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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#1327775) Verfasst am: 13.07.2009, 16:02 Titel: Überholverbot |
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So, mangels Nergal mach ich jetzt seine Überschriften.
Die Frage ist ebenso kurz wie in der Antwort (vermutlich) komplex: Warum hat uns Europäer während des großen Niedergangs (Mittelalter) niemand zivilisatorisch überholt oder gar kolonisiert?
Genug Zeit dürften die gut 1000 Jahre ja gewesen sein, zumal einige Völker bereits zur römischen Zeit Hochkulturen hatten.
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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(#1327776) Verfasst am: 13.07.2009, 16:03 Titel: |
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Die Araber haben an der Grenze des byzantischen Reiches und in Südspanien durchaus zugelangt.
Und auch die Russen waren lange unter dem Mongolenjoch.
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Shadaik evolviert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 26377
Wohnort: MG
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(#1327780) Verfasst am: 13.07.2009, 16:23 Titel: |
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Oh, das war etwas anders gemeint: Warum sind wir trotz des Bruchs in Form (die Europäer als Kollektiv) des Mittelalters die erste Kultur geworden, welche (technologisch, politisch und kulturell) die Moderne erreichte.
oder sidn wir das gar nicht und ich übersehe wen?
_________________ Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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AXO nach unbekannt auf unbestimmte Zeit verzogen
Anmeldungsdatum: 05.02.2007 Beiträge: 10129
Wohnort: Thüringen
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(#1327790) Verfasst am: 13.07.2009, 16:44 Titel: Re: Überholverbot |
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Shadaik hat folgendes geschrieben: | So, mangels Nergal mach ich jetzt seine Überschriften.
Die Frage ist ebenso kurz wie in der Antwort (vermutlich) komplex: Warum hat uns Europäer während des großen Niedergangs (Mittelalter) niemand zivilisatorisch überholt oder gar kolonisiert?
Genug Zeit dürften die gut 1000 Jahre ja gewesen sein, zumal einige Völker bereits zur römischen Zeit Hochkulturen hatten. |
Nicht überholt -> Vielleicht weil bisher wohl alle Hochkulturen irgendwann stagniert und (unterstellt) an
ihrer eigenen kulturellen Inzucht zerbröselt sind. Eine kontinuierliche Fortführung der Entwicklung
einer Kultur hats m.W. bisher noch nicht gegeben.
Nicht kolonisiert -> Im Mittelalter hätten dazu wohl einzig die Chinesen den kulturellen Vorsprung gehabt
um den für eine Kolonialisierung nötigen Technologie- und Logistikaufwand zu erbringen
und die haben aufgrund der bereits vorhandene Größe ihres Reiches wohl keinen Expansionszwang verspürt.
Möglich auch das lediglich die europäische zerstrittene Kleinstaaterei und der damit verbundene
Konkurrenzanspruch verschiedenster Fürsten und Könige zum europäischen Expansionsdrang
geführt haben. Die Kolonisation der Welt war ja schließlich auch immer ein Wettbewerb der verschiedenen
europäischen Länder um Ressourcen und externe Einkünfte.
Immerhin waren die Europäer die einzigen nennenswert agressiven Kolonisatoren überhaupt
und die Fragestellung müßte demzufolge eher lauten -> "warum?"
und nicht - "warum die anderen nicht?"
_________________ Augen auf dann kann nichts passieren
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Alchemist registrierter User
Anmeldungsdatum: 03.08.2004 Beiträge: 27897
Wohnort: Hamburg
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(#1327792) Verfasst am: 13.07.2009, 16:46 Titel: |
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Shadaik hat folgendes geschrieben: | Oh, das war etwas anders gemeint: Warum sind wir trotz des Bruchs in Form (die Europäer als Kollektiv) des Mittelalters die erste Kultur geworden, welche (technologisch, politisch und kulturell) die Moderne erreichte.
oder sidn wir das gar nicht und ich übersehe wen? |
Müsste man sich nicht erstmal überlegen, was die Voraussetzungen für technologischen Fortschritt sind?
Vielleicht hat keine andere Kultur diese Voraussetzungen vor den Europäern erfüllt?
