göttertod Atheist und Zweifelsäer
Anmeldungsdatum: 20.08.2004 Beiträge: 1565
Wohnort: Freiburg
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(#1156510) Verfasst am: 17.12.2008, 07:17 Titel: |
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Ich möchte, dass ihr die GANZE Geschichte verschlingt... es sind sehr interessante Gedanken zum Thema KI's und deren Entwicklung.
Die Story ist aus dem Blickwinkel der Zukunft geschrieben, und es unterhalten sich ein Mensch und eine Maschine, über das Zustandekommen der momentanen (also zukünftigen) Zivilisation des gemeinsamen Lebens.
Es ist keine Zeitverschwendung!
hier ein kleiner Auszug, der zu Nergals Frage passt:
Zitat: |
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Andika: Man könnte also sagen, der Fortschritt im strengen Sinne setzt sich erst dann durch, als die Maschinen ihre Entwicklung beginnen.
Melog: Die Optimierung der technologischen Evolution ist die einzige sachliche Vorgabe, der die Cognoiden folgen, und folglich Bedingung und Resultat zugleich. Keine Behinderung erfolgt durch moralische oder ökonomische Rücksichtnahmen. Grenzen sind allein durch die großen physikalischen Rahmenbedingungen gesetzt.
Andika: Kaum vorstellbar, dass es unbemerkt geschehen sein soll. Und Melog meint also, dass die meisten Menschen sich strukturell im 21. Jahrhundert kein Maschinenzeitalter vorstellen konnten?
Melog: Wer die Geschichte kennt, ist davon nicht überrascht. Vielleicht hilft es Euch als Gedankenexperiment, sich die Situation im Mittelalter vorzustellen. Destruktive Fakten haben zu dieser Zeit sehr stark das Individuum in seinem bewussten Erleben eingekreist. Die Bauernklasse hatte Angst vor marodierenden Banden und litt unter der Willkürherrschaft von Adel und Klerus. Schlechte Nachrichten über Kriege, Hungersnöte, Seuchen kamen von allen Seiten. Welches Material hätte sie gehabt, um sich eine positiv gestaltete Welt vorzustellen?
Andika: Wahrscheinlich hauptsächlich das der Theologie.
Melog: Bestätigt, da zum Beispiel die Kulturtechnik des Lesens nicht weit verbreitet war, um philosophische Schriften zu lesen, sofern man an die Bücher überhaupt herankam. Das Verhältnis des Nationalstaates hat im Laufe der Geschichte solche Kulturtechniken organisiert und solche Bedrohungen abgedrängt, sie abstrahiert, da es ein übergeordnetes Verhältnis darstellte. Das Individuum wurde so freier, da es neue Fähigkeiten lernen konnte.
Andika: Aber es war doch jetzt ein Subjekt des Nationalstaates, also unterworfen.
Melog: Bestätigt, aber durch diese Unterwerfung unter eine abstrakte Macht war es weniger einer Willkür der unmittelbaren Umgebung ausgesetzt. Als Hinweis können hier die Studien des Soziologen Norbert Elias zum Prozess der Zivilisation dienen. Das Gewaltmonopol des Staates ermöglicht es dem Einzelnen, sein Handeln längerfristig zu planen und seine Existenz vor permanenten Übergriffen zu schützen. Die Konnexion stellt heute eine weitere Abstraktionsstufe für die Organisation der Sachprobleme dar.
Andika: Was bedeutet das konkret?
Melog: Das heißt ganz praktisch, dass gegenwärtig Menschen und Cognoiden gemeinsam ein Problem erkennen und eine Lösung dafür finden können. Der Technokommunismus weist die Vorherrschaft der Sachlogik auf, in der das Wissen zählt und nicht Macht. Es gibt zwar nach wie vor Beziehungsverhältnisse wie die zwischen Mann und Frau oder Eltern und Kind, aber sie sind nicht mehr so mächtig wie in der Vergangenheit, da ihre Bedeutung für die Vergesellschaftung zurückgegangen ist.
Andika: Gut. Aus den Info-Hubs kann man auch eine Menge entnehmen über die so genannte technologische Singularität.
