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Heiner Grundrechte-Fan
Anmeldungsdatum: 29.05.2006 Beiträge: 1217
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(#1007228) Verfasst am: 24.05.2008, 23:44 Titel: |
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Argaith hat folgendes geschrieben: | Heiner hat folgendes geschrieben: | Argaith hat folgendes geschrieben: | Soetwas habe ich mir jedenfalls durchaus gedacht. Nur wenn du die Leute im Bus schreihen hörst und an die Fenster hämmern siehst, würdest du dich wahrscheinlich sowieso anders entscheiden, als du es hier darstellst, gerade weil du völlig ergriffen handelst. Ich wollte dich nicht als schlechten Menschen darstellen, du solltest das nicht zu eng sehen. |
Von den Leuten im Bus bekomme ich ja in dem Beispiel erst mal nichts mit... |
Dann kannst du auch nicht von einer Abwägung sprechen. Dann ist das so, als würde in China ein Sack Reis umfallen. |
In dem Beispiel weiß ich, dass weiter weg ein Bus ebenfalls an der Klippe hängt, ich bekomme das Schreien der Menschen aber nicht unmittelbar mit.
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Argáiþ dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 27.01.2007 Beiträge: 12486
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(#1007232) Verfasst am: 24.05.2008, 23:48 Titel: |
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Das ist doch Haarspalterei. Wenn er eine Meile entfernt wäre und ich es gar riskieren würde, dass beide Gruppen ihren Umständen zum Opfer fallen, dann würde ich mir auch ernstlich überlegen, ob ich nicht lieber den einen oder die wenigen rette. Die Voraussetzung ist freilich, dass eine Chancengleichheit vorliegt (bzw ein lohnendes Risiko) und in diesem Fall würdest auch du 'den Bus' retten.
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Babyface Altmeister
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11519
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(#1007266) Verfasst am: 25.05.2008, 00:20 Titel: |
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Heiner hat folgendes geschrieben: | Babyface hat folgendes geschrieben: |
Möglich wärs, aber schwierig zu entscheiden. Vielleicht haben Menschen irgendwann in ihrer Entwicklungsgeschichte gelernt, dass "mehr" Gruppenmitglieder für die Stärke der Gruppe und damit für die eigene Sicherheit günstiger sind. Für materielle Ressourcen könnte sich das nach demselben Schema entwickelt haben. |
Nun, dass die meisten Befragten nach Headcount gehen, könnte für so etwas sprechen.
Fragt sich, warum mir dieser "entwicklungsgeschichtliche Mechanismus" abgeht...
Ich versetze mich wohl, z.B. in dem Gaskammer-Beispiel, in die Situation der einzelnen Person und emfinde es als ungerecht, dass dieser Person daraus ein Nachteil erwachsen soll, dass sie zufällig allein ist. Sollte ich selbst mal allein in einer solchen Situation stecken (makaber genug), möchte ich das gleiche Anrecht auf Rettung haben wie die Person, die zufällig mit 99 anderen zusammen ist. |
Hm, ich dachte, Du hättest eigentlich kein Problem damit, den Zufall "entscheiden" zu lassen. Wenn Dich der Zufall hier stört, warum nicht auch beim Münzwurf?
_________________ posted by Babyface
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Heiner Grundrechte-Fan
Anmeldungsdatum: 29.05.2006 Beiträge: 1217
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(#1007423) Verfasst am: 25.05.2008, 10:31 Titel: |
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Babyface hat folgendes geschrieben: | Heiner hat folgendes geschrieben: | Ich versetze mich wohl, z.B. in dem Gaskammer-Beispiel, in die Situation der einzelnen Person und emfinde es als ungerecht, dass dieser Person daraus ein Nachteil erwachsen soll, dass sie zufällig allein ist. Sollte ich selbst mal allein in einer solchen Situation stecken (makaber genug), möchte ich das gleiche Anrecht auf Rettung haben wie die Person, die zufällig mit 99 anderen zusammen ist. |
Hm, ich dachte, Du hättest eigentlich kein Problem damit, den Zufall "entscheiden" zu lassen. Wenn Dich der Zufall hier stört, warum nicht auch beim Münzwurf? |
Weil der Münzwurf zur Grundlage hat, dass alle das gleiche Recht auf Leben haben.
Übertragen wir es auf das folgende Beispiel.
Nehmen wir an, in einer Gesellschaft gälte der Grundsatz: Wenn sich ein Rothaariger und ein Schwarzhaariger in derselben Gefahrensituation befinden und du nur einen retten kannst, dann rette immer den Schwarzhaarigen!
Im Gaskammer-Szenario befindet sich links der Rothaarige, rechts der Schwarzhaarige.
Geraten die Eingesperrten an jemanden, der den Grundsatz strikt befolgt, ist für den Rothaarigen von vorneherein sein Schicksal besiegelt - denn ihm wird weniger Recht auf Leben als dem Schwarzhaarigen zugesprochen.
Nun könnte es sein, dass die Eingesperrten an jemanden geraten, der den Grundsatz als ungerecht empfindet. Denn für die roten Haare kann der Rothaarige nichts, er hat zufällig rote Haare und ihm wird dafür weniger Lebensrecht zugesprochen.
Um Chancengleichheit zwischen den Personen herzustellen, wirft der Retter eine Münze - durch diese Zufallsentscheidung gibt er also auch dem Rothaarigen eine Überlebenschance.
Analog sehe ich den Fall in einer Gesellschaft, in der der Grundsatz gilt: Wenn sich zwei Personen in derselben Gefahrensituation befinden und du nur eine retten kannst, rette immer die Person, die mit anderen (bzw. mit mehr Menschen) zusammen ist!
Auch hier dient die Zufallsentscheidung per Münzwurf dazu, Chancengleichheit zwischen den zu Rettenden herzustellen.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1007441) Verfasst am: 25.05.2008, 11:11 Titel: |
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Heiner hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wenn ich die von Dir vorgeschlagenene Handlungsmaxime moralisch beurteilen muß, betrachte ich den Nutzen/Schaden für eine beliebige Person. Ich stelle mir vor, daß ich auch in eine solche Situation kommen könnte. Wenn sich dann alle potenziellen Entscheider wie Du verhalten, ist meine Überlebenschance 1:51, ansonsten ist sie 50:51. Das könnte mich dazu bringen, Deine Handlungsmaxime als im allgemeinen Intresse unmoralisch einzustufen. |
Okay, das erste ernst zu nehmende Pro-Headcount-Argument, das ich lese. (Das "Größeres-Leid"-Argument überzeugt mich dagegen, wie gesagt, gar nicht.) |
Das "Größeres-Leid"-Argument habe ich eigentlich angeführt, weil viele Utilitaristen einen solchen Ansatz wählen, auch wenn er Probleme mit sich bringt, siehe etwa das mere-addition-paradox u.ä..
