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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#122462) Verfasst am: 08.05.2004, 07:51 Titel: Re: Kontrukteure |
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Hi Lamarck
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
das verstehe ich nicht. Der hypothetische Realismus heißt doch genau deshalb _hypothetisch_, weil man sich nie absolut sicher sein kann. Könnte es sein, dass Du einen Gegensatz konstruierst, den es gar nicht 'gibt'? |
Der genannte Gegensatz steckt aus meiner Sicht in der Janusköpfigkeit des Hypothetischen Realismus. In anderen Worten:
Ist der Hypothetische Realismus realistisch, weil er hypothetisch ist - oder ist er hypothetisch, weil er realistisch ist?! - Also: Das Problem steckt im Wörtchen 'Realismus': Was bedeutet dieser Begriff?
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'Realismus' bedeutet, dass man davon ausgeht, dass eine von uns unabhängig an sich seiende Welt existiert, 'hypothetisch' dass man das aus heuristischen Gründen annimmt, weil man es nicht beweisen kann.
Impliziert wird, dass wir uns nur _Bilder_ dieser Welt konstruieren können. Das 'Ding an sich', 'Sein des Seienden' oder wie immer man das nennen mag, bleibt uns verborgen, ist aber als Instanz, die unsere Konstrukte scheitern lässt, erforderlich.
Wo ist das Problem?
Grüßle
Thomas
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#122728) Verfasst am: 08.05.2004, 16:22 Titel: Re: Kontrukteure |
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Hi Thomas!
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | 'Realismus' bedeutet, dass man davon ausgeht, dass eine von uns unabhängig an sich seiende Welt existiert, 'hypothetisch' dass man das aus heuristischen Gründen annimmt, weil man es nicht beweisen kann.
Impliziert wird, dass wir uns nur _Bilder_ dieser Welt konstruieren können. Das 'Ding an sich', 'Sein des Seienden' oder wie immer man das nennen mag, bleibt uns verborgen, ist aber als Instanz, die unsere Konstrukte scheitern lässt, erforderlich.
Wo ist das Problem? |
Genau hier! Wie arbeitet diese 'Konstrukte-scheitern-lassende-Instanz'? Und wenn nicht deren Existenz beweisbar ist, wie läßt sich dann deren Funktion (eben 'scheitern lassen') beweisen? - Denn wenn dies so wie geschildert funktioniert, wäre der Beweis von 'Realität' geglückt und damit könnte auf das 'hypothetisch' praktischerweise verzichtet werden. Aber dem ist offensichtlich nicht so ... .
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#122751) Verfasst am: 08.05.2004, 16:44 Titel: Re: Kontrukteure |
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Hi Lamarck
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | 'Realismus' bedeutet, dass man davon ausgeht, dass eine von uns unabhängig an sich seiende Welt existiert, 'hypothetisch' dass man das aus heuristischen Gründen annimmt, weil man es nicht beweisen kann.
Impliziert wird, dass wir uns nur _Bilder_ dieser Welt konstruieren können. Das 'Ding an sich', 'Sein des Seienden' oder wie immer man das nennen mag, bleibt uns verborgen, ist aber als Instanz, die unsere Konstrukte scheitern lässt, erforderlich.
Wo ist das Problem? |
Genau hier! Wie arbeitet diese 'Konstrukte-scheitern-lassende-Instanz'? |
keine Ahnung. Offensichtlich tut sie es. Du kannst beispielsweise nach Formeln der Aerodynamik ein Flugzeug konstruieren, das oben bleibt. Warum das funktioniert, wenn ich bestimmte Formeln verwende und nicht, wenn ich das mit anderen probiere, weiß ich auch nicht. Solange das Flugzeug fliegt, bin ich zufrieden.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und wenn nicht deren Existenz beweisbar ist, wie läßt sich dann deren Funktion (eben 'scheitern lassen') beweisen? |
Gar nicht. Deshalb doch _hypothetisch_. Das ist einfach eine Heuristik. Hat sich bewährt. Wenn Du eine _bessere_ Heuristik hast, prüfe ich die gerne.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | - Denn wenn dies so wie geschildert funktioniert, wäre der Beweis von 'Realität' geglückt und damit könnte auf das 'hypothetisch' praktischerweise verzichtet werden. Aber dem ist offensichtlich nicht so ... . |
Klar. Deshalb _hypothetisch_ und nur ein gemäßigter Konstruktivismus.
Grüßle
Thomas
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#124102) Verfasst am: 12.05.2004, 13:35 Titel: |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | So sagt René Descartes: "Ich zweifle, also bin ich, oder was dasselbe ist, ich denke, also bin ich" (dubito, ergo sum vel quod idem est, cogito, ergo sum). Eben deshalb benötigt Descartes auch einen Gott, der als 'dritte Substanz' die Erkennbarkeit der Außenwelt garantiert! |
Nun, Descartes wunderte sich immerhin darüber, daß unser Weltbild mit der "objektiven Realität" kompatibel ist: Als Rationalist benötigt er (so paradox das klingt) einen Schöpfer, der beide Welten aufeinander "abstimmt". (Heute erklärt das, was Descartes Schöpfer möglich gemacht hat, die EE). Was aber erklärt der Solipsismus?
[...]
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Du kannst vielleicht mit einem Recht behaupten, daß der Realismus auf dem Boden des Solipsismus (oder besser: Konstruktivismus) stünde, wonach gilt: "Keine Wahrheit ohne Denken". Ist aber der Satz noch für den Solipsismus typisch, wonach auch gilt: "Kein Denker ohne Wahrheit"? |
Nicht nur für den Solipsist, sondern für alle Denker. Warum sollte jemand den sonst auch "denken"? |
Ist das aber nicht bereits eine ontologische Annahme? Was spricht dagegen, daß es auch Gedanken ohne einen materiellen "Denker" geben könnte? Könnte ich nicht genauso gut auch behaupten: "Kein Denker ohne Dinge, die gedacht werden" - "Kein Überleben ohne approximativ korrektes Erkennen der Wirklichkeit?" - "keine 'reactio' ohne 'actio'" - "keine Wirkung ohne Ursache?" - "Kein Zweifel ohne Selbstzweifel"?
Kurz und gut: Mußt Du für die Begründung des Solipsismus oder radikalen Konstruktivismus nicht ebenso (kühne) Annahmen voraussetzen, wie z.B. ein Realist?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | BTW, auch ein Blinder, der durch den Wald irrt, der aber nicht mit den Bäumen kollidiert und irgendwann nach Hause findet, geht auf einem durch die Realität "vorgegebenen" Weg. Die Frage ist demnach: Kann der radikale Konstruktivismus den Unterschied zwischen "Überlebensadäquat" und dem "approximativen Erkennen" des von der Realität "vorgegebenen Weges" überhaupt rechtfertigen? |
Für mich ist "Überlebensadäquat" der primäre Begriff. Wenn's gut geht, ist das dann "approximatives Erkennen". |
Hmmm... mir ist aber nicht klar, inwieweit die Unterscheidung der Begriffe "Überlebensadäquat" und "approximatives Erkennen" wirklich die sparsamere Annahme sein soll. Die semantische (meines Erachtens überflüssige) Trennung scheint mir sogar ein zusätzliches ontologisches Postulat zu sein, das IMAO nie richtig begründet wurde. Daher nochmals die Frage: Wie kann ein Weltbild überlebensadäquat sein, wenn es die Welt nicht wenigstens teilweise korrekt abbildet?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | - Falls alles gut geht: Woher sollte der Blinde denn wissen, das es möglich ist, mit Bäumen zu kollidieren? |
Gar nicht. Aber der Weg, den der Blinde entlangstolpert, "stimmt"; er ist in Wirklichkeit da, auch wenn sein Weltbild noch so restringiert ist! Der Blinde kann keinen Weg entlanglaufen, der gar nicht vorhanden ist. Ansonsten müßte er sich an den Bäumen den Kopf einrennen, ohne es zu merken! Insofern stützt das Beispiel meine Annahme, daß es gar keinen Unterschied zwischen "überlebensadäquat" und "approximativ richtiger Erkenntnis" gibt. Findest Du ein Gegenbeispiel?
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#124203) Verfasst am: 12.05.2004, 20:39 Titel: |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Was aber erklärt der Solipsismus? |
Auch der Solipsismus 'erklärt' Erkenntnis - mir dient er nur - zusammen mit dem Realismus - als Wittgensteinsche Leiter.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Ist aber der Satz noch für den Solipsismus typisch, wonach auch gilt: "Kein Denker ohne Wahrheit"? | Nicht nur für den Solipsist, sondern für alle Denker. Warum sollte jemand den sonst auch "denken"? | Ist das aber nicht bereits eine ontologische Annahme?" |
Nein. Denken als physiologischer Prozeß ist ebenso wie 'Atmung' keine ontologische Annahme. Wie gesagt: Aus meiner Sicht ist letztlich alles Ontologie, deshalb brauche ich sie auch nicht.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Was spricht dagegen, daß es auch Gedanken ohne einen materiellen "Denker" geben könnte? Könnte ich nicht genauso gut auch behaupten: "Kein Denker ohne Dinge, die gedacht werden" - "Kein Überleben ohne approximativ korrektes Erkennen der Wirklichkeit?" - "keine 'reactio' ohne 'actio'" - "keine Wirkung ohne Ursache?" - "Kein Zweifel ohne Selbstzweifel"? |
Der "Denker" erfindet seine Weltsicht, er konstruiert daraus gewisse Eigenschaften, die er dann als Dinge bezeichnet. Woher kommen denn die Gedanken, doch nicht als göttliche Eingebung? Es besteht doch eine gewisse Form von Irreversibilität bei den Konklusionen 'reactio', 'Wirkung', 'Gedanken' gegenüber den Prämissen 'actio', 'Ursache', 'Denker'. Und "cogito, ergo sum", ist also der Denker ein Ding?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Kurz und gut: Mußt Du für die Begründung des Solipsismus oder radikalen Konstruktivismus nicht ebenso (kühne) Annahmen voraussetzen, wie z.B. ein Realist? |
Natürlich noch wesentlich kühnere! Der Abstraktionsgrad des Realisten ist ja per definitionem nicht sonderlich hoch.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | BTW, auch ein Blinder, der durch den Wald irrt, der aber nicht mit den Bäumen kollidiert und irgendwann nach Hause findet, geht auf einem durch die Realität "vorgegebenen" Weg. Die Frage ist demnach: Kann der radikale Konstruktivismus den Unterschied zwischen "Überlebensadäquat" und dem "approximativen Erkennen" des von der Realität "vorgegebenen Weges" überhaupt rechtfertigen? | Für mich ist "Überlebensadäquat" der primäre Begriff. Wenn's gut geht, ist das dann "approximatives Erkennen". | Hmmm... mir ist aber nicht klar, inwieweit die Unterscheidung der Begriffe "Überlebensadäquat" und "approximatives Erkennen" wirklich die sparsamere Annahme sein soll. Die semantische (meines Erachtens überflüssige) Trennung scheint mir sogar ein zusätzliches ontologisches Postulat zu sein, das IMAO nie richtig begründet wurde. Daher nochmals die Frage: Wie kann ein Weltbild überlebensadäquat sein, wenn es die Welt nicht wenigstens teilweise korrekt abbildet? |
Ganz leicht: Nur wer lebt, hat auch die Chance, zu erkennen! Auch Schrödingers Katze weiß, dass sie lebendig ist. Sie weiß nicht, dass sie tot ist (Die Mehrdeutigkeit ist hier Absicht).
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Falls alles gut geht: Woher sollte der Blinde denn wissen, das es möglich ist, mit Bäumen zu kollidieren? | Gar nicht. Aber der Weg, den der Blinde entlangstolpert, "stimmt"; er ist in Wirklichkeit da, auch wenn sein Weltbild noch so restringiert ist! Der Blinde kann keinen Weg entlanglaufen, der gar nicht vorhanden ist. Ansonsten müßte er sich an den Bäumen den Kopf einrennen, ohne es zu merken! Insofern stützt das Beispiel meine Annahme, daß es gar keinen Unterschied zwischen "überlebensadäquat" und "approximativ richtiger Erkenntnis" gibt. Findest Du ein Gegenbeispiel? |
Klar! Warum "stimmt" den der Weg, wie orientiert sich denn der Blinde? Und was ist, wenn er vom Blitz getroffen wird, was 'nützt' ihm das?
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#124854) Verfasst am: 14.05.2004, 16:58 Titel: |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Was aber erklärt der Solipsismus? |
Auch der Solipsismus 'erklärt' Erkenntnis - mir dient er nur - zusammen mit dem Realismus - als Wittgensteinsche Leiter. |
Sorry, Bildungsdefizit - was meinst Du mit "Wittgensteinscher Leiter"? Mir fällt gerade nur das Wittgensteinsche Sinnkriterium ein, auf das sich der Positivismus gerne beruft, wenn er gerade dem Irrglauben huldigt, man könne so etwas wie eine Wissenschaft ohne ontologische (vulgo: metaphysische) Voraussetzungen betreiben.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Ist aber der Satz noch für den Solipsismus typisch, wonach auch gilt: "Kein Denker ohne Wahrheit"? | Nicht nur für den Solipsist, sondern für alle Denker. Warum sollte jemand den sonst auch "denken"? | Ist das aber nicht bereits eine ontologische Annahme?" |
Nein. Denken als physiologischer Prozeß ist ebenso wie 'Atmung' keine ontologische Annahme. Wie gesagt: Aus meiner Sicht ist letztlich alles Ontologie, deshalb brauche ich sie auch nicht. |
Der Denkprozeß ist das Phänomen und als solches natürlich unstrittig. Du willst doch aber auf das Faktum (den Denker) schließen, das sich hinter dem Phänomen verbirgt. Das ist schon nicht mehr ganz so trivial. Wenn man's genau nimmt, ist der Schluß sogar eine "metaphysische Hochleistung"
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Was spricht dagegen, daß es auch Gedanken ohne einen materiellen "Denker" geben könnte? Könnte ich nicht genauso gut auch behaupten: "Kein Denker ohne Dinge, die gedacht werden" - "Kein Überleben ohne approximativ korrektes Erkennen der Wirklichkeit?" - "keine 'reactio' ohne 'actio'" - "keine Wirkung ohne Ursache?" - "Kein Zweifel ohne Selbstzweifel"? |
Der "Denker" erfindet seine Weltsicht, er konstruiert daraus gewisse Eigenschaften, die er dann als Dinge bezeichnet. Woher kommen denn die Gedanken, doch nicht als göttliche Eingebung? |
Warum denn nicht?! Nicolas de Malebranche's Okkasionismusist gar nicht so weit von der Idee entfernt. Einem wahren Skeptizisten würden solcherlei Gedanke nicht fremd vorkommen. Dein Skeptizismus scheint mir nicht radikal genug zu sein
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Es besteht doch eine gewisse Form von Irreversibilität bei den Konklusionen 'reactio', 'Wirkung', 'Gedanken' gegenüber den Prämissen 'actio', 'Ursache', 'Denker'. Und "cogito, ergo sum", ist also der Denker ein Ding? |
Kommt darauf an, ob Du mich als Realisten und Wissenschaftstreibenden befragst oder als jemanden, der seine rationale Position ablegt und den Skeptizisten von der Kette läßt. Ersterer würde sagen: "Natürlich!". Letzterer würde entgegnen: "Bevor Du nicht logisch zwigend bewiesen hast, daß der Gedanke auch einen Denker hat, ist die Frage falsch gestellt."
