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Agnost dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 12.11.2006 Beiträge: 5618
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(#1019636) Verfasst am: 10.06.2008, 11:12 Titel: Gehört Kemals "Ata" Türkei in die EU? |
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Atatürk war kein Faschist, eher so ein Gaulist und Titoist "Avant le Lettre".
Autokratisch aber pragmatisch, nicht wirklich Antidemokratisch aber eben noch kein "richtiger" Demokrat.
Meine Fragestellung ist absichtlich so offen gestellt, wie ich es nur kann.
Ich habe nur eine Bitte:
Kein Sexismus, kein Rassismus und kein K(l)as(s)(t(enhass.
Agnost
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Mario Hahna aktiviert
Anmeldungsdatum: 04.04.2005 Beiträge: 9607
Wohnort: München
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(#1019648) Verfasst am: 10.06.2008, 11:24 Titel: |
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Eine Nergalfrage?
_________________ Wer nichts weiß, glaubt alles.
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Agnost dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 12.11.2006 Beiträge: 5618
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(#1019649) Verfasst am: 10.06.2008, 11:26 Titel: |
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Mario Hahna hat folgendes geschrieben: | Eine Nergalfrage? |
Mal abgesehen, dass ich nicht alle Nergalfragen gut finde und auch nicht alle schlecht finde, ist das eine Agnostfrage.
Agnost
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Mario Hahna aktiviert
Anmeldungsdatum: 04.04.2005 Beiträge: 9607
Wohnort: München
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(#1019657) Verfasst am: 10.06.2008, 11:38 Titel: |
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Ist das eine hypothetische Frage?
_________________ Wer nichts weiß, glaubt alles.
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1019662) Verfasst am: 10.06.2008, 11:47 Titel: |
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Mario Hahna hat folgendes geschrieben: | Ist das eine hypothetische Frage? |
ist das eine rhetorische frage?
ich denke ein derart nationalistischer staat hätte bessere chancen als ein islamischer gottesstaat, welcher die andere der beiden in der türkei derzeit möglichen varianten wäre.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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Agnost dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 12.11.2006 Beiträge: 5618
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(#1019663) Verfasst am: 10.06.2008, 11:48 Titel: |
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Mario Hahna hat folgendes geschrieben: | Ist das eine hypothetische Frage? |
Nein, eine offene Frage.
Ich bin total gespalten.
Und hoffe ateyim nimmt sich der an.
Agnost
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Spartacus Leto Ist hier raus!
Anmeldungsdatum: 27.08.2005 Beiträge: 5659
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(#1019837) Verfasst am: 10.06.2008, 15:45 Titel: |
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EU, wer mit Vernunft will schon in die EU?
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1019847) Verfasst am: 10.06.2008, 15:53 Titel: |
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Agnost hat folgendes geschrieben: | Mario Hahna hat folgendes geschrieben: | Ist das eine hypothetische Frage? |
Nein, eine offene Frage.
Ich bin total gespalten.
Und hoffe ateyim nimmt sich der an.
Agnost |
haettest du damit nicht am Wochenende kommen können ? Da werde ich gewiss was zu sagen, aber es ist sooooooooo komplex.
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Botschafter Kosh auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 26.11.2007 Beiträge: 3972
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(#1019917) Verfasst am: 10.06.2008, 17:27 Titel: |
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Laizismus ist eine feine Sache und würde Europa nicht schlecht stehen.
Frankreich und die Türkei sind sich da ähnlich.
Leider schaffen es die Religionen immer wieder, diese Prinzipien zu unterlaufen.
Die staatliche Kontrolle der Religionen muss sicher gestellt sein. Die Türkei ist ein Paradebeispiel dafür, wie so ein Konflikt zwischen einer starken Religionsgemeinschaft und dem Staat, repräsentiert durch seine Organe, immer wieder auflebt und niedergehalten werden muss.
Es gilt daher, die religiösen Strukturen eben nicht nur staatlich zu trennen und zu kontrollieren, sondern dafür zu sorgen, dass damit keinerlei Macht ausgeübt werden kann.
