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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1272780) Verfasst am: 21.04.2009, 18:59 Titel: |
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lumar hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: | lumar hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: |
Mit den empirsichen Belegen könntest du allerdings einmal selber anfangen, nämlich mir keine Phantantasieaussagen anzudichten.
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Dabei bleibe ich, solange du Aussagen ohne empirische Stützung als synthetische Aussagen/Weltmodelle verkaufen willst. |
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Belege:
Deine Aussagen:
- Gott erschuf die Welt |
Hier habe ich auf Aristoteles verwiesen und die Glaubensaussage der Bibel hinzugesetzt, indem ich auf meinen Glauben, d.h. vertrauen in die Zuverlässigkeit der Aussagen angeführt habe.
lumar hat folgendes geschrieben: |
- Gott ist die lebendige Liebe |
Habe ich als Biblische Aussage und Selbsterfahrung / Glaubensaussage gepostet.
lumar hat folgendes geschrieben: |
- Das erlebte Leid in dieser Welt ist gerechtfertigt ... |
Hier bin ich von Leibnitz ausgegangen, der die These formulierte, dass das Übel einem Zweck dient und wir die Konsequenzen aus einer andersartigen Welt eben nicht selber ermessen können.
lumar hat folgendes geschrieben: | ... und für dieses Leid ist nicht Gott verantwortbar |
Habe ich nicht nur nicht, sondern das Gegenteil behauptet!
lumar hat folgendes geschrieben: | Begründen tust du diese Aussagen mit Offenbarungen und Verweis auf Aristoteles' Unbewegten Beweger. |
Was für absurde Verbindungen du hier aufbaust. Der erste Part ist teilweise richtig, der weiter ist eine zusammenhanglose Smmlung von Halbwahrheiten ...
lumar hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: |
Darüber hinaus: Jedes Weltmodell ist synthetisch, auch das positivistische. Darüber hinaus habe ich auch ständig und wiederholt die äußere Konsistenz gefordert, also die Kompatibilität zu empirischen Wissen. Wo also willst du mir jetzt was andichten?
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Weil es bisher bei dieser Forderung geblieben ist. In der obigen Aufzählung von mir sehe ich keine äußere Konsistenz. |
Eben!
Warum stellst du eine wilde Zusammenstellung von Halbwahrheiten auf, die dann auch nicht konsistent sind. Das aber ist dein Problem.
lumar hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: |
lumar hat folgendes geschrieben: |
Nun, meine Ablehnung aus methodologischen Gründen habe ich begründet. So ist z.B. Ernsthaftigkeit kein Kriterium, sondern ein methodisches Mittel. Siehst du dieses als Kriterium an, musst du auch sagen können, welcher emotional state als Kriterium taugt und welcher nicht und warum? Die bereits angesprochende Vermischung von Sehnsüchten, Ängsten, Hoffnungen, Wertekonstrukten, Religion und Wissenschaft halte ich für methodisch falsch und irrational, da hier jeweilige Ansprüche und Funktionen verquirlt werden - also keine Apriori-Ablehnung.
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Das ist schlicht falsch. Denn selbst wenn ich die schlichte Forderung nach einer unvoreingenommenen Konsistenzprüfung stelle, formulierst du apriori einen Widerspruch. All die von dir genannten Punkte könnten natürlich Teil einer Konsistenzprüfung sein. Dann aber darf man diese nicht apriori als Prozess vor der Prüfung, sondern als Prüfprozess auffassen. Darum begehst du den systhematischen Fehler, ein Gegenbild zu konstruieren, dass eben nicht auf Konsistenz geprüft werden soll. Denn deine These, hier läge eine 'angesprochene Vermischung' vor, kann nur durch eine Konsistenzprüfung diskutiert werden. Dabei gilt es eben, die Elemente zu trennen oder aber in ihrem Wirkzusammenhang zu diskutieren. Im Besondern, da du hier aber ein Vermischung postulierst, die du nicht prüfen willst, bist du es, der hier vermischt.
Und das ist methodisch falsch!
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Auch das ist falsch, denn diese Vermischung ist geprüft worden, auch in dieser Diskussion. Besonders auf die von dir hier angesprochene Trennung und ihre Wirkzusammenhänge wies ich bereits mehrfach hin. |
Du langweilst mit absurden Behauptungen. Dein vorgeblicher Hinweis auf die Trennung der behaupteten Vermischung ist unsinnig, denn du behauptest eine Vermischung, di oftmals nicht besteht und lediglich billiges rhetorisches Argument ist.
lumar hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: |
lumar hat folgendes geschrieben: |
Der Anspruch einer naturwissenschaftlichen Theorie und die Funktionalität von durch religiösen Glauben gestützten Wertekonstrukten z. B.
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Du benutzt schon wieder diesen ominösen Begriff 'religiösen Glauben', bei dem wir festgestellt haben, dass er undefiniert und unklar ist. Was also willst du wirklich sagen?
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Noch ein Beispiel: Werte sind von Gott gegeben versus Werte sind menschliche Konstruktionen. Dies hat natürlich Konsequenzen für die Gestaltungsmöglichkeiten und ihre Inanspruchnahme. |
Dein Text ist völlig zusammenhanglos. Anstelle einer notwendigen Begriffsklärung schreibst du einfach irgend was.
lumar hat folgendes geschrieben: |
ballancer hat folgendes geschrieben: |
lumar hat folgendes geschrieben: |
Der erste Grund ist eine Setzung und lässt sich eher in den Grenzen unserer kognitiven Fähigkeiten sehen als in den Begrenzungen der Welt. Der Urgrund ist nichts mehr als eine Definition; der Unbewegte Beweger ist ebenfalls eine Setzung. Es liegen jedoch keine Gründe vor anzunehmen, es gäbe tatsächlich einen Unbewegten Beweger; die Grenzen unserer Erkenntnis können hier nicht als Beleg dienen. Die Frage Warum? bleibt auch beim Postulat des Urgrundes. Warum gibt es einen? Warum ist es eben der postulierte? Es ist leider nicht zu zeigen, dass es sich um mehr als eine menschliche Fiktion handelt, die das Problem im Sinne der Fragestellung nicht lösen kann. Zudem fehlt für diesen Urgrund ein plausibles Modell. Wiederholtes Nachfragen führte hier zu nichts.
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Das ist doch nur positivistischer Blabla, der belegt, dass der Positivismus inhärent irrational ist. Denn die Ablehnung der Welterkenntnis mit positivistischen Argumenten negiert die Ansicht, mit den Mitteln der Beobachtung sinnvolle Annahmen zu ermitteln.
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Was für ein Unsinn. Siehe auch einmal hier. Der logische Schluss auf einen Unbewegten Beweger ergibt sich bei Ablehnung eines unendlicher Regresses. Diese Ablehnung selbst ist jedoch nicht aus dieser Analyse zu schließen. Dies bedeutet, aus deinen bisherigen Begründungen kann nicht geschlossen werden, dass der Unbewegte Beweger existieren muss. Hier mir wiederholt Positivismus vorzuwerfen zeigt mir nur, dass deine "Prüfung" alles andere als unvoreingenommen ist. |
Du bezeichnest Positivismus als einen Vorwurf? Wieso dass? Wääre es nicht einfacher, du würdest diesen nicht praktizieren, als dass er bei dir eben offensichtlich zu Tage tritt ... wenn du schon nicht damit assoziiert werden willst?
Zu Aristoteles: Natürlich ist der infinite Regress abzulehnen. Aristoteles hat diesen übrigens nicht wegen der Begrenztheit der Zeit abgelehnt, da er von der unbegrenzten Lebensdauer der Fixsterne sogar annahm. Sondern er hat erkannt, dass die Tatsache, dass es eben den Wandel gibt - unabhängig von seinen zeitlichen Postulaten - einen daruber liegenden ersten Grund geben muss, da auch die Existenz eines infiniten Regresse diesen erfordert.
lumar hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: |
lumar hat folgendes geschrieben: |
Nein, denn - auch wenn dir das rätselhaft bleiben muss - man kann auch lieben ohne zu glauben. Vielleicht solltest du Liebesromane schreiben. |
Deine verwendeten Begrifflichkeiten werden immer negulöser. Was ist denn 'Liebe' aus deiner Sicht?
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Liebe zeigt sich für mich in Empfindungen, Handlungen und Erfahrungen - also nach deiner Begrifflichkeit ist Liebe ganz böser Positivismus, pfui pfui pfui.... |
Ich habe hier nach deiner Definition gefragt und keine eigene Definition gebracht. Ich beziehe mich nämlich keineswegs auf irgend eine Definition, die man mühsam erraten muss, sondern auf:
Zitat: | Liebe (von mhd. liebe „Gutes, Angenehmes, Wertes“) ist im engeren Sinne die Bezeichnung für die stärkste Zuneigung, die ein Mensch für einen anderen Menschen zu empfinden fähig ist. Analog wird dieser Begriff auch auf das Verhältnis zu Tieren oder Sachen angewendet. Im weiteren Sinne bezeichnet Liebe eine ethische Grundhaltung („Nächstenliebe“), oder die Liebe zu sich selbst („Selbstliebe“).
Im ersteren Verständnis ist Liebe ein mächtiges Gefühl und mehr noch eine innere Haltung positiver, inniger und tiefer Verbundenheit zu einer Person, die den reinen Zweck oder Nutzwert einer zwischenmenschlichen Beziehung übersteigt und sich in der Regel durch eine tätige Zuwendung zum anderen ausdrückt. Hierbei wird nicht unterschieden, ob es sich um eine tiefe Zuneigung innerhalb eines Familienverbundes („Elternliebe“) handelt, um eine enge Geistesverwandtschaft („Freundesliebe“) oder ein körperliches Begehren („geschlechtliche Liebe“). Auch wenn letzteres eng mit Sexualität verbunden ist, bedingt sich auch in letzterem Falle beides nicht zwingend (zum Beispiel sogenannte „platonische Liebe“). |
http://de.wikipedia.org/wiki/Liebe
In dieser Definition geht es eben vor allem um die Beziehung und Zuneigung, eine innere Haltung. Wie aber kann diese geschehen, wenn kein Glaube in den Geliebten gesetzt wird?
Deine Assoziationen von Liebe zu Positivismus und 'Pfui' wirken auf mich bizar.
_________________ 1.Thessalonicher 5,21 "Prüft aber alles und das Gute behaltet."
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lumar multiplying reflection of an ancient broken mirror
Anmeldungsdatum: 28.10.2006 Beiträge: 456
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(#1272822) Verfasst am: 21.04.2009, 19:45 Titel: |
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ballancer hat folgendes geschrieben: |
Du bezeichnest Positivismus als einen Vorwurf? Wieso dass? Wääre es nicht einfacher, du würdest diesen nicht praktizieren, als dass er bei dir eben offensichtlich zu Tage tritt ... wenn du schon nicht damit assoziiert werden willst?
Zu Aristoteles: Natürlich ist der infinite Regress abzulehnen. Aristoteles hat diesen übrigens nicht wegen der Begrenztheit der Zeit abgelehnt, da er von der unbegrenzten Lebensdauer der Fixsterne sogar annahm. Sondern er hat erkannt, dass die Tatsache, dass es eben den Wandel gibt - unabhängig von seinen zeitlichen Postulaten - einen daruber liegenden ersten Grund geben muss, da auch die Existenz eines infiniten Regresse diesen erfordert.
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Nein, es ist nicht natürlich gegeben, einen infiniten Rgress abzulehnen - unabhängig ob ich ihn für plausibel halte oder nicht. Du denkst da sehr merkwürdig: Die Ablehnung eines infiniten Regresses ist nicht zu begründen da natürlich und wer Begründungen fordert, sei ein Positivist.
Zudem verwies ich auf die eigentliche Fragestellung: Das Postulat einer Existenz eines komplexen, bewussten, lebendigen Wesens ist keine Antwort auf die Frage, warum überhaupt etwas existiert. Das Postulat des Urgrundes bedeutet nichts anderes, dass du nicht sagen kannst, warum Gott existiert und du gleichzeitig zugibst, dass etwas existiert ohne Grund außerhalb seiner selbst. Da aber - wie du gezeigt hast - Existenz keinen Grund benötigt, brauche ich zur Erklärung der Existenz auch keinen Gott.
_________________ By this art you may contemplate the variation of the 23 letters . . .
The Anatomy of Melancholy, part 2, sect. II, mem. IV.
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Ascanius abnorm
Anmeldungsdatum: 14.06.2005 Beiträge: 375
Wohnort: Berlin
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(#1272825) Verfasst am: 21.04.2009, 19:46 Titel: |
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Einsiedler hat folgendes geschrieben: | Ascanius hat folgendes geschrieben: | Egal, ob ein Determinist in den Hungerstreik tritt oder nicht und ob er jemandem das Ohr in Streifen schneidet oder nicht: er kann sich hinterher damit herausreden, daß es eben determiniert war, und zwar ganz einfach deshalb, weil es nun mal geschehen ist. |
Ja, und? Das heißt doch keineswegs, daß man ihn deswegen nach einer Straftat laufen läßt. |
Die Frage ist: Warum sollte man ihn einsperren? Radikale Deterministen kennen keine "Schuld" und brauchen sich nicht darum zu scheren, ob z.B. ein Autounfall auf Vorsatz, Fahrlässigkeit oder einfach "Pech" zurückzuführen ist.
Einsiedler hat folgendes geschrieben: | Der radikale Determinismus postuliert, daß es "nur eine Zukunft" gibt. In diesem Sinne könnte man sagen, daß jeweils nur eine Entscheidung möglich ist. Da der Entscheider diese Zukunft aber nicht kennt (und auch nicht kennen kann), spielt das zum Entscheidungszeitpunkt keine Rolle. Die (glaubwürdige) Vorstellung einer Alternative reicht aus, auch wenn (rational) klar ist, daß die letztlich gewählte Entscheidung die einzige reale (da realisierte) ist. |
Bitte dringend darum, ontologische und erkenntnistheoretische Fragen sorgfältig auseinanderzuhalten! Ist das Universum determiniert, ist niemand frei in seinem Handeln. Ist das Universum nicht determiniert, ist jedes Wesen mit den entsprechenden Eigenschaften frei in seinem Handeln. Jemand, der nicht weiß, daß das Universum determiniert ist, bildet sich seine Handlungsfreiheit nur ein. (Richter, die so denken, werden Menschen wegsperren, obwohl sie in ihrem Sinne unschuldig sind.) Jemand, der nicht weiß, daß das Universum nicht determiniert ist, bildet sich nur ein, es gäbe keine Handlungsfreiheit. (Wer so denkt, braucht nicht einmal zu versuchen, etwas anderes zu tun oder zu unterlassen, als er will.)
Einsiedler hat folgendes geschrieben: | vom klassischen Schuldkonzept halte ich wenig. Man kann statt dessen auch von "Verursachung" reden, dann paßt es problemlos zum Determinismus. |
Nun ist aber "Verursachung" ein ontologischer Begriff und kein ethischer. Jede Zustandsänderung eines Dinges durch die Zustandsänderung eines anderen Dinges ist eine Verursachung, aber nicht jede Verursachung ist schuldhaft in dem Sinne, daß der Verursacher fahrlässig oder vorsätzlich Leid erzeugt, obwohl er es genausogut hätte unterlassen können.
Einsiedler hat folgendes geschrieben: | Im übrigen ist es völlig normal, wenn im Alltag oder sogar in bestimmten Fachgebieten mit Begriffen hantiert wird, die eigentlich überholt sind (auch fast 500 Jahre nach Kopernikus "geht die Sonne auf"). |
Das ist nur dann ungefährlich, wenn man sich dessen auch bewußt ist. Bunge hat übrigens den Begriff der metaphysischen Mißformulierung geprägt. Unsere Sprache ist leider voll davon, und leider sind nur sehr wenige ZeitgenossInnen philosophisch luzide genug, um sie als fehlerhafte Repräsentationen der Wirklichkeit entlarven zu können. Wollen wir unser Denken systematisch von Irrtümern befreien, müssen wir uns detailliert Rechenschaft über die Bedeutung unserer Begriffe ablegen und sie gegebenenfalls neu definieren oder gar durch andere ersetzen.
Einsiedler hat folgendes geschrieben: | Angenommen, man könnte die Zeit zurückdrehen (und zwar so, daß die Ausgangslage wirklich identisch ist!) - würde dann jedesmal der gleiche Ablauf folgen? Falls ja, wieso ist das dann kein radikaler Determinismus? Und falls nein - wie begründet sich der alternative Ablauf? |
Wie bereits angedeutet: durch stochastische Propensitäten! Nicht alle Ereignisse sind verursacht, und Gesetzmäßigkeit ist nicht dasselbe wie Kausalität! Insofern ist durchaus vorstellbar, daß ein "zweiter Versuch" selbst bei identischer Ausgangslage schon wenige Tausendstelsekunden nach dem Urknall zu einem völlig anderen Ergebnis führen würde.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1272847) Verfasst am: 21.04.2009, 20:08 Titel: |
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Ascanius hat folgendes geschrieben: | Nun ist aber "Verursachung" ein ontologischer Begriff und kein ethischer. |
Richtig. Der begriff betont den Mechanismus des Zustandekommens der Handlung. Aus Sicht des Deterministen gibt es keinen naheliegenden Grund, die Verursachung durch eine sog. "Schuld" zusätzlich zu mystifizieren.