Loslösung von Aberglauben gehört für mich dazu, ebenso wie eine gewissen Bevölkerungsdichte. Zudem muss es Menschen geben, die Zeit für Forschung usw. haben und sich nicht mit Felder bestellen die Zeit vertreiben müssen
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AXO nach unbekannt auf unbestimmte Zeit verzogen
Anmeldungsdatum: 05.02.2007 Beiträge: 10129
Wohnort: Thüringen
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(#1327796) Verfasst am: 13.07.2009, 16:51 Titel: |
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Shadaik hat folgendes geschrieben: | Oh, das war etwas anders gemeint: Warum sind wir trotz des Bruchs in Form (die Europäer als Kollektiv) des Mittelalters die erste Kultur geworden, welche (technologisch, politisch und kulturell) die Moderne erreichte.
oder sidn wir das gar nicht und ich übersehe wen? |
Wo die Inka und Azteken heute wären wird man wohl nie erfahren
Und was "die Moderne" betrifft, waren sicher auch Chinesen, Römer, Griechen, Ägypter usw.
schonmal der Meinung irgend eine Art von "Moderne" erreicht zu haben
Aktuell sind eben wir dieser Meinung weil wir spät genug gestartet und dementsprechend
gegenwärtig grad am Drücker sind.
Das muß zunächst mal nicht wirklich was bedeuten. In 3000 Jahren kann hier Entwicklungsgebiet
sein und die Afrikaner erheblich "moderner" als wir je geworden (dann) -> waren.
_________________ Augen auf dann kann nichts passieren
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sehr gut dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 05.08.2007 Beiträge: 14852
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(#1327803) Verfasst am: 13.07.2009, 17:01 Titel: Re: Überholverbot |
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AXO hat folgendes geschrieben: | Immerhin waren die Europäer die einzigen nennenswert agressiven Kolonisatoren überhaupt
und die Fragestellung müßte demzufolge eher lauten -> "warum?"
und nicht - "warum die anderen nicht?" |
Die "Christianisierung" (bzw was die so nannten) war ja bloß vorgeschoben, wenn man ein Wirtschaftssystem hat welches immer weiter wachsen muß, welches immer neue Schuldner braucht, dann muß man expandieren.
Wer "zivilisierter" war, der Kolonialherr oder die Überfallenen, woran will man das messen?
Ist derjenige der sich immer grausamere Waffen ausdenkt und einsetzt zivilisiert? Aber genau diese Leute haben sich ausgebreitet und die anderen abgemetzelt.
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sehr gut dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 05.08.2007 Beiträge: 14852
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(#1327806) Verfasst am: 13.07.2009, 17:09 Titel: |
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Alchemist hat folgendes geschrieben: | Müsste man sich nicht erstmal überlegen, was die Voraussetzungen für technologischen Fortschritt sind?
Vielleicht hat keine andere Kultur diese Voraussetzungen vor den Europäern erfüllt?
Loslösung von Aberglauben gehört für mich dazu, ebenso wie eine gewissen Bevölkerungsdichte. Zudem muss es Menschen geben, die Zeit für Forschung usw. haben und sich nicht mit Felder bestellen die Zeit vertreiben müssen |
"Felder bestellen" <> Zivilisation ?
Oder steht das allgemein für "Arbeit", so das d.E. nach Menschen von der Arbeit befreit werden müssen um sich nach 'höherem' ausstrecken zu können? Aber in unserer Gesellschaft wird ja auf Teufel komm raus nach Wegen gesucht Arbeit zu schaffen (obwohl diese Leute gar nicht dazu gebraucht werden).
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#1327829) Verfasst am: 13.07.2009, 17:46 Titel: Re: Überholverbot |
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Shadaik hat folgendes geschrieben: | So, mangels Nergal mach ich jetzt seine Überschriften.
Die Frage ist ebenso kurz wie in der Antwort (vermutlich) komplex: Warum hat uns Europäer während des großen Niedergangs (Mittelalter) niemand zivilisatorisch überholt oder gar kolonisiert?
Genug Zeit dürften die gut 1000 Jahre ja gewesen sein, zumal einige Völker bereits zur römischen Zeit Hochkulturen hatten. |
Keine Rohstoffe?
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1327837) Verfasst am: 13.07.2009, 18:02 Titel: Re: Überholverbot |
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Shadaik hat folgendes geschrieben: | Warum hat uns Europäer während des großen Niedergangs (Mittelalter) niemand zivilisatorisch überholt oder gar kolonisiert?
Genug Zeit dürften die gut 1000 Jahre ja gewesen sein, zumal einige Völker bereits zur römischen Zeit Hochkulturen hatten. |
Es kamen nicht so viele Zivilisationen in Frage: Byzanz, Arabien (sehr vereinfacht), China, Mongolen. Zivilisatorisch überholt haben uns von denen die meisten. Die Chinesen waren eigentlich allen anderen Zivilisationen im Mittelalter überlegen. Nur haben sie es weitgehend für sich behalten. Bambusvorhang nennt man das wohl. Die Araber waren im Mittelalter auch wesentlich weiter als Europa. Das sich das nicht immer in militärischen Überlegenheit umsetzt, zeigen die Kreuzzüge, die zurückzuschlagen, die Araber doch einiges an Anstrengungen gekostet hat. Dafür wußten die Europäer danach, daß es Teppiche gibt, nur nicht wofür. Sie hängten sie an die Wand! Selbst Byzanz war z.B. medizinisch den Franken überlegen, bis die Franken Byzanz eroberten und plünderten.
