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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1287934) Verfasst am: 13.05.2009, 13:47 Titel: Was ist Metaphysik und warum ist sie Unfug? |
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Irgendwer, den ich nicht mehr finde hat folgendes geschrieben: | Was ist Metaphysik? |
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Yogosh hat folgendes geschrieben: | Die ganze Metaphysik zeichnet ja vor allem dadurch aus, dass selbst die Leute, die glauben sie wüßten, was sie meinen, seit Jahrhunderten schon aneinander vorbei reden. |
Interessant. Kannst du mir genau beschreiben, auf welche Weise du zu diesem Urteil gelangt bist, ohne dass du an mir vorbei redest? |
Ich fasse diese Frage mal in dem Sinn auf, dass Du mehr an einer Erklärung und Begründung interessiert bist als an meiner persönlichen Konversionshistorie. Letztere bekomme ich nicht mehr zusammen und sie ist auch nicht wirklich spannend. In diesem Sinne glaube ich dass ich das leisten kann ohne an Dir vorbei zu reden. Dazu mache ich diesen Thread auf.
Zuletzt bearbeitet von Yogosh am 13.05.2009, 13:49, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1287935) Verfasst am: 13.05.2009, 13:47 Titel: |
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Disclaimer:
1.) Es wird etwas ausführlicher, also bitte ich um etwas Geduld. Das wird mit Abstand der längste Beitrag, den ich je in irgendeinem Forum geschrieben habe und wahrscheinlich auch der längste, der in diesem Forum geschrieben wurde. Ich versuche aber ihn unterhaltsam zu halten und nicht ins Dozieren abzugleiten. Der essayistische Tonfall möge mir verziehen werden.
2.) Ich bitte zu beachten, dass ich mich hier sehr weit aus dem Fenster lehne und versuche, ein Thema zu behandeln, das eigentlich mindestens eine Hauptseminarsarbeit erfordert. Bitte beachtet also den Kontext und verzichtet auf spitzfindiges Sezieren. Ich erhebe nicht den Anspruch in meinen Formulierungen der Tiefe auch nur eines der erwähnten Philosophen oder philosophischen Richtungen wirklich gerecht zu werden. Im Falle von Quine kann ich das nachlegen, bei den anderen fehlt mir einfach das nötige Wissen.
3.) Meine Voreingenommeheit zugunsten dem, was man heute die angelsächische (im Gegensatz zur kontinetalen) Tradition nennt, wird sehr schnell offensichtlich, so dass ich sie gleich zu Beginn beichten möchte.
Zuletzt bearbeitet von Yogosh am 13.05.2009, 14:01, insgesamt einmal bearbeitet |
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1287936) Verfasst am: 13.05.2009, 13:47 Titel: |
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Teil I: Ein grober Versuch 'Metaphysik' zu erläutern
Wenn ich mich abfällig über Metaphysik äußere, meine ich damit immer das was bis etwa Mitte des 20. Jahrhunderts unter diesen Begriff fiel. Zu etwa dem Zeitpunkt hatten die Attacken einer philosophischen Schule names logischer Positivismus dieses Gebiet ziemlich vollständig als sinnlose Zeitverschwendung diskreditiert. Seitdem erholt sie sich wieder merklich, allerdings in deutlich veränderter Form. Mehr dazu später.
Charakteristich für die prä-1950 Metaphysik sind Worte wie 'Substanz', 'Transzendenz', 'Notwendigkeit', 'Kontingenz', 'Urgrund', 'Prinzip' ,'Sein', 'Wesen', 'essentiell' etc. Die Redewendung 'an sich' ist auch oft ein guter Indikator. Gerne auch in der Kombination: 'Sein an sich'
Eigentlich entscheidend ist aber die implizite Annahme, dass man mit diesen Worten etwas über Welt aussagt und zwar in mindestens dem Sinn, in dem auch Naturwissenschaftler der Meinung sind, etwas über die Welt auszusagen. 'Mindestens' weil Metaphysiker typischerweise sogar der Meinung waren, dass ihre Disziplin grundlegender oder tiefer sei als bloße Naturwissenschaft bzw. Alltagswissen (Naturwissenschaft als Konkurrenzunternehmen gibt es ja noch nicht so lange).
Grundlegend in zweierlei Hinsicht: einmal ontologisch, d.h. sie meinten, dass sie über Dinge reden, die fundamentaler sind als die eher bodenständigen Dinge des Alltagswissens und der Naturwissenschaft. Ganz in dem Sinn, wie man heute Quarks und Neutrinos und den ganzen Teilchenzoo für grundlegender hält als Moleküle oder Organismen. Leipniz' Monaden oder die Substanz-deren-einziges-Attribut-die-Ausgedehntheit-ist waren in diesem Sinne jeweils als eine fundamentale Kategorie des Seins gedacht. ('Seinskategorie' ist auch so ein Wort. Es klingt irgendwie sehr tiefsinnig und schlau, isses aber nich.)
Zum zweiten epistemologisch, d.h. sie meinten, dass ihre Prinzipien und Erkenntisse nicht nur hilfreich sondern unabdinglich dafür seien, Wissen und das Zustandekommen von Wissen zu erklären bzw. zu ermöglichen. Charakteristisch für diese Haltung ist, dass empirische Vorgehensweisen als Ganze oder bestimmte empirische Ergebnisse mit dem Verweis auf logische Prinzipien abgelehnt werden.
Im Unterschied zum Alltagswissen und den Naturwissenschaften waren Metaphysiker typischerweise der Meinung, dass sie allein oder sogar nur durch die Anstrengungen ihres Verstandes etwas wirklich Wahres (noch so ein Metaphysiker Ding: wirklich wahr im Gegensatz zu einfach bloß wahr. Klingt wieder sehr tiefsinnig, isses aber nich) über die Welt aussagen können.
Teil II: Rationalisten und Empiristen
Hier sind insbesondere die Rationalisten (Descartes, Leipniz u.a.) zu nennen. Sie sahen alle Erfahrung als viel zu fehleranfällig, um darauf Wissen aufzubauen. Die Grundlage des Wissens müsse eben durch reinen Verstand gelegt werden, damit man sich nicht gleich am Anfang schon alles mit menschlicher Fehleranfälligkeit verdirbt.
Die Empiristen, insb. David Hume, hatten damals schon genug von diesem Zauber und behaupteten, dass diese Begriffe allesamt ohne Inhalt seien. Ideen, Anschauungen und Vorstellungen (heute heißt das einfach Bedeutungen, aber was wir heute als sprachphilosophische Probleme sehen versuchte man damals unter Psychologie abzuhandeln) müssen sich auf Sinneserfahrungen gründen. Nicht unbedingt unmittelbar: Definitionen, logische Beziehungen usw. können Inhalt von einer Anschauung auf eine andere übertragen. Aber irgendwo muss das ganze Gerüst eine Bindung zur Erfahrung haben oder es schwebt völlig sinnlos in der Luft.
Man beachte, dass beide Traditionen sich Wissen in hierarchischen Metaphern vorstellen. Das hat der empiristischen Tradition noch erhebliche Probleme bereitet. Letztlich sind die logischen Positivisten, die sich in der Nachfolge Humes und der Empiristen sahen, daran gescheitert. Zu ihrer Ehrenrettung muss man aber erwähnen, dass sie das selbst erkannt haben und ihre eigenen Probleme klarer und besser formulieren konnten als ihre Kritiker. Und das ist ein extrem seltener Fall von Einsicht und hat ausserdem echte Fortschritte in der Philosophie eingeleitet. (Du merkst vielleicht, dass die Empiriker und deren Nachfolger in meiner Geschichte die weissen Hüte aufhaben)
Damit gab es zunächst mal ein Patt: die Rationalisten beruhten auf der recht naive Annahme dass sie überhaupt über irgendwas reden und die Empiristen beruhten auf den ebenfalls naiven Annahme, dass die (Sinnes-)Erfahrung hinreichend zuverlässig sei. Die Empiristen hatten zusätzlich das Problem, dass ihre Sachen einfach mal nicht so sexy sind. Ein Rationalist erklärt die ganze Welt mit tiefsinnigen und hochkomplizierten Systemen und der Empirismus kam eher bodenständig und bäuerlich daher.
Teil III: Kant
Nun also Auftritt eines der ganz großen: Immanuel Kant. Kant schaffte eine Synthese des Rationalismus und Empirismus und an ihm kam auch erst mal keiner vorbei. Er hatte die geniale Idee des Transzendentalen. Das klingt auch wieder sehr tiefsinnig und schlau. Isses diesmal aber auch. Die transzendentale (nicht transzendente!) Überlegung fragt nämlich nach den Voraussetzungen für die Möglichkeit von Erfahrung. Den Satz kann man ruhig zweimal lesen: Die transzendentale Überlegung fragt nach den Voraussetzungen für die Möglichkeit von Erfahrung.
Kant geht davon aus, dass wir alles Wissen über die Welt nur über die Erfahrung bekommen können. Allein das räumt schon mal mit sehr viel Unfug auf. Er erkannte dass all die ersten Prinzipien der Rationalisten nichts mit der Welt .... an sich (es tut ein bißchen weh, das zu schreiben, aber Kant darf das, bei ihm wird nämlich klar was das bedeutet. Kant ist halt verdammt schlau), sondern mit unserem Erkentnisapparat (Sinne plus Verstand) zu tun haben. Und der funktioniert ganz offensichtlich. Zwar sehr fehleranfällig, aber er funktioniert in dem Sinne, dass er Vorstellungen über die Welt produziert, ob die nun richtig oder falsch sind.
