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Gibt es moderate Atheisten?
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1305065) Verfasst am: 11.06.2009, 21:56    Titel: Antworten mit Zitat

Auch ich selbst sehe (4) als den problematischsten Punkt an und wollte ihn sogar zuerst weglassen.

Gemeint war natürlich nur der normative Teil des (privaten) Weltbilds in potenzieller Konkurrenz zum Gesellschaftsvertrag über minimale Grundwerte. Beispiel: Ein gläubiger deutscher Moslem hat das GG und Koran+Scharia zur Hand. Wenn er im Konfliktfall nach dem GG handelt und gegen das religiöse Recht, ist er in diesem Punkt moderat.

Das Problem - das Tarvoc schon angedeutet hat - liegt in der Tatsache, daß ich nicht jeden Aspekts des Minimalkonsenses gutheißen muß. (4) gilt also nur in einer u.a. relativ offenen Gesellschaft.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Naastika
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Anmeldungsdatum: 23.11.2003
Beiträge: 6100
Wohnort: an der Fütterungsstelle der Eichhörnchen

Beitrag(#1305066) Verfasst am: 11.06.2009, 21:56    Titel: Antworten mit Zitat

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
Arha hat folgendes geschrieben:
Ich gang eigentlich immer davon aus, dass laut Darwin die schlecht Angepassten aussterben, und nicht die Schachen. Was heisst eigentlich schwach? Wenig Köperkraft? Es heisst doch "„Survival of the Fittest", auch wenn auch das heutzutage fallengelassen wird....


A.


„Survival of the Fittest" heisst überleben des bestangepassten.
das kann je nach umwelt bedeuten, dass die großen starken als schlechter angepasste aussterben und die schwachen übrigbleiben


sach ich doch..*gähn*

Gleich 22h *abinsbett*


A.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1305067) Verfasst am: 11.06.2009, 21:59    Titel: Antworten mit Zitat

Noseman hat folgendes geschrieben:
Zitat:
(1) Die Überzeugung, es gebe keine Götter, unterliegt einem prinzipiellen Letztvorbehalt.
Dazu muss ich pedantisch nervend aber dazusagen, dass es richtig heissen müsste:

"(1) Das Fehlen einer Überzeugung, es gebe Götter, unterliegt einem prinzipiellen Letztvorbehalt."

Sonst klingelts bald wieder in der Kasse.

Es klingelt vielleicht an der Tür, aber nicht in der Kasse. Ich habe tatsächlich absichtlich die stark atheistische Formulierung benutzt - und die unter einen Letztvorbehalt gestellt.

Deine Variante ist natürlich erst recht moderat (und korrekt).
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DeHerg
nun schon länger Ranglos



Anmeldungsdatum: 28.04.2007
Beiträge: 6525
Wohnort: Rostock

Beitrag(#1305069) Verfasst am: 11.06.2009, 22:01    Titel: Antworten mit Zitat

Arha hat folgendes geschrieben:
L.E.N. hat folgendes geschrieben:
Arha hat folgendes geschrieben:
Ich gang eigentlich immer davon aus, dass laut Darwin die schlecht Angepassten aussterben, und nicht die Schachen. Was heisst eigentlich schwach? Wenig Köperkraft? Es heisst doch "„Survival of the Fittest", auch wenn auch das heutzutage fallengelassen wird....


A.


„Survival of the Fittest" heisst überleben des bestangepassten.
das kann je nach umwelt bedeuten, dass die großen starken als schlechter angepasste aussterben und die schwachen übrigbleiben


sach ich doch..*gähn*
Zitat:
(das spiegelt den SD zwar nicht korrekt wieder aber ich glaube das du das gemeint hattest))
->siehe es als hypothetischen abgespekten/verfälschten Darwinismus der hier nur als Visualisierungshilfe diente
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Haare spalten ist was für Grobmotoriker

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Malcolm
Ekelpaket



Anmeldungsdatum: 25.07.2007
Beiträge: 1231
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1305095) Verfasst am: 11.06.2009, 22:40    Titel: Antworten mit Zitat

DeHerg hat folgendes geschrieben:
Malcolm hat folgendes geschrieben:
Übrigens: Als ich hier in dieses Forum eingestiegen bin, habe ich dies als "religionsfreundlicher Atheist" getan. Offensichtlich erinnert sich hier niemand dieser Tatsache. Was ist da passiert? Ein religiöses Erweckungserlebnis?
das dies schwierig zu erkennen ist liegt daran das deine "Freundlichkeit" Ausmaße anti-atheistischer Apologetik angenommen hat wie man sie sonst nur noch bei religiösen Fundamentalisten ala Meisner(oder Ballancer) findet, wodurch deine Aussage das es sich bei dir um einen Nichtgläubigen handelt äußerst widersprüchlich erscheint(das dies nur Ironie sein soll kauf ich dir nicht ab da man Ironie gegenüber dem rethorischen Gegner verwendet der hier aber weit und breit nicht zu sehen ist(Ironie soll die Aussagen desjenigen widerspiegeln dem man zu widersprechen versucht))