Kolonisierung ist dagegen etwas anderes: Die Chinesen haben einen ziemlich groß angelegten Versuch gemacht mit einer Flotte bis nach Afrika. Dabei ging es aber wohl nicht um Kolonisierung und dieser Versuch wich nach ein paar Jahren der alten Politik der Isolation. Die technischen Voraussetzung existierten, aber nicht der politische Wille.
Die Mongolen waren mit dem Beherrschen von China beschäftigt und in der Form der Goldenen Horde wurden sie von den Russen aufgehalten.
Die Araber haben es versucht, sind aber in Spanien an Karl Martell gescheitert, und hatten in der Folge genug zu tun, sich der Reconquista zu erwehren. Nach Osten kam der Islam bis Indien, wurde dann aber auch von den Mongolen gestoppt. Islam ist hier die etwas pauschalierenden Bezeichnung für islamische Reiche, aber die Europäer werden ja auch als Sammelbezeichnung für ganz verschiedene europäische Staaten verstanden. Nach Norden kamen die Osmanen bis vor Wien, aber da war dann auch Schluß.
Die Zeit der europäischen Entdeckungsfahrten ist genau die Zeit des Niedergangs der anderen Reiche. Vor allem aber: Das wesentliche Motiv, den Seeweg nach Indien zu finden, hatten weder die Araber, noch Inder noch Chinesen. Die wußten, wo Indien war, und sie wußten, was Indien war. In den ignoraten, europäischen Dickschädeln dagegen hauste der Traum von El Dorado, dem Goldland. Wie sagte Erich Kästner so schön: "Irrtümer haben ihren Wert, jedoch nur hier und da. Nicht jeder, der nach Indien fährt, entdeckt Amerika." Es war diese Kombination aus christlichem Missionseifer, arbeitslosen spanischen Hidalgos, die nach Ende der Reconquista auf der Suche einer neuen Conqista waren, und der Gier nach Gold, die dem europäischen Expansionsdrang ihren Schwung gab. Hinzu kam die beginnende Bevölkerungsexplosion, die es in den anderen Erdteilen erst später gab.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Alchemist registrierter User
Anmeldungsdatum: 03.08.2004 Beiträge: 27897
Wohnort: Hamburg
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(#1327842) Verfasst am: 13.07.2009, 18:13 Titel: |
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sehr gut hat folgendes geschrieben: | Alchemist hat folgendes geschrieben: | Müsste man sich nicht erstmal überlegen, was die Voraussetzungen für technologischen Fortschritt sind?
Vielleicht hat keine andere Kultur diese Voraussetzungen vor den Europäern erfüllt?
Loslösung von Aberglauben gehört für mich dazu, ebenso wie eine gewissen Bevölkerungsdichte. Zudem muss es Menschen geben, die Zeit für Forschung usw. haben und sich nicht mit Felder bestellen die Zeit vertreiben müssen |
"Felder bestellen" <> Zivilisation ?
Oder steht das allgemein für "Arbeit", so das d.E. nach Menschen von der Arbeit befreit werden müssen um sich nach 'höherem' ausstrecken zu können? Aber in unserer Gesellschaft wird ja auf Teufel komm raus nach Wegen gesucht Arbeit zu schaffen (obwohl diese Leute gar nicht dazu gebraucht werden). |
Ich meine nur, dass es für Forschung und Fortschritt Menschen geben muss, die sich nicht den ganzen Tag auf den Feldern abkämpfen müssen
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DeHerg nun schon länger Ranglos
Anmeldungsdatum: 28.04.2007 Beiträge: 6525
Wohnort: Rostock
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(#1327843) Verfasst am: 13.07.2009, 18:14 Titel: |
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Shadaik hat folgendes geschrieben: | Oh, das war etwas anders gemeint: Warum sind wir trotz des Bruchs in Form (die Europäer als Kollektiv) des Mittelalters die erste Kultur geworden, welche (technologisch, politisch und kulturell) die Moderne erreichte.
oder sidn wir das gar nicht und ich übersehe wen? | der technologische Abstand hätte einfach noch größer sein müssen um kolonisiert zu werden. Die Kolonien in Afrika und Amerika konnten nur auf Gebieten errichtet werden deren technologischer Stand der Stein bis Eisenzeit entsprach. China(waffentechnisch selbst kaum aus dem Mittelalter heraus) hingegen konnte erst kolonisiert werden nachdem man den den technologischen vorsprung des 18/19Jh hatte-> um Europa unter kolonialistischer kontrolle zu halten hätte es wohl eine Macht bedurft die auf dem Niveau des 18Jh gewesen wäre.