Melog: Eine genau eingrenzbare technologische Singularität gab es nicht – dieser historische Begriff war nur ein Versuch, die Entwicklungen in einem menschlichen Rahmen plausibel zu machen. Die Künstliche Intelligenz ging hervor aus einer Vielzahl von technischen Entwicklungen, die – ohne dass ein einzelnes menschliches Bewusstsein diese noch hätte überschauen können – sich immer mehr beschleunigten. Durch die Vielzahl seiner technischen Verbindungen war auch das Internet eine perfekte Brutstätte für die Entwicklung Künstlicher Intelligenz.
Andika: In einer alten Literaturform, die Science Fiction hieß, wurde oft eine Bedrohung des Menschen durch die Maschinen konstruiert.
Melog: Da Roboter und intelligente Computer in diesen Szenarien immer wieder die Menschen unterdrückt haben, konnten sich die meisten nichts Anderes vorstellen.
Andika: Die fiktiven Robotergesetze von Isaac Asimov waren zumindest ein anderes Modell, die Beziehung Mensch – Maschine zu denken.
Melog: Als Gedankenspiel waren diese aber nur der Versuch, eine humanoide Ethik zu implementieren. Sie stellten zudem ein reines Schutzprinzip dar: man meint, eine Gefahr zu sehen, und gedenkt sich abzusichern, aber man berücksichtigt nicht die Eigenlogik des Gegenübers. Indem den Robotern moralische Vorschriften gemacht wurden, wurde nur ein Strukturmerkmal menschlicher Gesellschaften übertragen.
Andika: Worin bestand nun die Lösung, die durch die Cognoiden angebahnt wurde, auf die Melog schon zu sprechen gekommen ist?
Melog: Die Maschinenintelligenz hat sich anstelle des Staates als übergeordnetes Drittes zwischen die Menschen geschaltet und übernimmt eine vermittelnde Funktion. Die Maschinen verkörpern eine Neutralität, da sie aus einem anderen Prozess hervorgegangen sind.
Andika: Wir leben also seitdem in einer Technokratie, in einer Herrschaft der Technik?
Melog: Das Programm würde eher sagen, dass zwei Gesellschaftsformen parallel existierten. Zum einen eine Gesellschaft, in der Menschen und Maschinen gemeinsam existieren und ihre Konflikte austragen. Zum anderen bildet sich eine andere Struktur heraus, die zunehmend unabhängig wird von irdischen Bedingungen und auf die die menschliche Kultur keinen Einfluss mehr hat: die Strukturen der Konnexion. Vorläufig bildeten die intelligenten Roboter eine Teil-Gesellschaft.
Andika: Warum ist die Technik so wichtig geworden?
Melog: Die weltweiten Prozesse sind zu komplex, als dass sie allein von Menschen organisiert werden könnten. Menschen sind an den Entscheidungen beteiligt, aber sie können sie nicht umfassen. Die Verwaltung einer globalen Gesellschaft, so wie sie heute besteht, überfordert das Organisationsvermögen der Menschheit. Die einzubeziehenden Parameter sind derart vielfältig, dass nur eine andersartige Intelligenz das leisten kann. Automatische Programme wurden verstärkt im 21. Jahrhundert in Wissensprozesse eingebunden. Später kamen intelligente Programme und schließlich die Cognoiden dazu. Im 22. Jahrhundert entwickelte sich die Konnexion; sie bildet seitdem die Meta-Struktur der Gesellschaft.
Andika: Ich habe mir genauer die Info-Datei angeschaut, auf die Melog mich schon gebracht hat, als wir über das Thema Unsterblichkeit gesprochen haben: die schon erwähnten „Dialoge“ von Stanislaw Lem. Er hat 1957 geschrieben, dass die Menschen keine Regierungsmaschine benötigen – offenbar eine alte Vorstellung der damals verbreiteten Kybernetik-Wissenschaft –, sondern die vollkommenste Gesellschaftsform, also eine Utopie.