Wenn man also nun auf logisch rationalem Wege herausfindet, was gegeben sein muss, damit selbst die Produktion von falschen Vorstellungen überhaupt möglich ist, dann hat man diesmal tatsächlich eine Erkenntnis, welche über die bloße Sinneserfahrung hinausgeht (sie transzendiert), von allen konkreten Inhalten dieser Sinneserfahrung unabhängig ist und dennoch genügend an die Realität gebunden ist um nicht bloße intelektuelle Selbstbefriedigung zu sein.
Diese Vorausetzungen für die Möglichkeit von Erfahrung sind Kants berühmte synthetische Urteile a priori. Synthetisch weil sie etwas über die Welt aussagen und nicht bloß (im logischen Sinn) triviale Verfeinerungen unserer eigenen Begriffe (analytische Aussagen) sind. Und a priori weil sie vor und unabhängig von jeder konkreten Erfahrung sind (im Gegensatz zu a posteriori).
Das ist alles gut und schön und ein echter Meilenstein der Philosophiegeschichte, aber insbesondere die Unterscheidung analytisch-synthetisch ist wesentlich problematischer als Kant das wissen konnte. Er definiert diese auf verschiedene Weisen und hält diese auch für äuqivalent, was sie aber nach heutigem Wissenstand nicht sind. Das Auszuführen geht jetzt zu weit und ich kann das auch nicht mehr aus dem Ärmel schütteln, aber gerade weil Kant so genial war ist es naheliegend zu vermuten, dass er sich zu diesen neuerdings formulierten Einwänden geäußert hätte, wenn sie ihm bewußt gewesen wären.
Teil IV: Ins 20. Jahrhundert
Nach Kant herrschte erst mal betretenes Schweigen im Walde um zu verdauen, was der gute Mann gesagt hatte. Die Angelsachsen machten mit ihrer durch Kant legitimierten Bodenständigkeit weiter und insb. in Deutschland griff man die rationalistischen Linien auf und trieb sie im Idealismus auf die Spitze. Der Höhe- und Endpunkt dieser Linie ist Hegel, der der letzte war, der versuchte ein vollständiges philosophisches System vorzulegen. Dieses strotzt so dermaßen von Metaphysik und Obskurantsismus, dass z.B. Russel dafür nur noch feinen Spott übrig hatte, der in diesem Forum mit etlichen zustimmenden Smilies belohnt worden wäre.
Der von angelsächsischer Seite nächste Generalangriff auf die Metaphysik kam dann in Folge von Wittgenstein und Frege, also einem Österreicher und einem Deutschen und mündete im logischen Positivismus des Wiener Kreises. Angelsächsisch heißt das alles deswegen, weil diese Gedanken im englischsprachigen Raum wohlwollend aufgegriffen wurden und viele herausragende Vertreter vor den Nazis fliehen mussten.
Die zentrale Idee war, dass alle wahrheitsfähigen Behauptungen und Sätze sich in ein kompliziertes logisches Konstrukt aus Beobachtungssätzen auflösen lassen müssen. (Die Parallele zum Hilbert Programm in der Mathematik ist kein Zufall). Beobachtungssätze haben den Vorteil, dass ihre Bedeutung als klar und offensichtlich und eben ohne metaphysischen Ballast gesehen wurde. Und mittels der Auflösung in ein logisches Konstrukt dieser Sätze sollte es möglich sein sowohl die Bedeutung als auch den Wahrheitsgehalt komplizierter philosophischer Aussagen im wahrsten Sinne des Wortes zu errechnen. Die Auflösung in ein logisches Konstrukt war als der analytische Teil (also unabhängig von physischer Realität und Erfahrung) gedacht, die Wahrheitswerte der Beobachtungssätze war der synthetische Teil.
Man beachte, dass die atomare Bedeutungseinheit für dieses Programm schon der Satz bzw. die Behauptung war und nicht mehr die Vorstellung oder das Konzept wie noch im 18. Jahrhundert. Die Bedeutung einzelner Worte hängt eben vom Kontext ab und das Verifikationskriterium der Bedeutung lässt sich höchstens für ganze Aussagen anwenden. Das sollte sich in Folge noch weiter verschieben. Man beachte weiter, dass der Hierarchie Gedanke des Wisssensgebäudes immer noch zentral ist.
Teil V: Quine und der Holismus
Der Todesstoß für den logischen Positivismus kam aus den eigenen Reihen in den 50er Jahren von Quine, einem der herausragensten Logiker und Philosophen des 20. Jahrhundert. In seinem Essay "Two Dogmas of Empiricism" entlarvt Quine die analytisch/synthetisch Unterscheidung und den Reduktionismus (also letztlich die Vorstellung eines hierarchischen Aufbaus des Wissens) seiner Kollegen als metaphysische Dogmen. Man kann von entlarven sprechen, weil seine Kritik letztlich akzeptiert und das ganze Programm erst mal eingestampft wurde. Das ist der einzige mir bekannte Fall einer auf breiter Front akzeptierten Widerlegung eines philosophischen Programms vergleichbar mit Gödels Bombe, die das Hilbert Programm zerlegt hat. Und das in wenigen Essays und weniger Jahren. Dieses Procedere allein demonstriert für mich die Überlegenheit der angelsächsischen Tradition gegenüber dem ewigen metaphysischen Nebelgeschwätz.
Was setzt Quine nun dagegen? In einem Wort: Holismus. Wer jetzt an Naturheilmittel und Esoterik denkt, liegt grandios daneben. Quines Holismus bedeutet, dass unser (vermeidliches und tatsächliches) Wissen über die Welt als Ganzes vor dem Tribunal der Erfahrung steht. Es bedeutet ferner unser ganzer Sprachschatz mit allem Alltagssätzen bis hin zur Quantentheorie nur als komplettes Ganzes Bedeutungstragend ist. Das habe ich hier schon mal versucht zu erklären: http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1273366#1273366
Letztlich läuft das daraus hinaus, dass Bedeutung und Wahrheit nicht sauber voneinander getrennt werden können.
Die Gegenthese zum Holismus ist übrigens der Foundationalism. Die Übersetzung ins Deutsche ist leider schwierig. In unserer Sprache hat sich keine Differenzierung zwischen Foundationalism und Fundamentalism durchgesetzt. Soweit mir bekannt ist, wird einfach der englische Term verwendet.
(An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass man insb. Quines naturalistische Bedeutungstheorie nicht einzukaufen braucht um ihm bis hierher zu folgen.)
Teil VI: Sprachphilosophische Metaphysik
Wie oben bereits angedeutet, hat sich die Metaphysik von ihrem Tiefpunkt 1950 erholt. Es gibt durchaus in der Philosophie Bestrebungen solche Worte wie 'Essenz' und 'Notwendigkeit' zu rehabilitieren. Das geht aber in die Richtung, dass man versucht, ihnen eine gesunde Formallogische Basis zu bereiten, welche wenigstens Teile der alten Verwendungen retten kann. Der wichtige Unterschied ist aber der, dass diese Begriffsarbeit das eigentliche Thema ist und diese Begriffe explizit im Mittelpunkt des Interesses stehen. Die Zeit, in der man mit diesen Begriffen andere, noch verworrenere, versucht zu stützen oder zu erklären, ist vorbei. Jedenfalls ausserhalb der Theologie.
Teil VII: So what?
Was hat das alles aber mit Metaphysik zu tun? Das Hauptargument gegen Metaphysik ist die Unschärfe bzw. die Abwesenheit von Bedeutung. An diese auf klassische (d.h. foundationalistic) Weise heranzukommen wurde lange genug mit sehr wenig Resultaten versucht.
Bedeutungsholistisch betrachtet kann man diese Begriffe nicht mit der gleichen Arroganz verwerfen. Alle Begriffe, Sätze und ganze Theorien erhalten ihre Bedeutung nur durch den Part, den sie im Gesamtspiel der Sprache spielen. Und gerade die moderne Physik zeigt, dass extrem seltsame und für sich genommen metaphysisch klingende Konzepte (Welle und Teilchen, x-dimensionaler Superstring etc.) im Gesamtkontext sehr wohl eine sinnvolle und eindeutige Rolle spielen können.
Im Verständnis von Laien wie mir gibt es keine Unterschiede zwischen der Quantenphysik und der Metaphysik. Erstere ist eher noch unklarer. Der wesentliche Unterschied ist aber der, dass die Leute, die diese Begriffe verwenden sich in einem Fall eben hinreichend klar verständigen können und im anderen Fall nicht. Die einen Begriffe sind über viele Ecken eben doch mit dem Alltagswissen und der Alltagssprache auf eine Weise verbunden, die durch ein Studium der Physik verständlich wird. Was 'Gott' und 'Substanz' und den ganzen Rest angeht, ist das aber gerade nicht der Fall. Und es sieht auch nicht so aus, als würden die Theologen mal zu einem Konsens kommen, was mit 'Gott' gemeint ist oder eine hinreichend große Menge an Sätzen finden, die das Wort enthalten und die sie alle für wahr annehmen. Letztere beiden Kriterien sind sich ähnlicher als man denkt.
Der eigentliche Fortschritt dieser ganzen Geschichte ist folgender: Es ist gerade bei sehr abstrakten Termen nicht so leicht möglich, sich erst auf eine Bedeutung zu einigen und dann über die Wahrheit der umgebenen Theorie zu streiten. Und ich behaupte, dass das einer der wenigen konkreten Ergebnisse ist, die wir der Philosophie verdanken.
Wer meint, dass das im Fall von 'Gott' (ich rede hier nicht vom Gott der Fundis. Der ist alles andere als abstrakt) etc. geht, der wird immer wieder an den Punkt kommen, wo er sich die Ausführungen des Gegenübers nicht anders erklären kann als mit dem taktischen Einsatz von Nebelkerzen oder der destruktiven Gesprächsverweigerung.