Man kann aber sogar auch das "Größeres-Leid"-Argument analog zu dem 1:51-Argument im Rahmen einer indirekten Reziprozität quantifizieren:
Ich stelle mir vor, daß ein mir Nahestehender auch in eine solche Situation kommen könnte. Wenn sich dann alle potenziellen Entscheider wie Du verhalten, ist meine Chance, nicht um ihne trauern zu müssen, 1:51, ansonsten ist sie 50:51. Das könnte mich dazu bringen, Deine Handlungsmaxime als im allgemeinen Intresse unmoralisch einzustufen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1007453) Verfasst am: 25.05.2008, 11:36 Titel: |
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Heiner hat folgendes geschrieben: | Nehmen wir an, in einer Gesellschaft gälte der Grundsatz: Wenn sich ein Rothaariger und ein Schwarzhaariger in derselben Gefahrensituation befinden und du nur einen retten kannst, dann rette immer den Schwarzhaarigen!
...für die roten Haare kann der Rothaarige nichts, er hat zufällig rote Haare und ihm wird dafür weniger Lebensrecht zugesprochen. Um Chancengleichheit zwischen den Personen herzustellen, wirft der Retter eine Münze - durch diese Zufallsentscheidung gibt er also auch dem Rothaarigen eine Überlebenschance. |
Hmm ... eine Randomisierung findet aber doch bereits durch die Haarfarbe statt. Wenn Du jetzt noch eine Münze wirfst, führst Du eine erneute Randomisierung durch. Dagegen ist zwar mE nichts einzuwenden, es verbessert aber auch di Situation nicht, es sei denn, die Randomisierung mittels Haarfarbe enthielte systematische Fehler. Du hast natürlich extra ein Beispiel gewählt, in dem genau das vermutlich der Fall ist, denn wenn es eine Regel für die Bevorzugung Schwarzhaariger gäbe, so wäre vermutlich eine ganze Klasse von Rettungssituationen betroffen, und zudem fände die Lotterie schon sehr früh statt, was psychologisch als zynische Diskriminierung empfunden würde, selbst wenn die Farbe zuvor ausgewürfelt würde.
Heiner hat folgendes geschrieben: | Analog sehe ich den Fall in einer Gesellschaft, in der der Grundsatz gilt: Wenn sich zwei Personen in derselben Gefahrensituation befinden und du nur eine retten kannst, rette immer die Person, die mit anderen (bzw. mit mehr Menschen) zusammen ist! Auch hier dient die Zufallsentscheidung per Münzwurf dazu, Chancengleichheit zwischen den zu Rettenden herzustellen. |
Nach dem oben ausgeführten scheint mir die Situation keineswegs analog: Das Zusammensein mit weiteren Personen stellt (mglw. im Gegensatz zur Haarfarbe) bereits eine gute Randomisierung dar.
Eine Ausnahme wäre mE möglicherweise, wenn die Tatsache, daß der Betroffene nicht mit Anderen zusammen ist, in der Situationsgeschichte eine Rolle spielt, etwa wenn er freiwillig eine "Heldenrolle" übernommen hat.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Zuletzt bearbeitet von step am 25.05.2008, 12:53, insgesamt einmal bearbeitet |
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Heiner Grundrechte-Fan
Anmeldungsdatum: 29.05.2006 Beiträge: 1217
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(#1007476) Verfasst am: 25.05.2008, 12:11 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Heiner hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wenn ich die von Dir vorgeschlagenene Handlungsmaxime moralisch beurteilen muß, betrachte ich den Nutzen/Schaden für eine beliebige Person. Ich stelle mir vor, daß ich auch in eine solche Situation kommen könnte. Wenn sich dann alle potenziellen Entscheider wie Du verhalten, ist meine Überlebenschance 1:51, ansonsten ist sie 50:51. Das könnte mich dazu bringen, Deine Handlungsmaxime als im allgemeinen Intresse unmoralisch einzustufen. |
Okay, das erste ernst zu nehmende Pro-Headcount-Argument, das ich lese. (Das "Größeres-Leid"-Argument überzeugt mich dagegen, wie gesagt, gar nicht.) |
Das "Größeres-Leid"-Argument habe ich eigentlich angeführt, weil viele Utilitaristen einen solchen Ansatz wählen, auch wenn er Probleme mit sich bringt, siehe etwa das mere-addition-paradox u.ä..
Man kann aber sogar auch das "Größeres-Leid"-Argument analog zu dem 1:51-Argument im Rahmen einer indirekten Reziprozität quantifizieren:
Ich stelle mir vor, daß ein mir Nahestehender auch in eine solche Situation kommen könnte. Wenn sich dann alle potenziellen Entscheider wie Du verhalten, ist meine Chance, nicht um ihne trauern zu müssen, 1:51, ansonsten ist sie 50:51. Das könnte mich dazu bringen, Deine Handlungsmaxime als im allgemeinen Intresse unmoralisch einzustufen. |
Ich kann diese Argumente nachvollziehen, habe damit aber ein Problem, weil mich dies in Konflikt mit dem Grundsatz bringt, dass alle Menschen das gleiche Recht auf Leben haben.
Für mich ist dieser Grundsatz die Basis, von der ich ausgehe.
Wenn ich diesen Grundsatz ernst nehme, muss ich mE einer einzelnen Person das gleiche Recht auf Überleben/Rettung zugestehen wie einer Person innerhalb einer Gruppe.
D.h. für mich auch, dass die ethische Maxime in Dilemma-Situationen so lauten müsste: Wenn du die Wahl hast, entweder 1 oder 50 zu retten, ist es dir freigestellt, wen du rettest. Beide Rettungshandlungen sind gleichwertig.
Und eben nicht: Wenn du die Wahl hast, entweder 1 oder 50 zu retten, musst du die 50 retten. Die Rettung der 50 ist höherwertig.
Zum Aspekt "Minimierung der allgemeinen Überlebenschancen" ist zu sagen, dass "meine" Maxime ja keineswegs impliziert, dass in jedem Fall immer das 1 Opfer gegenüber den 50 bevorzugt wird; das wäre ja Quatsch, nur die Umkehrung der "50 vor 1"-Position. Die Maxime würde nur Handlungsspielräume eröffnen, um in solchen Dilemmata flexibel zu entscheiden und die Art der Entscheidung den Entscheidenden freizustellen.
Retter, die die Bodycount-Ethik internalisiert haben, können natürlich weiter immer die 50 retten und das 1 Opfer sterben lassen. Ich kann ja notorischen Rothaarigen-Hassern auch nicht moralisch vorwerfen, wenn sie in einer Dilemma-Situation die Rothaarigen draufgehen lassen und die Schwarzhaarigen retten (das wäre Gesinnungsethik). Beide Rettungshandlungen sind auch hier stets gleichwertig. Trotzdem möchte ich nicht in einer Gesellschaft leben, in der "Schwarzhaarige gehen vor Rothaarigen“ zur Norm erhoben wird, da dies – wie auch mE „50 gehen vor 1“ – den Grundsatz „Gleiches Recht auf Leben“ verletzt.
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Heiner Grundrechte-Fan
Anmeldungsdatum: 29.05.2006 Beiträge: 1217
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(#1007689) Verfasst am: 25.05.2008, 17:08 Titel: |
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Zitat: | Hmm ... eine Randomisierung findet aber doch bereits durch die Haarfarbe statt. Wenn Du jetzt noch eine Münze wirfst, führst Du eine erneute Randomisierung durch. |
Entscheidend ist, dass ich durch den Münzwurf meine Freiheit gegenüber der gesellschaftlich-moralischen Norm zurückgewinne, wenn die denn lautete „Lass Rothaarige eher sterben“. Genau genommen ließe mir die Norm in dieser Situation gar keine Wahl. Indem ich mich von der Norm löse, gewinne ich erst Wahlmöglichkeit. Die Anzahl der Begründungen für meine Wahl erhöht sich von der einen, die die Norm vorsieht (Schwarzhaarige sind vorzuziehen), auf unendlich mögliche (einschließlich der Möglichkeit, gar keine Begründung für meine Wahl anführen zu können).