Ich bin nicht "antiatheistisch". Allerdings gebe ich Dir recht, daß ich in letzter Zeit immer polemischer geworden bin, wenn nicht sogar aggressiver. Das tut mir auch leid. Übrigens halte ich Ballancer nicht für einen "religiösen Fundamentalisten". Ich bewundere sein Wissen und finde, daß er eine bemerkenswerte Gelassenheit an den Tag gelegt hat, die mir leider abgeht. Ich bin da kein "guter Christ", das gebe ich ja zu.

Ich stelle nur fest, daß ich meine persönliche Position hier in diesem Forum nicht vermitteln kann, sie ist überhaupt nicht "widersprüchlich", sie geht nur von einem anderen Gesellschaftsverständnis aus.

Wie auch immer: Daß ich hier in einigen Fällen zu polemisch geworden bin, tut mir leid. Aber ich denke auch, daß mir dieses Forum für meine eigene Person auch gar nichts mehr bringt. Insofern ist dies hier mein letzter Beitrag. Ich gebe das Schreiben in diesem Forum auf. Die eigentlich spannenden Diskussionen in dieser Gesellschaft verlaufen zwischen "Wertkonservativen" und "Progressiven" und sie sind dann fruchtbar, wenn man die jeweilige Gegenseite ernst nimmt. Dieses Forum empfinde ich als absolut unfruchtbar - es bringt mir wiegesagt für meine eigene Person überhaupt nichts und ich fühle mich hier absolut nicht wohl.

Übrigens: Wenn Kramer mal geschrieben hat "Nieder mit der CDU" so führt dieser Gedanke natürlich dazu, daß sich die politische Linke im Grunde genommen immer weiter zersplittert. Man will nicht mehr politische Opposition zur CDU sein, weil man das Wertkonservative und auch Christliche als das Böse schlechthin betrachtet, die notwendige Konsequenz einer solchen Betrachtungsweise ist aber, daß sich die Linke zersplittert, weil man dann eine Opposition innerhalb der Linken aufbaut, so eine Art parlamentarisches Systems im Kleinen. Inzwischen haben wir schon drei linke Parteien, vielleicht werden es ja noch mehr. Und so wird das "Nieder mit der CDU" dann auch dazu führen, daß wir vermutlich eine längere Herrschaft der CDU bekommen und eine vollkommene Zersplitterung der sogenannten Linken - etwa auch innerhalb der SPD - , was mich - trotz meines Wertkonservativismus - durchaus nicht nur freut.

Wie auch immer: Dieses Forum bringt mir nichts mehr, aber ich habe persönlich zu Atheisten immer nur das beste Verhältnis gehabt und von manchen habe ich auch sehr viel gelernt. Dieses Forum hier hat mir rein gar nichts gebracht, es war im wesentlichen nur verschwendete Zeit.

Gruß Malcolm
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Ohne die Musik wäre das Leben ein Irrtum.

"Das beste, was du weißt, kannst du den Buben doch nicht sagen." ( Goethe)
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Alfred
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Anmeldungsdatum: 20.11.2005
Beiträge: 7

Beitrag(#1305102) Verfasst am: 11.06.2009, 22:59    Titel: Re: Gibt es moderate Atheisten? Antworten mit Zitat

Malcolm hat folgendes geschrieben:
Gibt es eigentlich moderate Atheisten? Moderate Agnostiker mag es ja geben. Ist nicht der Begriff "moderater Atheist" eigentlich ein Widerspruch in sich selbst, da der Atheist ja im Gegensatz zum Agnostiker eine absolute Wahrheit gepachtet hat, nämlich die, daß es keinen Gott gibt, woraus er dann auch noch den zwingenden Schluß ziehen muß, daß er alle Menschen von seiner absoluten Wahrheit überzeugen muß? Und sind die Atheisten, die nicht so denken, eigentlich keine richtigen Atheisten?

