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Forscher widerlegen Willensfreiheit
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1329060) Verfasst am: 15.07.2009, 20:16    Titel: Antworten mit Zitat

AXO hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Zu deinem Einwand: richtig, der Räuber schränkt die Freiheit nach meiner Vorstellung drastisch ein. Er übt nämlich Zwang aus, dem ich mich schwer entziehen kann. Ich gäbe ihm meine Geldbörse nicht freiwillig. Cool


Aber das Verhalten des Räubers entspräche Deiner Definition von Freiheit -> der Akteur wäre frei.
Immerhin nimmt sich der Räuber die Freiheit dich entsprechend nachtdrücklich um die
Herausgabe Deiner Börse zu bitten

Jein. Bzw. das folgt nicht unbedingt. Es könnte sein, dass der Räuber ein Getriebener ist, der keinen anderen Ausweg mehr aus seiner Lage sieht, als jemanden auszurauben.

Aber es ist natürlich richtig, dass Freiheit in meiner Definition nicht auf moralisch richtiges Handeln abzielt / nichts damit zu tun hat. Je nachdem also, wie die Entscheidung abläuft, könnte der Räuber durchaus freier sein als jemand, der erst gar nicht daran denkt, dass es überhaupt möglich sei, Normen zu brechen.

Übrigens wurden / werden ja öfter mal Räuber, Piraten als "Helden" angesehen. Ich denke, das hängt durchaus damit zusammen, dass diese als frei(er) angesehen werden. Was manchmal aber auch idealisiert wird und nicht unbedingt etwas mit der Sicht des Räubers / Piraten zu tun haben muss.
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AXO
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Anmeldungsdatum: 05.02.2007
Beiträge: 10105
Wohnort: Thüringen

Beitrag(#1329062) Verfasst am: 15.07.2009, 20:21    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
AXO hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Zu deinem Einwand: richtig, der Räuber schränkt die Freiheit nach meiner Vorstellung drastisch ein. Er übt nämlich Zwang aus, dem ich mich schwer entziehen kann. Ich gäbe ihm meine Geldbörse nicht freiwillig. Cool


Aber das Verhalten des Räubers entspräche Deiner Definition von Freiheit -> der Akteur wäre frei.
Immerhin nimmt sich der Räuber die Freiheit dich entsprechend nachtdrücklich um die
Herausgabe Deiner Börse zu bitten

Jein. Bzw. das folgt nicht unbedingt. Es könnte sein, dass der Räuber ein Getriebener ist, der keinen anderen Ausweg mehr aus seiner Lage sieht, als jemanden auszurauben.

Aber es ist natürlich richtig, dass Freiheit in meiner Definition nicht auf moralisch richtiges Handeln abzielt / nichts damit zu tun hat. Je nachdem also, wie die Entscheidung abläuft, könnte der Räuber durchaus freier sein als jemand, der erst gar nicht daran denkt, dass es überhaupt möglich sei, Normen zu brechen.

Übrigens wurden / werden ja öfter mal Räuber, Piraten als "Helden" angesehen. Ich denke, das hängt durchaus damit zusammen, dass diese als frei(er) angesehen werden. Was manchmal aber auch idealisiert wird und nicht unbedingt etwas mit der Sicht des Räubers / Piraten zu tun haben muss.


jep und damit Freiheit nicht unmoralisch ausgenutzt wird gibts die Verantwortung
Is doch alles prima sortiert find ich Smilie
_________________
Augen auf dann kann nichts passieren
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1329067) Verfasst am: 15.07.2009, 20:25    Titel: Antworten mit Zitat

Einsiedler hat folgendes geschrieben:
Jedenfalls hat mich die Formulierung "glaubt, die Zukunft beeinflussen zu können" insofern irritiert,
als sie zumindest im Ansatz in die Richtung tendiert, Freiheit (wenigstens potentiell) als Illusion
des jeweiligen Subjekts zu verstehen.

Dann habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt. Was ich meinte, ist Folgendes: ein Subjekt, das willentlich, überlegt, begründet und bewusst die Zukunft beeinflussen kann, ist mAn frei.

Einsiedler hat folgendes geschrieben:
Für das Verständnis von Freiheit als Fähigkeit, ohne innere und äußere Zwänge eine Entscheidung
treffen zu können (und so habe ich Deine Auffassung verstanden), ist es m.E. weder notwendig
noch hinreichend, daß diese Entscheidung einen Einfluß auf die Zukunft hat.

Das ist Entscheidungsfreiheit für mich, ja. Der zusätzliche Einfluss auf die Zukunft ist nur notwendig für die Handlungsfreiheit. Und die Kombination von Entscheidungsfreiheit und Handlungsfreiheit ergibt dann die Freiheit des Subjektes.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1329119) Verfasst am: 15.07.2009, 21:05    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Nur indem Du eine Art zeitliche und ebenenbezogene "Antireduktion" vornimmst, kannst Du ein Epiphänomen als autonomen Akteur betrachten. Intuitiv machen wir das übrigens alle oft, weil man ja nicht ständig die Grundlagen hinterfragen kann. Denn - etwas übertrieben formuliert - reduziert sich die Autonomie auf die Tatsachen der räumliche Trennung und der algorhithmischen Komplexität individueller Gehirne. Dazu kommt noch etwas bedarfsgerechte psychosoziale Deutung.
Es ist aber nun mal kein Epiphänomen.

Abgesehen davon, daß es für mein Argument keine wesentliche Rolle spielt, ob man den personalen Entscheider wirklich EP nennen kann, habe ich auch noch kein gutes Argument dagegen gelesen. Die meistgelesenen Entgegnungen werden unter http://de.wikipedia.org/wiki/Epiph%C3%A4nomen#Einw.C3.A4nde_und_Entgegnungen bereits ganz gut kritisiert, ich würde daher diese Diskussion lieber hier nicht nochmal führen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und falls Du Autonomie so definieren willst: na und? Du willst wahrscheinlich sagen: das ist keine echte Autonomie. Falls ja: was ist also echte Autonomie und wieso?

Echte Autonomie gibt es in unserer Welt nicht. Ich finde es einfach irreführend, beim menschlichen Gehirn unter bestimmten Umständen von Autonomie oder Willensfreiheit zu sprechen, nicht aber z.B. bei einem lernfähigen Schachprogramm.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Du meinst, jemanden prägen zu können. Das bedeutet, Du meinst die Zukunft beinflussen zu können. Aufgrund Deiner Gedanken und Überlegungen. Wenn Du das aber kannst, dann bist Du frei in meinem Sinne. Und Du musst logischerweise auch anderen diese Freiheit zugestehen, es gibt ja keinen Grund, warum nur Du sie besitzen solltest.

Ich besitze sie ja gar nicht, Du behauptest das nur. Ich "kann" dies oder jenes tun, so wie ein Schachprogram diesen oder jenen Zug machen "kann".

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Also z.B. jemand, der die Präferenz hat, Menschen umzubringen, sollte zwar daran gehindert, aber nicht dafür bestraft werden.
Warum nicht?

Weil es nutzloses Leiden schafft.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wie stellt man eine Präferenz dafür fest? Das wäre durchaus ein ziemlicher Prämissenwechsel zur heutigen Situation: nur konkrete Taten dürfen sanktioniert werden, keine Veranlagungen / Gedanken.

Du verwendest hier "Sanktionen" sehr verallgemeinernd. Auch in meinem Modell dürften keine Veranlagungen / Gedanken bestraft werden. Eine präventive Maßnahme wäre - anders als eine Strafe jetzt - vor allem mit einem reversiblen Verantwortungsverlust, weniger mit einem Verlust primärer Lebensqualität verbunden.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und Sanktionen sind in ihrer Höhe nach oben beschränkt, sie hängen nicht von der angenommenen Gefährdung ab (abgesehen von Sicherungsverwahrungen - aber die sind heute eher die Ausnahme - ca. 450 Fälle).