Ascanius hat folgendes geschrieben: | Jede Zustandsänderung eines Dinges durch die Zustandsänderung eines anderen Dinges ist eine Verursachung, aber nicht jede Verursachung ist schuldhaft in dem Sinne, daß der Verursacher fahrlässig oder vorsätzlich Leid erzeugt, obwohl er es genausogut hätte unterlassen können. |
Auch richtig. Aber auch das spricht nicht gegen Einsiedlers Position. Ein an Ethik interessierter, rationalistischer Determinist schaut in die Zukunft und sagt: Was müssen wir tun, damit jemand kein Leid verursacht?
Hat jemand in der Vergangenheit z.B. fahrlässig Leid verursacht, ist das insofern interessant, als man abschätzen muß, ob derjenige in Zukunft weniger Verantwortung zugesprochen bekommt, weil man Wiederholung befürchtet (Beispiel Trunkenheit am Steuer --> Führerscheinentzug). Das ist keine Schuld und keine Strafe, sondern Prävention.
Das "Sollen" ist also im Determinismus entweder absurd (wenn es eine vorgegebene Moral gibt, die man aber nicht erreichen kann), oder es ist nur ein anderes Wort für Ziele und Werte, die wir uns selbst setzen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1272852) Verfasst am: 21.04.2009, 20:13 Titel: |
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Ascanius hat folgendes geschrieben: | Einsiedler hat folgendes geschrieben: | Angenommen, man könnte die Zeit zurückdrehen (und zwar so, daß die Ausgangslage wirklich identisch ist!) - würde dann jedesmal der gleiche Ablauf folgen? Falls ja, wieso ist das dann kein radikaler Determinismus? Und falls nein - wie begründet sich der alternative Ablauf? | Wie bereits angedeutet: durch stochastische Propensitäten! Nicht alle Ereignisse sind verursacht, und Gesetzmäßigkeit ist nicht dasselbe wie Kausalität! Insofern ist durchaus vorstellbar, daß ein "zweiter Versuch" selbst bei identischer Ausgangslage schon wenige Tausendstelsekunden nach dem Urknall zu einem völlig anderen Ergebnis führen würde. |
Nach jetziger Kenntnis der Naturgesetze könnte es sich aber höchstens um rein zufällige Abweichungen handeln - und auch das nur, wenn man die Kopenhagener Deutung anwendet, wie hier im thread ja schon zur Genüge diskutiert wurde.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Einsiedler registrierter User
Anmeldungsdatum: 01.03.2007 Beiträge: 1435
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(#1272892) Verfasst am: 21.04.2009, 21:13 Titel: |
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Ascanius hat folgendes geschrieben: | Einsiedler hat folgendes geschrieben: | Ascanius hat folgendes geschrieben: | Egal, ob ein Determinist in den Hungerstreik tritt oder nicht und ob er jemandem das Ohr in Streifen schneidet oder nicht: er kann sich hinterher damit herausreden, daß es eben determiniert war, und zwar ganz einfach deshalb, weil es nun mal geschehen ist. |
Ja, und? Das heißt doch keineswegs, daß man ihn deswegen nach einer Straftat laufen läßt. |
Die Frage ist: Warum sollte man ihn einsperren? |
Wie step schon schrieb: um Wiederholungen zu vermeiden.
(Aus dem gleichen Grund, aus dem defekte Autos aus dem Verkehr gezogen werden.)
Ascanius hat folgendes geschrieben: | Radikale Deterministen kennen keine "Schuld" und brauchen sich nicht darum zu scheren, ob z.B. ein Autounfall auf Vorsatz, Fahrlässigkeit oder einfach "Pech" zurückzuführen ist. |
Doch, das ist auch ohne Schuldbegriff ein Unterschied, weil das Risiko einer Wiederholungstat
unterschiedlich hoch ist.
Ascanius hat folgendes geschrieben: | Einsiedler hat folgendes geschrieben: | Angenommen, man könnte die Zeit zurückdrehen (und zwar so, daß die Ausgangslage wirklich identisch ist!) - würde dann jedesmal der gleiche Ablauf folgen? Falls ja, wieso ist das dann kein radikaler Determinismus? Und falls nein - wie begründet sich der alternative Ablauf? |
Wie bereits angedeutet: durch stochastische Propensitäten! |
Okay, dann etwas konkreter: Wenn wir den heutigen Tag zurückdrehen und neu starten könnten,
würdest Du alle Entscheidungen genauso treffen oder anders? Wohlgemerkt, mit dem Zurückdrehen
wird auch dein Gedächtnis (von heute) gelöscht, Du würdest den Tag mit dem gleichen Wissen beginnen.
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Ascanius abnorm
Anmeldungsdatum: 14.06.2005 Beiträge: 375
Wohnort: Berlin
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(#1272908) Verfasst am: 21.04.2009, 21:36 Titel: |
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vanini hat folgendes geschrieben: | Ascanius hat folgendes geschrieben: | Egal, ob ein Determinist in den Hungerstreik tritt oder nicht und ob er jemandem das Ohr in Streifen schneidet oder nicht: er kann sich hinterher damit herausreden, daß es eben determiniert war, und zwar ganz einfach deshalb, weil es nun mal geschehen ist. |
Woraus sollte er sich denn damit "herausreden" können?
Dass er es war, der Besagtes getan hat? Dass die Ursachen im Denken und Urteilen, welche zu diesem Tun geführt haben, in der Beschaffenheit seiner Person lagen? Mitnichten! |
Er kann sich damit herausreden, daß er nur das getan hat, was im ontologischen (!) Sinne möglich war. Das ist laut Radikaldeterminismus in jedem beliebigen Moment nur Eines.
vanini hat folgendes geschrieben: | Ascanius hat folgendes geschrieben: | Radikale Deterministen müssen aber davon ausgehen, daß - was auch immer getan oder unterlassen worden sein mag - nichts anderes hätte getan oder unterlassen worden sein können. |
Wie so oft bei derartigen Betrachtungen werden hier zwei Ebenen der "Freiheit" unzulässig verwechselt bzw. gleichgesetzt. |
Nicht, daß ich wüßte. Da meine Kritik dem radikalen Determinismus als ontologischer Position gilt, ist auch mein diesbezüglicher Freiheitsbegriff ein ontologischer.
vanini hat folgendes geschrieben: | Denn die Frage, ob man sich in einer gegebenen Situation "anders verhalten kann", hat drei Dimensionen. Die erste betrifft die Frage, welche Handlungsmöglichkeiten einem Menschen in einer bestimmten Situation überhaupt gegeben (also "möglich") sind, die zweite, welche von diesen gegebenen (möglichen) Handlungsmöglichkeiten dem Betreffenden überhaupt bewusst sind/werden und in dessen Entscheidungsfindung mit einfließen, die dritte schließlich betrifft den Prozess der Entscheidungsfindung im Kopf, in dessen Ergebnis sich der Betreffende für eine der gegebenen Handlungsmöglichkeiten entscheidet.
Läuft nun dieser in meinem Kopfe ablaufende Prozess der Entscheidungsfindung determiniert ab oder indeterminiert? |
Er läuft gesetzmäßig ab, also weder total determiniert noch total indeterminiert! Beide Extremauffassungen sind nämlich falsch.
vanini hat folgendes geschrieben: | Ascanius hat folgendes geschrieben: | Wir führen einen Scheinstreit, weil wir noch immer von zwei unterschiedlichen Determinismen reden. Meine Kritik gilt dem radikalen (!!!) Determinismus, der "Beeinflussung" nur als Illusion betrachten kann. |
Und "Beeinflussung" bedeutet ja nichts anderes als "Verursachung". |
Ich habe den Begriff "Beeinflussung" natürlich in seinem teleologischen Sinn gebraucht. Es ging ja um die Androhung von Strafe.
vanini hat folgendes geschrieben: | Wenn der Wille aus logischen Gründen nicht frei sein kann, der Begriff "Wille" ja aber doch nichts anderes beschreibt als das, was wir tun bzw. unterlassen wollen, dieses Tun und Unterlassen aber nichts anderes als unser "Verhalten" darstellt, dann ist die Feststellung, dass "Wille und Verhalten nicht in Abhängigkeit voneinander" stünden, überhaupt nicht nachvollziehbar! |
Bitte noch einmal sehr genau lesen: Wir sind sowohl frei, zu tun oder zu unterlassen, was wir wollen, als auch frei, zu tun oder zu unterlassen, was wir nicht wollen. Einfache Beispiele: Ich will keine 2,20 EUR für vegane Bioschokolade aus fairem Handel ausgeben, aber ich tue es trotzdem. Ich will Bischof Huber die Fresse polieren, aber ich unterlasse es.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1272934) Verfasst am: 21.04.2009, 21:54 Titel: |
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Ascanius hat folgendes geschrieben: | Er kann sich damit herausreden, daß er nur das getan hat, was im ontologischen (!) Sinne möglich war. Das ist laut Radikaldeterminismus in jedem beliebigen Moment nur Eines. |
Nein, damit kann er sich nicht herausreden. Er kann nicht leugnen, daß sein Gehirn von der sozial erwünschten Funktionsweise (aka "Moral") abgewichen ist.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Charlotte registrierter User
Anmeldungsdatum: 23.12.2007 Beiträge: 437
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(#1273003) Verfasst am: 21.04.2009, 22:55 Titel: |
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ballancer hat folgendes geschrieben: | Charlotte hat folgendes geschrieben: | Ich habe mal vor einiger Zeit eine Dokumentation über den Elfen- und Feenglauben in Island gesehen.
Da wurde auch der damalige Ministerpräsident zu dem Thema befragt. Seine Äußerung war, daß er nicht an Elfen glaube, da, wo er herkommt, gibt es nur Trolle!
Wir haben also der kühlen Denker zwei, die zwischen konsistenten und inkonsistenten Weltanschauungen unterscheiden können.
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Vielleicht solltest du erklären, was denn das Beaumot über die Weltanschauung aussagt. Denn der Satz schein mir zu sagen, dass hier ein intelligenter Witz einen Punkt bringt. Über Konsistenz sagt er garnichts. |
Ich denke zwar, daß es ausreichend klar war, aber nichts desto trotz:
Das was Du für ein konsistentes Weltbild hälst, beruht auf dem was du als den Gesamtkomplex "Erfahrung, dessen was die Welt wirklich ist" aufgrund deines Lebens abgespeichert hast und in diesem Moment für wahr hälst. Andere Menschen haben ein anderes und nicht dein Leben gelebt, für sie sind die Erfahrungen andere, ihr Erleben dessen, was die Welt wirklich ist ist ein anderes und deshalb erscheint ihnen DEINE Empfindung von Konsistenz fremd.
Zum Konkreten Bonmont: Jemand der Trolle für total konsistent mit seinem eigen Weltbild empfindet kann die Annahme von der Existenz von Elfen als total inkosistent empfinden. Beide seiten können sich darauf berufen, daß die Nichtexistenz von Elfen bzw. Trollen nicht bewiesen werden kann und deshalb als Denkmöglichkeit erlaubt sein müssen.
Gleiches gilt für das, was du als "Gott" bezeichnest.
Dein Urteil "Inkonsistentes Weltbild" sagt nicht weiter als "mit meiner Lebenswirklichkeit inkonsistentes Weltbild". Mein Leben ist nicht dein Leben und deine Konsistenzprüfung ist für die Füße, sie macht dein Weltbild nicht wahrer als meins. Fast 50 Seiten Text um nichts bis auf die Feststellung, daß unsere Leben nicht gleich sind.
Gruß
Charlotte
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vanini registrierter User
Anmeldungsdatum: 17.04.2008 Beiträge: 847
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(#1273025) Verfasst am: 21.04.2009, 23:31 Titel: |
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Ascanius hat folgendes geschrieben: | vanini hat folgendes geschrieben: | Ascanius hat folgendes geschrieben: | Egal, ob ein Determinist in den Hungerstreik tritt oder nicht und ob er jemandem das Ohr in Streifen schneidet oder nicht: er kann sich hinterher damit herausreden, daß es eben determiniert war, und zwar ganz einfach deshalb, weil es nun mal geschehen ist. |
Woraus sollte er sich denn damit "herausreden" können?
Dass er es war, der Besagtes getan hat? Dass die Ursachen im Denken und Urteilen, welche zu diesem Tun geführt haben, in der Beschaffenheit seiner Person lagen? Mitnichten! |
Er kann sich damit herausreden, daß er nur das getan hat, was im ontologischen (!) Sinne möglich war. Das ist laut Radikaldeterminismus in jedem beliebigen Moment nur Eines. |
Das Letztere wird ja auch gar nicht bestritten, sondern gefragt, was das mit "herausreden" zu tun haben soll.
Ascanius hat folgendes geschrieben: | vanini hat folgendes geschrieben: | Ascanius hat folgendes geschrieben: | Radikale Deterministen müssen aber davon ausgehen, daß - was auch immer getan oder unterlassen worden sein mag - nichts anderes hätte getan oder unterlassen worden sein können. |
Wie so oft bei derartigen Betrachtungen werden hier zwei Ebenen der "Freiheit" unzulässig verwechselt bzw. gleichgesetzt. |
Nicht, daß ich wüßte. Da meine Kritik dem radikalen Determinismus als ontologischer Position gilt, ist auch mein diesbezüglicher Freiheitsbegriff ein ontologischer.
vanini hat folgendes geschrieben: | Denn die Frage, ob man sich in einer gegebenen Situation "anders verhalten kann", hat drei Dimensionen. Die erste betrifft die Frage, welche Handlungsmöglichkeiten einem Menschen in einer bestimmten Situation überhaupt gegeben (also "möglich") sind, die zweite, welche von diesen gegebenen (möglichen) Handlungsmöglichkeiten dem Betreffenden überhaupt bewusst sind/werden und in dessen Entscheidungsfindung mit einfließen, die dritte schließlich betrifft den Prozess der Entscheidungsfindung im Kopf, in dessen Ergebnis sich der Betreffende für eine der gegebenen Handlungsmöglichkeiten entscheidet.
Läuft nun dieser in meinem Kopfe ablaufende Prozess der Entscheidungsfindung determiniert ab oder indeterminiert? |
Er läuft gesetzmäßig ab, also weder total determiniert noch total indeterminiert! Beide Extremauffassungen sind nämlich falsch. |
Um dir da folgen zu können, müsstest du, wenn etwa "radikaler Determinismus" oder "total determiniert" keine Pleonasmen sein sollen, erst einmal definieren, was genau du unter "Determinismus" verstehst und vor allem, worin der Unterschied zum "radikalen Determinismus" bestehen soll.
Ascanius hat folgendes geschrieben: | vanini hat folgendes geschrieben: | Ascanius hat folgendes geschrieben: | Wir führen einen Scheinstreit, weil wir noch immer von zwei unterschiedlichen Determinismen reden. Meine Kritik gilt dem radikalen (!!!) Determinismus, der "Beeinflussung" nur als Illusion betrachten kann. |
Und "Beeinflussung" bedeutet ja nichts anderes als "Verursachung". |
Ich habe den Begriff "Beeinflussung" natürlich in seinem teleologischen Sinn gebraucht. Es ging ja um die Androhung von Strafe. |
Die Androhung von Strafe ist ganz klar eine Beeinflussung und, indem sie bewusst vom Adressaten in seine Erwägungen mit einbezogen wird, nichts anderes als eine der Ursachen, die letztendlich das Denken, Urteilen und Handeln bestimmen.
Ascanius hat folgendes geschrieben: | vanini hat folgendes geschrieben: | Wenn der Wille aus logischen Gründen nicht frei sein kann, der Begriff "Wille" ja aber doch nichts anderes beschreibt als das, was wir tun bzw. unterlassen wollen, dieses Tun und Unterlassen aber nichts anderes als unser "Verhalten" darstellt, dann ist die Feststellung, dass "Wille und Verhalten nicht in Abhängigkeit voneinander" stünden, überhaupt nicht nachvollziehbar! |
Bitte noch einmal sehr genau lesen: Wir sind sowohl frei, zu tun oder zu unterlassen, was wir wollen, als auch frei, zu tun oder zu unterlassen, was wir nicht wollen. Einfache Beispiele: Ich will keine 2,20 EUR für vegane Bioschokolade aus fairem Handel ausgeben, aber ich tue es trotzdem. Ich will Bischof Huber die Fresse polieren, aber ich unterlasse es. |
Das Problem liegt hier wohl darin, dass du den Begriff des "Wollens" eher umgangssprachlich mehrdeutig benutzt. Was heißt es denn eigentlich, wenn du sagst, dass du keine 2,20 EUR für vegane Bioschokolade aus fairem Handel ausgeben willst, es aber trotzdem tust? Wenn du diesen Kauf tatsächlich nicht tätigen willst und niemand dich dazu zwingt, dann kaufst du sie auch nicht. Aber möglicherweise wirst du von irgendjemandem dazu gezwungen, diese Schokolade zu kaufen, obwohl du es nicht willst. Dann aber erzeugt der Zwang in der Weise eine völlig neue Urteils- und Entscheidungslage, dass das Nichtkaufen der Schokolade nach deinem Urteil nunmehr größere Nachteile für dich brächte als das Kaufen - in diesem Falle kaufst du die Schokolade, weil du sie kaufen willst!