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tridi _____
Anmeldungsdatum: 21.06.2007 Beiträge: 7933
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(#1287992) Verfasst am: 13.05.2009, 15:11 Titel: |
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hmmm... warum sollte ich das lesen?
aus irgendeinem grund hab ichs quer gelesen (ziemlich quer), vielleicht, weil ein alter bekannter, dem ich juengst wieder begegnet bin, der metaphysik verfallen zu sein scheint... irgendwie - ich bin ja nun mal physiker - nahm er zusammenhaenge zur quantenphysik an. ne ziemlich allgemeine modeerscheinung im geisteswissenschaftlichen bereich, dass man sich irgendwie auf die quantenphysik beziehe, meinte ich, wobei dies insbesondere von leuten gemacht werde, die die quantenphysik nicht im geringsten verstanden haben.
sicher habe die quantentheorie interessante aspekte philosophischer oder weltanschaulicher natur, und so sei es nicht verkehrt, wenn leute, die sich zB sowohl mit physik als auch mit philosophie beschaeftigten, die physikalischen erkenntnisse auch im geisteswissenschaftlichen kontext erwaehnt haetten; heutzutage allerdings haette ich aber den eindruck, dass dies dazu gefuehrt habe, dass nun hinz und kunz, von quantenmechanik keinen blassen schimmer habend, diese anfuehren, ja gradezu missbrauchen, um irgendeinen hanebuechenen unfug zu behaupten. da rauf ich mir dann regelmaessig die haare.
mal schaun...
was ist denn metaphysik eigentlich? und wieso sollte man sich damit befassen? wieso sollte man so einen langen text wie hier in diesem thread lesen?
*les*... *les*... *quer les*... *ganz quer les... weil... da steht irgendwie nix*
Zitat: |
Das Hauptargument gegen Metaphysik ist die Unschärfe bzw. die Abwesenheit von Bedeutung.
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ah ja. (hab ich mir gedacht )
also unschaerfe geht ja noch, aber wenns an der bedeutung komplett mangelt... sorry, dann ists wohl fuer die tonne...
Zitat: | Und gerade die moderne Physik zeigt, dass extrem seltsame und für sich genommen metaphysisch klingende Konzepte (Welle und Teilchen, x-dimensionaler Superstring etc.) im Gesamtkontext sehr wohl eine sinnvolle und eindeutige Rolle spielen können.
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und schwupps... da ist die physik wieder.
aber... aehm... sicher koennen komplizierte konzepte und theorien eine sinnvolle rolle spielen. klar. wenn sie wahr sind halt, also wenn sie die natur korrekt beschreiben, also das, was man durch expeiment feststellen kann, korrekt dargestellt wird. wenn man vorhersagen mit der theorie machen kann, die sich dann bei der ueberpruefung als richtig herausstellen.
also: klar koennen zunaechst seltsam anmutende konzepte einen sinn haben.
aber das ist doch wohl bitte keine entschuldigung dafuer, sich lange mit irgendwelchen abstrusen theorien zu befassen, denen dieser zusammenhang zur beobachtbaren natur, die ueberpruefbarkeit im experiment fehlt!
nur weil es eine abstrus klingende theorie gibt, die die natur korrekt beschreibt, heisst das nicht, dass man sich nun mit diversen abstrusen theorien beschaeftigen sollte, weil sich vielleicht ja mal irgendwie herausstellen koennte, dass da auch was dran ist.
niemand hat die quantentheorie einfach mal so ersonnen, und dann das erstaunliche glueck gehabt, dass sie stimmte, nein, man hat die experimente gemacht und daraus auf die eine theorie geschlossen, die das ganze offenbar richtig beschreibt.
ersinnt man aber nur irgendeine abstruse theorie ohne diesen bezug zum experiment, dann ist die hoffnung, dass die theorie sich als vernuenftig herausstellen koennte, einfach nur plemplem.
Zitat: |
Im Verständnis von Laien wie mir gibt es keine Unterschiede zwischen der Quantenphysik und der Metaphysik. Erstere ist eher noch unklarer.
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kann sein. aber nur weil du beides nicht raffst (oder ersteres sogar noch weniger), heisst das nicht, dass beides gleich sinnvoll sei.
Zitat: |
Der wesentliche Unterschied ist aber der, dass die Leute, die diese Begriffe verwenden sich in einem Fall eben hinreichend klar verständigen können
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gut erkannt. und:
Zitat: | Die einen Begriffe sind über viele Ecken eben doch mit dem Alltagswissen und der Alltagssprache auf eine Weise verbunden, die durch ein Studium der Physik verständlich wird.
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eben. die quantentheorie beschreibt reale dinge, erklaert beobachtungen, ja hat auch dadurch, dass der mensch so die welt der kleinen teilchen verstehen konnte, zu technischen fortschritten gefuehrt.
da im gleichen atemzug neben der quantentheorie irgendwelchen esoterischen scheiss, erdstrahlen, astrologie oder metaphysischen krams zu erwaehnen, ist voellig daneben und dient im allgemeinen nur dazu, die physik zu missbrauchen, um so zu tun, als stuende der andere krams auf derselben stufe - statt ihn korrekterweise als groben humbug zu brandmarken.
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1288002) Verfasst am: 13.05.2009, 15:26 Titel: |
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Ich stimme in allem was Du sagst völlig überein und war eigentlich auch der Auffassung ziemlich genau Deine Meinung vertreten zu haben.
Die moderne Physik ist ja gerade das Paradebeispiel dafür, dass wir in der Lage sind hochabstrakte und komplett unanschauliche Themen mit unseren (menschlichen, nicht meinen, ich habe keine Ahnung davon und weiss das auch) sprachlichen Mitteln sinnvoll erfassen können. Aber eben nur auf wissenschaftlichem Wege, nicht mittels Metaphysik.
Kaum etwas hat mich in meinen Philoseminaren mehr genervt als die Neunmalklugen, die immer mit ihrem Pseudo Wissen über Heisenberg, Einstein und Gödel kommen obwohl sie keine Ahnung haben.
Mir ging es hier um die Erklärung meiner des öfteren gemachten Behauptung, dass so ziemlich alle threads von und mit ballancer et al nichts bringen.
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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#1288015) Verfasst am: 13.05.2009, 15:35 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: |
Mir ging es hier um die Erklärung meiner des öfteren gemachten Behauptung, dass so ziemlich alle threads von und mit ballancer et al nichts bringen. |
Oh Mann, und zu diesem Zweck schreibst Du ellenlange Texte, die schon allein wegen ihres Umfanges irgendwo angreifbar sind (ob die aufgegriffenen Punkte inhaltlich korrekt sind oder nicht spielt ja bekanntermassen gar keine Rolle!)?
Das ist doch einer der Gründe, weswegen es keinen Zweck hat.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1288016) Verfasst am: 13.05.2009, 15:38 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | Mir ging es hier um die Erklärung meiner des öfteren gemachten Behauptung, dass so ziemlich alle threads von und mit ballancer et al nichts bringen. |
Mag sein. Aber das liegt sicher nicht an der Metaphysik. : )
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1288022) Verfasst am: 13.05.2009, 15:45 Titel: |
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Noseman hat folgendes geschrieben: | Oh Mann, und zu diesem Zweck schreibst Du ellenlange Texte, die schon allein wegen ihres Umfanges irgendwo angreifbar sind (ob die aufgegriffenen Punkte inhaltlich korrekt sind oder nicht spielt ja bekanntermassen gar keine Rolle!)?
Das ist doch einer der Gründe, weswegen es keinen Zweck hat. |
Mir macht so was Spass. Ausserdem behaupte ich so gut wie nichts, was nicht (zumindestes in der angelsächsischen Philosophie) allgemein anerkannt ist. Ich vertrete also nicht wirklich irgendwelche Thesen, sondern erläutere bloß ein bißchen Hintergrund der im deutschen Philosophieunterricht meistens ausgeblendet wird, der aber (hoffe ich) auch ballancer et al klar macht, warum wir ihre Art der Argumentation wirklich inhaltsleer finden und nicht bloß so tun.
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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#1288033) Verfasst am: 13.05.2009, 15:52 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: |
Mir macht so was Spass. Ausserdem behaupte ich so gut wie nichts, was nicht (zumindestes in der angelsächsischen Philosophie) allgemein anerkannt ist. Ich vertrete also nicht wirklich irgendwelche Thesen, sondern erläutere bloß ein bißchen Hintergrund der im deutschen Philosophieunterricht meistens ausgeblendet wird, |
Ok, und das machst Du mE auch gut und spannend, aber:
Yogosh hat folgendes geschrieben: | der aber (hoffe ich) auch ballancer et al klar macht, warum wir ihre Art der Argumentation wirklich inhaltsleer finden und nicht bloß so tun. |
Nein. Nein, nein und nochmals nein. Dann kannste ja gleich weiter mit ihm diskutieren oder in ein unangeschlossenes Mikrofon quatschen.
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1288040) Verfasst am: 13.05.2009, 15:57 Titel: |
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Noseman hat folgendes geschrieben: | Nein. Nein, nein und nochmals nein. Dann kannste ja gleich weiter mit ihm diskutieren oder in ein unangeschlossenes Mikrofon quatschen. |
Na dann kann man diese Ausführungen immer noch benutzen, um auf der nächsten Party ein bißchen rumzuklugscheissern. Wer gerne mit Varianten von 'Warum soll ich an Gott glauben und nicht etwa an Wrzlfx?' argumentiert findet hier bestimmt was Brauchbares um Eindruck zu schinden und Name dropping zu betreiben.
Und: ja, ich klugscheisser desweilen ganz gerne mal, wie man hier sieht.