Du meinst vergeltende und abschreckende Bestrafungen. Die wären in meinem Modell ebenfalls in der Höhe beschränkt, und zwar in der Höhe Null. Nur die präventiven Maßnahmen blieben - bis hin zur Sicherheitsverwahrung.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wäre die Handlungssteuerung nicht determiniert, wäre sie also zufällig, dann dürfte man sie mE nicht dem Täter zuordnen, ihn nicht dafür verantwortlich machen.

Warum eigentlich nicht? Der Täter hatte doch Zeit genug, den Zufallsmechanismus durch moralische Kontemplation durch einen determinierten zu ersetzen, oder?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und außerdem: wie kommst Du eigentlich zu der Bewertung "unfair", die ja eine moralische Bewertung ist? Durch Neuronenfeuern, das völlig außerhalb deiner Kontrollfähigkeit lag und den Gedanken hervorbrachte? Also ohne Begründung, einfach so? Oder durch Überlegung und Abwägung?
Ich verstehe nicht, was daran so mysteriös sein soll. Überlegung und Abwägung besteht doch aus aus Neuronenfeuern.
Ein Neuronenfeuer ist kein Argument und erzeugt auch nicht notwendigerweise ein Argument.

Es reicht, daß ein Neuronenfeuer hinreichenderweise ein Argument erzeugt, auch wen wir den Zusammenhang noch nicht verstehen. Ein Argument besteht aus einer Kombination neuronaler Zustände (oder einer vergleichbaren Implementation). Der Begriff "Argument" beinhaltet darüberhinaus einen sozialen (u.a.) Bedeutungskontext, aber das ändert nichts.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... (2) - Daß die "Enttäuschung" zugewiesener Verantwortung nicht in Schuld, sondern in falscher Einschätzung durch den Zuweisenden besteht.
... Du meinst irgendwie, wenn man jemanden falsch einschätzt, dann ist man letztlich selber schuld?

Nein! Man ist nie schuld.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Pech gehabt?

Nein, danebengelegen. Vielleicht zuwenig gewußt oder sowas. Aber man kann es zu verbessern versuchen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Kein Grund also, einen moralischen Vorwurf gegen den Normverletzer zu erheben?

Es ist doch eindeutig, daß er eine moralische Norm verletzt hat. Das ist Fakt, wieso sollte man das leugnen? Wichtiger als der VOrwurf ist aber die Aktion, eine Normverletzung in Zukunft zu vermeiden. In manchen Fällen mag ein "Vorwurf" (mißbilligender Hinweis auf die Normverletzung) da helfen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nehmen wir mal ein paar Beispiele:

- Jemand parkt falsch. Er ist aber nachweislich dazu in der Lage, Schilder zu beachten und richtig zu parken.

Er war in dem Fall nachweislich NICHT "in der Lage" (!), würde ich sagen. Oder wie stellst Du fest, daß er dazu in der Lage ist? Weil er manchmal richtig parkt?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... - Jemand bezahlt meine Rechnung nicht, obgleich er nachweislich dazu in der Lage ist: er hat schon zig Rechnungen bezahlt. Und Geld hat er auch gerade.

Ich habe den Verdacht, Du sammelst Fälle, in denen Du das Verhalten mißbilligst. Das ist aber nicht der Punkt, denn das tue ich selbstverständlich auch.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Alle letztlich nur Opfer ihrer Umstände?

Der Begriff "Opfer" ist hier (meist) nicht angebracht, denn er erfordert zumindest das nachträgliche Gefühl des Betroffenen, nicht nach seiner Präferenz gehandelt zu haben, wenn nicht gar einen "Täter".

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jeweils letztlich eine gar nicht ihnen zuzurechnende Entscheidung?

Doch, die Entscheidung wird ja in diesem individuellen Gehirn getroffen (auch wenn sie determiniert ist). Ebenso wie wir die Entscheidung für einen Zug auch dem Schachprogramm zurechnen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Sie können nichts für ihr Handeln, weil sie durch außerhalb ihrer Kontrolle liegenden Umstände dazu gezwungen wurden? Genauso, als wie wenn sie durch jemanden mit vorgehaltener Pistole zu den Handlungen gezwungen wurden?

Nein, nicht genauso. Bei der Pistole ist dem Individuum die Determination bewußt, beim Falschparken (vermutlich) nicht. Bei der Pistole ercheint die Handlung dem Individuum antipräferent, beim Falschparken präferent. Bei der Pistole ist die Determination für beobachtende Dritte trivial, intuitiv erfaßbar und zudem jemand, den man bestrafen kann, beim Falschparken ist die Determination komplex, anti-intuitiv und schlecht greifbar.
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Beitrag(#1329195) Verfasst am: 15.07.2009, 22:42    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Echte Autonomie gibt es in unserer Welt nicht. Ich finde es einfach irreführend, beim menschlichen Gehirn unter bestimmten Umständen von Autonomie oder Willensfreiheit zu sprechen, nicht aber z.B. bei einem lernfähigen Schachprogramm.


Ich finde es ebenfalls irreführend, beim menschlichen Gehirn von Bewusstsein zu sprechen, nicht aber z.B. bei einer lernfähigen Taufliege.

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AgentProvocateur
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Beitrag(#1329245) Verfasst am: 16.07.2009, 00:34    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Nur indem Du eine Art zeitliche und ebenenbezogene "Antireduktion" vornimmst, kannst Du ein Epiphänomen als autonomen Akteur betrachten. [...]

Es ist aber nun mal kein Epiphänomen.

Abgesehen davon, daß es für mein Argument keine wesentliche Rolle spielt, ob man den personalen Entscheider wirklich EP nennen kann, habe ich auch noch kein gutes Argument dagegen gelesen. Die meistgelesenen Entgegnungen werden unter http://de.wikipedia.org/wiki/Epiph%C3%A4nomen#Einw.C3.A4nde_und_Entgegnungen bereits ganz gut kritisiert, ich würde daher diese Diskussion lieber hier nicht nochmal führen.

Epiphänomenalismus in diesem Zusammenhang bedeutet: mentale Zustände haben keinerlei Auswirkung auf die physikalische Welt.

Epiphänomenalismus ist nun mal ein Art Dualismus. Sieht man als Monist mentale Zustände und bestimmte dabei stattfindende physikalische Prozesse als Beschreibung ein und derselben Sache an, erübrigt sich der Epiphänomenalismus einfach. Ist dann so, als ob jemand sagen würde: "In Wirklichkeit ist Wasser nicht nass, denn Wasser ist ja in Wirklichkeit H²O - oder: in Wirklichkeit steht da kein Tisch, das ist nur eine Zusammenballung von Atomen auf bestimmte Weise." So ist das aber nicht, es ist mMn nützlich und daher sinnvoll, zu sagen, Wasser wäre nass oder da stünde ein Tisch.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und falls Du Autonomie so definieren willst: na und? Du willst wahrscheinlich sagen: das ist keine echte Autonomie. Falls ja: was ist also echte Autonomie und wieso?

Echte Autonomie gibt es in unserer Welt nicht. Ich finde es einfach irreführend, beim menschlichen Gehirn unter bestimmten Umständen von Autonomie oder Willensfreiheit zu sprechen, nicht aber z.B. bei einem lernfähigen Schachprogramm.

Also: was ist denn dMn nun "echte Autonomie"? Und wie könnte eine solche Welt beschaffen sein, in der es sie gäbe?