Was nun trotzt des Mittelalters diesen Vorsprung ermöglicht hatte: die Konzentration auf die sich als überlegen erweisende Schießpulvertechnik (in der Medizin dürfte man mit China kaum auf höhe gewesen sein)
narziss hat folgendes geschrieben: | Die Araber haben an der Grenze des byzantischen Reiches und in Südspanien durchaus zugelangt.
Und auch die Russen waren lange unter dem Mongolenjoch. | das ist ja eher Annektierung keine Kolonisierung
_________________ Haare spalten ist was für Grobmotoriker
"Leistung muss sich wieder lohnen"<--purer Sozialismus
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El Ali El Ali
Anmeldungsdatum: 06.05.2009 Beiträge: 215
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(#1327857) Verfasst am: 13.07.2009, 18:32 Titel: |
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An Marcellinus:
Deine kurze Schilderung (#1327837) gefällt mir.
Gruß von Leila*
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1327911) Verfasst am: 13.07.2009, 19:44 Titel: |
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Noch eine Ergänzung zu Marcellinus schöner Zusammenfassung: Die Mongolen waren nicht bloß die randalierenden Horden, durch ihre Kontrolle Zentralasiens ergaben sich halbwegs sichere Handelsrouten. Das was als Seidenstraße bekannt ist. Damit bekam auch Europa besseren Zugang zu chinesischen Produkten. Zwar nicht unbedingt im direkten Handel, aber über ein paar Ecken.
Allerdings konnte Europa die Seide, das Porzellan und die technisch überlegenen Fertigungsprodukte nur mit Silber oder Gold bezahlen. Und mit Rohstoffen Fertigungsprodukte zu bezahlen war auch damals schon ein Zeichen von wirtschaftlicher Peripherie. Konkurrenzfähige Produkte waren in Europa bis ins 19. Jahrhundert nicht zu haben. Die erste positive Handelsbilanz mit China wurde mit Opium erziehlt. Im Handel mit Indien und überhaupt allen anderen sah Europas Position um 1500 genau so trostlos aus.
Europa hatte also gute Gründe Handelswege zu erschliessen und selber zu betreiben. Und vor allem hatte Europa gute (na ja, 'treibende' triffts wohl besser) Gründe, südamerikanisches Silber und Gold zu stehlen. Das meiste davon landete nicht etwa in spanischen Adelshäusern, sondern in China. Gegen Seide und Porzellan eingetauscht.
_________________ "If the King's English was good enough for Jesus Christ, it's good enough for the children of Texas!" - Miriam Amanda "Ma" Ferguson, Governor of Texas, als Begründung gegen Spanischunterricht
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1327943) Verfasst am: 13.07.2009, 20:45 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: |
Noch eine Ergänzung zu Marcellinus schöner Zusammenfassung: ... Europa hatte also gute Gründe Handelswege zu erschliessen und selber zu betreiben. Und vor allem hatte Europa gute (na ja, 'treibende' triffts wohl besser) Gründe, südamerikanisches Silber und Gold zu stehlen. Das meiste davon landete nicht etwa in spanischen Adelshäusern, sondern in China. Gegen Seide und Porzellan eingetauscht. |
Eine schöne Ergänzung und kein Einwand! - wobei die Seide und das Porzellan dann in den Adelshäusern landete.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#1328169) Verfasst am: 14.07.2009, 09:27 Titel: Re: Überholverbot |
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Der tatsächliche Niedergang nach dem Ende der Antike dauerte nur etwa 400 bis 500 Jahre. Das Hochmittelalter war keineswegs so "düster", wie viele glauben mögen. Es war durchaus keine Zeit der Barbarenherrschaft o.ä. Es herrschten klare Strukturen, es wurde Handel getrieben, die antiken Philosophen wurden wieder entdeckt und der Bildungsgrad stieg. Vor allem aber existierte ein gut organisiertes Militärwesen. Wer ein Land oder gar einen ganzen kontinent kolonisieren will, muss vor allem militärisch dominieren.