Zitat: | Dagegen ist zwar mE nichts einzuwenden, es verbessert aber auch di Situation nicht, |
Was die Lage des Rothaarigen bzgl. der gesellschaftlichen Norm anbelangt, tut es das doch. Während die Norm das Schicksal des Rothaarigen schon entschied, ist per Münzwurf für den Rothaarigen wieder alles offen.
Zitat: | es sei denn, die Randomisierung mittels Haarfarbe enthielte systematische Fehler. Du hast natürlich extra ein Beispiel gewählt, in dem genau das vermutlich der Fall ist, denn wenn es eine Regel für die Bevorzugung Schwarzhaariger gäbe, so wäre vermutlich eine ganze Klasse von Rettungssituationen betroffen, und zudem fände die Lotterie schon sehr früh statt, was psychologisch als zynische Diskriminierung empfunden würde, selbst wenn die Farbe zuvor ausgewürfelt würde. |
Das Problem ist, dass die Diskriminierung (hier der Rothaarigen) in der gesellschaftlich-moralischen Norm (s.o.) verankert und für alle Handelnden in Dilemma-Situationen verbindliche Richtschnur wäre.
Zitat: | Nach dem oben ausgeführten scheint mir die Situation keineswegs analog: Das Zusammensein mit weiteren Personen stellt (mglw. im Gegensatz zur Haarfarbe) bereits eine gute Randomisierung dar. |
Das kannst du durchaus so sehen. Es ist dir aus meiner Sicht unbenommen, die Anzahl an Menschenleben als Zufallskriterium für deine Entscheidungen in Dilemma-Situationen zu nehmen. Umgekehrt möchte ich mir dieses Zufallskriterium aber ungern aufzwingen lassen. Ich selbst bevorzuge nämlich bei der Wahl „Rette ich die 10 oder doch lieber die 12“ als Zufallskriterium den Münzwurf. Andere mögen es vorziehen, nach Alphabet zu gehen, wieder andere retten lieber Männer als Frauen, weil sie Frauen hassen usw. All diese Kriterien sind hier legitim, weil die Art der Begründung für die Wahl in einer solchen Dilemma-Situation irrelevant ist – die alternativen Rettungshandlungen sind stets moralisch gleichwertig.
Nur weil du nach der Anzahl gehst, handeltst du moralisch nicht richtiger als jemand, der nach Alphabet geht. Mein Anliegen ist es zu betonen, dass die Art des Zufallkriteriums für Wahlentscheidungen in Dilemma-Situationen („Rette ich den oder den“) nicht normativ festgelegt werden und allen Handelnden verbindlich aufgezwungen werden darf. Der Gedanke dahinter ist, dass normativ vom „gleichen Lebensrecht für jeden“ auszugehen ist.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1007727) Verfasst am: 25.05.2008, 18:03 Titel: |
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Heiner hat folgendes geschrieben: | Entscheidend ist, dass ich durch den Münzwurf meine Freiheit gegenüber der gesellschaftlich-moralischen Norm zurückgewinne, wenn die denn lautete „Lass Rothaarige eher sterben“. Genau genommen ließe mir die Norm in dieser Situation gar keine Wahl. Indem ich mich von der Norm löse, gewinne ich erst Wahlmöglichkeit. Die Anzahl der Begründungen für meine Wahl erhöht sich von der einen, die die Norm vorsieht (Schwarzhaarige sind vorzuziehen), auf unendlich mögliche (einschließlich der Möglichkeit, gar keine Begründung für meine Wahl anführen zu können). |
Dir geht es also einerseits um die Ablehnung jeder etwaigen Norm für solche Fälle (nicht nur der offensichtlich diskriminierenden Haarfarbe), zum zweiten darum, Dich nicht entscheiden zu müssen - denn der Münzwurf macht Deine Entscheidung ja von einer Münze abhängig.
Heiner hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | es sei denn, die Randomisierung mittels Haarfarbe enthielte systematische Fehler. Du hast natürlich extra ein Beispiel gewählt, in dem genau das vermutlich der Fall ist, denn wenn es eine Regel für die Bevorzugung Schwarzhaariger gäbe, so wäre vermutlich eine ganze Klasse von Rettungssituationen betroffen, und zudem fände die Lotterie schon sehr früh statt, was psychologisch als zynische Diskriminierung empfunden würde, selbst wenn die Farbe zuvor ausgewürfelt würde. |
step hat folgendes geschrieben: | Nach dem oben ausgeführten scheint mir die [5:1] Situation keineswegs analog: Das Zusammensein mit weiteren Personen stellt (mglw. im Gegensatz zur Haarfarbe) bereits eine gute Randomisierung dar. |
Das kannst du durchaus so sehen. Es ist dir aus meiner Sicht unbenommen, die Anzahl an Menschenleben als Zufallskriterium für deine Entscheidungen in Dilemma-Situationen zu nehmen. Umgekehrt möchte ich mir dieses Zufallskriterium aber ungern aufzwingen lassen. |
Zufällig ist ja nur, ob eine hypothetische 1-Stichprobe allein oder in der Gruppe steht. Das heißt, in diesem Fall wird nicht bereits im Voraus eine bestimmte Klasse von Personen diskriminiert. Das Rothaarigen-Argument zieht hier also nicht.
Bleibt nur Dein Wunsch, Dir generell keine Richtlinien für solche Fälle aufzwingen lassen zu wollen.
Heiner hat folgendes geschrieben: | Ich selbst bevorzuge nämlich bei der Wahl „Rette ich die 10 oder doch lieber die 12“ als Zufallskriterium den Münzwurf. Andere mögen es vorziehen, nach Alphabet zu gehen, wieder andere retten lieber Männer als Frauen, weil sie Frauen hassen usw. All diese Kriterien sind hier legitim, weil die Art der Begründung für die Wahl in einer solchen Dilemma-Situation irrelevant ist – die alternativen Rettungshandlungen sind stets moralisch gleichwertig. Nur weil du nach der Anzahl gehst, handeltst du moralisch nicht richtiger als jemand, der nach Alphabet geht. |
Wie begründest Du die moralische Gleichwertigkeit gegenüber jemandem, der Deinen Münzwurf im 5:1 Fall so deuten würde, daß Du nicht das statistsch bestmögliche für ihn als hypothetisch Gefährdeten tun würdest?
