Strafe: Funktion und ethische Betrachtung
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Freigeisterhaus -> Kultur und Gesellschaft

#1: Strafe: Funktion und ethische Betrachtung Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 17:11
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Thread von hier abgeteilt / Babyface



step hat folgendes geschrieben:
Bestrafung aus Rache oder zur Abschreckung lehne ich ab.


Aus Rache versteh ich. Aber aus Abschreckung? Bestrafung ist immer auch Abschreckung. Ansonsten hätten ja auch festgelegte Strafmaße (wie lebenslänglich für Mord) überhaupt keine Berechtigung. Das Strafmaßes müsste dann allein von der Frage abhängig gemacht werde, ob und für wie lange der jeweilige Täter eine erhöhte Bedrohung für die Gesellschaft darstellt. Ein Mörder, bei dem von einem Ausnahmemotiv ausgegangen würde, dürfte überhaupt nicht bestraft werden, wohingegen ein unverbesserlicher Handtaschendieb auf Lebenszeit eingesperrt gehörte.

Nicht dass ich damit die Forderung nach Zwangs-Kastration unterstützen würde. Ganz im Gegenteil. Nur: Generell zu sagen, Strafe aus Abschreckung sei abzulehnen, halte ich für problematisch.


Zuletzt bearbeitet von Zumsel am 20.01.2006, 17:15, insgesamt 2-mal bearbeitet

#2:  Autor: DemonDeLuxeWohnort: Wiesbaden BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 17:54
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Zumsel hat folgendes geschrieben:
Nur: Generell zu sagen, Strafe aus Abschreckung sei abzulehnen, halte ich für problematisch.


Stimmt schon. Aber der Abschreckungseffekt wir, gerade bei schweren Straftaten, überschätzt. Abschreckung appeliert an die Ratio, und genau die ist bei Gewalt- und Sexualdelikten oft mindestens temporär außer Kraft.

Die tragende Säule des Strafrechts ist daher heute in erster Linie der Schutz der Gesellschaft vor dem Straftäter; der Abschreckungsgedanke ist zurückgetreten (das ist der Punkt, der einige, die das nicht wissen bzw. nicht verstanden haben, immer so gerne nach "drakonischen Strafen" schreien lässt).

#3:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 18:05
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DemonDeLuxe hat folgendes geschrieben:
Die tragende Säule des Strafrechts ist daher heute in erster Linie der Schutz der Gesellschaft vor dem Straftäter; der Abschreckungsgedanke ist zurückgetreten


Das glaube ich nun nicht. Geldstrafen zum Beispiel begründen sich ausschließlich durch Abschreckungseffekt. Oder: Dass ein armer Schlucker nicht die nächste Bank überfällt oder seinem Ex-Chef, der ihn entlassen hat, die Gurgel umdreht,, ist doch nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass er bei so etwas mehr zu verlieren als zu gewinnen hätte.

#4:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 19:32
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Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Bestrafung aus Rache oder zur Abschreckung lehne ich ab.

Aus Rache versteh ich. Aber aus Abschreckung? Bestrafung ist immer auch Abschreckung. Ansonsten hätten ja auch festgelegte Strafmaße (wie lebenslänglich für Mord) überhaupt keine Berechtigung.

Haben sie auch mE nicht.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Das Strafmaßes müsste dann allein von der Frage abhängig gemacht werde, ob und für wie lange der jeweilige Täter eine erhöhte Bedrohung für die Gesellschaft darstellt. Ein Mörder, bei dem von einem Ausnahmemotiv ausgegangen würde, dürfte überhaupt nicht bestraft werden, ...

Genau.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
... wohingegen ein unverbesserlicher Handtaschendieb auf Lebenszeit eingesperrt gehörte.

Naja, ich plädiere dafür, weniger drakonische Wege zu finden, ihn zu hindern. Aber im Prinzip ja.

Wohlgemerkt: Bisher geht es nur um das Konzept der Strafe, das ich generell ablehne. Das heißt nicht, daß es neben dem Schutz der Gesellschaft nicht noch andere ethisch vertretbare oder sogar notwendige Folgeaktionen geben kann. Beispielsweise fände ich es ethisch vertretbar, den Handtaschendieb zu einem Täter-Opfer-Ausgleich zu verpflichten. Bei Kapitalverbrechen geht das natürlich nicht 1:1.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Nicht dass ich damit die Forderung nach Zwangs-Kastration unterstützen würde. Ganz im Gegenteil. Nur: Generell zu sagen, Strafe aus Abschreckung sei abzulehnen, halte ich für problematisch.

Man kann natürlich aus praktischen Gründen für Strafe als Abschreckung plädieren (mal dahingestellt wie gut Abschreckung funktioniert), aber es fällt mir schwer, ein ethisches oder humanitär tragbares Argument für Schuld und Bestrafung zu erkennen.

#5:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 19:35
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Zumsel hat folgendes geschrieben:
DemonDeLuxe hat folgendes geschrieben:
Die tragende Säule des Strafrechts ist daher heute in erster Linie der Schutz der Gesellschaft vor dem Straftäter; der Abschreckungsgedanke ist zurückgetreten

Das glaube ich nun nicht. Geldstrafen zum Beispiel begründen sich ausschließlich durch Abschreckungseffekt. Oder: Dass ein armer Schlucker nicht die nächste Bank überfällt oder seinem Ex-Chef, der ihn entlassen hat, die Gurgel umdreht, ist doch nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass er bei so etwas mehr zu verlieren als zu gewinnen hätte.

Das Argument ist nicht korrekt. Der Abschreckungsgedanke tritt mglw. nicht deshalb in den Hintergrund, weil Abschreckung nicht funktioniert, sondern weil er ethisch nicht zu halten ist.

#6:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 19:51
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step hat folgendes geschrieben:
Haben sie auch mE nicht.


Wie willst du dann beispielsweise verhindern, dass ein Familienvater Selbstjustiz am Mörder seines Kindes verübt, wenn er sich sicher sein kann, in der Gerichtsverhandlung als "nicht weiter gefährlich" eingestuft zu werden.

step hat folgendes geschrieben:
Das Argument ist nicht korrekt. Der Abschreckungsgedanke tritt mglw. nicht deshalb in den Hintergrund, weil Abschreckung nicht funktioniert, sondern weil er ethisch nicht zu halten ist.


Ethisch oder moralisch? Wenn Abschreckung dazu führt, dass die Gesellschaft stabiler ist, ist das doch ein hinreichendes ethisches Argument. Ob es auch moralisch haltbar ist, hängt von der jeweiligen Moral ab.

#7:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 20:45
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Zumsel hat folgendes geschrieben:
Wie willst du dann beispielsweise verhindern, dass ein Familienvater Selbstjustiz am Mörder seines Kindes verübt, wenn er sich sicher sein kann, in der Gerichtsverhandlung als "nicht weiter gefährlich" eingestuft zu werden.

Z.B. indem Mörder und/oder Vater entsprechend betreut werden. Du nennst hier einen Fall, in dem archaische Rachegefühle durchschlagen (verständlicherweise). Heißt das, Du willst die persönliche Rache durch die Rache der Gesellschaft ersetzen? Denn wie sonst sollte sie den Vater befriedigen?

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Wenn Abschreckung dazu führt, dass die Gesellschaft stabiler ist, ist das doch ein hinreichendes ethisches Argument. ...

Ja, wenn man eine extrem gesellschaftsorientierte Ethik hätte. Aber mit Humnaismus und individuellen Menschenrechten geht das eben nicht mehr so einfach. Übrigens würde ich Deine Argumentation nur äußerst vorsichtig verwenden. Stell Dir mal vor, was man anstelle von "Abschreckung" sonst so in Deinem Satz einfügen könnte, ohne daß er falscher wird ...

#8:  Autor: DemonDeLuxeWohnort: Wiesbaden BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 21:07
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Zumsel hat folgendes geschrieben:
Das glaube ich nun nicht. Geldstrafen zum Beispiel begründen sich ausschließlich durch Abschreckungseffekt. Oder: Dass ein armer Schlucker nicht die nächste Bank überfällt oder seinem Ex-Chef, der ihn entlassen hat, die Gurgel umdreht,, ist doch nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass er bei so etwas mehr zu verlieren als zu gewinnen hätte.


Es ging um Gewalt- und Sexualverbrechen, also typischerweise Haftstrafen.

#9:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 23:30
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step hat folgendes geschrieben:
Beispielsweise fände ich es ethisch vertretbar, den Handtaschendieb zu einem Täter-Opfer-Ausgleich zu verpflichten. Bei Kapitalverbrechen geht das natürlich nicht 1:1.


Kannst Du das bitte näher erläutern? Ich verstehe das im Moment, glaub ich, falsch.

#10:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 23:35
    —
R.A. Wilson beschreibt in "Schrödingers Katze" ein interessantes System:

1. 'Crimes without Victim', wie z.B. Drogenmissbrauch, werden komplett gestrichen, allerdings finden umfangreiche Aufklärungskampagnen statt.

2. 'Crimes against Property', wie z.B. Diebstahl, verpflichten den überführten Täter dazu, entweder den Gegenstand zurückzugeben oder seinen Wert zu erstatten. Ist der Täter dazu unfähig, übernimmt der Staat die Erstattung und der Täter leistet entsprechende Sozialdienste.

3. 'Violent Crimes' wie z.B. Mord werden geahndet, indem man die Täter in eine von der Gesellschaft abgetrennte Zone bringt, wo sie nach ihren eigenen Regeln und Gesetzen leben können (allerdings mit ausreichend Industrie, um eine einigermaßen akzeptable Versorgung zu garantieren).

Punkt 3 finde ich ethisch allerdings arg kritisch. Ich frage mich, ob die herkömmlichen Gefängnisse da nicht eher vertretbar wären...
Oder irgendwas ganz Anderes...

#11:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 23:40
    —
Daisy hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Beispielsweise fände ich es ethisch vertretbar, den Handtaschendieb zu einem Täter-Opfer-Ausgleich zu verpflichten. Bei Kapitalverbrechen geht das natürlich nicht 1:1.

Kannst Du das bitte näher erläutern? Ich verstehe das im Moment, glaub ich, falsch.

Der Täter wird sozial gedrängt, etwas zu tun, damit die verletzte Würde des Opfers (, ...der Angehörigen, symbolisch der Gesellschaft) wenigstens zum Teil bedient wird, evtl. auch um seine Vertrauenswürdigkeit ansatzweise wiederherzustellen. Fängt an beim Schadensersatz an, kann aber auch Einsicht in das Fehlverhalten sein, oder ein gemeinnütziger Dienst. Das löst sicher nicht alle Probleme, aber bei diesem Zwang steht nicht die Bestrafung im Vordergrund, sondern die Übernahme von Verantwortung (oder so). Und funktioniert nur bei einsichtigen Tätern.


Zuletzt bearbeitet von step am 20.01.2006, 23:42, insgesamt einmal bearbeitet

#12:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 23:42
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
R.A. Wilson beschreibt in "Schrödingers Katze" ein interessantes System:

1. 'Crimes without Victim', wie z.B. Drogenmissbrauch, werden komplett gestrichen, allerdings finden umfangreiche Aufklärungskampagnen statt.

2. 'Crimes against Property', wie z.B. Diebstahl, verpflichten den überführten Täter dazu, entweder den Gegenstand zurückzugeben oder seinen Wert zu erstatten. Ist der Täter dazu unfähig, übernimmt der Staat die Erstattung und der Täter leistet entsprechende Sozialdienste.

3. 'Violent Crimes' wie z.B. Mord werden geahndet, indem man die Täter in eine von der Gesellschaft abgetrennte Zone bringt, wo sie nach ihren eigenen Regeln und Gesetzen leben können (allerdings mit ausreichend Industrie, um eine einigermaßen akzeptable Versorgung zu garantieren).

Punkt 3 finde ich ethisch allerdings arg kritisch. Ich frage mich, ob die herkömmlichen Gefängnisse da nicht eher vertretbar wären...
Oder irgendwas ganz Anderes...


