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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#106711) Verfasst am: 23.03.2004, 09:44 Titel: Steven Rose: Darwins gefährliche Erben |
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Kennt jemand von Euch dieses Buch.
Ich habe es mir in er Bibliothek geholt, zu einem Drittel gelesen, und bin entsetzt: Wie kann ein offenbar arrivierter Neurophysiologe so einen erbärmlichen, unqualifizierten Quatsch verzapfen. Bisher hat er eine völlig unqualifizierte Übersicht über Erkenntnistheorie geliefert, und dann hat er einen Strohmann von Reduktionismus aufgebaut, den er munter attackiert. Auf dieser Basis will er offenbar später Dawkins "widerlegen".
Kennt jemand das Buch, und will ihn verteidigen?
(Achtung, ich bin zwei Tage weg)
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#106719) Verfasst am: 23.03.2004, 10:18 Titel: Re: Steven Rose: Darwins gefährliche Erben |
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Hi Klaus-Peter,
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Kennt jemand von Euch dieses Buch.
Ich habe es mir in er Bibliothek geholt, zu einem Drittel gelesen, und bin entsetzt: Wie kann ein offenbar arrivierter Neurophysiologe so einen erbärmlichen, unqualifizierten Quatsch verzapfen. Bisher hat er eine völlig unqualifizierte Übersicht über Erkenntnistheorie geliefert, und dann hat er einen Strohmann von Reduktionismus aufgebaut, den er munter attackiert. Auf dieser Basis will er offenbar später Dawkins "widerlegen".
Kennt jemand das Buch, und will ihn verteidigen?
(Achtung, ich bin zwei Tage weg) |
leider kenne ich das Buch nur von Rezensionen her und die eine oder andere Arbeit von Rose.
Deine Einschätzung verwundert mich. Da Du auf Dawkins stehst, wirst Du vermutlich Autoren, die den Ultra-Darwinismus ablehnen, überkritisch sehen.
Angesichts Deiner Wortwahl gehe ich davon aus, dass das Buch gut sein muss. Wenn ich Zeit habe, werde ich es mir besorgen. Vielleicht kann ich Dir dann zeigen, warum beispielsweise Mayr und andere Evolutionsbiologen Dawkins nicht so gut finden. Dawkins ist ein hervorragender Popularisierer, aber das, was er vertritt, ist, gelinde gesagt, nicht gerade MainStream.
Grüßle
Thomas
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#106774) Verfasst am: 23.03.2004, 12:36 Titel: Re: Steven Rose: Darwins gefährliche Erben |
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Hi Thomas,
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Deine Einschätzung verwundert mich. Da Du auf Dawkins stehst, wirst Du vermutlich Autoren, die den Ultra-Darwinismus ablehnen, überkritisch sehen. |
Ich nehme an, Du meinst "wundert Dich nicht"? Btw. ich darf erinnern, dass das ein ad hominem ist. Ich halte Roses Ausführungen für objektiv minderwertig. Dass ich Dawkins gut finde, beeinträchtigt mein Urteil hier keineswegs. Zu einer Auseinandersetzung mit Dawkins ist er noch gar nicht gekommen, (bis Seite 110), bisher hat er Thesen, die von Popper stammen, Thomas S. Kuhn zugeschrieben, und behauptet, das sei eine gerechtfertigte Kritik Kuhns an Popper. Ausserdem hat der den Zirkelschluss als erforderliche Schlussweise bei der Erkenntnis bezeichnet, sowie eine Einstellung, die Dennett explizit als "greedy reductionism", als "gefrässigen Reduktionismus" bezeichnet und massiv kritisiert hat, als die angebliche Position von Dennett ausgegeben. Diesen "gefrässigen Reduktionismus", den kein Mensch im Ernst glaubt, kritisiert er dann heftig (wenn auch nicht mit ganz so guten Argumenten wie Dennett). Das sind in Kürze die Gründe, warum ich Roses Buch für philosophisch minderwertig halte.
Zitat: | Angesichts Deiner Wortwahl gehe ich davon aus, dass das Buch gut sein muss. Wenn ich Zeit habe, werde ich es mir besorgen. |
Kannste gerne machen. Vielleicht wirst Du mir dann meinen Eindruck bestätigen, dass es erkenntnistheoretisch den gleichen Wert hat wie das Buch von Scherer und Junker über Evolution.
Gruss
KP
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frajo dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 25.08.2003 Beiträge: 11440
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(#106776) Verfasst am: 23.03.2004, 12:40 Titel: Re: Steven Rose: Darwins gefährliche Erben |
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"greedy" heißt nicht "gefräßig", sondern "gierig".
