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cptchaos kritischer Rationalist
Anmeldungsdatum: 17.07.2006 Beiträge: 304
Wohnort: Hamburg
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(#1199221) Verfasst am: 02.02.2009, 00:13 Titel: Re: Beweis versus Beleg in Erkenntnistheorie |
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Kival hat folgendes geschrieben: | evohum hat folgendes geschrieben: |
Ein Grundkonsens (auch meiner, nebenbei) könnte der sein, dass es (rein formal-logisch gesehen) unmöglich ist, mittels induktiver Schlüsse (zu nichts anderem sind wir Subjekte IMHO in der Lage) absolut und endgültig auf die Validität (oder 'Richtigkeit', 'Wahrheit' etc.) |
Die Aussage verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Also ich glaube schon, dass ich dazu in der Lage bin, auch deduktive Schlüsse zu machen. Nur kann man sich der Axiome und Grundannahmen dieses deduktiven Schließens wohl nicht sicher sein. |
Naja, ich sehe das so, dass wir mittels induktiver "Schlüsse" erkannt haben was Logik ist. Daher basiert unsere Fähigkeit mathematisch Beweisen zu können auf einem Induktionsschluss. Wir "beobachten" das deduktive Schlüsse nie Falsch sind, also schließen wir auf die Richtigkeit der Klassischen Logik. Das ist Quasi-Empirismus (vielleicht nach Quine). Ich bin noch nicht dazu gekommen das weiter zu vertiefen.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1199231) Verfasst am: 02.02.2009, 00:21 Titel: Re: Beweis versus Beleg in Erkenntnistheorie |
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cptchaos hat folgendes geschrieben: | Daher basiert unsere Fähigkeit mathematisch Beweisen zu können auf einem Induktionsschluss. |
Das logische Denkvermögen basiert auf einem Induktionsschluss?
Zitat: | Wir "beobachten" das deduktive Schlüsse nie Falsch sind, also schließen wir auf die Richtigkeit der Klassischen Logik. |
Ob die klassische Logik richtig oder falsch ist, ist doch für die Fähigkeit, deduktive Schlüsse zu machen, völlig irrelevant. Auch wenn die Axiome der klassischen Logik "falsch" wären, könnte man im Rahmen der klassischen Logik immer noch richtig oder falsch schließen.
Zitat: | Das ist Quasi-Empirismus (vielleicht nach Quine). Ich bin noch nicht dazu gekommen das weiter zu vertiefen. |
Quines Vorstellungen haben sich so häufig gewandelt, dass ich jetzt nicht genau weiß, was Du meinst. Alle logischen und theoretischen Terme irgendwie auf Empirische zurückzuführen ist ihm jedenfalls nie gelungen.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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evohum Pendler
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 464
Wohnort: Rheingau
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(#1199324) Verfasst am: 02.02.2009, 03:06 Titel: Re: Beweis versus Beleg in Erkenntnistheorie |
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Kival hat folgendes geschrieben: | evohum hat folgendes geschrieben: |
Ein Grundkonsens (auch meiner, nebenbei) könnte der sein, dass es (rein formal-logisch gesehen) unmöglich ist, mittels induktiver Schlüsse (zu nichts anderem sind wir Subjekte IMHO in der Lage) absolut und endgültig auf die Validität (oder 'Richtigkeit', 'Wahrheit' etc.) |
Die Aussage verstehe ich ehrlich gesagt nicht. Also ich glaube schon, dass ich dazu in der Lage bin, auch deduktive Schlüsse zu machen. Nur kann man sich der Axiome und Grundannahmen dieses deduktiven Schließens wohl nicht sicher sein. |
(Fett von mir.)
Exakt, Kival;
innerhalb eines z.B. naturwiss. Theoriengebäudes können wir formal-logisch sicherlich von einer nicht sicheren (angenommenen!) Grundannahme deduktiv auf Einzelaussagen schließen. Beispiel:
Grundannahme = kopernikanisches (heliozentrisches) Weltbild ist gültig.