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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#1288045) Verfasst am: 13.05.2009, 16:01 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | Noseman hat folgendes geschrieben: | Nein. Nein, nein und nochmals nein. Dann kannste ja gleich weiter mit ihm diskutieren oder in ein unangeschlossenes Mikrofon quatschen. |
Na dann kann man diese Ausführungen immer noch benutzen, um auf der nächsten Party ein bißchen rumzuklugscheissern. Wer gerne mit Varianten von 'Warum soll ich an Gott glauben und nicht etwa an Wrzlfx?' argumentiert findet hier bestimmt was Brauchbares um Eindruck zu schinden und Name dropping zu betreiben.
Und: ja, ich klugscheisser desweilen ganz gerne mal, wie man hier sieht. |
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1288058) Verfasst am: 13.05.2009, 16:33 Titel: |
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So, zunächst mal nur zum ersten Abschnitt. Ich hoffe, ich reiße das nicht zu sehr auseinander...
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Charakteristich für die prä-1950 Metaphysik sind Worte wie 'Substanz', 'Transzendenz', 'Notwendigkeit', 'Kontingenz', 'Urgrund', 'Prinzip' ,'Sein', 'Wesen', 'essentiell' etc. Die Redewendung 'an sich' ist auch oft ein guter Indikator. Gerne auch in der Kombination: 'Sein an sich'. |
Meines Erachtens nach hängst du dich etwas sehr an Oberflächlichkeiten auf. Ich frage mich, was du sagen willst. Du sagst, dass diese Ausdrücke irgendwie mit Metaphysik in Zusammenhang stehen, aber nicht, wie. Von welcher Art ist denn die Verbindung zwischen dem Auftauchen dieser Wörter und dem metaphysischen Charakter eines Textes? Wenn es sich um eine rein statistische Korrelation handelt, ist uns z.B. überhaupt nicht geholfen, weil dann noch gar nicht erklärt ist, was einen Text eigentlich metaphysisch macht. Oder welcher Zusammenhang besteht ansonsten zwischen dem Vorkommen solcher Ausdrücke und dem metaphysischen Charakter eines Textes?
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Eigentlich entscheidend ist aber die implizite Annahme, dass man mit diesen Worten etwas über Welt aussagt und zwar in mindestens dem Sinn, in dem auch Naturwissenschaftler der Meinung sind, etwas über die Welt auszusagen. |
Aber was, wenn der Einsatz ein viel höherer wäre? Was wenn es eigentlich um die Frage ginge, wie es überhaupt möglich ist und was das überhaupt heißt, etwas über die Welt auszusagen? Oder zumindest müsste sich uns diese Frage an dieser Stelle stellen, bevor wir die Verbindung zwischen Metaphysik und Aussageansprüchen diskutieren. Es gibt ja böse Zungen, die behaupten, schon der Ausdruck "Welt" sei metaphysisch. Ich glaube jedoch nicht an das "Wesen" eines Wortes "an sich".
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Grundlegend in zweierlei Hinsicht: einmal ontologisch, d.h. sie meinten, dass sie über Dinge reden, die fundamentaler sind als die eher bodenständigen Dinge des Alltagswissens und der Naturwissenschaft. |
Äh, Dinge. Ontologisch fundamentalere Dinge, weniger fundamentale Dinge. Das ist mir jetzt alles etwas ungeordnet. Werfen wir doch mal einen Blick auf Heideggers Metaphysik. Da gibt es ja die Unterscheidung zwischen den Ausdrücken ontisch und ontologisch. Darf ich fragen, ob du diese Unterscheidung kennst und was du Heidegger diesbezüglich entgegenhältst? - Immerhin wird seine Aussage sein, dass du hier einen Kategorienfehler begehst, da die Naturwissenschaften überhaupt keine Ontologie betreiben, sondern Ontik. Angesichts dessen, was diese Ausdrücke bei Heidegger bedeuten, würde ich dem sogar zustimmen.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Im Unterschied zum Alltagswissen und den Naturwissenschaften waren Metaphysiker typischerweise der Meinung, dass sie allein oder sogar nur durch die Anstrengungen ihres Verstandes etwas wirklich Wahres (noch so ein Metaphysiker Ding: wirklich wahr im Gegensatz zu einfach bloß wahr. Klingt wieder sehr tiefsinnig, isses aber nich) über die Welt aussagen können. |
Bei dir hört sich das immer etwas so an, als würden Metaphysiker einfach nur Ansprüche in den Raum stellen und nicht argumentieren.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 13.05.2009, 17:25, insgesamt 3-mal bearbeitet |
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1288061) Verfasst am: 13.05.2009, 16:42 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | Wenn ich mich abfällig über Metaphysik äußere, meine ich damit immer das was bis etwa Mitte des 20. Jahrhunderts unter diesen Begriff fiel. |
Ich finde Deinen Beitrag gut geschrieben und informativ, aber über die doch zuerst zu stellende Frage, was Metaphysik überhaupt ist, sagt er leider nicht so viel.
Ich verstehe ja unter "Metaphysik" folgendes:
Der Streit um das richtige Etikett hat folgendes geschrieben: | Warum ist Humes Erkenntnistheorie Metaphysik? Auftritt Kronzeuge Nummer Eins, David Hume. Jede Erörterung immaterieller Dinge ist Metaphysik. Weil darunter auch die Untersuchung der Verstandestätigkeit fällt, ist jede Erkenntnistheorie automatisch Metaphysik [3]. So einfach ist das, aber auch so banal. Geht es präziser? Auftritt Kronzeuge Nummer Zwei, Karl Popper. Jede Aussage muß falsifizierbar sein, andernfalls ist sie metaphysisch. |
Mit diesen Definitionen kann ich etwas anfangen und danach wäre z.B. Humes Erkenntnistheorie Metaphysik.
Ich nehme nach Deinen Ausführungen an, Du würdest dem nicht zustimmen. Wie wäre aber Deine Definition?
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1288069) Verfasst am: 13.05.2009, 16:57 Titel: |
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Zu deinem Kant-Abschnitt habe ich eigentlich nicht viel mehr zu sagen...
Yogosh hat folgendes geschrieben: |
Das ist alles gut und schön und ein echter Meilenstein der Philosophiegeschichte, aber insbesondere die Unterscheidung analytisch-synthetisch ist wesentlich problematischer als Kant das wissen konnte. Er definiert diese auf verschiedene Weisen und hält diese auch für äuqivalent, was sie aber nach heutigem Wissenstand nicht sind. Das Auszuführen geht jetzt zu weit und ich kann das auch nicht mehr aus dem Ärmel schütteln. |
Meines Wissens gibt es "Two Dogmas of Empiricism" von Quine auch irgendwo im Internet. Bin jetzt aber zu faul zum Suchen.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1288078) Verfasst am: 13.05.2009, 17:17 Titel: |
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Ich denke, ich belasse es bei einer letzten Frage zum Schluss-Absatz deines Textes.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Der wesentliche Unterschied ist aber der, dass die Leute, die diese Begriffe verwenden sich in einem Fall eben hinreichend klar verständigen können und im anderen Fall nicht. |
Wie stellt man das denn fest, ob die Leute aneinander vorbeireden oder nicht? Vielleicht verstehen sie sich ja sehr gut und nur du verstehst sie nicht. Einer meiner Dozenten hat z.B. einen Doktor in Philosophie und einen in Physik und behauptet, Physiker würden in Wirklichkeit noch viel krasser aneinander vorbeireden als Philosophen.
Wie du dich vielleicht erinnern wirst, war genau das auch die Frage von mir, die ganz am Anfang dieser ganzen Geschichte stand.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 13.05.2009, 17:30, insgesamt 6-mal bearbeitet |
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1288082) Verfasst am: 13.05.2009, 17:26 Titel: |
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Also Tarvoc, ich muss dir danken. Du hast mir eine Menge Arbeit angenommen
Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
Kannst du das mal konkreter ausführen?
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Damit gab es zunächst mal ein Patt: die Rationalisten beruhten auf der recht naive Annahme dass sie überhaupt über irgendwas reden |
Also sowas! Ganz schön naiv, diese Rationalisten. Einfach so anzunehmen, dass sie über etwas reden würden. Also sehe ich das richtig, dass die Rationalisten hier diejenigen sind, die auf der Seite der Metaphysik stehen? Und sagst du im Grunde, dass Metaphysik über nichts redet bzw. eine Diskursform ist, die über nichts redet? (Interessant, ich denke, darauf werde ich später nochmal zurückkommen.) Wie stellt man eigentlich fest, ob man über etwas redet oder nicht bzw. ob eine bestimmte Diskursform über etwas redet oder nicht?
Yogosh hat folgendes geschrieben: | und die Empiristen beruhten auf den ebenfalls naiven Annahme, dass die (Sinnes-)Erfahrung hinreichend zuverlässig sei. |
Verstehe ich auch nicht so ganz. Zuverlässig wofür?
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Die Empiristen hatten zusätzlich das Problem, dass ihre Sachen einfach mal nicht so sexy sind. Ein Rationalist erklärt die ganze Welt mit tiefsinnigen und hochkomplizierten Systemen und der Empirismus kam eher bodenständig und bäuerlich daher. |
Diese Passage verstehe ich gar nicht. Tut mir Leid. |
Es braucht dir nicht leid zu tun, auch will doch Yogosh weder verstanden werden, noch will er Kritik durch "spitzfindiges Sezieren" bekommen:
Yogosh hat folgendes geschrieben: |
2.) Ich bitte zu beachten, dass ich mich hier sehr weit aus dem Fenster lehne und versuche, ein Thema zu behandeln, das eigentlich mindestens eine Hauptseminarsarbeit erfordert. Bitte beachtet also den Kontext und verzichtet auf spitzfindiges Sezieren. Ich erhebe nicht den Anspruch in meinen Formulierungen der Tiefe auch nur eines der erwähnten Philosophen oder philosophischen Richtungen wirklich gerecht zu werden. |
Also eigentlich weiß ich ggar nicht,warum man denn den Text lesen sollte, da er sich ja von vorne herein gegen Kritik immunisierte. Er wollte nur mal eben so rumschwurbeln, ohne Anspruch irgend etwas sagen zu wollen, auf das man ihn festlegen könnte. Und du hast seinen Wunsch nicht respektiert.
