erstaunlich wäre, wenn Kimmi ein paar Leckerlis an Bella zurückgäbe (weiß nicht, ob das Loch dafür hinreichend groß ist).

#302:  Autor: narr BeitragVerfasst am: 02.02.2020, 16:26
    —
bin ich grad auf youtube drueber gestolpert. Ist zwar schon ein paar Jahre alt, aber immer noch eine nette Zusammenfassung. War's hier schon mal verlinkt?

Können Tiere denken ? Arte Dokumentation

#303:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 06.02.2020, 11:17
    —
step hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Zitat:
... Diese nimmt die Gaben sichtbar gerne an und verliert keine Zeit, sie gegen eine Nascherei einzutauschen. Gelassen beobachtet Bella, wie Kimmi von ihrer Großzügigkeit profitiert – ohne zu wissen, dass sie sich später vielleicht revanchieren kann.

Wirklich erstaunlich wäre, wenn Kimmi ein paar Leckerlis an Bella zurückgäbe (weiß nicht, ob das Loch dafür hinreichend groß ist).

Sapienz = Fähigkeit zur Arbeitsteilung?

#304:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 06.02.2020, 15:27
    —
Kann man mit Sicherheit sagen, daß Bella von Kimmi keine Gegenleistung erwartet?

#305:  Autor: uwebus BeitragVerfasst am: 06.02.2020, 20:57
    —
zelig hat folgendes geschrieben:
Kann man mit Sicherheit sagen, daß Bella von Kimmi keine Gegenleistung erwartet?


Mal Bella und Kimmi außen vor gelassen, aber daß Tiere denken können meine ich aus dem Verhalten eines Storchenpaares und deren Jungen ableiten zu können.

Ich habe die beiden über längere Zeit beobachtet, einer der Alten ist immer weggeflogen, hat wohl aus dem nahegelegenen Weiher etwas zu essen geholt und ist dann zurück zum Nest. Die nächste Runde hat der/die andere Alte geflogen, immer abwechselnd.
Das bedingt doch eine Absprache zwischen den beiden.

http://uwebus.de/Harprich_1.jpg

#306: Hummelbewußtsein Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 12.04.2020, 19:41
    —
Das hier fand ich sehr interessant: Hummeln bilden mit ihren paar Neuronen abstrakte Modelle, zumindest können sie visuell gelernte Eigenchaften taktil zuordnen und umgekehrt. Das könnte im Extrem bedeuten, daß auch ein einfaches abstraktes Selbstmodell schon mit wenigen Neuronen möglich ist.

"Bumble bees display cross-modal object recognition between visual and tactile senses" - https://science.sciencemag.org/content/367/6480/910



Freigeisterhaus -> Wissenschaft und Technik


output generated using printer-friendly topic mod. Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde

Seite 1 von 1

Powered by phpBB © 2001, 2005 phpBB Group