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AdvocatusDiaboli Öffentlicher Mobber
Anmeldungsdatum: 12.08.2003 Beiträge: 26397
Wohnort: München
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(#1003167) Verfasst am: 19.05.2008, 12:30 Titel: Nachkriegsjustiz oder die Kontinuität des Faschismus in der Demokratie |
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Richter, Mörder und Gehilfen
1958 fand in Ulm der erste Prozess zur Judenvernichtung statt. Die Causa kam nur aus Zufall in Gang - einer der Mörder verhielt sich zu dreist.
Zitat: | Die verbrecherischen NS-Richter, die per Gesetz 1961 mit guten Pensionen in den Ruhestand verabschiedet wurden, ihre Schüler, die Ärzte, Politiker und Beamten, die ihre Karrieren nach dem Untergang des Dritten Reichs mühelos hatten fortsetzen können: Sie prägten das bundesdeutsche Klima der frühen sechziger Jahre. Prügelstrafen zu Hause und in der Schule waren legal, Homosexualität stand unter Strafe. Der "Kuppelei" machte sich verdächtig, wer zuließ, dass ein Mann und eine Frau sich allein in einem privaten Raum aufhielten. |
13 Jahre hat es gedauert, bis die Justiz widerwillig, durch aufrechte Juristen gezwungen, sich mit dem Judenmord beschäftigte. Unfassbar, aber verständlich. Die Eliten von gestern mussten ja den Kampf gegen die rote Gefahr aufnehmen... Mich würde interessieren, was der werte Herr Adenauer zu dieser politischen Schande gedacht hat...
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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(#1003194) Verfasst am: 19.05.2008, 13:00 Titel: |
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Der werte Herr Adenauer hat die Herren Oberländer und Globke in seine Regierung berufen.
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AdvocatusDiaboli Öffentlicher Mobber
Anmeldungsdatum: 12.08.2003 Beiträge: 26397
Wohnort: München
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(#1003206) Verfasst am: 19.05.2008, 13:16 Titel: |
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narziss hat folgendes geschrieben: | Der werte Herr Adenauer hat die Herren Oberländer und Globke in seine Regierung berufen. |
Ja, so hat er gehandelt, aber was hat er sich dabei gedacht? Angeblich war Herr Adenauer kein Nazi, nicht einmal Sympathisant. Ging es nach der Kriegsniederlage für die Politiker nur noch darum, mit allen Mitteln das Land wieder aufzubauen ohne Rücksicht auf die braune Vergangenheit und Kriegsverbrechen? Hat er diesem Gesindel ehrlich ins Gesicht sehen können? Hat er auch nur einmal mit der Wimper gezuckt, bei dem Gedanken, dass er solche Rassisten politisch fördert?
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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(#1003210) Verfasst am: 19.05.2008, 13:20 Titel: |
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AdvocatusDiaboli hat folgendes geschrieben: | narziss hat folgendes geschrieben: | Der werte Herr Adenauer hat die Herren Oberländer und Globke in seine Regierung berufen. |
Ja, so hat er gehandelt, aber was hat er sich dabei gedacht? Angeblich war Herr Adenauer kein Nazi, nicht einmal Sympathisant. Ging es nach der Kriegsniederlage für die Politiker nur noch darum, mit allen Mitteln das Land wieder aufzubauen ohne Rücksicht auf die braune Vergangenheit und Kriegsverbrechen? Hat er diesem Gesindel ehrlich ins Gesicht sehen können? Hat er auch nur einmal mit der Wimper gezuckt, bei dem Gedanken, dass er solche Rassisten politisch fördert? | Wenn er wirklich Bedenken gehabt hätte, hätte er sie nicht in sein Kabinett berufen. So einfach ist das.
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blaue fee registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.10.2007 Beiträge: 276
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(#1003387) Verfasst am: 19.05.2008, 17:00 Titel: Re: Nachkriegsjustiz oder die Kontinuität des Faschismus in der Demokratie |
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AdvocatusDiaboli hat folgendes geschrieben: | Mich würde interessieren, was der werte Herr Adenauer zu dieser politischen Schande gedacht hat... |
Er sagte dazu:
"Man schüttet kein dreckiges Wasser aus, wenn man kein reines hat."