Heiner hat folgendes geschrieben: | Mein Anliegen ist es zu betonen, dass die Art des Zufallkriteriums für Wahlentscheidungen in Dilemma-Situationen („Rette ich den oder den“) nicht normativ festgelegt werden und allen Handelnden verbindlich aufgezwungen werden darf. Der Gedanke dahinter ist, dass normativ vom „gleichen Lebensrecht für jeden“ auszugehen ist. |
Wenn Du „gleiches Lebensrecht für jeden“ als zentrale Begründung hinter Deiner Argumentation siehst, müßtest Du dann nicht konsequenterweise einen Münzwurf als moralisch verpflichtend ansehen? Denn nach Deiner Argumentation würde sich ja jemand, der etwa Frauen zuerst rettet, gerade nicht moralisch korrekt verhalten. Oder?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Heiner Grundrechte-Fan
Anmeldungsdatum: 29.05.2006 Beiträge: 1217
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(#1007798) Verfasst am: 25.05.2008, 20:12 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Heiner hat folgendes geschrieben: | Entscheidend ist, dass ich durch den Münzwurf meine Freiheit gegenüber der gesellschaftlich-moralischen Norm zurückgewinne, wenn die denn lautete „Lass Rothaarige eher sterben“. Genau genommen ließe mir die Norm in dieser Situation gar keine Wahl. Indem ich mich von der Norm löse, gewinne ich erst Wahlmöglichkeit. Die Anzahl der Begründungen für meine Wahl erhöht sich von der einen, die die Norm vorsieht (Schwarzhaarige sind vorzuziehen), auf unendlich mögliche (einschließlich der Möglichkeit, gar keine Begründung für meine Wahl anführen zu können). |
Dir geht es also einerseits um die Ablehnung jeder etwaigen Norm für solche Fälle (nicht nur der offensichtlich diskriminierenden Haarfarbe), |
... um eine Ablehnung einer Norm, die das infrage stehende Kriterium zu Wahl expliziert/festlegt, richtig.
Zitat: | zum zweiten darum, Dich nicht entscheiden zu müssen - denn der Münzwurf macht Deine Entscheidung ja von einer Münze abhängig. |
Das stimmt so nicht ganz. Klar bin ich es letztlich immer, der entscheidet. Wenn ich vom Münzwurf rede, kann dies auch als Metapher genommen werden. Was ich mit dem Münzwurf ausdrücken möchte, ist, dass ich letztlich eine beliebig begründete bzw. ggf. auch eine unbegründete Entscheidung treffen werde. Wie ich mich entscheiden werde, ist für mich unvorhersehbar. Keinesfalls werde ich zwingend nach Anzahl der Menschenleben entscheiden, dies kann sein, muss aber nicht. Genausogut kann ich demzufolge real eine Münze werfen.
step hat folgendes geschrieben: | Nach dem oben ausgeführten scheint mir die [5:1] Situation keineswegs analog: Das Zusammensein mit weiteren Personen stellt (mglw. im Gegensatz zur Haarfarbe) bereits eine gute Randomisierung dar. |
Zitat: | Das kannst du durchaus so sehen. Es ist dir aus meiner Sicht unbenommen, die Anzahl an Menschenleben als Zufallskriterium für deine Entscheidungen in Dilemma-Situationen zu nehmen. Umgekehrt möchte ich mir dieses Zufallskriterium aber ungern aufzwingen lassen. |
Zitat: | step
Zufällig ist ja nur, ob eine hypothetische 1-Stichprobe allein oder in der Gruppe steht. Das heißt, in diesem Fall wird nicht bereits im Voraus eine bestimmte Klasse von Personen diskriminiert. Das Rothaarigen-Argument zieht hier also nicht. |
Wenn ich im voraus normativ festlege, dass Personen, die sich allein in Gefahrensituationen befinden, zu benachteiligen sind, diskriminiere ich damit alle Personen, die dieses Kriterium erfüllen. Auch wenn diese Personen, solange sie sich nicht allein in Gefahr befinden, von dieser Diskriminierung nichts spüren und die Folgen der Diskriminierung erst dann greifen, sobald das Kriterium erfüllt ist.
Wenn die gesellschaftliche Norm keine generelle Diskriminierung von Rothaarigen vorsieht, sondern nur speziell bezogen auf Gefahrensituationen, ist dies mE ähnlich/vergleichbar. (Der Vergleich sollte der Veranschaulichung dienen, ich beharre nicht darauf, dass beide Fälle identisch sind...)
Zitat: | Bleibt nur Dein Wunsch, Dir generell keine Richtlinien für solche Fälle aufzwingen lassen zu wollen. |
Ja.
Zitat: |
Wie begründest Du die moralische Gleichwertigkeit gegenüber jemandem, der Deinen Münzwurf im 5:1 Fall so deuten würde, daß Du nicht das statistsch bestmögliche für ihn als hypothetisch Gefährdeten tun würdest? |
Wie begründet ein Medizinforscher, der gegen seltene Krankheiten forscht, um Menschen mit seltenen Krankheiten zu retten, sein Handeln gegenüber jemandem, der fragt, warum er für ihn als Gefährdetem, der wahrscheinlich eher an Krebs als an Sonnenallergie erkranken wird, nicht das statistisch Beste tut?
Nur damit, dass jeder das gleiche Recht auf Leben hat!
Ein Sonnenallergiker hat das gleiche Recht, dass finanzielle Mittel für seine Heilung eingesetzt werden, wie ein Krebskranker, selbst wenn Krebskranke die Masse bilden und die für Sonnenallergie-Forschung eingesetzten Mittel in der Krebsforschung fehlen, also selbst dann, wenn so Fortschritte bei der Bekämpfung der Massenkrankheit Krebs tendenziell dadurch ein (klein) wenig eingeschränkt sein sollten!
Jemand, der Teil einer Masse ist, hat nicht mehr Rechte als jemand, der Teil einer kleinen Minderheit ist! Statistik spielt bei der Frage „gleiches Lebensrecht für alle“ keine Rolle!
Heiner hat folgendes geschrieben: | Mein Anliegen ist es zu betonen, dass die Art des Zufallkriteriums für Wahlentscheidungen in Dilemma-Situationen („Rette ich den oder den“) nicht normativ festgelegt werden und allen Handelnden verbindlich aufgezwungen werden darf. Der Gedanke dahinter ist, dass normativ vom „gleichen Lebensrecht für jeden“ auszugehen ist. |
Zitat: | Wenn Du „gleiches Lebensrecht für jeden“ als zentrale Begründung hinter Deiner Argumentation siehst, müßtest Du dann nicht konsequenterweise einen Münzwurf als moralisch verpflichtend ansehen? |
Hm, vielleicht meinst du ja etwas Richtiges. Ich hatte oben bereits gesagt, dass für mich der Münzwurf eigentlich mehr eine Metapher ist.
Noch einmal. Meines Erachtens müsste die angemessene Norm so lauten, dass in einer Dilemma-Situation von der Art „rette ich den oder die“ jede beliebige Entscheidung moralisch legitim ist! Diese Beliebigkeit kommt einem Münzwurf gleich.
Es darf also jeder aus einer unendlichen Menge an Handlungsbegründungen eine beliebige auswählen und sich dann beliebig entscheiden.
(Moralisch legitim ist natürlich ebenso, eine reale Münze aus der Tasche zu holen und zu werfen...)
Was noch wichtig ist, festzuhalten:
Daraus ergibt sich, dass in dem beschriebenen moralischen Konzept
das Wählen nach der Bodycount-Methode ein legitimierter Sonderfall der Handlungsentscheidung ist!
Zitat: | Denn nach Deiner Argumentation würde sich ja jemand, der etwa Frauen zuerst rettet, gerade nicht moralisch korrekt verhalten. Oder? |
Halt, das gerade nicht! Dass jemand lieber Frauen rettet, ist durch die Norm gerade gedeckt, siehe oben!!!