Salange die Türkei das schafft, ist sie ein Kandidat für Europa.
mfg Kosh
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1020134) Verfasst am: 10.06.2008, 21:45 Titel: |
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Eine sehr allgemeine Frage, wie du auch selbst dir eingestehst, @agnost
Einige Gegner türkischer Europabemühungen, führen immer die geographischen Voraussetzungen an, um eine Ablehnung einer türkischen Mitgliedschaft auf die vermeintlich einfachste Art zu begründen. Wir Türken versuchen selbst noch nicht einmal die Kontinentalgrenze zu “türken”, sondern werben auch noch touristisch damit, dass Istanbul die einzige Stadt der Welt ist, die auf zwei Erdteilen liegt. Es ist Fakt, dass nur 3% der Türkei in Europa liegen… aber reicht das als Argument?
Ich denke nicht, denn wenn sich die Geschichte anders entwickelt haette, ohne Seldschucken und Osmanen und es waeren in Anatolien kleinere Staatsgebilde aus den z.B. genuesischen und venezianischen Kolonien am Schwarzen Meer entstanden, dann bezweifle ich, dass man die Geographie als Grund für eine Absage überhaupt nennen würde.
Ein grosser Fehler, den man im “Westen” gerne begeht, ist der, in Atatürk den Mann zu sehen, der als erster die Türken gen Westen geführt hat…. als Mehmet II. Konstantinopel 1453 eroberte, sah er sich nicht als Eroberer, der etwas beseitigt hat und nun etwas neues beginnt. Er sah sich als Fortführer, als Erneuerer des Römischen Reiches, galt Konstantinopel doch als das Nova Roma, und in seiner Überzeugung, dass der Islam die wahre Religion ist unter der alle Christen, Juden und Moslems zusammenleben sollten, musste man seine Thronbesteigung doch in Europa feiern (die Abgabe der Sondersteuer für die anderen Religionsgemeinschaften als Unrecht anzusehen lag ausserhalb seiner Weltvorstellung). Zudem hatten schon vor der Eroberung Konstantinopels osmanische Sultane byzantinische Prinzessin geheiratet und darin sah man auch die Berechtigung das Byzantinische (Römische)-Reich beerben zu können. Am Tag nach der Eroberung schickte Mehmet II. sogar an den Papst und andere Königshaeuser Briefe, in denen er sie einlud sich unter seinen Schutz zu stellen… verrückt aus heutiger Sicht….in seinen Augenaber , nachdem er sich den Titel Caesar von Rom gegeben hatte, nur eine notwendige Konsequenz.
Wer nun meint, dass die Osmanen rein islamisch-orientalisch gepraegt waren und versuchten dies nach Europa zu tragen, sieht die Sache zu einseitig. Man liess alle bekannten berühmten philosophischen und naturwissenschaftlichen Werke aus dem lateinischen und griechischen ins Arabische übersetzen, am osmanischen Hof waren venezianische Gelehrte in Diensten, aber auch Künstler. Das Bild eines orientalischen Palastes wird im Westen gern auf ein Harem reduziert und jede andere Option weggeblendet.
Das grosse Problem des Osmanischen Reiches war von Anfang an seine Grösse. Es gab zu wenig Türken, um ein so grosses Reich verwalten zu können. Es konnte nur funktionieren, wenn man eroberte Gebiete wirklich “befriedete”, Es musste reichen, dass nur wenige Soldaten in den Gebieten für Ruhe sorgen.
Eine Massnahme waren Umsiedlungen…. viele Serben, Bulgaren, Rumaenen, Griechen und Albaner wurden nach Anatolien gebracht (viele auch nach Istanbul) und türkische Bauern in die europaeischen Gebiete… es musste eine Durchmischung stattfinden, Verheiratungen untereinander, damit die nationale Identitaet immer mehr an Bedeutung verliert.
Ca. 200000 Juden nahm das Osmanische Reich zu Zeiten der Inquisition in Spanien auf, es wurden extra Schiffe hingeschickt, die meisten wurden dann erstmal in den nordafrikanischen Gebieten angesiedelt, der Rest vornehmlich in Istanbul.
In Europa sah man in den Türken immer Zentralasiaten, die als Eroberer in ihr Kontinent einfielen, die Türken sahen schon in osmanischen Zeiten sich AUCH als Europaeer.
Das osmanische Reich hatten aber mit Problemen zu kaempfen… es versuchte den Spagat zwischen islamischer Grundstruktur und Europas Modernisierung, und dies klappte nicht. Selbst der Sultan war manchmal nicht in der Lage sich über Missbilligungen seitens der Religionsgelehrten hinwegzusetzen.