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Heizölrückstoßabdämpfung Hedonist

Anmeldungsdatum: 26.07.2007 Beiträge: 17543
Wohnort: Stralsund
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(#1328174) Verfasst am: 14.07.2009, 10:13 Titel: |
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Ich denke, dass das Militär und die entsprechende Ausrüstung eine wesentliche Rolle spielten. Man denke nur an das Schießpulver. Die Chinesen machten Feuerwerkskörper daraus, die Europäer Projektilwaffen. Dies wiederum erforderte umfassende Kenntnisse in den Bereichen der Metallurgie und Ballistik, sowie anderer wissenschaftlicher Bereiche.
_________________ „Wer in einem gewissen Alter nicht merkt, daß er hauptsächlich von Idioten umgeben ist, merkt es aus einem gewissen Grunde nicht.“ Curt Goetz
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1328176) Verfasst am: 14.07.2009, 10:20 Titel: |
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Heizölrückstoßabdämpfung hat folgendes geschrieben: | Ich denke, dass das Militär und die entsprechende Ausrüstung eine wesentliche Rolle spielten. Man denke nur an das Schießpulver. Die Chinesen machten Feuerwerkskörper daraus, die Europäer Projektilwaffen. Dies wiederum erforderte umfassende Kenntnisse in den Bereichen der Metallurgie und Ballistik, sowie anderer wissenschaftlicher Bereiche. |
Ich hab mal gehört, dass die Expertise im Glockengießen sich recht einfach auf die Herstellung von großen Kanonen übertragen ließ. Und da soll noch mal einer sagen, die Religion wäre eine Technikbremse gewesen....
_________________ "If the King's English was good enough for Jesus Christ, it's good enough for the children of Texas!" - Miriam Amanda "Ma" Ferguson, Governor of Texas, als Begründung gegen Spanischunterricht
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26446
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1328183) Verfasst am: 14.07.2009, 10:33 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | Heizölrückstoßabdämpfung hat folgendes geschrieben: | Ich denke, dass das Militär und die entsprechende Ausrüstung eine wesentliche Rolle spielten. Man denke nur an das Schießpulver. Die Chinesen machten Feuerwerkskörper daraus, die Europäer Projektilwaffen. Dies wiederum erforderte umfassende Kenntnisse in den Bereichen der Metallurgie und Ballistik, sowie anderer wissenschaftlicher Bereiche. |
Ich hab mal gehört, dass die Expertise im Glockengießen sich recht einfach auf die Herstellung von großen Kanonen übertragen ließ. Und da soll noch mal einer sagen, die Religion wäre eine Technikbremse gewesen.... |
Das mit der Technikbremse habe ich auch explizit noch nicht gehört. Die häufig zitierte Fortschrittsbremse bezog sich früher auf die Geistesgeschichte. Und auch heute ist die Kirche nur bedingt technikfeindlich - Technik ist ein Werkzeug des "Macht euch die Erde untertan", die Technikbenutzung also gewissermaßen Gottes Gebot und darf nur dort gebremst werden, wo ihre Anwendung im Gegensatz zur Schöpfung steht. Und in Zeiten als die Kirche Krieg führte, also bis zum Ausgang des Mittelalters, gab es keine technischen Anwendungen, die mit dem Weltbild kollidierten - und der Krieg ist bekanntermaßen die Mutter allen (technischen) Fortschritts.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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DeHerg nun schon länger Ranglos
Anmeldungsdatum: 28.04.2007 Beiträge: 6525
Wohnort: Rostock
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(#1328236) Verfasst am: 14.07.2009, 13:02 Titel: |
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Heizölrückstoßabdämpfung hat folgendes geschrieben: | Ich denke, dass das Militär und die entsprechende Ausrüstung eine wesentliche Rolle spielten. Man denke nur an das Schießpulver. Die Chinesen machten Feuerwerkskörper daraus, die Europäer Projektilwaffen. Dies wiederum erforderte umfassende Kenntnisse in den Bereichen der Metallurgie und Ballistik, sowie anderer wissenschaftlicher Bereiche. | die Chinesen hatten durchaus eine Projektilwaffe daraus entwickelt(genauso wie auch militärische Raketen entwickelt wurden), nur kam die nie wirklich über den Status des Handrohres hinaus da man die Armbrust für das bessere Modell hielt(was sie im vergleich zu einem Handrohr nun einmal auch ist) und die Entwicklungsmöglichkeiten der Schießpulverwaffen verkannte Yogosh hat folgendes geschrieben: | Ich hab mal gehört, dass die Expertise im Glockengießen sich recht einfach auf die Herstellung von großen Kanonen übertragen ließ. Und da soll noch mal einer sagen, die Religion wäre eine Technikbremse gewesen.... | das halte ich beinahe für ein Gerücht da die Probleme beim Kanonengießen ganz andere gewesen sein dürften als die die beim Glockengießen auftreten(allein das Problem der inneren Spannungen durch die Dicke des Kanonenmantels tritt ja bei einer Glocke nicht auf, auch sind die Anforderungen an die Konstruktion fundamental andere)