Vermutlich glaubst Du nicht an die Realexistenz des Weihnachtsmanns. Hast Du deshalb von Dir den Eindruck, die „absolute Wahrheit gepachtet“ zu haben? Vermutlich glaubst Du nicht an die Realexistenz des Osterhasen. Hast Du deshalb von Dir den Eindruck, die „absolute Wahrheit gepachtet“ zu haben? Mooooooooment – ich weiß, dass Gläubige es regelmäßig als extrem dümmliche Beleidigung unterhalb jeder Gürtellinie ansehen, wenn Gott und Weihnachtsmann verglichen werden. Und da kann ich wirklich nur versuchen, um etwas nüchternes Verständnis zu bitten: Es ist *nicht* als Beleidigung gemeint. Es ist einfach eine Tatsache, dass der Atheist so wie Du als Gläubiger beide wissen, dass der Weihnachtsmann eine literarische Erfindung ist. Und ebenso weiß der Atheist, dass Gott eine literarische Erfindung ist. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist schon alles.
Ziehen wir beide aus unserem Wissen, dass der Weihnachtsmann eine literarische Erfindung ist, den Schluss, alle Menschen, von dieser „absoluten Wahrheit“ überzeugen zu müssen? Wohl eher nicht. Die Leute denken alles mögliche, und solange sie damit zufrieden sind, muss man sich nicht gegenseitig auf die Nerven gehen. Wenn aber Dein Nachbar jetzt anfängt, Dir morgens und abends seine Weihnachtsmannglocken zu läuten, Dich täglich im Radio mit dem Weihnachtsmannwort zum Morgen begrüßt, Deine Kinder in der Schule zum Weihnachtsmannkundeunterricht zwingt, Dir Steuern für seinen Weihnachtsmannkirchenbau abzwingt und dann noch tödlich beleidigt ist, wenn Du versuchst, ihm irgendwie schonend beizubringen, dass Du diesen Herrn Weihnachtsmann für eine literarische Erfindung ansiehst, wie würdest Du dann reagieren? Fändest Du es nicht auch irgendwie nett, wenn man sich mit seinen Ansichten nicht allzusehr gegenseitig auf die Nerven ginge? Und wärst Du ohne solche Vorbehalte „kein richtiger“ Weihnachtsmannskeptiker?
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tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 22334

Beitrag(#1305145) Verfasst am: 12.06.2009, 00:07    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Also mir kommt es nicht gerade moderat vor, sich blind und ohne nachzudenken an geltendes Gesetz zu halten... Pfeifen

Eben. Punkt 4 könnte ich auch nicht unterschreiben. Zufälligerweise ergeben sich derzeit keine wesentlichen Konflikte zwischen meinen Grundüberzeugungen und den "gesellschaftlichen Grundwerten", das ist aber auch alles und muss auch reichen.
Das heißt, je nachdem was "gesellschaftliche Grundwerte" sind, ergeben sich uU wahrscheinlich doch welche, aber jedenfalls keine strafbewehrten.
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Tarvoc
Holy shit, 4 decades already.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44763

Beitrag(#1305229) Verfasst am: 12.06.2009, 03:36    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Zufälligerweise ergeben sich derzeit keine wesentlichen Konflikte zwischen meinen Grundüberzeugungen und den "gesellschaftlichen Grundwerten".

In meinem Falle ist das Problem sogar noch etwas vertrackter. Ich sehe einen Abgrund zwischen dem Selbstanspruch unserer Gesellschaft, den ich unterschreiben kann und der sich z.B. in Ideen wie Freiheit und Menschenwürde ausdrückt einerseits, und ihrer tatsächlichen sozialen, politischen und gesetzlichen Realität andererseits.
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustand, in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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ultramontanist
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Anmeldungsdatum: 14.11.2005
Beiträge: 278

Beitrag(#1305258) Verfasst am: 12.06.2009, 09:04    Titel: Antworten mit Zitat


An allen Übeln sind die Frommen schuld. Die Ausrottung der Religion wird deshalb ein Paradies schaffen.



Ein Atheist, der, diese Heilslehre glaubt Sehr glücklich ist nicht moderat.
alle Anderen schon.
Richtige Atheisten, die keine Heilslehren glauben und skeptisch sind gelangen quasi automatisch zu einer differenzierten Betrachtungsweise des Phänomens Religion.
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NiH
xenomorph



Anmeldungsdatum: 02.04.2009
Beiträge: 812
Wohnort: Duisburg

Beitrag(#1305261) Verfasst am: 12.06.2009, 09:35    Titel: Re: Gibt es moderate Atheisten? Antworten mit Zitat

Malcolm hat folgendes geschrieben:
Gibt es eigentlich moderate Atheisten? Moderate Agnostiker mag es ja geben. Ist nicht der Begriff "moderater Atheist" eigentlich ein Widerspruch in sich selbst, da der Atheist ja im Gegensatz zum Agnostiker eine absolute Wahrheit gepachtet hat, nämlich die, daß es keinen Gott gibt, woraus er dann auch noch den zwingenden Schluß ziehen muß, daß er alle Menschen von seiner absoluten Wahrheit überzeugen muß? Und sind die Atheisten, die nicht so denken, eigentlich keine richtigen Atheisten?