Autonomie ist in meiner Sicht mal wieder etwas Graduelles - nichts Binäres. Ein lernfähiger Schachcomputer hat also eine gewisse Autonomie. So wie zum Beispiel auch diese Mähroboter, die unbeaufsichtigt einen Rasen mähen und sich bei einem zu niedrigen Akkustand wieder zur Ladestation begeben, einen gewissen Grad an Autonomie haben.

Nur ist die Autonomie dieser beiden Maschinen ziemlich gering im Vergleich zu einem durchschnittlichen Menschen. Für 'ne moralische z.B. Verantwortung fehlt da mMn noch ein bisschen was.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Du meinst, jemanden prägen zu können. Das bedeutet, Du meinst die Zukunft beinflussen zu können. Aufgrund Deiner Gedanken und Überlegungen. Wenn Du das aber kannst, dann bist Du frei in meinem Sinne. Und Du musst logischerweise auch anderen diese Freiheit zugestehen, es gibt ja keinen Grund, warum nur Du sie besitzen solltest.

Ich besitze sie ja gar nicht, Du behauptest das nur. Ich "kann" dies oder jenes tun, so wie ein Schachprogram diesen oder jenen Zug machen "kann".

Hm. Naja, ist vielleicht eine Frage der Sichtweise. Kann ich aber nicht so richtig nachvollziehen, denn jemand, der in einer Diskussion argumentiert, geht normalerweise davon aus, dass seine Überlegungen und Argumente aufgrund der eigenen Bewertung stichhaltig seien und hofft meist, dass sie Auswirkungen auf andere hätten, sie also andere beeinflussen könnten. Und wenn sie das tun, haben sie Auswirkungen auf die physikalische Welt.

Aber, na gut, kann man vielleicht auch anders sehen. Jedoch mE eigentlich nur dann, wenn man sich nur als "bewusstes Ich", als Funktion seines Gehirnes, ansieht und das Unbewusste als etwas Getrenntes, Fremdes, Zwänge auf das "bewusste Ich" Ausübendes. Aber da du oben zugestimmt hast, dass Du auch dein Unbewusstes als Teil von dir ansiehst, ist mir nicht klar, wie Du das eigentlich siehst. Mit "kann" meinst Du hier eigentlich "muss", richtig? Du musst das tun, was dein Unbewusstes Dir vorgibt - Du bist also doch getrennt von deinem Unbewussten?

Wie ein Schachcomputer das sieht, weiß ich allerdings: er sieht gar nichts.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Also z.B. jemand, der die Präferenz hat, Menschen umzubringen, sollte zwar daran gehindert, aber nicht dafür bestraft werden.

Warum nicht?

Weil es nutzloses Leiden schafft.

Nutzloses Leiden ist abzulehnen. Dabei gehen wir konform.

Was unterscheidet Deiner Meinung nach eine "Strafe" von einer "Sanktion"? Lehnst Du auch Sanktionen ab, weil die nutzloses Leiden schaffen?

Oder definierst Du einfach folgendermaßen: Strafe ist das, was nutzloses Leiden schafft und Sanktion ist etwas, was zwar Leiden (Beschränkung, Zwang) schafft, aber sinnvoll ist?

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wie stellt man eine Präferenz dafür fest? Das wäre durchaus ein ziemlicher Prämissenwechsel zur heutigen Situation: nur konkrete Taten dürfen sanktioniert werden, keine Veranlagungen / Gedanken.

Du verwendest hier "Sanktionen" sehr verallgemeinernd. Auch in meinem Modell dürften keine Veranlagungen / Gedanken bestraft werden. Eine präventive Maßnahme wäre - anders als eine Strafe jetzt - vor allem mit einem reversiblen Verantwortungsverlust, weniger mit einem Verlust primärer Lebensqualität verbunden.

Mir geht es um folgendes. Die heutigen Prinzipien, die ich für unverzichtbar halte, von denen ich nicht abrücken möchte, egal, ob sie heute (perfekt) realisiert sind oder (eher) idealistisch, habe ich mit einem Strich gekennzeichnet. Und das in (eventuell) in deine Sprache Umgesetzte habe ich mit einem Stern gekennzeichnet. Dahinter möchte ich nicht zurück. Können wir dabei übereinstimmen?

- Keine Strafe ohne Schuld
* Keine Sanktion (= individuelle / außergewöhnliche / nicht Alle betreffende Freiheitseinschränkung / Zwangsmaßnahme / Verantwortungsentzug) ohne nachgewiesene absichtliche / fahrlässige Normverletzung
* keine Sanktion ob einer statistisch wie auch immer wahrscheinlichen zukünftigen Normverletzung ohne Anzeichen einer Handlung diesbezüglich -> es darf keine "Gedankenverbrechen" geben

- Keine Strafe ohne Gesetz
* Keine Sanktion ohne bei Begehung der Normverletzung diese ablehnendes Gesetz

- Höhe der Strafe wird durch das Maß der Schuld nach oben begrenzt
* Dauer der Sanktion wird durch das Maß der Normverletzung nach oben begrenzt

- "der Staat hat von Verfassung wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bürger zu bessern oder zu hindern, sich selbst zu schädigen" (BVerfGE 22, 180/219 f.; BayObLGZ 1994, 209/211)
* keine Erziehungsmaßnahmen gegen den Willen des mündigen Bürgers

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wäre die Handlungssteuerung nicht determiniert, wäre sie also zufällig, dann dürfte man sie mE nicht dem Täter zuordnen, ihn nicht dafür verantwortlich machen.

Warum eigentlich nicht? Der Täter hatte doch Zeit genug, den Zufallsmechanismus durch moralische Kontemplation durch einen determinierten zu ersetzen, oder?

Ja, das stimmt. Ich bin hier eher von einer ziemlich übermächtigen, handlungsbestimmenden Willkür ausgegangen. Wenn aber jemand durch einen von ihm nicht bewusst beeinflussbaren Störung in geringem Maße (z.B. sein Fuß zuckt unabsichtlich manchmal ein bisschen) betroffen ist, dann würde man das wohl nicht als Entschuldigung für eine absichtlich begangene Normverletzung gelten lassen können.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein Neuronenfeuer ist kein Argument und erzeugt auch nicht notwendigerweise ein Argument.

Es reicht, daß ein Neuronenfeuer hinreichenderweise ein Argument erzeugt, auch wen wir den Zusammenhang noch nicht verstehen. Ein Argument besteht aus einer Kombination neuronaler Zustände (oder einer vergleichbaren Implementation). Der Begriff "Argument" beinhaltet darüberhinaus einen sozialen (u.a.) Bedeutungskontext, aber das ändert nichts.

Wer bestimmt aber, was "hinreichenderweise" ist? Das Neuronenfeuer wieder? Obgleich wir den Zusammenhang zwischen Neuronenfeuer und Argument und Plausibilität nicht verstehen?

Naja, irgendwie kommt das ziemlich dualistisch vor. Meiner monistischen Auffassung nach ist ein Argument eine andere Beschreibung eines bestimmten physikalischen Zustandes des Körpers und kann daher völlig problemlos anstelle der Beschreibung der Neuronenprozesse verwendet werden. Mal ganz abgesehen davon, dass ich mit einer formalisierten Beschreibung der Neuronenzustände gar nichts anfangen könnte, wenn ich sie nicht auf meine lebensweltlichen Erfahrungen abbilden könnte. Da erscheint es mir doch sehr viel einfacher und allgemein verständlicher, von meinen Erkenntnissen, Gedanken, Meinungen, Erfahrungen, Gefühlen usw. zu reden.