Eigentlich wollte er doch nur mir schreiben, und hat das böse Wort 'ballancer' erfolgreich in den ersten 3 Postings vermieden.
Was aber soll ich aus dem Umstand entnehmen, dass du mir bislang nicht diese Aufmerksamkeit schenktest?
- Habe ich mir vielleicht nicht diese Blößen gegeben, die man so leicht auseinander nehmen kann?
- Oder magst du mir nicht diese Wertschätzung angedeihen lassen?
Stellen wir uns nur mal vor, ich würde einen solchen Disclaimer ablassen. ....
_________________ 1.Thessalonicher 5,21 "Prüft aber alles und das Gute behaltet."
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44649
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(#1288085) Verfasst am: 13.05.2009, 17:30 Titel: |
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ballancer hat folgendes geschrieben: | Also Tarvoc, ich muss dir danken. Du hast mir eine Menge Arbeit angenommen.  |
Ich habe große Teile davon wieder entfernt, weil sie sich aus meiner Sicht zu weit vom eigentlichen Punkt entfernten und sich in Nebensächlichkeiten verloren. Du hast allerdings die Erlaubnis von mir, davon alles zu verwenden, was du noch zur Verfügung hast und was dir passend erscheint. Ich hoffe, das macht dir nichts aus.
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- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1288088) Verfasst am: 13.05.2009, 17:34 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Zu deinem Kant-Abschnitt habe ich eigentlich nicht viel mehr zu sagen...
Yogosh hat folgendes geschrieben: |
Das ist alles gut und schön und ein echter Meilenstein der Philosophiegeschichte, aber insbesondere die Unterscheidung analytisch-synthetisch ist wesentlich problematischer als Kant das wissen konnte. Er definiert diese auf verschiedene Weisen und hält diese auch für äuqivalent, was sie aber nach heutigem Wissenstand nicht sind. Das Auszuführen geht jetzt zu weit und ich kann das auch nicht mehr aus dem Ärmel schütteln. |
Meines Wissens gibt es "Two Dogmas of Empiricism" von Quine auch irgendwo im Internet. Bin jetzt aber zu faul zum Suchen. |
Google gibt da einiges raus, aber eben auch Abstracts und Sekundäres:
Original:
http://www.ditext.com/quine/quine.html
Sekundär:
http://www.trinity.edu/cbrown/language/quine_two_dogmas.html
http://www2.drury.edu/cpanza/quinereview.html
Deutsch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Zwei_Dogmen_des_Empirismus
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1288091) Verfasst am: 13.05.2009, 17:44 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | Kannst du kurz die Metaphysikkritik des logischen Positivismus skizzieren? Ist dieser logische Positivismus eigentlich über jeden Zweifel erhaben, oder gibt es auch Denker und Positionen, die ihm kritisch gegenüberstehen, und wenn ja, mit welchen Argumenten? Welche von denen sind metaphysisch und welche sind es nicht? |
Ihre Metaphysikkritik besteht in erster Linie in ihrem Verifikationskriterium von Bedeutung: Die Bedeutung eines Satzes besteht in der Methode seiner Verifikation bzw. Falsifikation. Damit eng verbunden ist die Annahme, dass es eine eindeutige logische Reduktion eines jeden Behauptungssatzes auf ein logisches Konstrukt gibt, in dem als Elemente nur Logik, Mengenlehre und eben Beobachtungssätze vorkommen. Sätze, bei denen das nicht geht, die nicht logische Konstrukte aus simplen Beobachtungssätzen (der Form: 'Rot an Stelle x,y,z zum Zeitpunkt t') sind, wären in diesem Sinne ohne Inhalt und damit bedeutungslos. Poppers Falsifikationskriterium stößt ins gleiche Horn.
Eben genau diese Annahmen hat Quine als bedeutungslos (im Sinne der logischen Positivisten selbst) entlarvt. Deshalb der Titel: "Two Dogmas of Empiricism" (damit meinte er genau seine Kollegen). Sowohl die Reduktionstheorie als auch die analytisch/synthetisch Unterscheidung bestehen selbst den Metaphysiktest nicht, sind aber zentrale Thesen und Voraussetzungen für das ganze Programm.
Quine war selber logischer Positivist, sprach also genau ihre Sprache und verwendete ihre Definitionen. Deswegen war sein Essay so vernichtend. Das Programm war danach nicht nur nicht über jeden Zweifel erhaben, sondern klinisch tot. Und das wurde auch erstaunlich schnell akzeptiert.
Zur Wiederholung: Das Programm der logischen Positivisten zur Bedeutungstheorie ist klinisch tot. Was bleibt ist das geschärfte Bewußtsein dafür, dass die ganze Bedeutungstheorie ein riesiges und wichtiges Problem darstellt.
Was von ihrer Kritik bleibt ist die Forderung, dass alle Begriffe in rational nachvollziehbarer Weise irgendwie an die Erfahrung gekoppelt sein müssen und auch nur von dort ihre Bedeutungen erlangen können. Das ist keine präzise These, sondern ein lose und unscharf formulierter Wunsch, den auch bei Hume schon teilte.
Ihr Programm, diesen Wunsch einzulösen, ist gescheitert und es bleibt ein großes Thema der Sprachphilosophie. Das Ziel ist eine rationale, möglichst wissenschaftliche Erklärung für das Phänomen dass Sprache Bedeutung transportieren kann. Dass sie das tut scheint offensichtlich, wie sie das tut und was Bedeutungen überhaupt sind, ist die große Frage.
Wir wissen, dass man mit Sprache viel Unsinn reden kann und von einer Theorie die erklärt, wie wir von Erfahrungen zu Bedeutungen abstrakter Terme, Sätze und Theorien gelangen erhofft man sich Hilfe zu erkennen, wann man Unsinn redet, der bloß schlau klingt und grammatikalisch richtig ist. Sinneserfahrungen können wir zwar wie Bedeutungen auch nicht wirklich teilen, aber der Erfolg der Naturwissenschaften zeigt, dass man auf dieser Grundlage erstaunlich weit kommt ohne aneinander vorbei zu reden. Und eine bessere (oder überhaupt eine andere) Grundlage ist nicht in Sicht.
Eine allseits überzeugende Lösung hat noch keiner gefunden, aber immerhin ist man soweit, dass man das als Problem erkennt und bei allen sehr abstrakten und unscharfen Begriffen äußerst vorsichtig ist. Vorsichtig in dem Sinn, dass man nicht naiv annimmt dass sie eine klare Bedeutung hätten, dass man mit diesen noch kommunizieren oder etwas sinnvolles definieren kann.
Mein Vorwurf an Metaphysik-Talk ist dass er diese Vorsicht nicht walten lässt.
Soweit erst mal, später mehr und zu den anderen Punkten.
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1288158) Verfasst am: 13.05.2009, 19:11 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: |
Zur Wiederholung: Das Programm der logischen Positivisten zur Bedeutungstheorie ist klinisch tot. Was bleibt ist das geschärfte Bewußtsein dafür, dass die ganze Bedeutungstheorie ein riesiges und wichtiges Problem darstellt.
Was von ihrer Kritik bleibt ist die Forderung, dass alle Begriffe in rational nachvollziehbarer Weise irgendwie an die Erfahrung gekoppelt sein müssen und auch nur von dort ihre Bedeutungen erlangen können. Das ist keine präzise These, sondern ein lose und unscharf formulierter Wunsch, den auch bei Hume schon teilte. |
Das ist eine unbegründete Aussage: Warum sollte der logischen Positivismus klinisch tot sein, aber ein unscharfer Wunsch diesen Tod bleibend überdauert haben?
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Ihr Programm, diesen Wunsch einzulösen, ist gescheitert und es bleibt ein großes Thema der Sprachphilosophie. Das Ziel ist eine rationale, möglichst wissenschaftliche Erklärung für das Phänomen dass Sprache Bedeutung transportieren kann. Dass sie das tut scheint offensichtlich, wie sie das tut und was Bedeutungen überhaupt sind, ist die große Frage. |
Hier bist du bereits ziemlich metaphysisch, denn die Fragestellungen sind alles andere als empirisch herzuleiten.
Yogosh hat folgendes geschrieben: |
Wir wissen, dass man mit Sprache viel Unsinn reden kann und von einer Theorie die erklärt, wie wir von Erfahrungen zu Bedeutungen abstrakter Terme, Sätze und Theorien gelangen erhofft man sich Hilfe zu erkennen, wann man Unsinn redet, der bloß schlau klingt und grammatikalisch richtig ist. Sinneserfahrungen können wir zwar wie Bedeutungen auch nicht wirklich teilen, aber der Erfolg der Naturwissenschaften zeigt, dass man auf dieser Grundlage erstaunlich weit kommt ohne aneinander vorbei zu reden. Und eine bessere (oder überhaupt eine andere) Grundlage ist nicht in Sicht.
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Du machst hier klare Kategoriefehler. Denn das was Menschen beschäftigt und was sie bewegt, sei es ein Gefühl, eine Erfahrung ein abstrakter Gedanke, findet seinen Weg über unterschiedliche Kommunikationsforman. Dass dies nicht immer gelingt ist kein Anlass, grundsätzlich die Kommunikation nicht-wissenschaftlicher Inhalte abzulehnen. Die Kommunikation zu wissenschaftlichen Inhalten kann darum kein Gegensatz darstellen und somit auch nicht zum Argument gegen die Unschärfe der Kommunikation anderer Inhalte verwendet werden.