Atheismus hat für mich nichts mit dem Missionieren (im positiven Sinne) zu tun und es ist auch nicht die Aufgabe eines Atheisten, dieses Weltbild bedingungslos zu verbreiten. Auch die Überzeugung eines Atheisten, dass es keine "höhere Wesen" etc. gibt, hat nichts mit radikalem Denken zu tun, weswegen die Bezeichnung "moderater Atheist" auch so nicht funktionieren kann.
Die atheistische Überzeugung ist ein nicht-radikales Entweder-Oder. Was sie letztlich daraus machen, hängt vollkommen von den einzelnen Personen ab.
Für mich ist "Atheismus" der Urzustand, bei dem man nach der Geburt bleibt oder ihn später möglicherweise annimmt.
Aber ich leite nicht irgendwelche Wertvorstellungen oder ähnliches daraus ab.
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Sermon
panta rhei



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Beitrag(#1305298) Verfasst am: 12.06.2009, 11:00    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Zufälligerweise ergeben sich derzeit keine wesentlichen Konflikte zwischen meinen Grundüberzeugungen und den "gesellschaftlichen Grundwerten".

In meinem Falle ist das Problem sogar noch etwas vertrackter. Ich sehe einen Abgrund zwischen dem Selbstanspruch unserer Gesellschaft, den ich unterschreiben kann und der sich z.B. in Ideen wie Freiheit und Menschenwürde ausdrückt einerseits, und ihrer tatsächlichen sozialen, politischen und gesetzlichen Realität andererseits.
Weltanschauungsfreiheit ist beispielsweise zwar ein Grundrecht, aber immer auch erst ein anzustrebender gesellschaftlicher Zustand.
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step
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Beitrag(#1305305) Verfasst am: 12.06.2009, 11:06    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Zufälligerweise ergeben sich derzeit keine wesentlichen Konflikte zwischen meinen Grundüberzeugungen und den "gesellschaftlichen Grundwerten", das ist aber auch alles und muss auch reichen. Das heißt, je nachdem was "gesellschaftliche Grundwerte" sind, ergeben sich uU wahrscheinlich doch welche, aber jedenfalls keine strafbewehrten.

Würdest Du in einem solchen Fall gegen den Grundwertekonsens handeln, wärst Du aus meiner Sicht in diesem Punkt nicht mehr moderat, sondern radikal.

Ich gehe bei der Betrachtung natürlich immer von einer Gesellschaft aus, die von den Grundzügen her offen verfaßt ist, also in der Redefreiheit, Demokratie usw. Geltung haben.
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Sermon
panta rhei



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Beitrag(#1305307) Verfasst am: 12.06.2009, 11:07    Titel: Antworten mit Zitat

ultramontanist hat folgendes geschrieben:

An allen Übeln sind die Frommen schuld. Die Ausrottung der Religion wird deshalb ein Paradies schaffen.



Ein Atheist, der, diese Heilslehre glaubt Sehr glücklich ist nicht moderat.
alle Anderen schon.
Richtige Atheisten, die keine Heilslehren glauben und skeptisch sind gelangen quasi automatisch zu einer differenzierten Betrachtungsweise des Phänomens Religion.
Das hat nichts mit richtigem oder falschem Atheismus zu tun, sondern damit, ob jemand Fanatiker ist oder nicht. Etliche Antireligioese sind negativ gefangen in den Schaedigungen, die Religion bei ihnen angerichtet hat. Deshalb ist religioese Kindererziehung in manchen Faellen auch problematischer, als einige progressive Theologen sich je eingestehen koennten.
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step
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Beiträge: 22782
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Beitrag(#1305309) Verfasst am: 12.06.2009, 11:09    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ich sehe einen Abgrund zwischen dem Selbstanspruch unserer Gesellschaft, den ich unterschreiben kann und der sich z.B. in Ideen wie Freiheit und Menschenwürde ausdrückt einerseits, und ihrer tatsächlichen sozialen, politischen und gesetzlichen Realität andererseits.

Diesen Abgrund sieht wohl fast jeder hier. Du könntest Dich also gesetzeswidrig und doch grundwertekonform verhalten.

Nehmen wir aber mal ein konkretes Beispiel, wo Du dem Grundwertekonsens selbst klar widersprichst und im Konfliktfall auch gegen ihn handeln würdest. Gibt es sowas?
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Sermon
panta rhei



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
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Beitrag(#1305314) Verfasst am: 12.06.2009, 11:11    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Zufälligerweise ergeben sich derzeit keine wesentlichen Konflikte zwischen meinen Grundüberzeugungen und den "gesellschaftlichen Grundwerten", das ist aber auch alles und muss auch reichen. Das heißt, je nachdem was "gesellschaftliche Grundwerte" sind, ergeben sich uU wahrscheinlich doch welche, aber jedenfalls keine strafbewehrten.