Zu Punkt 2: Macht einer das nicht aus dem Grund, weil er NICHTS hat?
Zu Punkt 3: Warum braucht ein Häftling ausreichend Industrie? Damit er sich nicht langweilt oder wie? Am Kopf kratzen

#13:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 23:43
    —
step hat folgendes geschrieben:
Daisy hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Beispielsweise fände ich es ethisch vertretbar, den Handtaschendieb zu einem Täter-Opfer-Ausgleich zu verpflichten. Bei Kapitalverbrechen geht das natürlich nicht 1:1.

Kannst Du das bitte näher erläutern? Ich verstehe das im Moment, glaub ich, falsch.

Der Täter wird sozial gedrängt, etwas zu tun, damit die verletzte Würde des Opfers (, ...der Angehörigen, symbolisch der Gesellschaft) wenigstens zum Teil bedient wird, evtl. auch um seine Vertrauenswürdigkeit ansatzweise wiederherzustellen. Fängt an beim Schadensersatz an, kann aber auch Einsicht in das Fehlverhalten sein, oder ein gemeinnütziger Dienst. Das löst sicher nicht alle Probleme, aber bei diesem Zwang steht nicht die Bestrafung im Vordergrund, sondern die Übernahme von Verantwortung (oder so). Und funktioniert nur bei einsichtigen Tätern.


Was bringt es also, das zu fordern? Wäre ein Täter einsichtig, wäre er doch nicht zum Täter geworden, Step. Ich halte das für Quatsch und absolut nicht ausreichend, daß sich Familienangehörige besser fühlen.

#14:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 23:44
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Daisy hat folgendes geschrieben:
Macht einer das nicht aus dem Grund, weil er NICHTS hat?

Keine Ahnung. Diebstahl, Sachbeschädigung, etc. finden aus ganz unterschiedlichen Gründen statt.

Ach ja: Die Gesellschaft, die Wilson in dem Buch beschreibt, ist übrigens gerade dabei, ihre sozialen Probleme durch Technologisierung und Automatisierung vollständig zu lösen...

Daisy hat folgendes geschrieben:
Warum braucht ein Häftling ausreichend Industrie? Damit er sich nicht langweilt oder wie? Am Kopf kratzen

Damit er 'was zu Beißen hat. Immerhin sind diese Zonen komplett von der Gesellschaft abgetrennt.

#15:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 23:48
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Daisy hat folgendes geschrieben:
Zu Punkt 2: Macht einer das nicht aus dem Grund, weil er NICHTS hat?

Nein, höchstens weil er meint, nicht GENUG zu haben (für sein Selbstbewußtsein, seine Wünsche, ...). Und dazu kommt oft eine Sozialisierung mit sagen wir spezieller Moral.

#16:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 23:50
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Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ach ja: Die Gesellschaft, die Wilson in dem Buch beschreibt, ist übrigens gerade dabei, ihre sozialen Probleme durch Technologisierung und Automatisierung vollständig zu lösen...

Daisy hat folgendes geschrieben:
Warum braucht ein Häftling ausreichend Industrie? Damit er sich nicht langweilt oder wie? Am Kopf kratzen

Damit er 'was zu Beißen hat. Immerhin sind diese Zonen komplett von der Gesellschaft abgetrennt.


Soziale Probleme durch Technologisierung und Automatisierung lösen? Wow ... das hätte eventuell die Vorlage für Aldous Huxley gegeben. Aber eigentlich sind wir ja auf dem besten Wege dahin.

"Damit er was zum Beissen hat ..." - und "Immerhin ..." Mich stört das Wort IMMERHIN. Schließlich ist ein Verbrecher freiwillig zum Gesetzesbrecher geworden. Warum dann auch noch Wohlstand?

#17:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 23:53
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step hat folgendes geschrieben:
Daisy hat folgendes geschrieben:
Zu Punkt 2: Macht einer das nicht aus dem Grund, weil er NICHTS hat?

Nein, höchstens weil er meint, nicht GENUG zu haben (für sein Selbstbewußtsein, seine Wünsche, ...). Und dazu kommt oft eine Sozialisierung mit sagen wir spezieller Moral.


Weißt Du, Step, ich finde die Theorie irgendwie interessant. Das würde für mich erklären, warum Bankräuber nie nur 3 x Banken überfallen, sondern mindestens 5 x. Ich hab mir darüber tatsächlich schon öfter Gedanken gemacht: Kriegen die ihren Kragen nicht voll oder genügt es einfach, einmal die Hemmschwelle übertreten zu haben?

#18:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 20.01.2006, 23:54
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Daisy hat folgendes geschrieben:
Was bringt es also, das zu fordern? Wäre ein Täter einsichtig, wäre er doch nicht zum Täter geworden, Step.

Die Einsicht könnte nach der Tat kommen.

Daisy hat folgendes geschrieben:
Ich halte das für ... absolut nicht ausreichend, daß sich Familienangehörige besser fühlen.

Sehe ich auch so. Aber es ging ja hier nur darum, zu was man den Täter "verdonnert", zusätzlich zum Schutz der Gesellschaft vor Wiederholung, und nicht darum, wie man die Opfer sonst noch behandeln muß.

Also auch an Dich die Frage: Findest Du, die Tatsache, daß sich Familienangehörige besser fühlen, wenn der Täter exekutiert wurde (ist in US mehrheitlich der Fall), sei ein Argument für die Todesstrafe? Dgl. mit Gefängnishaft.

#19:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:00
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step hat folgendes geschrieben:
Also auch an Dich die Frage: Findest Du, die Tatsache, daß sich Familienangehörige besser fühlen, wenn der Täter exekutiert wurde (ist in US mehrheitlich der Fall), sei ein Argument für die Todesstrafe? Dgl. mit Gefängnishaft.


Nein. Ich bin absoluter Gegner der Todesstrafe. Ich finde, daß es nichts unmenschlicheres gibt. Ich diskutiere nur deshalb mit, weil ich selbst nicht weiß, was man besser machen könnte. Ich hab leider auch kein Patentrezept für "Bestrafung". Ich weiß nur, daß Töten keine Lösung ist. Vorallem nicht, wenn jemand sowieso schon Jahre in einer Todeszelle zugebracht hat. Ich empfinde das als Strafe genug. Einer Ratte gehts da besser.
Aber was macht man mit kranken Menschen? Leute, die z.B. Kinder misshandeln? Auch nach Therapie? Mir fällt da immer wieder das Thema Zwangskastration ein, aber ich bin kein Arzt und weiß es nicht zu beurteilen, ob das überhaupt was bringt. Und vorallem: Darf man das tun?

#20:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:06
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Daisy hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Daisy hat folgendes geschrieben:
Zu Punkt 2: Macht einer das nicht aus dem Grund, weil er NICHTS hat?

Nein, höchstens weil er meint, nicht GENUG zu haben (für sein Selbstbewußtsein, seine Wünsche, ...). Und dazu kommt oft eine Sozialisierung mit sagen wir spezieller Moral.

Weißt Du, Step, ich finde die Theorie irgendwie interessant. Das würde für mich erklären, warum Bankräuber nie nur 3 x Banken überfallen, sondern mindestens 5 x.

Stimmt, meist erbeuten sie einfach zu wenig, um sich einen Porsche zu kaufen und ein neues Leben in Paraguay anzufangen, anstatt von der Sozialhilfe zu leben und sich blöde anmachen zu lassen. Es gibt natürlich auch den verzweifelten Verschuldeten, der vorher nicht kapiert hat, daß die Bank sein Geld will und nicht sein Haus im Grünen finanziert. Und ist der nun wirklich schuldig oder nicht einfach nur eine arme Sau? Was ist, wenn er beim Überfall durchknallt? Opfer der Umstände, Held der Revolution oder krimineller Psychopath?

Daisy hat folgendes geschrieben:
Ich hab mir darüber tatsächlich schon öfter Gedanken gemacht: Kriegen die ihren Kragen nicht voll oder genügt es einfach, einmal die Hemmschwelle übertreten zu haben?

Soll wohl beides vorkommen.

#21:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:08
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Daisy hat folgendes geschrieben:
Wow ... das hätte eventuell die Vorlage für Aldous Huxley gegeben.

Wilsons Romantrilogie wurde nach Huxleys Roman geschrieben.
Allerdings hat Wilson Huxley gekannt: beide waren zeitweilig Schüler von Leary.

Allerdings lässt sich die Gesellschaft, die Wilson beschreibt, nur schwerlich mit der in Brave New World vergleichen.
Die Gesellschaft, die Wilson beschreibt, ist freiheitlich und demokratisch. Und sie befindet sich ja auch erst im Übergang zur Lösung der sozialen Probleme...

In einem der drei Bände erzählt er übrigens von einem Paralelluniversum, in dem ein wahnsinniger, autoritär-faschistischer und religiös fanatisierter Fortschrittsfeind an die Macht gekommen ist: Dort geht alles vor die Hunde. Mr. Green

Daisy hat folgendes geschrieben:
"Damit er was zum Beissen hat ..." - und "Immerhin ..." Mich stört das Wort IMMERHIN.

Mich auch. zwinkern


Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 21.01.2006, 00:11, insgesamt 2-mal bearbeitet

#22:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:10
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step hat folgendes geschrieben:
Daisy hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Daisy hat folgendes geschrieben:
Zu Punkt 2: Macht einer das nicht aus dem Grund, weil er NICHTS hat?

Nein, höchstens weil er meint, nicht GENUG zu haben (für sein Selbstbewußtsein, seine Wünsche, ...). Und dazu kommt oft eine Sozialisierung mit sagen wir spezieller Moral.

Weißt Du, Step, ich finde die Theorie irgendwie interessant. Das würde für mich erklären, warum Bankräuber nie nur 3 x Banken überfallen, sondern mindestens 5 x.

Stimmt, meist erbeuten sie einfach zu wenig, um sich einen Porsche zu kaufen und ein neues Leben in Paraguay anzufangen, anstatt von der Sozialhilfe zu leben und sich blöde anmachen zu lassen. Es gibt natürlich auch den verzweifelten Verschuldeten, der vorher nicht kapiert hat, daß die Bank sein Geld will und nicht sein Haus im Grünen finanziert. Und ist der nun wirklich schuldig oder nicht einfach nur eine arme Sau? Was ist, wenn er beim Überfall durchknallt? Opfer der Umstände, Held der Revolution oder krimineller Psychopath?

Daisy hat folgendes geschrieben:
Ich hab mir darüber tatsächlich schon öfter Gedanken gemacht: Kriegen die ihren Kragen nicht voll oder genügt es einfach, einmal die Hemmschwelle übertreten zu haben?

Soll wohl beides vorkommen.


Wenn einer echt notleidend ist, kann ich ja noch nachvollziehen, daß er versucht, eine Bank zu überfallen. Das ist für mich eher ein Kavaliersdelikt. Was ich aber NIEMALS verstehen werde ist, daß jemand ein Baby oder eine Seniorin vergewaltigt. Wie stehst Du dazu?

#23:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:12
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Daisy hat folgendes geschrieben:
Wow ... das hätte eventuell die Vorlage für Aldous Huxley gegeben.

Wilsons Romantrilogie wurde nach Huxleys Roman geschrieben.
Allerdings hat Wilson Huxley gekannt: beide waren zeitweilig Schüler von Leary.

Allerdings lässt sich die Gesellschaft, die Wilson beschreibt, nur schwerlich mit der in Brave New World vergleichen.
Die Gesellschaft, die Wilson beschreibt, ist freiheitlich und demokratisch. Und sie befindet sich ja auch erst im Übergang zur Lösung der sozialen Probleme...

In einem der drei Bände berichtet er übrigens von einem Paralelluniversum, in dem ein wahnsinniger, autoritär-faschistischer und religiös fanatisierter Fortschrittsfeind an die Macht gekommen ist: Dort geht alles vor die Hunde. Mr. Green

Daisy hat folgendes geschrieben:
"Damit er was zum Beissen hat ..." - und "Immerhin ..." Mich stört das Wort IMMERHIN.

Mich auch. zwinkern


Hm ... Paralleluniversum. Redet man sich da nicht was schön? Sehr glücklich Was hältst Du von diesen literarischen Ergüssen so ganz persönlich?

#24:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:13
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Daisy hat folgendes geschrieben:
Aber was macht man mit kranken Menschen? Leute, die z.B. Kinder misshandeln? Auch nach Therapie? Mir fällt da immer wieder das Thema Zwangskastration ein, aber ich bin kein Arzt und weiß es nicht zu beurteilen, ob das überhaupt was bringt. Und vorallem: Darf man das tun?