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#106777) Verfasst am: 23.03.2004, 12:42 Titel: |
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Hi Klaus-Peter,
Zitat: | Ich habe es mir in er Bibliothek geholt, zu einem Drittel gelesen, und bin entsetzt: Wie kann ein offenbar arrivierter Neurophysiologe so einen erbärmlichen, unqualifizierten Quatsch verzapfen. Bisher hat er eine völlig unqualifizierte Übersicht über Erkenntnistheorie geliefert, und dann hat er einen Strohmann von Reduktionismus aufgebaut, den er munter attackiert. Auf dieser Basis will er offenbar später Dawkins "widerlegen". |
Das Problem ist doch, daß Dawkins und Dennett als Genselektionisten einen extremen (Mikro-)Reduktionismus vertreten. Das skizzierte Bild vom "Kampf der egoistischen Gene" ist insofern abseitig, als daß Gene nicht für sich allein wirken, sondern in ein System komplizierter Interaktionen eingebunden sind. Letztendlich werden Phänotypen selektiert und nicht einzelne Gene, zumal der Selektionswert eines Gens immer vom gesamten System abhängt. Es sei ja nur daran erinnert, wie schwer es ist, z.B. Pleiotropie vollständig analytisch zu erfassen.
Überhaupt spielen in der Embryonalentwicklung Eigengesetzlichkeiten eine Rolle, die gar nicht in den Genen niedergelegt sind. Es gibt Menschen, die ausgerechnet haben, daß die gesamte "genetische Information" eines Organismus um Zehnerpotenzen kleiner ist als diejenige "Information", die in der Struktur des menschlichen Gehirns steckt. Zwischen der Gen- und Phänotyp-Ebene liegen eben Welten. Und, ehrlich gesagt: Die Einsicht, daß Evolution auf der Gen-Ebene nicht vollständig erklärt werden kann, ist so neu auch nicht und - ebenso wie die Kritik an Dawkins - "der Standard". ("Evo-Devo" ist das große Stichwort).
Insofern hat Rose völlig recht, wenn er den Gen-Reduktionismus kritisiert.
Zugegeben, ich habe das Buch (noch) nicht gelesen und nur einige Rezensionen gelesen. Aber ich werde es mir das anscheinend recht lesenswerte Buch in jedem Fall vormerken.
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#106782) Verfasst am: 23.03.2004, 12:50 Titel: Re: Steven Rose: Darwins gefährliche Erben |
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frajo hat folgendes geschrieben: | "greedy" heißt nicht "gefräßig", sondern "gierig". |
Das ist richtig. Aber die Übersetzer sowohl des Dennettschen als auch des Roseschen Buches haben das Wort "gefrässig" verwendet, und mir scheint das besser das zu treffen, was Dennett meinte: Ein Reduktionsmus der gierig alle höheren Ebenen wegfrisst, statt sie zu erklären.
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#106785) Verfasst am: 23.03.2004, 12:56 Titel: |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Insofern hat Rose völlig recht, wenn er den Gen-Reduktionismus kritisiert. |
Hi Martin,
so weit bin noch gar nicht. Kritik an den Genen kommt später. Er hat bisher den Reduktionsmus allgemein derartig blödsinnig charakterisiert, dass die Kritik am Gen-Reduktionismus auf dieser Basis einfach nicht mehr ernsthaft ist.
Das wäre, wie wenn ein Kreationist zuerst den Naturalimus als die Lehre, man wolle die Existenz Gottes wegklären, charakterisiert, und auf dieser Basis dann den Erkenntnisanspruch des Naturalismus kritisiert.
Gruss
KP
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frajo dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 25.08.2003 Beiträge: 11440
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(#106791) Verfasst am: 23.03.2004, 13:10 Titel: Re: Steven Rose: Darwins gefährliche Erben |
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Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | frajo hat folgendes geschrieben: | "greedy" heißt nicht "gefräßig", sondern "gierig". |
Das ist richtig. Aber die Übersetzer sowohl des Dennettschen als auch des Roseschen Buches haben das Wort "gefrässig" verwendet, und mir scheint das besser das zu treffen, was Dennett meinte: Ein Reduktionsmus der gierig alle höheren Ebenen wegfrisst, statt sie zu erklären. |
gut; es kann im einzelfall durchaus sinnvoll sein, eine andere als die standardübersetzung zu verwenden.
im hier vorliegenden fall kannst du das sicher besser beurteilen als ich, der ich die bücher bisher nicht gelesen habe.