Dann kam die Phase, in der das Reich nicht mehr wuchs, und die militaerische Überlegenheit bröckelte… gepaart mit dem Aufkeimen des Geistes von Nationalstaaten in Europa und mit den Kolonialansprüchen von England und Frankreich (spaeter auch Deutschland und Russland) hatte dieses Reich, das es nicht geschafft hatte, als europaeischer Spieler in der Politik akzeptiert zu werden keine Chance. Es wurde zum Spielball, es kam auch zum Aufkeimem eines Nationalgefühls bei den Türken… man wollte sich abgrenzen von den anderen Volksgruppen im osmanischen Reich… es wurde nicht mehr als Bereicherung empfunden, dass im Istanbul des Jahres 1900 deutlich mehr Christen und Juden lebten als Moslems. Progrome, Vertreibungen und Morde verübt von Türken an osmanischen Mitbürgern waren vor allem unter der Regierung der Jungtürken die Folge.
Nach all diesen Jahrhunderten kann man den Türken jegliches Anrecht sich als Teil Europas zu fühlen nicht absprechen..Es heisst nicht, dass man sie mit offenen Armen aufnehmen sollte, aber man sollte es bitteschön sich nicht mit einer geographischen Trennlinie allzu leicht machen. Türken empfinden sich laengst nicht mehr als Zentralasiaten, schon gar nicht als Araber.
Kommen wir nun zu Atatürk…
Ich kann ihm wegen vor allem einer Sache nur Bewunderung entgegenbringen:
aehnlich wie das Deutsche Reich mussten die Osmanen nach der Niederlage im 1.Weltkrieg einen Vertrag unterschreiben, der es in sich hatte, den Vertrag von Sevres:
Das Reich wurde auf ein kleines anatolisches Gebiet in Anatolien reduziert.
Zitat: | Durch den Vertrag von Sèvres verlor das Osmanische Reich einen Großteil seines Territoriums – Hedschas (jetzt Teil Saudi-Arabiens), Armenien und Mesopotamien sollten unabhängig werden. Kurdistan sollte erst autonom werden und gemäß Artikel 64 danach eventuell die Unabhängigkeit erlangen. Später sollten die Kurden in Mosul über den Anschluss an einen kurdischen Staat entscheiden. In Palästina sollte die "Nationale Heimstätte für das Jüdische Volk" entstehen und zu diesem Zweck Juden in diesem Gebiet angesiedelt werden. | (wiki)
Wenn man sich einige Kommentare von Beteiligten dieser Konferenz in Sevres dazu durchliest, kommt deutlich zum Vorschein, dass es hier nicht um eine zeitlich begrenzte Besetzung ging:
Zitat: | Die harten Bedingungen des Vertrags von Sèvres hatten mehrere Gründe. Dazu wurden die Massaker an Armeniern, die Erinnerung der Alliierten an die verlustreiche Dardanellenschlacht von 1915, das Bestreben der Siegermächte das Osmanische Reich aufzuteilen, was bereits vor und während des Krieges in geheimen Verhandlungen beschlossen worden war und das jahrhundertelange Vorhaben, die Türken aus Europa zu verdrängen, gezählt. Lloyd George äußerte, der Krieg und die Niederlage der Türken habe die Gelegenheit gebracht, dieses "Problem ein für allemal zu erledigen".[4] Die Alliierten hatten am 18. Dezember 1916 US-Präsident Wilson mitgeteilt, die "Völker zu befreien, die der blutigen Tyrannei der Türken unterworfen waren."[5] Der französische Außenminister hatte am 10. Januar 1917 erklärt: "Die hohen Kriegsziele schließen die Befreiung der Völker ein, die gegenwärtig der mörderischen Tyrannei der Türken unterworfen sind, und die Verdrängung des Osmanischen Reiches, das der westlichen Zivilisation so vollständig fremd ist, aus Europa".[6]
Äußerungen wichtiger alliierter Staatsmänner zum Vertrag von Sèvres waren: "Wenn die Friedensbedingungen verkündet werden, wird man sehen, zu welch harten Strafen die Türken wegen ihrer Verrücktheit, ihrer Blindheit und ihrer Morde verurteilt werden... Die Strafen werden so fürchterlich sein, dass selbst ihre ärgsten Feinde zufriedengestellt sein werden." (Lloyd George)[7] Curzon bezeichnete die Türkei in einer Erklärung vom 4. Juli 1919 als "einen Verbrecher, der auf seine Aburteilung wartet".[8] "Was mit Mesopotamien geschehen wird, muss in den Sitzungen des Friedenskongresses entschieden werden, aber eines wird nie geschehen. Es wird niemals wieder der verdammten Tyrannei des Türken überlassen." (Lloyd George, 20. Dezember 1917) |
Ich habe meine Zweifel, ob die Verbrechen an den Armeniern der Grund für diese Haerte waren, oder die Ziele, die man im Nahen Osten verfolgte, denn nun war der Nahe Osten endlich nicht mehr osmanisch. Syrien, Irak, Libanon, das heutige Israel, die Staaten der Arabischen Halbinsel konnten nach dem Gutdünken der Englaender und Franzosen entstehen.