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1007821) Verfasst am: 25.05.2008, 20:44 Titel: |
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Heiner hat folgendes geschrieben: | D.h. für mich auch, dass die ethische Maxime in Dilemma-Situationen so lauten müsste: Wenn du die Wahl hast, entweder 1 oder 50 zu retten, ist es dir freigestellt, wen du rettest. Beide Rettungshandlungen sind gleichwertig. |
Hm, am Anfang des Threads hörte sich das aber noch ganz anders an, zum Beispiel hier:
Heiner hat folgendes geschrieben: | Jedenfalls lag Precht falsch, als er meinte, dass es in dem Beispiel kein richtig und falsch gäbe.
Sowohl moralisch als auch juristisch richtig handelt, wer nicht eingreift (die Weiche nicht stellt). |
Hast Du Deine Meinung inzwischen geändert?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1007822) Verfasst am: 25.05.2008, 20:45 Titel: |
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Heiner hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Denn nach Deiner Argumentation würde sich ja jemand, der etwa Frauen zuerst rettet, gerade nicht moralisch korrekt verhalten. Oder? |
Halt, das gerade nicht! Dass jemand lieber Frauen rettet, ist durch die Norm gerade gedeckt, siehe oben!!! |
Aber würde das nicht dem "gleichen Lebensrecht für alle" widersprechen, da derjenige dadurch das Lebensrecht von Männern einschränkt? Oder siehst Du dieses "gleiche Lebensrecht für alle" nur als Deine persönliche Norm und forderst nicht, daß es allgemeine Norm sei?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Babyface Altmeister
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11519
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(#1007839) Verfasst am: 25.05.2008, 21:00 Titel: |
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Kann aus Zeitgründen leider nicht mehr auf alles hier eingehen, deshalb nur ein paar kurze Einwürfe.
Heiner hat folgendes geschrieben: |
step hat folgendes geschrieben: | Nach dem oben ausgeführten scheint mir die [5:1] Situation keineswegs analog: Das Zusammensein mit weiteren Personen stellt (mglw. im Gegensatz zur Haarfarbe) bereits eine gute Randomisierung dar. |
Zitat: | Das kannst du durchaus so sehen. Es ist dir aus meiner Sicht unbenommen, die Anzahl an Menschenleben als Zufallskriterium für deine Entscheidungen in Dilemma-Situationen zu nehmen. Umgekehrt möchte ich mir dieses Zufallskriterium aber ungern aufzwingen lassen. |
Zitat: | step
Zufällig ist ja nur, ob eine hypothetische 1-Stichprobe allein oder in der Gruppe steht. Das heißt, in diesem Fall wird nicht bereits im Voraus eine bestimmte Klasse von Personen diskriminiert. Das Rothaarigen-Argument zieht hier also nicht. |
Wenn ich im voraus normativ festlege, dass Personen, die sich allein in Gefahrensituationen befinden, zu benachteiligen sind, diskriminiere ich damit alle Personen, die dieses Kriterium erfüllen. Auch wenn diese Personen, solange sie sich nicht allein in Gefahr befinden, von dieser Diskriminierung nichts spüren und die Folgen der Diskriminierung erst dann greifen, sobald das Kriterium erfüllt ist. |
So gesehen wird eigentlich immer einer diskriminiert, nämlich der oder diejenigen die am Ende nicht gerettet werden, sei es weil sie das zuvor festgelegte Rettungskriterium nach Haarfarbe, Stichprobengröße oder Münzwurf nicht erfüllen.
Zitat: | Zitat: |
Wie begründest Du die moralische Gleichwertigkeit gegenüber jemandem, der Deinen Münzwurf im 5:1 Fall so deuten würde, daß Du nicht das statistsch bestmögliche für ihn als hypothetisch Gefährdeten tun würdest? |
Wie begründet ein Medizinforscher, der gegen seltene Krankheiten forscht, um Menschen mit seltenen Krankheiten zu retten, sein Handeln gegenüber jemandem, der fragt, warum er für ihn als Gefährdetem, der wahrscheinlich eher an Krebs als an Sonnenallergie erkranken wird, nicht das statistisch Beste tut?
Nur damit, dass jeder das gleiche Recht auf Leben hat! |
Moment mal, den Medizinforscher bzw. seine Handlung kannst Du aber nicht einfach so isoliert von der Gesamtaktivität medizinischer Forschung und dem System der Verteilung wissenschaftlicher Forschungsgelder betrachten. Jeder Mediziner, der heute an seltenen Krankheiten forscht, kann plausibel machen, dass er gerade durch seine Aktivität eher zur statistischen Optimierung des Gesamtrisikos beiträgt, weil durch seine Aktivität auch noch für seltene Ereignisse auf eine Absicherung hingearbeitet wird. So könnte er aber nicht mehr argumentieren, wenn er der einzige Mediziner auf der Welt wäre, oder wenn Forschungsgelder überproportional für die Erforschung seltener Erkrankungen verteilt würden. In so einem Fall würde ich mich dann auch nicht mehr mit der Begründung "Jeder hat das gleiche Recht auf Leben" zufrieden geben.
Heiner hat folgendes geschrieben: |
Zitat: | Denn nach Deiner Argumentation würde sich ja jemand, der etwa Frauen zuerst rettet, gerade nicht moralisch korrekt verhalten. Oder? |
Halt, das gerade nicht! Dass jemand lieber Frauen rettet, ist durch die Norm gerade gedeckt, siehe oben!!! |
Durch welche Norm? Durch die Norm "jede Entscheidunh ist legitim" ja. Durch die Norm "Jeder hat das gleiche Recht auf Leben" nicht.
_________________ posted by Babyface
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Babyface Altmeister
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11519
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(#1007841) Verfasst am: 25.05.2008, 21:02 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Heiner hat folgendes geschrieben: | D.h. für mich auch, dass die ethische Maxime in Dilemma-Situationen so lauten müsste: Wenn du die Wahl hast, entweder 1 oder 50 zu retten, ist es dir freigestellt, wen du rettest. Beide Rettungshandlungen sind gleichwertig. |
Hm, am Anfang des Threads hörte sich das aber noch ganz anders an, zum Beispiel hier:
Heiner hat folgendes geschrieben: | Jedenfalls lag Precht falsch, als er meinte, dass es in dem Beispiel kein richtig und falsch gäbe.
Sowohl moralisch als auch juristisch richtig handelt, wer nicht eingreift (die Weiche nicht stellt). |
Hast Du Deine Meinung inzwischen geändert? |
Da ging es noch um aktive Tötung. Wir sind mittlerweile bei einem Szenario, wo beide Handlungsalternativen mit keiner aktiven Tötung verbunden sind.
_________________ posted by Babyface
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Heiner Grundrechte-Fan
Anmeldungsdatum: 29.05.2006 Beiträge: 1217
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(#1007856) Verfasst am: 25.05.2008, 21:17 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Heiner hat folgendes geschrieben: | D.h. für mich auch, dass die ethische Maxime in Dilemma-Situationen so lauten müsste: Wenn du die Wahl hast, entweder 1 oder 50 zu retten, ist es dir freigestellt, wen du rettest. Beide Rettungshandlungen sind gleichwertig. |
Hm, am Anfang des Threads hörte sich das aber noch ganz anders an, zum Beispiel hier:
Heiner hat folgendes geschrieben: | Jedenfalls lag Precht falsch, als er meinte, dass es in dem Beispiel kein richtig und falsch gäbe.