Wie gesagt, ich finde eher NEIN. Der Schutz der Gesellschaft muß auf eine Weise erfolgen, die möglichst human ist, etwa indem man eine Auswahl anbietet. Wäre ich solch ein Verbrecher, würde ich z.B. eine elektronische Überwachung als das geringere Übel ansehen. Oder eine partielle Reprogrammierung, wenn es so etwas mal gibt. Am besten etwas, dessen Nutzen ich einsehe. Häufig haben solche Verbrecher ja Einsicht, aber sich eben nicht im Griff.


Zuletzt bearbeitet von step am 21.01.2006, 00:19, insgesamt einmal bearbeitet

#25:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:18
    —
Daisy hat folgendes geschrieben:
Wenn einer echt notleidend ist, kann ich ja noch nachvollziehen, daß er versucht, eine Bank zu überfallen. Das ist für mich eher ein Kavaliersdelikt.

Ja, in dem Sinne, daß seine Motive nachvollziehbar sind. Aber aus Sicht möglicher Opfer kann es sehr schwerwiegend sein.

Daisy hat folgendes geschrieben:
Was ich aber NIEMALS verstehen werde ist, daß jemand ein Baby oder eine Seniorin vergewaltigt. Wie stehst Du dazu?

Rational betrachtet finde ich das als Naturalist / Determinist zwar untypisch, aber es geschieht eben. Ethisch kann ich nicht begründen, warum man ihn bestrafen sollte. Gefühlsmäßig stößt sein Handlung mich ab.

#26:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:22
    —
Daisy hat folgendes geschrieben:
Hm ... Paralleluniversum. Redet man sich da nicht was schön? Sehr glücklich


Aber sicher. zwinkern Aber das kann im Grunde als einer von Wilsons Scherzen aufgefasst werden...
Wilson betont immer wieder, dass die 'Schrödingers Katze'-Trilogie drei Extreme zum Gegenstand hat, die jedoch alle Überlappungen miteinander haben.
In der Mitte liegt... das muss jeder selbst herausfinden. zwinkern

Daisy hat folgendes geschrieben:
Was hältst Du von diesen literarischen Ergüssen so ganz persönlich?


Ich mag Wilson sehr gerne. Schrödingers Katze finde ich allerdings nicht so gut wie Illuminatus.

#27:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:26
    —
step hat folgendes geschrieben:
Häufig haben solche Verbrecher ja Einsicht, aber sich eben nicht im Griff.


Genügend Verbrecher dieser Art geben zu, daß sie ihren Drang nicht kontrollieren können. Es gibt sogar solche, die eine Kastration wollen, weil sie mit ihrer Schuld nicht leben können. Eine elektronische Fußfessel halte ich persönlich für sinnlos, denn sie verhindert kein Delikt.

Was ich aber ECHT zum kotzen finde sind solche, die absichtlich im nachhinein einen auf Psycho machen und die Tat aber absolut rational geplant haben. Zufälligerweise habe ich in meinem Bekanntenkreis ZWEI solcher Fälle erlebt. Der eine hat einen abgestochen (mit Vorankündigung) und ist nach 4 Jahren bereits wieder raus. Der andere hat seine ehemalige Freundin abgeschlachtet, sich anschließend die Klamotten ausgezogen und ist nackig durch das Dorf gelaufen. Sein Prozess lief milde ab, weil man ihm nicht nachweisen konnte, daß er sein Schlachtermesser absichtlich mitgebracht hatte. Er brachte es nach dem Mord noch fertig, die Mutter der Toten anzurufen und ihr zu sagen, daß sie ihre Tochter schnell besuchen soll, weil sie nämlich sonst verblutet ist.

Ist DAS gerecht?

#28:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:28
    —
Oh. ich vergaß: Ich kenne noch einen Dritten, der mittlerweile lebenslänglich gekriegt hat, nachdem er 4 Menschen umbrachte. Aus Habgier übrigens.

#29:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:30
    —
Daisy hat folgendes geschrieben:
Oh. ich vergaß: Ich kenne noch einen Dritten, der mittlerweile lebenslänglich gekriegt hat, nachdem er 4 Menschen umbrachte. Aus Habgier übrigens.

So jemand muß doch Narzist und lieblos sozialisiert sein, oder?

#30:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:31
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Illuminatus.


Hm ... bei Illuminatus kann ich nicht mitreden - das hat mein Mann gelesen Lachen Grundsätzlich mag ich aber solche Bücher irgendwie. Ich finde, sie regen zumindest zum Denken an und wer hat nicht gerne so kleine Verschwörerchen?

Cool

Apropos Illuminatus: Gibts oder gabs die Illuminaten nun oder nicht? Ich erinnere an den Film "23"

#31:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:32
    —
step hat folgendes geschrieben:
Daisy hat folgendes geschrieben:
Oh. ich vergaß: Ich kenne noch einen Dritten, der mittlerweile lebenslänglich gekriegt hat, nachdem er 4 Menschen umbrachte. Aus Habgier übrigens.

So jemand muß doch Narzist und lieblos sozialisiert sein, oder?


Der Mann ist kein Narziss - er ist einfach nur eiskalt, so wie ich ihn kennengelernt habe. Er fand zwischen seinen Taten immer Zuflucht bei seiner simpel strukturierten Mutter in einem Kuhdorf.

#32:  Autor: WolfWohnort: Zuhause BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:33
    —
Daisy hat folgendes geschrieben:

Apropos Illuminatus: Gibts oder gabs die Illuminaten nun oder nicht? Ich erinnere an den Film "23"
Ja. Einer war zB Goethe.

#33:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:34
    —
Daisy hat folgendes geschrieben:
Hm ... bei Illuminatus kann ich nicht mitreden - das hat mein Mann gelesen Lachen Grundsätzlich mag ich aber solche Bücher irgendwie. Ich finde, sie regen zumindest zum Denken an und wer hat nicht gerne so kleine Verschwörerchen?


Illuminatus finde ich sehr klasse und es handelt eigentlich auch nur oberflächlich von Verschwörungstheorien. zwinkern
Im Grunde geht es in dem Buch darum, den Glauben an die Möglichkeit 'objektiver Betrachtung' zu zerstören, um sich der eigenen Möglichkeiten bewusst zu werden.

Je mehr Illuminatus!-Fans das hier lesen, desto größer wird die Zahl derer, die der Meinung sind, dass ich gerade völligen Unfug erzähle.

Daisy hat folgendes geschrieben:
Apropos Illuminatus: Gibts oder gabs die Illuminaten nun oder nicht?


Es gab unglaublich viele Gruppen, die sich so nannten.
Weishaupts Illuminatenorden existierte offiziell von 1776 bis 1785.

#34:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:38
    —
Hm ... Goethe? Aber ist das bewiesen? Ich glaub ja irgendwie nicht so daran zwinkern Wenn man will, kann man vermutlich in jedes Detail etwas hineininterpretieren. Das einzige, was mich stutzig macht ist die Tatsache, daß sich das Gerücht um die Illuminaten so hartnäckig hält Cool

#35:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:38
    —
Daisy hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Daisy hat folgendes geschrieben:
Oh. ich vergaß: Ich kenne noch einen Dritten, der mittlerweile lebenslänglich gekriegt hat, nachdem er 4 Menschen umbrachte. Aus Habgier übrigens.

So jemand muß doch Narzist und lieblos sozialisiert sein, oder?

Der Mann ist kein Narziss - er ist einfach nur eiskalt, so wie ich ihn kennengelernt habe. Er fand zwischen seinen Taten immer Zuflucht bei seiner simpel strukturierten Mutter in einem Kuhdorf.

Hmm ... aber es war Habgier? Also eher der debil-libidinöse Typ? Wie auch immer, ich habe auch kein Patentrezept, kann aber als Rationalist Strafe ethisch nicht rechtfertigen. Ich gebe zu, daß es das nicht einfacher macht ...

#36:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:41
    —
Daisy hat folgendes geschrieben:
Hm ... Goethe? Aber ist das bewiesen?


Jepp. Allerdings war er da nicht alleine. Sehr viele führende Denker seiner Zeit waren Mitglied, z.B. Herder (vermutlich).
Freiherr von Knigge war sogar Führungsmitglied und ein enger Freund Weishaupts.

Allerdings war das damals auch keine große Sache. Die Illuminaten waren ein progressiver Orden unter Vielen...
Es war die Zeit des Aufstiegs der Freimaurerei und der verschiedenen 'Wahren Rosenkreuzertume'...

#37:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:44
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Daisy hat folgendes geschrieben:
Hm ... Goethe? Aber ist das bewiesen?


Jepp. Allerdings war er da nicht alleine. Sehr viele führende Denker seiner Zeit waren Mitglied, z.B. Herder (vermutlich).
Freiherr von Knigge war sogar Führungsmitglied und ein enger Freund Weishaupts.

Allerdings war das damals auch keine große Sache. Die Illuminaten waren ein progressiver Orden unter Vielen...
Es war die Zeit des Aufstiegs der Freimaurerei und der verschiedenen 'Wahren Rosenkreuzertume'...


Irgendwie wird mir durch diese Unterhaltung klar, warum ich "Der Club der toten Dichter" mag Sehr glücklich

#38:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:45
    —
Daisy hat folgendes geschrieben:
Irgendwie wird mir durch diese Unterhaltung klar, warum ich "Der Club der toten Dichter" mag. Sehr glücklich


Der Film ist derbe cool. Daumen hoch!

#39:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:49
    —
step hat folgendes geschrieben:
Daisy hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Daisy hat folgendes geschrieben:
Oh. ich vergaß: Ich kenne noch einen Dritten, der mittlerweile lebenslänglich gekriegt hat, nachdem er 4 Menschen umbrachte. Aus Habgier übrigens.

So jemand muß doch Narzist und lieblos sozialisiert sein, oder?

Der Mann ist kein Narziss - er ist einfach nur eiskalt, so wie ich ihn kennengelernt habe. Er fand zwischen seinen Taten immer Zuflucht bei seiner simpel strukturierten Mutter in einem Kuhdorf.

Hmm ... aber es war Habgier? Also eher der debil-libidinöse Typ? Wie auch immer, ich habe auch kein Patentrezept, kann aber als Rationalist Strafe ethisch nicht rechtfertigen. Ich gebe zu, daß es das nicht einfacher macht ...


Ja, ich schätze, es war wirklich schlicht und einfach Habgier. Der Typ saß aber schon vor dem letzten Mord 12 Jahre. Ich wußte das nur nicht, als ich ihm das erste Mal begegnete und unterhielt mich völlig zwanglos (naiv wie ich halt manchmal so aus reiner Neugier bin skeptisch ) Er erzählte mir von dem harten Alltag im Knast (wie gesagt, ich wußte nicht, WELCHES Delikt - darüber wurde ich später aufgeklärt und daß er ein wirklich harter Bursche auch schon VOR dem Knast war). Er meinte, er wolle ein neues Leben anfangen, hatte dann auch irgendwann eine Freundin mit Kleinkind, das er vergötterte. Und trotzdem hat er danach wieder gemordet. Ich finde das so krass ...

#40:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:51
    —
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Daisy hat folgendes geschrieben:
Irgendwie wird mir durch diese Unterhaltung klar, warum ich "Der Club der toten Dichter" mag. Sehr glücklich


Der Film ist derbe cool. Daumen hoch!


Ich mag diesen intellektuellen Touch mit der Prise des Surrealen Sehr glücklich
Ich kann auch irgendwie verstehen, daß sich Gleichgesinnte gerne zusammenschließen, um eine Art Bündnis einzugehen.

#41:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 00:53
    —
Daisy hat folgendes geschrieben:
Ich kann auch irgendwie verstehen, daß sich Gleichgesinnte gerne zusammenschließen, um eine Art Bündnis einzugehen.


Ich kann das auch gut verstehen.
Du glaubst gar nicht, wie gut ich das verstehen kann.

zwinkern

#42:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 01:25
    —
step hat folgendes geschrieben:
libidinöser Typ?


Wie bezeichnet man einen Menschen, der einen Zahnarzt und dessen Familie auslöscht?

#43:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 12:29
    —
Daisy hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
libidinöser Typ?

Wie bezeichnet man einen Menschen, der einen Zahnarzt und dessen Familie auslöscht?