Deduktion = Mond dreht sich um die Erde.
Erweiterte Grundannahme = Kepler/Newton/Foucault-Weltbild ist gültig.
Deduktion = Mond und Erde drehen sich um einen gemeinsamen Schwerpunkt.
Weitere Erweiterungen... (ad infinitum).
D.h. Deduktionen (mit Bezug auf 'Realität') bleiben unsicher.
Zu induktiven Schlüssen:
Dein Zitat oben von mir endet vollständig mit: "einer grundlegenden Annahme eines Theoriengebäudes zu schließen."
Will sagen, solche Grundannahmen können wir (nur zeitweilig) 'setzen' und nicht deduktiv erschließen - schon gar nicht valide=gültig induktiv erschließen oder gar 'beweisen'.
Wir haben m.E. keine deduktiven Beweise, nur induktive Belege für die 'Realität an sich'.
Wir mögen uns u.U. der 'Wahrheit/Realität' annähern, aber selbst dessen müssen wir uns unsicher sein.
Also "Anything goes?"
Nein; wir sind auf Plausibilität, Einfachheit, Ockams Rasiermesser etc. angewiesen - das sollte eigentlich reichen.
Eigentlich.
Manchen 'Geistern' reicht das nicht; konstruieren statt dessen die wildesten, angeblich 'bewiesenen' Weltbilder...
evohum grüßt!
_________________ "Jesus ist gekommen, um uns zu sagen, dass er uns alle im Paradies haben will und dass die Hölle, von der man in unserer Zeit so wenig spricht, existiert und ewig ist für jene, die ihre Augen vor seiner Liebe verschließen." Papst Benedikt XVI, 26.03.2007
Das Grundgesetz verbürgt die Religionsfreiheit, das 1. Gebot verurteilt sie.
Glaubst Du noch oder denkst Du schon?
...und sie bewegt sich doch!
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cptchaos kritischer Rationalist
Anmeldungsdatum: 17.07.2006 Beiträge: 304
Wohnort: Hamburg
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(#1199773) Verfasst am: 02.02.2009, 19:01 Titel: Re: Beweis versus Beleg in Erkenntnistheorie |
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Kival hat folgendes geschrieben: | cptchaos hat folgendes geschrieben: | Daher basiert unsere Fähigkeit mathematisch Beweisen zu können auf einem Induktionsschluss. |
Das logische Denkvermögen basiert auf einem Induktionsschluss?
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Ich hatte im Satz davor "Schlüsse" geschrieben. Ich denke auch, dass das keine richtigen Schlüsse sind, sondern eher eine Evolutionäre Auswahl von Denkweisen. Diejenigen Denkweisen welche zu falschen Denken führten wurden halt aussortiert ... Schön wärs!
Nun, wenigstens sind diejenigen erhalten geblieben, welche richtig sind, zusammen mit anderen emotionaleren "Schlussweisen" ...
Naja, sagen wir: Es gibt Individuen, bei denen solche Denkweisen vorhanden sind und nicht evolutionär aussortiert wurden
Also das logische Denkvermögen basiert auf einem "Induktionsschluss".
Evolution arbeitet vom vorgehen her halt induktiv.
Kival hat folgendes geschrieben: |
Ob die klassische Logik richtig oder falsch ist, ist doch für die Fähigkeit, deduktive Schlüsse zu machen, völlig irrelevant. Auch wenn die Axiome der klassischen Logik "falsch" wären, könnte man im Rahmen der klassischen Logik immer noch richtig oder falsch schließen.
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Hm Ja. Ich würde eher Schreiben, dass man valide von invaliden Schlussformen unterscheiden kann.
Wahrheit würde ich verstehen als "Übereinstimmung" mit den Tatsachen. Über diesen Wahrheitsbegriff macht die formale Logik erstmal gar keine Aussagen.