In gleicher Weise: Wenn du Bischof Huber die Fresse polieren willst, es aber unterlässt, obwohl keinerlei sonstige Gründe und Gegebenheiten dich daran hindern, dann willst du es auch nicht, und das "Ich will dem Bischof Huber die Fresse polieren." entpuppt sich als eine Art Stammtischspruch - denn wolltest du es, dann tätest du es in diesem Falle auch. Wenn du es hingegen tatsächlich willst, es aber nur deshalb nicht kannst, weil dich irgendwelche äußeren Gründe und Gegebenheiten, die sich deinem Änderungszugriff entziehen, daran hindern, berührt das die Einheit von Wollen und Verhalten genau so wenig wie etwa die Tatsache, dass du noch so sehr wollen kannst, dir nach Belieben Flügel wachsen lassen zu können, ohne dass du diesem Willen allein des Wollens wegen nachkommen könntest...
_________________ Was immer DAS GANZE auch sein mag: Es hat mit einem MEHR oder WENIGER von SUMMEN von TEILEN gar nichts zu tun!
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#1273091) Verfasst am: 22.04.2009, 08:28 Titel: |
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Ascanius hat folgendes geschrieben: | Zunächst eine Klarstellung: Meine Ablehnung gilt dem radikalen Determinismus, der davon ausgeht, daß alle Prozesse streng kausal ablaufen (= jede Veränderung eines Dinges wird durch die Veränderung eines anderen Dinges verursacht). Natürlich und trivialerweise ist die Welt insofern determiniert, als sie aus Dingen besteht, die sich gemäß ihren Eigenschaften - also gesetzmäßig - verhalten, doch wie bereits festgestellt: Gesetzmäßigkeit und Kausalität sind nicht dasselbe! |
Wenn du die Sache schon so elementar angehst, müsstest du allerdings auch mal den Begriff "Ding" überdenken, der ontologisch möglicherweise genau so wenig haltbar ist wie der Begriff "Ursache".
Ascanius hat folgendes geschrieben: | Leider wird er in diesem Jahr schon 90. |
"Leider" weil der alte Sack noch immer lebt?
Ascanius hat folgendes geschrieben: | Leider verwechselst auch Du Determination mit Gesetzmäßigkeit - das ist nicht dasselbe! |
Ja, ja, schon klar, dieser Bunge hat dich gar schwer beeindruckt. Nur solltest du halt, bevor du mit schulmeisterlichen Zurechtweisungen dieser Art nervst, bedenken, dass vielleicht nicht jeder deine schier grenzenlose Begeisterung für dessen Denken teilt und es darum auch nicht jedem genau so in Fleisch und Blut steckt wie dir.
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Einsiedler registrierter User
Anmeldungsdatum: 01.03.2007 Beiträge: 1435
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(#1273131) Verfasst am: 22.04.2009, 09:37 Titel: |
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Ascanius hat folgendes geschrieben: | vanini hat folgendes geschrieben: | Läuft nun dieser in meinem Kopfe ablaufende Prozess der Entscheidungsfindung determiniert ab oder indeterminiert? |
Er läuft gesetzmäßig ab, also weder total determiniert noch total indeterminiert! Beide Extremauffassungen sind nämlich falsch. |
Du hattest Propensitäten als Erklärung für nichtdeterminiertes Verhalten gebracht. Inwieweit räumt
das Deinen Vorwurf gegenüber dem Determinismus, Straftäter könnten sich herausreden, aus? Nach
Deinem Modell kann er sich genauso herausreden: mit dem Verweis auf die Kombination aus
Determiniertheit und Propensität. Ich sehe da keinen qualitativen Unterschied.
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1273202) Verfasst am: 22.04.2009, 11:54 Titel: |
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Charlotte hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: | Charlotte hat folgendes geschrieben: | Ich habe mal vor einiger Zeit eine Dokumentation über den Elfen- und Feenglauben in Island gesehen.
Da wurde auch der damalige Ministerpräsident zu dem Thema befragt. Seine Äußerung war, daß er nicht an Elfen glaube, da, wo er herkommt, gibt es nur Trolle!
Wir haben also der kühlen Denker zwei, die zwischen konsistenten und inkonsistenten Weltanschauungen unterscheiden können.
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Vielleicht solltest du erklären, was denn das Beaumot über die Weltanschauung aussagt. Denn der Satz schein mir zu sagen, dass hier ein intelligenter Witz einen Punkt bringt. Über Konsistenz sagt er garnichts. |
Ich denke zwar, daß es ausreichend klar war, aber nichts desto trotz:
Das was Du für ein konsistentes Weltbild hälst, beruht auf dem was du als den Gesamtkomplex "Erfahrung, dessen was die Welt wirklich ist" aufgrund deines Lebens abgespeichert hast und in diesem Moment für wahr hälst. Andere Menschen haben ein anderes und nicht dein Leben gelebt, für sie sind die Erfahrungen andere, ihr Erleben dessen, was die Welt wirklich ist ist ein anderes und deshalb erscheint ihnen DEINE Empfindung von Konsistenz fremd.
Zum Konkreten Bonmont: Jemand der Trolle für total konsistent mit seinem eigen Weltbild empfindet kann die Annahme von der Existenz von Elfen als total inkosistent empfinden. Beide seiten können sich darauf berufen, daß die Nichtexistenz von Elfen bzw. Trollen nicht bewiesen werden kann und deshalb als Denkmöglichkeit erlaubt sein müssen.
Gleiches gilt für das, was du als "Gott" bezeichnest.
Dein Urteil "Inkonsistentes Weltbild" sagt nicht weiter als "mit meiner Lebenswirklichkeit inkonsistentes Weltbild". Mein Leben ist nicht dein Leben und deine Konsistenzprüfung ist für die Füße, sie macht dein Weltbild nicht wahrer als meins. Fast 50 Seiten Text um nichts bis auf die Feststellung, daß unsere Leben nicht gleich sind.
Gruß
Charlotte |
Wir stimmen doch fast überein. Denn auch ich sage, dass es eben keinen Realitätscheck gibt, die über eine Konsistenzprüfung hinaus geht. Darum habe ich ja nicht den Anspruch erhoben, das ultimative, für alle gültige Weltbild zu haben, sondern lediglich ein konsistentes, dass demnach das beste mir mögliche ist. Auch habe ich nicht behauptet, dass es nur eine konsistente Weltsicht gibt. Das aber impliziert, das jeder Einzelne sein Urteil treffen muss. Und einige der Prüfparameter sind sicher im Kontext seines Erfahrungshorizontes zu sehen ... aber nicht alle.
Denn Konsistenzprüfung schließt ein, dass es sehr wohl Inkonsistenzen, also logische Fehler im Weltbild geben kann. Denn es ist nicht darum, dass jemand ein Weltbild vertritt, dieses auch per se konsistent. Ich habe am Beispiel des Bibelfundamentalismus die Inkonsistenz dieser Sicht gezeigt. Ferner habe ich bei einigen Aussagen meiner Meinungsgegner gezeigt, wo sie sich widersprechen und damit inkonsistent sind. Kriterium der Inkonsistenz sind darum nicht meine Ansichten und Erfahrungen, sondern die jeweils eigenen Kriterien.
Genau darin liegt ja das Wesen der Konsistenzprüfung: Nicht mit beliebig vorgegebenen Kriterien ein anderes Weltbild zu beurteilen, sondern das jeweilige Weltbild mit den ihm eigenen Kriterien zu beurteilen. Dies aber schließt auch die äußere Konsistenz ein. Denn wenn der betreffende Vertreter eines Weltbildes diverse Fakten als solche akzeptiert, auch wenn diese nicht Kernbestandteil seines Weltbildes sind, dann werden diese Fakten zum Prüfkriterium.
Wenn der Meinungsgegener behauptete Fakten nicht akzeptiert, also nicht für faktisch hält, liegt gegebenenfalls keine Inkonsistenz, sondern Ignoranz vor, oder aber die vermeintlichen Fakten sind eben keine, wenn sie nicht hinreichend belegt werden können.
_________________ 1.Thessalonicher 5,21 "Prüft aber alles und das Gute behaltet."
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MountainKing registrierter User
Anmeldungsdatum: 31.05.2006 Beiträge: 1438
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(#1273582) Verfasst am: 22.04.2009, 21:31 Titel: |
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ballancer hat folgendes geschrieben: |
Genau darin liegt ja das Wesen der Konsistenzprüfung: Nicht mit beliebig vorgegebenen Kriterien ein anderes Weltbild zu beurteilen, sondern das jeweilige Weltbild mit den ihm eigenen Kriterien zu beurteilen. |
Auch das funktioniert jedoch nicht ohne eine Festlegung dessen, was "eigene" und "beliebig vorgegebene" Kriterien sein sollen. Du kritisierst meine Forderung nach "sinnvollen" Prüfungen und stellst jetzt genau dieselbe Forderung auf. Diese Festlegung muss ihrerseits wiederum anhand von Kriterien geprüft werden und es müsste ebenfalls erneut definiert werden, was beliebig und eigen sein soll.
Wenn der Vertreter einer Sichtweise allein festlegt, was "eigene Kriterien" sein sollen und der Verdacht drängt sich massiv auf, dann liegt es ebenso allein in seinem eigenen Ermessen die Konsistenz seines Weltbildes herzustellen. Das ist auch schon dutzendfach diskutiert worden.
ballancer hat folgendes geschrieben: | Dies aber schließt auch die äußere Konsistenz ein. |
Was bedeutet das jetzt, dass nun doch Kriterien angewendet werden sollen, die nicht zu den "eigenen" des Weltbildes gehören?
ballancer hat folgendes geschrieben: | Denn wenn der betreffende Vertreter eines Weltbildes diverse Fakten als solche akzeptiert, auch wenn diese nicht Kernbestandteil seines Weltbildes sind, dann werden diese Fakten zum Prüfkriterium. |
Großartig: wenn meine Behauptung widerlegt wird, sage ich einfach, dass die Widerlegung auf etwas basiert, was ich nicht akzeptiere und schon habe ich wieder recht. Es genügt dann im Zweifelsfall darauf hinzuweisen, dass unsere Erkenntnis sowieso begrenzt ist und auch bestens Belegtes falsch sein könnte.
ballancer hat folgendes geschrieben: | Wenn der Meinungsgegener behauptete Fakten nicht akzeptiert, also nicht für faktisch hält, liegt gegebenenfalls keine Inkonsistenz, sondern Ignoranz vor, |
Wenn die Fakten tatsächlich Fakten sind, liegt doch auf jeden Fall auch Inkonsistenz vor (äußere)?
ballancer hat folgendes geschrieben: | oder aber die vermeintlichen Fakten sind eben keine, wenn sie nicht hinreichend belegt werden können. |
Und was "hinreichend belegt" bedeutet, legt dann sicher ebenso wieder der fest, der schon festlegt, was relevante Prüfkriterien für seine Sichtweise sind?
ballancer hat folgendes geschrieben: | Denn es ist nicht darum, dass jemand ein Weltbild vertritt, dieses auch per se konsistent. Ich habe am Beispiel des Bibelfundamentalismus die Inkonsistenz dieser Sicht gezeigt. |
Du bist dabei ziemlich deutlich gescheitert, weil ein Weltbild, zu dessen Kriterien ein Wesen gehört, das alles tun und lassen kann und dabei gegen alle bekannten Gesetzmäßigkeiten, Regeln und menschliche Erfahrungen verstoßen kann, mit alllem konsistent sein muss, was man an Prüfkriterien auch anlegt. Du kannst Behauptungen eines Fundamentalisten nicht logisch stringent und glaubwürdig widerlegen, weil dieser sich auf die Allmacht Gottes, von ihm offenbartes Wissen und die Möglichkeit von Wundern bezieht, die du jeweils ebenso als Fundament deiner Sicht benötigst. Das wären dann Kriterien, die in beiden eurer Weltbilder vorkommen, weswegen du andere Kriterien (nämlich vor allem naturwissenschaftliche) einbeziehst, sie aber dann, wenn sie für dich wesentliche Punkte berühren, plötzlich zu "beliebigen" Kriterien ernennst.
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1273666) Verfasst am: 22.04.2009, 22:55 Titel: |
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lumar hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: |
Du bezeichnest Positivismus als einen Vorwurf? Wieso dass? Wääre es nicht einfacher, du würdest diesen nicht praktizieren, als dass er bei dir eben offensichtlich zu Tage tritt ... wenn du schon nicht damit assoziiert werden willst?
Zu Aristoteles: Natürlich ist der infinite Regress abzulehnen. Aristoteles hat diesen übrigens nicht wegen der Begrenztheit der Zeit abgelehnt, da er von der unbegrenzten Lebensdauer der Fixsterne sogar annahm. Sondern er hat erkannt, dass die Tatsache, dass es eben den Wandel gibt - unabhängig von seinen zeitlichen Postulaten - einen daruber liegenden ersten Grund geben muss, da auch die Existenz eines infiniten Regresse diesen erfordert.
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Nein, es ist nicht natürlich gegeben, einen infiniten Rgress abzulehnen - unabhängig ob ich ihn für plausibel halte oder nicht. Du denkst da sehr merkwürdig: Die Ablehnung eines infiniten Regresses ist nicht zu begründen da natürlich und wer Begründungen fordert, sei ein Positivist. |
Natürlich ist die Ablehnung eines infiniten Regeresses als Erster Grund abzulehnen. Das hat Aristotelse getan, und das haben viele andere getan. Ein infiniten Rergress anzunehmen ist höchst irrational. Denn eine Ursache in einem unbeobachtbaren Unendlichen zu suchen widerspricht jeder Erfahrung und jedem Beobachtungprozess.
Positivisen lehnen den infiniten Regress ab, weil es keine postiven Verweise gibt, notürlich auch den unbewgten Beweger. Alles, was was man nicht positiv wissen kann, ist irrelevant und darum auch kein Gegenstand der Erkenntnis.
Allerdings ist dies m.E. irrational, denn natürlich lassen sich Überlegungen wie die Aristoteles' nachvollziehen.
lumar hat folgendes geschrieben: | Zudem verwies ich auf die eigentliche Fragestellung: Das Postulat einer Existenz eines komplexen, bewussten, lebendigen Wesens ist keine Antwort auf die Frage, warum überhaupt etwas existiert. Das Postulat des Urgrundes bedeutet nichts anderes, dass du nicht sagen kannst, warum Gott existiert und du gleichzeitig zugibst, dass etwas existiert ohne Grund außerhalb seiner selbst. Da aber - wie du gezeigt hast - Existenz keinen Grund benötigt, brauche ich zur Erklärung der Existenz auch keinen Gott. |
Das ist nur dein Dogma. Denn die Existenz von Objekten, die eben nicht ewig sind, bedürfen der Ursache.
Denn Aristotels hat ja das Gegenteil gezeigt. Der Unbewegte Beweger, der Erste Grund und die Ewigkeit eben dieses ist eine logische Notwendigkeit.
_________________ 1.Thessalonicher 5,21 "Prüft aber alles und das Gute behaltet."
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Der_Guido dafür dagegen zu sein
Anmeldungsdatum: 17.05.2006 Beiträge: 2518
Wohnort: Östlich von Holland
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(#1273736) Verfasst am: 23.04.2009, 00:08 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Rekapitulieren wir ein wenig. Dein Verständnis von Freiheit ist folgendes:
"Frei ist nur das, was keinerlei Zwängen unterworfen ist, Kontrolle ist Zwängen unterworfen, also nicht frei, die Abwesenheit von Kontrolle ist hingegen die Anwesenheit von Freiheit." |
Nein, "Kontrolle ist die Anwesenheit von Zwängen" hatte ich formuliert. |
Du hattest folgendes gesagt:
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Kontrolle ist nach meinem Verständnis die Anwesenheit von Zwängen, zwischen denen es zu wählen gilt, demzufolge wäre die Abwesenheit von Kontrolle die Anwesenheit von Freiheit. |
Was folgerichtig ist, wenn Du dem Freiheitsbegriff Schopenhauers anhängst, was aber nun mal zu dem (mAn) absurden Ergebnis führt, dass ein Epileptiker bei seinem epileptischen Anfall nach dieser Ansicht frei wäre (mal angenommen, dieser Anfall wäre eine unbedingte "Ur-Ursache"). |
Ich hänge dem Freiheitsbegriff nicht an, und ich denke, Schopenhauer auch nicht.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Was nun bedeuten würde, dass jemand, der das Tourette-Syndrom hat oder derjenige, der ein Epileptiker ist, Deiner Meinung nach freier wäre (wenn wir mal hilfshalber - als Gedankenexperiment - davon ausgehen, dass beides unverursacht wäre). |
Genau, nur für den Fall einer unverursachten Ursache für mich denkbar. |
In dem Gedankenexperiment ist es es eine unverursachte Ursache des Verhaltens. |
Was stört dich ? Das es plötzlich keine Krankheit mehr wäre, sondern eine (neue) menschliche Eigenschaft, die hier zufällig bei dir ein negatives Gefühl verursacht ? Dann stell dir vor, du könntest plötzlich unverursacht fliegen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Ich würde dem kategorischen Imperativ nicht Absurdität unterstellen, aber richtig ist, dass er gewisse Schwächen hat. Was kannst du daran nicht nachvollziehen ? |
Ich habe nicht gesagt, dass ich den kategorischen Imperativ ablehne oder unlogisch finde oder so, ich habe nur gesagt, dass ich Schopenhauers Freiheitsdefinition nicht teile. |
Das ist zwar Schopenhauers Definition, aber diese ist streng abgeleitet aus den Definitionen Kants, und der wiederum steht in der Tradition der Linie Descartes und Leibniz.