Adenauer war bestimmt kein Nazi-Sympathisant, man hat ihn öfter wegen vermuteten Kontakten zum Widerstand inhaftiert. Das Problem war Deutschland neu aufzubauen, was ganz ohne die Verwaltungserfahrung der alten Regime treuen Beamten eben nicht möglich war.
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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(#1003389) Verfasst am: 19.05.2008, 17:01 Titel: Re: Nachkriegsjustiz oder die Kontinuität des Faschismus in der Demokratie |
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blaue fee hat folgendes geschrieben: | AdvocatusDiaboli hat folgendes geschrieben: | Mich würde interessieren, was der werte Herr Adenauer zu dieser politischen Schande gedacht hat... |
Er sagte dazu:
"Man schüttet kein dreckiges Wasser aus, wenn man kein reines hat."
Adenauer war bestimmt kein Nazi-Sympathisant, man hat ihn öfter wegen vermuteten Kontakten zum Widerstand inhaftiert. Das Problem war Deutschland neu aufzubauen, was ganz ohne die Verwaltungserfahrung der alten Regime treuen Beamten eben nicht möglich war. | Ja ne is klar...
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blaue fee registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.10.2007 Beiträge: 276
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(#1003399) Verfasst am: 19.05.2008, 17:19 Titel: Re: Nachkriegsjustiz oder die Kontinuität des Faschismus in der Demokratie |
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narziss hat folgendes geschrieben: | blaue fee hat folgendes geschrieben: | AdvocatusDiaboli hat folgendes geschrieben: | Mich würde interessieren, was der werte Herr Adenauer zu dieser politischen Schande gedacht hat... |
Er sagte dazu:
"Man schüttet kein dreckiges Wasser aus, wenn man kein reines hat."
Adenauer war bestimmt kein Nazi-Sympathisant, man hat ihn öfter wegen vermuteten Kontakten zum Widerstand inhaftiert. Das Problem war Deutschland neu aufzubauen, was ganz ohne die Verwaltungserfahrung der alten Regime treuen Beamten eben nicht möglich war. | Ja ne is klar... |
Du machst es dir glaube ich zu einfach, weil du die Notwendige Kompetenz, Erfahrung und Vitamin B unterschätzt, die einen Verwaltung braucht um reibungslos zu laufen. In frühen Jahren war das noch viel entscheidender als heute.
Auch ist Deutschland eben trotz Naziverwaltung eben nicht in ein drittes Reich zurückgefallen. Ich erkläre es mir damit, dass eben viele vorbelastete Beamte, einfach ihre Ruhe haben wollten und daher Beruf und Meinung getrennt haben, um sich bis zur Pensionierung davonzuschleichen. Im Gegenteil, diese waren sogar besonderes gut kontrollierbar, weil man gegen diese eine kriminelle Vergangenheit in der Hand hatte.
Und nicht zu vergessen, die Opportunisten im Staatsapparat, Leute die im dritten Reich Karriere gemacht haben, weil sie gute Arbeit leisteten und sonst der Führung nach dem Mund reden. Solche Leute konnte man natuerlich übernehmen, ohne die noch junge Demokratie zu gefährden.
Schau dir die Adenauer Biographien mal an. Er war autoritär, hatte eine feste Vorstellung von dem was Gut ist, und war rechts-konservativ, aber bestimmt kein Nazi, sondern ein echter Demokrat. Eigentlich für diese Zeit genau der richtige.
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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(#1003402) Verfasst am: 19.05.2008, 17:25 Titel: |
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Das Argument mit dem trüben Wasser mag für die Verwaltung und wohl auch fast alle Berufsfelder gelten - für die Politik jedenfalls gilt es nicht. Es wäre kein Problem gewesen ohne die Nazis im Ministeramt und Parlament auszukommen.