Eine Grundlegende Eigenschaft, die jeder Position die sich Rationalismus nennt zu Grunde liegt, ist doch, dass valide Schlüsse ausgehend von wahren Prämissen zu wahren Schlussfolgerungen führen. Eine andere wesentliche Grundposition ist, dass valide Aussagen i.e. Tautologien auch immer wahr sind. Der letzte Punkt ist vielleicht nicht ganz unproblematisch. Ich denke da an Probleme mit falschen Dichotomien.
Kival hat folgendes geschrieben: |
Alle logischen und theoretischen Terme irgendwie auf Empirische zurückzuführen ist ihm jedenfalls nie gelungen. |
Ja. Deshalb schrieb ich auch, dass ich mir nicht so sicher bin in wie weit die Position sinnvoll ist.
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Testirossi Gnostiker
Anmeldungsdatum: 12.08.2008 Beiträge: 741
Wohnort: jwd
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(#1213236) Verfasst am: 14.02.2009, 03:38 Titel: |
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evohum hat folgendes geschrieben: |
WAS/WELCHE ist diese absolute, streng beweisbare Wahrheit? |
Daß auf der Grundlage der formalen zweiwertigen Logik eine absolute Wahrheit existiert, weil die Annahme ihrer Nichtexistenz zum Selbstwiderspruch führt.
Anders formuliert: die Aussage, es könne nur relative (also abhängige) Wahrheiten geben, führt automatisch zum Selbstwiderspruch.
A: "Jede Wahrheit ist (nur) relativ."
B: "Ist das absolut wahr?"
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Testirossi Gnostiker
Anmeldungsdatum: 12.08.2008 Beiträge: 741
Wohnort: jwd
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(#1213239) Verfasst am: 14.02.2009, 04:09 Titel: |
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Kival hat folgendes geschrieben: | Testirossi hat folgendes geschrieben: |
Die Annahme der Nichtexistenz der (absoluten) Wahrheit führt zu einem logischen Widerspruch in sich. |
Keineswegs, ... |
Doch
Kival hat folgendes geschrieben: | Außerdem habe ich nichtmal von absoluter Wahrheit gesprochen sondern von Letztbegründungen. Ich habe sogar extra geschrieben, dass das nicht (!) gewiss sei, sondern nur bisher nicht widerlegt wurde (was durch eine einziges Gegenbeispiel ja leicht möglich wäre). |
Ich wollte dir keineswegs widersprechen, sondern hatte dabei den Threadtitel im Hinterkopf.
Kival hat folgendes geschrieben: | Aus der Annahme, es gibt keine Letztbegründungen folgt konsequenterweise, dass auch diese Annahme nicht letztbegründet ist, keineswegs, dass es Letztbegründungen auf jeden oder keinen Fall gibt. |
Ja, allerdings gibt es in der zweiwertigen Logik auch nichttriviale Schlußfolgerungen, die eine "Letztbegründung" nahelegen.
Kival hat folgendes geschrieben: | Zitat: | In diesem Fall produziert das System die Wahrheit aus sich selbst heraus. |
Wenn das System logisch widersprüchlich wäre, würde daraus alles (beliebiges!) folgen. |
Hmm...
Die Frage nach der Menge aller Mengen usw. ist nicht entscheidbar, weil jede Antwort widersprüchlich ist.
Wenn also die Mengen aller Mengen usw. in sich selbst enthalten ist, dann ist die Gurke eine Banane, aber sie ist eben nicht so sehr enthalten, daß es ein falsum wäre, aus dem man alle herleiten könnte.
Es ist weder ein falsum, noch ein verum und daher ist die zweiwertige Logik selbstwidersprüchlich, weshalb die Mengenleerer die Menge aller Mengen tabuisiert habe. Wenn aber die Menge aller Mengen keine Menge ist, was ist sie dann?
Das wird ja richtig gruselig ...