Ich halte es daher für sinnlos, zu behaupten, Erkenntnisse, Gedanken, Meinungen, Erfahrungen, Gefühle existierten in Wirklichkeit gar nicht, in Wirklichkeit gäbe es nur darunter liegendes Neuronenfeuern -> Epiphänomenalismus.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Kein Grund also, einen moralischen Vorwurf gegen den Normverletzer zu erheben?

Es ist doch eindeutig, daß er eine moralische Norm verletzt hat. Das ist Fakt, wieso sollte man das leugnen? Wichtiger als der VOrwurf ist aber die Aktion, eine Normverletzung in Zukunft zu vermeiden. In manchen Fällen mag ein "Vorwurf" (mißbilligender Hinweis auf die Normverletzung) da helfen.

Ja, in manchen Fällen mag ein Vorwurf helfen. Aber der ist auch schon eine Sanktion. In manchen Fällen mag ein Vorwurf nicht mehr ausreichend sein. Dann braucht man härtere Sanktionen. (Wenn man die Zukunft in Richtung besserer Normeinhaltung beeinflussen will - aufgrund von Überlegungen und Argumentationen.)

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nehmen wir mal ein paar Beispiele:

- Jemand parkt falsch. Er ist aber nachweislich dazu in der Lage, Schilder zu beachten und richtig zu parken.

Er war in dem Fall nachweislich NICHT "in der Lage" (!), würde ich sagen. Oder wie stellst Du fest, daß er dazu in der Lage ist? Weil er manchmal richtig parkt?

Ja, genau. Niemand und nichts hat ihn dazu gezwungen, falsch zu parken. Das wäre Grund genug für mich, anzunehmen, dass er es aufgrund seiner Überlegungen hätte vermeiden können. Es geht dabei um den Unterschied ob jemand etwas absichtlich, willentlich, überlegt tut oder ob er es unabsichtlich, unwissentlich, unter Zwang tut. Dass er jedoch getan hat, was er getan hat und nicht das, was er nicht getan hat, ist nur eine Tautologie, weiter nichts.

Klar geht es letztlich darum, dass er und andere sich zukünftig an die Normen halten. Vorwerfbar ist die Normverletzung dann, wenn sie eben absichtlich, willentlich, überlegt oder fahrlässig erfolgte. Ansonsten wäre eine Sanktion ziemlich nutzlos und das ist auch anderen gut zu vermitteln, so dass sie sich nicht bei eigener Normverletzung auf diesen Fall berufen können.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... - Jemand bezahlt meine Rechnung nicht, obgleich er nachweislich dazu in der Lage ist: er hat schon zig Rechnungen bezahlt. Und Geld hat er auch gerade.

Ich habe den Verdacht, Du sammelst Fälle, in denen Du das Verhalten mißbilligst. Das ist aber nicht der Punkt, denn das tue ich selbstverständlich auch.

Ok.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jeweils letztlich eine gar nicht ihnen zuzurechnende Entscheidung?

Doch, die Entscheidung wird ja in diesem individuellen Gehirn getroffen (auch wenn sie determiniert ist). Ebenso wie wir die Entscheidung für einen Zug auch dem Schachprogramm zurechnen.

Nein, nein, das ist nicht "ebenso". Ein Schachprogramm mag zwar minimal autonom sein, aber auf einer Vergleichsskala hätte es vielleicht den Autonomiefaktor 10, während ein Mensch den Autonomiefaktor 10 Fantastrilliarden hätte. Ein Schachprogramm ist gar nicht der Lage dazu, seine Umwelt zu erkennen, Schlüsse zu ziehen, eine soziale Beziehung aufzubauen, ein moralisches Subjekt zu sein.

Ich nehme dir auch nicht ab, dass Du nicht glaubst, plausible Argumente zu haben, die du Dir (egal mit welchem Anteil bewusst oder unbewusst) erarbeitet hast und folglich meinst, andere Subjekte überzeugen und sie somit beeinflussen zu können.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Sie können nichts für ihr Handeln, weil sie durch außerhalb ihrer Kontrolle liegenden Umstände dazu gezwungen wurden? Genauso, als wie wenn sie durch jemanden mit vorgehaltener Pistole zu den Handlungen gezwungen wurden?

Nein, nicht genauso. Bei der Pistole ist dem Individuum die Determination bewußt, beim Falschparken (vermutlich) nicht. Bei der Pistole ercheint die Handlung dem Individuum antipräferent, beim Falschparken präferent. Bei der Pistole ist die Determination für beobachtende Dritte trivial, intuitiv erfaßbar und zudem jemand, den man bestrafen kann, beim Falschparken ist die Determination komplex, anti-intuitiv und schlecht greifbar.

Der Unterschied hier ist mE der zwischen Zwang und Freiwilligkeit. Und das hat erst mal überhaupt nichts mit Determination zu tun. Für mich ist der Gegensatz von Freiheit Zwang und nicht Determination. Und ich behaupte jetzt mal ganz dreist, dass viele andere Leute das ebenso sehen und daher diese Unterscheidung weiterhin wichtig sein wird, sehr viel wichtiger als die Unterscheidung zwischen determiniert und indeterminiert, auf die es Dir hier letztlich nur anzukommen scheint.
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AXO
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Beitrag(#1329366) Verfasst am: 16.07.2009, 11:41    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Also z.B. jemand, der die Präferenz hat, Menschen umzubringen, sollte zwar daran gehindert, aber nicht dafür bestraft werden.


Beeinflusst nicht aber die Strafe die Determination im Sinne von -> Abschreckung?
Klar - die Tat ist getan und der Täter hatte zu diesem Zeitpunkt keine andere Wahl
und das Opfer wird nicht wieder lebendig wenn man den Täter bestraft.
Wenn es aber als Usus gilt Täter zu bestrafen, dann ist das doch eine Beeinflussung der
gesellschaftlichen Determination welche die Hemmschwelle zu morden bei potentiellen Tätern
heraufsetzt - oder?
Umgekehrt würden doch in einer Determination wo es als normal gilt völlig straffrei zu töten
erheblich mehr Menschen umgebracht.
Immerhin ist doch das Wissen um die Strafe ein die Entscheidung beeinflussender Faktor.
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Beitrag(#1329376) Verfasst am: 16.07.2009, 12:03    Titel: Antworten mit Zitat

AXO hat folgendes geschrieben:
[...] Versucht man hingegen jede Sache auf den Punkt zu bringen/auf die Spitze zu treiben, läufts ganz im letzten Detail immer auf (m.E. alltagsuntaugliches) entweder oder hinaus.
Meine Erfahrung lehrt mich eher, dass es dann absurd wird...
AXO hat folgendes geschrieben:
Warum willst Du die Menschen anders haben als sie sind? Ist das Dein Begriff von Freiheit?
Will ich gar nicht ! Ich reagiere nur, wenn jemand mir, der nun mal an die Möglichkeit eines freien Willens glaubt, mit fast unflätigen Eigenschaftsworten bewirft...

Punkto Synchronizität habe ich noch einen Text in petto, den ich letztes Jahr geschrieben habe, und wahrscheinlich nächstens im anderen Thread eingeben werde, wenn ich ihn nochmals überdacht und ausgefeilt habe...
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step
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Beitrag(#1329389) Verfasst am: 16.07.2009, 12:44    Titel: Antworten mit Zitat

AXO hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Also z.B. jemand, der die Präferenz hat, Menschen umzubringen, sollte zwar daran gehindert, aber nicht dafür bestraft werden.
Beeinflusst nicht aber die Strafe die Determination im Sinne von -> Abschreckung?

Meinst Du hier die Spezialprävenion oder die Generalprävention?

Nach meiner Kenntnis ist die Wirkung von Abschreckung fraglich, und insbesodere bei Kapitalverbrechen ist sie sogar widerlegt. Zudem führt das Abschreckungsprinzip tendenziell dazu, das Strafmaß nach (vermeintlicher) Maximierung der Abschreckung und nicht nach Schwere der Straftat zu wählen.