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Peter H. dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 24.06.2007 Beiträge: 9751
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(#1003419) Verfasst am: 19.05.2008, 17:49 Titel: |
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narziss hat folgendes geschrieben: | Das Argument mit dem trüben Wasser mag für die Verwaltung und wohl auch fast alle Berufsfelder gelten - für die Politik jedenfalls gilt es nicht. Es wäre kein Problem gewesen ohne die Nazis im Ministeramt und Parlament auszukommen. |
saßen nicht nur dort, sondern auch gehäuft in der Justiz, als Richter und Staatsanwälte
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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(#1003424) Verfasst am: 19.05.2008, 18:00 Titel: |
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Peter H. hat folgendes geschrieben: | narziss hat folgendes geschrieben: | Das Argument mit dem trüben Wasser mag für die Verwaltung und wohl auch fast alle Berufsfelder gelten - für die Politik jedenfalls gilt es nicht. Es wäre kein Problem gewesen ohne die Nazis im Ministeramt und Parlament auszukommen. |
saßen nicht nur dort, sondern auch gehäuft in der Justiz, als Richter und Staatsanwälte | Ja, das ist auch bekannt. Und wahrscheinlich wäre das auch nicht zu vermeiden gewesen. Aber zumindest die Justizminister in Bund und Land, sowie viele weitere Schlüsselstellungen hätte man mit unbelasteten Figuren besetzen können.
Und keineswegs war die Politik nicht braun eingefärbt. Die eben genannten Juristen haben die nationalsozialistische Gesetzgebung bzgl. Homosexualität weiterverfolgt.
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blaue fee registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.10.2007 Beiträge: 276
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(#1003452) Verfasst am: 19.05.2008, 18:41 Titel: |
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narziss hat folgendes geschrieben: | Peter H. hat folgendes geschrieben: | narziss hat folgendes geschrieben: | Das Argument mit dem trüben Wasser mag für die Verwaltung und wohl auch fast alle Berufsfelder gelten - für die Politik jedenfalls gilt es nicht. Es wäre kein Problem gewesen ohne die Nazis im Ministeramt und Parlament auszukommen. |
saßen nicht nur dort, sondern auch gehäuft in der Justiz, als Richter und Staatsanwälte | Ja, das ist auch bekannt. Und wahrscheinlich wäre das auch nicht zu vermeiden gewesen. Aber zumindest die Justizminister in Bund und Land, sowie viele weitere Schlüsselstellungen hätte man mit unbelasteten Figuren besetzen können.
Und keineswegs war die Politik nicht braun eingefärbt. Die eben genannten Juristen haben die nationalsozialistische Gesetzgebung bzgl. Homosexualität weiterverfolgt. |
Das sehe ich nicht so. Die Adenaueregierung hat keineswegs die Nazipolitik mit den Homosexuellen fortgesetzt. Es war zwar immer noch strafbar (Unzucht unter Männern wurde mit 3 Monaten bis 10 Jahren Gefängnis bestraft), aber die schwulen kamen wenigstens nicht mehr ins KZ und wurden für medizinischen Experimente freigegeben. Auch ging der Verfolgungsdruck deutlich zurück. Vielmehr war die politische Haltung gegenüber den Homosexuellen einfach nur dem Zeitgeist entsprechend konservativ und restriktiv, aber nicht genuin "braun". Die Gesetzgebung bzg. den schwulen war auch von der Bevölkerung so akzeptiert. Daraus abzuleiten die Adenaueregierung wäre faschistisch gewesen ist Unsinn.
Ich betrachte übrigens auch die Politik als eine Art der Verwaltung. Was ich also oben geschrieben habe, trifft auch auf Politiker zu. Hast du Beispiele für typisch faschistische Entscheidungen von wiedereingesetzten NS-Politikern?
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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(#1003453) Verfasst am: 19.05.2008, 18:43 Titel: |
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Die SPIEGEL-Affäre beispielsweise.
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satsche registrierter User
Anmeldungsdatum: 30.07.2006 Beiträge: 2091
Wohnort: Südhessen
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(#1003459) Verfasst am: 19.05.2008, 18:54 Titel: |
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Zufall spielte genauso wie beim Auschwitz-Prozess eine Rolle.
Mit Zeitzeugen, zum Nachhören:
http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/swr2-forum/rueckschau/-/id=660194/nid=660194/did=3270240/zmfltx/index.html
Zum TOP-OT Adenauer:
Ob dieser Nazi war, ist vielleicht unerheblich, gibt es doch vielleicht schlimmeres:
Nach Deschner war der langjährige Kölner OB ein Opportunist von hohen Graden, wollte bspw „unverbrüchlich“ mit samt dem Rheinland zu Frankreich gehören, soll sich ferner, als die Schlägertruppe SA zwischenzeitlich verboten war, in einem Brief bei den Nazis angebiedert haben in dem Sinn, er habe deren Sache doch nie behindert.