Es waere im Hinblick auf diesen Vertrag nun nur allzu verstaendlich gewesen, dass die Gegenregierung in Ankara, die diesen Vertrag, den der Sultan unterschreiben liess, nie anerkannte und den Freiheitskampf forcierte, der dann 1923 mit der Befreiung und der Gründung der türkischen Republik endete, einen Hass auf Europa propagiert, dieses Europa, dass die Türken von der Karte verschwinden lassen wollte und nichts mehr mit diesen Staaten zu tun haben will und sich seiner Wurzeln besinnt.
(Man vergleiche dies nur mal mit den Reaktionen in Deutschland gegen den Versailler Vertrag, der Deutschland nicht von der Karte tilgen wollte, und was auf ihm in den darauffolgenden Jahren gedeihen konnte)
Aber welche Alternative ausser Europa gab es…. die neuen arabischen Staaten mochten die Osmanen eh nicht und hatten eh damit zu kaempfen, dass Englaender und Franzosen ihre Versprechen nicht hielten und sich nur um ihre eigenen Vorteile in den erdölreichen Laendern scherten. Die Brüdervölker (Aserbaidschan, Turkmenistan etc.) Richtung Osten waren Teil der UdSSR und im Grunde fremd, man hatte mit ihnen nur noch einen geringen Kontakt waehrend der Jahrhunderte in Europa gepflegt.
Es konnte NUR mit Europa gehen. Mit dem Europa, dessen Werte und Ideale Atatürk schon vor dem 1.Weltkrieg schaetzen gelernt hatte, und er verfolgte dieses Ziel trotz allen Hasses, der den Türken entgegenschlug weiter.
Einführung der lateinischen Schriftzeichen, Abschaffung des Kalifats, Beschneidung der Macht der religiösen Geistlichkeit (gegen einen Putschversuch seitens der protestierenden Muslime nach Abschaffung des Kalifats und Verbannung der Sultansfamilie ging er mit aller diktatorischer Brutalitaet vor), Einführung einer neuen Kleiderordnung westlichen Stils und und und…
er versuchte auch von oben eine neue Identitaet zu schaffen: Türke ist, wer in der Türkei lebt, egal welcher ethnischer Herkunft er ist. Dass man diese Herkunft aber nicht als zweitrangig betrachten sondern völlig vergessen sollte, (z.B. nur noch türkisch sprechen) ging aber eindeutig zu weit.
es war eine Revolution von oben, es war nur durch eine lange Phase der Regierung seitens einer Einheitspartei möglich. Geschickt schaffte Atatürk auch die Voraussetzungen, dass die Türkei nach seinem Tod aus dem 2.Weltkrieg sich heraushalten konnte.
Ich breche nun mal ab
… aber ich wollte mit einem Blick in die Geschichte deutlich machen, dass es für die Türken nur Europa geben kann. Sicherlich heisst dies nicht, dass man den Türken zuliebe hier und da mal ein Auge zudrücken sollte…. was ich schreibe soll auch nicht heissen, dass die Türkei unbedingt in die EU muss, die Idee einer privilegierten Partnerschaft sollte man vernünftig diskutieren können. Was wichtig ist, ist, dass Europa die Türken nicht vor den Kopf stossen sollte und mit orientalischem Verhandlungsgeschick niemals den Eindruck vermitteln sollte, dass man sie nicht als Europaeer sieht. Der Vorschlag von Sarkozy, den Türken einen Mittelmeerverbund mit den nordafrikanischen Staaten anzubieten, kann die Türken nur vor den Kopf stossen, denn wieder einmal sieht Europa sie damit als "andere Araber" sieht, aber nicht als Europaeer.