Zahnarztfamilienmörder?

Wieso hat er denn, wenn es Habgier war, die ganze Familie ausgelöscht?

So jemand Unzurechnungsfähiges (also wirklich Gefährlicher) muß eben besonders gut überwacht werden. Vielleicht muß auch seine Freizügigkeit erheblich eingeschränkt werden. Mein Punkt ist, daß das aber nichts mit Bestrafung zu tun haben sollte, sondern nur mit Schutz der Gesellschaft.

#44:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 14:03
    —
step hat folgendes geschrieben:
Du nennst hier einen Fall, in dem archaische Rachegefühle durchschlagen (verständlicherweise). Heißt das, Du willst die persönliche Rache durch die Rache der Gesellschaft ersetzen? Denn wie sonst sollte sie den Vater befriedigen?


Er soll sie ja nicht befriedigen, sonder gerade von einer Befriedigung absehen. Die Aussicht, im Falle einer Befriedigung für 15 Jahre ins Gefängnis zu wandern, kann dabei mitunter recht hilfreich sein. Das gilt ja nicht nur für solche Extremfälle. Man kann aus den unterschiedlichsten Gründen das Bedürfnis verspüren, einem anderen Menschen in irgendeiner Weise Schaden zuzufügen. Das kann von Sachbeschädigung bis zu schwerer Körperverletzung reichen. Der Sinn von Strafe ist es doch gerade, potentiellen Tätern ein Gegenmotiv zum Tatmotiv zu geben. Ich glaube nicht, dass eine Gesellschaft auf das Geben solcher Gegenmotive verzichten kann. Denn dazu müsste man voraussetzen, dass der allergrößte Teil der Bürger bereit ist, sich gänzlich freiwillig an gegebene Gesetze zu halten und sich für die wenigen Ausnahmen schon Wege ließen, sie an ihrem Handeln zu hindern. Schon allein in Bezug auf Gewaltverbrechen hielte ich diese Voraussetzung für äußerst fraglich. Bei so etwas wie Steuerhinterziehung und 'Fahren ohne Führerschein' allerdings für völlig illusorisch.

step hat folgendes geschrieben:
Übrigens würde ich Deine Argumentation nur äußerst vorsichtig verwenden. Stell Dir mal vor, was man anstelle von "Abschreckung" sonst so in Deinem Satz einfügen könnte, ohne daß er falscher wird ...


Abschreckung als Form des präventiven Schutzes birgt natürlich Gefahren. Man muss halt das richtige Maß zwischen angemessener Abschreckung und dem Recht des einzelnen Täters finden. Das geht nur in gesellschaftlichem Konsens. Den Glauben, auf dieses Instrument verzichten zu können, halte ich allerdings für naiv.


DemonDeLuxe hat folgendes geschrieben:
Es ging um Gewalt- und Sexualverbrechen, also typischerweise Haftstrafen.


Nein, es ging um Abschreckung im Allgemeinen.

#45:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 14:33
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Der Sinn von Strafe ist es doch gerade, potentiellen Tätern ein Gegenmotiv zum Tatmotiv zu geben. Ich glaube nicht, dass eine Gesellschaft auf das Geben solcher Gegenmotive verzichten kann.

Non sequitur. Natürlich brauchen wir Motive, anderen nicht zu schaden, aber die müssen nicht Angst vor Kastration, Todesstrafe oder lebenslangem Knast sein.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Denn dazu müsste man voraussetzen, dass der allergrößte Teil der Bürger bereit ist, sich gänzlich freiwillig an gegebene Gesetze zu halten und sich für die wenigen Ausnahmen schon Wege ließen, sie an ihrem Handeln zu hindern.

Eben, frühes Lernen durch Motivation, Einsicht und notfalls Leitung und Überwachung.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Schon allein in Bezug auf Gewaltverbrechen hielte ich diese Voraussetzung für äußerst fraglich. Bei so etwas wie Steuerhinterziehung und 'Fahren ohne Führerschein' allerdings für völlig illusorisch.

Kommt drauf an, wie die Erziehung / Prägung zuvor funktioniert. Und außerdem: Das jetzige System und selbst noch radikalere Straforgien verhindern Gewaltverbrechen auch nicht.

#46:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 14:47
    —
step hat folgendes geschrieben:
Natürlich brauchen wir Motive, anderen nicht zu schaden, aber die müssen nicht Angst vor Kastration, Todesstrafe oder lebenslangem Knast sein.


Habe ich auch nicht behauptet. Das Straf-Maß ist natürlich eine Ermessensfrage.

step hat folgendes geschrieben:
Kommt drauf an, wie die Erziehung / Prägung zuvor funktioniert.


Der Staat kann Eltern nicht vorschreiben (und schon gar nicht überwachen), wie sie ihre Kinder zu erziehen haben. Und mal ehrlich: Wer von denjenigen, die ihre Steuern korrekt bezahlen, tut das schon, weil ihm am Wohle der Allgemeinheit gelegen ist und nicht, weil er Angst vor den Konsequenzen hat die sich ergeben, wenn der Betrug auffliegt?

step hat folgendes geschrieben:
Und außerdem: Das jetzige System und selbst noch radikalere Straforgien verhindern Gewaltverbrechen auch nicht.


Das möchte ich bestreiten. Natürlich gibt es Menschen, die so von Rache, Hass oder sonst irgendwelchen Gefühlen zerfressen sind, dass selbst das stärkste Gegenmotiv nicht wirkt. Das heißt aber doch nicht, dass diese Gegenmotive generell ihre Wirkung verfehlen.

#47:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 15:03
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Der Staat kann Eltern nicht vorschreiben (und schon gar nicht überwachen), wie sie ihre Kinder zu erziehen haben.

Die Eltern erziehen so, wie sie selbst geprägt sind. Die Gemeinschaft evolviert und dadurch auch das, was die Eltern meinen, das ihr Wille sei.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Und mal ehrlich: Wer von denjenigen, die ihre Steuern korrekt bezahlen, tut das schon, weil ihm am Wohle der Allgemeinheit gelegen ist und nicht, weil er Angst vor den Konsequenzen hat die sich ergeben, wenn der Betrug auffliegt?

Fände ich nicht das Bezahlen von Steuern im Prinzip fair, würde ich wesentlich mehr Aufwand treiben, um (sogar legal) deutlich weniger Steuern zu zahlen. Ich hätte aber ein schlechtes Gewissen bzw. würde gegen meine eigenen Werte verstoßen.

Übrigens bin ich idZ durchaus für (demokratische) Kontrolle, allerdings gegen Bestrafung. Wenn jemand ertappt wird, der Steuern hinterzogen hat, soll er sie erstatten uind von mir aus auch noch was drauflegen (da er ein Teil des Grundes ist, warum man den Kontrollaufwand spendieren muß), aber eben nicht als Bestrafung oder Abschreckung, sondern eher als Schadensersatz.

#48:  Autor: DaisyWohnort: zuhause BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 19:35
    —
step hat folgendes geschrieben:
Daisy hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
libidinöser Typ?

Wie bezeichnet man einen Menschen, der einen Zahnarzt und dessen Familie auslöscht?

Zahnarztfamilienmörder?

Wieso hat er denn, wenn es Habgier war, die ganze Familie ausgelöscht?

So jemand Unzurechnungsfähiges (also wirklich Gefährlicher) muß eben besonders gut überwacht werden. Vielleicht muß auch seine Freizügigkeit erheblich eingeschränkt werden. Mein Punkt ist, daß das aber nichts mit Bestrafung zu tun haben sollte, sondern nur mit Schutz der Gesellschaft.


Die Zahnarztfamilie wohnte über der Praxis und hörte scheinbar Geräusche. Als sie nachsehen gingen, wars das Todesurteil Traurig

#49:  Autor: Mario HahnaWohnort: München BeitragVerfasst am: 21.01.2006, 23:49
    —
Man unterscheidet bei den Straftheorien, die vom Sinn und Zweck der Strafe handeln, zwischen absoluten und relativen Straftheorien.

Die absoluten Straftheorien sehen die Funktion der Strafe in der Sühne für die Schuld, die der Täter auf sich geladen hat. Dieser Strafzweck ist absolut und verfolgt keinen anderen Zweck als den Schuldausgleich.

Bei den relativen Straftheorien unterscheidet man zwischen generalpräventiven und spezialpräventiven Theorien.
Die Vertreter der negativen Generalprävention sehen den Zweck von Strafe in der abschreckenden Wirkung der Strafe auf die Allgemeinheit.
Die Vertreter der positiven Generalprävention sehen den Zweck von Strafe in der Normbestätigung und Normeinübung. Dadurch, dass Strafen verhängt werden, wird nach dieser Auffassung das Rechtsbewußtsein der Allgemeinheit bestätigt und verstärkt.

Die Vertreter der positiven Spezialprävention sehen den Zweck der Strafe in der angestrebten Resozialisierung des Täters.
Die Vertreter der negativen Spezialprävention sehen den Zweck der Strafe in der Sicherung der Gesellschaft vor dem Täter und der Abschreckung des Täters.

Dem StGB liegt eine sog. Vereinigungstheorie zugrunde, die sowohl vom Schuldgedanken ausgeht, als auch Elemente der General-und Spezialprävention beinhaltet.

#50:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 22.01.2006, 13:03
    —
schöne Zusammenfassung.

Demnach bin ich
- klar gegen jegliche absolute Straftheorie
- einigermaßen deutlich gegen beide generalpräventiven Ansätze

Nur die positive und negative Spezialprävention finde ich heutzutage vertretbar.

#51:  Autor: Mario HahnaWohnort: München BeitragVerfasst am: 22.01.2006, 13:44
    —
step hat folgendes geschrieben:
schöne Zusammenfassung.

Demnach bin ich
- klar gegen jegliche absolute Straftheorie
- einigermaßen deutlich gegen beide generalpräventiven Ansätze

Nur die positive und negative Spezialprävention finde ich heutzutage vertretbar.


Ein Problem bei den spezialpräventiven Ansätzen ist die Strafmaßfindung. Stell dir vor, ein Diebstahlstäter ( Wert der Beute 200 € ) müsste nach einem Gutachten, dessen Richtigkeit wir hier unterstellen, 20 Jahre therapiert und eingesperrt werden, bis er "resozialisiert" ist und von ihm keine "Gefahr" mehr ausgeht.
Soll man diesen Menschen dann 20 Jahre einsperren?

#52:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 22.01.2006, 14:19
    —
Thao hat folgendes geschrieben:
Ein Problem bei den spezialpräventiven Ansätzen ist die Strafmaßfindung.

Richtig. Aber ich kann nicht einen mir unethisch erscheinenden Ansatz akzeptieren, nur weil ich bei einem vertretbaren Ansatz ein offenes Problem habe.

Thao hat folgendes geschrieben:
Stell dir vor, ein Diebstahlstäter ( Wert der Beute 200 € ) müsste nach einem Gutachten, dessen Richtigkeit wir hier unterstellen, 20 Jahre therapiert und eingesperrt werden, bis er "resozialisiert" ist und von ihm keine "Gefahr" mehr ausgeht.
Soll man diesen Menschen dann 20 Jahre einsperren?

Ich kann mir ein solches Gutachten nicht als "richtig" vorstellen, schon gar nicht, was das Einsperren betrifft. In meinem Ansatz hätten wir ja keine "Bestrafung" für begangene Taten mehr, d.h. die 200 € spielen überhaupt keine Rolle, sondern nur der noch zu erwartende Schaden:

Vielleicht benötigt er (laut Gutachten) eine "intensivere" Therapie. Wenn deren Kosten den laut Gutachten zu erwartenden Schaden übersteigen würden, könnte man ganz darauf verzichten. Wenn nicht, wäre der Aufwand berechtigt..

#53:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 22.01.2006, 15:02
    —
step hat folgendes geschrieben:
Die Eltern erziehen so, wie sie selbst geprägt sind. Die Gemeinschaft evolviert und dadurch auch das, was die Eltern meinen, das ihr Wille sei.


