Herzogs Grizzly Man

[zelig]

Ein Interview in der heutigen SZ mit Werner Herzog hat mich auf einen Film aufmerksam gemacht: Grizzly Man. Das Interview beschäftigt mich. Ich gebe es mal aus dem Gedächtnis zusammengefasst wieder.
Werner Herzog ist mehr oder weniger zufällig über das Film-Material des einigermaßen bekannten Bären-Freundes Timothy Treadwell gestolpert. Es lag wohl seit einiger Zeit unbearbeitet in einem Studio herum. Als HErzog klar wurde, was das für ein Stoff ist, wollte er sofort den Film machen. [An den Fall Timothy Treadwells erinnere ich mich übrigens, da sein und seiner Freundin Tod damals durch die Presse ging.] Das Material bestand aus vielen Stunden Aufnahmen von Treadwell selber und, da der Bär zuerst ihn tötete, während Amie Huguenard, seine Freundin, noch in einem Zelt war und dort die Kamera anschaltete, aus einer mehrmenütigen Tonspur mit der Aufnahme des aussichtslosen Kampfes der beiden. [Hier habe ich die Phantasie, daß diese Einschränkung auf die Tonspur eine Strategie sein könnte, um zu verhindern, daß zurückgehaltenes Film-Material dieser Szene nicht doch noch ihren Weg in die Veröffentlichung findet. Dabei habe ich im Hinterkopf, daß Video-Veröffentlicher im Inet, wie youtube, yahoo oder ähnliche, für die Beschaffung des zurückgehaltenen Filmmaterials auf dem die Tötung des australischen Naturfilmers Steve Irwins durch den Stich eines Mantarochens zu sehen ist, aggressive 6-stellige Summen im hohen Bereich geboten haben.] Jedenfalls schildert Herzog, daß die Inhaber der Rechte für eine Verfilmung zur Bedingung machten, das Ton-Material in den Film einzubauen. Herzog schildert, wie er beim ersten Hören sich selber hat filmen lassen, um seine Reaktion zu dokumentieren. Er sagt, sinngemäß, ab einer bestimmten Stelle wußte er, daß dieses Material niemals veröffentlicht werden kann, da die Veröffentlichung gegen die Menschenwürde der beiden Getöteten verstoßen würde. [Ein halbwegs empfindsames Gemüt kann sich vorstellen (oder eben nicht vorstellen), von welcher Qualität die Aufnahmen seien müssen.] Herzog würde den Film unter dieser Voraussetzung nicht machen. Er befürworte ebenfalls eine Kontrolle über die Veröffentlichung derartigen Materials.
Anscheinend ist Herzog von Treadwell und dessen Film-Aufnahmen fasziniert und hat zu Treadwell selber ein zwiespältiges Verhältnis. Er lehnt dessen Verharmlosung - Vergötterung wäre wohl angebracht- der Grizzlys ab. Seine Freundin hat Treadwell erst in den letzten Jahren dazu bewegen können, mit ihm unter den Bären zu leben. Sie selber hat die Tiere gefürchtet.
Ein Wort noch zur deutschen Film-Szene. In anderen Ländern -auch in den Staaten- war Grizzly-Man ein äusserst erfolgreicher Kino-Film. Allein in Deutschland ist er nicht in die Kinos gekommen, weil kein Verleiher ihn haben wollte. Einizg zu einem Vertrag über eine DVD-Produktion ist es gekommen.

[Sehwolf]

Das klingt sehr interessant.

Mag solche Filme sehr: Sturz ins Leere

[zelig]

Danke für den Hinweis. Werde mal dran denken.
Wenn Du sowas magst, dann kennst Du vielleicht auch Jon Krakauers Buch In eisige Höhen. Das war für mich das packendste Buch dieses Genres, das ich überhaupt je gelesen habe. Weiß allerdings nicht, ob es verfilmt wurde.

[Sehwolf]

[Sehwolf]

Hast du den Film inzwischen gesehen?

[zelig]

Moin.
Bin noch nicht dazu gekommen.
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Es gibt kein richtiges Leben im falschen.

[Sehwolf]

<s>Moin</s> N'abend

Mach mal, würd' mich interessieren was du sagst.

[Solipsist]

*schieb*

[zelig]

Wir haben den Film dann wirklich gesehen.
Die Art Timothy Treadwells, wie er konsequent die Gefahr, die von den Grizzlys ausging, ignorierte, fand ich kaum erträglich. Er hat sie, wenn ich mich richtig erinnere, als Freunde vermenschlicht. Die Gefährdung war für den Betrachter durch die Kamera greifbar. Es war nichts, was er im Griff hatte, auch wenn er das glaubte.
Erschütternd auch alleine schon die kurze Szene, die Herzog beim hören der Tonspur mit den Aufnahmen des Todeskampfes zeigen. Möge das Material für immer unter Verschluss bleiben.

[Hucklebuck]

Ich habe den Film schon vor ein paar Jahren gesehen.
Ich denke, der Typ hatte schon vorher einen mittelschweren Drogen-Schaden. Daß man sich unter Beachtung wichtiger Verhaltensmaßregeln Grizzlys durchaus nähern kann und sie in ihrem Verhalten halbwegs berechenbar sind, ist bekannt. Auf Kodiak gibt es regelrechte "Exkursionen" zu den Plätzen, an denen sich die dicken Jungs zum Lachsfangen sammeln.
Das Kardinal-Problem bei Bären ist, daß sie, anders wie die meisten sonstigen großen Beutegreifer, keine Mimik haben, an der man normalerweise AUCH Anzeichen für bestimmte Verhaltensweisen erkennen kann.
Deswegen ist die Zirkus-Haltung von Bären z.B. schwieriger und gefährlicher als die von Raubkatzen.

Nichtsdestotrotz kann ich Treadwells Wut gegenüber dem "Jagdtourismus" und anderen Auswüchsen natürlich sehr gut nachvollziehen.
Daß er in grotesker Art und Weise jegliche Grenzen überschritten hat, ist eine andere Sache, schließlich hat er dafür folgerichtig mit seinem Leben bezahlt, Dummheit muss nun mal bestraft werden, denn die Natur verzeiht auf Dauer nichts, auch nicht menschliche Arroganz.

Ich denke, daß Treadwell zufällig den selben Adrenalinausstoß in Alaska gefunden hat, dem er schon als Surfer (und Drogenkonsument) verfallen war, nur in Alaska hatte er das derartig exklusiv, daß er im Umgang mit den Grizzlys relativ schnell daß Gefühl adaptierte und permanent größenwahnsinnig wurde.

Wer mit dem Teufel tanzt, muss sich eben nicht wundern, wenn er sich dabei die Eier versenkt...

[Tassilo]

[Hucklebuck]