Voraussatzung an eine erfolgreiche Kommunikation ist in der regel zumindest die Kommunikationsbereitschaft. Und die ist z.B. hier im Forum erklärter Weise oft nicht gegeben.
Yogosh hat folgendes geschrieben: |
Eine allseits überzeugende Lösung hat noch keiner gefunden, aber immerhin ist man soweit, dass man das als Problem erkennt und bei allen sehr abstrakten und unscharfen Begriffen äußerst vorsichtig ist. Vorsichtig in dem Sinn, dass man nicht naiv annimmt dass sie eine klare Bedeutung hätten, dass man mit diesen noch kommunizieren oder etwas sinnvolles definieren kann.
Mein Vorwurf an Metaphysik-Talk ist dass er diese Vorsicht nicht walten lässt.
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Das du selber die zur Metaphysik äußerst und hier fleißig mitmischt, kann man das als Selbstkritik vielleicht stehen lassen. Da es aber zu unspezifisch ist, dient es nicht als generisches Argument gegen 'die Metaphysik'. Es ist lediglich die Forderung nach Sorgfalt. Klärung, und ernstem Kommunikationsinteresse zu akzeptieren.
_________________ 1.Thessalonicher 5,21 "Prüft aber alles und das Gute behaltet."
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1288268) Verfasst am: 13.05.2009, 20:47 Titel: |
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Ich freue mich über die Resonanz und versuche mal verschiedene Einwände zusammenzufassen.
1.) Ich will nur rumschwurbeln
Nein, die Mühe wär mir das nicht wert und ich hatte eigentlich Tarvoc als Adressaten im Kopf, da er mir (glaube ich) beide Eingangsfragen gestellt hat. Ich glaube auch nicht, dass ballancer und ich jemals ein gemeinsame Sprache sprechen werden. Versuchen werde ich es trotzdem. Dümmer werde ich dadurch bestimmt nicht.
2.) Mit meinem Disclaimer will ich mich gegen Kritik immunisieren
Ich will lediglich nicht in eine Detaildiskussion über sagen wir mal Kant reingezogen werden. Zum Beispiel reicht es ja hier zu wissen, dass es bei Kant keine heute noch als eindeutig empfundene Definition der analytisch/synthetisch Unterscheidung gibt. Warum nicht, ist fürs erste nicht relevant. Dabei behaupte ich nichts, was nicht dem allgemeinen Konsens entspricht.
Eine oberflächliche Darstellung reicht für meine Zwecke erst mal aus (hoffe ich jedenfalls). Wenn mir gezeigt wird, dass ich in irgendeinem Punkt der für die aktuelle Debatte relevant ist zu oberflächlich oder zu ungenau war, dann bessere ich das aus oder revidiere.
Ich schreibe hier bewußt in einem essayistischen Stil, den ich in einer Philosophiehausarbeit nicht angeschlagen hätte. Da wurde mein Leser eben aber auch dafür bezahlt, es zu lesen.
3.) Was bedeutet es 'etwas über die Welt auszusagen'?
Darüber gibt es so dermassen viele verschiedene Theorien und Erklärungen, dass ich mich hier bewußt zurückhalte und versuche diese Redewendung nur in einem sehr alltagsprachlichen Sinn zu verwenden.
Mir ist klar, dass ich darauf dann auch keine subtile oder philosophisch anspruchsvolle Argumentation aufbauen kann. Ich glaube auch, dass ich das vermieden habe und der alltagsprachliche Sinn zusammen mit dem damit implizierten naiven Realismus für meine Zwecke ausreicht.
Das bedeutet nicht, dass ich oder einer der von mir erwähnten Philosophen naiver Realist wäre. Ich verlasse mich nur darauf, dass diese Position mit all ihrer Naivität und Unschärfe für die Zwecke dieser Diskussion hinreichend verständlich ist. Jeder der von mir erwähnten Philosophen hatte zu diesem Thema eine Menge mehr zu sagen und sie wären sich in ihren Theorien auch nicht einig, aber ihren Theorien ist gemeinsam, dass sie damit die naiv realistische Position in diesem Punkt ersetzen bzw. verbessern wollten.
Und in diesem Sinne ist es für das Verständnis nützlich und zulässig, die alltagssprachliche Wendung als Zusammenfassung für die jeweiligen Ansichten zu verwenden. Solange man sich darüber im Klaren ist, dass diese Wendung nur eine grobe Annäherung an die einzelnen Ansichten sein kann.
Will heissen: Sätze wie 'Die meisten Rationalisten und Empiristen waren bestrebt etwas über die Welt auszusagen' sind hier zulässig, weil sie die schwache Bedeutung der Alltagssprache nicht überstrapazieren.
4.) Heidegger
Zu Heidegger kann ich mich nicht qualifiziert äussern. Ich habe aber mal mit einigem Erstaunen festgestellt, dass er von einigen analytischen Sprachphilosophen, die normalerweise auf solche Wendungen wie 'Sein an sich' extrem allergisch reagieren, nicht mit Hegel zusammen einfach verworfen und ignoriert, sondern ernsthaft rezipiert wird. Sein Werk scheint also zumindestens nicht so einfach als bedeutungslose Metaphysik abgetan zu werden.
5.) Du beschreibst Metaphysik bloß, drückst Dich aber um eine Definition
Das ist richtig. Der Grund liegt darin, dass eine Definition auf den Inhalten von Metaphysik oder den Bedeutungen ihrer Themen aufbauen müsste. Ich glaube aber eben, dass Metaphysik keine hat. Hier verwende ich wieder ganz bewußt nur einen umgangssprachlichen Sinn von 'Inhalt ' und 'Bedeutung'. Genauso wie ich ganz bewußt sehr vage von einer wünschenswerten Anbindung von Bedeutungen an Erfahrungen rede.
Ich bin genausowenig wie im Moment irgendwer in der Lage zu sagen, was Bedeutungen eigentlich sind oder wie eine solche Anbindung an Erfahrungen möglich ist. Es gibt eine Menge sehr kluger Theorien, aber keine, die annähernd konsensfähig wäre. Das kann ich hier tun, weil ich lediglich auf ein offenes Problem hinweisen möchte. Mit meinen vagen Formulierungen würde ich die von mir verwendete Alltagssprache überstrapazieren, wenn ich irgendetwas konkretes über eine solche Anbindung behaupten würde.
Die Vermutung, dass eine verstandene Anbindung an möglichst einfache (Sinnes-)Erfahrungen für philosophische Konzepte nötig ist beruht auf drei Beobachtungen:
a) Das Sprechen über Metaphysik funktioniert ziemlich schlecht. Man verbringt ewig viel Zeit damit erst mal einen Stand zu erreichen, wo man der Meinung ist über das Gleiche zu reden.
b) Die Alltagssprache funktioniert erstaunlich gut ohne dass wir uns in die Köpfe gucken könnten. Es ist allerdings naheliegend, diesen Umstand mit der Einfachheit der Begriffe in Zusammenhang zu bringen.
c) Weiterhin funktioniert aber auch die Wissenschaft erstaunlich gut obwohl ihre Konzepte überhaupt nicht einfach oder anschaulich sind. Die Tatsache, dass Wissenschaft bis hin zur abgefahrenen Quantenphysik zu einem großen Teil vermittels schrittweiser Abstraktion und einer Menge Mathematik (also auch Sprache) auf Erfahrungen aufbaut, lässt hoffen, dass man den Erfolg der Wissenschaft damit erklären kann. Irgendwie schafft es die Wissenschaft ja in einer Weise über Physikzeugs zu reden, die zur Folge hat, dass Flugzeuge fliegen. Wenn man genau verstünde, wie das möglich ist hätte man eine Menge darüber gelernt, wie man 'etwas über die Welt sagt'.
Das Schöne an dieser Formulierung ist, dass man die Sache damit jedenfalls in die Nähe wissenschaftlicher Zugangsweisen gerückt hat. Man kommt mit empirischer Forschung wenigstens schon mal etwas weiter: Welche Erfahrungen, welche Experimente, welche sprachlichen Konstrukte sind denn z.B. den Physikern gemeinsam, die es schaffen, ein funktionstüchtiges Flugzeug zu bauen ohne sich dabei die Köpfe heiss zu reden?
Ob schlechte Metaphysik vorliegt hängt also nicht an den verwendeten Wörtern. Ich kann eine Menge sehr sinnvoller und verständlicher Sachen mit dem Wort 'Zeit' sagen. Aber sobald ich anfange über das Raum-Zeit Kontinuum zu sprechen wird es metaphysisch. Physikern geht es da anders. Andererseits kann ich zum Beispiel mit dem Wort 'Unendlichkeit' wesentlich mehr sinnvolle und verständliche Sätze produzieren, als das irgendeinem Menschen vor der modernen Mengenlehre möglich war.
6.) Was ist Verständis und warum ist das wichtig?
Ein erstes ganz naives Kriterium für Verständis ist einfach dass zwei Sprecher jeweils von sich behaupten, dass sie sich verstehen würden. Diese Definition ist nicht zirkulär sondern lediglich behavioristisch. Allerdings taugt sie nichts, wenn ich mich frage, ob ich einen Text verstehe.
Man kann aber auch den Grad des Verständnisses von Sätzen und Theorien innerhalb einer gegebenen Gruppe von Sprechern daran abschätzen, wie groß die Menge der Sätze einer bestimmten Theorie oder mit einem bestimmten Wort ist, die alle Sprecher für wahr halten. Und dieser Maßstab setzt noch nicht mal eine Definition von Wahrheit voraus. Sie ist wiederum behavioristisch. Was sie voraussetzt ist ein hinreichend homogener Gebrauch des Wortes 'wahr'. Gebrauch wohlgemerkt, nicht Bedeutung.
