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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#120074) Verfasst am: 01.05.2004, 10:52 Titel: des Nachts erschien der Germanist |
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...doch in welchem Fall tat er das? Der Genitiv von "die Nacht" ist "der Nacht".
Was also ist "des Nachts"?
Bevor jemand fragt: Ja, ich missbruache euch grade als Teil einer Studie über deutsche Casus-Morphologie.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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nocquae diskriminiert nazis
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18183
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(#120078) Verfasst am: 01.05.2004, 11:09 Titel: |
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die Frage erinnert mich an http://gutenberg.spiegel.de/morgenst/galgenli/werwolf.htm
in der Tat könnte man IMO mit gleicher Berechtigung fragen, warum der Genitiv von "der Werwolf" nicht "des Weswolfs" lautet.
Bei "des Nachts", "eines Nachts" dürfte es sich wohl um Ausdrücke handeln, für die es im mhd noch eine "grammatische Begründung" gab, die sich jedoch heute zu feststehenden Ausdrücken gewandelt haben.
_________________ In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.
-- Kurt Tucholsky
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Sanne gives peas a chance.
Anmeldungsdatum: 05.08.2003 Beiträge: 12088
Wohnort: Nordschland
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(#120081) Verfasst am: 01.05.2004, 11:15 Titel: Re: des Nachts erschien der Germanist |
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Shadaik hat folgendes geschrieben: | ...doch in welchem Fall tat er das? | Zunächst: In welcher Gegend tat er das? Ich vermute, hauptsächlich in Nordrheinwestfalen...?
In Schleswig-Holstein käme er plattdeutscherweise "bi de nacht" (Kum bi de nacht, kum bi de nacht, seg, wo du heest...), wobei "de Nacht" in allen Fällen und Kasi korrekt ist.
Hochdeutsch erschiene er einfach bloß nachts.
[/quote]
_________________ Ich will das Internet doch nicht mit meinen Problemen belästigen! (Marge Simpson)
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#120086) Verfasst am: 01.05.2004, 11:29 Titel: |
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Mal eben mein Wissensstand: "des Nachts" ist eine relativ junge Wortform im Hochdeutschen, die durch Analogiebildung mit "des morgens", "des mittags" etc. entstand.
Conrad Duden gibt sie 1898 als Genitiv von "Nacht" an, was abe rganz klar falsch ist.
Die Form gilt heute schon wieder als veraltet, hält sich aber im poetisch-literarischen Deutsch hartnäckig. Das "des" ist dabei optional.
Ich vermute hier, dass durch die Analogiebildung und die Weitergabe der neuen Form ein neuer, in keiner anderen Sprache existierender Fall entstanden ist.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#120089) Verfasst am: 01.05.2004, 11:32 Titel: |
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Hi,
"eines Tages" usw. ist der sogenannte temporale Genitiv, der für unbestimmte Zeitangaben benutzt wird.
Die Frage, warum bei "des Nachts" fälschlicherweise die maskuline Form benutzt wird, findest du in "Der so genannte Sprachverfall" von Prof. Dr. Rudi Keller, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf beantwortet:
Zitat: | Betrachten wir nun drei Beispiele systematischer grammatischer Fehler, die heute zu beobachten sind: Im Herbst diesen Jahres werden wir umziehen. Sätze wie diesen hört man derzeit sehr oft, auch von gebildeten Sprechern. Natürlich sollte es im Herbst dieses Jahres heißen. Warum machen die Leute genau diesen Fehler? Niemand käme schließlich auf die Idee die Hosen diesen Kindes oder der Fahrer diesen Autos zu sagen. Die Erklärung lautet: Es handelt sich um eine Analogiebildung, ein Phänomen, das in der Entwicklung einer Sprache sehr häufig passiert. Es heißt im Herbst letzten, vorigen, nächsten Jahres, also auch im Herbst diesen Jahres. Die semantische Reihenbildung von letzten, vorigen und nächsten verleitet die Sprecher offenbar dazu, das Demonstrativpronomen dieses wie das Adjektiv letztes zu flektieren. Ich habe es bereits angedeutet: Die systematischen Fehler von heute sind die neuen Regeln von morgen.
Die folgende Analogiebildung geschah offenbar bereits gestern: Der Genitiv des femininen Substantivs die Nacht heißt bekanntlich der Nacht, auf keinen Fall jedoch des Nachts. Dennoch hat sich des Nachts eingebürgert analog zu den semantisch ähnlichen Ausdrücke des Morgens, des Mittags und des Abends, die allesamt Maskulina sind. Hier ist die Analogieform mittlerweile voll akzeptiert, im Falle von diesen Jahres befindet sich die Sprachkonvention gerade im Umbruch. |
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#120090) Verfasst am: 01.05.2004, 11:34 Titel: Re: des Nachts erschien der Germanist |
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Sanne hat folgendes geschrieben: | Shadaik hat folgendes geschrieben: | ...doch in welchem Fall tat er das? | Zunächst: In welcher Gegend tat er das? Ich vermute, hauptsächlich in Nordrheinwestfalen...?