Du kritisierst also indirekt den kategorischen Imperativ, und das ist auch ok. Ich zieh mir bloß nicht den Schuh an, dass meine Definition absurd wäre, weil ich vertrete nur einfach die Definition, die man allgemein bei uns bisher als Freiheit definiert hatte.
Deine Analyse ist völlig korrekt, und übrigens auch mit Schopenhauer sinngemäß deckungsgleich, dass die Vorstellungen von Kant dazu führen, dass am Ende nur ein Wesen frei sein kann, welches nicht der Identität der Ursprungsperson entspricht. Allerdings war das auch schon Kant in gewisser Weise aufgefallen ...
Aber das ist doch nicht der Kern, um den es bei der Vorstellung von Freiheit im kantianischen Sinne geht, und um den sich die Debatte um den freien Willen dreht.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Oder mal anders gesagt: nennen wir Schopenhauers Freiheitsdefinition im Folgenden einfach Freiheit(S). Eine Freiheit(S) könnte eventuell existieren oder nicht (je nachdem, ob es "unverursachte Ursachen" gibt oder nicht), aber ich finde diese Frage eigentlich ziemlich uninteressant, denn die Freiheit(S) hat keinerlei Auswirkungen auf die Frage, die mich hier interessiert: hat jemand Kontrolle über seine Handlungen, kann man Handlungen jemandem zuordnen, ist es also berechtigt, jemanden als rationalen Agenten mit Steuerungsfähigkeit anzusehen oder ist es das nicht?
Schopenhauer geht es also um eine abstrakte "Freiheit an sich", die seiner Ansicht nach eben "unbedingt / unverursacht" sein muss. Mir geht es aber nur um die persönliche Freiheit, die Freiheit eines rationalen Agenten, der als steuernd (und somit verantwortlich) angesehen wird oder der als gesteuert und somit als Spielball des Schicksals und nicht verantwortlich angesehen wird.
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Nein, Schopenhauer geht es nicht um eine abstrakte Freiheit, sondern um die Tatsache, dass Freiheit nicht existiert. Möglicherweise würde er auch deine andere Definition von Freiheit widerlegen oder zumindest gekonnt kritisieren, aber ich werde stellvertretend mein Bestes geben. Kant würde sie vielleicht mit der Freiheit einer Bratpfanne vergleichen, weil man seiner Zeit noch den Menschen als die Krönung der Schöpfung betrachtete, vielleicht auch noch als über den Naturgesetzen stehend.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Meine Interpretation: Der Mensch kann tun, was er beschlossen hat, aber er kann nicht frei beschließen/entscheiden, was er beschlossen hat. |
Nach Deinem Freiheitsverständnis wäre das mAn auch nicht wünschenswert. |
Nach dem kategorischen Imperativ versucht sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung zu richten, inkl. Christen, bei denen es die Maxime Jesus sind.
Das ist der Dreh- und Angelpunkt, wenn bei uns der Begriff Willensfreiheit diskutiert wird. |
Ich verstehe noch nicht, was der kategorische Imperativ mit der Frage um die Willensfreiheit zu tun hat. Könntest Du das nochmal erläutern? Meinst Du, der kategorische Imperativ würde mit einer Aufgabe einer Willensfreiheit in Deinem Sinne gänzlich hinfällig? Oder nur die Herleitung und / oder ein universeller Anspruch? |
Seine ethischen Teilaspekte sind Bestandteil der Freiheitsvorstellungen, demzufolge ein Mensch jederzeit nur aus der Vernunft heraus ethisch und moralsich handeln könnte. Kann der Mensch meinens Wissens natürlich nicht, aber viele glauben das immer noch.
Seinen Nutzen für die Erziehung seiner Kinder wollte ich allerdings nicht in Frage stellen, das wäre auch eine komplett andere Diskussion.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Es steht ja noch deine Definitionen aus, also lass uns schauen, ob sie sinnvoller, besser oder nützlicher sind. |
Mal aus dem hohlen Bauch:
Zitat: |
1) Freiheit ist Abwesenheit / Überwindung von Zwängen
2) Zwänge sind solche Sachverhalte / Gegebenheiten, die dem Willen der Person, ihrer Entfaltung entgegenstehen; solche Sachverhalte, die diese Entwicklung nicht behindern oder sogar fördern, sind keine Zwänge
3) Freiheit ist immer etwas Graduelles, eine Person, die völlig frei von allen Gegebenheiten / Bedingungen wäre, wäre keine Person, wäre ein Nichts, wäre wohl gar nicht denkbar
4) Freiheit ist abhängig von der Fähigkeit, die bestehenden Zwänge überhaupt erst erkennen zu können und Möglichkeiten zur Überwindung dieser Zwänge zu sehen; je mehr diese Fähigkeit vorhanden ist, desto größer die Willensfreiheit (jedoch natürlich noch nicht unbedingt die Handlungsfreiheit - Willensfreiheit ist nur die halbe Miete zur Freiheit der Person) |
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Ich war mal so frei, und habe die Definition nummeriert.
Bei 1 - 3 könnte ich statt "Person" auch "Hausschwein" sagen, das scheint trivial zu sein. Ich würde einfach sagen, wir sind nicht freier als Hund, Katze, Maus, etc.
Der Punkt 4 ist spannender und aus meiner Sicht aus mehreren Gründen nicht haltbar.
a) Dein Freiheitsbegriff impliziert, dass jemand freier ist, wenn er die Freiheit, die ihm andere nehmen, überwinden könnte. Das bedeutet, dass wenn er moralische Vorschriften, Gesetze, Banksicherheitsanlagen zwecks Raub oder ähnliches überwindet, als freier interpretiert wird. Das bedeutet auch, dass wenn er jemand anderen umbringt, von dem er das Gefühl habe, dass er ihm die Luft zum atmen nimmt, als freier gilt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du das so gemeint hast, und mit noch nicht definierter Handlungsfreiheit deutest du ja vielleicht etwas an.
b) Es gibt auch Tiere, die Probleme erkennen und Lösungsstrategien entwickeln Das bezeichnet man meines Wissens als evolutionäre Anpassung an die Umwelt, aber nicht als Freiheit.
c) Mir klingt in den Ohren, dass in unserem Gehirn bisher alles nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten abläuft. Demzufolge ist das Erkennen von Handlungsmöglichkeiten -ich nenne sie mal 1a, 1b, und 1c- ein erzwungener, nicht aus sich selbst heraus startbarer determinierter Prozess. Wo liegt die Freiheit ?
4) Wenn du an anderer Stelle argumentierst, dass es nicht zählt, dass man nicht fliegen kann, wieso ist es hier ein Freiheitsunterschied, dass jemand ggf. nur 1a und 1b, bzw, zusätzlich 1d, erkennen kann ?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Naja, auch mit Deinem Begriff von Zwang kann ich nicht viel anfangen. Für mich ist eine Handlung, die ich gerne tue, kein Zwang. Hingegen würde ich, anders als Du wohl, willkürlich auftretende epileptische Anfälle, denen ich ausgeliefert bin, als ziemlichen Zwang in meinem Leben ansehen. [...] |
Was verstehst du unter gerne tun ? Ist das z.b. irgendeine Handlung, die zum Wohlbefinden beiträgt ? Also ggf. jemanden eine über die Rübe hauen, weil es Spaß macht ? Oder weil es zur Befriedigung der Rachegelüste dient ? |
Ja, na klar, zum Beispiel.
Es kann aber auch eine Handlung sein, für die "gerne tun" wohl nicht so richtig passt, wenn man zum Beispiel die Mühen des Lernens auf sich nimmt, um sich weiterzuentwickeln. Oder wenn man etwas aus Pflichtgefühl / Verantwortungsgefühl gegenüber jemand anderem tut, was man vielleicht auf der einen Ebene (vielleicht der Faulheitsebene) nicht so gerne tut, was man aber auf einer anderen Ebene als wichtig ansieht und sich daher dafür entscheidet. |
In welchem Sinne ist Mühen in Kauf nehmen eine freie Entscheidung ?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Was signalisiert denn gemäß deiner Vorstellungen das System Mensch, wenn es sich gemäß Tourette-Syndrom verhält ? Ist das Freiheit, weil der Körper sich so verhalten möchte ? |
Keine Ahnung, was das signalisiert. Sollte es denn etwas signalisieren?
Nein, das ist keine Freiheit, weil es willkürlich geschieht, der Kontrolle entzogen ist und dem eigentlichen Willen entgegensteht. |
Mit Kontrolle meinst du Bewußtsein ? Das Wachstum der Zähennägel signalisiert auch nichts an das Bewußtsein, aber ich käme nicht auf die Idee, dass es unkontrolliert ist. Ist das Tourette Syndrom gemäß deinen Freiheitsdefinitionen eigentlich noch eine Krankheit ?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Unsere Handlungen werden neben genetisch angeborener Prägungen maßgeblich durch sozio-kulturelle Einflüsse geprägt. Wenn du an anderer Stelle vom Zwang einer Gehirnwäsche gesprochen hast, wo grenzt du denn zu den genannten Prägungen ab ? |
Es gibt hier, wie so oft, keinen prinzipiellen Unterschied. Es gibt graduelle Unterschiede. Es gibt also auch keine eindeutige Grenze, ab der ich eine Beeinflussung als nicht mehr zulässig ansehen würde. Aber das bedeutet eben keineswegs, dass man jeden Einfluss als gleich zulässig ansehen müsste. |
Gibt es falsche und richtige Beeinflussung ? Was wäre die richtige Beeinflussung ? Wären Muslime freier als Christen und Atheisten freier als Muslime ? Oder umgekehrt ?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Ist damit nicht jegliche Handlung als frei zu bezeichnen ? |
Du meinst: nach meiner Vorstellung von Freiheit? Nein, selbstverständlich nicht. Die Freiheit hängt ja von den bestehenden Zwängen ab und von der Fähigkeit dazu, diese Zwänge erkennen und evtl. überwinden zu können. |
Das führt mich wieder zu der Frage der Gesetzmäßigkeiten. Meinst du, es wäre möglich eine Maschine zu entwickeln, die die Determination unserer Welt aufhält oder verändert ?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Welchen Nutzen oder welche Erkenntnis bringt uns hier die Bezeichnung "frei" ? |
Naja, ich jedenfalls finde sie weit nützlicher als Schopenhauers Freiheitsverständnis. Nach seinem Verständnis kann es schlicht keine Freiheit einer Person geben (weil Freiheit = unbedingt und Person = notwendigerweise bedingt, weil sonst nicht Teil der Person). Das ist alles und daraus folgt überhaupt nichts, weil das unser Verständnis von Verantwortung überhaupt nicht tangiert, im Gegenteil wäre ja eine freie Person im Sinne Schopenhauers nicht verantwortlich, weil seine Freiheit außerhalb der Person läge.
Mein graduelles Verständnis finde ich daher sehr viel fruchtbarer und Erkenntnis bringender, denn sie ist eine logisch mögliche Freiheit der Person und sie erlaubt es, weil sie graduell ist, die Freiheit zu mehren und auch zu erkennen, inwiefern die Freiheit einer Person eingeschränkt ist (im Vergleich zu einer anderen Person).
Aber ist natürlich letztlich Geschmackssache. |
Hast du Angst, dass der Mensch die Sinnlosigkeit seiner Existenz erkennen könnte und sich selbst zu Grunde richtet ? Dann wären wir halt eine Laune der Natur, na und ? Aber vielleicht sind wir auch schon so weit entwickelt, dass wir einen Freiheitsbegriff gar nicht benötigen, so wie das in anderen Teilen der Welt auch schon der Fall war und ist.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Und Wetten, dass du nicht 15 Minuten lang die Luft anhalten kannst ? |
Aber das will ich doch auch gar nicht. Du meinst, wenn ich das wollte, könnte ich es nicht? Ja, das stimmt, ich kann zum Beispiel auch nicht aus eigener Kraft fliegen, obwohl ich das möchte. Und? Eine absolute Freiheit der Person ist ja in meiner Sichtweise sowieso logisch unmöglich. (Auch ein hypothetischer allmächtiger Gott könnte übrigens mAn in diesem Sinne nicht frei sein, wenn man ihn als personales Wesen ansieht und davon ausgeht, dass nur logisch mögliches unter "Allmacht" fiele.) |
Mein Taschenrechner kann auch nicht fliegen, aber der kann auch nicht atmen. Atmung ist bewußt steuerbar, wo ist das Problem ? Etwa das der Körper dem Bewußtsein die Kontrolle entzieht ?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Aber warum sollte es überhaupt juristische Folgen Deiner Ansicht geben? Eine Freiheit nach Deinem Verständnis kann doch sowieso keine Verantwortung begründen, man sieht z.B. einen Epileptiker wohl kaum als verantwortlich für seinen Anfall an, so er diesen nicht voraussehen konnte. Verantwortlich wird nur diejenige Handlung angesehen, die einer Kontrolle unterlag. |
Schon Schoppenhauer hatte festgestellt, dass sich aus Kants Ethik kein normatives Sollen für Ethik und Moral ableitet. Ist dir das neu ? |
Was nun schon wieder Kant damit zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht.
Es geht hier auch nicht um eine Begründung von Ethik und Moral, sondern es geht erst mal nur um die Voraussetzungen unseres Rechtes. Dieses geht momentan davon aus, dass Individuen Kontrolle über ihre Handlungen haben, sie ansprechbar für Normen sind und dass daher ein Verstoß gegen Normen vorwerfbar ist, das Individuum also für seinen Normverstoß verantwortlich gemacht werden kann. Die Frage, warum die Normen so sind, wie sie sind, ist dabei erst einmal unerheblich. |
Schopenhauer plädierte schon für eine Leidensethik, Kant für Bestrafung aus den normativen Moralvorstellungen heraus. Ersteres würde ich favorisieren.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Die zu klärende Frage in Bezug auf die Willensfreiheit wäre also, ob diese angenommene Kontrolle gegeben ist oder ob in Wirklichkeit diese Kontrolle nicht möglich ist, weil etwas ganz anderes die Kontrolle hat (die ferne Vergangenheit, das Schicksal, der Urknall, whatever). Die Frage hingegen, ob es innerhalb des Individuums etwas unbedingtes, außerhalb seiner Kontrolle Liegendes gibt oder nicht, ob also das Individuum frei in Schopenhauers Sinne ist, ist jedoch wenig relevant, denn das berührt die Voraussetzungen unseres Rechtes nur am Rande. |
Zustimmung, bis auf den Teil mit Schopi, da reden wir wohl grausam aneinander vorbei. Vielleicht meine Schuld.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Das jemand nichts für seine Handlungen kann, bedeutet ja nicht, dass ich aus egoistischer Interessenlosigkeit heraus einen Freiheitsschein ausstelle. Selbstverständlich schützt man sich und seine Gemeinschaft, und nein, ich habe dafür keine Letztbegründung parat. |
Eine Diskussion über das Recht zu der Frage, wie es genau aussehen müsse, will ich hier auch gar nicht führen. Das führt viel zu weit.
Mich interessiert aber, wieso Du meinst, die Feststellung, es gäbe keine persönliche Freiheit im Sinne von Freiheit(S), widerspräche den Grundlagen unseres jetzigen Rechtssystemes. |
Unser jetziges Rechtsystem basiert auf der Annahme, dass der Mensch hätte frei anders handeln können und bestraft dafür. Ich finde es absurd, jemanden zu bestrafen, weil er so ist, wie er ist. Das empfinde ich wie ein Krokodil prügeln, weil es ein Krokodil ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich mich neben ein Krokodil legen würde, oder nicht ein Zaun zwischen uns bauen würde.
_________________ lieber einen schlechten Plan, als gar kein Plan haben
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1273742) Verfasst am: 23.04.2009, 00:22 Titel: |
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ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich nenne jetzt mal, um das unterscheiden zu können, dieses Modell "Modell 1".