Sowohl moralisch als auch juristisch richtig handelt, wer nicht eingreift (die Weiche nicht stellt). |
Hast Du Deine Meinung inzwischen geändert? |
Nö. Es geht hier nicht um das Eisenbahn-Szenario.
Ich weiß nicht, ob du den ganzen Thread gelesen hast. Ich beziehe mich hier insbesondere auf mein eigenes "Autos-überm-Abgrund"-Szenario.
Es geht in dem Szenario darum, entweder 1 Person oder 50 Personen vorm Absturz in die Tiefe zu retten.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1007858) Verfasst am: 25.05.2008, 21:21 Titel: |
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Heiner hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Hast Du Deine Meinung inzwischen geändert? |
Nö. Es geht hier nicht um das Eisenbahn-Szenario.
Ich weiß nicht, ob du den ganzen Thread gelesen hast. Ich beziehe mich hier insbesondere auf mein eigenes "Autos-überm-Abgrund"-Szenario.
Es geht in dem Szenario darum, entweder 1 Person oder 50 Personen vorm Absturz in die Tiefe zu retten. |
Okay. Das war mir nicht klar.
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Babyface Altmeister
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11519
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(#1007867) Verfasst am: 25.05.2008, 21:36 Titel: |
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Noch ein kleiner Appetithappen für den großen intellektuellen Hunger:
http://www.youtube.com/watch?v=5uP132rWhs4
Aktive Tötung?
_________________ posted by Babyface
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Babyface Altmeister
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11519
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(#1007878) Verfasst am: 25.05.2008, 21:53 Titel: |
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Wem das zu schwer im Magen liegt, kann sich ersatzweise auch folgendes anschauen:
http://www.youtube.com/watch?v=Z1wYPudFezo
_________________ posted by Babyface
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1007880) Verfasst am: 25.05.2008, 21:57 Titel: |
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War der fallengelassene Junge jetzt weniger wert als der andere?
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Babyface Altmeister
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11519
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(#1007883) Verfasst am: 25.05.2008, 21:58 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: |
War der fallengelassene Junge jetzt weniger wert als der andere?
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Also ne Münze hat sie nicht geworfen.
_________________ posted by Babyface
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1007884) Verfasst am: 25.05.2008, 21:59 Titel: |
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Babyface hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: | War der fallengelassene Junge jetzt weniger wert als der andere? |
Also ne Münze hat sie nicht geworfen. |
Haarfarbe
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1007885) Verfasst am: 25.05.2008, 22:01 Titel: |
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Babyface hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: |
War der fallengelassene Junge jetzt weniger wert als der andere?
:hmm: |
Also ne Münze hat sie nicht geworfen. |
Ja, gut. Ich kenne den Film nicht. Sagt sie hinterher, daß ihr der Junge weniger bedeutet hat, als der der überlebt hat?
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Babyface Altmeister
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11519
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(#1007892) Verfasst am: 25.05.2008, 22:13 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Babyface hat folgendes geschrieben: | zelig hat folgendes geschrieben: |
War der fallengelassene Junge jetzt weniger wert als der andere?
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Also ne Münze hat sie nicht geworfen. |
Ja, gut. Ich kenne den Film nicht. Sagt sie hinterher, daß ihr der Junge weniger bedeutet hat, als der der überlebt hat? |
Step hat ja schon alles gepetzt, es lag an der Haarfarbe. Ne, der gefallene Junge war ihr eigener Sohn, der gerettete Junge war ihr Neffe. Unmittelbar bevor die Situation entstand, hat die Mutter erfahren, dass ihr Sohn seinen Bruder ermordet hatte. Daraufhin hat der Sohn versucht die Mutter die Klippe hinunterzustoßen, was der Neffe in letzter Sekunde verhindern konnte. Während des Kampfes zwischen Sohn und Neffen rollen beide über die Klippe und die Mutter kann sie beide gerade noch an den Händen packen. Danach erfährt man nicht mehr viel. Der Neffe hat sie nie gefragt, ob sie sich nochmal so entscheiden würde.
_________________ posted by Babyface
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Heiner Grundrechte-Fan
Anmeldungsdatum: 29.05.2006 Beiträge: 1217
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(#1007906) Verfasst am: 25.05.2008, 22:53 Titel: |
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Zitat: | Aber würde das nicht dem "gleichen Lebensrecht für alle" widersprechen, da derjenige dadurch das Lebensrecht von Männern einschränkt? Oder siehst Du dieses "gleiche Lebensrecht für alle" nur als Deine persönliche Norm und forderst nicht, daß es allgemeine Norm sei? |
Ich versuche es mal in Dialogform...
Folgendes Szenario. Eine Männerhasserin kommt in die Situation, entweder 1 Frau oder 2 Männer zu retten. Aus blankem Männerhass entscheidet sich die Frau, das weibliche Opfer zu retten. Die Frau ist darüber hinaus der Auffassung, dass Männer allenfalls ein eingeschränktes Lebensrecht besitzen.
Frage an Heiner: Hat die Frau jetzt moralisch falsch gehandelt?
Antwort von Heiner: Nein, die Frau hat moralisch richtig gehandelt!
Frage: Und was ist, wenn die Frau die Männer gerettet hätte?
Antwort: Auch dann hätte sie moralisch richtig gehandelt, weil sowohl die Männer als auch die Frau das gleiche Lebensrecht besitzen!
Frage: Aber die Frau hat doch aus Männerhass gehandelt – welche Rolle spielt ihre Motivation für die moralische Beurteilung ihres Handelns?
Antwort: Keine! Die Motivation der Frau ist irrelevant, weil sie richtig gehandelt hat!
Frage: Aber es ist doch so, dass die beiden Opfergruppen hier nicht die gleichen Lebenschancen hatten, den Männern wurde von vorneherein das Lebensrecht abgesprochen, oder?
Antwort: In diesem Fall ist dies wohl richtig, da die Männer hier das Pech hatten, an eine Männerhasserin geraten zu sein.
Frage: Und ergibt sich hieraus nicht ein Widerspruch zu deinem Konzept? Du willst doch, dass allen in solchen Situationen Menschen das gleiche Lebensrecht zugestanden wird?
Antwort: Es ergibt sich kein Widerspruch. Den nach meinen Vorstellung wird ja allen das gleiche Lebensrecht zugestanden, und zwar normativ! Dies ist entscheidend für die Beurteilung des Handelns in derartigen Dilemma-Situationen, nämlich in der Weise, dass jede Entscheidung immer richtig ist. In diesem Fall war also die Entscheidung der Frau richtig. Hätte sie anders entschieden, wäre dies auch richtig gewesen.
Frage: Also normativ haben alle das gleiche Lebensrecht. Ja, schön, aber wir hatten doch gesehen, dass in dieser Situation konkret die Männer nicht die gleichen Lebenschancen hatten? Was nützt mir dann die Norm?
Antwort: Sehr viel. Die moralische Gemeinschaft kann nun einmal keine Gedankenkontrolle ausüben. Die moralische Gemeinschaft kann nicht die männerfeindlichen Gedanken einer Männerhasserin ausmerzen und dafür Sorge tragen, dass in einer Dilemma-Situation die Chancen der Männer auf Rettung etwas besser stehen.