Ja, aber die Gesellschaft ist doch nun mal wie sie ist und nicht wie du, ich oder sonstwer sie gerne hätte. Natürlich ist es vorstellbar, dass das, was man unter "Spezialprävention" versteht irgendwann mal ausreicht, um die gesellschaftliche Ordnung stabil zu halten. Einstweilen jedoch halte ich das aus bereits genannten Gründen für utopisch.

step hat folgendes geschrieben:
Fände ich nicht das Bezahlen von Steuern im Prinzip fair, würde ich wesentlich mehr Aufwand treiben, um (sogar legal) deutlich weniger Steuern zu zahlen.


Was genügend Menschen ja auch tun. Das fängt doch schon beim Prellen der Mehrwertsteuer durch handwerkliche Freundschaftsdienste an.

step hat folgendes geschrieben:
Vielleicht benötigt er (laut Gutachten) eine "intensivere" Therapie. Wenn deren Kosten den laut Gutachten zu erwartenden Schaden übersteigen würden, könnte man ganz darauf verzichten.


Was einer Quasilegalisierung von Kleinkriminalität gleichkäme.



Thao hat folgendes geschrieben:
Ein Problem bei den spezialpräventiven Ansätzen ist die Strafmaßfindung. Stell dir vor, ein Diebstahlstäter ( Wert der Beute 200 € ) müsste nach einem Gutachten, dessen Richtigkeit wir hier unterstellen, 20 Jahre therapiert und eingesperrt werden, bis er "resozialisiert" ist und von ihm keine "Gefahr" mehr ausgeht.


Richtig, ganz abgesehen davon, dass es ausgesprochen schwierig (und teuer) sein dürfte, derartig genaue Prognosen bei jedem gesetzeswidrigen Firlefanz den irgendwer begeht zu erstellen. Ob jemand straffällig wird oder nicht hängt eben auch von seiner persönlichen und finanziellen Situation ab. Und die kann der beste Psychiater der Welt nicht prognostizieren. Außerdem stellte sich auch die Frage, warum man nicht generell alle Bürger regelmäßig dazu verpflichten sollte, sich einer entsprechenden Untersuchung zu unterziehen. Diejenigen, bei denen eine erhöhte Gefahr diagnostiziert würde, würden dann schon mal vorsorglich eingesperrt oder therapiert werden.

#54:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 22.01.2006, 15:13
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Natürlich ist es vorstellbar, dass das, was man unter "Spezialprävention" versteht irgendwann mal ausreicht, um die gesellschaftliche Ordnung stabil zu halten. Einstweilen jedoch halte ich das aus bereits genannten Gründen für utopisch.

Ja, wir haben es mit einem Dilemma zu tun. Ich lehene bestimmte Verfahren aus ethischen Gründen ab, obwohl ich weiß, daß Ethik immer mit Sollzuständen (und damit mit Utopie) zu tun hat. Andere votieren für pragmatische Methoden, die aber ethisch nicht zu rechtfertigen sind (z.B. Abschreckungsstrafen), was ihnen aber sekundär erscheint.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Fände ich nicht das Bezahlen von Steuern im Prinzip fair, würde ich wesentlich mehr Aufwand treiben, um (sogar legal) deutlich weniger Steuern zu zahlen.
Was genügend Menschen ja auch tun. Das fängt doch schon beim Prellen der Mehrwertsteuer durch handwerkliche Freundschaftsdienste an.

Aber Deine Behauptung war ja, niemand wäre ohne Bestrafungszwang überhaupt bereit, Steuern zahlen, oder? Die von Dir genannten Fälle treten aber auch mit Zwang auf.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Vielleicht benötigt er (laut Gutachten) eine "intensivere" Therapie. Wenn deren Kosten den laut Gutachten zu erwartenden Schaden übersteigen würden, könnte man ganz darauf verzichten.
Was einer Quasilegalisierung von Kleinkriminalität gleichkäme.

Genau, aber eben keiner Quasilegitimierung. De facto ist es auch jetzt schon so, z.B. bei der Prüfung der Steuererklärung u.ä.

#55:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 22.01.2006, 15:55
    —
step hat folgendes geschrieben:
Andere votieren für pragmatische Methoden, die aber ethisch nicht zu rechtfertigen sind (z.B. Abschreckungsstrafen), was ihnen aber sekundär erscheint.


Was heißt sekundär? Irgendwie muss ja nun dafür gesorgt werden, dass Gesetze auch eingehalten werden. Die Androhung von Strafe im Falle des Nicht-Einhaltens ist da ein probates Mittel, auf das man, wie ich glaube, kaum wird verzichten können. Alles überwachen kann man nicht.

step hat folgendes geschrieben:
Aber Deine Behauptung war ja, niemand wäre ohne Bestrafungszwang überhaupt bereit, Steuern zahlen, oder?


Niemand ist übertrieben. Aber wenn diejenigen, die für das Nicht- oder Zuwenigzahlen nicht bestraft werden, gibt es für die Anderen kaum noch einen Anreiz, es nicht genauso zu machen.

step hat folgendes geschrieben:
Die von Dir genannten Fälle treten aber auch mit Zwang auf.


Aber wohl weniger häufig als ohne.

step hat folgendes geschrieben:
Genau, aber eben keiner Quasilegitimierung.


Aber wenn Kleinigkeiten nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden, gibt es für den Einzelnen ein wesentliches Motiv weniger, auf so etwas wie Diebstahl, Einbruch oder Überfall zu verzichten.

step hat folgendes geschrieben:
De facto ist es auch jetzt schon so, z.B. bei der Prüfung der Steuererklärung u.ä.


Was allerdings kein Argument dafür ist, es überall so zu handhaben.

#56:  Autor: caballitoWohnort: Pet Sematary BeitragVerfasst am: 22.01.2006, 16:22
    —
step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
DemonDeLuxe hat folgendes geschrieben:
Die tragende Säule des Strafrechts ist daher heute in erster Linie der Schutz der Gesellschaft vor dem Straftäter; der Abschreckungsgedanke ist zurückgetreten

Das glaube ich nun nicht. Geldstrafen zum Beispiel begründen sich ausschließlich durch Abschreckungseffekt. Oder: Dass ein armer Schlucker nicht die nächste Bank überfällt oder seinem Ex-Chef, der ihn entlassen hat, die Gurgel umdreht, ist doch nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass er bei so etwas mehr zu verlieren als zu gewinnen hätte.

Das Argument ist nicht korrekt. Der Abschreckungsgedanke tritt mglw. nicht deshalb in den Hintergrund, weil Abschreckung nicht funktioniert, sondern weil er ethisch nicht zu halten ist.


Nein, er tritt in den Himntergrund, weil immer wieder behauptet wird, er würde nicht funktioneren, was aner darauf zurückzuführen ist, dass man hier stets den Abschreckungseffekt maßlos überzogener Strafen mit dem hoffnungslos überzogener Strafen vergleicht und dann zutreffenderweise feststellt, dass es da keinen Unterschied gibt.

Im übrigen ist Strafe als Abschreckung sehr wohl ethisch vertretbar, udn auch effektiv das einzige Mittel, solche potentiellen Täter abzuhalten, die bislang nicht aufgefallen sind.

Dass die Abschreckung ihre Grenzen hat und es Täter gibt, die sich nicht abschrecken lassen, nimmt ihr nicht die Legitimität dort, wo sie funktioniert.

Was die Leute nicht begeifen, ist, dass die Starfe in jedem Fall selber ein Übel ist, und das Übel der Strafe gegen das verhinderte Übel durch die Abschreckung abgewogen weren muss, und es jedenfalls nicht übersteigen darf. Nur lassen sich damit solche Dinge wie lebenslange Haft oder auch mehr als 10 Jahre Haft nicht legitimeren, was dem Rachewillen zuwiderläuft.

#57:  Autor: caballitoWohnort: Pet Sematary BeitragVerfasst am: 22.01.2006, 16:27
    —
step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Wie willst du dann beispielsweise verhindern, dass ein Familienvater Selbstjustiz am Mörder seines Kindes verübt, wenn er sich sicher sein kann, in der Gerichtsverhandlung als "nicht weiter gefährlich" eingestuft zu werden.

Z.B. indem Mörder und/oder Vater entsprechend betreut werden. Du nennst hier einen Fall, in dem archaische Rachegefühle durchschlagen (verständlicherweise). Heißt das, Du willst die persönliche Rache durch die Rache der Gesellschaft ersetzen? Denn wie sonst sollte sie den Vater befriedigen?.


Gar nicht. Die Gesellschaft muss ihn abhalten. Ein Strafrecht, das nur auf die weitere Gefährlichkeit abzielt, stellt aber den Rachetäter automatisch straffrei - denn er wird nach aller Voraussicht nicht wieder morden.

Die von dir vorgeschlagenen Alternative liefe auf eine Zwangsbetreuung aller potentiellen Rächer hinaus. Und wie bitte willst du das legitimieren angesichts der Tatsachen, dass zum einen die Mehrzahl derer, die sich auch so nicht rächen, ebenfalls zwangsbetreut werdemn müssten, zum zweiten, dass man nie sicher sein könnte, alle potentiellen Rächer zu erfassen?

Die Strafdrohung ist das einzige Mittel, dass potentielle Täter per se und unterschiedslos erreicht.

#58:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 22.01.2006, 17:59
    —
caballito hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
DemonDeLuxe hat folgendes geschrieben:
Die tragende Säule des Strafrechts ist daher heute in erster Linie der Schutz der Gesellschaft vor dem Straftäter; der Abschreckungsgedanke ist zurückgetreten

Das glaube ich nun nicht. Geldstrafen zum Beispiel begründen sich ausschließlich durch Abschreckungseffekt. Oder: Dass ein armer Schlucker nicht die nächste Bank überfällt oder seinem Ex-Chef, der ihn entlassen hat, die Gurgel umdreht, ist doch nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass er bei so etwas mehr zu verlieren als zu gewinnen hätte.

Das Argument ist nicht korrekt. Der Abschreckungsgedanke tritt mglw. nicht deshalb in den Hintergrund, weil Abschreckung nicht funktioniert, sondern weil er ethisch nicht zu halten ist.

Nein, er tritt in den Himntergrund, weil immer wieder behauptet wird, er würde nicht funktioneren, was aner darauf zurückzuführen ist, dass man hier stets den Abschreckungseffekt maßlos überzogener Strafen mit dem hoffnungslos überzogener Strafen vergleicht und dann zutreffenderweise feststellt, dass es da keinen Unterschied gibt.

Maßlos? Hoffnungslos? Sorry, ich verstehe nix. Mein Einwand diente dazu zu zeigen, daß Zumsels Argument nicht ausreicht, um DDL's These zu entkräften. Über die Wirksamkeit von Abschreckung habe ich bisher gar nichts gesagt - auch wenn ich der Meinung bin, daß sie gerade bei hochaffektiven Rachetaten eher schlecht funktioniert.

caballito hat folgendes geschrieben:
Im übrigen ist Strafe als Abschreckung sehr wohl ethisch vertretbar, udn auch effektiv das einzige Mittel, solche potentiellen Täter abzuhalten, die bislang nicht aufgefallen sind.

Hmm ... und wie lautet das ethische Argument, diese Bestrafung (losgelöst vom präventiven Aspekt!) beim einzelnen Menschen dann auch anzuwenden?

caballito hat folgendes geschrieben:
Dass die Abschreckung ihre Grenzen hat und es Täter gibt, die sich nicht abschrecken lassen, nimmt ihr nicht die Legitimität dort, wo sie funktioniert.

Ich habe mW so auch nicht argumentiert.

caballito hat folgendes geschrieben:
Die von dir vorgeschlagenen Alternative liefe auf eine Zwangsbetreuung aller potentiellen Rächer hinaus. Und wie bitte willst du das legitimieren angesichts der Tatsachen, dass zum einen die Mehrzahl derer, die sich auch so nicht rächen, ebenfalls zwangsbetreut werdemn müssten, zum zweiten, dass man nie sicher sein könnte, alle potentiellen Rächer zu erfassen?

Nein, ich argumentiere nur, daß die Zwangsbetreuung wahrscheinlicher Rächer ethisch vertretbarer wäre als eine Zwangsinhaftierung nach der Tat zum Zwecke der absoluten Sühne oder Abschreckung anderer potenzieller Täter. Die Zwangsbetreuung wahrscheinlicher Rächer ist natürlich eingeschränkt durch praktische Realisierbarkeit.