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Kurz und gut: Mußt Du für die Begründung des Solipsismus oder radikalen Konstruktivismus nicht ebenso (kühne) Annahmen voraussetzen, wie z.B. ein Realist? |
Natürlich noch wesentlich kühnere! Der Abstraktionsgrad des Realisten ist ja per definitionem nicht sonderlich hoch. |
Das ist es, was ich meinte! Vertrat aber der radikale Konstruktivismus nicht einmal den Anspruch, mit den sparsamsten, minimalistischsten und überhaupt mit am wenigsten unbeweisbaren Annahmen auszukommen?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | BTW, auch ein Blinder, der durch den Wald irrt, der aber nicht mit den Bäumen kollidiert und irgendwann nach Hause findet, geht auf einem durch die Realität "vorgegebenen" Weg. Die Frage ist demnach: Kann der radikale Konstruktivismus den Unterschied zwischen "Überlebensadäquat" und dem "approximativen Erkennen" des von der Realität "vorgegebenen Weges" überhaupt rechtfertigen? | Für mich ist "Überlebensadäquat" der primäre Begriff. Wenn's gut geht, ist das dann "approximatives Erkennen". | Hmmm... mir ist aber nicht klar, inwieweit die Unterscheidung der Begriffe "Überlebensadäquat" und "approximatives Erkennen" wirklich die sparsamere Annahme sein soll. Die semantische (meines Erachtens überflüssige) Trennung scheint mir sogar ein zusätzliches ontologisches Postulat zu sein, das IMAO nie richtig begründet wurde. Daher nochmals die Frage: Wie kann ein Weltbild überlebensadäquat sein, wenn es die Welt nicht wenigstens teilweise korrekt abbildet? |
Ganz leicht: Nur wer lebt, hat auch die Chance, zu erkennen! Auch Schrödingers Katze weiß, dass sie lebendig ist. Sie weiß nicht, dass sie tot ist (Die Mehrdeutigkeit ist hier Absicht).
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Falls alles gut geht: Woher sollte der Blinde denn wissen, das es möglich ist, mit Bäumen zu kollidieren? | Gar nicht. Aber der Weg, den der Blinde entlangstolpert, "stimmt"; er ist in Wirklichkeit da, auch wenn sein Weltbild noch so restringiert ist! Der Blinde kann keinen Weg entlanglaufen, der gar nicht vorhanden ist. Ansonsten müßte er sich an den Bäumen den Kopf einrennen, ohne es zu merken! Insofern stützt das Beispiel meine Annahme, daß es gar keinen Unterschied zwischen "überlebensadäquat" und "approximativ richtiger Erkenntnis" gibt. Findest Du ein Gegenbeispiel? |
Klar! Warum "stimmt" den der Weg, wie orientiert sich denn der Blinde? Und was ist, wenn er vom Blitz getroffen wird, was 'nützt' ihm das?
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Mein Argument war eigentlich ein anderes: Wir sind uns einig, daß der Blinde so gut wie nichts erkennt. Aber das, was er erkennt, (er muß sich mit seinem Tastsinn und Gehör behelfen), kann in der Wirklichkeit nicht völlig fehlen - der Sinneseindruck muß eine in Teilen korrekte ontologische Entsprechung haben! Wenn er gegen den Baum rennt, spürt er das. Wenn er vom Blitz getroffen wird, schlägt sich das - gelinde gesprochen - in seinem Weltbild nieder. Damit ist für mich "überlebensadäquat" gleichbedeutend mit einem "approximativ richtigen Erkennen" der Wirklichkeit. Es Gegenbeispiel wäre für mich, wenn Du mir einen Blinden zeigen kannst, der permanent gegen den Baum rennt, während er glaubt, zuhause angekommen zu sein. Oder einen Affen, der beim Schwinghangeln den Ast verfehlt und trotzdem meint, er habe gegriffen
Grüße
Martin
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#126656) Verfasst am: 19.05.2004, 02:47 Titel: |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Sorry, Bildungsdefizit - was meinst Du mit "Wittgensteinscher Leiter"? Mir fällt gerade nur das Wittgensteinsche Sinnkriterium ein, auf das sich der Positivismus gerne beruft, wenn er gerade dem Irrglauben huldigt, man könne so etwas wie eine Wissenschaft ohne ontologische (vulgo: metaphysische) Voraussetzungen betreiben. |
In meinen Worten: Wenn Du einen Ort gefunden hast, brauchst Du den Weg nicht mehr. Man hört bei Wittgenstein doch schon den "Inschnör" heraus, nicht? Aber welche Voraussetzungen sind denn für Metaphysik nötig?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Der Denkprozeß ist das Phänomen und als solches natürlich unstrittig. Du willst doch aber auf das Faktum (den Denker) schließen, das sich hinter dem Phänomen verbirgt. Das ist schon nicht mehr ganz so trivial. Wenn man's genau nimmt, ist der Schluß sogar eine "metaphysische Hochleistung" |
Eigentlich nicht. Das eine bedingt das andere und Du kannst die Relation "Denker" - "denken" nicht auflösen.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Warum denn nicht?! Nicolas de Malebranche's Okkasionismusist gar nicht so weit von der Idee entfernt. Einem wahren Skeptizisten würden solcherlei Gedanke nicht fremd vorkommen. Dein Skeptizismus scheint mir nicht radikal genug zu sein |
Der Okkasionalismus gibt aber die Kausalität auf - da ist dann ziemlich schnell das Ende der Fahnenstange erreicht. Wie soll denn eine 'göttliche Eingebung' funktionieren?! BTW: Ich bin kein Radikaler Skeptizist!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Es besteht doch eine gewisse Form von Irreversibilität bei den Konklusionen 'reactio', 'Wirkung', 'Gedanken' gegenüber den Prämissen 'actio', 'Ursache', 'Denker'. Und "cogito, ergo sum", ist also der Denker ein Ding? |
Kommt darauf an, ob Du mich als Realisten und Wissenschaftstreibenden befragst oder als jemanden, der seine rationale Position ablegt und den Skeptizisten von der Kette läßt. Ersterer würde sagen: "Natürlich!". Letzterer würde entgegnen: "Bevor Du nicht logisch zwigend bewiesen hast, daß der Gedanke auch einen Denker hat, ist die Frage falsch gestellt." |
Okay, aber auch für letzteren sollte Descartes genügen.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Kurz und gut: Mußt Du für die Begründung des Solipsismus oder radikalen Konstruktivismus nicht ebenso (kühne) Annahmen voraussetzen, wie z.B. ein Realist? |
Natürlich noch wesentlich kühnere! Der Abstraktionsgrad des Realisten ist ja per definitionem nicht sonderlich hoch. |
Das ist es, was ich meinte! Vertrat aber der radikale Konstruktivismus nicht einmal den Anspruch, mit den sparsamsten, minimalistischsten und überhaupt mit am wenigsten unbeweisbaren Annahmen auszukommen? |
Nun, das ist ja kein Widerspruch! Denke etwa an ein ideales Gas, ein ideales Pendel - gibt es nicht, aber in der Abstraktheit von hohem Erklärungswert.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Mein Argument war eigentlich ein anderes: Wir sind uns einig, daß der Blinde so gut wie nichts erkennt. Aber das, was er erkennt, (er muß sich mit seinem Tastsinn und Gehör behelfen), kann in der Wirklichkeit nicht völlig fehlen - der Sinneseindruck muß eine in Teilen korrekte ontologische Entsprechung haben! Wenn er gegen den Baum rennt, spürt er das. Wenn er vom Blitz getroffen wird, schlägt sich das - gelinde gesprochen - in seinem Weltbild nieder. Damit ist für mich "überlebensadäquat" gleichbedeutend mit einem "approximativ richtigen Erkennen" der Wirklichkeit. Es Gegenbeispiel wäre für mich, wenn Du mir einen Blinden zeigen kannst, der permanent gegen den Baum rennt, während er glaubt, zuhause angekommen zu sein. Oder einen Affen, der beim Schwinghangeln den Ast verfehlt und trotzdem meint, er habe gegriffen |
Ich denke, ich hatte Dich schon verstanden. Der Weg wird wohl richtig gewesen sein, wenn Du angekommen bist. Vorher hast Du nur eine Vermutung. Hinterher läßt sich dann leicht behaupten: Prima, das wird an meiner tollen Ontologie gelegen haben. So a la: "Was, das Rauchen soll schädlich sein? - Dabei rauche ich wie ein Schlot und bin schon 100 Jahre alt ... !"
Cheers,
Lamarck
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„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Tso Wang Vergiß es
Anmeldungsdatum: 21.09.2003 Beiträge: 1433
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(#127186) Verfasst am: 20.05.2004, 09:29 Titel: |
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Um noch mal auf das Wechselspiel 'Erbgut-Umwelteinflüsse' zu sprechen zu kommen:
'Believer' (mykath) hat diese leider als Unsinn abqualifiziert (trotz Craig Venters Aussage: 'We simply do not have enough genes for this idea of biological determinism to be right. The wonderful diversity of human species is not hard-wired in our genetic code. Our environments are critical." /Time-Artikel).
Aber auch andere Wissenschaftler weisen explizit auf dieses Wechselspiel hin, wie z.B. Wilmut/ Campbell/ Tudge ("Dolly"):
'Andererseits wissen wir aber auch, daß Gene nicht isoliert arbeiten. Sie befinden sich in einem ständigen Dialog mit dem Rest der Zelle, die ihrerseits auf Signale der anderen Körperzellen reagiert, so daß sich am Ende ein Kontakt mit der weiteren Umgebung ergibt.
[...]
Der Dialog zwischen den Genen und ihrer Umgebung ist uns in großen Zügen bekannt, doch wir brauchen weitere Informationen. Dieser Dialog bestimmt die Entwicklung eines Organismus von einer einzigen Zelle zum ausgewachsenen Schaf - oder zum Menschen oder zum Eichbaum. Er legt fest, daß einige Zellen des Tieres das Gehirn bilden, während andere Leber, Lunge und all die anderen Gewebe aufbauen. Mit anderen Worten, der Dialog ist für Differenzierungsprozesse verantwortlich. Manchmal werden Geburtsfehler durch Defekte in den Genen selbst - durch schädliche Mutationen - hervorgerufen, manchmal gehen sie aber auch auf Störungen im Dialog zwischen Genen und ihrer Umgebung zurück., Störungen , die etwa durch Gifte oder Infektionen hervorgerufen werden.
Der Dialog zwischen den Genen und der Umgebung setzt sich nach der Geburt des Tieres fort und hält sein ganzes Leben lang an. Wenn er nicht richtig funktioniert, geraten wir außer Kontrolle. Die Zellen beginnen wild zu wuchern, und das Resultat ist Krebs. Kurzum, erst wenn wir verstehen, wie die Gene mit ihrer Umgebung interagieren - wenn wir das Wesen des Dialogs begreifen -, wird uns wirklich klar werden, wie der Körper arbeitet,...'
Auch im letzten SdW erschien ein interessanter Bericht über den 'Faktor Umgebung'. Dort wurde berichtet, wie beispielsweise beispielsweise bei Nagetieren die Physiologie der Feten von der Lage im Uterus abhängig ist. Weibliche Feten, die in zwischen zwei männlichen positioniert liegen, entwickeln 'vermännlichte' Eigenschaften (sowohl in der Physiologie als auch im Verhalten).
Aber auch sog. 'endocrine disruptors' (natürliche und v.a. 'künstliche' Stoffe aus der Umwelt) scheinen einen großen Einfluß auf die Genexpression zu haben.
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Der Buddha sagte: "Liebe Freunde, ich habe im Tiefsten erkannt, daß nichts aus sich selbst heraus und für sich allein existieren kann, daß es nur 'Intersein' gibt: wechselseitiges Verwoben- und Abhängigsein von allem mit allem anderen. Ich habe erkannt, daß allen Wesen die Kraft des Erwachens innewohnt."
(Thich Nhat Hanh: 'Das Herz von Buddhas Lehre')
_________________ Geh' weiter
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#127496) Verfasst am: 21.05.2004, 10:37 Titel: |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Sorry, Bildungsdefizit - was meinst Du mit "Wittgensteinscher Leiter"? Mir fällt gerade nur das Wittgensteinsche Sinnkriterium ein, auf das sich der Positivismus gerne beruft, wenn er gerade dem Irrglauben huldigt, man könne so etwas wie eine Wissenschaft ohne ontologische (vulgo: metaphysische) Voraussetzungen betreiben. |
In meinen Worten: Wenn Du einen Ort gefunden hast, brauchst Du den Weg nicht mehr. Man hört bei Wittgenstein doch schon den "Inschnör" heraus, nicht? Aber welche Voraussetzungen sind denn für Metaphysik nötig? |
Gute Frage. Vermutlich die intellektuelle Fähigkeit, die "Wirklichkeit" von der Sinneswahrnehmung zu abstrahieren. Mich überzeugt nur das Ort-Weg-Beispiel nicht: Das Auffinden des "Ortes" setzt die partiell korrekte Wahrnehmung des Weges bereits voraus. Der Blinde internalisiert den Weg zwar nicht in allen Einzelheiten, muß sich aber an irgendwelchen Wegmarken orientieren, die "wirklich da" sind. Sonst hat er keine Chance, jemals am (richtigen) Ort anzukommen und geht zugrunde.
Du könntest als Ausweg natürlich den Zufall bemühen, wonach der Blinde durch orientierungsloses Umhertorkeln den Ort irgendwann schon einmal finden wird. Bloß die Tatsache, daß mindestens 2 Millionen rezente Spezies den richtigen Ort so gut wie immer finden (und sich dazu eines mehr oder weniger "normierten" Verhaltensrepertoires bedienen) zeigt, daß man dem Zufall an der Stelle nicht zuviel zumuten sollte.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Der Denkprozeß ist das Phänomen und als solches natürlich unstrittig. Du willst doch aber auf das Faktum (den Denker) schließen, das sich hinter dem Phänomen verbirgt. Das ist schon nicht mehr ganz so trivial. Wenn man's genau nimmt, ist der Schluß sogar eine "metaphysische Hochleistung" |
Eigentlich nicht. Das eine bedingt das andere und Du kannst die Relation "Denker" - "denken" nicht auflösen. |
OK, aus introspektiver Sicht hast Du Recht. Nur existiert diese Relation eben nicht zwingend. (Oder kannst Du die gegenteilige Behauptung widerlegen?) Genau genommen ist das Postulieren der Relation "Gedanke - Denker" genauso ein synthetisches a-priori-Urteil, wie die Relation "Koinzidenz - Kausalität" auch.