Und wie beurteile ich den? Ich darf ja nicht von gleicher Bedeutung reden, weil ich keine vernünftige Theorie über die Gleicheit von Bedeutungen vorgelegt habe. Schlechte Metaphysik wäre es, das einfach trotzdem tun und genau damit den alltagssprachlichen Begriff der Bedeutung schon mit viel zu viel theoretischem Ballast zuschütten. Den homogenen Gebrauch des Wortes 'wahr' beurteile ich indem ich die Gruppenmitglieder im Alltag beobachte. Das hat den schönen Vorteil, dass da selbst ein radikaler Relativist sich homogen verhält. Aber Vorsicht, das einzige, was ich erreicht habe ist der Gebrauch im Alltag. Der radikale Relativist verwendet das Wort 'wahr' vielleicht gar nicht mehr homogen, wenn es um Quantenphysik geht. Wieder darf ich die Alltagssprache nicht überstrapazieren.
Was mache ich also? Ich taste mich schrittweise voran, ich versuche möglichst viele Beobachtungen einfliessen zu lassen, ich stelle Hypothesen auf, die ich überprüfe. Ich versuche mich an abstrakten Begriffsbildungen wo sie mir sinnvoll erscheinen und verwerfe sie wieder, wenn sie nicht weiterführen. Ich versuche die Begriffe vorsichtig immer weiter und weiter zu verallgemeinern. Ab und zu schmeisse ich auch einen ganzen Haufen meiner Theorien wieder um, wenn die mich in eine Sackgasse geführt haben. Kurz: Ich mache genau das was die Wissenschaft auch tut.
7.) Ich brenne darauf Dich auf eine Definition von 'Wissenschaft' festzunageln
Kann ich gut nachvollziehen, aber bei allem was ich bislang über Wissenschaft gesagt habe, reicht ein Alltagsverständis völlig aus.
Zuletzt bearbeitet von Yogosh am 13.05.2009, 21:04, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1288284) Verfasst am: 13.05.2009, 20:59 Titel: |
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ballancer hat folgendes geschrieben: | Das ist eine unbegründete Aussage: Warum sollte der logischen Positivismus klinisch tot sein, aber ein unscharfer Wunsch diesen Tod bleibend überdauert haben? |
Weil der Wunsch schon älter ist als die logischen Positivisten. Er findet sich z.B. bei Hume. Die Positivisten meinten, diesen Wunsch einlösen zu können, aber das hat halt nicht geklappt.
ballancer hat folgendes geschrieben: | Hier bist du bereits ziemlich metaphysisch, denn die Fragestellungen sind alles andere als empirisch herzuleiten. |
Da hast Du Recht. Ich habe mir aber Mühe gegeben in meiner Formulierung nur Alltagssprache zu benutzen.
ballancer hat folgendes geschrieben: | Du machst hier klare Kategoriefehler. Denn das was Menschen beschäftigt und was sie bewegt, sei es ein Gefühl, eine Erfahrung ein abstrakter Gedanke, findet seinen Weg über unterschiedliche Kommunikationsforman. |
Manchmal aber eher schlecht oder eben gar nicht. Und zwar selbst bei bestem Willen.
ballancer hat folgendes geschrieben: | Dass dies nicht immer gelingt ist kein Anlass, grundsätzlich die Kommunikation nicht-wissenschaftlicher Inhalte abzulehnen. Die Kommunikation zu wissenschaftlichen Inhalten kann darum kein Gegensatz darstellen und somit auch nicht zum Argument gegen die Unschärfe der Kommunikation anderer Inhalte verwendet werden. |
Ich hab es erst in einem späteren Beitrag geschrieben, aber es geht nicht so sehr um die Inhalte sondern um die Art und Weise.
ballancer hat folgendes geschrieben: | Voraussatzung an eine erfolgreiche Kommunikation ist in der regel zumindest die Kommunikationsbereitschaft. Und die ist z.B. hier im Forum erklärter Weise oft nicht gegeben. |
Kann ich Dir nur Recht geben. Zur gelungenen Kommunikation braucht es aber noch mehr als nur die Bereitschaft.
ballancer hat folgendes geschrieben: | Da es aber zu unspezifisch ist, dient es nicht als generisches Argument gegen 'die Metaphysik'. Es ist lediglich die Forderung nach Sorgfalt. Klärung, und ernstem Kommunikationsinteresse zu akzeptieren. |
Mein Punkt ist, dass sich bestimmte Dinge eben gar nicht klären lassen.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1288285) Verfasst am: 13.05.2009, 21:01 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | 5.) Du beschreibst Metaphysik bloß, drückst Dich aber um eine Definition
Das ist richtig. Der Grund liegt darin, dass eine Definition auf den Inhalten von Metaphysik oder den Bedeutungen ihrer Themen aufbauen müsste. Ich glaube aber eben, dass Metaphysik keine hat. Hier verwende ich wieder ganz bewußt nur einen umgangssprachlichen Sinn von 'Inhalt ' und 'Bedeutung'. Genauso wie ich ganz bewußt sehr vage von einer wünschenswerten Anbindung von Bedeutungen an Erfahrungen rede. |
Na gut, meinetwegen kann man vielleicht ad hoc keine genaue Definition bringen. Das kann in bestimmten Fällen schwierig bis unmöglich sein, das gebe ich zu. Aber trotzdem müssen wir uns doch darauf einigen, worüber wir überhaupt reden wollen. Mein Vorschlag wäre nun, mal die Themen der Metaphysik zu betrachten und daraufhin zu überlegen, wieso das Unsinn sei, wie Du ja zu behaupten scheinst. Also nehmen wir mal ein Vorlesungsverzeichnis der Philosophie, zum Beispiel dieses:
Uni Dortmund hat folgendes geschrieben: | Nach Aristoteles geht es in der Metaphysik um die allgemeinsten Prinzipien alles Seienden, um das Seiende qua Seiendes. Eine wichtige metaphysische Frage, die im 17. und 18. Jhd. diskutiert wird, ist die Frage, wie Geistiges und Körperliches zusammenhängen. [...] Eine andere wichtige metaphysische Frage betrifft die menschliche Freiheit. Schließlich ist die Metaphysik dieser Zeit offener gegenüber der Physik und Problemen, die die Physik aufwirft. [...] Folgende Fragen sind deshalb auch für die Metaphysik wichtig: Gibt es einen absoluten, unendlichen Raum, wie Newton meint? Ist ein vollständiges Vakuum möglich? Ist alle Materie aus kleinsten, unteilbaren Teilchen (”Atomen“) zusammengesetzt? |
Der Satz von Aristoteles sagte mir so erst mal nichts, das stimmt. Aber die Themen finde ich, das muss ich zu meiner Schande gestehen, sehr interessant. Wieso ist das Deiner Ansicht nach nun Unsinn?
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tridi _____
Anmeldungsdatum: 21.06.2007 Beiträge: 7933
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(#1288299) Verfasst am: 13.05.2009, 21:17 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | Ich stimme in allem was Du sagst völlig überein
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prima
dann wunderts mich nur noch, dass du soooo lang ueber den kappes redest...
aber... das koennte es erklaeren:
Zitat: |
Kaum etwas hat mich in meinen Philoseminaren mehr genervt als die Neunmalklugen, die immer mit ihrem Pseudo Wissen über Heisenberg, Einstein und Gödel kommen obwohl sie keine Ahnung haben. |
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1288346) Verfasst am: 13.05.2009, 22:05 Titel: |
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Uni Dortmund hat folgendes geschrieben: | Nach Aristoteles geht es in der Metaphysik um die allgemeinsten Prinzipien alles Seienden, um das Seiende qua Seiendes. Eine wichtige metaphysische Frage, die im 17. und 18. Jhd. diskutiert wird, ist die Frage, wie Geistiges und Körperliches zusammenhängen. [...] Eine andere wichtige metaphysische Frage betrifft die menschliche Freiheit. Schließlich ist die Metaphysik dieser Zeit offener gegenüber der Physik und Problemen, die die Physik aufwirft. [...] Folgende Fragen sind deshalb auch für die Metaphysik wichtig: Gibt es einen absoluten, unendlichen Raum, wie Newton meint? Ist ein vollständiges Vakuum möglich? Ist alle Materie aus kleinsten, unteilbaren Teilchen (”Atomen“) zusammengesetzt? |
Wie gesagt, ob Du oder Ich mit 'Seinede qua Seinendes', 'Körperliches und Geistiges' etwas anfangen können, sagt erst mal nur über Dich oder mich etwas aus. Wenn Aristoteles oder Descartes und ihre Gesprächspartner sich darüber verständlich unterhalten konnten, dann ist das schön für sie und allein dadurch auch von erheblichem philosophiehistorischem Interesse.
Die entscheidene Frage ist aber ob diese Terme nach all der inzwischen vergangenen Philosophie-, Geistes- und Wissenschaftsgeschichte in Debatten heute noch auf eine Weise verwendet werden können, die der Verständigung der Teilnehmer förderlich ist. Für argumentative Diskurse ist Sprache (und Bilder) das einzige Werkzeug zur Verständigung was wir haben. Wenn einem bestimmte Worte dabei helfen, dann ist das gut so. Wenn sie aber die Verständigung behindern, dann sollte man sie besser auswechseln, wenn das denn möglich ist. Wenn das nicht möglich ist, dann sollte man sich überlegen, wie lange man sich den Spass noch gibt und ob man überhaupt über irgendwas redet.
Im Fall von den allgemeinen Prinzipien alles Seienden vermute ich auf Basis meiner bescheidenen Klassikerkenntnisse mal, dass sich dieser Diskurs heute auf die Elementarphysik, die Psychologie, die Biologie und die Philosophie verteilt hat. Und dabei ist eine erstaunliche Menge an neuen Begriffen entstanden, die uns bessere Dienste leisten als die damaligen.