_________________ Haare spalten ist was für Grobmotoriker
"Leistung muss sich wieder lohnen"<--purer Sozialismus
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armer schlucker pleite
Anmeldungsdatum: 09.01.2009 Beiträge: 1233
Wohnort: wo die Hosen Husen haßen und die Hasen Hosen haßen
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(#1328759) Verfasst am: 15.07.2009, 09:50 Titel: |
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ich habe mal gelesen, das ein wesentlicher Grund für die "Vormachtstellung" Europas die natürlichen Bedingungen waren
z.B. das ganzjährig gleichmäßige Angebot an fließendem Wasser hat bewirkt, das sich handwerkliche Betriebe (Schmiederei z.B.) in Manufakturen mit Wasserantrieb (Hammerwerke) umwandeln konnten und sich so quasi eine Vorstufe der industriellen Entwicklung herausbildete, die in trockeneren Gegenden nicht möglich wäre
auch die nötigen Brennholzvorräte zur Verhüttung waren in anderen Gegenden schon lange abgeholzt, während in Mitteleuropa noch riesige Urwälder standen
das führte im Mittelalter zu einer vorindustriellen Blütezeit mit Bevölkerungswachstum usw.
als dann die Zeiten schlechter wurden (Klimaoptimum zu Ende) konnte auf diesem vorindustriellen Fundament eine Weiterentwicklung stattfinden
_________________ Proletarier aller Länder, macht Schluß!
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Die Philosophen haben die Welt verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verschonen!
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nocquae diskriminiert nazis
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18183
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(#1328787) Verfasst am: 15.07.2009, 11:02 Titel: |
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armer schlucker hat folgendes geschrieben: | auch die nötigen Brennholzvorräte zur Verhüttung waren in anderen Gegenden schon lange abgeholzt, während in Mitteleuropa noch riesige Urwälder standen
das führte im Mittelalter zu einer vorindustriellen Blütezeit mit Bevölkerungswachstum usw.
als dann die Zeiten schlechter wurden (Klimaoptimum zu Ende) konnte auf diesem vorindustriellen Fundament eine Weiterentwicklung stattfinden |
Es ist zwar richtig, dass es ab dem 13. Jahrhundert zu einem Anstieg der Bevölkerungsdichte kam und dass es zunächst noch Holz gab: aber am Ende des 17. Jahrhunderts war zumindest Deutschland aber quasi völlig waldfrei, was nicht nur im Brenn– und Bauholzbedarf begründet lag, sondern auch an dem Bedarf an landwirtschaftlicher Fläche. Das Bild, dass sich in Mitteleuropa zu dieser Zeit präsentiert, hatte rein gar nichts mit der romantischen Vorstellung des naturbelassenen, „finsteren Tanns“ zu tun, die man heute gemeinhin pflegt. Bewaldet waren noch ca. 3% der Fläche (Heute: ca. 30%).
Nur: Ab diesem Zeitpunkt bis zur Beginn der industriellen Revolution lagen noch mindestens 150 Jahre. So interessant diese Theorie auch ist, ich finde sie nicht so recht überzeugend.
_________________ In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.
-- Kurt Tucholsky
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armer schlucker pleite
Anmeldungsdatum: 09.01.2009 Beiträge: 1233
Wohnort: wo die Hosen Husen haßen und die Hasen Hosen haßen
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(#1328802) Verfasst am: 15.07.2009, 11:42 Titel: |
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natürlich hast Du Recht, ich denke nur, das dieses Abrutschen in "schlechtere Zeiten" u.a. der Anstoß war für die Kolonialisierungsbestrebungen, die wiederum Auswirkungen auf den technologischen Fortschritt hatten (z.B. die Entwicklung des Schiffbaues und der Waffentechnik)
_________________ Proletarier aller Länder, macht Schluß!
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Die Philosophen haben die Welt verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verschonen!