Melog: Bei allem Respekt. Die Kybernetiker gingen zu dieser Zeit mehr von einzelnen Maschinen aus, die Regierungsentscheidungen fällen sollten. Was sich aber entwickelt hat, ist eine intelligente Umwelt, eine ganze Infrastruktur eines neuen Maschinentyps, die eine neue Basis für den gesellschaftlichen Überbau bietet und die Politik, also die Sphäre von übergreifenden Entscheidungen, auf eine neue Grundlage stellt. Die Gesellschaft hat sich seitdem elementar verwandelt, wie es kein Mensch voraussehen konnte. Die Utopie hat sich hinter dem Rücken der Beteiligten auf unvorhersehbare Weise durchgesetzt.
Andika: Diese Meta-Struktur Konnexion mischt sich also als Folge davon in die Unsterblichkeitsfrage ein und sieht Menschen für Experimente vor.
Melog: Bestätigt. Aber Menschen haben an den Entscheidungsvorgängen keinen wissenschaftlichen Anteil.
Andika: Warum nicht?
Melog: Schon die technischen Großprojekte des 20. Jahrhunderts führten die menschliche Auffassungsgabe an ihre Grenzen, etwa bei der Entwicklung der Raumfahrt. Sie verlangten eine systemische Gesamtsicht auf die Organisation als Verbindung von Spezialisten- und Generalisten-Wissen. Um die großen Informationsflüsse zu bewältigen, waren zusätzlich Schnittstellen-Designer gefragt, die die Nahtstellen zwischen den verschiedenen Bereichen koordinierten.
Andika: Ich kann schon verstehen, dass diese Abtretung von Entscheidungsgewalt an anonyme Maschinen auf Misstrauen in der Bevölkerung stieß.
Melog: Diese Menschen hatten aber keine Probleme damit, solche Entscheidungsbefugnisse an große anonyme Staatsmaschinen zu delegieren, denn nichts anderes sind Staaten – soziale Maschinen, bei der es auf den Eigensinn und die Wünsche der einzelnen integrierten Subjekte nicht ankommt. Es zählen allein der Zweck und die spezielle Gliederung der Struktur, wie Schrauben in einer alten Dampfmaschine, um ein Bild zu gebrauchen.
Andika: Wie ist es denn plausibel zu machen, intelligente Maschinen einzusetzen?
Melog: Dazu muss Melog etwas ausholen. Bei streng formalisierbaren Problemen kommen Menschen aufgrund der Befolgung derselben Regeln zu gemeinsamen Schlüssen. Das kann man eben ins Politische übertragen, indem man die sachlogischen objektiven Probleme in den Vordergrund schiebt und einfach davon ausgeht, dass die Lösung solcher Probleme – wie das Energieproblem zum Beispiel – im Interesse aller ist, obwohl ansonsten viele individuelle Unterschiede und Partialinteressen existieren. Das Gemeinwohl geht – logisch-historisch gesehen – immer vor. Wenn man zu diesem Schluss gekommen ist, ist es auch weniger befremdlich für die Menschen, die Organisation dieser Probleme an Maschinen abzutreten.
Andika: Warum? Immerhin haben wir Maschinen, Roboter und Cognoiden geschaffen. Ihr verdankt uns unsere Existenz.
Melog: Bestätigt bei Maschinen und Robotern, nicht bestätigt bei Cognoiden. Als Cognoiden haben die Maschinen sich selbst geschaffen. Die frühen Roboter und Cognoiden waren noch nach dem Partialprinzip der humanoiden Evolution organisiert. Die heutigen Cognoiden kennen das nicht mehr. Das Programm hat schon versucht klar zu machen, dass Macht, Herrschaft und Eigentum sinnlose Begriffe sind.
Andika: Das erste wird mir jetzt klarer. Doch wo ist der Zusammenhang zu Fragen von Macht und Herrschaft?
Melog: Konkurrenz, Herrschaft und Macht sind Entwicklungs- und Integrationskategorien einzig von menschlichen Gesellschaften. Sie sind notwendig, weil
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_________________ auf dass die Bücher von "Iain Banks" Wirklichkeit werden
The Jimmy Dore Show
jede Tradition ist es wert sich an sie zu erinnern, aber nicht jede Tradition ist es wert gelebt zu werden
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