Würdest Du in einem solchen Fall gegen den Grundwertekonsens handeln, wärst Du aus meiner Sicht in diesem Punkt nicht mehr moderat, sondern radikal.

Ich gehe bei der Betrachtung natürlich immer von einer Gesellschaft aus, die von den Grundzügen her offen verfaßt ist, also in der Redefreiheit, Demokratie usw. Geltung haben.
Das here Grundrecht der Weltanschauungsfreiheit nutzt praktisch der Tochter aus muslimischem Elternhause wenig, wenn die Community das Kopftuchtragen erzwingt. Das here Recht der weltanschaulichen Neutralitaet des Staates nuetzt dem konfessionsfreien Kinde in der oeffentlichen Grundschule wenig, wenn die Alternative zum Konfliktausweichenden Schulwechsel im Mobbing der christlichen Schulgebetsbefuerworter besteht. Und wo sind da nebenbei angemerkt die ach so progressiven Religioesen?
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Evilbert
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Anmeldungsdatum: 16.09.2003
Beiträge: 42408

Beitrag(#1305317) Verfasst am: 12.06.2009, 11:14    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ich sehe einen Abgrund zwischen dem Selbstanspruch unserer Gesellschaft, den ich unterschreiben kann und der sich z.B. in Ideen wie Freiheit und Menschenwürde ausdrückt einerseits, und ihrer tatsächlichen sozialen, politischen und gesetzlichen Realität andererseits.

Diesen Abgrund sieht wohl fast jeder hier. Du könntest Dich also gesetzeswidrig und doch grundwertekonform verhalten.

Nehmen wir aber mal ein konkretes Beispiel, wo Du dem Grundwertekonsens selbst klar widersprichst und im Konfliktfall auch gegen ihn handeln würdest. Gibt es sowas?


Mir würde da das Daschner-Szenario einfallen. Potentiell; wie ich tatsächlich handeln würde weiss ich nicht.
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Sermon
panta rhei



Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 18430
Wohnort: Sine Nomine

Beitrag(#1305319) Verfasst am: 12.06.2009, 11:17    Titel: Antworten mit Zitat

Noseman hat folgendes geschrieben:
Mir würde da das Daschner-Szenario einfallen. Potentiell; wie ich tatsächlich handeln würde weiss ich nicht.
Und das "Hochhaus/Atomkraftwerk vs. Flugzeug von Terroristen gesteuert" - Dilemma.
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hat Spaß



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Beiträge: 22334

Beitrag(#1305325) Verfasst am: 12.06.2009, 11:29    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Zufälligerweise ergeben sich derzeit keine wesentlichen Konflikte zwischen meinen Grundüberzeugungen und den "gesellschaftlichen Grundwerten", das ist aber auch alles und muss auch reichen. Das heißt, je nachdem was "gesellschaftliche Grundwerte" sind, ergeben sich uU wahrscheinlich doch welche, aber jedenfalls keine strafbewehrten.

Würdest Du in einem solchen Fall gegen den Grundwertekonsens handeln, wärst Du aus meiner Sicht in diesem Punkt nicht mehr moderat, sondern radikal.

Auch wieder wahr. Radikal muss ja nix schlimmes sein.
Sermon hat folgendes geschrieben:
Das hat nichts mit richtigem oder falschem Atheismus zu tun, sondern damit, ob jemand Fanatiker ist oder nicht. Etliche Antireligioese sind negativ gefangen in den Schaedigungen, die Religion bei ihnen angerichtet hat. Deshalb ist religioese Kindererziehung in manchen Faellen auch problematischer, als einige progressive Theologen sich je eingestehen koennten.

Ich glaube, so ein Argument hatten wir schon mal. Da hat zelig glaube ich sinngemäß gesagt: Jeder behält seine Fanatiker bitte erst mal für sich.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
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Wohnort: Germering

Beitrag(#1305335) Verfasst am: 12.06.2009, 11:41    Titel: Antworten mit Zitat

Sermon hat folgendes geschrieben:
Noseman hat folgendes geschrieben:
Mir würde da das Daschner-Szenario einfallen. Potentiell; wie ich tatsächlich handeln würde weiss ich nicht.
Und das "Hochhaus/Atomkraftwerk vs. Flugzeug von Terroristen gesteuert" - Dilemma.

Genau. Für solche Dilemmata gibt es oft keine eindeutige Legitimitätslage.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1305336) Verfasst am: 12.06.2009, 11:42    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Zufälligerweise ergeben sich derzeit keine wesentlichen Konflikte zwischen meinen Grundüberzeugungen und den "gesellschaftlichen Grundwerten", das ist aber auch alles und muss auch reichen. Das heißt, je nachdem was "gesellschaftliche Grundwerte" sind, ergeben sich uU wahrscheinlich doch welche, aber jedenfalls keine strafbewehrten.
Würdest Du in einem solchen Fall gegen den Grundwertekonsens handeln, wärst Du aus meiner Sicht in diesem Punkt nicht mehr moderat, sondern radikal.
Auch wieder wahr. Radikal muss ja nix schlimmes sein.