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1213250) Verfasst am: 14.02.2009, 06:33 Titel: |
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Testirossi hat folgendes geschrieben: | Wenn aber die Menge aller Mengen keine Menge ist, was ist sie dann? |
In NBG, der Neumann-Bernays-Gödel-Mengenlehre, ist die "Menge" aller Mengen eine (echte) Klasse.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1214210) Verfasst am: 15.02.2009, 10:59 Titel: |
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Die Mengenlehre lasse ich jetzt mal außen vor, aber da gibt es seit Russels Antinom Fortschritte.
Testirossi hat folgendes geschrieben: |
Kival hat folgendes geschrieben: | Aus der Annahme, es gibt keine Letztbegründungen folgt konsequenterweise, dass auch diese Annahme nicht letztbegründet ist, keineswegs, dass es Letztbegründungen auf jeden oder keinen Fall gibt. |
Ja, allerdings gibt es in der zweiwertigen Logik auch nichttriviale Schlußfolgerungen, die eine "Letztbegründung" nahelegen. |
Die Axiome der zweiwertigen Logik sind aber nicht letztbegründet, sondern nur - ziemlich - plausibel. Jedenfalls wüsste ich nicht, was Du jetzt meinen könntest mit den "nichttriviale(n) Schlussfolgerungen, die eine "Letztbegründung" nahelegen".
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1214213) Verfasst am: 15.02.2009, 11:05 Titel: |
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Redet ihr eigentlich über formale Systeme oder über Weltbilder?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1214215) Verfasst am: 15.02.2009, 11:13 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Redet ihr eigentlich über formale Systeme oder über Weltbilder? |
Über Erkenntnistheorie und wieweit man überhaupt von Beweisen/Letztbegründungen/absoluter Wahrheit sprechen kann. Dabei wurde sich jetzt von der Empirie in die Logik zurückgezogen, allerdings muss ich da an den gewichtigsten Einwand erinnern: Mit Logik, die voraussetzt, dass es Wahrheitswerte gibt, zu beweisen, dass es Wahrheit gibt, ist nicht so überraschend.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Testirossi Gnostiker
Anmeldungsdatum: 12.08.2008 Beiträge: 741
Wohnort: jwd
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(#1273230) Verfasst am: 22.04.2009, 12:43 Titel: |
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Kival hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Redet ihr eigentlich über formale Systeme oder über Weltbilder? |
Über Erkenntnistheorie und wieweit man überhaupt von Beweisen/Letztbegründungen/absoluter Wahrheit sprechen kann. Dabei wurde sich jetzt von der Empirie in die Logik zurückgezogen, allerdings muss ich da an den gewichtigsten Einwand erinnern: Mit Logik, die voraussetzt, dass es Wahrheitswerte gibt, zu beweisen, dass es Wahrheit gibt, ist nicht so überraschend. |
Es handelt sich hier nicht um die Begründung einer "trivialen" relativen, also abhängigen, sondern um die Begründung einer sog. "absoluten", also unabhängigen "Wahrheit" (btw ist der Wahrheitsbegriff, jenseits reiner Wahrheitswerte, problematisch, Popper konnte "Wahrheit" mE nicht recht definieren).
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1273305) Verfasst am: 22.04.2009, 14:44 Titel: |
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Es herrscht doch mittlerweile ein Konsens darüber, dass Wahrheit, Beleg und Bedeutung auf sehr komplexe und umstrittene Weise voneinander abhängen und allesamt nur in einer sich verändernden Sprache ausgedückt werden können (Mathematik und formale Kunstsprachen mal aussen vorgelassen).
Eine entgültige Letztbegründung bzw. ein Beweis für alle Ewigkeit (im Gegensatz zum bloßen Beleg) von irgendwas macht nur Sinn, wenn man seine Formulierung über die Veränderung der Sprache in eindeutiger Weise bedeutungsinvariant halten könnte. Mir ist niemand bekannt, der so was noch behauptet. Diejenigen, die mal davon träumten haben es ja letztlich selbst widerlegt.