_________________ Keiner hat das Recht zu gehorchen. Hannah A.
Das, was lebt, ist etwas anderes als das, was denkt. G. Benn
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jagy Herb Derpington III.
Anmeldungsdatum: 26.11.2006 Beiträge: 7275
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(#1003460) Verfasst am: 19.05.2008, 18:56 Titel: |
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blaue fee hat folgendes geschrieben: | narziss hat folgendes geschrieben: | Peter H. hat folgendes geschrieben: | narziss hat folgendes geschrieben: | Das Argument mit dem trüben Wasser mag für die Verwaltung und wohl auch fast alle Berufsfelder gelten - für die Politik jedenfalls gilt es nicht. Es wäre kein Problem gewesen ohne die Nazis im Ministeramt und Parlament auszukommen. |
saßen nicht nur dort, sondern auch gehäuft in der Justiz, als Richter und Staatsanwälte | Ja, das ist auch bekannt. Und wahrscheinlich wäre das auch nicht zu vermeiden gewesen. Aber zumindest die Justizminister in Bund und Land, sowie viele weitere Schlüsselstellungen hätte man mit unbelasteten Figuren besetzen können.
Und keineswegs war die Politik nicht braun eingefärbt. Die eben genannten Juristen haben die nationalsozialistische Gesetzgebung bzgl. Homosexualität weiterverfolgt. |
Das sehe ich nicht so. Die Adenaueregierung hat keineswegs die Nazipolitik mit den Homosexuellen fortgesetzt. Es war zwar immer noch strafbar (Unzucht unter Männern wurde mit 3 Monaten bis 10 Jahren Gefängnis bestraft), aber die schwulen kamen wenigstens nicht mehr ins KZ und wurden für medizinischen Experimente freigegeben.
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Na, das ist ja wohl das mindeste!!!
Da gibts ein schönes Zitat von Deschner (sinngemäß): Für Homosexuelle dauerte das Nazireich bis 1969.
(1996 = legalisierung der sog "einfachen" Homosexualität)
In diesem Sinne aufgehoben wurde die Nazizeit für Homosexuelle komplett erst 1994: Komplette Streichung des § 175 StGB.
1850: war die Strafe "nur" bis zu 4 Jahre Gefängnis.
1935: bis zu 10 Jahren
1969 BRD: Bis zu 5 Jahren.
p.s.: Die versch Fassungen des § 175 kann man hier sehen: http://de.wikipedia.org/wiki/%C2%A7_175_StGB#Fassung_vom_15._Mai_1871_.28Verk.C3.BCndung.29
Sehr lustig auch mit einer juristischen Kommentierung von 1913: wechselseitige Onanie unterfiel zB (nach Auffassung des Kommentators) nicht der "widernatürlichen Unzucht".
_________________ INGLIP HAS BEEN SUMMONED - IT HAS BEGUN!
Zuletzt bearbeitet von jagy am 19.05.2008, 19:03, insgesamt 3-mal bearbeitet |
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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(#1003462) Verfasst am: 19.05.2008, 18:56 Titel: |
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Und Mussolini hat er versichert, sein Name werde in goldenen Buchstaben in die Geschichte des Katholizismus eingehen.