Genau!
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44763

Beitrag(#1305521) Verfasst am: 12.06.2009, 15:49    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Nehmen wir aber mal ein konkretes Beispiel, wo Du dem Grundwertekonsens selbst klar widersprichst und im Konfliktfall auch gegen ihn handeln würdest. Gibt es sowas?

Gute Frage. Walter Benjamin schreibt, wir müssten uns darüber im Klaren sein, dass die Möglichkeit besteht, dass es einen unauflösbaren Widerstreit zwischen der Gerechtigkeit der Ziele und der Legitimität der Mittel gibt. Insofern ist letztendlich jedes einzelne Grundrecht für sich genommen inhaltlich verhandelbar (wobei ich bei den meisten Grundrechten die Hürden sehr hoch ansetzen würde). Die einzige Ausnahme bildet dabei allerdings Hannah Arends "Recht darauf, Rechte zu haben", welches ich mit der Menschenwürde identifizieren würde. Dieses würde ich als unverhandelbar sehen, weil es erst die Grundlage jeder Verhandlung bildet.

Hier mal am Beispiel der afrikanischen Bootsflüchtlinge: Sie sind formal nicht entrechtet, die Menschenrechte gelten für sie, aber sie sind entwürdigt, weil es keine Instanz gibt, die sie anrufen könnten, denn keine europäische Nation erkennt die Zuständigkeit an. Im Grunde würde ich sagen, dass ein deutscher Staat, der die Menschenwürde ernst nähme, dazu verpflichtet wäre, dafür zu sorgen, dass irgendwer sie aufnimmt. Sie dürfen also nicht in einen rechtefreien Raum abgeschoben werden. Einen solchen Raum ohne Rechte könnte man nach Giorgio Agamben als Lager (Flüchtlingslager, Arbeitslager, Konzentrationslager, Vernichtungslager, andere Arten von Menschenlagerung) bezeichnen - auch wenn es sich im Fall der Bootsflüchtlinge nicht im Wortsinne um Lager, sondern um Boote handelt.

Zum Daschner-Fall äußere ich mich später noch. Ich muss gleich los und hab' noch nicht gegessen.
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Komodo
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Anmeldungsdatum: 27.05.2005
Beiträge: 4588
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Beitrag(#1305534) Verfasst am: 12.06.2009, 15:58    Titel: Antworten mit Zitat

Moderat? Was soll das überhaupt heißen?
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1305573) Verfasst am: 12.06.2009, 16:44    Titel: Re: Gibt es moderate Atheisten? Antworten mit Zitat

Malcolm hat folgendes geschrieben:
Gibt es eigentlich moderate Atheisten? Moderate Agnostiker mag es ja geben. Ist nicht der Begriff "moderater Atheist" eigentlich ein Widerspruch in sich selbst, da der Atheist ja im Gegensatz zum Agnostiker eine absolute Wahrheit gepachtet hat, nämlich die, daß es keinen Gott gibt, woraus er dann auch noch den zwingenden Schluß ziehen muß, daß er alle Menschen von seiner absoluten Wahrheit überzeugen muß? Und sind die Atheisten, die nicht so denken, eigentlich keine richtigen Atheisten?

Eigentlich ist es ganz einfach. Der Atheist ist der festen Überzeugung, daß es Götter nicht gibt. Der Agnostiker hält die Frage für nicht entscheidbar.

Ein Wahrheitsanspruch ist auch bei Atheisten mittlerweile selten geworden, wenn dann nur in der Weise, daß etwas solange als wahr angesehen werden kann, wie es nicht widerlegt ist. In diesem Sinne halten Atheisten den Gottesglauben für widerlegt, weil sein Beweis bis heute nicht gelungen ist (und sie haben es wahrlich versucht!).

Agnostiker gehen vor der prinzipiellen Begrenztheit menschlicher Erkenntnisfähigkeit aus und lehnen daher jede Aussage über Transzendentes ab. Atheisten dagegen wenden sich meist gegen den Glauben selbst und gegen die Glaubensgemeinschaften, deren Existenzgrundlage sie bezweifeln.

Missionarisch sind übrigens beide nicht, nur sieht das bei Atheisten oft so aus, da sie klarer als die Agnostiker eine Gegenbewegung zum Theismus sind. Nicht selten sind die engagiertesten Atheisten ehemalige Gläubige, die sich an ihrer alten Kirche abarbeiten, damit Konvertiten nicht unähnlich. Und obwohl das ihre Argumente nicht abqualifiziert, gibt es ihnen doch oft etwas Angestrengtes, das dem Agnostiker fehlt.