AXO hat folgendes geschrieben:
... Umgekehrt würden doch in einer Determination wo es als normal gilt völlig straffrei zu töten erheblich mehr Menschen umgebracht.

Es soll ja gar nicht als normal, sondern als extrem unerwünscht gelten.

Ich persönlich bin für die völlige Abschaffung der Vergeltungsaspekte, und auch der Abschreckungsaspekt ist mir ziemlich suspekt (was den Nutzen/Schaden Aspekt betrifft). Einzig den Präventionsaspekt finde ich ethisch vertretbar und auch erforderlich.
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Beitrag(#1329406) Verfasst am: 16.07.2009, 13:08    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Ich persönlich bin für die völlige Abschaffung der Vergeltungsaspekte, und auch der Abschreckungsaspekt ist mir ziemlich suspekt (was den Nutzen/Schaden Aspekt betrifft). Einzig den Präventionsaspekt finde ich ethisch vertretbar und auch erforderlich.
Schau, schau, als Vertreter eines bedingt freien Willens (und sogar als Verhaltensbiologe, der mit Skinnerboxen gearbeitet hat - zwar nur mit Belohnungen, nicht mit Strafen) gehe ich mit Dir völlig einig. Kein Gericht wird jemals zweifelsfrei belegen können, dass ein Verbrecher seine Tat aus völlig freiem Willen verübt hat. Und auch dann sind Vergeltungs- und Abschreckungsmassnahmen ineffizient und unethisch. Dass aber zB notorischer Mörder, Vergewaltiger oder gewaltbereite Räuber, die mit höchster Wahrscheinlichkeit zwanghaft handeln, verwahrt werden müssen, ist gerechtfertigt und notwendig...

Edit:
Habe eben in http://www.buskampagne.de reingeschaut und fand den Spruch auf dem Bus: "Gottlos glücklich. Aufklärung heisst Verantwortung übernehmen." Oben geschriebenes schliesst Verantwortung nicht aus...
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Beitrag(#1329463) Verfasst am: 16.07.2009, 14:59    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AXO hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Also z.B. jemand, der die Präferenz hat, Menschen umzubringen, sollte zwar daran gehindert, aber nicht dafür bestraft werden.
Beeinflusst nicht aber die Strafe die Determination im Sinne von -> Abschreckung?

Meinst Du hier die Spezialprävenion oder die Generalprävention?


Generalprävention

Zitat:

Nach meiner Kenntnis ist die Wirkung von Abschreckung fraglich, und insbesodere bei Kapitalverbrechen ist sie sogar widerlegt. Zudem führt das Abschreckungsprinzip tendenziell dazu, das Strafmaß nach (vermeintlicher) Maximierung der Abschreckung und nicht nach Schwere der Straftat zu wählen.


Das stimmt - der Täter wäre damit nur "Werkzeug" mittels dem man versucht Zahl der
zukünftiger Taten zu mindern -> indem man den Entscheidungsparameter -> Kenntnis der möglichen
Strafe intensiviert.
Aber wahrschenlich hast Du sogar Recht - Spontantäter dürften davon fast unbeeinflusst sein
und die Zahl der langfristig und detailiert geplanten Morde und Raubzüge dürfte sich eh auch
so in Grenzen halten. Die Hemmschwelle dürfte durch die Chance erwischt/nicht erwischt zu
werden weit mehr beeinflusst sein als durch die Art der oder Höhe der Strafe.
In der DDR z.B. war laut meiner Wahrnehmung aufgrund der hohen Aufklärungsqoute
USUS davon auszugehen das sich verbrechen nicht lohnt, weil die Chance nicht ermittelt zu werden
als extrem gering angesehen wurde.

Zitat:

AXO hat folgendes geschrieben:
... Umgekehrt würden doch in einer Determination wo es als normal gilt völlig straffrei zu töten erheblich mehr Menschen umgebracht.

Es soll ja gar nicht als normal, sondern als extrem unerwünscht gelten.


Das war nur eine übersteigerte Gegenvorstellung bzw. ein Szenario wie es z.B. in KZs geherrscht
haben dürfte. Klar waren die täter auch dort vielfältigster Determination unterlegen aber der
einfach Umstand das es völlig normal war sowas zu tun dürfte m.E. der ausschlaggebenste Aspekt
gewesen sein - das jegliche Hemmschwellen aufgehoben wurden.

Zitat:

Ich persönlich bin für die völlige Abschaffung der Vergeltungsaspekte, und auch der Abschreckungsaspekt ist mir ziemlich suspekt (was den Nutzen/Schaden Aspekt betrifft). Einzig den Präventionsaspekt finde ich ethisch vertretbar und auch erforderlich.


Prävention würde aber bedeuten die komplette gesellschaftliche Determination umkrempeln zu
müssen um die Einflüsse die zu Taten führen nach und nach auszuschalten. skeptisch

Was aber den Abschreckungsaspekt betrifft -> wenn nix passiert wenn man erwischt wird,
dann schreckt auch das erwischt werden nicht mehr ab. Ist ja auch möglich das ich das tatsächlich
(gesellschaftlich determiniert) völlig überbewerte und es z.B. in der DDR auch ohne die
Annahme einer extrem hohen Aufklärungsquote nicht ein einziges Verbrechen mehr gegeben hätte.

Was allerdings wiederum das -> an Taten hindern betrifft.
Wenn man als determiniert gesichert annehmen könnte, das ein Täter diese Tat einmalig und nur
in diesem Kontext begeht/begangen hat,
müßte das heißen das er in keinster Weise belangt würde?
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El Ali
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Beitrag(#1329469) Verfasst am: 16.07.2009, 15:10    Titel: Antworten mit Zitat

„Ich reagiere nur, wenn jemand mir, der nun mal an die Möglichkeit eines freien Willens glaubt, mit fast unflätigen Eigenschaftsworten bewirft ...“

Lieber Patapata,

dafür bitte ich Dich um Entschuldigung. Als Entschuldigung führe ich an, daß ich kein Roboter bin, nicht jeden Tag gutgelaunt und nur hin und wieder klug.

Gruß von Leila*
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AXO
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Beitrag(#1329477) Verfasst am: 16.07.2009, 15:21    Titel: Antworten mit Zitat

PataPata hat folgendes geschrieben:
AXO hat folgendes geschrieben:
[...] Versucht man hingegen jede Sache auf den Punkt zu bringen/auf die Spitze zu treiben, läufts ganz im letzten Detail immer auf (m.E. alltagsuntaugliches) entweder oder hinaus.
Meine Erfahrung lehrt mich eher, dass es dann absurd wird...


Ja wie bei meiner Unterhaltung mit AgentProvocateur wo auf den kleinsten möglichen Nenner
gebracht,
rauskam frei=unfrei,
was ja letztlich nicht wirklich absurd ist, wenn man -> sowohl als auch gelten lassen kann.
Nur muß man dann eben die letztgültige Entscheidung meiden und den freien Willen als
ebenso möglich wie unmöglich gelten lassen,
was ich persönlich gar nicht schlimm finde weil ja auch in komplexeren Determinationebenen
der empfundene Freiheitsbegriff immer nur als Ausgewogenheit definiert werden kann.

Konsequenterweise müsstest Du dann aber auf die Behauptung des freien Willens verzichten,
weil er schlußendlich nur über die sowohl-als-auch Absurdität von frei=unfrei hinaus
auf einen eindeutigen Definitionspunkt zu bringen wäre.