#59:  Autor: caballitoWohnort: Pet Sematary BeitragVerfasst am: 23.01.2006, 14:32
    —
step hat folgendes geschrieben:
caballito hat folgendes geschrieben:

Nein, er tritt in den Himntergrund, weil immer wieder behauptet wird, er würde nicht funktioneren, was aner darauf zurückzuführen ist, dass man hier stets den Abschreckungseffekt maßlos überzogener Strafen mit dem hoffnungslos überzogener Strafen vergleicht und dann zutreffenderweise feststellt, dass es da keinen Unterschied gibt.

Maßlos? Hoffnungslos? Sorry, ich verstehe nix. Mein Einwand diente dazu zu zeigen, daß Zumsels Argument nicht ausreicht, um DDL's These zu entkräften.


Sorry, da war wohl einiges missverständlich. Meine Antwort war nicht als Replik gegen dich gemeint, sondern gegen die These, dass Abschreckung nicht funktioniere, die immer mal wieder benutzt wird, um absolute Straftheorien als "notwendig" zu beweisen und die gerne damit begründet wird, dass die Todesstrafe ja erwiesenermaßen nicht abschrecke. Nur stimmt das eben nicht. Erwiesen ist lediglich, dass sie nicht abschreckender ist als lebenslange Haft. Und das meinte ich mit maßlos Überzogen (lebenslang) versus hoffnungslos überzogen (Todesstrafe). Weder die General- noch die Spezialprävention vermag derartige Strafen zu legitimieren.

step hat folgendes geschrieben:
Über die Wirksamkeit von Abschreckung habe ich bisher gar nichts gesagt - auch wenn ich der Meinung bin, daß sie gerade bei hochaffektiven Rachetaten eher schlecht funktioniert.


Dass Abschreckung bei Affekttaten nicht funktioniert, ist eine Binsenweisheit.

step hat folgendes geschrieben:
caballito hat folgendes geschrieben:
Im übrigen ist Strafe als Abschreckung sehr wohl ethisch vertretbar, udn auch effektiv das einzige Mittel, solche potentiellen Täter abzuhalten, die bislang nicht aufgefallen sind.

Hmm ... und wie lautet das ethische Argument, diese Bestrafung (losgelöst vom präventiven Aspekt!) beim einzelnen Menschen dann auch anzuwenden?


Dazu weiter unten mehr.

step hat folgendes geschrieben:
caballito hat folgendes geschrieben:
Dass die Abschreckung ihre Grenzen hat und es Täter gibt, die sich nicht abschrecken lassen, nimmt ihr nicht die Legitimität dort, wo sie funktioniert.

Ich habe mW so auch nicht argumentiert.


Ich hatte das aber angenommen.

step hat folgendes geschrieben:
caballito hat folgendes geschrieben:
Die von dir vorgeschlagenen Alternative liefe auf eine Zwangsbetreuung aller potentiellen Rächer hinaus. Und wie bitte willst du das legitimieren angesichts der Tatsachen, dass zum einen die Mehrzahl derer, die sich auch so nicht rächen, ebenfalls zwangsbetreut werdemn müssten, zum zweiten, dass man nie sicher sein könnte, alle potentiellen Rächer zu erfassen?

Nein, ich argumentiere nur, daß die Zwangsbetreuung wahrscheinlicher Rächer ethisch vertretbarer wäre als eine Zwangsinhaftierung nach der Tat zum Zwecke der absoluten Sühne oder Abschreckung anderer potenzieller Täter. Die Zwangsbetreuung wahrscheinlicher Rächer ist natürlich eingeschränkt durch praktische Realisierbarkeit.


Moment. Bezüglich absoluter Sühne sind wir uns ja völlig einig. Das Unrecht wird nicht ungeschehen, wenn einem anderen neues Leid geschieht. Und bezüglich Abschreckung haben wir wohl aneinander vorbei geredet. Es geht heir nicht um die Abschreckung anderer Täter. Die Strafe als solche ist ein Übel, das hatte ich ja bereits geschrieben. Es geht bei der Generalprävention aber eigentlich gar nicht um die Strafe selber, sondern um die Drohung mit Strafe. Insofern habe ich mich vielleicht falsch ausgedrückt, wenn ich von Abschreckung sprach - es geht eigentlich eher um eine Art Erpressung: "Wenn du das und das tust, dann werden wir ..." Nur das diese Erpressung so lange legitim ist, wie es legitim ist, das zu verlangen, was man eben verlangt (Aber auch nur so lange). Damit diese Erpressung aber wirkt, die Drohung glaubwürdig ist, muss sie auch vollstreckt werden. Und legitimiert ist das Ganze dadurch, dass der Täter sich, um die Konsequenzen wissend, drauf eingelassen hat (Und eben auch nur, wenn er das hat). Und das gilt letztlich auch für Affekttaten - denn niemand muss sich von einem Affekt beherrschen lassen.

Natürlich ist mit bewusst, dass diese Sichtweise strenge Bedingungen an die Legitimität einer Strafe stellt, die von keinem real existierenden Strafrecht so erfüllt werden. Und eben hier liegt der Kern dessen, was ich eigentlich sagen wollte: Man geht von diesem Gedanken deswegen ab, eben weil man spürt, dass das Strafrecht, so wie es ist, damit nicht legitimierbar ist. Weil es nämlich in Wirklichkeit gar nicht darum geht, ein rational begründetes Strafrecht auf dieser Basis zu schaffen, sondern einzig darum, eine rationalisierende Begründung für das real existierende Strafrecht (das eben letztlich doch auf dem Rachegedanken gründet, was man aber nicht zugeben will) zu finden. Und eben die gibt dieser Ansatz nicht her. Und deshalb wird er verworfen. Nicht, weil er unbrauchbar wäre, sondern weil das Ergebnis nicht gefällt.

Dass ein reales Starfrecht außerdem noch spezialpräventive Aspekte berücksichtigen kann/soll/darf/muss, schließe ich damit übrigens keineswegs aus. Nur absolute Ansätze haben in einem rationalen Strafrecht nichts verloren, auch nicht als untergeornete Kompoenente.

/Edit: Ergänzen möchte ich, das mir klar ist, dass meine Argumnentation nur die negative Generalrprävention stützt. Den positiven Genberalpräventionsgedanken lehne ich ab, denn in ihm wird das Strafrecht zur Begründung von Ethik. Es muss abrer im er Ethik die Begründung des Strafrechts sein. Ebenso stehe ich der positiven Spezialprävention skeptisch gegenüber, insofern diese pädagogisch verstanden wird. Denn die Gesellschaft kann nur verlangen, dass die Regeln eingehalten werden, nicht, dass sie eingesehen werden. Resozialisierung im Sinne einer Hilfe, mit den Regeln der Gesellschaft zurecht zu kommen, ist allerdings legitim, soweit sie tatsächlich sinnvoll ist.

#60:  Autor: George BeitragVerfasst am: 23.01.2006, 15:19
    —
die antiautoritäre erziehung ist aus guten gründen gescheitert.
Autorität beeinhaltet die möglichkeit zur Strafe , insofern sollte ein Staat auch strafen können.
Darüberhinaus muß die Gesellscahft auch die möglichkeit haben sich vor besonders gefährlichen Individuen langfristig oder lebenslang zu schützen.

#61:  Autor: Mario HahnaWohnort: München BeitragVerfasst am: 23.01.2006, 17:44
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George hat folgendes geschrieben:
die antiautoritäre erziehung ist aus guten gründen gescheitert.
Autorität beeinhaltet die möglichkeit zur Strafe , insofern sollte ein Staat auch strafen können.
Darüberhinaus muß die Gesellscahft auch die möglichkeit haben sich vor besonders gefährlichen Individuen langfristig oder lebenslang zu schützen.


Die Diskussion ist schon Lichtjahre weiter. Aber schön, dass du dich auch beteiligt hast.

#62:  Autor: Mario HahnaWohnort: München BeitragVerfasst am: 23.01.2006, 17:52
    —
caballito hat folgendes geschrieben:
Man geht von diesem Gedanken deswegen ab, eben weil man spürt, dass das Strafrecht, so wie es ist, damit nicht legitimierbar ist.


Von welchem Gedanken?

#63:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 23.01.2006, 18:55
    —
caballito hat folgendes geschrieben:
Insofern habe ich mich vielleicht falsch ausgedrückt, wenn ich von Abschreckung sprach - es geht eigentlich eher um eine Art Erpressung:


Bei Abschreckung geht es letztendlich immer um eine Art von Erpressung. Und dass Strafen, die der Abschreckung dienen, nicht um ihrer selbst Willen eingehalten werden, sondern weil sie ansonsten ihre Wirksamkeit einbüssten, versteht sich ja wohl auch von selbst. Ich glaube auch nicht, dass hier irgendein Kommunikationsproblem vorliegt. So wie ich Step verstanden habe, sind seine ethischen Bedenken dahingehend, dass Menschen um eines (wenn auch wirksamen) Prinzips Willen bestraft werden und nicht aufgrund ihrer individuellen Gefährlichkeit.

caballito hat folgendes geschrieben:
Man geht von diesem Gedanken deswegen ab, eben weil man spürt, dass das Strafrecht, so wie es ist, damit nicht legitimierbar ist.


Nicht nur mit ihm. Aber als Teil einer Legitimation halte ich diesen Gedanken sogar für unabdingbar.

caballito hat folgendes geschrieben:
Weil es nämlich in Wirklichkeit gar nicht darum geht, ein rational begründetes Strafrecht auf dieser Basis zu schaffen, sondern einzig darum, eine rationalisierende Begründung für das real existierende Strafrecht (das eben letztlich doch auf dem Rachegedanken gründet, was man aber nicht zugeben will) zu finden.


Das real existierende Strafrecht ist doch auch nicht aus dem Nichts entstanden. Thao wies doch schon daraufhin, dass es im Grunde ein Mischmasch aus allem ist. Und dass auch der Rache-Gedanke darin nicht fehlt, lässt sich ebenfalls rational begründen – und zwar durch das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung. Wenn die Bürger nicht wenigstens das Gefühl haben, dass es in ihrem Sinne halbwegs "gerecht" zugeht, bekommt der Rechtsstaat nämlich ein Akzeptanzproblem.

#64:  Autor: caballitoWohnort: Pet Sematary BeitragVerfasst am: 23.01.2006, 19:23
    —
Thao hat folgendes geschrieben:
caballito hat folgendes geschrieben:
Man geht von diesem Gedanken deswegen ab, eben weil man spürt, dass das Strafrecht, so wie es ist, damit nicht legitimierbar ist.


Von welchem Gedanken?


Den, um den es in allen meinen Postings in diesem Thread ging: Abschreckung/negative Generalprävention.

#65:  Autor: caballitoWohnort: Pet Sematary BeitragVerfasst am: 23.01.2006, 19:36
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
caballito hat folgendes geschrieben:
Insofern habe ich mich vielleicht falsch ausgedrückt, wenn ich von Abschreckung sprach - es geht eigentlich eher um eine Art Erpressung:


Bei Abschreckung geht es letztendlich immer um eine Art von Erpressung. Und dass Strafen, die der Abschreckung dienen, nicht um ihrer selbst Willen eingehalten werden, sondern weil sie ansonsten ihre Wirksamkeit einbüssten, versteht sich ja wohl auch von selbst.


Wenn man es so wie step versteht (die Strafe selbst, nicht die Drohung, als Abschreckung für andere) ist das nicht selbstverständlich. Drum habe ich es nochmal betont.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
So wie ich Step verstanden habe, sind seine ethischen Bedenken dahingehend, dass Menschen um eines (wenn auch wirksamen) Prinzips Willen bestraft werden und nicht aufgrund ihrer individuellen Gefährlichkeit.


Das ist richtig, udn ich teiel sogar diese Meinung. Allerdings bin icg der Ansicht, dass der Vollzug der Starfdrohung eben gerade nicht um des Prinzips willen erfolgt, sondern damit legitimiert ist, dass der Täter sich wissentlich darauf eingelassen hat. Mir ist dabei durchaus klar, dass diese legitimation in zahlreichen Fällen, die gemeinhin bestraft werdem, nicht greift. Allerdings ist meine Folgerung, dass diese Fäklle eben nicht gestraft werden dürfen.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Das real existierende Strafrecht ist doch auch nicht aus dem Nichts entstanden. Thao wies doch schon daraufhin, dass es im Grunde ein Mischmasch aus allem ist. Und dass auch der Rache-Gedanke darin nicht fehlt, lässt sich ebenfalls rational begründen – und zwar durch das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung. Wenn die Bürger nicht wenigstens das Gefühl haben, dass es in ihrem Sinne halbwegs "gerecht" zugeht, bekommt der Rechtsstaat nämlich ein Akzeptanzproblem.