Im Fall von 'Körperlich und Geistig' läuft der Diskurs heute in der Biologie, der Psychologie, den Kognitionswissenschaften und der Philosophy of Mind ab. Wieder mit anderen und besseren Begriffen, auch wenn jene noch mit Erfolg verwendet werden.
Von diesen neuen Möglichkeiten sollte man Gebrauch machen, wenn sie einem denn zur Verfügung stehen.
Wenn sie einem nicht zur Verfügung stehen, weil man eh nicht all diese Wissenschaften studiert haben kann, dann wird man fast zwangläufig den schwierigen Prozess dieser Begriffsbildungen selber nachvollziehen müssen, bzw. sich einfach in den alten Missverständissen, mit denen diese Begriffsbildungen aufgeräumt haben, verheddern. Das ergibt dann immer noch ein interessantes und persönlich wertvolles Gespräch, bei dem man eine Menge lernen kann.
Für mich schlechte Metaphysik ergibt sich einmal, wenn man die neuen Möglichkeiten ignoriert. Das kann man machen weil man bei den Alten irgendwelche tiefere Erkentisse vermutet, die uns heute nicht mehr zugänglich sind, statt einfach mal davon auszugehen, dass diese Leute zwar unglaublich klug waren, aber eben einem eingeschränkteren Begriffsapparat hatten.
Die zweite Art der schlechten Metaphysik ergibt sich, wenn man weiter mit Begriffen hantiert, die schon seit Jahrhunderten immer nur noch unklarer werden ohne dass man bessere gefunden hätte.
Im Übrigen stehen meiner Einschätzung nach Begriffe wie 'Liebe' und 'Sinn des Lebens' heute genauso so gut oder schlecht da wie zu Sokrates Zeiten. Der Term 'Gott' wird aber immer unbrauchbarer.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1288383) Verfasst am: 13.05.2009, 22:43 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | Im Fall von 'Körperlich und Geistig' läuft der Diskurs heute in der Biologie, der Psychologie, den Kognitionswissenschaften und der Philosophy of Mind ab. Wieder mit anderen und besseren Begriffen, auch wenn jene noch mit Erfolg verwendet werden. |
Das, was Du hier unter "Philosophy of Mind" verstehst, ist aber doch Metaphysik, oder etwa nicht?
Ich verstehe das wirklich nicht. Was natürlich an mir liegen kann.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Für mich schlechte Metaphysik ergibt sich einmal, wenn man die neuen Möglichkeiten ignoriert. Das kann man machen weil man bei den Alten irgendwelche tiefere Erkentisse vermutet, die uns heute nicht mehr zugänglich sind, statt einfach mal davon auszugehen, dass diese Leute zwar unglaublich klug waren, aber eben einem eingeschränkteren Begriffsapparat hatten.
Die zweite Art der schlechten Metaphysik ergibt sich, wenn man weiter mit Begriffen hantiert, die schon seit Jahrhunderten immer nur noch unklarer werden ohne dass man bessere gefunden hätte. |
Tut mir leid, aber ich weiß nicht, worauf Du hinauswillst. Metaphysik ist mAn ein bestimmter Teil der Philosophie, der heute noch nicht naturwissenschaftlich untersucht werden kann. Vielleicht gehört er morgen zur Naturwissenschaft, dann ist er keine Metaphysik mehr, vielleicht aber auch nicht, vielleicht bleibt er immer Metaphysik.
Du behauptest aber nun, dass Metaphysik generell Unfug sei. Und das kann ich nicht nachvollziehen, denn ich finde die genannten Themen sehr interessant (auch wenn niemand anders das so sehen sollte).
Na gut, "schlechte Metaphysik" mag Unfug sein, das ist mir aber völlig wurscht, weil ich "schlechte Naturwissenschaft" auch für Unfug halte, das ergibt sich ja auch automatisch aus der Bewertung "schlecht".
Fragt sich nun nur noch, was genau "schlechte Metaphysik" von "guter Metaphysik" unterscheidet, was die Kriterien dafür sind, wie ich also in Zukunft schlechte Metaphysik meiden kann.
Vielleicht willst Du aber gar nicht über Metaphysik an sich reden, sondern über Kommunikation? Das müsstest Du dann aber auch so sagen.
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
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(#1288424) Verfasst am: 13.05.2009, 23:44 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Du behauptest aber nun, dass Metaphysik generell Unfug sei. Und das kann ich nicht nachvollziehen, denn ich finde die angegeben Themen sehr interessant (auch wenn niemand anders das so sehen sollte). |
Da bin ich in der Tat ein bißchen zurückgepaddelt. Ich hab zwar im Eingangspost darauf hingewiesen, dass etwa der Versuch dem Begriff 'Substanz' eine formallogische Grundlage als besonderen Prädikatsträger zu verschaffen unter die Disziplin Metaphysik fällt. Wogegen ich gar nichts habe, weil der Begriff dadurch mit einer (in anderen Fällen extrem erfolgreichen Weise) expliziert werden soll, statt ihn einfach zu verwenden um andere Wackelkandidaten zu stützen.
Aber beim letzten Post mit Aristoteles und Descartes fiel mir auf, dass ich deren Diskurse nicht als unsinnig abqualifizieren kann. Bloß wer heute noch so redet produziert eben eher sinnloses Zeug weil sich die Sprache weiterentwickelt hat.
(Interessant finde ich die Themen übrigens auch. Aber es ist ja auch zu erwarten, dass der Prof einen umfangreicheren Begriffsapparat hat als die Autoren)
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Vielleicht willst Du aber gar nicht über Metaphysik an sich reden, sondern über Kommunikation? Das müsstest Du dann aber auch so sagen. |
Nein, aber die Vermutung liegt nahe. So versteht mich ballancer ja auch immer (denke ich jedenfalls). Von gescheiterter Kommunikation zu reden impliziert ja, dass einfach was schief gelaufen ist, was auch hätte gut gehen können. Oder dass man über verschiedene Dinge geredet und sich missverstanden hat.
Mein Punkt ist aber, dass man bei schlechter Metaphysik eben über gar nichts redet, auch wenn uns das Sprachgefühl was anderes suggeriert. Solange man eine alltagssprachliche Bedeutungstheorie (etwa: 'meine Bedeutungen sind irgendwie Vorstellungen in meinem Kopf und von allem anderen unabhängig' ) hat, ist diese Behauptung natürlich unsinnig. Eine solche Position vertritt aber niemand mehr in der Sprachphilosophie. Da gab es eben seit dem Gerede über Vorstellungen, Anschauungen, Ideen, Urteile etc. einige Fortschritte.
Ein Sinn ergibt sich erst, wenn man davon ausgeht, dass Bedeutungen (mindestens solche für Abstrakta) keine von der Welt losgelösten Privatangelegenheiten sind über die wir uneingeschränkte Souveränität besitzen. Bedeutungen konstituieren sich irgendwie aus dem Zusammenspiel von unseren Hirnprozessen, unseren Sinneseindrücken, dem allgemeinen Gebrauch der Sprache bei anderen und sogar dem Rest der Welt. Wie genau, weiss man nicht, aber all diese Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen.
Und deswegen ist es möglich, korrekt geformte Sätze zu bilden, die nur so klingen als hätten sie eine Bedeutung. Und dafür sind insb. die Metaphysik (und damit die Theologie) und die Esoterik besonders anfällig.
Der bislang beste Indikator dafür ist bislang ganz behavioristisch das penetrante Scheitern von Kommunikation trotz bestem Bemühen. Indikator, nicht Kriterium.
Und für die, die mit den Begriffen was anfangen können: Die Behauptung der Sinnlosigkeit ist weder psychologisch noch epistemologisch sondern ontologisch. Also mal so richtig ernst gemeint.
Wenn Du Philosophie studierst empfehle ich Dir ein Quine Seminar. Da wird das klar. Seine Schriften ohne Anleitung zu lesen ist sehr schwierig. Nicht weil er so kompliziert ist, sondern weil er so subtil ist und so scheinbar harmlos klingt, dass man gar nicht merkt, was der alles sagt und welche Konsequenzen das hat. Er vermeidet wo er nur kann metaphysisch klingende Worte und wir sind irgendwie darauf konditioniert nur bei schwierigen Worten große Philosophie zu vermuten.
Zuletzt bearbeitet von Yogosh am 14.05.2009, 00:11, insgesamt einmal bearbeitet |
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1288431) Verfasst am: 13.05.2009, 23:58 Titel: |
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Noch ein schneller Nachtrag: Nicht alle modernen Sprachphilosophen behaupten dass sinnlose Sätze so oft vorkommen. Der Konsens besteht darüber, dass scheinbar sinnvolle aber tatsächlich sinnlose Sätze möglich sind. Nicht darüber wie oft oder wo sie vorkommen. Aber bei den Metaphysikern, Theologen und Esos wird immer zuerst gesucht
Quine ist da extrem, deswegen kann man die prinzipielle Argumentationsstruktur da gut sehen.
Wollte ich bloß nachschieben, damit klar ist, wo ich selber was behaupte und wo ich einen Konsens wiedergebe.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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pewe auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 20.01.2008 Beiträge: 3377
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(#1288445) Verfasst am: 14.05.2009, 00:17 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: |
Mein Punkt ist aber, dass man bei schlechter Metaphysik eben über gar nichts redet, auch wenn uns das Sprachgefühl was anderes suggeriert. |
Dann müsste dir Sokals 'Die Grenzen überschreiten: Auf dem Weg zu einer transformativen Hermeneutik der Quantengravitation' gut gefallen haben.
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