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beachbernie male Person of Age and without Color
Anmeldungsdatum: 16.04.2006 Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii
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(#1003695) Verfasst am: 19.05.2008, 22:25 Titel: |
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AdvocatusDiaboli hat folgendes geschrieben: | narziss hat folgendes geschrieben: | Der werte Herr Adenauer hat die Herren Oberländer und Globke in seine Regierung berufen. |
Ja, so hat er gehandelt, aber was hat er sich dabei gedacht? Angeblich war Herr Adenauer kein Nazi, nicht einmal Sympathisant. Ging es nach der Kriegsniederlage für die Politiker nur noch darum, mit allen Mitteln das Land wieder aufzubauen ohne Rücksicht auf die braune Vergangenheit und Kriegsverbrechen? Hat er diesem Gesindel ehrlich ins Gesicht sehen können? Hat er auch nur einmal mit der Wimper gezuckt, bei dem Gedanken, dass er solche Rassisten politisch fördert? |
Selber Nazi war Adenauer wohl nicht, Antifaschist allerdings genauso wenig. Er hatte auch waehrend des Dutzendjaehrigen Reiches keinerlei Probleme als Oberbuergermeister von Koeln mit den Nazis vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. So prima, dass auch die Nazis keinerlei Probleme damit hatten ihn in seinem Amt zu belassen. Waere das anders gewesen, dann waere er ruckzuck weg gewesen vom Fenster. Adenauer war ein typischer Konservativer. Opportunistisch bis zum geht nicht mehr, selbst verleugnen musste er sich nicht, weil da nix war, was er haette verleugnen koennen. Die Hauptsache Macht und Pfruende. Das ging dann nahtlos weiter unter Alliierter Besatzung. Musste man "Demokrat" sein um mal wieder ganz oben auf der Nachkriegssuppe zu schwimmen, dann war man halt "Demokrat". Wer keine Prinzipien hat, die da im Wege stehen koennten, dem faellt sowas leicht. Waere Adenauer auf der anderen Seite des eisernen Vorhangs zuhause gewesen, dann waere aus ihm mit Sicherheit ein "Kaempfer fuer den Sieg des Sozialismus" geworden, die Ost-CDUler erwiesen sich ja allesamt als geschmeidig genug um auch diese Haeutung mitzumachen. Eines faellt bei der Betrachtung deutscher Geschichte immer auf. Egal ob Demokratie oder Diktatur, ob Republik oder Kaisserreich, ob Sozialismus oder Nationalsozialismus, Konservative waren immer vor allem auf einer Seite zu finden, auf der der jeweiligen Machthaber naemlich. Da wo die fetten Pfruende lockten!
Gruss, Bernie
_________________ Defund the gender police!!
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Peter H. dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 24.06.2007 Beiträge: 9751
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(#1003740) Verfasst am: 19.05.2008, 22:56 Titel: |
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Abs, Krupp, Thyssen, Pferdmenges & Co., das waren so seine geschätzten Leute, andächtig hörte er ihnen zu und fällte entsprechend seine Entscheidungen.!
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Raphael auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 01.02.2004 Beiträge: 8362
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(#1003794) Verfasst am: 19.05.2008, 23:34 Titel: |
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blaue fee hat folgendes geschrieben: |
Das sehe ich nicht so. Die Adenaueregierung hat keineswegs die Nazipolitik mit den Homosexuellen fortgesetzt. Es war zwar immer noch strafbar (Unzucht unter Männern wurde mit 3 Monaten bis 10 Jahren Gefängnis bestraft), aber die schwulen kamen wenigstens nicht mehr ins KZ und wurden für medizinischen Experimente freigegeben. Auch ging der Verfolgungsdruck deutlich zurück. Vielmehr war die politische Haltung gegenüber den Homosexuellen einfach nur dem Zeitgeist entsprechend konservativ und restriktiv, aber nicht genuin "braun". Die Gesetzgebung bzg. den schwulen war auch von der Bevölkerung so akzeptiert. Daraus abzuleiten die Adenaueregierung wäre faschistisch gewesen ist Unsinn.
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Es ist eine Tatsache, dass der § 175 StGB in der Nazi-Fassung von 1935 bis 1969 bestehen blieb. Daraus zu folgern, die Politik und Justiz sei 1945-69 gegenüber den Schwulen eine andere als 1935-45, d.h. eine andere als eine nationalsozialistische, gewesen, ist abenteuerlich. Weiterhin wurden Männer, die einvernehmlichen Sex miteinander gehabt hatten, unter Vernichtung ihrer bürgerlichen Existenz eingesperrt. Dass sie nicht anschließend auch noch ins KZ kamen und ermordet wurden, macht einen graduellen, keinen substanziellen Unterschied. Oft wurden Männer, die gerade dem KZ entronnen waren, gleich oder einige Jahre später wieder eingesperrt. Die Beantragung von Entschädigung für die KZ-Haft war natürlich ausgeschlossen, denn die wäre einer Selbstanzeige mit erneuter Gefängnishaft gleich gekommen.