Das sehe ich anders. Erstens ist diese Begründung zumindest teilweise zirkelschlüssig, weil das Gerechtigsempfinden der Bevölkerung maßgeblich vom Strafrecht beeinflusst wird. Und zweitens können irrationale Bedürfnisse der Menschen jeine Eingriffe zu Latsen anderer Menschen legitimieren. Wenn also die Mneschen meinen, die Starfe für Mord müsse den Mord aufwiegen, dann muss man ihnen klarmachen, dass das nicht geht. So wie man ja auch einem Lynchmob entgegentritt.

#66:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 23.01.2006, 21:09
    —
@caballito: Mit Deinen genaueren Erklärungen scheinen mir unsere Meinungen zum Thema Strafe nicht allzuweit auseinanderzuliegen, jedenfalls in den prinzipielleren Punkten.

#67:  Autor: Mario HahnaWohnort: München BeitragVerfasst am: 23.01.2006, 21:43
    —
Abschreckung durch wie auch immer erhöhte Strafdrohung funktioniert nachweislich bei den meisten Delikten nicht, und es ist ein Irrtum zu glauben, man hätte nur die abschreckende Wirkung der Todesstrafe untersucht.

Abschreckung funktioniert durch das Entdeckungsrisiko, ein hohes Entdeckungsrisiko schreckt ab. Stellt man ein Verhalten nicht unter Strafdrohung, kann man auch nicht erwischt werden, insofern gibt es eine abschreckende Wirkung von Strafen.

Es kommt in der Diskussion um negative Generalprävention immer folgende Frage auf:
Angenommen, es wäre nachweislich sinnvoll, Unschuldige zu bestrafen, um ein höheres Entdeckungsrisiko vorzutäuschen und dadurch schwere Straftaten zu verhindern, sollte man dies tun?

Das wird niemand bejahen. Caballito begründet seine Ablehnung durch die fehlende Legitimation, die darin liege, dass der Täter sich wissentlich auf das Risiko eingelassen hat.

Wie könnte man diese Legitimationsforderung begründen? Ist das nicht "Keine Strafe ohne Schuld"? Werden hier nicht zwei Ansätze zu einem vereint?

#68:  Autor: caballitoWohnort: Pet Sematary BeitragVerfasst am: 23.01.2006, 22:26
    —
Thao hat folgendes geschrieben:
Caballito begründet seine Ablehnung durch die fehlende Legitimation, die darin liege, dass der Täter sich wissentlich auf das Risiko eingelassen hat.

Wie könnte man diese Legitimationsforderung begründen? Ist das nicht "Keine Strafe ohne Schuld"? Werden hier nicht zwei Ansätze zu einem vereint?


Nein. Es ist zwar in der Tat eine Form von "Keine Strafe ohne Schuld", aber mit einem anderen Schuldbegriff als dem der absoluten Theorien. Die Schuld liegt nicht, wie in den absoluten Theorien, im erlittenen Unrecht des Opfers, sondern einzig im Fehlverhalten des Täters (Mit interessanten Konsequenzen übrigens für Fahrlässigkeitstaten und versuchte Taten), es geht also um Verantwortung.

Und da die Starfe in jedem Fall ein Eingriff in die Grundrechte ist, sollte die Notwendigkeit einer Legitimation eigentlich klar sein.

#69:  Autor: Mario HahnaWohnort: München BeitragVerfasst am: 23.01.2006, 23:24
    —
caballito hat folgendes geschrieben:
Nein. Es ist zwar in der Tat eine Form von "Keine Strafe ohne Schuld", aber mit einem anderen Schuldbegriff als dem der absoluten Theorien. Die Schuld liegt nicht, wie in den absoluten Theorien, im erlittenen Unrecht des Opfers, sondern einzig im Fehlverhalten des Täters (Mit interessanten Konsequenzen übrigens für Fahrlässigkeitstaten und versuchte Taten), es geht also um Verantwortung.


"Die Anwendung des Talionsprinzips bedingt demnach die Suche nach einem “Surrogat zur Befriedigung der Gerechtigkeit”, einer staatlichen Uebelszufügung, die “proportionierlich mit der inneren Bösartigkeit der Verbrecher” zu halten sei."

http://edoc.hu-berlin.de/humboldt-vl/krauss-detlef/PDF/Krauss.pdf (S.14)

Das ist Ansicht von Kant. Die Schuld wird also durchaus im Fehlverhalten des Täters gesehen, das Indiz für dessen "innere Bösartigkeit" ist!

Ich fände es hilfreich, wenn du etwas genauer ausführen könntest, was du unter Schuld verstehst und warum jemand, der verantwortlich ist, bestraft werden darf, während jemand, der nur gefährlich oder nicht verantwortlich ist, nicht bestraft werden darf.
Ist deine Antwort "weil es ungerecht wäre"?

#70:  Autor: caballitoWohnort: Pet Sematary BeitragVerfasst am: 24.01.2006, 00:40
    —
Thao hat folgendes geschrieben:
Ich fände es hilfreich, wenn du etwas genauer ausführen könntest, was du unter Schuld verstehst


Im Grunde nichts anderes als Verantwortung/Zurechenabrkeit. Das Wiisen um und den Willen zum "Erflolg" (Direkter Wille oder Inkaufnahme). Also nix mit "innerer Bösartigkeit", sondern schlicht und einfach bewusstes schädliches/gefährliches Verhalten.

Thao hat folgendes geschrieben:
und warum jemand, der verantwortlich ist, bestraft werden darf, während jemand, der nur gefährlich oder nicht verantwortlich ist, nicht bestraft werden darf.
Ist deine Antwort "weil es ungerecht wäre"?


Nein zwinkern

Zunächst mal zur Definition: Strafe in dem Zusammenhang ist ausschließlich die Volsstreckung der negativ generalpräventiven Strafdrohung - also die Zufügung eines Leids (ohne direkten positiven Zweck) auf der Grundlage einer breits geschehenen (also nict mehr zu verhindernden) Tat. Da diese maßnahme keien positiven Zweck hat, sondern wirklich nur dem Betroffenen schadet, kann sie nur dadurch legitimiert sein, dass sie notwendig ist, um den Zweck der Strafdrohung zu sichern, weil ihre Nichtvollstreckung potentiellen Tätern vermitteln würde, auch davonzukommen. Da aber jedem abwägenden veranbtwortlichen potentiellen Täter klar ist, dasss er sich später nicht wird darauf berufen können, dass er nicht verantwortlich war, und der nicht verabtwortliche Täter ohnehin nicht abschreckbar ist, ist die Vollstreckung durch den Strafzweck nicht gedeckt.

Was den nur gefährlichen "Täter" angeht: Die Gefahr besteht immer in Taten, die er begehen könnte - oder auch nicht. Sicher können hier Maßnahmen legitim und erforderlich sein, ihn dararn zu hindern. Aber: Derartige Maßnahmen sind allein durch ihre Effektivität begründet, ihn zu hindern. Eine Legitimation, ihn mehr zu beschränken, als zu diesem Zweck erforderlich, besteht nicht. Insofern besteht hier ein krasser Gegensatz zur Strafe, die ja gerade derartige, eigentlich sinnfreie, Bechränkungen auferlegen soll.

#71:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 24.01.2006, 19:47
    —
Thao hat folgendes geschrieben:
Abschreckung funktioniert durch das Entdeckungsrisiko, ein hohes Entdeckungsrisiko schreckt ab. Stellt man ein Verhalten nicht unter Strafdrohung, kann man auch nicht erwischt werden, insofern gibt es eine abschreckende Wirkung von Strafen.


Im Klartext: Es spielt überhaupt keine, ob man Mord mit 15 Jahren oder bloß mit einer Woche Haft bestraft?

Thao hat folgendes geschrieben:
Das ist Ansicht von Kant. Die Schuld wird also durchaus im Fehlverhalten des Täters gesehen, das Indiz für dessen "innere Bösartigkeit" ist!


Kant vertrat eben eine deontologische Ethik. Die aber ist nicht nötig, um das Schuldprinzip zu rechtfertigen. Hierzu reicht das bloß pragmatische Interesse eines jeden einzelnen Bürgers, vor Willkür von Seiten des Staates geschützt zu werden.



Caballito hat folgendes geschrieben:
Da aber jedem abwägenden veranbtwortlichen potentiellen Täter klar ist, dasss er sich später nicht wird darauf berufen können, dass er nicht verantwortlich war, und der nicht verabtwortliche Täter ohnehin nicht abschreckbar ist, ist die Vollstreckung durch den Strafzweck nicht gedeckt.


Unter Umständen schon. Und zwar dann, wenn sich beispielsweise herausstellen würde, dass es eine viel wirksamere Abschreckung ist, nicht nur den Täter, sondern auch noch dessen Familie zu bestrafen.

Caballito hat folgendes geschrieben:
Erstens ist diese Begründung zumindest teilweise zirkelschlüssig, weil das Gerechtigsempfinden der Bevölkerung maßgeblich vom Strafrecht beeinflusst wird.


Diese Behauptung ist mindestens ebenso zirkelschlüssig.

#72:  Autor: caballitoWohnort: Pet Sematary BeitragVerfasst am: 24.01.2006, 20:33
    —
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Caballito hat folgendes geschrieben:
Da aber jedem abwägenden veranbtwortlichen potentiellen Täter klar ist, dasss er sich später nicht wird darauf berufen können, dass er nicht verantwortlich war, und der nicht verabtwortliche Täter ohnehin nicht abschreckbar ist, ist die Vollstreckung durch den Strafzweck nicht gedeckt.


Unter Umständen schon. Und zwar dann, wenn sich beispielsweise herausstellen würde, dass es eine viel wirksamere Abschreckung ist, nicht nur den Täter, sondern auch noch dessen Familie zu bestrafen.


Selbst das wäre immer ncoh eine Bestrafung des Täters.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Caballito hat folgendes geschrieben:
Erstens ist diese Begründung zumindest teilweise zirkelschlüssig, weil das Gerechtigsempfinden der Bevölkerung maßgeblich vom Strafrecht beeinflusst wird.


Diese Behauptung ist mindestens ebenso zirkelschlüssig.


Wo bitte soll hier ein Zirkel sein? Eine einzelne Abhängigkeit kann doch gar keinen Zirkel schließen.

#73:  Autor: Mario HahnaWohnort: München BeitragVerfasst am: 24.01.2006, 22:34
    —
caballito hat folgendes geschrieben:
Thao hat folgendes geschrieben:
Ich fände es hilfreich, wenn du etwas genauer ausführen könntest, was du unter Schuld verstehst


Im Grunde nichts anderes als Verantwortung/Zurechenbarkeit. Das Wissen um und den Willen zum "Erfolg" (Direkter Wille oder Inkaufnahme). Also nix mit "innerer Bösartigkeit", sondern schlicht und einfach bewusstes schädliches/gefährliches Verhalten.


In der Strafrechtsterminologie ist das der Vorsatz. Du meinst sicher unrechtes Handeln trotz normativer Ansprechbarkeit. Das wäre ein moderner Schuldbegriff.

caballito hat folgendes geschrieben:

Zunächst mal zur Definition: Strafe in dem Zusammenhang ist ausschließlich die Vollstreckung der negativ generalpräventiven Strafdrohung - also die Zufügung eines Leids (ohne direkten positiven Zweck) auf der Grundlage einer bereits geschehenen (also nicht mehr zu verhindernden) Tat. Da diese Maßnahme keinen positiven Zweck hat, sondern wirklich nur dem Betroffenen schadet, kann sie nur dadurch legitimiert sein, dass sie notwendig ist, um den Zweck der Strafdrohung zu sichern, weil ihre Nichtvollstreckung potentiellen Tätern vermitteln würde, auch davonzukommen. Da aber jedem abwägenden verantwortlichen potentiellen Täter klar ist, dasss er sich später nicht wird darauf berufen können, dass er nicht verantwortlich war, und der nicht veranwortliche Täter ohnehin nicht abschreckbar ist, ist die Vollstreckung durch den Strafzweck nicht gedeckt.