Genau genommen wäre dieser Punkt hinter der Absurdität das Ende jeder Interaktion weil 1 nicht
interagieren kann. Eine eindeutige Definition des freien Willens ist damit so unmöglich wie sie
unsinnig wäre,
weil Du nicht bestimmen kannst ob 1 freiwillig interagieren würde wenn es -> überhaupt interagieren könnte.
Zumindest diesbezüglich hat 1 nämlich KEINE Wahl geschweige denn eine freie.

und wenn Du jetzt anfängst drüber zu streiten ob der Urknall ein Akt des freien Willens war,
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zelig
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Beitrag(#1329514) Verfasst am: 16.07.2009, 16:45    Titel: Antworten mit Zitat

Wir hatten hier schonmal die Diskussion rund um die Äusserungen von Markowitsch, und dessen Plädoyer für das Präventivstrafrecht. Im wesentlichen rührt meine Skepsis gegenüber socherart Überlegungen aus der unmerklichen Wandlung der deskriptiven in eine normative Rede, ohne dies kenntlich zu machen. Das war auch in diesem Thread gut nachzuvollziehen, an dem Punkt, als Kenntnis mit Berechnung argumentativ gleichgesetzt wurde.
Meines Erachtens riskiert man durch die Verschmierung von Deskription und normativer Rede Schaden in zwei Richtungen. Sowohl der Anspruch der empirischen Wissenschaften auf Nichteinmischung aus nichtwissenschaftlichen Sphären wird unglaubwürdig, wenn sie die prinzipielle Differenz zwischen Empirie (also Kenntnis) und Theorie (die durch Empirie bestätigt werden muss) aufweicht. Als auch der Anspruch auf die Freiheit des Sollens vom Sein wird angegriffen, wenn sich der Versuch durchsetzen sollte, aus der vermeintlichen Berechenbarkeit menschlichen Verhaltens normative Verfahren gesamtgesellschaftlich zu realisieren.
Der Determinismus erhält, wenn er in dieser Hinsicht nicht einmal methodische Vorsicht gegenüber der Grenze zur Ethik walten lässt, den Charakter eines geschlossenen, fast perfekten Weltbildes mit all den Verführungen denen ihre Verfechter (wie Markowitsch) zu erliegen neigen.
Auch wenn ich den Determinismus nachvollziehen kann, so würde ich mich aus meiner Warte immer gegen die Bestrebung wenden, praktische Folgerungen aus diesem Standpunkt zuzulassen. Wie beispielsweise gesetzliche Regelungen zu präventiven Maßnahmen gegen nicht begangene Straftaten.
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PataPata
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Beitrag(#1329555) Verfasst am: 16.07.2009, 17:54    Titel: Antworten mit Zitat

El Ali hat folgendes geschrieben:
„Ich reagiere nur, wenn jemand mir, der nun mal an die Möglichkeit eines freien Willens glaubt, mit fast unflätigen Eigenschaftsworten bewirft ...“

Lieber Patapata,

dafür bitte ich Dich um Entschuldigung. Als Entschuldigung führe ich an, daß ich kein Roboter bin, nicht jeden Tag gutgelaunt und nur hin und wieder klug.

Gruß von Leila*
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Trotzdem, ich habe Dich wiederholt gebeten, mir eine Begründung für Deine Qualifikationen zu geben. Ich wäre immer noch froh um eine Antwort...
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PataPata
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Beitrag(#1329558) Verfasst am: 16.07.2009, 17:59    Titel: Antworten mit Zitat

AXO hat folgendes geschrieben:
und wenn Du jetzt anfängst drüber zu streiten ob der Urknall ein Akt des freien Willens war,
dann zieh ich sogar nem alten Man noch die Ohren lang und beantrage Deine Deportation
in ein Christenforum Mr. Green
Ich wollte mit dieser Diskussion nur steps Haltung ad absurdum führen - er ist aber aalglatt in seiner Argumentation (wie Du manchmal auch) und weicht jeder vernünftigen Stellungnahme aus - ich habe diese Diskussion daher abgebrochen...
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step
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Beitrag(#1329597) Verfasst am: 16.07.2009, 19:21    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Auch wenn ich den Determinismus nachvollziehen kann, so würde ich mich aus meiner Warte immer gegen die Bestrebung wenden, praktische Folgerungen aus diesem Standpunkt zuzulassen.

Das erinnert mich an die Ehefrau des Bischofs von Worcester, die über die Evolutionstheorie sagte: "Abgestammt von den Affen! Lass uns hoffen, dass es nicht wahr ist, aber falls doch, lass uns beten, dass es nicht allgemein bekannt wird." zwinkern

zelig hat folgendes geschrieben:
Wie beispielsweise gesetzliche Regelungen zu präventiven Maßnahmen gegen nicht begangene Straftaten.

Wie beurteilst Du in diesem Zusammenhang die Führerscheinpflicht? Und sind nicht präventive Maßnahmen IMMER gegen nicht begangene Straftaten?
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Zuletzt bearbeitet von step am 16.07.2009, 20:26, insgesamt einmal bearbeitet
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step
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Beitrag(#1329599) Verfasst am: 16.07.2009, 19:22    Titel: Antworten mit Zitat

PataPata hat folgendes geschrieben:
Ich wollte mit dieser Diskussion nur steps Haltung ad absurdum führen - er ist aber aalglatt in seiner Argumentation (wie Du manchmal auch) und weicht jeder vernünftigen Stellungnahme aus ...

Irgendwie bist Du doch ein armes Würstchen.
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step
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Beitrag(#1329737) Verfasst am: 16.07.2009, 21:49    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nur ist die Autonomie dieser ... Maschinen ziemlich gering im Vergleich zu einem durchschnittlichen Menschen. Für 'ne moralische z.B. Verantwortung fehlt da mMn noch ein bisschen was.

Ja, irgendetwas ist da tatsächlich deutlich geringer. Wenn man aber genauer betrachtet, was da im Vergleich gering ist, dann kommt man auf (Liste evtl. unvollständig):

- Simulationsstärke (Zukunft, Empathie, ...)
- Lernkapazität
- Interaktivität
- ...

Das sind seinerseits alles keine Kapazitäten, die irgendwetwas "Freies" beinhalten, selbst wenn ich nicht bis auf die neuronale oder physikalische Ebene heruntergehe. Sondern man hält sie - aus black-box Sicht - fälschlicherweise für frei, weil man die genaue Determination aufgrund der Komplexität nicht erkennt.

Anders als die meisten naiven FW-Vertreter akzeptierst Du zwar die Determination, kehrst sie aber - nmV aus "psychohygienischen" Gründen - semantisch unter den Teppich. Klar kann man "Autonomie" definieren als Sammelbegriff für die o.g. und weitere Eigenschaften, aber man sollte sich der deterministischen Hintergründe bewußt sein.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ich "kann" dies oder jenes tun, so wie ein Schachprogram diesen oder jenen Zug machen "kann".
... Aber da du oben zugestimmt hast, dass Du auch dein Unbewusstes als Teil von dir ansiehst, ist mir nicht klar, wie Du das eigentlich siehst. Mit "kann" meinst Du hier eigentlich "muss", richtig? Du musst das tun, was dein Unbewusstes Dir vorgibt - Du bist also doch getrennt von deinem Unbewussten?

Nein, das meinte ich anders: "ich kann tun" habe ich vereinfacht gebraucht für "in ähnlichen Situationen verhält sich step je nach genauer Situation so oder so", also für ein IF/ELSE. Insoferen ja: "muss", aber egal ob der Algorhithmus nun bewußt oder unbewußt abläuft. Vielleicht kommt dein Schluß zustande, weil "ich" unscharf definiert ist. Aber wenn "ich" das Selbstmodell eines individuums ist, sehe ich nicht, wieso ich bei der Modellierung einer Entscheidung das Unbewußte ausklammern sollte.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was unterscheidet Deiner Meinung nach eine "Strafe" von einer "Sanktion"? Lehnst Du auch Sanktionen ab, weil die nutzloses Leiden schaffen?