Kurzum: Wenn ich behaupte, der Realismus sei nicht beweisbar, muß dies vice versa auch für alle anderen epistemologische Richtungen gelten - es gibt dann auch kein "cogito ergo sum" mehr (allenfalls als "Heuristik"). Wer den Zweifel in die Welt einführt, kann nicht mehr gegen den Zweifel am Zweifel argumentieren.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Warum denn nicht?! Nicolas de Malebranche's Okkasionismusist gar nicht so weit von der Idee entfernt. Einem wahren Skeptizisten würden solcherlei Gedanke nicht fremd vorkommen. Dein Skeptizismus scheint mir nicht radikal genug zu sein |
Der Okkasionalismus gibt aber die Kausalität auf - da ist dann ziemlich schnell das Ende der Fahnenstange erreicht. Wie soll denn eine 'göttliche Eingebung' funktionieren?! BTW: Ich bin kein Radikaler Skeptizist! |
Ups, verzeih meine Unterstellung. Ich dachte nur, der Schritt vom radikalen Konstruktivismus zum radikalen Skeptizismus sei nur noch ein Katzensprung (oder zumindest die logisch konsequente Fortführung der Argumentation)
Nachtrag 11:25 Uhr:
Versteh' mich nicht falsch: Ich möchte nicht irgendwelchen obskuranten Thesen das Wort reden. Worum es mir in dem Beispiel mit der "göttlichen Eingebung" ging ist es zu zeigen, daß nichts zwingend beweisbar ist. Es gibt dann eben keine von vorne herein prädestinierte Erkenntnistheorie, wie z.B. den radikalen Konstruktivismus. Die Entscheidung, welche Erkenntnistheorie die "bessere" ist, wird IMAO durch methodologische Prinzipien erzwungen (ein Empirist würde sagen: im Sinne von "Heuristik"). Diejenige Erkenntnistheorie, die sich wissenschaftlich bewährt, bekommt den Vorzug. In dieser (und nur in dieser!) Hinsicht sieht es nach meinem Verständnis aber eher mau aus für den radikalen Konstruktivismus.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Vertrat aber der radikale Konstruktivismus nicht einmal den Anspruch, mit den sparsamsten, minimalistischsten und überhaupt mit am wenigsten unbeweisbaren Annahmen auszukommen? |
Nun, das ist ja kein Widerspruch! Denke etwa an ein ideales Gas, ein ideales Pendel - gibt es nicht, aber in der Abstraktheit von hohem Erklärungswert. |
Sicher. Aber liegt es nicht in der Natur der Sache, daß der Physiker in aller Regel davon ausgeht, daß seine "mathematischen Konstrukte" auch eine ontologische Entsprechung haben? Insofern sehe ich nicht, inwiefern Deine Beispiele den radikalen Konstruktivismus stützen. Wenn Du von einem moderaten Konstruktivismus sprechen würdest, wären wir uns einig.
[...]
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Der Weg wird wohl richtig gewesen sein, wenn Du angekommen bist. Vorher hast Du nur eine Vermutung. Hinterher läßt sich dann leicht behaupten: Prima, das wird an meiner tollen Ontologie gelegen haben. So a la: "Was, das Rauchen soll schädlich sein? - Dabei rauche ich wie ein Schlot und bin schon 100 Jahre alt ... !" |
Siehe oben. Meines Erachtens hinkt auch Dein Beispiel mit dem Raucher: Er mag vielleicht nicht realisieren, daß sein Weg von schädlichem Rauch umnebelt ist, der ihn umbringen könnte. Er sieht aber die Wegmarken - vor allem, die, auf der die "100" geschrieben steht
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
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Tso Wang Vergiß es
Anmeldungsdatum: 21.09.2003 Beiträge: 1433
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(#128678) Verfasst am: 23.05.2004, 16:29 Titel: |
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Heute 20:15 bei XXP:
'DNA - Mutationen des Lebens - Bauplan des Körpers.'
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_________________ Geh' weiter
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Lars unregistrierter User
Anmeldungsdatum: 23.05.2004 Beiträge: 240
Wohnort: Berlin
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(#129163) Verfasst am: 24.05.2004, 16:50 Titel: |
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Für mich ist das Problem am Solipsismus einfach dieses:
wenn ICH ein Solipsist bin, könnte ich damit recht haben. Wenn DU aber ein Solipsist bist weiß ich, dass du irrst, denn ich weiß, dass ich existiere.
Das Ergebnis ist, dass 6 Milliarden Menschen mit Sicherheit unrecht haben, wenn sie Solipsismus vertreten, aber nur einer möglicherweise recht.
Ansonsten erlebe ich aber dass das Universum (egal was es "wirklich" ist) sehr einfach aufgebaut ist. Ich kann ausserhalb von mir keine irgendwie ausgezeichneten Punkte finden.
Deshalb neige ich dazu auch mich selbst als prinzipiell von gleicher Art anzusehen, wie alle anderen Menschen auch. (Die Möglichkeit des Irrtums ist dabei natürlich vorhanden. Wenn ich an mir je gottähnliche Fähigkeiten feststellen sollte werde ich meine Meinung vielleicht ändern.)
Letztlich macht diese sozial korrigierte Weltsicht aber jede Philosophie fragwürdig, die prinzipiell zwischen einer Innenwelt und einer Außenwelt unterscheidet. Was ich nämlich als Innenwelt erlebe, können die Anderen nur als Funktion meines Körpers und damit ihrer (und meiner) Außenwelt wahrnehmen. Während ich für mich also sicherlich in meiner Innennenwelt nur ein Bild meiner Außenwelt konstruiere, ist die einzige Sicht der Welt, die ich mit anderen Menschen kommunizieren kann, die genau umgekehrte, dass meine Innenwelt nur eine Konstruktion unserer gemeinsamen Außenwelt ist.
Für (vorläufig) "real" kann ich dann (zumindest für die Praxis) solche Wahrnehmungen halten, die ich (zumindest scheinbar) mit anderen Menschen teile.
Das bedeutet natürlich noch nicht, dass das Universum in einem "absoluten Sinne real" ist. Aber ganz abgesehen davon dass ich bisher noch keine überzeugende Definition gesehen habe, was eine solche "absolute Realität" überhaupt sein soll, was würde es denn bedeuten wenn unser Universum nicht "absolut real" sondern zum Beispiel so etwas wie eine Computersimulation wäre?
Das Univerum, das wir untersuchen und verstehen können und müssen, wäre dann immer noch eben diese Simulation und nicht der dahinter stehende Computer.
Aussagen über nicht wahrnehmbare Realitäten können grundsätzlich nur wilde Spekulationen sein. Im wahrnehmbaren Bereich stelle ich aber fest, dass ich grundsätzlich weitaus mehr falsche positive Aussagen machen kann, als wahre. Deshalb denke ich, habe ich mit hoher Wahrscheinlichkeit Recht, wenn ich jede dieser Spekulationen als falsch bezeichne. Nicht wegen der Begrenztheit der Möglichkeiten, sondern wegen ihrer Vielzahl.
_________________ 1. Mose 6, 5-6:
Und der Mensch sah, daß die Bosheit des Gottes im Himmel groß war und alles Sinnen der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag.
Und es reute den Menschen, daß er den Gott im Himmel gemacht hatte, und es bekümmerte ihn in sein Herz hinein.
(leicht aktualisiert)
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#129196) Verfasst am: 24.05.2004, 17:47 Titel: |
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Hi Lars,
Lars hat folgendes geschrieben: | Für mich ist das Problem am Solipsismus einfach dieses:
wenn ICH ein Solipsist bin, könnte ich damit recht haben. Wenn DU aber ein Solipsist bist weiß ich, dass du irrst, denn ich weiß, dass ich existiere.
Das Ergebnis ist, dass 6 Milliarden Menschen mit Sicherheit unrecht haben, wenn sie Solipsismus vertreten, aber nur einer möglicherweise recht. |
Richtig. Doch Du kannst dem Solipsismus nicht mit rationalen Überlegungen zuleibe rücken. Das ist es, was ich früher schon geschrieben habe: Da er nichts vorraussetzt, außer die eigene Existenz, widersetzt er sich auch allen Rationalitätsstandards, die für einen Diskurs vonnöten wären. Folglich kann man im Rahmen des Solipsismus nicht mehr sinnvoll argumentieren; er ist heuristisch vollkommen steril.
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
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El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
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(#129207) Verfasst am: 24.05.2004, 18:01 Titel: |
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Hi Lars,
Lars hat folgendes geschrieben: | Für mich ist das Problem am Solipsismus einfach dieses:
wenn ICH ein Solipsist bin, könnte ich damit recht haben. Wenn DU aber ein Solipsist bist weiß ich, dass du irrst, denn ich weiß, dass ich existiere. |
man kann das hübsch als 'Willkommen im Club der Solipsisten!' persiflieren.
Wie Dir auch Martin schon geschrieben hast, spricht nichts für den Solipsismus, aber an seiner Widerlegung haben sich schon die Griechen die Zähne ausgebissen. Selbst das buchstäblich 'schlagende Argument' überzeugt den aufrechten Solipsisten nicht: Auch der Schläger existiert nur in seinem Bewusstsein. Aber auch nach dem Griechen hat es keiner geschafft.
Wittgenstein, der sich 'rühmte', keine klassische philosophische Literatur gelesen zu haben, war einer der wenigen, die meinten, den Solipsismus widerlegt zu haben. Vielleicht hätte er doch das eine oder andere Buch lesen sollen.
Nett ist auch Russells Schilderung: er war sich klar, dass er nicht beweisen konnte, dass seine Katze nicht nur in seinem Bewusstsein existiert, aber wenn er die einige Zeit nicht gesehen hat und die dann Hunger hat, schien ihm das durch die reale Existenz dieses Wesens plausibler erklärbar zu sein als durch seine eigenen Hirnfunktionen.
AFAIK ist das Problem immer noch nicht gelöst, aber das ist eher nebensächlich. Ich glaube nicht, dass gegebenenfalls in der BILD-Zeitung eine dicke Schlagzeile erscheinen würde 'Endlich! Der Solipsismus ist widerlegt!'.
Grüßle
Thomas
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Lars unregistrierter User
Anmeldungsdatum: 23.05.2004 Beiträge: 240
Wohnort: Berlin
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(#129240) Verfasst am: 24.05.2004, 18:59 Titel: |
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Hi Martin, Hi Thomas
Ich kann euch da nur uneingeschränkt zustimmen. Natürlich kann man Soipsismus nicht widerlegen, da man nämlich genaugenommen nicht einmal wirklich darüber diskutieren kann, schließlich gehören dazu ja immer mindestens zwei. Wenn Solipsismus aber stimmt besteht das ganze Universum ja nur aus einer Person.
Darum ging es mir aber auch gar nicht. Mein Post war ja auch noch etwas länger.
Was ich ausdrücken will ist, dass ich Solipsismus letztlich nur für die extremste Ausprägung eines allgemeineren Subjektivismus halte, der sehr viel verbreiteter ist und darin besteht zu betonen Wahrheit könne für verschiedene Personen verschieden sein. (so eine Vorstellung scheint mir zum Beispiel auch in einem ausgeprägten Konstruktivismus zu stecken)
Wenn man in diesem Subjektivismus konsequent ist muss man sich aber letztlich fragen, wie man dann überhaupt ernsthaft hoffen kann, dass der andere das was man sagt auch nur annähernd so ähnlich versteht wie man es gemeint hat. Damit würde jede Sinnstiftende Kommunikation letztlich zusammenbrechen.
Deshalb halte ich es grundsätzlich für fragwürdig, die Welt "draußen" als etwas von mir abgetrenntes zu betrachten, bei dem ich mich dan nach der Beziehung zwischen dieser Welt und meinem Erleben fragen muss, das so nicht mehr Teil dieser Welt ist.
So gesehen scheint es mir fruchtbarer mich so zu verstehen zu versuchen, wie andere mich sehen können - als Teil dieser Welt, der in seinem Gehirn eine Abbildung dieser Welt erschafft.
_________________ 1. Mose 6, 5-6:
Und der Mensch sah, daß die Bosheit des Gottes im Himmel groß war und alles Sinnen der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag.
Und es reute den Menschen, daß er den Gott im Himmel gemacht hatte, und es bekümmerte ihn in sein Herz hinein.
(leicht aktualisiert)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#129433) Verfasst am: 25.05.2004, 02:47 Titel: |
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Hi Tso Wang!
Tso Wang hat folgendes geschrieben: | Um noch mal auf das Wechselspiel 'Erbgut-Umwelteinflüsse' zu sprechen zu kommen:
'Believer' (mykath) hat diese leider als Unsinn abqualifiziert (trotz Craig Venters Aussage: 'We simply do not have enough genes for this idea of biological determinism to be right. The wonderful diversity of human species is not hard-wired in our genetic code. Our environments are critical." /Time-Artikel).
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Bleibt noch anzumerken: 'Kritisch' ist nicht die Umwelt, 'kritisch' ist das System Organismus <-> Umwelt.
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#129440) Verfasst am: 25.05.2004, 04:23 Titel: |
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Hi Martin,
mit der "Wittgensteinschen Leiter" ist folgendes gemeint: Du kannst eine philosophische Position als Leiter dafür benutzen, um zu einer anderen Philosophie zu gelangen. Auch wenn Deine vorherige Position erfolgreich angegriffen wird und Deine "Leiter" umstürzt, würde sich dies nicht auf Deine rezente Position auswirken.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Gute Frage. Vermutlich die intellektuelle Fähigkeit, die "Wirklichkeit" von der Sinneswahrnehmung zu abstrahieren. Mich überzeugt nur das Ort-Weg-Beispiel nicht: Das Auffinden des "Ortes" setzt die partiell korrekte Wahrnehmung des Weges bereits voraus. Der Blinde internalisiert den Weg zwar nicht in allen Einzelheiten, muß sich aber an irgendwelchen Wegmarken orientieren, die "wirklich da" sind. Sonst hat er keine Chance, jemals am (richtigen) Ort anzukommen und geht zugrunde.
|
Was ist "wirklich da"? - Etwa die Abstraktion der "Wirklichkeit" von Wegmarken?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Du könntest als Ausweg natürlich den Zufall bemühen, wonach der Blinde durch orientierungsloses Umhertorkeln den Ort irgendwann schon einmal finden wird. Bloß die Tatsache, daß mindestens 2 Millionen rezente Spezies den richtigen Ort so gut wie immer finden (und sich dazu eines mehr oder weniger "normierten" Verhaltensrepertoires bedienen) zeigt, daß man dem Zufall an der Stelle nicht zuviel zumuten sollte.
|
Na, na, na! Es ist schon von Vorteil, den Intellekt statt des Zufalls zu bemühen. Und das gilt besonders bei (philosophischen ) Orientierungsproblemen. Und den Weg konstruiere ich mir internalistisch. Und wenn ich glaube, ich müßte eigentlich angekommen sein, und glaube weiters, ich bin aber noch nicht am Ziel, so ändert sich etwas an der entsprechenden Viabilität. Den:
Zitat: |
<Heinz von Foerster>
Meine Formel lautet: Das Funktionieren ist ein Beleg für das Funktionieren. Wieso soll ich dieses Funktionieren jetzt mit diesen lächerlichen acht Buchstaben W, A, H, R, H, E, I, T gleichsetzen? Wozu? Um recht zu behalten? Um dem anderen über den Kopf zu hauen?
|
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Der Denkprozeß ist das Phänomen und als solches natürlich unstrittig. Du willst doch aber auf das Faktum (den Denker) schließen, das sich hinter dem Phänomen verbirgt. Das ist schon nicht mehr ganz so trivial. Wenn man's genau nimmt, ist der Schluß sogar eine "metaphysische Hochleistung" |
Eigentlich nicht. Das eine bedingt das andere und Du kannst die Relation "Denker" - "denken" nicht auflösen. |
OK, aus introspektiver Sicht hast Du Recht. Nur existiert diese Relation eben nicht zwingend. (Oder kannst Du die gegenteilige Behauptung widerlegen?) Genau genommen ist das Postulieren der Relation "Gedanke - Denker" genauso ein synthetisches a-priori-Urteil, wie die Relation "Koinzidenz - Kausalität" auch. |
Dies wiederlege ich mit Ockhams Rasiermesser wie folgt:
Zitat: |
<Pierre Simon Laplace>
"Je n'avais pas besoin de cette hypothèse–la." (Ich benötige diese Hypothese nicht)
|
Die genannte Relation kann auch beliebig fortgesetzt werden: "Denker" - "denken" - "Gedanken" - ... . - Das ist dann Linguistik (Oder gar steps formale Systeme). Und diese Begriffe, die Linguistik, ihre Symbole, ihre Repräsentationen, die Repräsentationen der Repräsentationen, sind eindeutig internal. Es ist eine a-priori-Synthese; das Urteil (die Analyse) folgt gebenenfalls. Das ist dann Viabilität.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Kurzum: Wenn ich behaupte, der Realismus sei nicht beweisbar, muß dies vice versa auch für alle anderen epistemologische Richtungen gelten - es gibt dann auch kein "cogito ergo sum" mehr (allenfalls als "Heuristik"). Wer den Zweifel in die Welt einführt, kann nicht mehr gegen den Zweifel am Zweifel argumentieren.