Hier auch ein paar Zahlenbeispiele: 1932 wurden im Reich 925 Männer nach § 175 StGB von 1871 verurteilt. 1936 waren es nach der seit dem Vorjahr geltenden, drastisch verschärften Nazi-Fassung schon 5 320. Die Zahl stieg 1938 auf 18 041. 1955 waren es 4 687. Der Höhepunkt wurde 1958 mit 6 861 erreicht. 1960 wurden es 6 837 Personen. 1965 waren es immerhin noch 5 642 und damit noch immer 4 717 mehr als im letzten Jahr vor der Regierungsübernahme durch die Nazis. Die Zahlen entstammen Stümke/Finkler, Rosa Winkel, Rosa Listen, Rowohlt Hamburg 1981.
Anzumerken ist, dass Männer, die nach dem selben faschistischen Paragraphen vor 1945 und nach 1945 verurteilt wurden, inzwischen für die Zeit im Dritten Reich als rehabilitiert, aber für die Zeit in der Bundesrepublik weiter als verurteilte Straftäter gelten, da das Bundesverfassungsgericht den Nazi-Paragraphen für grundgesetzkonform erklärte und der Bundestag sich bis heute weigert, ihn auch für die Zeit nach 1945 zu nationalsozialistischem Unrecht zu erklären. In Abwandlung des berühmten Wortes von Hans Filbinger sieht es also so aus, dass was gestern Unrecht einer Gewalt- und Willkürherrschaft war, heute Recht eines demokratischen Staates ist.
Was an Unheil durch Erpressung, Selbstmord, Verzweiflung, Zerstörung von Familien und Existenzen über die Opfer gebracht wurde, selbst wenn sie nicht im Gefängnis landeten, lässt sich gar nicht beziffern und wirkt bis heute nach. Mein Mann ist älter als ich und hat diese Zeit noch sehr bewusst erlebt. Ich kann mich immerhin noch sehr gut daran erinnern, dass man bis 1994, als der Rest-Paragraph endlich fiel (abgeschafft ausgerechnet von der CDU-CSU-FDP-Koalition, nachdem eine Aufhebung vorher immer am Widerstand der SPD gescheitert war), noch immer als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und als potenzieller Kinderschänder galt und das Eintreten für Gleichberechtigung argwöhnisch von Polizei, Jugendamt und Staatsanwaltschaft beobachtet wurde.
Da die Haltung der Bundesrepublik sehr viel restriktiver als die der Weimarer Republik war und ganz in der nationalsozialistischen Tradition stand, kann keine Rede von bloß konservativem Zeitgeist sein. In den 20er Jahren konnten Schwule Vereine gründen und sich in Lokalen treffen. Es gab eine schwule Bürgerrechtsbewegung, die kurz vor dem Untergang der Republik die Streichung des § 175 im Rechtsausschuss des Reichstages erreichte (die dann aber nicht mehr umgesetzt wurde). Die Verfolgung beschränkte sich auf bestimmte Arten von Sex und auf allgemeine Benachteiligung im öffentlichen Leben. Das schlug mit der nationalsozialistischen Machtergreifung jäh um und blieb bis 1969 unverändert. Fortan war schon ein Kuss strafbar, und wer sich nicht perfekt zu verstellen und zu verbergen verstand, wurde privat, gesellschaftlich, beruflich, rechtlich geächtet. Eine Organisation wie heute der LSVD oder in Weimarer Zeit das WhK war undenkbar und wäre als kriminelle Vereinigung behandelt worden. Als mir mit 8 Jahren klar wurde, was bei mir anders ist als bei den anderen Jungen, wusste ich auch sofort, dass das ganz schlimm und verboten war (wenn auch das Nazi-Gesetz ein Jahr vorher auf massiven Druck des Juristentages endlich vom Gesetzgeber aufgegeben worden war), schließlich hatte ich damals schon mitbekommen, welche Männer in der Nachbarschaft "so welche" waren und dass man sich vor denen hüten müsse. ich war also selbst auch so ein perverses Schwein. Die kommenden 12 Jahre meines Lebens waren versaut, weitere 4 Jahre immer noch ängstliche Geheimniskrämerei. Das können sich junge Leute heute gar nicht mehr vorstellen. Das lass ich nicht verharmlosen, weder hier noch sonstwo.