Der Atheismus ist übrigens immer so stark wie ihre Gegner aufdringlich. Jahrzehntelang hatte man von ihnen nichts gehört. Erst mit dem Erstarken der christlichen und mulimischen Fundamentalisten hört man auch von den Atheisten wieder mehr. Und es ist nicht zu bezweifeln, daß es nötig ist. Ich bin daher überzeugt, Atheismus wäre kein Thema mehr, wenn die monotheitischen Religionen aufhören würden, Anders- oder Nichtgläubige mit ihrem Wahrheitsanspuch zu traktieren.

Ob ein Atheist moderat ist oder nicht, ist trotz allem eine Frage des persönlichen Temperaments. Atheismus ist kein Glaubenssystem, nicht einmal ein Lebenseinstellung. Es ist nur ein einziger Satz: "Es gibt keinen Gott". Punkt. Alles andere ist Begründung, Drumherum. Was dann kommt, welche Entscheidungen man für sein Leben trifft, ist jedem selbst überlassen.

P.S.: Atheismus als "Abfallprodukt" politischer Glaubensbekenntnisse ist hier übrigens ausdrücklich nicht gemeint. Ein Kommunist mag sich als Atheist betrachten - für mich glaubt er einfach nur etwas anderes.
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Tarvoc
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Beitrag(#1305732) Verfasst am: 12.06.2009, 18:50    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Zum Daschner-Fall äußere ich mich später noch.

Okay, hier mal ein paar Worte dazu: Ich habe mich zwar schon mehrfach mit dem Fall befasst und weiss auch ungefähr, was ich dazu sagen wollen würde. Ich muss nur jedes Mal wieder von neuem darüber nachdenken, wie ich es sagen will, um nicht falsch verstanden zu werden. Grob gesagt würde ich einen Unterschied sehen zwischen den Handlungen von Privatpersonen und den Handlungen staatlicher Instanzen. Es könnte sein, dass ich so gehandelt hätte wie Daschner, aber ethisch zu rechtfertigen ist es erst durch seine Entlassung. Man könnte sagen: Wolf Daschner hatte Grund, so zu handeln, aber Polizeipräsident Wolfgang Daschner hatte nicht das Recht, so zu handeln. Wenn Wolf Daschner sein staatliches Amt niederlegt (oder Einsicht in seine Entlassung zeigt) und die Konsequenzen, die ihm von Seiten des Staates für seine Folterandrohung auferlegt werden, annimmt, wird sein Handeln ethisch gerechtfertigt. Paradoxerweise führt das Gewaltmonopol des Staates in Kombination mit den Menschenrechten (die ganz zurecht in allererster Linie Rechte der Menschen gegenüber dem Staat sind) dazu, dass eine Gewalthandlung einer Privatperson unter gewissen Umständen eher ethisch gerechtfertigt sein kann als die selbe Gewalthandlung einer staatlichen Instanz - allerdings nur wenn diese Privatperson bereit ist, die rechtlichen Konsequenzen, die ihr aus ihrer Handlung erwachsen, zu akzeptieren. Oder mit anderen Worten: Wir haben hier den paradoxen Fall, dass die Bestrafung einer zumindest aus einer gewissen Sicht ethisch gerechtfertigten Handlung notwendig ist, weil diese Handlung überhaupt erst durch ihre Bestrafung ethisch gerechtfertigt wird. Die Menschenrechtsverletzung des Entführers machte es für Daschner nötig, dessen Menschenrechte zu verletzen, um die Menschenwürde des Opfers zu bewahren, aber mit dieser Verletzung wurde die Menschenwürde des Entführers verletzt, aber auch die Daschners selbst (aufgrund der schizophrenen Natur dieses Dilemmas), und erst die Entlassung Daschners aus seinem Staatsamt und seine Bestrafung nach geltendem Gesetz stellt die Menschenwürde sowohl Daschners als auch des Entführers wieder her.

Das alles ist selbstverständlich unvollständig, unzureichend und vorläufig, aber es ist das Beste, was ich jetzt spontan dazu leisten kann.
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Evilbert
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Beitrag(#1305742) Verfasst am: 12.06.2009, 19:00    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:


Das alles ist selbstverständlich unvollständig, unzureichend und vorläufig, aber es ist das Beste, was ich jetzt spontan dazu leisten kann.