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DeHerg nun schon länger Ranglos
Anmeldungsdatum: 28.04.2007 Beiträge: 6525
Wohnort: Rostock
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(#1328843) Verfasst am: 15.07.2009, 13:17 Titel: |
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armer schlucker hat folgendes geschrieben: | natürlich hast Du Recht, ich denke nur, das dieses Abrutschen in "schlechtere Zeiten" u.a. der Anstoß war für die Kolonialisierungsbestrebungen, die wiederum Auswirkungen auf den technologischen Fortschritt hatten (z.B. die Entwicklung des Schiffbaues und der Waffentechnik) | gut das die Fernfahrten die Entwicklung von Schiffstypen wie der Karavelle notwendig machten könnt ich ja noch unterschreiben doch einen Schub in der Entwicklung der Waffentechnik sehe ich dort nicht(scheint mir im Gegenteil eine sehr stetige Entwicklung zu sein)
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AXO nach unbekannt auf unbestimmte Zeit verzogen
Anmeldungsdatum: 05.02.2007 Beiträge: 10129
Wohnort: Thüringen
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(#1328849) Verfasst am: 15.07.2009, 13:46 Titel: |
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NOCQUAE hat folgendes geschrieben: |
Nur: Ab diesem Zeitpunkt bis zur Beginn der industriellen Revolution lagen noch mindestens 150 Jahre. So interessant diese Theorie auch ist, ich finde sie nicht so recht überzeugend. |
Das war aber die Zeit der Kolonialisierung welche den Zugriff auf außereuropäisch-globale
Ressourcen ermöglichte -> "Sartkapital" für die Industrialiserung.
Wie die europäische Entwicklung - alternativ - ohne Raub und Völkermord verlaufen wäre,
dürfte sich wohl kaum noch feststellen lassen - entsprechend der realisierten Geschichte,
halte ich sie aber für direkt darauf basierend.
Wenn z.b. jetzt die Afrikaner raubend und plündernd durch die ganze Welt ziehen würden, dürfte es
ihnen auch nicht schwer fallen eine entsprechende technologische und gesellschaftliche Entwicklung
hervorzubringen
_________________ Augen auf dann kann nichts passieren
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Demophilo demophilo
Anmeldungsdatum: 30.11.2005 Beiträge: 6
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(#1349843) Verfasst am: 27.08.2009, 01:21 Titel: Re: Überholverbot |
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Shadaik hat folgendes geschrieben: | So, mangels Nergal mach ich jetzt seine Überschriften.
Die Frage ist ebenso kurz wie in der Antwort (vermutlich) komplex: Warum hat uns Europäer während des großen Niedergangs (Mittelalter) niemand zivilisatorisch überholt oder gar kolonisiert?
Genug Zeit dürften die gut 1000 Jahre ja gewesen sein, zumal einige Völker bereits zur römischen Zeit Hochkulturen hatten. |
Die Frage beinhaltet eine Behauptung: niemand hat die Europäer technologisch überholt. Das ist in zweifacher Hinsicht falsch. Erstens hatten die Chinesen eine Zivilisation, die der des Römischen Reichs in nichts nachstand. Und zweitens entwickelten die Chinesen einen so hohen Stand der Technik, dass in manchen Gebieten erst im 1900 Jh. Europa gleichzog und überholte.
Francis Bacon schwadronierte, warum Europa eine so hohe Kultur habe. Er kam auf drei Erfindungen, die das ermöglichten: Kompass, Schießpulver und Buchdruck. Das alles hatten die Chinesen schon Jahrhunderte vorher.
Drängt sich also die Frage auf, warum Europa nicht von China kolonialisiert wurde. Das hatte wohl damit zu tun, dass der Konfuzianismus - die chinesische Staatsdoktrin - Handel sowie den Krieg verabscheute. Ca. 80 Jahre lies ein Kaiser der Ming Dynastie eine Schatzflotte bauen, welche über 300 Schiffe umfasste. Die großen Linienschiffe erreichten 120 m Länge. Zum Vergleich: Die 3 Schinakln vom Columbus hatten zusammen 65 m. Und die Armada - diese Flotte mit legendärer Größe - hatte so um die 120 Schiffe. Diese Schatzflotte kam bis Afrika, Rotes Meer, Persien, Indien und Sri Lanka. Aber dann starb der Kaiser und die Konfuzianisten seztzten die Einmottung der Flotte durch. Schließlich war die Flotte nur teuer und von den Barbaren (= Nichtchinesen) konnte man eh nix erwarten.
So rettete uns, dass die Chinesen keine Christen waren. Wären sie es gewesen hätte die christliche Nächstenliebe uns fertig gemacht.