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beachbernie male Person of Age and without Color
Anmeldungsdatum: 16.04.2006 Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii
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(#1020274) Verfasst am: 10.06.2008, 23:01 Titel: Re: Gehört Kemals "Ata" Türkei in die EU? |
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Agnost hat folgendes geschrieben: | Atatürk war kein Faschist, eher so ein Gaulist und Titoist "Avant le Lettre".
Autokratisch aber pragmatisch, nicht wirklich Antidemokratisch aber eben noch kein "richtiger" Demokrat.
Meine Fragestellung ist absichtlich so offen gestellt, wie ich es nur kann.
Ich habe nur eine Bitte:
Kein Sexismus, kein Rassismus und kein K(l)as(s)(t(enhass.
Agnost |
Hallo Agnost,
Eine Tuerkei, die nach den Vorstellungen heutiger Kemalisten gestaltet ist, hat tatsaechlich in der EU nichts verloren und wuerde eindeutig die Beirittsbedingungen verfehlen. Die Beitrittsbedingungen verlangen naemlich die Notschlachtung etlicher kemalistischer "heiliger Kuehe". So muss z.B. insbesondere der Strafrechtsparagraph gegen die "Beleidigung des Tuerkentums" verschwinden, der in der Praxis die Leugnung eines Voelkermords zur Pflicht macht und der zum "Eingemachten" der Kemalisten zaehlt und die Armee muesste als bestimmender politischer Faktor in der Tuerkei ausgeschaltet werden. Eine Armee, die jedesmal, wenn ihr politisch was nicht passt, damit droht zu putschen vertraegt sich nun mal nicht mit den Grundsaetzen der EU.
Leider ist vielen Leuten hier, aufgrund ihrer islamophoben Grundeinstellung, der Blick fuer die antidemokratischen Traditionen tuerkischer Nationalisten verstellt. Man nimmt diese deshalb vor allem als Verbuendete im Kampf gegen alles, was mit Islam zu tun hat, wahr und unterstuetzt sie blind. Bemerkenswerterweise wurde Erdogan von vielen tuerkischen Menschenrechtlern, u.a. aus dem armenischen Landesteil, unterstuetzt und zwar nicht weil man unkritisch gegenueber der islamistischen Wurzeln der AKP waere, sondern weil man weiss, dass unter der Knute der kemalistischen Nationalisten die Menschenrechte fuer nichttuerkische Minderheiten zwangslaeufig ganz uebel unter die Raeder kommen muessten. Einen EU-Beitritt koennte man sich dann, aus den erwaehnten Gruenden, ohnehin abschminken. Insofern ist ein Erdogan, der einen EU-Beitritt anstrebt und deshalb versucht die Beitrittsbedingungen zu erfuellen, was sich zwangslaeufig positiv auf die Menschenrechtssituation auswirken muss, tatsaechlich das kleinere Uebel im Vergleich zu den Kemalisten.
Gruss, Bernie
_________________ Defund the gender police!!
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Agnost dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 12.11.2006 Beiträge: 5618
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(#1020399) Verfasst am: 11.06.2008, 03:46 Titel: |
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ateyim,
danke für deine Darstellungen.
Ich werde heute nicht mehr vertieft darauf eingehen können, aber die "Geographische Ausgrenzung lasse ich auch nicht gelten. Die würde auch Armeninien, Georgien und Aserbaidschab ziemlich willkürlich ausgrenzen.
Meine Angst besteht eher darin, ob die EU in den nächsten 20-30 Jahren in der Lage ist, die Türkei wirtschaftlich zu integrieren und ob die ländliche Türkei schon bereit ist für die EU.
Agnost
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chiring Asatru
Anmeldungsdatum: 11.08.2005 Beiträge: 1694
Wohnort: Westfalen
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(#1020402) Verfasst am: 11.06.2008, 04:47 Titel: |
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Botschafter Kosh hat folgendes geschrieben: |
Frankreich und die Türkei sind sich da ähnlich. |
Seh ich nicht, das sie sich ähnlich sind.