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xagon registrierter User
Anmeldungsdatum: 24.08.2007 Beiträge: 8
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(#1003843) Verfasst am: 20.05.2008, 00:48 Titel: Re: Nachkriegsjustiz oder die Kontinuität des Faschismus in der Demokratie |
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AdvocatusDiaboli hat folgendes geschrieben: | 13 Jahre hat es gedauert, bis die Justiz widerwillig, durch aufrechte Juristen gezwungen, sich mit dem Judenmord beschäftigte. Unfassbar, aber verständlich. Die Eliten von gestern mussten ja den Kampf gegen die rote Gefahr aufnehmen... Mich würde interessieren, was der werte Herr Adenauer zu dieser politischen Schande gedacht hat... |
Mich würde da mal interessieren wie die Haltung der SPD dazu damals war. Kritik an der Eliten-Kontinuität oder Anerkennung der "Alternativlosigkeit" weil nunmal nur "dreckiges Wasser" da sei?
_________________ Atemlos am Boden, voller Überraschung sah sich Alice um. "Es ist ja alles wie vorher!"
"Selbstverständlich", sagte die Königin. "Hierzulande musst du so schnell rennen, wie du kannst, wenn du am gleichen Fleck stehen bleiben willst."
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Peter H. dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 24.06.2007 Beiträge: 9751
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(#1003890) Verfasst am: 20.05.2008, 08:17 Titel: |
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Die Nachkriegszeit in D kann man eigentlich nicht als einen Neuanfang bezeichnen, sondern war wenigstens partiell ein Nachwehen des vorangeganen Hitler-Faschismus. Diese Nachwehen wären noch viel gräßlicher ausgefallen, wäre da nicht das Ausland gewesen. Deutschland war nach dem Krieg weltweit dermaßen verhaßt, dass es demokratische Zugeständnisse offerieren mußte, um so überhaupt wieder in die Weltgemeinschaft aufgenommen zu werden. D.h. Handelskontakte, Auslandsinvestitionen u. Konzessionen, Kulturabkommen, dipl. Beziehungen, sowie UNO-Beitritt.
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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(#1004128) Verfasst am: 20.05.2008, 15:02 Titel: |
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Übrigens sieht man an der Causa Filbinger, wie es damals in der CDU aussah.
Keineswegs hat man gesagt: "Das sind Verbrecher, aber anders gehts nunmal nicht."
Man hat die Verbrechen sogar noch geleugnet.
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blaue fee registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.10.2007 Beiträge: 276
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(#1007690) Verfasst am: 25.05.2008, 17:09 Titel: |
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Raphael hat folgendes geschrieben: | [...] |
Ich wollte mit meinem Post keineswegs die Ausgrezungen und Repressalien, die Homosexuelle in der jungen BRD erfahren haben, klein reden.
Ich meinte nur, dass die Art des Umgangs mit ebensolchen, nur ein eher schwaches Beispiel fuer faschistische Politik im Nachkriegsdeutschland ist. Denn, auch wenn es zynisch klingt, besonderes beliebt waren die Schwulen eben bis heute nie.
Eins wuerde mich interessieren, und hier auch zur Klaerung beitragen:
Hast du genauere Angaben zu den verhaengten Strafen nach Paragraph 175?
Denn die erhoehte Anzahl an verurteilungen in der BRD verglichen mit Weimar, waere doch weniger schwer zu werten, wenn in der BRD eher nahe der Mindeststrafe geurteilt wurde, in Weimar daggegen das Strafmass immer voll ausgeschoepft.
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Miebricht als Doppelnick gesperrt
Anmeldungsdatum: 22.05.2008 Beiträge: 95
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(#1007751) Verfasst am: 25.05.2008, 18:27 Titel: |
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Schon 1951 wurden die ganzen Nazischergen ins Staatswesen der BRD zurückgeholt. Schon vorher spielten Nazi- und Kriegsverbrecher eine maßgebliche Rolle bei der Gründung und Gestaltung dieses Staates: http://www.braunbuch.de/index.shtml
Die Hexenjagd gegen Kommunisten wurde fortgesetzt. Da die Faschisten die meisten sowieso schon ermordet hatten, mußten sie nun nicht mehr getötet werden. Das Verbot ihrer Organisationen (FDJ 1951, KPD 1956), die Verfolgung und Einkerkerung selbst von Sympathisanten sowie Berufsverbote genügten nun als Mittel.
Man muß sich nur mal die durch Verwaltungsgerichte und Ordnungsämter sowie riesige gepanzerte hochaggressive polizeiliche Prügeltruppen durchgesetzen Naziaufmärsche ansehen. Dann weiß man, in was für einem Staat man lebt.
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