Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#1049027) Verfasst am: 22.07.2008, 09:45 Titel: |
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@Rreinhard
Zitat: | In der DDR wurde der 20. Juli tot geschwiegen. Genauso wie es in der DDR keine Nazis gab und geben konnte. Und keine kommunistische Kritik an Stalin. |
1. und 2. Satz: nein bzw. jein
3. Satz: ja
Schon 1964 wurde anlässlich des 20. Jahrestages des 20. Juli über das staatliche Fernsehen der DDR ein Film ausgestrahlt: "Revolution am Telefon", eine minutiöse Dokumentation dieses Tages.
Die Bücher des Potsdamer Historikers Kurt Finker waren jedermann zugänglich: eine Stauffenberg-Biographie seit 1965 und eine umfassende Monographie über den "Kreisauer Kreis", die es meines Wissens zu dieser Zeit im Westen noch nicht in einer derart hohen Auflage gab. Im Schulunterricht der 1970/1980er Jahre wurden Stauffenberg und sein Attentatsversuch behandelt. Es kam durchaus zu Lehrer-Schüler-Diskussionen über die "Ausnahmesituation", in der ein Attentat berechtigt sein konnte. Dass dabei die Grenzen Stauffenbergs und seiner Mitverschworenen gezeigt werden sollten -wie es auch hier geschieht - und dass der kommunistische Widerstand demgegenüber überhöht wurde, soll nicht verschwiegen werden. Aber "tot geschwiegen" - ein klares Nein.
Auf Einwohnerversammlungen wurde betroffen beraten, dass sich wieder Nazis auf die Straße trauten. Zahlreiche Opfer des NS-Regimes und Juden registierten, dass sich der braune Ungeist wieder regte. Im Jahre 1987 formierten sie sich ausgerechnet im Heinrich-Heine-Viertel in Berlin-Mitte, wo zahlreiche Offiziere wohnten, eine 50er-Gruppe aus Jugendlichen, die im Gleichschritt und mit Hitlergruß durch dieses Viertel marschierte, bis die Polizei eintraf und alle verhaftete. Wie ein Staatsanwalt die Einwohner informierte, waren das die Kinder von Angehörigen der verschiedensten gesellschaftlichen Schichten, was wiederum Betroffenheit auslöste: Was wurde falsch gemacht? Eine öffentliche Diskussion in den Medien unterblieb zwar, aber wer es wissen wollte, wusste bescheid.
In den 1960/Anfang 1970er Jahren, als ich zur Schule ging, und bis etwa 1987/88, dem Einsetzen von perestrojka und glasnost, war Stalin in einem derart hohen Grade eine "Unperson" geworden, dass die wenigsten etwas über ihn in Erfahrung bringen konnten. Ich wusste zwar von meinen russischen Freunden, dass fast jede Familie in der Sowjetunion Opfer zu beklagen hatte. Aber man stieß überall auf Unkenntnis oder - bei den Älteren - auf Verdrängung. Nach dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 ließen die Stalin-Begeisterten sofort seine Gesammelten Werke und den "Kratkij kurs" von 1938 im Keller verschwinden, und in Budapest standen nur noch die Stiefel des abgesägten Bronzestandbildes auf dem Platz.
Die Ehrenburg-Memoiren gewährten erst 1977 (weiß der Geier, ob der Zensor gepennt hat oder das Buch von Reformfreudigen durchgewinkt wurde) einigen Aufschluß über die Stalinschen Verbrechen.
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