|
Dann könntest Du Deine Philosophie mit gleichem Recht auch hypothetisches "Irgendwas" nennen. Das scheint mir wenig sinnversprechend zu sein. Und warum soll Heuristik nichts beweisen können!? Und auch für den Zweifel am Zweifel usf. gilt die Viabilität, wenn Du nicht in einem unendlichen Regress kommen willst.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Ups, verzeih meine Unterstellung. Ich dachte nur, der Schritt vom radikalen Konstruktivismus zum radikalen Skeptizismus sei nur noch ein Katzensprung (oder zumindest die logisch konsequente Fortführung der Argumentation)
|
Der Katzensprung ist die Ontologie, den der Skeptizismus nicht aufgegeben hat.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Versteh' mich nicht falsch: Ich möchte nicht irgendwelchen obskuranten Thesen das Wort reden. Worum es mir in dem Beispiel mit der "göttlichen Eingebung" ging ist es zu zeigen, daß nichts zwingend beweisbar ist. Es gibt dann eben keine von vorne herein prädestinierte Erkenntnistheorie, wie z.B. den radikalen Konstruktivismus. Die Entscheidung, welche Erkenntnistheorie die "bessere" ist, wird IMAO durch methodologische Prinzipien erzwungen (ein Empirist würde sagen: im Sinne von "Heuristik"). Diejenige Erkenntnistheorie, die sich wissenschaftlich bewährt, bekommt den Vorzug. In dieser (und nur in dieser!) Hinsicht sieht es nach meinem Verständnis aber eher mau aus für den radikalen Konstruktivismus.
|
Genau das (!) ist aber mit Viabilität gemeint:
Zitat: |
<Ernst von Glasersfeld>
Handlungen, Begriffe und begriffliche Operationen sind dann viabel, wenn sie zu den Zwecken oder Beschreibungen passen, für die wir sie benutzen.
|
Also: Dinge, Objekte usw. können nicht ihrem Wesen nach erfaßt werden, sondern werden mittels Modellen "konstruiert". Heuristik mithin. Deswegen brauchst Du hier auch keine Metaphysik.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Aber liegt es nicht in der Natur der Sache, daß der Physiker in aller Regel davon ausgeht, daß seine "mathematischen Konstrukte" auch eine ontologische Entsprechung haben? Insofern sehe ich nicht, inwiefern Deine Beispiele den radikalen Konstruktivismus stützen.
|
Was soll das sein, eine ontologische Entsprechung? Der Physiker sieht, das es funktioniert. Was viabel ist, benötigt keine spezielle Ontologie. Oder hat auch die Ontologie eine ontologische Entsprechung?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Der Weg wird wohl richtig gewesen sein, wenn Du angekommen bist. Vorher hast Du nur eine Vermutung. Hinterher läßt sich dann leicht behaupten: Prima, das wird an meiner tollen Ontologie gelegen haben. So a la: "Was, das Rauchen soll schädlich sein? - Dabei rauche ich wie ein Schlot und bin schon 100 Jahre alt ... !" |
Siehe oben. Meines Erachtens hinkt auch Dein Beispiel mit dem Raucher: Er mag vielleicht nicht realisieren, daß sein Weg von schädlichem Rauch umnebelt ist, der ihn umbringen könnte. Er sieht aber die Wegmarken - vor allem, die, auf der die "100" geschrieben steht
|
Er "sieht" die Wegmarken (zu welchem Ziel?) nur, wenn er noch lebt. Ob Du Rauchschwaden oder Bäume nimmst, bleibt sich gleich. Die Frage ist nur: Wie kann der Raucher die Schadeinwirkungen "realisieren"? Vielleicht durch die Werbung der Zigarettenindustrie!?
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#129798) Verfasst am: 25.05.2004, 21:54 Titel: |
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Hi Lamarck,
[...]
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Du könntest als Ausweg natürlich den Zufall bemühen, wonach der Blinde durch orientierungsloses Umhertorkeln den Ort irgendwann schon einmal finden wird. Bloß die Tatsache, daß mindestens 2 Millionen rezente Spezies den richtigen Ort so gut wie immer finden (und sich dazu eines mehr oder weniger "normierten" Verhaltensrepertoires bedienen) zeigt, daß man dem Zufall an der Stelle nicht zuviel zumuten sollte.
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Na, na, na! Es ist schon von Vorteil, den Intellekt statt des Zufalls zu bemühen. Und das gilt besonders bei (philosophischen ) Orientierungsproblemen. |
Nette Spitze, bloß ist der Realismus die letzte Erkenntnistheorie, die den Zufall nötig hätte Nein, im Ernst: Mir ist Deine Begründung im Hinblick auf das Ort-Weg-Beispiel nicht klar. Du schreibst, daß der Blinde den Weg nicht zu kennen braucht, wenn er den Ort gefunden hat. Die eigentlich spannende Frage aber, wie der Blinde den Ort überhaupt finden soll, wenn er den Weg und mit dazuhin die Wegmarken konstruiert, läßt Du offen. (Oder existiert womöglich der Ort gar nicht? )
Müßtest Du hier nicht einräumen, daß Dein Beispiel hinsichtlich Deiner Erkenntnistheorie falsch gewählt war? Oder besser noch: daß gar kein Beispiel zu existieren scheint, das Deine Position mit "Inhalt" füllen könnte)?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | OK, aus introspektiver Sicht hast Du Recht. Nur existiert diese Relation eben nicht zwingend. (Oder kannst Du die gegenteilige Behauptung widerlegen?) Genau genommen ist das Postulieren der Relation "Gedanke - Denker" genauso ein synthetisches a-priori-Urteil, wie die Relation "Koinzidenz - Kausalität" auch. |
Dies wiederlege ich mit Ockhams Rasiermesser wie folgt:
Zitat: |
<Pierre Simon Laplace>
"Je n'avais pas besoin de cette hypothèse–la." (Ich benötige diese Hypothese nicht)
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Das Problem mit Ockham's Razor ist, daß man das Ökonomie-Prinzip auf alles Mögliche anwenden kann: auf die mathematische Struktur von Theorien, die logische Struktur von Erklärungen, die unbewiesenen Prämissen, empirische Adäquatheit, Koherenz,... Natürlich ist die Schöpfungshypothese eine weitaus ökonomischere Erklärung als die Deszendenzhypothese: Eine Ursache erklärt alles. Also haben wir die Evolutionstheorie gar nicht nötig
Auch die Prämissen des radikalen Konstruktivismus lassen sich mit Ockham bequem wegrationalisieren. Man muß sich nur fragen, ob sie für einen Wissenschaftler, dessen Ziel es ist, etwas über die Welt herauszufinden, eine brauchbare Erkentnistheorie sein kann. Wozu all die nutzlosen Sinnesorgane, Meßapparaturen, Modelle und Theorien? Wozu existieren bei Leswesen relativ "einheitliche" Reaktionsnormen, wenn das Weltbild doch nur konstruiert wird? Endet die Wissenschaft nicht in einem fruchtlosen (und von Popper scharf kritisierten) Phänomenalismus? Wie läßt sich die Unterscheidung zwischen den Begriffen "Überlebensadäquatheit und "approximativ wahrer Erkenntnis" überhaupt rechtfertigen? usw. Ein Schelm wäre, wer behaupten würde, Deine Erkenntnistheorie sei mit "unökonomischen" Annahmen förmlich überfrachtet
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Kurzum: Wenn ich behaupte, der Realismus sei nicht beweisbar, muß dies vice versa auch für alle anderen epistemologische Richtungen gelten - es gibt dann auch kein "cogito ergo sum" mehr (allenfalls als "Heuristik"). Wer den Zweifel in die Welt einführt, kann nicht mehr gegen den Zweifel am Zweifel argumentieren.
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Dann könntest Du Deine Philosophie mit gleichem Recht auch hypothetisches "Irgendwas" nennen. Das scheint mir wenig sinnversprechend zu sein. |
Jein. Ist es nicht gerade der radikale Konstruktivismus, der die Welt auf ein undefiniertes "Irgendwas" reduziert? Wenn das Empirische im Ontologischen keine Entsprechung findet, verliert es doch seinen Geltungsbereich. Vielleicht ein abseitiger Vergleich: Metaphorisch gesprochen unternimmt der rK den Versuch, einen elektrischen Dipol in zwei Monopole aufzutrennen. Er sieht die Existenz positiver Ladungen, bestreitet aber die Existenz des negativen Gegenstücks. Denn als gedankliche Konstruktion ist alles Mögliche vorstellbar und nichts widerlegbar
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Genau das (!) ist aber mit Viabilität gemeint:
Zitat: |
<Ernst von Glasersfeld>
Handlungen, Begriffe und begriffliche Operationen sind dann viabel, wenn sie zu den Zwecken oder Beschreibungen passen, für die wir sie benutzen.
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Also: Dinge, Objekte usw. können nicht ihrem Wesen nach erfaßt werden, sondern werden mittels Modellen "konstruiert". Heuristik mithin. Deswegen brauchst Du hier auch keine Metaphysik. |
Hmmm... Die Meinung, keine Metaphysik zu vertreten, ist an sich schon metaphysich
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Aber liegt es nicht in der Natur der Sache, daß der Physiker in aller Regel davon ausgeht, daß seine "mathematischen Konstrukte" auch eine ontologische Entsprechung haben? Insofern sehe ich nicht, inwiefern Deine Beispiele den radikalen Konstruktivismus stützen.
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Was soll das sein, eine ontologische Entsprechung? Der Physiker sieht, das es funktioniert. |
BTW, was ist "es"? Ein radikaler Konstruktivist anerkennt doch keine Entitäten, nur Konstrukte, oder täusch ich mich? Was bedeutet dann aber in diesem Zusammenhang "funktionieren"? Willst Du ein Konstrukt auf sich selber abbilden oder als "funktionierende Funktion" definieren?
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#130329) Verfasst am: 27.05.2004, 02:17 Titel: |
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Hallo Martin,
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Mir ist Deine Begründung im Hinblick auf das Ort-Weg-Beispiel nicht klar. Du schreibst, daß der Blinde den Weg nicht zu kennen braucht, wenn er den Ort gefunden hat. Die eigentlich spannende Frage aber, wie der Blinde den Ort überhaupt finden soll, wenn er den Weg und mit dazuhin die Wegmarken konstruiert, läßt Du offen. (Oder existiert womöglich der Ort gar nicht? )
Müßtest Du hier nicht einräumen, daß Dein Beispiel hinsichtlich Deiner Erkenntnistheorie falsch gewählt war? Oder besser noch: daß gar kein Beispiel zu existieren scheint, das Deine Position mit "Inhalt" füllen könnte)?
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Na, wenn ich eine Metaphysik in Abrede stelle, kannst Du mir schlecht vorhalten, dass Du bei mir keine findest. Der Blinde findet seinen Weg durch Erinnerung oder Kommunikation - also aufgrund einer gewissen intellektuellen Leistung. Im übrigen: Mir scheint, Du hast die Wittgensteinsche Leiter mit dem Beispiel des Blinden vermischt. So hatte ich das nicht gemeint.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Das Problem mit Ockham's Razor ist, daß man das Ökonomie-Prinzip auf alles Mögliche anwenden kann: auf die mathematische Struktur von Theorien, die logische Struktur von Erklärungen, die unbewiesenen Prämissen, empirische Adäquatheit, Koherenz,... Natürlich ist die Schöpfungshypothese eine weitaus ökonomischere Erklärung als die Deszendenzhypothese: Eine Ursache erklärt alles. Also haben wir die Evolutionstheorie gar nicht nötig
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Wenn zwei konkurrierende Hypothesen das gleiche erklären, nimm das, welches mit den wenigsten einzuführenden Annahmen auskommt. Und das ist die Evolutionstheorie. Ich brauche hier nicht auf Übernatürliches zu rekurrieren.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Auch die Prämissen des radikalen Konstruktivismus lassen sich mit Ockham bequem wegrationalisieren. Man muß sich nur fragen, ob sie für einen Wissenschaftler, dessen Ziel es ist, etwas über die Welt herauszufinden, eine brauchbare Erkentnistheorie sein kann. Wozu all die nutzlosen Sinnesorgane, Meßapparaturen, Modelle und Theorien? Wozu existieren bei Leswesen relativ "einheitliche" Reaktionsnormen, wenn das Weltbild doch nur konstruiert wird? Endet die Wissenschaft nicht in einem fruchtlosen (und von Popper scharf kritisierten) Phänomenalismus? Wie läßt sich die Unterscheidung zwischen den Begriffen "Überlebensadäquatheit und "approximativ wahrer Erkenntnis" überhaupt rechtfertigen? usw. Ein Schelm wäre, wer behaupten würde, Deine Erkenntnistheorie sei mit "unökonomischen" Annahmen förmlich überfrachtet
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Wie ich schon sagte, es ist schon von Vorteil, den Intellekt zu benutzen. Sinneseindrücke, Meßapparaturen, Modelle, Theorien, Reaktionsmechanismen etc. sind demzufolge als Produkte des Intellekts - eben Konstruktionen - nicht nutzlos. Nutzlos ist nur, von einem Weltbild zu glauben, es ist 'wahr' im Sinne von "approximativ wahrer Erkenntnis". Ein bißchen 'wahr'?!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Ist es nicht gerade der radikale Konstruktivismus, der die Welt auf ein undefiniertes "Irgendwas" reduziert? Wenn das Empirische im Ontologischen keine Entsprechung findet, verliert es doch seinen Geltungsbereich. Vielleicht ein abseitiger Vergleich: Metaphorisch gesprochen unternimmt der rK den Versuch, einen elektrischen Dipol in zwei Monopole aufzutrennen. Er sieht die Existenz positiver Ladungen, bestreitet aber die Existenz des negativen Gegenstücks. Denn als gedankliche Konstruktion ist alles Mögliche vorstellbar und nichts widerlegbar
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Klar ist 'etwas' widerlegbar; ich z. B. habe den Hypothetischen Realismus widerlegt ... .
Wieso verliert das Empirische seinen Geltungsbereich, wenn es im Ontologischen keine Entsprechung findet? - Ist das Empirische dann nicht mehr empirisch?
Wieviele Möglichkeiten gibt es, ein Hochhaus zu bauen? - Ich glaube, Du hast noch nicht verstanden, wie das mit der Viabilität gemeint ist. Ist es wirklich möglich, gedanklich die Trennung eines Dipols zu konstruieren, ohne den Charakter eine Dipols aufzugeben? - Klingt wie einarmiges Klatschen ... .
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Genau das (!) ist aber mit Viabilität gemeint:
Zitat: |
<Ernst von Glasersfeld>
Handlungen, Begriffe und begriffliche Operationen sind dann viabel, wenn sie zu den Zwecken oder Beschreibungen passen, für die wir sie benutzen.