Alles, was die Gemeinschaft kann, ist, Normen aufzustellen. Und qua diesen Normen kann sie jedem Individuum das gleiche Lebensrecht zusprechen, jedenfalls nach meinen Vorstellungen. In diesem Fall ist festzuhalten, dass sich die Gemeinschaft (nach meinen Vorstellungen) die Auffassung der Männerhasserin, Männer sollten bei Rettungen benachteiligt werden, ausdrücklich nicht (!) zu eigen macht. Dann würde die Norm nämlich lauten: Bei Rettungen sind immer Frauen zu bevorzugen. Die Norm lautet aber: In einer Dilemma-Situation ist jede Entscheidung für die Rettung der einen oder der anderen Opfergruppe moralisch richtig und gleichwertig, egal, ob es sich um Männer, Frauen, Kinder usw., um eine oder mehrere Personen usw. handelt.
Als wichtigste Leistung der Norm ergibt sich, dass nie jemandem ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, weil er diesen und nicht jenen gerettet hat.
Frage: Noch einmal zurück zur Männerhasserin. Genügte sie der Norm oder stand sie im Widerspruch zur Norm?
Antwort: In gewisser Weise ist dies paradox: Obwohl die Frau subjektiv sogar wider den Geist der Norm handelte, indem sie Männern das Lebensrecht absprach, genügte sie objektiv der Norm, da sie im Sinne der Norm richtig handelte. Die Motivation spielt, wie bereits gesagt, keine Rolle für die Beurteilung der Tat, selbst dann nicht, wenn die Täterin gedanklich die Norm ablehnt. Eine weitere vielleicht paradox erscheinende Folge ergibt sich aus der Norm: Auch dann, wenn sich Frauen aus einem unerfindlichen Grund dazu entscheiden sollten, künftig nur noch Frauen statt Männer zu retten, ist die Norm, das Männer das gleiche Lebensrecht wie Frauen haben, davon nicht berührt. Wenn nämlich gilt, dass es genauso richtig ist, Frauen zu retten wie Männer, gibt es keinen rationalen Grund, es Handelnden zum Vorwurf zu machen, wenn sie IMMER Frauen retten.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1007946) Verfasst am: 26.05.2008, 00:05 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Heiner hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Hast Du Deine Meinung inzwischen geändert? |
Nö. Es geht hier nicht um das Eisenbahn-Szenario.
Ich weiß nicht, ob du den ganzen Thread gelesen hast. Ich beziehe mich hier insbesondere auf mein eigenes "Autos-überm-Abgrund"-Szenario.
Es geht in dem Szenario darum, entweder 1 Person oder 50 Personen vorm Absturz in die Tiefe zu retten. |
Okay. Das war mir nicht klar. |
Nochmal dazu: das ist doch dann wohl vergleichbar mit einer Triage-Situation, oder nicht?
Wikipedia: Triage hat folgendes geschrieben: | Die heute allgemein verwendeten Regeln für die Triage bei Massenanfall von Betroffenen sind darauf ausgerichtet, dass möglichst viele Personen das Ereignis mit möglichst wenig Schaden überstehen. Man versucht also, das bestmögliche Ergebnis für das Kollektiv der Geschädigten zu erzielen, wobei das Interesse des Einzelnen unter Umständen zurückstehen muss. Intensive Maßnahmen bei wenigen schwer Geschädigten binden möglicherweise Kapazitäten, die zur Versorgung vieler Anderer verwendet werden könnten. Man wird daher jene, deren Situation von vornherein aussichtslos scheint, eher schmerzstillend als intensivmedizinisch behandeln, bis andere, deren Prognose vor Ort besser erscheint, versorgt sind. Dieses zeitweilige Aufgeben der Individualmedizin, die im Gesundheitssystem einer modernen Gesellschaft Standard ist und die Einteilung in Behandlungsprioritäten oder auch Sichtungskategorien ist eine ethisch schwierige Aufgabe und Herausforderung. |
Du lehnst eine solche Regelung aus prinzipiellen Gründen ab, richtig?
Ich würde mir wünschen, dass, wenn ich oder Bekannte / Verwandte Betroffene / Verletzte in einem solchen Falle wären, so wie beschrieben vorgegangen würde, weil dadurch meine / ihre Überlebenschancen maximiert würden.
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Babyface Altmeister
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 11519
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(#1008013) Verfasst am: 26.05.2008, 08:31 Titel: |
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@ Heiner
Das Problem besteht darin, dass aus der Norm "Jeder hat das gleiche Recht auf Leben" eben nicht so einfach folgt, dass, in einer solchen Dilemma-Situation jede Entscheidung legtitim ist, da mit jeder Entscheidung immer eine Verletzung des Rechts auf Leben verbunden ist. Rette ich den einen, verletzte ich das Lebensrecht des anderen. Deshalb könnte jemand zu Recht einwenden, dass bei dieser Entscheidung das Lebensrecht des einen über das des anderen gestellt wurde und damit die Norm verletzt sei. Man könnte sogar zynisch einwenden, dass die Norm nur dadurch zu erfüllen wäre, indem er beide sterben lässt. Damit wird zwar die Norm "Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben" verletzt, aber die wird auch bei den anderen beiden Entscheidungen verletzt.
Etwas anders verhält sich das mit der Norm "Jeder soll diesselbe Chance haben, gerettet zu werden". Diue wird nicht zwangsläufig durch eine Entscheidung zugunsten des einen oder des anderen verletzt. Die Frage ist halt, wodurch wird sie verletzt, bzw. wie wird "gleiche Chance" definiert. Man könnte durchaus argumentieren, dass die Chance für Männer und Frauen gleich ist, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass das Merkmal "Frauen- vs Männerbevorzugung" in der Population gleich verteilt ist, so dass jeder Mann und jede Frau diesselbe Chance hat an einen Frauen- bzw. Männerbevorzuger zu geraten. Man darf getrost davon ausgehen, dass diese Voraussetzung je nach Population für eine Reihe von Merkmalen nicht erfüllt ist (z.b. Hautfarbe, Migrationshintergrund, Alter). Und dann finde ich es für solche Merkmale legitim, wenn die Gesellschaft die Individuen zu einem Ausgleich verpflicht, indem sie bestimmte Handlungsergebnisse auch im Lichte der zugrundeliegenden Motivation bewertet, bzw. bestimmte Handlungen nur in Abwesenheit bestimmter Motivationslagen in Bezug auf das Merkmal für moralisch legitim erklärt. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie das unter Androhung strafrechtlicher Konsequenzen durchsetzen muss.
_________________ posted by Babyface
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Argáiþ dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 27.01.2007 Beiträge: 12486
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(#1008054) Verfasst am: 26.05.2008, 10:24 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Heiner hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Denn nach Deiner Argumentation würde sich ja jemand, der etwa Frauen zuerst rettet, gerade nicht moralisch korrekt verhalten. Oder? |
Halt, das gerade nicht! Dass jemand lieber Frauen rettet, ist durch die Norm gerade gedeckt, siehe oben!!! |
Aber würde das nicht dem "gleichen Lebensrecht für alle" widersprechen, da derjenige dadurch das Lebensrecht von Männern einschränkt? Oder siehst Du dieses "gleiche Lebensrecht für alle" nur als Deine persönliche Norm und forderst nicht, daß es allgemeine Norm sei? |
Hier geht es nicht um das Lebensrecht, das ist für alle gleich, sondern darum, wer 'beschützenswerter' ist.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1008081) Verfasst am: 26.05.2008, 11:14 Titel: |
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Ein mE ganz interessanter Artikel in diesem Zusammenhang.