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#106792) Verfasst am: 23.03.2004, 13:16 Titel: Re: Steven Rose: Darwins gefährliche Erben |
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Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | frajo hat folgendes geschrieben: | "greedy" heißt nicht "gefräßig", sondern "gierig". |
Das ist richtig. Aber die Übersetzer sowohl des Dennettschen als auch des Roseschen Buches haben das Wort "gefrässig" verwendet, und mir scheint das besser das zu treffen, was Dennett meinte: Ein Reduktionsmus der gierig alle höheren Ebenen wegfrisst, statt sie zu erklären. |
Icxh halte "gefräßig" für sinnvoller, da "gierig" im deutschen eine umfassendere Bedutung hat als "greedy" im englischen. Am ehesten würde "geizig" treffen.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#106797) Verfasst am: 23.03.2004, 13:25 Titel: Re: Steven Rose: Darwins gefährliche Erben |
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Hi Klaus-Peter,
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Hi Thomas,
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Deine Einschätzung verwundert mich. Da Du auf Dawkins stehst, wirst Du vermutlich Autoren, die den Ultra-Darwinismus ablehnen, überkritisch sehen. |
Ich nehme an, Du meinst "wundert Dich nicht"? |
stimmt. Habe ein 'nicht' vergessen, entschuldige.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Btw. ich darf erinnern, dass das ein ad hominem ist. Ich halte Roses Ausführungen für objektiv minderwertig. |
Nun, wenn man Popper so interpretiert wie Du, kann ich mir schon vorstellen, dass man Auffassungen für 'minderwertig' hält, die eben nur das Manko haben, Popper anders zu interpretieren als Du.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Dass ich Dawkins gut finde, beeinträchtigt mein Urteil hier keineswegs. Zu einer Auseinandersetzung mit Dawkins ist er noch gar nicht gekommen, (bis Seite 110), |
Okay. Ich richtete mich ein wenig nach der Rezension in
http://www.wissenschaft-online.de/artikel/570666
die sich ein wenig mit dem deckt, was ich sonst noch von Rose kenne.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | bisher hat er Thesen, die von Popper stammen, Thomas S. Kuhn zugeschrieben, und behauptet, das sei eine gerechtfertigte Kritik Kuhns an Popper. |
Deren beide Standpunkte lagen gar nicht sooo weit auseinander. Kennst Du
Kuhn, T.S. (1978) 'Logik oder Psychologie der Forschung?' in: Kuhn, T.S. 'Die Enstehung des Neuen. Studien zur Struktur der Wissenschaftsgeschichte' Frankfurt, Suhrkamp S. 357-388
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Ausserdem hat der den Zirkelschluss als erforderliche Schlussweise bei der Erkenntnis bezeichnet, |
Stimmt. Das ist der 'circulus virtuosus' (nicht zu verwechseln mit den 'circulus vitiosus'), auf den Vollmer immer abhebt.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | sowie eine Einstellung, die Dennett explizit als "greedy reductionism", als "gefrässigen Reduktionismus" bezeichnet und massiv kritisiert hat, als die angebliche Position von Dennett ausgegeben. |
Ich habe Dir schon Kritiken zum Ansatz Dennetts genannt. Dessen Position finde ich genauso unhaltbar wie die Dawkins'. Ich fasse mich an den Kopf, wenn ich an die Autoren denke, die Dennett als 'Diskussionspartner' etc. aufführte. Vor allem, wenn man bedenkt, was Mayr von Dennett hält.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Diesen "gefrässigen Reduktionismus", den kein Mensch im Ernst glaubt, kritisiert er dann heftig (wenn auch nicht mit ganz so guten Argumenten wie Dennett). Das sind in Kürze die Gründe, warum ich Roses Buch für philosophisch minderwertig halte. |
Du hast mich überzeugt. Ich habe mir das Buch bestellt.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Angesichts Deiner Wortwahl gehe ich davon aus, dass das Buch gut sein muss. Wenn ich Zeit habe, werde ich es mir besorgen. |
Kannste gerne machen. Vielleicht wirst Du mir dann meinen Eindruck bestätigen, dass es erkenntnistheoretisch den gleichen Wert hat wie das Buch von Scherer und Junker über Evolution. |
Ich war vor ein paar Tagen auf einem WorkShop der Arbeitsgruppe 'Biologie' derer von Wort und Wissen. Junker hat erkannt, dass er das erste Kapitel massiv überarbeiten muss.
Das, was ich von Dir bisher über Erkenntnistheorie gelesen habe, deckt sich nicht gerade mit dem, was ich goutiere. Kann sein, dass wir beide uns darüber einig sind, was wir von Scherer und Junkers Ansatz halten. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir denselben Ansatz vertreten. Ich gehe davon aus, dass unsere Ansätze sich ganz gewaltig unterscheiden.
Grüßle
Thomas
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