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Also: Dinge, Objekte usw. können nicht ihrem Wesen nach erfaßt werden, sondern werden mittels Modellen "konstruiert". Heuristik mithin. Deswegen brauchst Du hier auch keine Metaphysik. |
Hmmm... Die Meinung, keine Metaphysik zu vertreten, ist an sich schon metaphysich |
"Dass keine Metaphysik möglich sei, wird zur letzten" (Theodor W. Adorno).
Nehmen wir einmal an, die Metaphysik zu vertreten sei eine Banane. Dann wäre keine Metaphysik zu vertreten keine Banane. Conclusio: Eine Banane ist keine Banane.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Aber liegt es nicht in der Natur der Sache, daß der Physiker in aller Regel davon ausgeht, daß seine "mathematischen Konstrukte" auch eine ontologische Entsprechung haben? Insofern sehe ich nicht, inwiefern Deine Beispiele den radikalen Konstruktivismus stützen.
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Was soll das sein, eine ontologische Entsprechung? Der Physiker sieht, das es funktioniert. |
BTW, was ist "es"? Ein radikaler Konstruktivist anerkennt doch keine Entitäten, nur Konstrukte, oder täusch ich mich? Was bedeutet dann aber in diesem Zusammenhang "funktionieren"? Willst Du ein Konstrukt auf sich selber abbilden oder als "funktionierende Funktion" definieren?
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"Es" ist die Konstruktion. Und die ist viabel oder nicht. "Funktionierende Funktion" ist ein Pleonasmus.
Cheers,
Lamarck
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#130383) Verfasst am: 27.05.2004, 10:20 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: |
"Es" ist die Konstruktion. Und die ist viabel oder nicht. "Funktionierende Funktion" ist ein Pleonasmus.
| Das ist doch, pardon, dummes Zeug. Damit kannst Du nicht einmal erklären, warum Du, Martin Neukamm und ich das gleiche "konstruieren". Das ist doch wirklich eine jämmerliche Erkenntnistheorie, die nicht einmal das erklärt.
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#130505) Verfasst am: 27.05.2004, 13:39 Titel: |
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Hi Klaus-Peter!
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: |
"Es" ist die Konstruktion. Und die ist viabel oder nicht. "Funktionierende Funktion" ist ein Pleonasmus.
| Das ist doch, pardon, dummes Zeug. Damit kannst Du nicht einmal erklären, warum Du, Martin Neukamm und ich das gleiche "konstruieren". Das ist doch wirklich eine jämmerliche Erkenntnistheorie, die nicht einmal das erklärt. |
Nein, das ist kein dummes Zeug. Du siehst doch, das wir vielleicht ähnliches, aber bestimmt nicht das gleiche "konstruieren". Eine Erkenntnistheorie muß das eben berücksichtigen. BTW: Meine Philosophie ist der RK, meine Erkenntnistheorie eine hiervon abgeleitete Evolutionäre Erkenntnistheorie.
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#130521) Verfasst am: 27.05.2004, 14:32 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Du siehst doch, das wir vielleicht ähnliches, aber bestimmt nicht das gleiche "konstruieren". | Du weichst auf Wortbedeutungen aus. Also gut, wie erklärt der rK, dass wir alle ähnliches konstruieren?
Und warum konstruierst Du Dir soeben den gleichen Beitrag, den ich vorhin konstruiert habe?
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#130547) Verfasst am: 27.05.2004, 15:45 Titel: |
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Hi Klaus-Peter,
ich weiche nicht aus. Wärst Du wirklich 'Kritischer Rationalist' würdest Du das erkennen. Im übrigen: Ähnliche Gehirne - ähnliche Konstruktionen.
Von dem Ping-Pong habe ich jetzt aber die Nase voll.
Cheers,
Lamarck
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#130567) Verfasst am: 27.05.2004, 16:35 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ähnliche Gehirne - ähnliche Konstruktionen.
Von dem Ping-Pong habe ich jetzt aber die Nase voll.
| Pardon. Was ist für einen Radikalen Konstruktivisten ein Gehirn? Wer konstrueirt es? Und womit? Oder akzeptierst Du, dass es reale Gehirne gibt, und dass es wahr ist, dass sie ähnlich sind? Dan bist Du aber kein r.K.
Das ist kein Ping-Pong. Du stellst Dich den entscheidenden Fragen nicht.
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#130612) Verfasst am: 27.05.2004, 18:17 Titel: |
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Hi Lamarck,
[...]
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Von dem Ping-Pong habe ich jetzt aber die Nase voll. |
Huch, ich hoffe, Du hast nicht auch von mir die Nase voll...
Falls doch: kleiner Hinweis genügt, dann lassen wir das Thema. Ansonsten fahr ich einfach mal fort, auch wenn ich Gefahr laufe, Dich derart mit meinem "Gequatsche" auf die Palme zu bringen, wie Klaus-Peter...
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Müßtest Du hier nicht einräumen, daß Dein Beispiel hinsichtlich Deiner Erkenntnistheorie falsch gewählt war? Oder besser noch: daß gar kein Beispiel zu existieren scheint, das Deine Position mit "Inhalt" füllen könnte)?
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Na, wenn ich eine Metaphysik in Abrede stelle, kannst Du mir schlecht vorhalten, dass Du bei mir keine findest. |
Lass es mich so formulieren: Es vertritt allein derjenige keine Metaphysik (oder wie Thomas das nennt: Ontologie im Sinne einer letztbegründeten Existenzaussage), der einem konsequenten Agnostizismus das Wort redet, weil nur er die epistemologische Frage für nicht entscheidbar hält und daher besser gar keine präferiert. Du behauptest dagegen nichts Geringeres, als den hypothetischen Realismus widerlegt zu haben. Damit triffst Du eine Entscheidung zugunsten des Solipsimus, der nach Vollmer die einzige Alternative zum (ontologischen) Realismus sein kann. Du bastelst gewissermaßen qua Ockham eine Ontologie daraus. (So Du Dein Avatar in „radikaler Agnostizist" umbenennen solltest, nehme ich meinen Vorwurf selbstverständlich zurück).
Mal abgesehen davon (ich selbst habe keine Berührungsängste mit dem Terminus Metaphysik), ist es, um mit Vollmer zu sprechen, einfach vernünftig, einen hypothetischen Realismus zu vertreten. Ich kann mir auch bei Dir nicht vorstellen, daß Du – im Alltag oder sonst wo - einen konsequenten Solipsismus oder rK vertrittst. Oder hast Du im Physik-Praktikum schon einmal folgendes behauptet: „Diese Introspektion, die mir wie ein Atomkern vorkommt, macht auf mich in dem Ding, das mein Gehirn als ‚Geigerzählrohr’ internalisiert, gegenwärtig einen zerfallenen Eindruck"?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Das Problem mit Ockham's Razor ist, daß man das Ökonomie-Prinzip auf alles Mögliche anwenden kann: auf die mathematische Struktur von Theorien, die logische Struktur von Erklärungen, die unbewiesenen Prämissen, empirische Adäquatheit, Koherenz,... Natürlich ist die Schöpfungshypothese eine weitaus ökonomischere Erklärung als die Deszendenzhypothese: Eine Ursache erklärt alles. Also haben wir die Evolutionstheorie gar nicht nötig
|
Wenn zwei konkurrierende Hypothesen das gleiche erklären, nimm das, welches mit den wenigsten einzuführenden Annahmen auskommt. Und das ist die Evolutionstheorie. Ich brauche hier nicht auf Übernatürliches zu rekurrieren. |
Ich bin mir nicht sicher, ob Du diese Entscheidung ausgerechnet mit Ockham begründen kannst. (Ein wissenschaftsphilosophisch bewanderter Mensch hat mich schon vor Jahren dringlich davor gewarnt, es gegen den Kreationismus einzusetzen.) Du mußt ja, wenn Du spezifische Erklärungen liefern willst, ein ganzes Netzwerk fallibler theoretischer Annahmen (vulgo Postulate) in die Wissenschaft einführen und Myriaden von nichtobservablen Verbindungsmechanismen noch dazu. Dies alles dient nur einem Zweck: Eine sinnvolle Erklärungsleistung zu erbringen. Auch die Evolutionstheorie besteht aus einem umfänglichen Netz von Theorien, wobei noch nicht einmal die logische Struktur dieses „Netzwerks“ klar ist. Dahingegen kommt die „Intelligent Design-Theorie“ mit einer einzigen Annahme aus: Es gibt einen Kreator, der’s gerichtet hat. Und mir deucht, Du hast mit Ockhams Razor dasselbe Problem wie der Positivismus mit Machs Denkökonomie: Was denkökonomisch oder sparsam ist, ist nicht automatisch sinnvoll oder von hohem Erklärungswert.
[...]
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Ist es nicht gerade der radikale Konstruktivismus, der die Welt auf ein undefiniertes "Irgendwas" reduziert? Wenn das Empirische im Ontologischen keine Entsprechung findet, verliert es doch seinen Geltungsbereich. Vielleicht ein abseitiger Vergleich: Metaphorisch gesprochen unternimmt der rK den Versuch, einen elektrischen Dipol in zwei Monopole aufzutrennen. Er sieht die Existenz positiver Ladungen, bestreitet aber die Existenz des negativen Gegenstücks. Denn als gedankliche Konstruktion ist alles Mögliche vorstellbar und nichts widerlegbar
|
Klar ist 'etwas' widerlegbar; ich z. B. habe den Hypothetischen Realismus widerlegt ... . |
Also hast Du endlich jene Letztbegründung gefunden, nach der seit Jahrhunderten erfolglos gesucht wird?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Wieso verliert das Empirische seinen Geltungsbereich, wenn es im Ontologischen keine Entsprechung findet? - Ist das Empirische dann nicht mehr empirisch?
Wieviele Möglichkeiten gibt es, ein Hochhaus zu bauen? - Ich glaube, Du hast noch nicht verstanden, wie das mit der Viabilität gemeint ist. Ist es wirklich möglich, gedanklich die Trennung eines Dipols zu konstruieren, ohne den Charakter eine Dipols aufzugeben? - Klingt wie einarmiges Klatschen ... . |
Laß es mich so formulieren: Wenn die Introspektionen von keiner ontologischen Instanz hinsichtlich ihrer approximativen Passung "bewertet" würden, wäre logischerweise nur das viabel, was uns das Gehirn als viabel vorgaukelt. Und da sich das Gehirn ausdenken kann, was es will, ist letztlich alles und gar nichts viabel. Es existierte doch dann keine ontologische Ebene, die dem „Ermessens-Spielraum“ des Gehirns bestimmte Grenzen setzen könnte. (Die neuronalen Strukturen, die dazu in der Lage wären, wären dann ja auch nur eine "Introspektion"!)
Du gerätst mit anderen Worten in einen Begründungszirkel: Viabel ist das, was viabel ist oder viabel scheint. Glaserfelds Begriff ist demnach nichts anderes als ein semantisch leeres Konstrukt. Auch Foersters These, daß die Funktion das Funktionieren beweise, ist eine völlig nutzlose Trivialität, solange man das "Funktionieren" nicht in einem realistischen Kontext versteht (als approximativ richtige Erkenntnis einer real existierenden Außenwelt o.ä.). Das "Irgendwas" beweist ja immer, daß irgend etwas existiert. Was will man mit einer solchen Philosophie anfangen?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Also: Dinge, Objekte usw. können nicht ihrem Wesen nach erfaßt werden, sondern werden mittels Modellen "konstruiert". Heuristik mithin. Deswegen brauchst Du hier auch keine Metaphysik. |
Im Hinblick auf Deine erste Formulierung sind wir uns einig. Ich sehe nur das Problem, daß Du um jeden Preis ontologische Aussagen vermeiden möchtest (dafür aber zu wenig wie ein Agnostizist argumentierst). Und da wir mit Ausnahme der eigenen Existenz nichts beweisen können, mußt Du Dein Weltbild fast auf ein Nullum reduzieren, um Dein Ziel zu halten. Mit der Erkenntnistheorie ist es aber genauso wie mit einer wissenschaftlichen Theorie: Wenn sie halbwegs sinnvolle Aussagen über die Welt machen, für den Wissenschaftler einen Erklärungswert haben (oder zumindest den dafür erforderlichen Rahmen bereitstellen) soll, muß man in sie Prämissen hineinstecken, die nicht wahrheitsbewahrend (sprich: streng logisch beweisbar) sind.
Aus diesem Grund betont Vollmer, daß der Solipsismus zwar nicht widerlegbar und der einzig konsequente Positivismus sei, (von mir aus auch die sparsamste epistemologische Position), die es gibt. Nur es ist eben sinnvoller, einen hypothetischen Realismus zu vertreten. Eine Welt, die nur als Hirngespinst existiert, läßt sich nicht sinnvoll empirisch-wissenschaftlich erforschen. Alle Meßverfahren und empirischen Momente verlören ihren Belegstatus! Und das ist nicht das, was ein Wissenschaftler intendiert, dessen Ziel es ist, das hinter der Erfahrung und dem Phänomen verborgene Faktum zu ergründen.
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#130758) Verfasst am: 28.05.2004, 03:47 Titel: |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Von dem Ping-Pong habe ich jetzt aber die Nase voll. |
Huch, ich hoffe, Du hast nicht auch von mir die Nase voll...
Falls doch: kleiner Hinweis genügt, dann lassen wir das Thema. Ansonsten fahr ich einfach mal fort, auch wenn ich Gefahr laufe, Dich derart mit meinem "Gequatsche" auf die Palme zu bringen, wie Klaus-Peter...
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Ist okay, ich habe mich nur über die Rabulistik von Klaus-Peter geärgert. Kann ich auch, aber bei mir überwiegt das Erkenntnisinteresse. Was solls, Schwamm drüber.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Lass es mich so formulieren: Es vertritt allein derjenige keine Metaphysik (oder wie Thomas das nennt: Ontologie im Sinne einer letztbegründeten Existenzaussage), der einem konsequenten Agnostizismus das Wort redet, weil nur er die epistemologische Frage für nicht entscheidbar hält und daher besser gar keine präferiert. Du behauptest dagegen nichts Geringeres, als den hypothetischen Realismus widerlegt zu haben. Damit triffst Du eine Entscheidung zugunsten des Solipsimus, der nach Vollmer die einzige Alternative zum (ontologischen) Realismus sein kann. Du bastelst gewissermaßen qua Ockham eine Ontologie daraus.
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Der Begriff 'Ontologie' ist ja sehr weit gefaßt. Auch ich rede bsw. vom 'Sein', aber nicht von einem 'Sein als solches' etc. Nehmen wir hier also lieber den Begriff 'Metaphysik'. Und egal was weiters mit diesem Begriff 'Metaphysik' verbunden wird: wenn dieser in irgendeinem Zusammenhang mit der 'Physik' (d. h. die Natur) steht, ist eine begriffliche Trennung nicht statthaft, mithin gibt es nur die Natur. Auch ich bin Bestandteil der Natur und auch wenn meine Verstandesprodukte - etwa Überlegungen über Metaphysik - dazu beitragen könnten, dass Universum auszudehnen, könnte ich dieses Universum doch nicht überwinden.
Ich schließe also eine Metaphysik per definitionem aus. Im übrigen vertrete ich aus ähnlichen Überlegungen die starke Form des Atheismus.
Ich darf daran erinnern, das der RK von einem epistemologischen Solipsimus ausgeht; das ist ein gewaltiger Unterschied zum Solipsimus als solches. Das ist jetzt vielleicht ein bißchen schwer zu verstehen: Mit meinem Werkzeug 'epistemologischer Solipsimus' kann ich auch durchaus einen 'ontologischen Solipsimus' untersuchen!