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Argáiþ dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 27.01.2007 Beiträge: 12486
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(#1008172) Verfasst am: 26.05.2008, 14:00 Titel: |
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Ja, wie gesagt könnte man aus einem radikalen Utilitarismus auch folgern, dasse s moralisch geboten sei, Menschen auf der Straße rauszupicken und an ihnen letale Versuche durchzuführen, zum Wohle einer Mehrheit. Das wäre natürlich kein Zustand. Man könnte da im Ansatz eine Möglichkeit vermuten, dies durch logisch-ethische Reglementierung, etwa durch das Egoismusprinzip, zu lösen, aber ich denke, dass man hier immer auf Widersprüche im Zsmhg mit Notwehr- und Abwägungssituationen stoßen wird.
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Heiner Grundrechte-Fan
Anmeldungsdatum: 29.05.2006 Beiträge: 1217
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(#1008184) Verfasst am: 26.05.2008, 14:30 Titel: |
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Zitat: | Babyface
@ Heiner
Das Problem besteht darin, dass aus der Norm "Jeder hat das gleiche Recht auf Leben" eben nicht so einfach folgt, dass, in einer solchen Dilemma-Situation jede Entscheidung legtitim ist, |
Doch, genau das ist der Zusammenhang: Aus dem Grundsatz „gleiches Recht auf Leben“ folgt, dass jede Entscheidung gleich legitim ist.
Zitat: | da mit jeder Entscheidung immer eine Verletzung des Rechts auf Leben verbunden ist. Rette ich den einen, verletzte ich das Lebensrecht des anderen. |
Nein, denn das Lebensrecht eines Menschen verletze ich nur dann aktiv, wenn ich die Möglichkeit zu helfen habe und die Hilfe unterlasse. In dem Moment, wo ich dem einen Opfer helfe, kann ich in der Dilemma-Situation dem anderen nicht mehr helfen. Mangels Möglichkeit kann keine Rede davon sein, dass ich das Lebensrecht eines der Opfer verletze. Der Grundsatz „gleiches Lebensrecht“ bleibt gewahrt, sobald ich einem der Opfer helfe.
Der Grundsatz wäre dann verletzt, wenn ich beiden Opfergruppen zusammen (!) helfen könnte, aber nur der einen tatsächlich helfen würde.
Zitat: | Deshalb könnte jemand zu Recht einwenden, dass bei dieser Entscheidung das Lebensrecht des einen über das des anderen gestellt wurde und damit die Norm verletzt sei. |
Nein, könnte er nicht, siehe oben. Beiden Opfern wird das gleiche Lebensrecht zugestanden.
Zitat: | Man könnte sogar zynisch einwenden, dass die Norm nur dadurch zu erfüllen wäre, indem er beide sterben lässt. Damit wird zwar die Norm "Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben" verletzt, aber die wird auch bei den anderen beiden Entscheidungen verletzt. |
Nein, das wäre die einzige Möglichkeit in dem Dilemma, falsch zu handeln. Hier hätte ich Möglichkeiten zu helfen, nutze sie aber erst gar nicht. Ich verletze somit das Lebensrecht der Opfer.
Das fiele juristisch schlicht unter unterlassene Hilfeleistung. Moralisch richtig handele ich, wenn ich mein Menschenmögliches tue und einem der Opfer helfe (egal welchem).
Zitat: | Etwas anders verhält sich das mit der Norm "Jeder soll diesselbe Chance haben, gerettet zu werden". Diue wird nicht zwangsläufig durch eine Entscheidung zugunsten des einen oder des anderen verletzt. Die Frage ist halt, wodurch wird sie verletzt, bzw. wie wird "gleiche Chance" definiert. Man könnte durchaus argumentieren, dass die Chance für Männer und Frauen gleich ist, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass das Merkmal "Frauen- vs Männerbevorzugung" in der Population gleich verteilt ist, so dass jeder Mann und jede Frau diesselbe Chance hat an einen Frauen- bzw. Männerbevorzuger zu geraten. Man darf getrost davon ausgehen, dass diese Voraussetzung je nach Population für eine Reihe von Merkmalen nicht erfüllt ist (z.b. Hautfarbe, Migrationshintergrund, Alter). |
„Chancen“ kann ich aber nicht normativ festschreiben, sondern nur Rechte.
Ich kann nicht verlangen, dass der Gesetzgeber mir garantiert, dass ich in einem Rettungsdilemma die gleiche Wahrscheinlichkeit habe, gerettet zu werden wie ein anderes Opfer. Das ist ein Wunsch ans Schicksal, aber nicht an den Gesetzgeber. So möge das Schicksal verhüten, dass ich in einem Rettungsdilemma je an eine Frau gerate, die Männer hasst. Meine Chance auf Rettung würde in dem Fall möglicherweise drastisch sinken. Was ich vom Gesetzgeber verlange, ist, dass er mir das gleiche Recht auf Rettung zuspricht wie einem anderen, weiblichen Opfer. Dabei gibt es durchaus einen Zusammenhang zwischen Rechten und Chancen. In einer Gesellschaft, in der die Norm gilt, das Männer genauso das Recht auf Rettung haben wie Frauen, ist damit zu rechnen, dass viele Handelnde diese Norm verinnerlichen und ihr Handeln danach ausrichten. Meine Chance, dass mein Retter bzw. Retterin die Rettungsentscheidung nicht vom Geschlecht abhängig macht, dürfte sich damit erhöhen. Eine Garantie darauf, dass dies nicht eintritt, gibt es aber nicht.
Zitat: | Und dann finde ich es für solche Merkmale legitim, wenn die Gesellschaft die Individuen zu einem Ausgleich verpflicht, indem sie bestimmte Handlungsergebnisse auch im Lichte der zugrundeliegenden Motivation bewertet, bzw. bestimmte Handlungen nur in Abwesenheit bestimmter Motivationslagen in Bezug auf das Merkmal für moralisch legitim erklärt. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie das unter Androhung strafrechtlicher Konsequenzen durchsetzen muss. |
Die Erforschung der Motivation für eine Rettungshandlung in Dilemma-Situationen ist weder möglich noch nötig.
Wer wollte bspw. die unbewussten Motive bis in den letzten Gedankenwinkel durchleuchten, die eine Person zu einer bestimmten Entscheidung in einem Rettungsdilemma geführt haben? Vielleicht handelt es sich ja bei einer Retterin um eine latente Männerhasserin, die sich ihrer Antipathien gar nicht bewusst ist? Für die moralische Beurteilung der Tat ist dies irrelevant.
Nötig ist die Einbeziehung der Motivation deshalb nicht, da es hier um zwei Handlungsalternativen geht, von denen jede so richtig wie die andere ist. Auch, wenn man Richtiges aus falschen Motiven heraus tut (wie vielleicht eine männerhassende Retterin), bleibt die Tat richtig.
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