Die Unterscheidung zwischen Beweis und Beleg ist aber trotzdem sinnvoll, um damit auszudrücken, dass bestimmte Thesen so alternativlos, abgesichert und zentral sind, dass sie für einen gewissen längeren Zeitraum die Rolle der entgültigen Wahrheiten der Rationalisten praktisch erfüllen. Wenn solche Thesen irgendwann abgeändert werden ist es Interpretationssache, ob sich nun der Wahrheitsstatus oder die Bedeutung (oder beides) der beteiligten Sprachteile* geändert hat.
Ob es solche herausragenden Thesen gibt und ob/wie wir sie identifizieren könnten, da mag ich mich nicht festlegen, auch wenn ich es gerne so hätte. Aber ich glaube, dass es durchaus möglich ist sinnvoll von Beweisen im Gegensatz zu Belegen zu sprechen, selbst wenn man davon ausgeht, dass auch diese nicht für alle Ewigkeit gelten werden.
*und allem was logisch und begrifflich noch mit dran hängt. Hierbei ist mir klar, dass das keine sauber abgerenzte Menge sein wird. Nur dass es eine große Portion sein muss.
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Testirossi Gnostiker
Anmeldungsdatum: 12.08.2008 Beiträge: 741
Wohnort: jwd
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(#1273335) Verfasst am: 22.04.2009, 15:23 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | Es herrscht doch mittlerweile ein Konsens darüber, dass Wahrheit, Beleg und Bedeutung auf sehr komplexe und umstrittene Weise voneinander abhängen und allesamt nur in einer sich verändernden Sprache ausgedückt werden können (Mathematik und formale Kunstsprachen mal aussen vorgelassen). |
Ist das wahr?
Ich glaube nicht, denn "Wahrheit" könnte auch Bestandteil einer sich nicht verändernden Kunstsprache sein.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Eine entgültige Letztbegründung bzw. ein Beweis für alle Ewigkeit (im Gegensatz zum bloßen Beleg) von irgendwas macht nur Sinn, wenn man seine Formulierung über die Veränderung der Sprache in eindeutiger Weise bedeutungsinvariant halten könnte. Mir ist niemand bekannt, der so was noch behauptet. Diejenigen, die mal davon träumten haben es ja letztlich selbst widerlegt. |
Oben habe ich einen Widerspruchsbeweis geführt, daß die "absolute Wahrheit" existiert.
Dieser Beweis beruht auf "tertium non datur" und gilt so lange, wie dieses Axiom gilt.
Falls es wahr ist, daß es keine "absolute", also unabhängige Wahrheit gibt, dann wäre das eine "absolute Wahrheit" und diese Aussage wäre dann stets wahr, solange man Aussagen machen kann.
"Wahrheit" setzt natürlich eine Aussage voraus.
Eine Aussage kann aber auch nichtverbal erfolgen, sie ist also nicht zwangsläufig sprachbasiert.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Die Unterscheidung zwischen Beweis und Beleg ist aber trotzdem sinnvoll, um damit auszudrücken, dass bestimmte Thesen so alternativlos, abgesichert und zentral sind, dass sie für einen gewissen längeren Zeitraum die Rolle der entgültigen Wahrheiten der Rationalisten praktisch erfüllen. Wenn solche Thesen irgendwann abgeändert werden ist es Interpretationssache, ob sich nun der Wahrheitsstatus oder die Bedeutung (oder beides) der beteiligten Sprachteile* geändert hat.
Ob es solche herausragenden Thesen gibt und ob/wie wir sie identifizieren könnten, da mag ich mich nicht festlegen, auch wenn ich es gerne so hätte. Aber ich glaube, dass es durchaus möglich ist sinnvoll von Beweisen im Gegensatz zu Belegen zu sprechen, selbst wenn man davon ausgeht, dass auch diese nicht für alle Ewigkeit gelten werden.