Aber bleiben wir in unserem Universum. Wieviele Realitäten gibt es denn? - Ist Deine Realität eine andere als meine? - 'Sehen' wir das gleiche? Jedenfalls können wir unsere 'Bilder' austauschen und hoffen, dass wir uns nicht mißverstehen. Dann haben wir mehr oder weniger 'gute' Konventionen.
Wenn ich zu jemanden sage: "Sei realistisch!", hebe ich hier doch nicht auf eine imaginäre Ontologie ab. So gesehen, hat hier Vollmer eindeutig unrecht. Ich halte es demzufolge ebenso für möglich, einen Realismus ohne Metaphysik zu vertreten; das Etikett ist hier nicht wichtig, wichtig wäre eine saubere Begründung, warum eine kategorische Aufteilung in Metaphysik und 'Physik' notwendig ist. Du siehst, ich vertrete hier einen konsequent naturalistischen Standpunkt. Und auch wenn es Unentscheidbarkeitstheoreme gibt, so ist es deshalb doch nicht nötig, aus der Nichtbeweisbarkeit ein Indiz für das Gegenteil zu sehen. Hier eben gilt Ockham!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
(So Du Dein Avatar in „radikaler Agnostizist" umbenennen solltest, nehme ich meinen Vorwurf selbstverständlich zurück).
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Ist das jetzt versprochen? Den Spaß könnte ich mir schon mal für'n Moment erlauben ... .
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Mal abgesehen davon (ich selbst habe keine Berührungsängste mit dem Terminus Metaphysik), ist es, um mit Vollmer zu sprechen, einfach vernünftig, einen hypothetischen Realismus zu vertreten. Ich kann mir auch bei Dir nicht vorstellen, daß Du – im Alltag oder sonst wo - einen konsequenten Solipsismus oder rK vertrittst. Oder hast Du im Physik-Praktikum schon einmal folgendes behauptet: „Diese Introspektion, die mir wie ein Atomkern vorkommt, macht auf mich in dem Ding, das mein Gehirn als ‚Geigerzählrohr’ internalisiert, gegenwärtig einen zerfallenen Eindruck"?
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Hast Du 'ne Ahnung, was ich schon alles im Physik-Praktikum behauptet habe! Besonders als Hiwi ... .
Na dann, wenn es einfach vernünftig ist, einen hypothetischen Realismus zu vertreten ... . - Übrigens, vertrittst Du im Alltag die QM oder reicht hier Newton?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Das Problem mit Ockham's Razor ist, daß man das Ökonomie-Prinzip auf alles Mögliche anwenden kann: auf die mathematische Struktur von Theorien, die logische Struktur von Erklärungen, die unbewiesenen Prämissen, empirische Adäquatheit, Koherenz,... Natürlich ist die Schöpfungshypothese eine weitaus ökonomischere Erklärung als die Deszendenzhypothese: Eine Ursache erklärt alles. Also haben wir die Evolutionstheorie gar nicht nötig
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Wenn zwei konkurrierende Hypothesen das gleiche erklären, nimm das, welches mit den wenigsten einzuführenden Annahmen auskommt. Und das ist die Evolutionstheorie. Ich brauche hier nicht auf Übernatürliches zu rekurrieren. |
Ich bin mir nicht sicher, ob Du diese Entscheidung ausgerechnet mit Ockham begründen kannst. (Ein wissenschaftsphilosophisch bewanderter Mensch hat mich schon vor Jahren dringlich davor gewarnt, es gegen den Kreationismus einzusetzen.) Du mußt ja, wenn Du spezifische Erklärungen liefern willst, ein ganzes Netzwerk fallibler theoretischer Annahmen (vulgo Postulate) in die Wissenschaft einführen und Myriaden von nichtobservablen Verbindungsmechanismen noch dazu. Dies alles dient nur einem Zweck: Eine sinnvolle Erklärungsleistung zu erbringen. Auch die Evolutionstheorie besteht aus einem umfänglichen Netz von Theorien, wobei noch nicht einmal die logische Struktur dieses „Netzwerks“ klar ist. Dahingegen kommt die „Intelligent Design-Theorie“ mit einer einzigen Annahme aus: Es gibt einen Kreator, der’s gerichtet hat. Und mir deucht, Du hast mit Ockhams Razor dasselbe Problem wie der Positivismus mit Machs Denkökonomie: Was denkökonomisch oder sparsam ist, ist nicht automatisch sinnvoll oder von hohem Erklärungswert.
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Was "sinnvoll" ist, ist eine ganz andere Baustelle. Zunächst geht es doch um konkurrierende Hypothesen. Wenn beide "irgendwie sinnvoll" sind, nimm die ökonomischere. Das Problem bei der ID, die 'Multitasking-Fähigkeit' des göttlichen Designers, generiert eben multiple Probleme; auch wenn der IDler dies nicht so sieht. Nimm halt die ökonomische Argumentation - die des Naturalismus. Wenn die Axiomatik strittig ist, mußt Du eben einen Schritt zurückgehen.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Ist es nicht gerade der radikale Konstruktivismus, der die Welt auf ein undefiniertes "Irgendwas" reduziert? Wenn das Empirische im Ontologischen keine Entsprechung findet, verliert es doch seinen Geltungsbereich. Vielleicht ein abseitiger Vergleich: Metaphorisch gesprochen unternimmt der rK den Versuch, einen elektrischen Dipol in zwei Monopole aufzutrennen. Er sieht die Existenz positiver Ladungen, bestreitet aber die Existenz des negativen Gegenstücks. Denn als gedankliche Konstruktion ist alles Mögliche vorstellbar und nichts widerlegbar
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Klar ist 'etwas' widerlegbar; ich z. B. habe den Hypothetischen Realismus widerlegt ... . |
Also hast Du endlich jene Letztbegründung gefunden, nach der seit Jahrhunderten erfolglos gesucht wird?
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Ja. - Es ist der unendliche Regress.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Wieso verliert das Empirische seinen Geltungsbereich, wenn es im Ontologischen keine Entsprechung findet? - Ist das Empirische dann nicht mehr empirisch?
Wieviele Möglichkeiten gibt es, ein Hochhaus zu bauen? - Ich glaube, Du hast noch nicht verstanden, wie das mit der Viabilität gemeint ist. Ist es wirklich möglich, gedanklich die Trennung eines Dipols zu konstruieren, ohne den Charakter eine Dipols aufzugeben? - Klingt wie einarmiges Klatschen ... . |
Laß es mich so formulieren: Wenn die Introspektionen von keiner ontologischen Instanz hinsichtlich ihrer approximativen Passung "bewertet" würden, wäre logischerweise nur das viabel, was uns das Gehirn als viabel vorgaukelt. Und da sich das Gehirn ausdenken kann, was es will, ist letztlich alles und gar nichts viabel. Es existierte doch dann keine ontologische Ebene, die dem „Ermessens-Spielraum“ des Gehirns bestimmte Grenzen setzen könnte. (Die neuronalen Strukturen, die dazu in der Lage wären, wären dann ja auch nur eine "Introspektion"!)
Du gerätst mit anderen Worten in einen Begründungszirkel: Viabel ist das, was viabel ist oder viabel scheint. Glaserfelds Begriff ist demnach nichts anderes als ein semantisch leeres Konstrukt. Auch Foersters These, daß die Funktion das Funktionieren beweise, ist eine völlig nutzlose Trivialität, solange man das "Funktionieren" nicht in einem realistischen Kontext versteht (als approximativ richtige Erkenntnis einer real existierenden Außenwelt o.ä.). Das "Irgendwas" beweist ja immer, daß irgend etwas existiert. Was will man mit einer solchen Philosophie anfangen?
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Die ontologische Instanz "bewertet"?! Wieviele ontologische Instanzen existieren denn? Und auch mit der Existenz eines freien Willens kann sich doch das Gehirn nicht 'beliebiges' ausdenken. Auch wenn die irrigen Vorstellungen an Zahl größer sein mögen als die viablen.
Ersetze in Deinem 2. Absatz "viabel" mit "approximativ richtiges erkennen" ... .
Das Lustige am HR ist ja das Chamäleon-Verhalten: Wird der 'Realimus' darin kritisiert, zieht er sich auf die Hypothese zurück, wird ebensolches an der hyphothetischen Seite praktiziert, stellt er sich auf den 'realistischen' Standpunkt. Genauer ist der HR aber als "hypothetischer Illusionismus" zu bezeichnen, da er doch auf einer apriorisch-metaphysischen Setzung beruht. Im Gegensatz dazu trägt sich der RK in seiner Radikalität selbst. Aus Viabilität wird das Weltbild konstruiert. Es ist weder nötig, noch möglich, den ontologischen Rahmen Welt zu suchen - die Welt kann nur Weltbild sein!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Also: Dinge, Objekte usw. können nicht ihrem Wesen nach erfaßt werden, sondern werden mittels Modellen "konstruiert". Heuristik mithin. Deswegen brauchst Du hier auch keine Metaphysik. |
Im Hinblick auf Deine erste Formulierung sind wir uns einig. Ich sehe nur das Problem, daß Du um jeden Preis ontologische Aussagen vermeiden möchtest (dafür aber zu wenig wie ein Agnostizist argumentierst). Und da wir mit Ausnahme der eigenen Existenz nichts beweisen können, mußt Du Dein Weltbild fast auf ein Nullum reduzieren, um Dein Ziel zu halten. Mit der Erkenntnistheorie ist es aber genauso wie mit einer wissenschaftlichen Theorie: Wenn sie halbwegs sinnvolle Aussagen über die Welt machen, für den Wissenschaftler einen Erklärungswert haben (oder zumindest den dafür erforderlichen Rahmen bereitstellen) soll, muß man in sie Prämissen hineinstecken, die nicht wahrheitsbewahrend (sprich: streng logisch beweisbar) sind.
Aus diesem Grund betont Vollmer, daß der Solipsismus zwar nicht widerlegbar und der einzig konsequente Positivismus sei, (von mir aus auch die sparsamste epistemologische Position), die es gibt. Nur es ist eben sinnvoller, einen hypothetischen Realismus zu vertreten. Eine Welt, die nur als Hirngespinst existiert, läßt sich nicht sinnvoll empirisch-wissenschaftlich erforschen. Alle Meßverfahren und empirischen Momente verlören ihren Belegstatus! Und das ist nicht das, was ein Wissenschaftler intendiert, dessen Ziel es ist, das hinter der Erfahrung und dem Phänomen verborgene Faktum zu ergründen.
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Und Du vermeidest um jeden Preis, Deine kritikimmunisierende petitio principii - die absolute metaphysische Realismussetzung im Vorfeld - zu hinterfragen. In diesem Sinne zitiere ich Feyerabend, P. (1980); Erkenntnis für freie Menschen; S. 80-81:
"Poppers Widerlegung Hegels kann nicht ernst genommen werden. Popper zeigt (auf sehr umständliche Weise und sich über viele Seiten hinweg verbreitend), daß man unsinnige Folgen erhält, wenn man die Propositionslogik mit Hegel kombiniert, und er schließt, daß Hegel beseitigt werden muß. Das ist ungefähr genauso intelligent, wie der Schluß, daß man die Einsteinsche Relativitätstheorie beseitigen muß, weil einfache Computer ihr nicht gewachsen sind. Hegel plus Satzlogik gibt Unsinn. Warum soll ausgerechnet Hegel an diesem Unsinn die Schuld tragen (zumal er selbst auf die Grenzen der Satzlogik hingewiesen hat)? Außerdem ergibt auch die ältere Quantentheorie und die Satzlogik Unsinn, ebenso der Differentialkalkül zur Zeit Newtons (wie Berkeley nachgewiesen hat) und so weiter und so fort."
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
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(#130793) Verfasst am: 28.05.2004, 09:07 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ist okay, ich habe mich nur über die Rabulistik von Klaus-Peter geärgert. Kann ich auch, aber bei mir überwiegt das Erkenntnisinteresse. Was solls, Schwamm drüber. | Interessante Strategie: Wenn man keine Antwort auf den grundlegenden Einwand gegen sein Weltbild hat, dann bezeichnet man den Einwand als Rabulistik.
Halten wir fest:
Unser Radikaler Konstruktivist hat auf die Frage "Wie erklärst Du die Tatsache, dass Du und ich Gleiches (oder zumindest Ähnliches) konstruieren?" nur die Antwort des Realisten zu geben: "Weil wir ähnliche Gehirne besitzen". Eine Widerlegung des hypothetischen Realismus müsste aber irgendwie anders aussehen.
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#136853) Verfasst am: 10.06.2004, 16:39 Titel: |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ist okay, ich habe mich nur über die Rabulistik von Klaus-Peter geärgert. Kann ich auch, aber bei mir überwiegt das Erkenntnisinteresse. Was solls, Schwamm drüber. |
OK, dann laß mich nochmals an unseres Uralt-Diskussion anknüpfen...
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Der Begriff 'Ontologie' ist ja sehr weit gefaßt. Auch ich rede bsw. vom 'Sein', aber nicht von einem 'Sein als solches' etc. Nehmen wir hier also lieber den Begriff 'Metaphysik'. Und egal was weiters mit diesem Begriff 'Metaphysik' verbunden wird: wenn dieser in irgendeinem Zusammenhang mit der 'Physik' (d. h. die Natur) steht, ist eine begriffliche Trennung nicht statthaft, mithin gibt es nur die Natur. Auch ich bin Bestandteil der Natur und auch wenn meine Verstandesprodukte - etwa Überlegungen über Metaphysik - dazu beitragen könnten, dass Universum auszudehnen, könnte ich dieses Universum doch nicht überwinden. |
Meine Rede. Deshalb vertrete ich den Ontologie-/Metaphysik-Begriff im Sinne von Woodger, Mahner und Bunge: Ontologie als Lehre über das Sein und Werden und damit Wissenschaft. Mit dem Metaphysik-Begriff der Positivisten habe ich nie viel anfangen können...