So unvollständig, unzureichend und vorläufig wäre ich gern auch mal spontan.
:neid:
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Tarvoc
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Beitrag(#1305745) Verfasst am: 12.06.2009, 19:03    Titel: Antworten mit Zitat

Lachen Wie gesagt, ich habe mich schon mehrmals mit dem Fall beschäftigt und wusste schon ungefähr, was ich dazu sagen will, nur eben nicht wie. Ein Gefühl, das mich bei der ganzen Sache allerdings nach wie vor ständig beschleicht, ist jedoch, dass meine Überlegungen dazu weit davon entfernt sind, der Weisheit letzter Schluss zu sein.
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step
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Beitrag(#1305746) Verfasst am: 12.06.2009, 19:05    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
...

Finde ich ziemlich gut, und ich kann das meiste argumentativ nachvollziehen, auch wenn ich in bezug auf die Folter anderer Meinung bin. Aus meiner persönlichen Sicht könnte Daschner als Privatmann nur dann Folter zugebilligt werden, wenn er im Affekt handelt.

Bleibt die absurde Frage, was man als Konsequenz aus Deiner Sicht einem potenziellen Daschner raten sollte. Etwa so: "Ich rate Dir, ihn als Privatmann zu foltern und Dich danach als Amtsperson dafür bestrafen zu lassen"?

Insgesamt bleibe ich bei meiner Aussage, daß der Grundwertekonsens Dilemmasituationen nicht wirklich abdeckt, ähnlich wie auch der kategorische Imperativ in speziellen Situationsklassen nicht funktioniert.
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Tarvoc
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Beitrag(#1305758) Verfasst am: 12.06.2009, 19:18    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Aus meiner persönlichen Sicht könnte Daschner als Privatmann nur dann Folter zugebilligt werden, wenn er im Affekt handelt.

Was heißt zubilligen? Ich behaupte kein moralisches Recht Daschners, zu foltern bzw. Folter anzudrohen. Genauer gesagt behaupte ich sogar genau das nicht. Was ich behaupte, ist eine moralische Notwendigkeit, um der Menschenwürde des Opfers willen dieses finden zu wollen (und zwar völlig unabhängig davon, ob es "tatsächlich" noch lebt oder nicht), und diesen Willen nicht aufzugeben. Diese Notwendigkeit kollidiert jedoch gerade mit dem echten Unrecht der Folterandrohung. Das heißt, dass Daschner durch die Folterandrohung die Menschenwürde des Täters verletzt, durch die Aufgabe der Suche hingegen die Menschenwürde des Opfers. Ein echtes Dilemma. Hinzu kommt noch, dass überhaupt vor ein solches Dilemma gestellt zu sein in gewisser Weise auch noch Daschners eigene Würde verletzt. Die zeigt sich schon darin, dass im Umfeld des Daschner-Falls Sätze auftauchen wie "Gott, ich hoffe, dass ich nie in eine solche Situation gerate, solche Entscheidungen treffen zu müssen!".

step hat folgendes geschrieben:
Bleibt die absurde Frage, was man als Konsequenz aus Deiner Sicht einem potenziellen Daschner raten sollte. Etwa so: "Ich rate Dir, ihn als Privatmann zu foltern und Dich danach als Amtsperson dafür bestrafen zu lassen"?

Das Problem ist, dass das "sich bestrafen lassen" nur dann die Menschenwürde wiederherstellt, wenn es nicht auf einem Kalkül basiert, das darauf abzielt, die Menschenwürde wiederherzustellen, sondern auf Einsicht. Der Satz "Ich rate dir, einsichtig zu sein" ist aber ein Unsinn. Im Grunde kann man Daschner gar nichts "raten". Man kann nur davon Zeugnis ablegen, wie man selbst die Sache sieht, und Vermutungen darüber anstellen, wie man selbst gehandelt hätte. Hier zeigt sich übrigens auch wieder, dass der Diskurs der Ethik ständig um etwas kreist, das er letztendlich nicht berühren kann. Der frühe Wittgenstein war sehr ungenau, als er schrieb, man könne über Ethik nicht sprechen (man kann über Ethik sprechen), aber hier wird deutlich, was er vielleicht damit gemeint haben könnte.

step hat folgendes geschrieben:
Insgesamt bleibe ich bei meiner Aussage, daß der Grundwertekonsens Dilemmasituationen nicht wirklich abdeckt.

Letztendlich sehe ich das auch so, und das wird an diesem Beispiel auch gut deutlich. Aber das ist natürlich letztlich eine Tautologie. Keine widerspruchsfreie Ethik kann überhaupt jemals ein Dilemma abdecken, weil ein Dilemma eine "objektiv" ethisch widersprüchliche Situation darstellt. Letztendlich wird durch meine Lösung auch nur die Menschenwürde wiederhergestellt, aber nicht der Widerstreit der Diskurse beseitigt. Diesen kann man nicht aufheben, sondern man kann nur für ihn Zeugnis ablegen.

Mir ist übrigens gerade noch eingefallen, dass es gewisse Parallelen zwischen dem Daschner-Fall und der Antigone-Sage gibt.
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