In diesem Modell ist also Gott nicht allwissend, sondern er beschränkt sich selber in seinem Wissen. Kann man das so sagen, würdest Du dem so zustimmen? Oder würdest Du hier eher sagen wollen, Gott hätte alles logisch mögliche Wissen und das Wissen um die Zukunft sei logisch nicht möglich und er hätte es deswegen nicht? |
Du hast in der zweiten Frage bereits gezeigt, dass du die Antwort kennst. Natürlich wäre es absurd, ein Wissen zu haben, dass es gar nicht geben könnte. Darum schrenkt das 'fehlende' Wissenen über das Nicht-Wissbare auch nicht die Allwissenheit ein. |
Nein, ich kannte die Antwort nicht, aber jetzt kenne ich sie. Okay, ich verstehe jetzt auch, was "lose vom Zeitablauf entkoppelt" bedeutet.
In diesem Modell ist die Allmacht Gottes mAn ziemlich eingeschränkt (man müsste den Begriff hier wohl fallenlassen), er kann nicht unveränderlich sein (da sein Wissen ja kontinuierlich mit unserer Zeitentwicklung, an die er dabei - lose - gebunden ist, wächst) und problematisch könnte auch sein, dass er dann eine Welt geschaffen hat, von der er keine Ahnung hatte, wie sie sich entwickeln würde.
Diese Ansicht nennt man "open theism", richtig?
ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Nennen wir dieses Modell mal "Modell 2". Hier kennt Gott alles, also auch die gesamte Zukunft, aber er hat sie nicht festgelegt. Er hat sozusagen nur die Rahmenbedingungen, eine Ausgangssituation geschaffen, die Menschen jedoch eine freie Entscheidung lässt. Gott hat also hier ein umfassendes Vorherwissen (genauer gesagt ein zeitloses Allwissen von allem), aber er hat nicht die Entscheidungen selber vorherbestimmt.
Könnte man das so sagen? |
Exakt.
Man könnte sogar einen drauf setzen: Gott greift auch in den Zeitlauf ein, um korrektiv das fragile Gleichgewicht der Freiheit zu erhalten. Denn wegen seiner Allmacht könnte er selbstverständlich direktiv den Lauf der Welt beliebig ändern, aber er tut es nicht, weil das Gut der Freiheit eben höher sei, als z.B. die Vermeidung von Leid. |
In dieser Welt ist Gott allmächtig und allwissend und kann auch perfekt, also unveränderlich sein (jegliches Eingreifen stünde also schon immer fest). Aber hier gibt es nun mal Probleme mit einem freien Willen im Sinne der "Libertarians" (die die Ansicht vertreten, freier Wille und Determinismus seien unvereinbar, es gäbe einen freien Willen und somit sei der Determinismus nicht wahr - also Deine Ansicht).
Die Argumentation läuft dabei wie folgt:
1. Gott weiß unfehlbar, was zum zukünftigen Zeitpunkt T geschehen wird (folgt aus dem hier vorausgesetzten Allwissen)
2. Eine Entscheidung E ist nur dann frei, wenn es mögliche Alternativen zu E gibt (das Prinzip der alternativen Möglichkeiten - der inkompatibilistische Freiheitsbegriff)
3. Wenn Gott unfehlbar weiß, dass morgen die Entscheidung für A ausfallen wird, dann muss das so geschehen
4. Wenn die Entscheidung E für A ausfallen muss, dann gibt es keine möglichen Alternativen zu A, es kann keine andere Entscheidung als A getroffen werden
5. Also ist die Entscheidung E nicht frei
Dabei ist es unerheblich, ob Gott alles vorherbestimmt hat oder nicht, es geht hier nur um die inkompatibilistische Prämisse, Freiheit erfordere zwingend eine offene Zukunft. Kennt Gott sie aber, kann sie nicht offen sein.
Dabei ist es auch unerheblich, ob Gott omnipräsent in Raum und Zeit ist, das spielt keine Rolle für das Argument.
Würde man nun behaupten, Gott kenne lediglich alle Möglichkeiten, aber nicht den tatsächlichen Ablauf, dann gälte das gleichfalls für die Vergangenheit, denn Gott ist ja laut Prämisse gleichzeitig überall und das bedeutete, Gott würde nur wissen, dass zum Beispiel die Möglichkeiten bestanden, dass es Napoleon gab und dass es Napoleon nicht gab. Er würde aber nicht wissen, ob es Napoleon gab. Und das wäre dann kein Allwissen mehr, widerspräche also der Prämisse, Gott habe ein Allwissen.
Jedoch in der Viele-Welten-Interpretation realisieren sich unterschiedliche Welten. D.h. dann wäre es möglich, dass es eine Welt gab, in der Napoleon existierte und eine andere Welt, in der es ihn nicht gab. In unserer Vergangenheit gab es ihn, in der Vergangenheit anderer Individuen, die in einer Welt leben, die sich vor Napoleons Geburt aufsplittete, nicht. Naja, ich habe zwar einen Artikel über die Viele-Welten-Interpretation gelesen, aber so richtig bringt mein beschränktes Denken das nicht mit der obigen Argumentationskette zusammen. Vielleicht widerlegt das meine behauptete Unvereinbarkeit von Gottes Allwissen und dem libertarianischen freien Willen. Ich wüsste zwar nicht wie, aber mir fällt auch kein Gegenargument ein. Vielleicht hat jemand anders eine Idee dazu.
ballancer hat folgendes geschrieben: | Zurück zu deiner Frage: Die Alternative ist zunächst die andere Perspektive und Sichtweise. Diese führt dann zu anderen Handlungen. |
Es kann aber in "Modell 2" keine andere Handlungen geben, als die, die Gott kennt, die die getroffen werden.
ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Kommen wir mal zu einem anderen Einwand: jemand, der die Zukunft kennt und die Möglichkeit hat, Einfluss zu nehmen, trägt mAn eine gewisse Verantwortung für ungute Dinge, die eintreten werden, wenn er nicht versucht, sie zu verhindern. [...] |
Korrekt. [...] Darum lehne ich auch eine Mitverantwortung Gotte am Übel dieser Welt nicht ab - und zwar jedes Übels. [...] Wir Menschen können mangels Kenntnis der Konsequenzen und der Werte Gottes diese Fragen nicht hinreichend klären, darum sind wir hier nur auf Vermutungen angewiesen. |
Vermutungen sind unbefriedigend. Stellen wir das aber erst mal ein wenig beiseite.
ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich wollte eigentlich etwas anderes sagen: ich halte das sogenannte Konsequenz-Argument der Inkompatibilisten für falsch, das besagt, aus dem Fakt, dass man seine ferne Vergangenheit (die vor der Geburt) nicht beeinflussen könne, folge (falls der Determinismus wahr sei), dass alles inkl. der heutigen Entscheidungen auf diese ferne Vergangenheit abgebildet werden könne, denn das ist keine logische Folgerung. Es folgt mMn nur, dass man sich nicht selber aus dem Nichts erschaffen kann, nichts weiter. |
Soweit hätten wir auch keinen Dissens. |
Ich habe das Wesentliche nochmal hervorgehoben, das hast Du vielleicht übersehen. Natürlich haben wir hier einen Dissens, denn Du bist ja Inkompatibilist und das ist nun mal das Haupt-Argument der Inkompatibilisten, dem Du also zustimmen musst.
ballancer hat folgendes geschrieben: | Ich meine, das Kernproblem liegt darin, ob der Mensch eben substanziell ist, oder ob er ausschließlich als Produkt aufzufassen sei. Denn das Denken als Produkt entmüdigt den Menschen und führt in das Argument der Belibeigkeit, das sich selbst entwertet. |
Naja, vielleicht ist es letztlich nur eine Frage der persönlichen Sichtweise und des Menschenbildes, vielleicht kann man es so oder so sehen, vielleicht gibt es keine zwingenden Gründe für die eine oder andere Sichtweise. Ähnlich wie bei Deinen Ausführungen zu Egoismus und Altruismus, die ich gesnippt habe, damit das hier nicht zu lang wird.
ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: | [...] Denn Transzendenz heißt hier nichts Magisches oder sonst wie Mysteriöses, sondern lediglich die nüchterne Feststellung, dass gewisse Aspekte unserer Existenz sich dem selbstreflektorisch-analytischen Zugriff entziehen. |
Was ich hier herauslesen kann, ist folgendes: "Transzendentes" ist etwas, das gänzlich außerhalb unseres Verständnisses liegt, über das wir weder etwas wissen noch etwas darüber aussagen können. |
So würde ich es nicht nennen. Es ist eher der Erkenntnistheorie des Hölengleichnisses geschuldet. Der Mensch erkennt nicht das Ding an sich. Es ist ihm transzendent. Aber er sieht seine Schatten an der Wand. [...] Der Verzicht auf die Suche nach der Ursache des Schattens aber ist die Verarmung einer ohnmächtigen Irrationalität, die getrieben ist von der Angst, da Ungewisse zu vermeiden. |
Ich glaube auch, dass es Grenzen unserer Erkenntnis gibt, heutige und vielleicht auch prinzipielle. Aber wie man sinnvoll darüber reden könnte, was hinter den Grenzen unserer jetzigen Erkenntnis liegt, ohne sich in reinen Spekulationen zu verirren, das ist mir nicht klar.
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vanini registrierter User
Anmeldungsdatum: 17.04.2008 Beiträge: 847
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(#1273752) Verfasst am: 23.04.2009, 00:48 Titel: |
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ballancer hat folgendes geschrieben: | lumar hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: |
Du bezeichnest Positivismus als einen Vorwurf? Wieso dass? Wääre es nicht einfacher, du würdest diesen nicht praktizieren, als dass er bei dir eben offensichtlich zu Tage tritt ... wenn du schon nicht damit assoziiert werden willst?
Zu Aristoteles: Natürlich ist der infinite Regress abzulehnen. Aristoteles hat diesen übrigens nicht wegen der Begrenztheit der Zeit abgelehnt, da er von der unbegrenzten Lebensdauer der Fixsterne sogar annahm. Sondern er hat erkannt, dass die Tatsache, dass es eben den Wandel gibt - unabhängig von seinen zeitlichen Postulaten - einen daruber liegenden ersten Grund geben muss, da auch die Existenz eines infiniten Regresse diesen erfordert.
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Nein, es ist nicht natürlich gegeben, einen infiniten Rgress abzulehnen - unabhängig ob ich ihn für plausibel halte oder nicht. Du denkst da sehr merkwürdig: Die Ablehnung eines infiniten Regresses ist nicht zu begründen da natürlich und wer Begründungen fordert, sei ein Positivist. |
Natürlich ist die Ablehnung eines infiniten Regeresses als Erster Grund abzulehnen. Das hat Aristotelse getan, und das haben viele andere getan. Ein infiniten Rergress anzunehmen ist höchst irrational. Denn eine Ursache in einem unbeobachtbaren Unendlichen zu suchen widerspricht jeder Erfahrung und jedem Beobachtungprozess. |
Schon wieder ein Kleinod angewandter Ballancer-Logik: Erst soll es keine infinite Regression geben, weil das angeblich "irrational" sei, dann aber soll eben diese infinite Regression irgendwie doch existieren, indem sie durch einen "darüber liegenden Grund" (was dann wahrscheinlich wieder eine "unverursachte Ursache" und eine "abbrechende Kausalkette" sein soll ) "verursacht" sein soll.
Was für ein gruseliger Murks!
ballancer hat folgendes geschrieben: | Alles, was was man nicht positiv wissen kann, ist irrelevant und darum auch kein Gegenstand der Erkenntnis. |
Das wäre doch mal ein treffliches Bonmot für's bibel-christliche Stammbuch...
ballancer hat folgendes geschrieben: | lumar hat folgendes geschrieben: | Zudem verwies ich auf die eigentliche Fragestellung: Das Postulat einer Existenz eines komplexen, bewussten, lebendigen Wesens ist keine Antwort auf die Frage, warum überhaupt etwas existiert. Das Postulat des Urgrundes bedeutet nichts anderes, dass du nicht sagen kannst, warum Gott existiert und du gleichzeitig zugibst, dass etwas existiert ohne Grund außerhalb seiner selbst. Da aber - wie du gezeigt hast - Existenz keinen Grund benötigt, brauche ich zur Erklärung der Existenz auch keinen Gott. |
Das ist nur dein Dogma. Denn die Existenz von Objekten, die eben nicht ewig sind, bedürfen der Ursache.
Denn Aristotels hat ja das Gegenteil gezeigt. Der Unbewegte Beweger, der Erste Grund und die Ewigkeit eben dieses ist eine logische Notwendigkeit. |
...und wieder mal der krampfhaft bemühte, altbekannte und altbackene theologische Vereinnahmungsversuch der kläglichen christlichen Theologie à la Aquin, sich mangels eigener philosophischer Substanz und Kompetenz mit nach Belieben herausgepickten Federn antiker Denker zu schmücken, die sich allerdings eben leider nur mit aller Gewalt auf das Kinderkramniveau des biblischen Aberglaubens drücken lassen. Aristoteles ging es um nichts anderes als Bewegung im pysikalischen Sinn und er hat die Notwendigkeit (mehrerer!!!) unbewegter Beweger zwar behauptet, ist eine logisch stringente und nachvollziehbare Begründung dieser Behauptung allerdings schuldig geblieben.
Da kann man jedem Interessierten nur empfehlen, sich die Metaphysik des Aristoteles einfach einmal direkt zu Gemüte zu führen - um recht schnell den krassen Unterschied zwischen des Aristoteles' Aussagen und dem diesbezüglichen abwegigen Ballancer-Gedöns festzustellen...
_________________ Was immer DAS GANZE auch sein mag: Es hat mit einem MEHR oder WENIGER von SUMMEN von TEILEN gar nichts zu tun!
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1273754) Verfasst am: 23.04.2009, 01:09 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich nenne jetzt mal, um das unterscheiden zu können, dieses Modell "Modell 1".
In diesem Modell ist also Gott nicht allwissend, sondern er beschränkt sich selber in seinem Wissen. Kann man das so sagen, würdest Du dem so zustimmen? Oder würdest Du hier eher sagen wollen, Gott hätte alles logisch mögliche Wissen und das Wissen um die Zukunft sei logisch nicht möglich und er hätte es deswegen nicht? |
Du hast in der zweiten Frage bereits gezeigt, dass du die Antwort kennst. Natürlich wäre es absurd, ein Wissen zu haben, dass es gar nicht geben könnte. Darum schrenkt das 'fehlende' Wissenen über das Nicht-Wissbare auch nicht die Allwissenheit ein. |
Nein, ich kannte die Antwort nicht, aber jetzt kenne ich sie. Okay, ich verstehe jetzt auch, was "lose vom Zeitablauf entkoppelt" bedeutet.
In diesem Modell ist die Allmacht Gottes mAn ziemlich eingeschränkt (man müsste den Begriff hier wohl fallenlassen), er kann nicht unveränderlich sein (da sein Wissen ja kontinuierlich mit unserer Zeitentwicklung, an die er dabei - lose - gebunden ist, wächst) und problematisch könnte auch sein, dass er dann eine Welt geschaffen hat, von der er keine Ahnung hatte, wie sie sich entwickeln würde.
Diese Ansicht nennt man "open theism", richtig? |
Korrekt ... Allerdings habe ich den Abasatz geschriben, bevor ich den kannte:
http://en.wikipedia.org/wiki/Open_theism
Wegen der Allmacht gottes dennoch die Welt su einem Ziel lenken kann, so wäre es doch eher wie der Pionier, der sich einen Weg durch den Busch (der Zeit) schlägt, um auf unbestimmten Weg sein Ziel zuerreichen.
Auch wenn die Idee einigen Charme hat, so bin ich dennoch kein Anhänger davon, denn dann wäre der Begriff der Ewigkeit Gottes nicht passend. Diese scheint mir aber näher liegend.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Nennen wir dieses Modell mal "Modell 2". Hier kennt Gott alles, also auch die gesamte Zukunft, aber er hat sie nicht festgelegt. Er hat sozusagen nur die Rahmenbedingungen, eine Ausgangssituation geschaffen, die Menschen jedoch eine freie Entscheidung lässt. Gott hat also hier ein umfassendes Vorherwissen (genauer gesagt ein zeitloses Allwissen von allem), aber er hat nicht die Entscheidungen selber vorherbestimmt.
Könnte man das so sagen? |
Exakt.