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ich schließe also eine Metaphysik per definitionem aus. Im übrigen vertrete ich aus ähnlichen Überlegungen die starke Form des Atheismus. |
Ups, laß das bloß Thomas nicht hören
Nein, im Ernst: Du kannst Dinge, über die man Deines Erachtens nicht „sinnvoll“ diskutieren kann, nicht per definition ausschließen. Als wissenschaftliche „Heuristik“ ist das eventuell OK (obwohl ich den heuristischen Nutzen des rR noch immer nicht sehe). Aber auf der "deskriptiv epistemologischen Ebene" (schöner Begriff ) wäre es besser, als Agnostiker aufzutreten. Im übrigen haben schon Wittgenstein und die Positivisten dank Popper einsehen müssen, daß sie das in ihren Augen „Metaphysische“ nicht einfach wegdefinieren können. Nichtsdestotrotz setzt der Solipsismus dem noch die Krone auf, der in den Augen Vollmers der konsequenteste Positivismus ist, den es gibt. Und wie weit es mit dem Positivismus gekommen ist, setze ich als bekannt voraus.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ich darf daran erinnern, das der RK von einem epistemologischen Solipsimus ausgeht; das ist ein gewaltiger Unterschied zum Solipsimus als solches. |
OK, Du hast Recht. Insofern ist aber der Begriff "epistemologischer Solipsismus" ein Oxymoron. IIRC ist der Solipsismus eine rein ontologische Position, keine epistemologische. Er leugnet ja die Existenz einer Außenwelt, so daß es auch nichts gibt, was man erkennen könnte. Man könnte den Solipsismus auch als "ontologischen Konstruktivismus" bezeichnen, während der "erkenntnistheoretische Konstruktivismus" immerhin anerkennt, daß es eine Außenwelt gibt. Leider ist mir noch immer nicht ganz klar geworden, welchen von beiden Positionen Du Dich eigentlich zurechnest. Die Tatsache, daß Du den unendlichen Regreß vermeiden möchtest, läßt den Schluß zu, daß Du überhaupt keine Außenwelt (also nur den - ontologischen - Solipsismus) anerkennst. Dann wäre es aber angebracht, Dein Avatar abermals zu ändern.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Das ist jetzt vielleicht ein bißchen schwer zu verstehen: Mit meinem Werkzeug 'epistemologischer Solipsimus' kann ich auch durchaus einen 'ontologischen Solipsimus' untersuchen! |
Ich verstehe, was Du meinst: Jeder (ontologische) Solipsist ist auch ein radikaler Konstruktivist, aber nicht umgekehrt. Ich kann wie gesagt nur mit dem Begriff "epistemologischer Solipsimus" nicht viel anfangen. Was wäre dann der Unterschied zu einem "epistemologischen Konstruktivisten"?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Aber bleiben wir in unserem Universum. Wieviele Realitäten gibt es denn? - Ist Deine Realität eine andere als meine? - 'Sehen' wir das gleiche? Jedenfalls können wir unsere 'Bilder' austauschen und hoffen, dass wir uns nicht mißverstehen. Dann haben wir mehr oder weniger 'gute' Konventionen. |
Klar. Das in etwa ist die sparsamste Heuristik die es gibt. Aber vermutlich nicht unbedingt die rationalste. Deshalb nochmals die Frage: Weshalb betreibst Du Wissenschaft? Um Deine Introspektionen zu erforschen oder vielleicht doch in der Hoffnung, etwas über die Welt zu erfahren?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Wenn ich zu jemanden sage: "Sei realistisch!", hebe ich hier doch nicht auf eine imaginäre Ontologie ab. So gesehen, hat hier Vollmer eindeutig unrecht. Ich halte es demzufolge ebenso für möglich, einen Realismus ohne Metaphysik zu vertreten; das Etikett ist hier nicht wichtig, wichtig wäre eine saubere Begründung, warum eine kategorische Aufteilung in Metaphysik und 'Physik' notwendig ist. Du siehst, ich vertrete hier einen konsequent naturalistischen Standpunkt. Und auch wenn es Unentscheidbarkeitstheoreme gibt, so ist es deshalb doch nicht nötig, aus der Nichtbeweisbarkeit ein Indiz für das Gegenteil zu sehen. Hier eben gilt Ockham! |
Hmmm. Ich sehe, daß Du irgendwie ein Problem mit dem unendlichen Regreß als natürliche Konsequenz der Fallibilität des Wissens zu haben scheinst. Da alle Ontologien fallibel vulgo nicht beweisbar sind, vertrittst Du lieber gar keine. Aber ist Beweisbarkeit so wichtig? Was ist denn am "Metaphysik-Begriff" so schlimm, daß Du lieber gar keinen verwenden möchtest? Wissenschaft läßt sich halt nicht voraussetzungsfrei betreiben. So what?
Im übrigen scheint der unendliche Regress ja nur dann zu entstehen, wenn man behauptet, in der empirischen Wissenschaft so etwas wie formallogische, streng gültige Beweise erbracht zu haben (wenn man also eine wissenschaftliche Hypothese als letztbegründet annimmt). Davon ist man IIRC aber längst abgerückt. Wenn man alles Wissen unter den Fallibilitätsvorbehalt stellt, ist das m.E. doch in Ordnung.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | (So Du Dein Avatar in „radikaler Agnostizist" umbenennen solltest, nehme ich meinen Vorwurf selbstverständlich zurück).
|
Ist das jetzt versprochen? Den Spaß könnte ich mir schon mal für'n Moment erlauben ... . |
Ups, schon gemacht? Das müßtest Du schon ein paar Tage lange durchziehen, damit das auch jeder mitbekommt
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Hast Du 'ne Ahnung, was ich schon alles im Physik-Praktikum behauptet habe! Besonders als Hiwi ... . |
Kann ich mir lebhaft vorstellen. Die Studis werden sich gefragt haben, aus welchem Paralleluniversum "der komische Vogel da" entwichen ist
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Na dann, wenn es einfach vernünftig ist, einen hypothetischen Realismus zu vertreten ... . - Übrigens, vertrittst Du im Alltag die QM oder reicht hier Newton? |
Ups, erwischt
Trotzdem habe ich eine sehr gute Entschuldigung, wenn ich gelegentlich Newton durch Planck ersetze: die Newtonschen Gesetze resultieren als "Spezialfall" aus der QM, was dafür spricht, daß es beim Wechsel der Paradigmen doch zu keiner so radikalen Bedeutungsverschiebung der theoretischen Schlüsselterme zu kommen scheint, wie Kuhn geglaubt hat. In letzter Konsequenz ist das doch wieder Wasser auf die Mühlen des Kumulativismus, wonach sich wissenschaftliche Erkenntnisse Schritt für Schritt den älteren hinzufügen lassen. Ansonsten wäre eine Wissensprogression auch gar nicht möglich. Allein diese Tatsache ist Evidenz genug für meine These, daß wir von der Wirklichkeit Stück für Stück ein paar Mosaikteilchen mehr erfassen.
[Ockham]
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Was "sinnvoll" ist, ist eine ganz andere Baustelle. Zunächst geht es doch um konkurrierende Hypothesen. Wenn beide "irgendwie sinnvoll" sind, nimm die ökonomischere. Das Problem bei der ID, die 'Multitasking-Fähigkeit' des göttlichen Designers, generiert eben multiple Probleme; auch wenn der IDler dies nicht so sieht. Nimm halt die ökonomische Argumentation - die des Naturalismus. Wenn die Axiomatik strittig ist, mußt Du eben einen Schritt zurückgehen. |
Naja, OK. Ich würde halt eher anders argumentieren: ID ist in mancherlei Hinsicht zwar ökonomischer als die ET. Sie genügt aber den einfachsten Rationalitätsstandards nicht: Falsifikationsprinzip, Erklärungsmacht, externe Konsistenz usw. Als Vorbedingung dafür braucht es eben den Naturalismus. Und eben auch einen epistemologischen Realismus, damit man überhaupt einen Grund hat, Wissenschaft zu betreiben.
[...]
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ja. - Es ist der unendliche Regress. |
Verzeih', kannst Du mir das nochmals extemporieren? In welcher Hinsicht gerät der epistemologische Realismus in einen unendlichen Regress? Etwa deshalb, weil eine ontologische Ebene eine höhere ontologische Ebene bräuchte? Ein solcher Regreß entstünde doch nur, wenn man eine transnaturale Überwelt zuläßt, so daß man eine Überwelt der Überwelt annehmen müßte usw. Das ist das altbekannte Proliferationsproblem des Supernaturalismus. Aber deshalb schrieb’ ich oben bereits, daß der (epistemologische) Realismus selbstverständlich mit einem (ontologischen) Naturalismus kombiniert werden muß, da er den unendlichen Regreß verhindert.
Natürlich kannst Du monieren, daß der (ontologische) Naturalismus, wonach es nur diese Welt gibt, keine Letztbegründung hat, so daß der Regreß einfach bei der „ersten Welt“ abgebrochen wird. Aber erstens vertritt die Wissenschaft nur einen schwachen Naturalismus. Es geht ja "nur" darum, geeignete Rationalitätsstandards für den Wissenschaftsbetrieb bereitzustellen. Der Wissenschaftler nimmt ja nicht die Position des starken Naturalismus ein, wonach diese Welt definitiv alles ist, was es gibt – hier bleibt er als Agnostiker unentschieden.
Und zweitens gerätst Du in genau denselben Regreß, den Du mir vorgehalten hast. Der einzige Unterschied zwischen uns besteht darin, daß Du ihn bei der Existenz des „eigenen Ichs“ (gewissermaßen dogmatisch) abbrichst. Aber das kann ich auch, wenn ich sage: "Die naturale Welt ist alles, was existiert." Von daher wären unsere Positionen logisch gleichwertig - wenn der Unterschied nicht wäre, daß ich im Gegensatz zu Dir keine Letztbegründungen vertrete
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Du gerätst mit anderen Worten in einen Begründungszirkel: Viabel ist das, was viabel ist oder viabel scheint. Glaserfelds Begriff ist demnach nichts anderes als ein semantisch leeres Konstrukt. Auch Foersters These, daß die Funktion das Funktionieren beweise, ist eine völlig nutzlose Trivialität, solange man das "Funktionieren" nicht in einem realistischen Kontext versteht (als approximativ richtige Erkenntnis einer real existierenden Außenwelt o.ä.). Das "Irgendwas" beweist ja immer, daß irgend etwas existiert. Was will man mit einer solchen Philosophie anfangen? |
Die ontologische Instanz "bewertet"?! Wieviele ontologische Instanzen existieren denn? |
Ich könnte jetzt sagen: Nach Ockham und dem Naturalismus zufolge genau eine. Nämlich die, die erforscht werden kann. Merkst Du was?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und auch mit der Existenz eines freien Willens kann sich doch das Gehirn nicht 'beliebiges' ausdenken. Auch wenn die irrigen Vorstellungen an Zahl größer sein mögen als die viablen. |
Du vergißt, daß in den Augen des Solipsisten auch das Gehirn mit seinen neuronalen Mustern, die als einzige Randbedingung verhindern könnten, daß sich das Gehirn nicht Beliebiges einfallen läßt, nur eine Introspektion ist. Dem Solipsimus zufolge ist eben nur das eigene Ich-Bewußtsein existent. Wenn es keinen äußeren Rahmen gibt, in den es eingebettet ist, muß es auch keinen Gesetzmäßigkeiten folgen. Es kann alles (!) und uns auch alles als viabel vorgaukeln, was es möchte. Wer oder was sollte das verhindern? Ist das nicht schön?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Das Lustige am HR ist ja das Chamäleon-Verhalten: Wird der 'Realimus' darin kritisiert, zieht er sich auf die Hypothese zurück, wird ebensolches an der hyphothetischen Seite praktiziert, stellt er sich auf den 'realistischen' Standpunkt. Genauer ist der HR aber als "hypothetischer Illusionismus" zu bezeichnen, da er doch auf einer apriorisch-metaphysischen Setzung beruht. |
Und? Das lustige am Positivisten ist, daß er nur die Augen zu schließen braucht und zu sich selber sagen kann: Ich sehe die Welt nicht - also habe ich diese apriorisch-metaphysische Hypothese nicht nötig. Mir fällt dazu immer ein alter Kalauer von Hoimar v. Ditfurth ein, der einst sinngemäß meinte, man könne entweder als Wissenschaftler über vieles etwas oder über einiges viel wissen. Wem das nicht reiche, der brauche die Welt nach der Manier des Positivisten nur solange zu reduzieren, bis er über nichts alles Bescheid weiß.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Im Gegensatz dazu trägt sich der RK in seiner Radikalität selbst. Aus Viabilität wird das Weltbild konstruiert. Es ist weder nötig, noch möglich, den ontologischen Rahmen Welt zu suchen - die Welt kann nur Weltbild sein! |
Wie gesagt, für einen Solipsisten ist alles viabel. Solange man keine Außenwelt anerkennt, die als einzige Dimension festlegen kann, was "überlebensadäquat" ist und was nicht, ist der Begriff der Viabilität eine semantisch unsaubere Konstruktion. Und wenn man eine Außenwelt postuliert, macht sich der Begriff selbst überflüssig.
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#139815) Verfasst am: 19.06.2004, 01:10 Titel: |
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Hi Martin,
hier geht es also weiter ... .
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Der Begriff 'Ontologie' ist ja sehr weit gefaßt. Auch ich rede bsw. vom 'Sein', aber nicht von einem 'Sein als solches' etc. Nehmen wir hier also lieber den Begriff 'Metaphysik'. Und egal was weiters mit diesem Begriff 'Metaphysik' verbunden wird: wenn dieser in irgendeinem Zusammenhang mit der 'Physik' (d. h. die Natur) steht, ist eine begriffliche Trennung nicht statthaft, mithin gibt es nur die Natur. Auch ich bin Bestandteil der Natur und auch wenn meine Verstandesprodukte - etwa Überlegungen über Metaphysik - dazu beitragen könnten, dass Universum auszudehnen, könnte ich dieses Universum doch nicht überwinden. |
Meine Rede. Deshalb vertrete ich den Ontologie-/Metaphysik-Begriff im Sinne von Woodger, Mahner und Bunge: Ontologie als Lehre über das Sein und Werden und damit Wissenschaft. Mit dem Metaphysik-Begriff der Positivisten habe ich nie viel anfangen können... |
Ich nehme mal an, Du beziehst Dich hier auf die Schrift von
Woodger, J. H. (1956 [1939]): The technique of theory construction. Woodger würde ich eher mit dem logischen Positivismus in Zusammenhang bringen. Aber gleich - eigentlich hatte ich jetzt nicht unbedingt damit gerechnet, dass Du mir hier zustimmst. Dein 'Metaphysik-Begriff' wird mir dadurch noch nicht so recht klar: Beruht für Dich 'Metaphysik' auf Konventionen?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ich schließe also eine Metaphysik per definitionem aus. Im übrigen vertrete ich aus ähnlichen Überlegungen die starke Form des Atheismus. |
Ups, laß das bloß Thomas nicht hören
Nein, im Ernst: Du kannst Dinge, über die man Deines Erachtens nicht „sinnvoll“ diskutieren kann, nicht per definition ausschließen. Als wissenschaftliche „Heuristik“ ist das eventuell OK (obwohl ich den heuristischen Nutzen des rR noch immer nicht sehe). Aber auf der "deskriptiv epistemologischen Ebene" (schöner Begriff ) wäre es besser, als Agnostiker aufzutreten. Im übrigen haben schon Wittgenstein und die Positivisten dank Popper einsehen müssen, daß sie das in ihren Augen „Metaphysische“ nicht einfach wegdefinieren können. Nichtsdestotrotz setzt der Solipsismus dem noch die Krone auf, der in den Augen Vollmers der konsequenteste Positivismus ist, den es gibt. Und wie weit es mit dem Positivismus gekommen ist, setze ich als bekannt voraus. |
Gedankliche Konstrukte können "sinnlos", "sinnvoll" oder irgendwo dazwischen sein; damit habe ich aber noch lange keine 'Metaphysik' konstruiert. Und "Sinn" ist ebenfalls ein Konstrukt. Aus meiner Sicht ist es nicht möglich, angenommene 'metaphysische' Konstrukte vom ganzen Rest zu trennen; das ist mein "per definitionem"! Oder ich könnte auch sagen, für mich gibt es nur Metaphysik und nichts weiter (aber ich bin sparsam mit meinen Setzungen ). Dies berücksichtigend, siehst Du also im folgenden irgendwo eine 'Metaphysik'?
Zwei Menschen fahren über Land, auf dem Schafe weiden. Sagt der eine zum anderen: "Sieh, die Schafe sind schon geschoren!" Darauf der andere, ein Positivist: "Was die uns jeweils zugewendete Seite betrifft, so erweckt sie den Eindruck."