Im Gegenteil. Ganz andere politische Voraussetzungen, andere Wirkkräfte, anderer Halt in der Bevölkerung, andere geschichtliche Entwicklungen, anderes Beharrungsvögen in anderen Prioritäten, völlig andere Problemstellungen, anderes Justiz- und Rechtsverständnis, Gleichheits- Pluralitäts-, Demokratie-, Kultur-, Religions- und Sozialverständnis.
Laizismus in Frankreich ist nicht gleich Laiszismus in der Türkei.
Atatürk ist nicht = französische Revolution.
Und selbst Atatürk ist auch nur ein bisschen Türkei. Der überwiegende Rest wählt die fundamentalislamische AKP - die demnächst wohl hoffentlich inkl. Erdogan beiseite genommen wird - wenn die Justiz dort funktioniert. Und die kann nur funktionieren wenn es das Militär so will. (Ein Staatsverständnis mit dem keine Gesellschaft in Europa wirklich etwas zu tun haben will). Und das Militär garantiert in der Türkei die Trennung von Religion und Staat.
Das ist eine brachiale Notlüge islamisch-osmanischer Tradition, eine Zwickmühle aus der sich die Türkei noch befreien muß. Ein Problem das man nicht sehen will. Das Problem ist dort letztlich die Religion. Gäbe es die nicht, wäre die Aufgabe des Militärs überfüssig und die Türkei könnte eine - aufgeklärte - Gesellschaft werden?
Die Türkei hat keine Zukunft in Europa, hatte sie nie. Das sagen die Politiker bloß nicht deutlich. Würde man die Völker Europas ernsthaft fragen, wäre das keine Frage über die man überhaupt noch reden würde. Vielleicht kann man mal drüber reden, irgendwann - doch dafür bräuchte es fundamentale Änderungen über viele Generationen - heute - ist das vollkommen indiskutabel.
Da sollten sich die Türken keinen Illusionen hingeben.
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beachbernie male Person of Age and without Color
Anmeldungsdatum: 16.04.2006 Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii
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(#1020424) Verfasst am: 11.06.2008, 09:09 Titel: |
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Agnost hat folgendes geschrieben: |
Ich werde heute nicht mehr vertieft darauf eingehen können, aber die "Geographische Ausgrenzung lasse ich auch nicht gelten. Die würde auch Armeninien, Georgien und Aserbaidschab ziemlich willkürlich ausgrenzen.
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Noch schlimmer, Agnost...
Man muesste dann strenggenommen Zypern wieder rausschmeissen. Weil diese Insel noch weiter ausserhalb Kerneuropas liegt als die Tuerkei und auch ueber keinen Brueckenkopf auf dem kerneuropaeischen Festland verfuegt...
Gruss, Bernie
_________________ Defund the gender police!!
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1020428) Verfasst am: 11.06.2008, 09:19 Titel: |
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ich wiederhole @chiring und ich denke, da sind wir uns einig: keine Sonderkonzessionen für die Türkei... sie soll gefaelligst die Bedingungen alle erfüllen, bevor sie in die EU kommt... auch wenn es erst im Jahre 2200 der Fall waere (wenn es die EU dann noch gibt.. Geschichte ist manchmal für grosse Überraschungen gut)
aber @beachbernie, das ist genau das, was mich an diesem Argument stört... Zypern = griechische Wurzeln...
haette es auf der anatolischen Halbinsel einen Staat gegeben, der unabhaengig ist, mit griechischen Wurzeln, aber nicht Teil Griechenlands, waere es nicht einem in den Sinn gekommen, so ein Argument hervorzuziehen.
Wenn man die Türkei ablehnt und es gibt gewiss genug Gründe, die man derzeit anführen kann, dann soll man diese auch beim Namen nennen und sich nicht hinter so billigen, kindischen Begründungen verstecken.
Ich muss gerade wieder daran denken, dass in den 80er Jahren tatsaechlich ein Beitritt abgelehnt wurde, weil die türkischen Sonderbuchstaben I,Ç,Ş und Ğ der europaeischen Union in ihren Korrespondenzen zu grosse Kosten verursachen würde...
das geographische Argument ist wenigstens nicht sooo plump...