Man könnte sogar einen drauf setzen: Gott greift auch in den Zeitlauf ein, um korrektiv das fragile Gleichgewicht der Freiheit zu erhalten. Denn wegen seiner Allmacht könnte er selbstverständlich direktiv den Lauf der Welt beliebig ändern, aber er tut es nicht, weil das Gut der Freiheit eben höher sei, als z.B. die Vermeidung von Leid. |
In dieser Welt ist Gott allmächtig und allwissend und kann auch perfekt, also unveränderlich sein (jegliches Eingreifen stünde also schon immer fest). Aber hier gibt es nun mal Probleme mit einem freien Willen im Sinne der "Libertarians" (die die Ansicht vertreten, freier Wille und Determinismus seien unvereinbar, es gäbe einen freien Willen und somit sei der Determinismus nicht wahr - also Deine Ansicht). |
Das entspricht meiner Ansicht. Ich sehe das Problem aber noch nicht.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Die Argumentation läuft dabei wie folgt:
1. Gott weiß unfehlbar, was zum zukünftigen Zeitpunkt T geschehen wird (folgt aus dem hier vorausgesetzten Allwissen)
2. Eine Entscheidung E ist nur dann frei, wenn es mögliche Alternativen zu E gibt (das Prinzip der alternativen Möglichkeiten - der inkompatibilistische Freiheitsbegriff)
3. Wenn Gott unfehlbar weiß, dass morgen die Entscheidung für A ausfallen wird, dann muss das so geschehen
4. Wenn die Entscheidung E für A ausfallen muss, dann gibt es keine möglichen Alternativen zu A, es kann keine andere Entscheidung als A getroffen werden
5. Also ist die Entscheidung E nicht frei |
Nice Try ... aber das Modell hat zwei Schwachpunkte:
A Das Vorherwissen ist ja nicht unabhängig vom Ereignis eben da, sondern kann sich nur Ereignen, weil das Ereignis gmäß seiner eigenen Gründe sich ereignet. Das Vorherwissen determiniert die Entscheidung nicht und schränkt auch keine freie Entscheidung ein. Denn wenn die Entscheidung anders fallen würde, dann wäre auch das Vorherwissen ein anderes.
B Die Ursache - Wirkungsbeziehung wird durch die andere zeitliche Anordnung nicht verändert. Darum ist in meinem Modell 1. & 2. wahr, aber 3. ist irreführend, denn etwas muss nicht geschehen, weil Gott es weiß, sondern Gott weiß es, weil es geschehen wird.
Darum ist auch 4 und 5 falsch.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Dabei ist es unerheblich, ob Gott alles vorherbestimmt hat oder nicht, es geht hier nur um die inkompatibilistische Prämisse, Freiheit erfordere zwingend eine offene Zukunft. Kennt Gott sie aber, kann sie nicht offen sein.
Dabei ist es auch unerheblich, ob Gott omnipräsent in Raum und Zeit ist, das spielt keine Rolle für das Argument. |
Die Zukunft ist in diesem Modell auch offen. Ein Vorherwissen Gottes ändert daran nichts.
_________________ 1.Thessalonicher 5,21 "Prüft aber alles und das Gute behaltet."
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vanini registrierter User
Anmeldungsdatum: 17.04.2008 Beiträge: 847
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(#1273757) Verfasst am: 23.04.2009, 01:17 Titel: |
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ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Die Argumentation läuft dabei wie folgt:
1. Gott weiß unfehlbar, was zum zukünftigen Zeitpunkt T geschehen wird (folgt aus dem hier vorausgesetzten Allwissen)
2. Eine Entscheidung E ist nur dann frei, wenn es mögliche Alternativen zu E gibt (das Prinzip der alternativen Möglichkeiten - der inkompatibilistische Freiheitsbegriff)
3. Wenn Gott unfehlbar weiß, dass morgen die Entscheidung für A ausfallen wird, dann muss das so geschehen
4. Wenn die Entscheidung E für A ausfallen muss, dann gibt es keine möglichen Alternativen zu A, es kann keine andere Entscheidung als A getroffen werden
5. Also ist die Entscheidung E nicht frei |
Nice Try ... aber das Modell hat zwei Schwachpunkte:
A Das Vorherwissen ist ja nicht unabhängig vom Ereignis eben da, sondern kann sich nur Ereignen, weil das Ereignis gmäß seiner eigenen Gründe sich ereignet. Das Vorherwissen determiniert die Entscheidung nicht und schränkt auch keine freie Entscheidung ein. Denn wenn die Entscheidung anders fallen würde, dann wäre auch das Vorherwissen ein anderes.
B Die Ursache - Wirkungsbeziehung wird durch die andere zeitliche Anordnung nicht verändert. Darum ist in meinem Modell 1. & 2. wahr, aber 3. ist irreführend, denn etwas muss nicht geschehen, weil Gott es weiß, sondern Gott weiß es, weil es geschehen wird.
Darum ist auch 4 und 5 falsch.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Dabei ist es unerheblich, ob Gott alles vorherbestimmt hat oder nicht, es geht hier nur um die inkompatibilistische Prämisse, Freiheit erfordere zwingend eine offene Zukunft. Kennt Gott sie aber, kann sie nicht offen sein.
Dabei ist es auch unerheblich, ob Gott omnipräsent in Raum und Zeit ist, das spielt keine Rolle für das Argument. |
Die Zukunft ist in diesem Modell auch offen. Ein Vorherwissen Gottes ändert daran nichts. |
...an welchen Äußerungen wieder einmal sehr eindrücklich zu erkennen ist, dass einer der engagiertesten Prediger des Indeterminismus von diesem offenkundig bestenfalls verstanden hat, wie man das entsprechende Wort fehlerfrei hinschreibt...
_________________ Was immer DAS GANZE auch sein mag: Es hat mit einem MEHR oder WENIGER von SUMMEN von TEILEN gar nichts zu tun!
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1273762) Verfasst am: 23.04.2009, 02:06 Titel: |
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Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Ich hänge dem Freiheitsbegriff nicht an, und ich denke, Schopenhauer auch nicht. |
Dich stören meine Formulierungen? Dann nenne es halt so, wie Du es für richtig hältst: "das ist mein Begriff von Freiheit"; "das ist das, was man gemeinhin unter "Freiheit" versteht"; "das ist der richtige Begriff von 'Freiheit'", whatever.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | In dem Gedankenexperiment ist es es eine unverursachte Ursache des Verhaltens. |
Was stört dich ? Das es plötzlich keine Krankheit mehr wäre, sondern eine (neue) menschliche Eigenschaft, die hier zufällig bei dir ein negatives Gefühl verursacht ? Dann stell dir vor, du könntest plötzlich unverursacht fliegen. |
Mich stört Deine Aussage: "die Abwesenheit von Kontrolle ist hingegen die Anwesenheit von Freiheit", denn so ist sie mE nicht plausibel wegen der Folgerungen. Ich will Dich ja keineswegs bis ans Ende aller Zeiten darauf festlegen, ich möchte nur, dass Du sie soweit modifizierst, dass sie halbwegs plausibel erscheint.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Deine Analyse ist völlig korrekt, und übrigens auch mit Schopenhauer sinngemäß deckungsgleich, dass die Vorstellungen von Kant dazu führen, dass am Ende nur ein Wesen frei sein kann, welches nicht der Identität der Ursprungsperson entspricht. Allerdings war das auch schon Kant in gewisser Weise aufgefallen ...
Aber das ist doch nicht der Kern, um den es bei der Vorstellung von Freiheit im kantianischen Sinne geht, und um den sich die Debatte um den freien Willen dreht. |
Okay. Also: was ist der Kern dabei?
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Nein, Schopenhauer geht es nicht um eine abstrakte Freiheit, sondern um die Tatsache, dass Freiheit nicht existiert. Möglicherweise würde er auch deine andere Definition von Freiheit widerlegen oder zumindest gekonnt kritisieren, aber ich werde stellvertretend mein Bestes geben. Kant würde sie vielleicht mit der Freiheit einer Bratpfanne vergleichen, weil man seiner Zeit noch den Menschen als die Krönung der Schöpfung betrachtete, vielleicht auch noch als über den Naturgesetzen stehend. |
Mag sein ja alles sein, aber das finde ich hier nicht so besonders spannend, so wenig wie Schopenhauers Freiheitsbegriff, der von Vorneherein eine Freiheit unmöglich / ausgeschlossen macht, wenn man ihn auf eine Person anwenden möchte. Man kann das nun zur Kenntnis nehmen und sagen, aha, ja, so ist es. Aber mehr nicht. Meiner Meinung nach.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich verstehe noch nicht, was der kategorische Imperativ mit der Frage um die Willensfreiheit zu tun hat. [...] |
Seine ethischen Teilaspekte sind Bestandteil der Freiheitsvorstellungen, demzufolge ein Mensch jederzeit nur aus der Vernunft heraus ethisch und moralsich handeln könnte. Kann der Mensch meinens Wissens natürlich nicht, aber viele glauben das immer noch. |
Okay, "viele glauben das immer noch". Mag sein oder nicht, das kann ich nicht beurteilen. Mich interessiert jedoch, wo Du das konkret in unserer Gesellschaft manifestiert siehst, meinetwegen im Recht allgemein oder sonstwo.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Es steht ja noch deine Definitionen aus, also lass uns schauen, ob sie sinnvoller, besser oder nützlicher sind. |
Mal aus dem hohlen Bauch:
Zitat: |
1) Freiheit ist Abwesenheit / Überwindung von Zwängen
2) Zwänge sind solche Sachverhalte / Gegebenheiten, die dem Willen der Person, ihrer Entfaltung entgegenstehen; solche Sachverhalte, die diese Entwicklung nicht behindern oder sogar fördern, sind keine Zwänge
3) Freiheit ist immer etwas Graduelles, eine Person, die völlig frei von allen Gegebenheiten / Bedingungen wäre, wäre keine Person, wäre ein Nichts, wäre wohl gar nicht denkbar
4) Freiheit ist abhängig von der Fähigkeit, die bestehenden Zwänge überhaupt erst erkennen zu können und Möglichkeiten zur Überwindung dieser Zwänge zu sehen; je mehr diese Fähigkeit vorhanden ist, desto größer die Willensfreiheit (jedoch natürlich noch nicht unbedingt die Handlungsfreiheit - Willensfreiheit ist nur die halbe Miete zur Freiheit der Person) |
|
Ich war mal so frei, und habe die Definition nummeriert.
Bei 1 - 3 könnte ich statt "Person" auch "Hausschwein" sagen, das scheint trivial zu sein. |
Okay.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Ich würde einfach sagen, wir sind nicht freier als Hund, Katze, Maus, etc. |
Interessant. Warum nicht? Nur der Mensch kann (AFAIK) die Auswirkungen seiner Handlungen im Vorneherein berücksichtigen, er kann abwägen, urteilen, bewerten. Spielt das für Dich keine Rolle bei der Betrachtung der Freiheit?
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Der Punkt 4 ist spannender und aus meiner Sicht aus mehreren Gründen nicht haltbar.
a) Dein Freiheitsbegriff impliziert, dass jemand freier ist, wenn er die Freiheit, die ihm andere nehmen, überwinden könnte. Das bedeutet, dass wenn er moralische Vorschriften, Gesetze, Banksicherheitsanlagen zwecks Raub oder ähnliches überwindet, als freier interpretiert wird. Das bedeutet auch, dass wenn er jemand anderen umbringt, von dem er das Gefühl habe, dass er ihm die Luft zum atmen nimmt, als freier gilt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du das so gemeint hast, |
Auch interessant. Selbstverständlich habe ich das genau so gemeint. Wie kommst Du darauf, dass ich es anders gemeint haben könnte? Freiheit hat mAn erst mal nichts mit (meiner oder der geltenden) Moral zu tun. Sollte denn dMn da eine Abhängigkeit bestehen? Wenn ja: warum und inwiefern?
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | und mit noch nicht definierter Handlungsfreiheit deutest du ja vielleicht etwas an. |
Handlungsfreiheit ist ganz banal das Vermögen, das auch zu tun, was man will. Ich will zum Beispiel ins Kino gehen, aber als ich dort ankomme, hat es wegen Renovierung geschlossen. Also kann ich nicht das tun, was ich will, ich bin in meiner Handlungsfreiheit eingeschränkt. Oder ich will spazieren gehen, aber ich sitze im Gefängnis und darf nicht nach draußen. Ebenfalls eine Einschränkung meiner Handlungsfreiheit.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | b) Es gibt auch Tiere, die Probleme erkennen und Lösungsstrategien entwickeln Das bezeichnet man meines Wissens als evolutionäre Anpassung an die Umwelt, aber nicht als Freiheit. |
Diese Tiere würde ich natürlich in meinem Verständnis als freier ansehen als andere Tiere, die diese Fähigkeit nicht haben.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | c) Mir klingt in den Ohren, dass in unserem Gehirn bisher alles nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten abläuft. Demzufolge ist das Erkennen von Handlungsmöglichkeiten -ich nenne sie mal 1a, 1b, und 1c- ein erzwungener, nicht aus sich selbst heraus startbarer determinierter Prozess. Wo liegt die Freiheit ? |
Die Freiheit liegt (meiner Auffassung nach) in der vorhandenen Fähigkeit. Und diese Fähigkeit sehe ich, wie schon gesagt, nicht unbedingt als "Zwang" an. (Es mag nun aber sein, dass jemand diese Fähigkeit verflucht, sie ablehnt, sie nicht haben möchte. Der würde sie wohl als Zwang ansehen. Gezwungen, zu denken, sich entscheiden zu müssen, auf sich selber gestellt zu sein - das ist jetzt nicht sarkastisch oder so gemeint, das gibt es sicher.)
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | 4) Wenn du an anderer Stelle argumentierst, dass es nicht zählt, dass man nicht fliegen kann, wieso ist es hier ein Freiheitsunterschied, dass jemand ggf. nur 1a und 1b, bzw, zusätzlich 1d, erkennen kann ? |
Wieso nicht zählt? Es schränkt mich in meiner Freiheit ein, dass ich nicht aus eigener Kraft fliegen kann. Könnte ich das, wäre ich freier als jetzt, denn dann wäre eine Beschränkung weggefallen. Und so sehe ich es auch als Beschränkung an, wenn jemand die Möglichkeit 1d nicht erkennen kann, denn könnte er es, dann hätte er mehr Handlungsmöglichkeiten; dann könnte er vielleicht besser seinen Willen / seine Wünsche in Übereinstimmung mit der Welt bringen.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | In welchem Sinne ist Mühen in Kauf nehmen eine freie Entscheidung ? |
Bei einer Entscheidung spielen viele Faktoren / Gründe / Determinanten ein Rolle. Diese können auch widerstreitend sein, ich will mich zum Beispiel ausruhen, aber ich will mich auch weiterentwickeln, zum Beispiel etwas lernen. Die Entscheidung fällt dann letztlich nach meiner Gewichtung aus oder ich kann mich auch von meinen momentanen Launen leiten lassen. Wenn ich Letzteres tue, dann ärgere ich mich vielleicht später darüber, wenn ich meine momentane Laune überwinde, dann würde das vielleicht eher meinem (in dem Falle langfristigen) Willen entsprechen.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Was signalisiert denn gemäß deiner Vorstellungen das System Mensch, wenn es sich gemäß Tourette-Syndrom verhält ? Ist das Freiheit, weil der Körper sich so verhalten möchte ? |
[...] Nein, das ist keine Freiheit, weil es willkürlich geschieht, der Kontrolle entzogen ist und dem eigentlichen Willen entgegensteht. |
Mit Kontrolle meinst du Bewußtsein ? Das Wachstum der Zähennägel signalisiert auch nichts an das Bewußtsein, aber ich käme nicht auf die Idee, dass es unkontrolliert ist.? |
Nein, ich meine nicht unbedingt das Bewusstsein. Bewusst kontrollieren würde ich nur das wollen, was meinem Willen entgegensteht. Ich brauche zum Beispiel keine bewusste Kontrolle über meinen Herzschlag, denn der funktioniert auch ohne in meinem Sinne.
Ich brauche auch keine bewusste Kontrolle von allem zum Beispiel beim Beitragschreiben hier oder Autofahren; in beiden Fällen laufen sehr viele automatisierte unbewusste Vorgänge ab, die aber letztlich in meinem Sinne sind. Solange ich nicht Beiträge schreibe, bei denen ich mich später frage: "wer hat das denn geschrieben? Sicher nicht ich." Oder solange ich beim Autofahren auch an dem Ziel ankomme, das ich vorher (bewusst) anvisiert hatte.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Ist das Tourette Syndrom gemäß deinen Freiheitsdefinitionen eigentlich noch eine Krankheit ? |
Gute Frage. Es kommt darauf an, ob man es a) als notwendigen Teil von sich ansieht oder b) als unerwünschte Fremdbestimmung. Falls a): keine Krankheit, falls b): Krankheit.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Gibt es falsche und richtige Beeinflussung ? Was wäre die richtige Beeinflussung ? |
Natürlich gibt es "falsche" und "richtige" Beeinflussung (das muss natürlich hier verstanden werden als lediglich meine Sichtweise - nicht als "an sich" richtig oder falsch). Als falsche Beeinflussung würde ich zum Beispiel Psychofolter (Gehirnwäsche) ansehen, als richtige Beeinflussung eine solche Erziehung, die die Selbstständigkeit fördert.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Wären Muslime freier als Christen und Atheisten freier als Muslime ? Oder umgekehrt ? |
Keine Ahnung, das kann ich beim besten Willen nicht beantworten, tut mir leid. Da müsstest Du erst mal irgendwie klar stellen, was diese Gruppen voneinander unterscheidet.