Mein Problem mit diesem Ansatz ist, dass in ihm jegliche Ethik fehlt! Diese muss man erst "von außen" einbringen. Würde ich Unschuldige bestrafen, der Gesellschaft aber vortäuschen, diese wären verantwortlich, um maximale Abschreckung zu erreichen (durch das Vortäuschen eines enorm hohen Entdeckungs- und Bestrafungsrisikos), dann würde dies dem Zweck der Strafe völlig genüge tun, die Strafe wäre sozusagen gerechtfertigt.

caballito hat folgendes geschrieben:

Was den nur gefährlichen "Täter" angeht: Die Gefahr besteht immer in Taten, die er begehen könnte - oder auch nicht. Sicher können hier Maßnahmen legitim und erforderlich sein, ihn daran zu hindern. Aber: Derartige Maßnahmen sind allein durch ihre Effektivität begründet, ihn zu hindern. Eine Legitimation, ihn mehr zu beschränken, als zu diesem Zweck erforderlich, besteht nicht. Insofern besteht hier ein krasser Gegensatz zur Strafe, die ja gerade derartige, eigentlich sinnfreie, Beschränkungen auferlegen soll.


Das beruhigt mich überhaupt nicht. Das wäre Gedankenstrafrecht!

#74:  Autor: Mario HahnaWohnort: München BeitragVerfasst am: 24.01.2006, 22:41
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Zumsel hat folgendes geschrieben:
Thao hat folgendes geschrieben:
Abschreckung funktioniert durch das Entdeckungsrisiko, ein hohes Entdeckungsrisiko schreckt ab. Stellt man ein Verhalten nicht unter Strafdrohung, kann man auch nicht erwischt werden, insofern gibt es eine abschreckende Wirkung von Strafen.


Im Klartext: Es spielt überhaupt keine, ob man Mord mit 15 Jahren oder bloß mit einer Woche Haft bestraft?


Nun ja, das hat noch kein Staat der Welt getestet zwinkern Nein, ich meine dies würde einen Unterschied machen, denn 7 Tage Haft, das verdient kaum den Namen Strafe. Es ist äußerst schwer hier Grenzen zu ziehen und eine klare Aussage zu machen. Soweit ist die Forschung nicht.

Zumsel hat folgendes geschrieben:

Thao hat folgendes geschrieben:
Das ist Ansicht von Kant. Die Schuld wird also durchaus im Fehlverhalten des Täters gesehen, das Indiz für dessen "innere Bösartigkeit" ist!


Kant vertrat eben eine deontologische Ethik. Die aber ist nicht nötig, um das Schuldprinzip zu rechtfertigen. Hierzu reicht das bloß pragmatische Interesse eines jeden einzelnen Bürgers, vor Willkür von Seiten des Staates geschützt zu werden.


Das läßt sich hören.

#75:  Autor: caballitoWohnort: Pet Sematary BeitragVerfasst am: 25.01.2006, 11:47
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Thao hat folgendes geschrieben:
caballito hat folgendes geschrieben:
Thao hat folgendes geschrieben:
Ich fände es hilfreich, wenn du etwas genauer ausführen könntest, was du unter Schuld verstehst


Im Grunde nichts anderes als Verantwortung/Zurechenbarkeit. Das Wissen um und den Willen zum "Erfolg" (Direkter Wille oder Inkaufnahme). Also nix mit "innerer Bösartigkeit", sondern schlicht und einfach bewusstes schädliches/gefährliches Verhalten.


In der Strafrechtsterminologie ist das der Vorsatz.


Ähhh ... ja.

Thao hat folgendes geschrieben:
Du meinst sicher unrechtes Handeln trotz normativer Ansprechbarkeit. Das wäre ein moderner Schuldbegriff.


So kann mans auch nennen.

Thao hat folgendes geschrieben:
caballito hat folgendes geschrieben:

Zunächst mal zur Definition: Strafe in dem Zusammenhang ist ausschließlich die Vollstreckung der negativ generalpräventiven Strafdrohung - also die Zufügung eines Leids (ohne direkten positiven Zweck) auf der Grundlage einer bereits geschehenen (also nicht mehr zu verhindernden) Tat. Da diese Maßnahme keinen positiven Zweck hat, sondern wirklich nur dem Betroffenen schadet, kann sie nur dadurch legitimiert sein, dass sie notwendig ist, um den Zweck der Strafdrohung zu sichern, weil ihre Nichtvollstreckung potentiellen Tätern vermitteln würde, auch davonzukommen. Da aber jedem abwägenden verantwortlichen potentiellen Täter klar ist, dasss er sich später nicht wird darauf berufen können, dass er nicht verantwortlich war, und der nicht veranwortliche Täter ohnehin nicht abschreckbar ist, ist die Vollstreckung durch den Strafzweck nicht gedeckt.


Mein Problem mit diesem Ansatz ist, dass in ihm jegliche Ethik fehlt! Diese muss man erst "von außen" einbringen.


??? Die Ethik steckt in der Frage nach der Legitimation dessen, was man dem Verurteilten antut. Also zum einen in der Frage nach der Berechtigung der Erpressung (Darf man das verlangen, was man unter Starfandrohung verlangt?), zum zweiten in der Frage nach der Legitimation, diesen speziellen Menschen so zu behandeln, und zum dritten antürlich in der Frage nach der Angemessenheit der Strafe.

Außerdem ist das, was du hier zitierst, ja schon eine ethische Argumentation (wie könnte da keine Ethik drinstecken) - aber eben nicht die vollständige. sondern, als Antwort auf eine ganz konkrete Frage, nur ein spezieller Aspekt, und zwar und em Fall eine notwendige, aber bei weitem nicht hinreichende Bedingung dafür, dass die Strafe vertretbar ist.

Im übrigen sollte die Ethik nicht im Strafrecht stecken, sondern über dem Strafrecht stehen.

Thao hat folgendes geschrieben:
Würde ich Unschuldige bestrafen, der Gesellschaft aber vortäuschen, diese wären verantwortlich, um maximale Abschreckung zu erreichen (durch das Vortäuschen eines enorm hohen Entdeckungs- und Bestrafungsrisikos), dann würde dies dem Zweck der Strafe völlig genüge tun, die Strafe wäre sozusagen gerechtfertigt.


Natürlich würde das dem Strafzweck genüge tun. Gerechtfertigt wäre es trotzdem nicht, weil sich gegenüber dem, der da unschuldig gestraft wird, aus dem Strafzweck kein Anspruch ableiten lässt. Was hat der, der solches nicht getan hat, mit dem Strafzweck am Hut? Außer, durch die Strafdrohung geschützt zu werden - genau dieser Effekt aber wird konterkariert (und damit der Strafzweck streng genommen eben doch nicht unterstützt), wenn ihm gleichzeitig ein neues Risiko auferlegt wird. Und anders als bei der Bestrafung Schuldiger müsste hier, wenn überhaupt, nicht der Sicherheitgewinn aller gegen das Strafleiden der Täter, sondern der Sicherheitsgewinn des Einzelnen gegen das Risiko desselben abgewogen werden, unschuldig bestraft zu werden.

Thao hat folgendes geschrieben:
caballito hat folgendes geschrieben:

Was den nur gefährlichen "Täter" angeht: Die Gefahr besteht immer in Taten, die er begehen könnte - oder auch nicht. Sicher können hier Maßnahmen legitim und erforderlich sein, ihn daran zu hindern. Aber: Derartige Maßnahmen sind allein durch ihre Effektivität begründet, ihn zu hindern. Eine Legitimation, ihn mehr zu beschränken, als zu diesem Zweck erforderlich, besteht nicht. Insofern besteht hier ein krasser Gegensatz zur Strafe, die ja gerade derartige, eigentlich sinnfreie, Beschränkungen auferlegen soll.


Das beruhigt mich überhaupt nicht. Das wäre Gedankenstrafrecht!


Das verstehe ich nun nicht. Meinst du, weil es um Dinge geht, die nicht geschehen sind? Das kann man so sehen. In dem Falle sind spezialpräventive Maßnahmen grundsätzlich unzulässig. Nicht, dass mir diese Position völlig unsympathisch wäre. Aber dann müsste man eben auch den geisteskranken Serienmörder, den man mangels Zurechnungsfähigkeit nicht bestrafen kann, wieder frei lassen - und das kanns ja auch nicht sein.

Allerdings müssen mE, wie ich ja schon angedeutet habe, für spezialpräventive Maßnahmen sehr strenge Bedingunen gelten - sowohl hinsichtlich ihrer Zuläassigkeit generell als auch hinsichtlich der Art und Weise - und dass die real existierenden Maßnahmen der Spezialprävention, sei es nun Three Strikes Out oder auch die gute alte Sicherungsverwahrung, diesen Bedingungen in keiner Weise entsprechen, darüber brauchen wir nicht reden.

#76:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 29.01.2006, 19:35
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Thao hat folgendes geschrieben:
Es ist äußerst schwer hier Grenzen zu ziehen und eine klare Aussage zu machen. Soweit ist die Forschung nicht.


Wird sie denn jemals "so weit" sein? Es geht ja letztendlich um die Frage, welches Strafen ein Durchschnittsbürger bereit ist für ein gegebenes Verbrechen in Kauf zu nehmen und welche nicht. Wie soll man das erforschen? Indem man Allensbach beauftragt eine Umfrage zu machen, mit Fragen wie:

Stellen Sie sich vor, Sie finden heraus, dass Ihr Nachbar mit Ihrer Frau schläft. Die Aussicht welcher Strafe würde sie wahrscheinlich von einer Gewalttat abhalten.

A. nur die Todesstrafe
B. zwanzig Jahre Gefängnis oder mehr.
C. fünfzehn Jahre Gefängnis oder mehr.
D. zehn Jahre Gefängnis oder mehr
E. fünf Jahre Gefängnis oder mehr
F. der Entzug des Führerscheins wäre für mich schon Abschreckend genug.


Caballito hat folgendes geschrieben:
Selbst das wäre immer ncoh eine Bestrafung des Täters.


Ja, aber es wäre auch eine Bestrafung Unschuldiger.

Caballito hat folgendes geschrieben:
Wo bitte soll hier ein Zirkel sein?


Meiner Behauptung lag die Überzeugung zugrunde, dass das Gerechtigkeitsempfinden eines Großteils der Menschen Einfluss auf die Strafgesetzgebung hat und auch haben muss um allgemein akzeptiert zu werden. Daraufhin behauptetest du, maßgeblich für dieses Empfinden sei allererst das bestehende Strafrecht. Oder konkreter: Caballito: Die Legislative erlässt Gesetze und nach einer Zeit empfinden die Bürger selbige automatisch als gerecht. Zumsel: Eine kluge Legislative erlässt nur Gesetze, die zumindestens grob dem gesellschaftlich und kulturell gewachsenen Gerechtigkeitsempfinden des Volkes entsprechen. Das heißt nicht, dass Gesetzen und Volksempfinden keine Wechselwirkung stattfinden kann, sondern nur, dass ein Strafrecht, dem (auch) der Rachegedanke zugrunde liegt, nicht einfach aus dem Nichts entsteht.

#77:  Autor: WilsonWohnort: Swift Tuttle BeitragVerfasst am: 22.06.2020, 00:53
    —
https://www.zeit.de/video/2017-05/5435878554001/die-lange-nacht-der-zeit-fischer-im-recht-ein-gespraech-mit-deutschlands-bekanntestem-strafrichter-thomas-fischer

Zitat:
Die lange Nacht der ZEIT
:
Fischer im Recht – Ein Gespräch mit Deutschlands bekanntestem Strafrichter Thomas Fischer
Thomas Fischer war Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof und Kolumnist bei ZEIT ONLINE. Im Gespräch mit Sabine Rückert, stellv. Chefredakteurin DIE ZEIT, und Stephan Lebert, Leiter des Ressorts Recht&Unrecht, stellt er sich den großen Fragen des Rechts und sprach über diese und weitere Fragen: Was ist Schuld? Ist Rache etwas Schlechtes? Gibt es das Böse im Menschen? Und auch aktuellen Problemen: Sind illegale Autorennen Mord? Was nützen Strafverschärfungen?



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