WENN sie nutzloses Leiden schaffen, ja. Zum Unterschied: Mein intuitives Wortverständnis betont bei "Sanktion" den abschreckenden, bei "Strafe" den vergeltenden Aspekt. Du hast aber wohl recht, ich habe gerade nochmal nachgeschaut, "Sanktion" bedeutet meist einfach "Strafandrohung".

Also erscheint mir z.B. bei einem Vertrag eine Sanktion in Form einer moderaten finanziellen "Vertragsstrafe" sinnvoll, weil sie das Risiko des Vertragspartners begrenzt und so zur Kooperation beitragen kann. Im STrafrecht entspräche dies in etwa einem Täter-Opfer- oder Täter-Gesellschafts-Ausgleich.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Die heutigen Prinzipien, die ich für unverzichtbar halte, von denen ich nicht abrücken möchte, egal, ob sie heute (perfekt) realisiert sind oder (eher) idealistisch, habe ich mit einem Strich gekennzeichnet. Und das in (eventuell) in deine Sprache Umgesetzte habe ich mit einem Stern gekennzeichnet. Dahinter möchte ich nicht zurück. Können wir dabei übereinstimmen?

- Keine Strafe ohne Schuld

OK. Aus meiner Sicht also keine Strafe (da keine Schuld). zwinkern

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
* Keine Sanktion (= individuelle / außergewöhnliche / nicht Alle betreffende Freiheitseinschränkung / Zwangsmaßnahme / Verantwortungsentzug) ohne nachgewiesene absichtliche / fahrlässige Normverletzung

Da stimme ich nicht zu. Individuelle Verantwortungszumessung auch ohne nachgewiesene absichtliche / fahrlässige Normverletzung betreiben wir ständig, etwa wenn wir Kindern etwas nicht erlauben, und zwar nur aufgrund unserer allgemein gebildeten Einschätzung, dieses Kind würde der zugewiesenen Verantwortung wahrscheinlich nicht gerecht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... - "der Staat hat von Verfassung wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bürger zu bessern oder zu hindern, sich selbst zu schädigen" (BVerfGE 22, 180/219 f.; BayObLGZ 1994, 209/211)

Das ist ein interessanter Punkt. Gibt es nicht andere Gesetze, die dem widersprechen, z.B. im Strafrecht, Unterlassung bei Suizid, ...

Am meisten interessiert mich aber, ob unter "bessern" auch das Verhindern von Schädigung Dritter fällt. Falls ja, würde das bedeuten, daß man Straftäter zwar gegen ihren Willen einkerkern, aber nicht gegen ihren Willen bessern darf?

Na gut, also nach längerer Überlegung würde ich zustimmen, dem gefährdeten Wiederholungstäter als Alternative "freiwillige" Sicherheitsverwahrung anzubieten, wenn er um jeden Preis nicht therapiert werden möchte.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Ich halte es daher für sinnlos, zu behaupten, Erkenntnisse, Gedanken, Meinungen, Erfahrungen, Gefühle existierten in Wirklichkeit gar nicht, in Wirklichkeit gäbe es nur darunter liegendes Neuronenfeuern -> Epiphänomenalismus.

Ich enthalte mich ontologischer AUssagen über diese Phänomene. Von mir aus dürfen sie auch "existieren". Mir geht es darum, daß die darunterliegenden Schichten die "Wirkungen" enthalten und daher den Vorgang komplett determinieren.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Kein Grund also, einen moralischen Vorwurf gegen den Normverletzer zu erheben?
Es ist doch eindeutig, daß er eine moralische Norm verletzt hat. Das ist Fakt, wieso sollte man das leugnen? Wichtiger als der VOrwurf ist aber die Aktion, eine Normverletzung in Zukunft zu vermeiden. In manchen Fällen mag ein "Vorwurf" (mißbilligender Hinweis auf die Normverletzung) da helfen.
Ja, in manchen Fällen mag ein Vorwurf helfen. Aber der ist auch schon eine Sanktion. In manchen Fällen mag ein Vorwurf nicht mehr ausreichend sein. Dann braucht man härtere Sanktionen. (Wenn man die Zukunft in Richtung besserer Normeinhaltung beeinflussen will - aufgrund von Überlegungen und Argumentationen.)

Ja, aber eben nur, wenn das die Zukunft verbessert.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
- Jemand parkt falsch. Er ist aber nachweislich dazu in der Lage, Schilder zu beachten und richtig zu parken.
Er war in dem Fall nachweislich NICHT "in der Lage" (!), würde ich sagen. Oder wie stellst Du fest, daß er dazu in der Lage ist? Weil er manchmal richtig parkt?
Ja, genau. Niemand und nichts hat ihn dazu gezwungen, falsch zu parken.

Keine Person hat ihn gezwungen. Das, was ihn determiniert hat, ist so komplex, daß wir es intuitiv leugnen. Wir verurteilen ihn, weil wir wissen, daß andere Personen in vergleichbaren Situationen sich oft normgerecht verhalten. Die Abweichung deuten wir - wenn wir keinen trivialen Zwang identifizieren können - als Freiwilligkeit und den Täter als Letztverursacher.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich nehme dir auch nicht ab, dass Du nicht glaubst, plausible Argumente zu haben, die du Dir (egal mit welchem Anteil bewusst oder unbewusst) erarbeitet hast und folglich meinst, andere Subjekte überzeugen und sie somit beeinflussen zu können.

Ich wüßte auch nicht, wo ich sowas behauptet hätte.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Sie können nichts für ihr Handeln, weil sie durch außerhalb ihrer Kontrolle liegenden Umstände dazu gezwungen wurden? Genauso, als wie wenn sie durch jemanden mit vorgehaltener Pistole zu den Handlungen gezwungen wurden?
Nein, nicht genauso. Bei der Pistole ist dem Individuum die Determination bewußt, beim Falschparken (vermutlich) nicht. Bei der Pistole ercheint die Handlung dem Individuum antipräferent, beim Falschparken präferent. Bei der Pistole ist die Determination für beobachtende Dritte trivial, intuitiv erfaßbar und zudem jemand, den man bestrafen kann, beim Falschparken ist die Determination komplex, anti-intuitiv und schlecht greifbar.

Der Unterschied hier ist mE der zwischen Zwang und Freiwilligkeit. Und das hat erst mal überhaupt nichts mit Determination zu tun. Für mich ist der Gegensatz von Freiheit Zwang und nicht Determination. Und ich behaupte jetzt mal ganz dreist, dass viele andere Leute das ebenso sehen und daher diese Unterscheidung weiterhin wichtig sein wird, sehr viel wichtiger als die Unterscheidung zwischen determiniert und indeterminiert, auf die es Dir hier letztlich nur anzukommen scheint.

Zwang ist aus meiner Sicht so etwas wie "als nichtpräferiert wahrgenommene Determination", also eine Untermenge von Determination.
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AXO
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Beitrag(#1329745) Verfasst am: 16.07.2009, 22:00    Titel: Antworten mit Zitat

PataPata hat folgendes geschrieben:
AXO hat folgendes geschrieben:
und wenn Du jetzt anfängst drüber zu streiten ob der Urknall ein Akt des freien Willens war,
dann zieh ich sogar nem alten Man noch die Ohren lang und beantrage Deine Deportation
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Ich wollte mit dieser Diskussion nur steps Haltung ad absurdum führen - er ist aber aalglatt in seiner Argumentation (wie Du manchmal auch) und weicht jeder vernünftigen Stellungnahme aus - ich habe diese Diskussion daher abgebrochen...