Für mich ergibt diese Frage erst mal keinen Sinn und ich weiß auch nicht, worauf Du hinauswillst. Du könntest vielleicht besser zwei Individuen mit unterschiedlichen Eigenschaften skizieren und dann nochmal fragen.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Ist damit nicht jegliche Handlung als frei zu bezeichnen ? |
Du meinst: nach meiner Vorstellung von Freiheit? Nein, selbstverständlich nicht. Die Freiheit hängt ja von den bestehenden Zwängen ab und von der Fähigkeit dazu, diese Zwänge erkennen und evtl. überwinden zu können. |
Das führt mich wieder zu der Frage der Gesetzmäßigkeiten. Meinst du, es wäre möglich eine Maschine zu entwickeln, die die Determination unserer Welt aufhält oder verändert ? |
Komische Frage. Ich sehe den Zusammenhang nicht.
Und umformulieren muss ich sie auch: "Meinst du, es wäre möglich eine Maschine zu entwickeln, die die Gesetzmäßigkeiten / die Naturgesetze unserer Welt aufhält oder verändert ?"
Die Antwort dazu ist: nein.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Hast du Angst, dass der Mensch die Sinnlosigkeit seiner Existenz erkennen könnte und sich selbst zu Grunde richtet ? |
Ich weiß nicht, ich glaube nicht. Wieso sollte überhaupt die Existenz "des Menschen" sinnlos sein? Meine Existenz ist es jedenfalls (in meiner Sicht) nicht.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Dann wären wir halt eine Laune der Natur, na und ? Aber vielleicht sind wir auch schon so weit entwickelt, dass wir einen Freiheitsbegriff gar nicht benötigen, so wie das in anderen Teilen der Welt auch schon der Fall war und ist. |
Interessant. Wo denn?
Also, naja, ich fände es in der Tat schade, wenn der Begriff "Freiheit" einfach so ersatzlos unterginge, denn Freiheit ist für mich sehr wichtig. Ich fände es irgendwie bedauerlich, wenn das, was ich unter "Freiheit" verstehe, immer mehr eingeschränkt würde mit der Begründung, die gäbe es in der Realität eh nicht, das sei nur eine Einbildung, daher wäre es vollkommen wurscht, wieweit ich eingeschränkt würde.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Mein Taschenrechner kann auch nicht fliegen, aber der kann auch nicht atmen. Atmung ist bewußt steuerbar, wo ist das Problem ? Etwa das der Körper dem Bewußtsein die Kontrolle entzieht ? |
Da Problem ist folgendes: ich möchte frei sein, aber Du behauptest, es gäbe gar keine Freiheit. Was ich nicht meine, denn es wäre mir irgendwie unangenehm, wenn jemand, das, was ich unter Freiheit verstehe, grenzenlos einschränken könnte, weil sie nur Illusion wäre. Auch wenn dem so sein sollte: ich habe sie trotzdem irgendwie lieb gewonnen. Ich möchte denken können, was ich will, ich möchte meine Fähigkeit diesbezüglich erweitern, mehr Erkenntnis gewinnen und ich möchte auch machen dürfen, was ich will (solange das die Freiheit andere nicht einschränkt). Das mag aus naturwissenschaftlicher Sichtweise, von einem objektiven Standpunkt aus gesehen vollkommen irrational sein, ist aber dennoch so.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Schopenhauer plädierte schon für eine Leidensethik, Kant für Bestrafung aus den normativen Moralvorstellungen heraus. Ersteres würde ich favorisieren. |
Wenn ich nur die Wahl zwischen Beidem hätte, dann würde ich wohl Kant favorisieren.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mich interessiert aber, wieso Du meinst, die Feststellung, es gäbe keine persönliche Freiheit im Sinne von Freiheit(S), widerspräche den Grundlagen unseres jetzigen Rechtssystemes. |
Unser jetziges Rechtsystem basiert auf der Annahme, dass der Mensch hätte frei anders handeln können und bestraft dafür. |
Das sehe ich nicht so (nicht "frei" in Schopenhauers Sinne). Könntest Du Deine Ansicht irgendwie belegen? Vielleicht, damit Du nicht soviel suchen musst, anhand dieses Textes.
Aber kannst Du natürlich auch natürlich irgendwie anders machen.
Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Ich finde es absurd, jemanden zu bestrafen, weil er so ist, wie er ist. Das empfinde ich wie ein Krokodil prügeln, weil es ein Krokodil ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich mich neben ein Krokodil legen würde, oder nicht ein Zaun zwischen uns bauen würde. |
Ja, jemanden zu bestrafen, weil er ist, wie er ist, für das, was außerhalb seiner Kontrolle liegt, ist in der Tat absurd. Das wird auch nicht getan, niemand wird zum Beispiel bestraft, weil er aufgrund seines Tourette-Syndromes jemanden beleidigt, denn dafür kann er nichts.
Falls Du aber tatsächlich meinen solltest, dass jegliche Handlung eines Menschen außerhalb seiner Kontrolle läge, dann interessiert mich eine explizite Begründung dafür, denn eben das ist ja die Frage, die mich hier eigentlich interessiert.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#1273766) Verfasst am: 23.04.2009, 02:55 Titel: |
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ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Die Argumentation läuft dabei wie folgt:
1. Gott weiß unfehlbar, was zum zukünftigen Zeitpunkt T geschehen wird (folgt aus dem hier vorausgesetzten Allwissen)
2. Eine Entscheidung E ist nur dann frei, wenn es mögliche Alternativen zu E gibt (das Prinzip der alternativen Möglichkeiten - der inkompatibilistische Freiheitsbegriff)
3. Wenn Gott unfehlbar weiß, dass morgen die Entscheidung für A ausfallen wird, dann muss das so geschehen
4. Wenn die Entscheidung E für A ausfallen muss, dann gibt es keine möglichen Alternativen zu A, es kann keine andere Entscheidung als A getroffen werden
5. Also ist die Entscheidung E nicht frei |
Nice Try ... aber das Modell hat zwei Schwachpunkte:
A Das Vorherwissen ist ja nicht unabhängig vom Ereignis eben da, sondern kann sich nur Ereignen, weil das Ereignis gmäß seiner eigenen Gründe sich ereignet. Das Vorherwissen determiniert die Entscheidung nicht und schränkt auch keine freie Entscheidung ein. Denn wenn die Entscheidung anders fallen würde, dann wäre auch das Vorherwissen ein anderes. |
Mir ist nicht klar, welchen Punkt meiner Argumentation Du damit angreifst. Es ist Punkt 1. (es gibt also keine unfehlbares Allwissen), richtig? Aber falls ja: das kannst Du nicht, das ist eine Prämisse, das wird vorausgesetzt.
ballancer hat folgendes geschrieben: | B Die Ursache - Wirkungsbeziehung wird durch die andere zeitliche Anordnung nicht verändert. Darum ist in meinem Modell 1. & 2. wahr, aber 3. ist irreführend, denn etwas muss nicht geschehen, weil Gott es weiß, sondern Gott weiß es, weil es geschehen wird.
Darum ist auch 4 und 5 falsch. |
Okay, ich habe das etwas aus dem hohlen Bauch (naja, der Link ganz unten war dran beteiligt) formuliert. Ich kann Punkt 3. auch von
"3. Wenn Gott unfehlbar weiß, dass morgen die Entscheidung für A ausfallen wird, dann muss das so geschehen"
umformulieren in:
"3. Wenn Gott unfehlbar weiß, dass morgen die Entscheidung für A ausfallen wird, dann wird das so geschehen, es kann nicht anders kommen, es gibt keine andere Möglichkeit, wie es kommen kann (folgt aus Punkt 1.)"
Macht zwar mMn keinen Unterschied, aber für Dich vielleicht schon.
ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Dabei ist es unerheblich, ob Gott alles vorherbestimmt hat oder nicht, es geht hier nur um die inkompatibilistische Prämisse, Freiheit erfordere zwingend eine offene Zukunft. Kennt Gott sie aber, kann sie nicht offen sein.
Dabei ist es auch unerheblich, ob Gott omnipräsent in Raum und Zeit ist, das spielt keine Rolle für das Argument. |
Die Zukunft ist in diesem Modell auch offen. Ein Vorherwissen Gottes ändert daran nichts. |
Und nochmal explizit: eine Prädestination, bzw. eine Ursache - Wirkungsbeziehung ist bei meiner Argumentation völlig unerheblich, es geht nur um das unfehlbare! Wissen. Wenn die Zukunft nur so ablaufen kann, wie Gott es jetzt (immer schon) weiß, dann kann sie nicht "offen" sein.
Oder Du erklärst, was "offen" hierbei bedeuten soll / kann. Mag sein, dass ich das noch nicht verstehe.
Und, wie auch oben schon gesagt, nützt es nichts, wenn Gott lediglich die möglichen Alternativen kennt; denn wenn er nicht die sich tatsächlich zukünftig ereignende Realität (die ausgeführte Alternative also) kennt, dann ist er nicht allwissend.
Übrigens: diese Seite wird Dich sicher in diesem Zusammenhang interessieren.
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MountainKing registrierter User
Anmeldungsdatum: 31.05.2006 Beiträge: 1438
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(#1273785) Verfasst am: 23.04.2009, 08:25 Titel: |
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vanini hat folgendes geschrieben: |
Schon wieder ein Kleinod angewandter Ballancer-Logik: Erst soll es keine infinite Regression geben, weil das angeblich "irrational" sei, dann aber soll eben diese infinite Regression irgendwie doch existieren, indem sie durch einen "darüber liegenden Grund" (was dann wahrscheinlich wieder eine "unverursachte Ursache" und eine "abbrechende Kausalkette" sein soll ) "verursacht" sein soll.
Was für ein gruseliger Murks! |
Wieso die Annahme eines infiniten Regresses irrational sein soll, die eines infiniten Gottes jedoch mehr oder weniger zwingend, ist allerdings schwer nachzuvollziehen.
ballancer hat folgendes geschrieben: |
A Das Vorherwissen ist ja nicht unabhängig vom Ereignis eben da, sondern kann sich nur Ereignen, weil das Ereignis gmäß seiner eigenen Gründe sich ereignet. Das Vorherwissen determiniert die Entscheidung nicht und schränkt auch keine freie Entscheidung ein. Denn wenn die Entscheidung anders fallen würde, dann wäre auch das Vorherwissen ein anderes. |
Wenn das Ereignis aber "seine eigenen Gründe" hat, ist es in bestimmte Kausalzusammenhänge eingebettet, die Gott erschaffen hat und kennt (wenig Platz für einen real freien Willen) oder nicht kennt (dann ist er nicht allwissend). Der letzte Fall wurde ja schon mehrmals angesprochen, ohne dass du das irgendwie befriedigend erklären konntest. Deine Aussage lässt nur den Schluss zu, dass Gottes Vorherwissen auf das faktische Ereignis beschränkt wäre und sich nicht auf dessen eigene Gründe erstreckt.
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MountainKing registrierter User
Anmeldungsdatum: 31.05.2006 Beiträge: 1438
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(#1273792) Verfasst am: 23.04.2009, 08:33 Titel: |
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Witzig, ich hatte schon einige Tage, bevor du diesen Absatz geschrieben hast, auf Open Theism verlinkt und du hattest dich im nächsten Beitrag davon explizit distanziert:
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1269341#1269341
Hast du dich hier nicht mehrfach darüber beschwert, dass niemand Links lesen würde?
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1273821) Verfasst am: 23.04.2009, 09:10 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Würde man nun behaupten, Gott kenne lediglich alle Möglichkeiten, aber nicht den tatsächlichen Ablauf, dann gälte das gleichfalls für die Vergangenheit, denn Gott ist ja laut Prämisse gleichzeitig überall und das bedeutete, Gott würde nur wissen, dass zum Beispiel die Möglichkeiten bestanden, dass es Napoleon gab und dass es Napoleon nicht gab. Er würde aber nicht wissen, ob es Napoleon gab. Und das wäre dann kein Allwissen mehr, widerspräche also der Prämisse, Gott habe ein Allwissen.
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Hier sind wir bei dem 3. Modell der vielen Welten. Abgesehen davon, dasi cih diese Interpretation nicht bevorzuge unterläuft die hier der Fahler, dass du nicht zwischen Möglichkeit und strukturiert realisierter Möglichkeit unterscheidest. Denn in diesem Modell wären die Möglichkeiten kein Einheitsbrei der Beliebigkeiten, sondern ein sich stark verästelnder Baum, der jeweils an konkreten scheidewegen steht. Für einen Zeitpunkt in einer manifesten Realität gibt es nur eine einzige vergangenheitsorientierte Spur und eine sich verästelnde Optionsschar auf die Zukunft. Für uns gibt es auch keine Alternative, ob es Napoleon gab oder nicht.
Diese Perspektive, die wir im Rahmen des Modelles haben können, hätte Gott selbstverständlich auch, und zwar in perfekter Ausprägung. Dass es daneben noch parallele Welten in großer Zahl gäbe, andert nichts zur Sache, denn das Wissen über die Realität wird ja hier in keiner Hinsicht als limitiert verstanden.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Jedoch in der Viele-Welten-Interpretation realisieren sich unterschiedliche Welten. D.h. dann wäre es möglich, dass es eine Welt gab, in der Napoleon existierte und eine andere Welt, in der es ihn nicht gab. In unserer Vergangenheit gab es ihn, in der Vergangenheit anderer Individuen, die in einer Welt leben, die sich vor Napoleons Geburt aufsplittete, nicht. Naja, ich habe zwar einen Artikel über die Viele-Welten-Interpretation gelesen, aber so richtig bringt mein beschränktes Denken das nicht mit der obigen Argumentationskette zusammen. Vielleicht widerlegt das meine behauptete Unvereinbarkeit von Gottes Allwissen und dem libertarianischen freien Willen. Ich wüsste zwar nicht wie, aber mir fällt auch kein Gegenargument ein. Vielleicht hat jemand anders eine Idee dazu. |
Dann will ich dir darin helfen. Auch wenn mein Argument, mit der ich grundsätzlich ebenso wie du die Vereinbarkeit der vielen Welten mit dem libertarianischen freien Willen bestreite, keine zwingende Interpretation ist, so erscheint si mir doch plausibel:
Wenn in der Viele-Welten-Interpretation (MWI) grundsätzlich alle Möglichkeiten auch realisiert werden, heißt das, dass auch alle Entscheidungsvarianten realisiert werden. Wenn also jede amoralische Option in einer anderen Welt realisiert wird, was macht dann unsere Welt - vor allem mit unseren sittlichen Entscheidungen - moralischer, oder auch nur freier? Im Grund zählt in diesem Modell die Entscheidung nichts, denn sie wäre letztlich Ergebnis der Kombinatorik, also eines mechanischen Vorganges. Eine andere Entscheidung zu treffen hätte weder wert noch unwert, denn jede mögliche Entscheidung würde auch getroffen. Also wäre es völlig egal, welche Entscheidung getroffen wird. Wenn sie möglich ist, würde sie auch getroffen, gegebenenfalls in einer Parallelwelt.
Damit unterscheidet sich die MWI hinsichtlich ihrer moralischen Implikationen nicht wesentlich vom klassischen Determinismus.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
ballancer hat folgendes geschrieben: | Zurück zu deiner Frage: Die Alternative ist zunächst die andere Perspektive und Sichtweise. Diese führt dann zu anderen Handlungen. |
Es kann aber in "Modell 2" keine andere Handlungen geben, als die, die Gott kennt, die die getroffen werden.
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Die Formulierung bleibt gefährlich. Denn hier wird wieder Ursache und Wirkung vertauscht. Das Ergebnis ist wie ein lawinenartiger Fehler. In Modell 2 kann es jede mögliche Handlung geben, nur kennt Gott die (freie) Entscheidung, da er außerhalb der Zeit existiert.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Kommen wir mal zu einem anderen Einwand: jemand, der die Zukunft kennt und die Möglichkeit hat, Einfluss zu nehmen, trägt mAn eine gewisse Verantwortung für ungute Dinge, die eintreten werden, wenn er nicht versucht, sie zu verhindern. [...] |
Korrekt. [...] Darum lehne ich auch eine Mitverantwortung Gotte am Übel dieser Welt nicht ab - und zwar jedes Übels. [...] Wir Menschen können mangels Kenntnis der Konsequenzen und der Werte Gottes diese Fragen nicht hinreichend klären, darum sind wir hier nur auf Vermutungen angewiesen. |
Vermutungen sind unbefriedigend. Stellen wir das aber erst mal ein wenig beiseite.
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So einfach geht es nicht. Denn wenn wir uns mit den Konzepten des Wissens Gottes beschäftigen, müssen alle Aussagen, einschließlich der Offenbarungsaussagen, zunächst als Vermutungen betrachtet werden, bis man ihnen vielleicht einen robusteren Wert zuweisen kann.