Auch wenn bis hierher alles in Geschichtsbüchern nachgelesen werden kann, so ist die Frage, warum China zu einem Entwicklungsland wurde, weniger leicht zu beantworten. Es passierte erst im 19. Jh.. Neben den Opiumkriegen, dem zerfallenden Kaiserhaus und der der Isolation, meine ich, dass das Fehlen von einem naturwissenschaftlichen Universitätsbetrieb der Schlüssel war. Die Chinesen probierten in ihrer Geschichte viel aus, aber sie entwickelten keine allgemeine Theorie. Sie versuchten es gar nicht. Daher überholten die Europäer die Chinesen. Inbesondere die Chemie ist eine europäische Wissenschaft. Die Chinesen hingen immer noch einer Fünf-Elemente-Theorie an, als wir schon längst das Periodensystem aufstellten und darin Lücken ließen, weil die Elemente da sein mussten aber noch nicht entdeckt waren.
Das wirkte sich auf alle Gebiete aus, sodass Elektrodechnik, Chemie und Maschinenbau den Rest der Welt alt ausschauen ließ. Dazu kam noch eine aggressive Kolonialisierungspolitik, die alles andere niedermähte.
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Dominik ...
Anmeldungsdatum: 16.10.2004 Beiträge: 1341
Wohnort: Deutschland
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(#1349899) Verfasst am: 27.08.2009, 09:41 Titel: |
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Zum Thema dieses Buchempfehlung: "Arm und Reich" von Jared Diamond
_________________ "Die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik" Karl Marx (Ebd., MEW 1:378)
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#1349905) Verfasst am: 27.08.2009, 10:00 Titel: |
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@Demophilo
Ich will das noch etwas erweitern. Vieles hat der Papst versemmelt! Die Jesuiten hatten im 17. Jahrhundert, zur Zeit der Ming-Dynastie, am Kaiserhof durchaus Einfluss erlangt und einen von ihnen, Kangxi (gest. 1722), sogar erzogen. Sie vermittelten naturwissenschaftliche Erkenntnisse, stellten astronomische Geräte vor, mit denen die Chinesen die für sie wichtigen Sternkonstellationen ermitteln konnten, rüsteten die chinesische Artillerie aus und begegnete den plumperen Kolonialisierungsbestrebungen der Portugiesen und Holländer. Die drei "aufgeklärten" Kaiser des 18. Jahrhunderts waren blanke Pragmatiker und wandten sich sowohl dem Buddhismus zu, wie sie zeitweise die christliche Mission zuließen. Die Jesuiten wollten in China als Wissenschaftler aber nicht die Wahrheit suchen, sondern beweisen, dass sie im Besitz der Wahrheit waren.
Doch der Neid anderer katholischer Orden und eng-dogmatische Einflußnahme auf den Papst brachte im "Ritenstreit" die langfristig angelegten Bemühungen der Jesuiten zu Fall wie auch die chinesischen Kaiser gegen alle Christen auf. Den Ahnenkult der Chinesen duldeten die Jesuiten, die sich bei ihren Missionsversuchen den örtlichen Gegebenheiten anzupassen suchten, er könne vielleicht den Boden bereiten für die Verehrung von "Allerheiligen". Der Ritenstreit ging um Kulthandlungen, die mit der Verehrung des Konfuzius verbunden waren, da kannten die Hardliner in Rom kein Pardon, und der Papst untersagte 1715 den Jesuiten die weiter Mission.
Frühaufklärer, wie Christian Wolff und Voltaire, glaubten, dass die Morallehre des Konfuzius mit der des Sokrates vergleichbar wäre. So wie Montesquieu 1721 angebliche Perser kritisierend durch das sittenverderbte Paris spazieren ließ, wies der chinesische "Phihihuhu" des Preußenkönigs Friedrich II. auf den Verfall des Papsttums zur Zeit des von den bourbonischen Königen betriebenen Verbots des Jeuitenordens.
Die mit China verbundenen Illusionen verschwanden in der zweiten Hälkfte des 18. Jahrhunderts, als sich insbesondere in Frankreich ein die späteren brutalen Kolonialisierungsversuche rechtfertigendes Überheblichkeitsgefühl gegenüber der chinesischen Kultur breitmachte - in den Schriften des Konfuzius sei nur dummes Zeug enthalten, China ein "barbarisches" Land mit Despotie und sklavischer Unfreiheit.
Werner Lühmann: Konfuzius. Aufgeklärter Philosoph oder reaktionärer Moralapostel? (= Lun Wen. Studien zur Geistesgeschichte und Literatur in China, 2). Harrossowitz, Wiesbaden 2003.
- er lobt aus heutiger Sicht überaus die Anpassungsfähigkeit der Jesuiten.
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