In Schleswig-Holstein käme er plattdeutscherweise "bi de nacht" (Kum bi de nacht, kum bi de nacht, seg, wo du heest...), wobei "de Nacht" in allen Fällen und Kasi korrekt ist. | [/quote]
"bi de nacht" ist das selbe Phänomen, nur ist das Problem hier syntaktisch (also mit Präposition) statt morphologisch (also als Kasus) gelöst.
Auch im hochdeutschen ist "in der Nacht", "im Luafe der Nacht", "nachts" etc. möglich.
Wobei nachts im Gegensatz zu "des Nachts" ein Adverb ist.
@ NOCQUAE: Der Genitiv von Werwolf ist nicht "des Werwolfs"? Jetzt bin ich verwirrt.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#120091) Verfasst am: 01.05.2004, 11:36 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Hi,
"eines Tages" usw. ist der sogenannte temporale Genitiv, der für unbestimmte Zeitangaben benutzt wird.
Die Frage, warum bei "des Nachts" fälschlicherweise die maskuline Form benutzt wird, findest du in "Der so genannte Sprachverfall" von Prof. Dr. Rudi Keller, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf beantwortet:
Zitat: | Betrachten wir nun drei Beispiele systematischer grammatischer Fehler, die heute zu beobachten sind: Im Herbst diesen Jahres werden wir umziehen. Sätze wie diesen hört man derzeit sehr oft, auch von gebildeten Sprechern. Natürlich sollte es im Herbst dieses Jahres heißen. Warum machen die Leute genau diesen Fehler? Niemand käme schließlich auf die Idee die Hosen diesen Kindes oder der Fahrer diesen Autos zu sagen. Die Erklärung lautet: Es handelt sich um eine Analogiebildung, ein Phänomen, das in der Entwicklung einer Sprache sehr häufig passiert. Es heißt im Herbst letzten, vorigen, nächsten Jahres, also auch im Herbst diesen Jahres. Die semantische Reihenbildung von letzten, vorigen und nächsten verleitet die Sprecher offenbar dazu, das Demonstrativpronomen dieses wie das Adjektiv letztes zu flektieren. Ich habe es bereits angedeutet: Die systematischen Fehler von heute sind die neuen Regeln von morgen.
Die folgende Analogiebildung geschah offenbar bereits gestern: Der Genitiv des femininen Substantivs die Nacht heißt bekanntlich der Nacht, auf keinen Fall jedoch des Nachts. Dennoch hat sich des Nachts eingebürgert analog zu den semantisch ähnlichen Ausdrücke des Morgens, des Mittags und des Abends, die allesamt Maskulina sind. Hier ist die Analogieform mittlerweile voll akzeptiert, im Falle von diesen Jahres befindet sich die Sprachkonvention gerade im Umbruch. |
gruß/step |
Ja, dieser Text hat mich zu der Frage inspiriert. Ich werde bei nächster Gelegenheit mal mit Prof. Keller sprechen, schließlich sind wir an der selben Uni.
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Heike J registrierter User
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 26284
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(#120093) Verfasst am: 01.05.2004, 11:37 Titel: Re: des Nachts erschien der Germanist |
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Sanne hat folgendes geschrieben: | Shadaik hat folgendes geschrieben: | ...doch in welchem Fall tat er das? | Zunächst: In welcher Gegend tat er das? Ich vermute, hauptsächlich in Nordrheinwestfalen...?
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Also, nee... hier würdse eher "inner Nacht" sagen...
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#120094) Verfasst am: 01.05.2004, 11:38 Titel: |
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NOCQUAE hat folgendes geschrieben: | die Frage erinnert mich an http://gutenberg.spiegel.de/morgenst/galgenli/werwolf.htm
in der Tat könnte man IMO mit gleicher Berechtigung fragen, warum der Genitiv von "der Werwolf" nicht "des Weswolfs" lautet.
Bei "des Nachts", "eines Nachts" dürfte es sich wohl um Ausdrücke handeln, für die es im mhd noch eine "grammatische Begründung" gab, die sich jedoch heute zu feststehenden Ausdrücken gewandelt haben. |
Werwolf kommt von Wehrwolf. Mit dem Fragepartikel "wer" hat das gar nichts zu tun.
Außerdem werden in Komposita nur die Köpfe konjugiert.
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#120098) Verfasst am: 01.05.2004, 11:43 Titel: |
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Ich bin dann mal weg. An die, die ich später sehe: Ich seh euch später noch.
Trudle so um 16:00 rum ein.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Sanne gives peas a chance.