*und allem was logisch und begrifflich noch mit dran hängt. Hierbei ist mir klar, dass das keine sauber abgerenzte Menge sein wird. Nur dass es eine große Portion sein muss. |
Was sind denn "Thesen [die]... für einen gewissen längeren Zeitraum die Rolle der entgültigen Wahrheiten der Rationalisten praktisch erfüllen"?
Kann mir jemand ein paar nennen?
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1273366) Verfasst am: 22.04.2009, 15:57 Titel: |
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Testirossi hat folgendes geschrieben: | Ich glaube nicht, denn "Wahrheit" könnte auch Bestandteil einer sich nicht verändernden Kunstsprache sein. |
Ausnehmen wollte ich die Kunstsprachen nur von der Veränderung. Gerade in formalen Kunstsprachen hängt Wahrheit und Bedeutung ja sehr eng zusammen. Bloß ist es da kein Problem, weil man es sauber definieren kann und sich Bedeutungen nicht ungeplant ändern.
Testirossi hat folgendes geschrieben: | Oben habe ich einen Widerspruchsbeweis geführt, daß die "absolute Wahrheit" existiert. Dieser Beweis beruht auf "tertium non datur" und gilt so lange, wie dieses Axiom gilt. |
Der Beweis garantiert mir aber keine absolute Wahrheit im Bereich von naturwissenschaftlichen oder metaphysischen Aussagen über die Welt. Und gerade da stellt sich doch die Frage ob man über bloße Belege hinausgehend auch von Beweisen reden kann.
Testirossi hat folgendes geschrieben: | Was sind denn "Thesen [die]... für einen gewissen längeren Zeitraum die Rolle der entgültigen Wahrheiten der Rationalisten praktisch erfüllen"?
Kann mir jemand ein paar nennen? |
Wie gesagt, ich wäre froh, wenn ich mit überzeugenden Gründen welche vorschlagen könnte.
Kandidaten, bei denen es sich jedenfalls lohnt darüber nachzudenken, wären vielleicht die Theorie, dass alle (irdischen) lebenden Organismen aus Zellen bestehen in der Biologie, das Atommodell der Chemie oder der ganze Teilchenzoo in der Elementarphysik.
Das sind Kandidaten weil eine Änderung ihres Wahrheitsstatus nur mit einer kompletten Revision der ganzen entsprechenden Wissenschaft und ihren fundamentalen Konzepten möglich ist. Das heisst nicht, dass das niemals passieren wird. Aber wenn es passiert wird es schwierig hinterher zu sagen, wir würden noch über die gleichen Dinge reden wie vorher.
Selbst wenn man keine verschiedene Sprachen mit oder ohne Inkommensurabilität postuliert wird es schwierig zu sagen, dass diese alten "Wahrheiten" sich als falsch erwiesen haben. In ihrer alten Bedeutung bleiben sie weiter gewissermaßen richtig. Mit der Kenntnis der neuen Definitionen und Begriffssysteme sind sie eher unklar als falsch.
Solange man irgendetwas Sinnvolles und Verständliches im Bereich der jeweiligen Wissenschaften sagen möchte, muss man diese grundlegenden und zentralen Theorien als wahr annehmen. Was würde denn ein Biologe, der nicht an Zellen glaubt, meinen wenn er von Organismen redet? Bei diesen zentralen Begriffen verschmilzt die geglaubte Wahrheit der Theorie mit der Bedeutung der Begriffe. In diesem rein praktischen Sinne spielen sie eine vergleichbare Rolle wie die guten alten analytischen Wahrheiten bei den Rationalisten oder die synthetischen Wahrheiten a priori bei Kant.
Und in diesem Sinne wären es Kandidaten für Thesen, die nicht bloß gut belegt, sondern felsenfest bewiesen sind.
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