Dieser Vorbehalt trifft aber nicht nur die 'Gläubigen' in engerem Sinne, sondern ebenso die Skeptiker.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich wollte eigentlich etwas anderes sagen: ich halte das sogenannte Konsequenz-Argument der Inkompatibilisten für falsch, das besagt, aus dem Fakt, dass man seine ferne Vergangenheit (die vor der Geburt) nicht beeinflussen könne, folge (falls der Determinismus wahr sei), dass alles inkl. der heutigen Entscheidungen auf diese ferne Vergangenheit abgebildet werden könne, denn das ist keine logische Folgerung. Es folgt mMn nur, dass man sich nicht selber aus dem Nichts erschaffen kann, nichts weiter. |
Soweit hätten wir auch keinen Dissens. |
Ich habe das Wesentliche nochmal hervorgehoben, das hast Du vielleicht übersehen. Natürlich haben wir hier einen Dissens, denn Du bist ja Inkompatibilist und das ist nun mal das Haupt-Argument der Inkompatibilisten, dem Du also zustimmen musst.
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Für mich ist das Wesentliche, dass du hier keine zwingende Bestimmung des Denkens aus dem gegebenen ableitest, denn sonst hättest du nicht geschrieben:
Es folgt mMn nur, dass man sich nicht selber aus dem Nichts erschaffen kann, nichts weiter.
Wenn denn folgen würde, dass jeder Gedanke zwingend der sein müsse, dann wäre deine Aussage invalide. So aber gehe ich zumindest von einer partiellen Übereinstimmung aus.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
ballancer hat folgendes geschrieben: | Ich meine, das Kernproblem liegt darin, ob der Mensch eben substanziell ist, oder ob er ausschließlich als Produkt aufzufassen sei. Denn das Denken als Produkt entmüdigt den Menschen und führt in das Argument der Belibeigkeit, das sich selbst entwertet. |
Naja, vielleicht ist es letztlich nur eine Frage der persönlichen Sichtweise und des Menschenbildes, vielleicht kann man es so oder so sehen, vielleicht gibt es keine zwingenden Gründe für die eine oder andere Sichtweise. Ähnlich wie bei Deinen Ausführungen zu Egoismus und Altruismus, die ich gesnippt habe, damit das hier nicht zu lang wird. |
Ich denke, mit diesem Dissens der Worte können wir gut leben, wenn sich in den Konsequenzen doch eine Ähnlichkeit andeutet.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: | [...] Denn Transzendenz heißt hier nichts Magisches oder sonst wie Mysteriöses, sondern lediglich die nüchterne Feststellung, dass gewisse Aspekte unserer Existenz sich dem selbstreflektorisch-analytischen Zugriff entziehen. |
Was ich hier herauslesen kann, ist folgendes: "Transzendentes" ist etwas, das gänzlich außerhalb unseres Verständnisses liegt, über das wir weder etwas wissen noch etwas darüber aussagen können. |
So würde ich es nicht nennen. Es ist eher der Erkenntnistheorie des Höhlengleichnisses geschuldet. Der Mensch erkennt nicht das Ding an sich. Es ist ihm transzendent. Aber er sieht seine Schatten an der Wand. [...] Der Verzicht auf die Suche nach der Ursache des Schattens aber ist die Verarmung einer ohnmächtigen Irrationalität, die getrieben ist von der Angst, da Ungewisse zu vermeiden. |
Ich glaube auch, dass es Grenzen unserer Erkenntnis gibt, heutige und vielleicht auch prinzipielle. Aber wie man sinnvoll darüber reden könnte, was hinter den Grenzen unserer jetzigen Erkenntnis liegt, ohne sich in reinen Spekulationen zu verirren, das ist mir nicht klar. |
Es ist eine Natur der Grenze geschuldete Eigenart, eben jene Grenze zu erkunden und nicht unkritisch für gegeben zu erachten. Dies schließt ein, soweit wie möglich über diese Grenze zu schauen. Im Besonderen ist dies fast ein Muss, wenn es sich eben nicht um irgend eine Grenze geht, die uns nichts angeht, sondern um eine Grenze, die höchst bedeutsam für unser Leben ist.
_________________ 1.Thessalonicher 5,21 "Prüft aber alles und das Gute behaltet."
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1273824) Verfasst am: 23.04.2009, 09:17 Titel: |
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MountainKing hat folgendes geschrieben: |
Witzig, ich hatte schon einige Tage, bevor du diesen Absatz geschrieben hast, auf Open Theism verlinkt und du hattest dich im nächsten Beitrag davon explizit distanziert:
http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1269341#1269341
Hast du dich hier nicht mehrfach darüber beschwert, dass niemand Links lesen würde? |
Ich hatte damals deinen Link kurz angelesen und festgestellt, dass er nicht meinem Denken entspricht. Damals ging es um eine Falschattributierung meines Glaubens.
Jetzt hatte ich ihn noch mal genauer gelesen und die Details der Position überprüft - auch weil du auf diesen verwiesen hattest. An meiner Einschätzung hat sich nichts wesentliches durch das genauere Studium verändert. Es ist eine Denkmöglichkeit, die ich zwar für vertretbar halte, jedoch selber nicht vertrete.
_________________ 1.Thessalonicher 5,21 "Prüft aber alles und das Gute behaltet."
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Einsiedler registrierter User
Anmeldungsdatum: 01.03.2007 Beiträge: 1435
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(#1273932) Verfasst am: 23.04.2009, 11:50 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der_Guido hat folgendes geschrieben: | Ich finde es absurd, jemanden zu bestrafen, weil er so ist, wie er ist. Das empfinde ich wie ein Krokodil prügeln, weil es ein Krokodil ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich mich neben ein Krokodil legen würde, oder nicht ein Zaun zwischen uns bauen würde. |
Ja, jemanden zu bestrafen, weil er ist, wie er ist, für das, was außerhalb seiner Kontrolle liegt, ist in der Tat absurd. Das wird auch nicht getan, niemand wird zum Beispiel bestraft, weil er aufgrund seines Tourette-Syndromes jemanden beleidigt, denn dafür kann er nichts. |
Wo (und mit welcher Begründung) ziehst Du die Grenze zwischen "kann nichts dafür" und "kann etwas dafür"?
(Wenn z.B. jemand sagt: "Ich kann nichts dafür, daß ich so faul bin, ich wäre gern fleißiger".)
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Falls Du aber tatsächlich meinen solltest, dass jegliche Handlung eines Menschen außerhalb seiner Kontrolle läge, dann interessiert mich eine explizite Begründung dafür, denn eben das ist ja die Frage, die mich hier eigentlich interessiert. |
Hier müßte erst mal sauber definiert werden, was "seine" Kontrolle ist (wer ist "er"?).
Du löst ja quasi einen Teil des Menschen als steuernde Instanz heraus (zu der z.B. das
Tourette-Syndrom nicht gehört). Wie grenzt Du diesen Teil ab?
In den USA soll angeblich ein Arbeitnehmer, dem wegen ständigen Zuspätkommens gekündigt
worden war, erfolgreich (!) dagegen geklagt haben, indem er ein Gutachten vorlegte, das ihm
eine neurotisch bedingte Unfähigkeit zum pünktlichen Aufstehen bescheinigte. Ich weiß nicht mehr,
wo ich das gelesen habe, und halte es eher für eine Ente (oder Satire); es geht mir aber auch nicht
darum, ob es stimmt, sondern ich will auf die Schwierigkeit einer Abgrenzung hinweisen.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1274052) Verfasst am: 23.04.2009, 16:28 Titel: |
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ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Würde man nun behaupten, Gott kenne lediglich alle Möglichkeiten, aber nicht den tatsächlichen Ablauf, dann gälte das gleichfalls für die Vergangenheit, denn Gott ist ja laut Prämisse gleichzeitig überall und das bedeutete, Gott würde nur wissen, dass zum Beispiel die Möglichkeiten bestanden, dass es Napoleon gab und dass es Napoleon nicht gab. Er würde aber nicht wissen, ob es Napoleon gab. Und das wäre dann kein Allwissen mehr, widerspräche also der Prämisse, Gott habe ein Allwissen. |
Hier sind wir bei dem 3. Modell der vielen Welten. Abgesehen davon, dasi cih diese Interpretation nicht bevorzuge unterläuft die hier der Fahler, dass du nicht zwischen Möglichkeit und strukturiert realisierter Möglichkeit unterscheidest. Denn in diesem Modell wären die Möglichkeiten kein Einheitsbrei der Beliebigkeiten, sondern ein sich stark verästelnder Baum, der jeweils an konkreten scheidewegen steht. Für einen Zeitpunkt in einer manifesten Realität gibt es nur eine einzige vergangenheitsorientierte Spur und eine sich verästelnde Optionsschar auf die Zukunft. Für uns gibt es auch keine Alternative, ob es Napoleon gab oder nicht.
Diese Perspektive, die wir im Rahmen des Modelles haben können, hätte Gott selbstverständlich auch, und zwar in perfekter Ausprägung. Dass es daneben noch parallele Welten in großer Zahl gäbe, andert nichts zur Sache, denn das Wissen über die Realität wird ja hier in keiner Hinsicht als limitiert verstanden. |
Natürlich unterscheide ich zwischen Möglichkeit und "strukturiert realisierter Möglichkeit". Das ist hier doch gerade mein Punkt. Auch sagte ich nichts von einem "Einheitsbrei der Beliebigkeiten", sondern ich sehe das ebenso wie Du mit dem Bild des sich verästenden Baumes.
Bleiben wir bei diesem Bild. Der Baum ist grau (die unrealiserten Möglicheiten), es gibt eine schwarze Linie darin, die bis zu unserer Gegenwart führt, das ist unsere Vergangenheit (die realisierten Möglichkeiten). Die Verästelungen der Zukunft erscheinen uns grau. Die Forderung der Inkompatibilisten besteht nun darin, dass die Zukunft unbestimmt sein müsse, dass die Möglichkeiten (mehr oder weniger) gleichwertig sein müssten bzw. dass nicht nur eine einzige hervorgehoben sein dürfe, woraus folgt, dass keine feste schwarze Linie in die Zukunft führen darf.
Aus der Sicht Gottes gibt es aber diese schwarze Linie in die Zukunft, die liegt also unverrückbar fest, kann nicht offen sein.
Wenn Gott aber die schwarzen Linien der einzelnen Individuen nicht sehen kann, sondern den ganzen Baum grau sieht, dann ist er nicht allwissend.
ballancer hat folgendes geschrieben: | Eine andere Entscheidung zu treffen hätte weder wert noch unwert, denn jede mögliche Entscheidung würde auch getroffen. Also wäre es völlig egal, welche Entscheidung getroffen wird. Wenn sie möglich ist, würde sie auch getroffen, gegebenenfalls in einer Parallelwelt.
Damit unterscheidet sich die MWI hinsichtlich ihrer moralischen Implikationen nicht wesentlich vom klassischen Determinismus. |
Ah, danke für die Ausführungen, das hört sich plausibel an. Also können wir die MWI aus unseren Betrachtungen hier ausklammern, denn die hat keine Auswirkungen auf die hier erörterte Fragestellung. Eine "sich in alle Möglichkeiten aufsplittende Entscheidung" wäre gar keine Entscheidung mehr. Und ob sich die Welt abseits von Entscheidungen aufsplittet, muss uns hier nicht interessieren.
ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: | Zurück zu deiner Frage: Die Alternative ist zunächst die andere Perspektive und Sichtweise. Diese führt dann zu anderen Handlungen. |
Es kann aber in "Modell 2" keine andere Handlungen geben, als die, die Gott kennt, die die getroffen werden. |
Die Formulierung bleibt gefährlich. Denn hier wird wieder Ursache und Wirkung vertauscht. Das Ergebnis ist wie ein lawinenartiger Fehler. In Modell 2 kann es jede mögliche Handlung geben, nur kennt Gott die (freie) Entscheidung, da er außerhalb der Zeit existiert. |
Tut mir leid, aber das bringe ich nicht so richtig zusammen. Gott kennt alle zukünftigen Entscheidungen unfehlbar, also kann es nicht jede mögliche Handlung geben, es kann nur den Ablauf geben, denn Gott kennt (z.B. meine schwarze Linie oben, die bis in jede Zukunft reicht).
Und noch einmal: es geht hier nicht um Ursache und Wirkung, es ist hierbei unerheblich, ob Gott alles geschaffen hat oder nicht, es geht nur um das (unfehlbare, unveränderbare, endgültige, immerwährende) Wissen, das einer "Offenheit" der Zukunft widerspricht.
Du müsstest den Fehler oben in meiner Argumentation zeigen, Du müsstest sagen, welchen Punkt der Argumentation Du und warum anzweifelst. Aber nicht mit dem immer gleichen Hinweis auf Kausalität, auf Ursache-Wirkungsketten, denn darum geht es nun mal dabei nicht.
ballancer hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Natürlich haben wir hier einen Dissens, denn Du bist ja Inkompatibilist und das ist nun mal das Haupt-Argument der Inkompatibilisten, dem Du also zustimmen musst. |
Für mich ist das Wesentliche, dass du hier keine zwingende Bestimmung des Denkens aus dem gegebenen ableitest, denn sonst hättest du nicht geschrieben:
Es folgt mMn nur, dass man sich nicht selber aus dem Nichts erschaffen kann, nichts weiter.
Wenn denn folgen würde, dass jeder Gedanke zwingend der sein müsse, dann wäre deine Aussage invalide. |
Ich leite keine zwingende Bestimmung des Denkens aus lediglich außerhalb meiner Kontrolle liegenden Gegebenheiten ab, so wie es Inkompatibilisten tun. Das ist etwas anderes als Deine Sichtweise, daher stimme ich Deinem letzten Satz auch nicht zu, da haben wir den Dissens.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1274063) Verfasst am: 23.04.2009, 16:57 Titel: |
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Einsiedler hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ja, jemanden zu bestrafen, weil er ist, wie er ist, für das, was außerhalb seiner Kontrolle liegt, ist in der Tat absurd. Das wird auch nicht getan, niemand wird zum Beispiel bestraft, weil er aufgrund seines Tourette-Syndromes jemanden beleidigt, denn dafür kann er nichts. |
Wo (und mit welcher Begründung) ziehst Du die Grenze zwischen "kann nichts dafür" und "kann etwas dafür"?
(Wenn z.B. jemand sagt: "Ich kann nichts dafür, daß ich so faul bin, ich wäre gern fleißiger".) |
Bei dem einen Extrem, (kann nichts dafür), sollte es einfach sein, denn zum Beispiel schwitzen unterliegt nicht meiner Kontrolle, ich kann also nichts dafür, wenn ich stark schwitze und das andere stört.
Auf der anderen Seite ist es schwierig, das im Einzelfalle festzustellen. Daher würde ich mich dabei erst einmal mit der Annahme der ähnlichen Fähigkeiten von anderen zufrieden geben. Wenn ich z.B. in einer WG leben würde und meine Mitbewohner machten nie Ordnung, dann würde ich obige Aussage erst einmal als Schutzbehauptung ansehen. Es sei denn, das Unvermögen würde weiter begründet.
Bei einer Gerichtsverhandlung reichte eine Annahme bei einer solchen Behauptung wohl nicht, dann müsste man ein psychologisches Gutachten einholen.
Einsiedler hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Falls Du aber tatsächlich meinen solltest, dass jegliche Handlung eines Menschen außerhalb seiner Kontrolle läge, dann interessiert mich eine explizite Begründung dafür, denn eben das ist ja die Frage, die mich hier eigentlich interessiert. |
Hier müßte erst mal sauber definiert werden, was "seine" Kontrolle ist (wer ist "er"?). |
"Er" ist hier das, was man in der Psychologie unter "Persönlichkeit" versteht.
Einsiedler hat folgendes geschrieben: | Du löst ja quasi einen Teil des Menschen als steuernde Instanz heraus (zu der z.B. das
Tourette-Syndrom nicht gehört). Wie grenzt Du diesen Teil ab? |
Grob gesagt würde ich das nicht zur Persönlichkeit rechnen wollen, das selber als Fremdkörper wahrgenommen wird.
Natürlich ist die Frage komplex, es gibt große Schwierigkeiten bei der Abgrenzung, darauf kann es keine einfache Antwort geben. Es gibt noch nicht einmal eine einheitliche Meinung darüber, was Persönlichkeit genau bedeutet und was nicht.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1274117) Verfasst am: 23.04.2009, 18:25 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | [...]
Aus der Sicht Gottes gibt es aber diese schwarze Linie in die Zukunft, die liegt also unverrückbar fest, kann nicht offen sein.[...] |
Interessant ist doch die Frage, ob wir uns den Menschen als befähigt vorstellen, die "unverrückbare Zukunft" anders zu gestalten als weisgesagt. Oder als Wesen, das durch irgendeine Magie daran gebunden wäre, diese Zukunft zu erfüllen. Ich tendiere zu Ersterem.
Solange Gott über die Zukunft nichts preisgibt, ergibt sich das Problem aber sowieso nicht.
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