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beachbernie male Person of Age and without Color
Anmeldungsdatum: 16.04.2006 Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii
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(#1020439) Verfasst am: 11.06.2008, 09:38 Titel: |
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ateyim hat folgendes geschrieben: | ich wiederhole @chiring und ich denke, da sind wir uns einig: keine Sonderkonzessionen für die Türkei... sie soll gefaelligst die Bedingungen alle erfüllen, bevor sie in die EU kommt... auch wenn es erst im Jahre 2200 der Fall waere (wenn es die EU dann noch gibt.. Geschichte ist manchmal für grosse Überraschungen gut)
aber @beachbernie, das ist genau das, was mich an diesem Argument stört... Zypern = griechische Wurzeln...
haette es auf der anatolischen Halbinsel einen Staat gegeben, der unabhaengig ist, mit griechischen Wurzeln, aber nicht Teil Griechenlands, waere es nicht einem in den Sinn gekommen, so ein Argument hervorzuziehen.
Wenn man die Türkei ablehnt und es gibt gewiss genug Gründe, die man derzeit anführen kann, dann soll man diese auch beim Namen nennen und sich nicht hinter so billigen, kindischen Begründungen verstecken.
Ich muss gerade wieder daran denken, dass in den 80er Jahren tatsaechlich ein Beitritt abgelehnt wurde, weil die türkischen Sonderbuchstaben I,Ç,Ş und Ğ der europaeischen Union in ihren Korrespondenzen zu grosse Kosten verursachen würde...
das geographische Argument ist wenigstens nicht sooo plump... |
Dem kann ich auch zustimmen, ateyim.
Fuer mich ist es auch keinesfalls ausgemachte Sache, dass ich einem Tuerkeibeitritt zustimmen koennte, wenn es fruehestens 2014 soweit sein sollte. Ich sehe die Tuerkei zwar auf einem guten Weg die Beitrittsbedingungen zu erfuellen aber noch keineswegs am Ziel...
Auch ich lehne kategorisch Sonderbedingungen ab, aber in beide Richtungen. Man soll der Tuerkei weder "Sonderkonditionen" einraeumen noch "Sonderhuerden" in den Weg legen. Am Besten faende ich, wenn es einen klar bestimmten Katalog von Beitrittsbedingungen geben wuerde, die jeder Beitrittskandidat vorgelegt bekaeme, voellig gleichgueltig ob es sich dabei um die Tuerkei, Zypern, Island oder vielleicht irgendwann einmal die Schweiz handelt. Das stoert mich bei der derzeitigen Diskussion auch am meisten. Im Falle der Tuerkei soll auf einmal alles anders sein. Es soll auf einmal in Volksabstimmungen abgestimmt werden, es wird die Geographie neu vermessen, es wird auf Buchstaben herumgeritten. Letztlich halte ich dies fuer verheerend. Man sollte einfach so souveraen sein, der Tuerkei die festgelegte Frist zu geben und sich dann anschauen ob die Beitrittsbedingungen erfuellt sind und dann nach Faktenlage entscheiden. Beitritt oder Ablehnung oder Fristverlaengerung zum Nachbessern. Leider fuerchte ich, dass bis dahin die Diskussion bereits so von xenophobe Ressentiments bedienenden Populisten vergiftet sein wird, dass am Ende keine vernuenftige Entscheidung nach Faktenlage getroffen werden kann, weil darauf Ruecksicht genommen werden muss, dass niemand das Gesicht verliert und so irgendein fauler Kompromiss zustande kommt, mit dem niemandem gedient ist, weder Europa noch der Tuerkei...
Gruss, Bernie
_________________ Defund the gender police!!
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Peter H. dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 24.06.2007 Beiträge: 9751
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(#1021186) Verfasst am: 12.06.2008, 00:25 Titel: |
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Die Türkei muss noch Vieles erledigen. Es ist völlig untragbar, dass sie noch immer den barbarischen Völkermord an den Armeniern leugnet. Auch die ausgeprägte Diskriminierung der Kurden kann nicht hingenommen werden.
Doch davon mal abgesehen, wem nützt denn die Erweiterung der EU? Nun den Monopolen, für die diese Wirtschaftszone ja extra geschaffen wurde.
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