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ich darf daran erinnern, das der RK von einem epistemologischen Solipsimus ausgeht; das ist ein gewaltiger Unterschied zum Solipsimus als solches. |
OK, Du hast Recht. Insofern ist aber der Begriff "epistemologischer Solipsismus" ein Oxymoron. IIRC ist der Solipsismus eine rein ontologische Position, keine epistemologische. Er leugnet ja die Existenz einer Außenwelt, so daß es auch nichts gibt, was man erkennen könnte. Man könnte den Solipsismus auch als "ontologischen Konstruktivismus" bezeichnen, während der "erkenntnistheoretische Konstruktivismus" immerhin anerkennt, daß es eine Außenwelt gibt. Leider ist mir noch immer nicht ganz klar geworden, welchen von beiden Positionen Du Dich eigentlich zurechnest. Die Tatsache, daß Du den unendlichen Regreß vermeiden möchtest, läßt den Schluß zu, daß Du überhaupt keine Außenwelt (also nur den - ontologischen - Solipsismus) anerkennst. Dann wäre es aber angebracht, Dein Avatar abermals zu ändern.
|
Nein, ganz falsch. Der Solipsismus ist für den Solipsisten eine epistemologische Position. Die Welt ist also für ihn nur er selbst. In Deinem Sinne wäre diese Position gleichzeitig auch noch mit einer Ontologie identisch. Oder gelingt es Dir hier, Epistemologie und Ontologie zu trennen?
Nur geschlossene (kognitive) Systeme können erkennen. Ein umweltoffenes System wäre nicht zu steuern. Und weder ist die Außenwelt unmittelbar erkennbar noch haben wir direkten Zugang zu ihr.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Das ist jetzt vielleicht ein bißchen schwer zu verstehen: Mit meinem Werkzeug 'epistemologischer Solipsimus' kann ich auch durchaus einen 'ontologischen Solipsimus' untersuchen! |
Ich verstehe, was Du meinst: Jeder (ontologische) Solipsist ist auch ein radikaler Konstruktivist, aber nicht umgekehrt. Ich kann wie gesagt nur mit dem Begriff "epistemologischer Solipsimus" nicht viel anfangen. Was wäre dann der Unterschied zu einem "epistemologischen Konstruktivisten"? |
Ich könnte einen extremen Solipsisten konstruieren, der sich einbildet, er selbst wäre eine Illusion ... . Alles klar?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Aber bleiben wir in unserem Universum. Wieviele Realitäten gibt es denn? - Ist Deine Realität eine andere als meine? - 'Sehen' wir das gleiche? Jedenfalls können wir unsere 'Bilder' austauschen und hoffen, dass wir uns nicht mißverstehen. Dann haben wir mehr oder weniger 'gute' Konventionen. |
Klar. Das in etwa ist die sparsamste Heuristik die es gibt. Aber vermutlich nicht unbedingt die rationalste. Deshalb nochmals die Frage: Weshalb betreibst Du Wissenschaft? Um Deine Introspektionen zu erforschen oder vielleicht doch in der Hoffnung, etwas über die Welt zu erfahren? |
Ob Du das jetzt Introspektion nennst oder nicht: Wissenschaft macht Spaß und bringt Erfolg bei Frauen! Rationaler geht's kaum ... .
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Wenn ich zu jemanden sage: "Sei realistisch!", hebe ich hier doch nicht auf eine imaginäre Ontologie ab. So gesehen, hat hier Vollmer eindeutig unrecht. Ich halte es demzufolge ebenso für möglich, einen Realismus ohne Metaphysik zu vertreten; das Etikett ist hier nicht wichtig, wichtig wäre eine saubere Begründung, warum eine kategorische Aufteilung in Metaphysik und 'Physik' notwendig ist. Du siehst, ich vertrete hier einen konsequent naturalistischen Standpunkt. Und auch wenn es Unentscheidbarkeitstheoreme gibt, so ist es deshalb doch nicht nötig, aus der Nichtbeweisbarkeit ein Indiz für das Gegenteil zu sehen. Hier eben gilt Ockham! |
Hmmm. Ich sehe, daß Du irgendwie ein Problem mit dem unendlichen Regreß als natürliche Konsequenz der Fallibilität des Wissens zu haben scheinst. Da alle Ontologien fallibel vulgo nicht beweisbar sind, vertrittst Du lieber gar keine. Aber ist Beweisbarkeit so wichtig? Was ist denn am "Metaphysik-Begriff" so schlimm, daß Du lieber gar keinen verwenden möchtest? Wissenschaft läßt sich halt nicht voraussetzungsfrei betreiben. So what?
Im übrigen scheint der unendliche Regress ja nur dann zu entstehen, wenn man behauptet, in der empirischen Wissenschaft so etwas wie formallogische, streng gültige Beweise erbracht zu haben (wenn man also eine wissenschaftliche Hypothese als letztbegründet annimmt). Davon ist man IIRC aber längst abgerückt. Wenn man alles Wissen unter den Fallibilitätsvorbehalt stellt, ist das m.E. doch in Ordnung. |
Schon wahr:
"There are more things in heaven and earth, Horatio,
Than are dreamt of in your philosophy."
Shakespeare, Hamlet
Aber was wird einem alles mit diesem Verweis auf "Shakespeare" untergejubelt? Alles, was nicht beweisbar ist, ist deshalb noch lange nicht Metaphysik. Nichts ist voraussetzungsfrei möglich! Genau deswegen brauche ich doch keine Metaphysik. Und das Empirie was anderes ist, als die formalen Systeme der Logik, ist uns beiden doch klar.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | (So Du Dein Avatar in „radikaler Agnostizist" umbenennen solltest, nehme ich meinen Vorwurf selbstverständlich zurück).
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Ist das jetzt versprochen? Den Spaß könnte ich mir schon mal für'n Moment erlauben ... . |
Ups, schon gemacht? Das müßtest Du schon ein paar Tage lange durchziehen, damit das auch jeder mitbekommt |
Ja, klar! Aber vielleicht ist es Dir nur nicht aufgefallen, weil ich "Martin Neukamm" darüber geschrieben habe... .
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Hast Du 'ne Ahnung, was ich schon alles im Physik-Praktikum behauptet habe! Besonders als Hiwi ... . |
Kann ich mir lebhaft vorstellen. Die Studis werden sich gefragt haben, aus welchem Paralleluniversum "der komische Vogel da" entwichen ist |
Zu diesem Zeitpunkt war ich ja auch noch Hypothetischer Realist. Ich konnte mich aber steigern ... .
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Na dann, wenn es einfach vernünftig ist, einen hypothetischen Realismus zu vertreten ... . - Übrigens, vertrittst Du im Alltag die QM oder reicht hier Newton? |
Ups, erwischt
Trotzdem habe ich eine sehr gute Entschuldigung, wenn ich gelegentlich Newton durch Planck ersetze: die Newtonschen Gesetze resultieren als "Spezialfall" aus der QM, was dafür spricht, daß es beim Wechsel der Paradigmen doch zu keiner so radikalen Bedeutungsverschiebung der theoretischen Schlüsselterme zu kommen scheint, wie Kuhn geglaubt hat. In letzter Konsequenz ist das doch wieder Wasser auf die Mühlen des Kumulativismus, wonach sich wissenschaftliche Erkenntnisse Schritt für Schritt den älteren hinzufügen lassen. Ansonsten wäre eine Wissensprogression auch gar nicht möglich. Allein diese Tatsache ist Evidenz genug für meine These, daß wir von der Wirklichkeit Stück für Stück ein paar Mosaikteilchen mehr erfassen. |
Einverstanden. Ich bin für soziale Konstrukte.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Was "sinnvoll" ist, ist eine ganz andere Baustelle. Zunächst geht es doch um konkurrierende Hypothesen. Wenn beide "irgendwie sinnvoll" sind, nimm die ökonomischere. Das Problem bei der ID, die 'Multitasking-Fähigkeit' des göttlichen Designers, generiert eben multiple Probleme; auch wenn der IDler dies nicht so sieht. Nimm halt die ökonomische Argumentation - die des Naturalismus. Wenn die Axiomatik strittig ist, mußt Du eben einen Schritt zurückgehen. |
Naja, OK. Ich würde halt eher anders argumentieren: ID ist in mancherlei Hinsicht zwar ökonomischer als die ET. Sie genügt aber den einfachsten Rationalitätsstandards nicht: Falsifikationsprinzip, Erklärungsmacht, externe Konsistenz usw. Als Vorbedingung dafür braucht es eben den Naturalismus. Und eben auch einen epistemologischen Realismus, damit man überhaupt einen Grund hat, Wissenschaft zu betreiben. |
Ich würde eher sagen, der Naturalismus setzt sich aus bestimmten Elementen zusammen (Was sonst sind Standards). Warum aber braucht man einen Grund, um Wissenschaft zu betreiben? Und gar einen epistemologisch-realistischen?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ja. - Es ist der unendliche Regress. |
Verzeih', kannst Du mir das nochmals extemporieren? In welcher Hinsicht gerät der epistemologische Realismus in einen unendlichen Regress? Etwa deshalb, weil eine ontologische Ebene eine höhere ontologische Ebene bräuchte? Ein solcher Regreß entstünde doch nur, wenn man eine transnaturale Überwelt zuläßt, so daß man eine Überwelt der Überwelt annehmen müßte usw. Das ist das altbekannte Proliferationsproblem des Supernaturalismus. Aber deshalb schrieb’ ich oben bereits, daß der (epistemologische) Realismus selbstverständlich mit einem (ontologischen) Naturalismus kombiniert werden muß, da er den unendlichen Regreß verhindert.
Natürlich kannst Du monieren, daß der (ontologische) Naturalismus, wonach es nur diese Welt gibt, keine Letztbegründung hat, so daß der Regreß einfach bei der „ersten Welt“ abgebrochen wird. Aber erstens vertritt die Wissenschaft nur einen schwachen Naturalismus. Es geht ja "nur" darum, geeignete Rationalitätsstandards für den Wissenschaftsbetrieb bereitzustellen. Der Wissenschaftler nimmt ja nicht die Position des starken Naturalismus ein, wonach diese Welt definitiv alles ist, was es gibt – hier bleibt er als Agnostiker unentschieden.
Und zweitens gerätst Du in genau denselben Regreß, den Du mir vorgehalten hast. Der einzige Unterschied zwischen uns besteht darin, daß Du ihn bei der Existenz des „eigenen Ichs“ (gewissermaßen dogmatisch) abbrichst. Aber das kann ich auch, wenn ich sage: "Die naturale Welt ist alles, was existiert." Von daher wären unsere Positionen logisch gleichwertig - wenn der Unterschied nicht wäre, daß ich im Gegensatz zu Dir keine Letztbegründungen vertrete |
Wo vertrete ich denn Letztbegründungen? Und sagst Du wirklich: "Die naturale Welt ist alles, was existiert"? Natürlich geht meine Epistemologie über mein "eigenes Ich“ hinaus - ich bin ja kein Solipsist. So sehe ich hier keineswegs in irgendeiner Form einen dogmatischen Abbruch.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Du gerätst mit anderen Worten in einen Begründungszirkel: Viabel ist das, was viabel ist oder viabel scheint. Glaserfelds Begriff ist demnach nichts anderes als ein semantisch leeres Konstrukt. Auch Foersters These, daß die Funktion das Funktionieren beweise, ist eine völlig nutzlose Trivialität, solange man das "Funktionieren" nicht in einem realistischen Kontext versteht (als approximativ richtige Erkenntnis einer real existierenden Außenwelt o.ä.). Das "Irgendwas" beweist ja immer, daß irgend etwas existiert. Was will man mit einer solchen Philosophie anfangen? |
Die ontologische Instanz "bewertet"?! Wieviele ontologische Instanzen existieren denn? |
Ich könnte jetzt sagen: Nach Ockham und dem Naturalismus zufolge genau eine. Nämlich die, die erforscht werden kann. Merkst Du was? |
Nein, ich merke nichts. Dazu müßtest Du mit erst noch verdeutlichen, wie die ontologische Instanz "bewertet"! Und vor allen Dingen: Was?! Mit Deinem "könnte" hast Du wohl einen Lapsus begangen. - Setzt Du jetzt Deine Ontologie mit einem Naturalismus gleich, oder nicht?!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und auch mit der Existenz eines freien Willens kann sich doch das Gehirn nicht 'beliebiges' ausdenken. Auch wenn die irrigen Vorstellungen an Zahl größer sein mögen als die viablen. |
Du vergißt, daß in den Augen des Solipsisten auch das Gehirn mit seinen neuronalen Mustern, die als einzige Randbedingung verhindern könnten, daß sich das Gehirn nicht Beliebiges einfallen läßt, nur eine Introspektion ist. Dem Solipsimus zufolge ist eben nur das eigene Ich-Bewußtsein existent. Wenn es keinen äußeren Rahmen gibt, in den es eingebettet ist, muß es auch keinen Gesetzmäßigkeiten folgen. Es kann alles (!) und uns auch alles als viabel vorgaukeln, was es möchte. Wer oder was sollte das verhindern? Ist das nicht schön? |
Nein, so funktioniert das nicht. Der Begriff viabel ist in seinen Eigenschaften mit dem der Selbstorganisation verwandt. Gedankliche Konstrukte sind so letztlich auch Evolutionssysteme. Dein "äußerer Rahmen" ist ein Anthropozentrismus, um eine bestimmte Form von Bewußtsein - die menschliche - viabel zu machen.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Das Lustige am HR ist ja das Chamäleon-Verhalten: Wird der 'Realimus' darin kritisiert, zieht er sich auf die Hypothese zurück, wird ebensolches an der hyphothetischen Seite praktiziert, stellt er sich auf den 'realistischen' Standpunkt. Genauer ist der HR aber als "hypothetischer Illusionismus" zu bezeichnen, da er doch auf einer apriorisch-metaphysischen Setzung beruht. |
Und? Das lustige am Positivisten ist, daß er nur die Augen zu schließen braucht und zu sich selber sagen kann: Ich sehe die Welt nicht - also habe ich diese apriorisch-metaphysische Hypothese nicht nötig. Mir fällt dazu immer ein alter Kalauer von Hoimar v. Ditfurth ein, der einst sinngemäß meinte, man könne entweder als Wissenschaftler über vieles etwas oder über einiges viel wissen. Wem das nicht reiche, der brauche die Welt nach der Manier des Positivisten nur solange zu reduzieren, bis er über nichts alles Bescheid weiß. |
Falls das noch nicht klar war: Ich bin auch kein Positivist. Du siehst doch genaugenommen auch, dass es nicht möglich ist, zu wissen, was Realität ist. Soweit sind wir uns offenbar einig. Du vermutest nur aus nicht begründbaren Gründen - - das es eine absolute Realität geben könnte. Aber dazu hast Du auch nicht die geringsten Anhaltspunkte. Zudem ist es Dir auch nicht möglich, zu sagen was das sein soll. Mein Konzept verzichtet darauf und hat hingegen wohl begründete Hypothesen, die in Verbindung mit Systemtheorie und Evolutionäre Erkenntnistheorie (nicht Vollmers EE!) steht.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Im Gegensatz dazu trägt sich der RK in seiner Radikalität selbst. Aus Viabilität wird das Weltbild konstruiert. Es ist weder nötig, noch möglich, den ontologischen Rahmen Welt zu suchen - die Welt kann nur Weltbild sein! |
Wie gesagt, für einen Solipsisten ist alles viabel. Solange man keine Außenwelt anerkennt, die als einzige Dimension festlegen kann, was "überlebensadäquat" ist und was nicht, ist der Begriff der Viabilität eine semantisch unsaubere Konstruktion. Und wenn man eine Außenwelt postuliert, macht sich der Begriff selbst überflüssig. |
Dann direkt auf den Knackpunkt: Ich rede auch bsw. von "Außenwelt". Meine Sicht ist allerdings eine andere. Wie definierst Du sematisch sauber Außenwelt? - Und ändert sich die "Außenwelt" dadurch, dass Du sie mit hungrigen Magen oder unter Alkoholeinfluß betrachtest? Kannst Du denn auf Viabilität verzichten?
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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