Anmeldungsdatum: 05.08.2003 Beiträge: 12088
Wohnort: Nordschland
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(#120102) Verfasst am: 01.05.2004, 11:59 Titel: Re: des Nachts erschien der Germanist |
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Heike Jackler hat folgendes geschrieben: | Sanne hat folgendes geschrieben: | Shadaik hat folgendes geschrieben: | ...doch in welchem Fall tat er das? | Zunächst: In welcher Gegend tat er das? Ich vermute, hauptsächlich in Nordrheinwestfalen...?
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Also, nee... hier würdse eher "inner Nacht" sagen...  |
"Unter der Nacht" gibts auch, oder? Bin jetzt ein bißchen verwirrt...
_________________ Ich will das Internet doch nicht mit meinen Problemen belästigen! (Marge Simpson)
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Heike J registrierter User
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 26284
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(#120103) Verfasst am: 01.05.2004, 12:00 Titel: Re: des Nachts erschien der Germanist |
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Sanne hat folgendes geschrieben: | Heike Jackler hat folgendes geschrieben: | Sanne hat folgendes geschrieben: | Shadaik hat folgendes geschrieben: | ...doch in welchem Fall tat er das? | Zunächst: In welcher Gegend tat er das? Ich vermute, hauptsächlich in Nordrheinwestfalen...?
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Also, nee... hier würdse eher "inner Nacht" sagen...  |
"Unter der Nacht" gibts auch, oder? Bin jetzt ein bißchen verwirrt... |
Die Formulierung kenn ich auch.
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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(#120105) Verfasst am: 01.05.2004, 12:08 Titel: |
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Wenn alle Leute einen Sprachfehler begehen, dann ist es kein Fehler mehr.
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#120290) Verfasst am: 02.05.2004, 17:14 Titel: |
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Stimmt: Die Fehler von heute sind die Regeln von morgen.
Bevor dieser Thread im virtuellen Nirvana verschwindet mache ich noch was aus meiner kleinen Vorlage:
Des Nachts erschien der Guerremanist
Des Nachts erschien der Guerremanist
und sagte mir, wie das so ist.
Wenn man den Wenwolf nicht geübt
dann ist des Weswolfs Wohl getrübt.
Wenn man die Kommas nicht korrekt setzt
man die zeichensetzung ketzt
schaun Kommata nur noch sauer
in Pluralformentodestrauer.
Erfüllt der Guerremanist nicht seine Pflicht,
weiß das Wort, es gibt ihn nicht.
Doch eines hier, das muss noch sein,
eine Entschuldigung für den Gottesbezug,
schlechter Versfuß und unreiner Reim.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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nocquae diskriminiert nazis
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18183
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(#120316) Verfasst am: 02.05.2004, 18:24 Titel: |
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Shadaik hat folgendes geschrieben: | Werwolf kommt von Wehrwolf. Mit dem Fragepartikel "wer" hat das gar nichts zu tun.
Außerdem werden in Komposita nur die Köpfe konjugiert. | Eben; ich wollte darauf hinaus, dass es eben nsinnlos ist, bei "feststehenden ausdrücken", über konjugationen zu verhandlen wobei werwolf AFAIK von ahd. "wer" = "mann, mensch" kommt, aber ist ja auch egal)
_________________ In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.
-- Kurt Tucholsky
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#120323) Verfasst am: 02.05.2004, 18:46 Titel: |
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NOCQUAE hat folgendes geschrieben: | Shadaik hat folgendes geschrieben: | Werwolf kommt von Wehrwolf. Mit dem Fragepartikel "wer" hat das gar nichts zu tun.
Außerdem werden in Komposita nur die Köpfe konjugiert. | Eben; ich wollte darauf hinaus, dass es eben nsinnlos ist, bei "feststehenden ausdrücken", über konjugationen zu verhandlen wobei werwolf AFAIK von ahd. "wer" = "mann, mensch" kommt, aber ist ja auch egal) |
Ich will ja nicht verhandeln, sondern herausfinden ob es einen grund hat, dass grade diese ursprünglich falsche Konjugation sich als richtig durchgesetzt hat.
Und, noch interessanter, ohne den korrekten Genitiv zu ersetzen. "des Nachts" und "der Nacht" haben im modernen deutsch nämlich unterschiedliche Semantik.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Gurdulf Zauselbart Selbsternannter König der Doofians
Anmeldungsdatum: 05.05.2004 Beiträge: 86
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(#121573) Verfasst am: 06.05.2004, 14:08 Titel: |
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soweit ich weiß und ich weiß meistens weit
is das nur ne mittelalterliche schreibweise...
wer schon mal was von andreas gryphius gelesen hat weiß wovon ich rede
_________________ Gesetze die du immer einhalten solltest!
§1 Ich habe immer Recht
§2 Sollte ich einmal nicht Recht haben tritt unverzüglich §1 in Kraft
§3 Sollte jemand flegelhafterweise behaupten das ich Unrecht habe so tritt wiederum §1 in Kraft
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