Schau Dir doch mein letztes Post dazu nochmal in Ruhe an und dann sag mir weswegen Du Dich
in Deinem Alter der Aufregung aussetzt eine Argumentation zu führen, welche NUR auf den Punkt
gebracht beweis oder widerlegbar wäre,
wärend Du doch selbst der Meinung bist - das es bereits vor dem PUNKT ins absurde führt
und damit -> sowohl als auch - ja auch persönlich ganz gut leben kannst?

willste Step ÄRGERN indem Du ihn nötigst Argumente gegen einen, durch Dich nicht beweisbaren
freien Willen zu bringen?
Wenn Du zum stänkern aufgelegt bist dann müßte man fairerweise sagen das hinter dem Absurdum
frei=unfrei
der PUNKT liegt an dem der einzige exisitierenden Determinant -> keinerlei MÖGLICHKEIT auf Interaktion hat,
weil dafür mindesten NOCH ein Determinant nötig wäre.
Selbst mit "freiem Willen" ausgestattet könnte er sich aus dieser interaktionslosen Situation
nicht selbst befreien,
hätte also weder die CHANCE frei zu wählen noch wäre es nötig.
Ob Du nun immer noch frei nennen willst wenn man KEINE Wahl hat - bleibt dir überlassen.

m.E. ist er weder beweisbar noch nötig und möge deshalb von mir aus in Frieden ruhen
und wenn Step das ähnlich sieht verstehe ich das und das Du unbedingt drauf rumreiten mußt ist mir völlig schleierhaft.
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Beitrag(#1329750) Verfasst am: 16.07.2009, 22:14    Titel: Antworten mit Zitat

Also, wenn jemand von Kriminalitätsprävention spricht und ihm dazu lediglich ordnungspolitische *Maßnahmen* einfallen, anstatt soziale Prävention, dann weiß man schon von vorn herein, woher der Wind weht.

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Zuletzt bearbeitet von Skeptiker am 16.07.2009, 22:20, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Beitrag(#1329754) Verfasst am: 16.07.2009, 22:17    Titel: Antworten mit Zitat

Dem Willen – in all seinen Äußerungen – stehen viele Dinge entgegen, die ihn behindern oder schwächen: Müdigkeit, Krankheit, Unglücksfälle, menschliche Widersacher, Ablehnung, natürliche Hindernisse, physische Unzulänglichkeit, Resignation u.dgl.m. Schon alles dessen wegen kann ich den freien Willen nicht anerkennen.
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Beitrag(#1329757) Verfasst am: 16.07.2009, 22:22    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Wir hatten hier schonmal die Diskussion rund um die Äusserungen von Markowitsch, und dessen Plädoyer für das Präventivstrafrecht. Im wesentlichen rührt meine Skepsis gegenüber socherart Überlegungen aus der unmerklichen Wandlung der deskriptiven in eine normative Rede, ohne dies kenntlich zu machen. Das war auch in diesem Thread gut nachzuvollziehen, an dem Punkt, als Kenntnis mit Berechnung argumentativ gleichgesetzt wurde.
Meines Erachtens riskiert man durch die Verschmierung von Deskription und normativer Rede Schaden in zwei Richtungen. Sowohl der Anspruch der empirischen Wissenschaften auf Nichteinmischung aus nichtwissenschaftlichen Sphären wird unglaubwürdig, wenn sie die prinzipielle Differenz zwischen Empirie (also Kenntnis) und Theorie (die durch Empirie bestätigt werden muss) aufweicht. Als auch der Anspruch auf die Freiheit des Sollens vom Sein wird angegriffen, wenn sich der Versuch durchsetzen sollte, aus der vermeintlichen Berechenbarkeit menschlichen Verhaltens normative Verfahren gesamtgesellschaftlich zu realisieren.
Der Determinismus erhält, wenn er in dieser Hinsicht nicht einmal methodische Vorsicht gegenüber der Grenze zur Ethik walten lässt, den Charakter eines geschlossenen, fast perfekten Weltbildes mit all den Verführungen denen ihre Verfechter (wie Markowitsch) zu erliegen neigen.
Auch wenn ich den Determinismus nachvollziehen kann, so würde ich mich aus meiner Warte immer gegen die Bestrebung wenden, praktische Folgerungen aus diesem Standpunkt zuzulassen. Wie beispielsweise gesetzliche Regelungen zu präventiven Maßnahmen gegen nicht begangene Straftaten.


Eine physikalisch begründete, faschistoide "Moral". Ja, das kann man sich vorstellen. Und irgendwie läuft es bei diesem step darauf hinaus, habe ich das Gefühl ...-

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AgentProvocateur
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Beitrag(#1329810) Verfasst am: 16.07.2009, 23:42    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nur ist die Autonomie dieser ... Maschinen ziemlich gering im Vergleich zu einem durchschnittlichen Menschen. Für 'ne moralische z.B. Verantwortung fehlt da mMn noch ein bisschen was.

Ja, irgendetwas ist da tatsächlich deutlich geringer. Wenn man aber genauer betrachtet, was da im Vergleich gering ist, dann kommt man auf (Liste evtl. unvollständig):

- Simulationsstärke (Zukunft, Empathie, ...)
- Lernkapazität
- Interaktivität
- ...

Das sind seinerseits alles keine Kapazitäten, die irgendwetwas "Freies" beinhalten, selbst wenn ich nicht bis auf die neuronale oder physikalische Ebene heruntergehe. Sondern man hält sie - aus black-box Sicht - fälschlicherweise für frei, weil man die genaue Determination aufgrund der Komplexität nicht erkennt.

Ich habe erklärt, was ich unter "Willensfreiheit / Entscheidungsfreiheit" bzw. "Freiheit" verstehe, Du nicht. Du hast nicht begründet, warum Determination sie einschränken könnte, denn Indetermination = Zufall = Willkür = nicht kontrollierbar schränkt sie ja wohl wesentlich mehr eine als eine Determination, die auf meiner Persönlichkeit beruht, die also von mir bedingt ist.

step hat folgendes geschrieben:
Anders als die meisten naiven FW-Vertreter akzeptierst Du zwar die Determination, kehrst sie aber - nmV aus "psychohygienischen" Gründen - semantisch unter den Teppich. Klar kann man "Autonomie" definieren als Sammelbegriff für die o.g. und weitere Eigenschaften, aber man sollte sich der deterministischen Hintergründe bewußt sein.

Und nochmal: Du musst einfach mal plausibel begründen, warum Determination ein Widerspruch zu Autonomie oder Freiheit sein sollte. Es einfach nur immer wieder zu behaupten, reicht ja nicht, weil ich das nicht als einfach so evident akzeptiere.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was unterscheidet Deiner Meinung nach eine "Strafe" von einer "Sanktion"? Lehnst Du auch Sanktionen ab, weil die nutzloses Leiden schaffen?

WENN sie nutzloses Leiden schaffen, ja. [...]

Also erscheint mir z.B. bei einem Vertrag eine Sanktion in Form einer moderaten finanziellen "Vertragsstrafe" sinnvoll, weil sie das Risiko des Vertragspartners begrenzt und so zur Kooperation beitragen kann. Im STrafrecht entspräche dies in etwa einem Täter-Opfer- oder Täter-Gesellschafts-Ausgleich.

Mal unabhängig von der Frage, was denn überhaupt nutzlos ist und was nicht, stellt sich hier eine andere Frage: nämlich die nach dem Unterschied zwischen einer absichtlichen und einer unabsichtlichen Handlung. Sieht man diesen Unterschied und möchte man ihn weiterhin berücksichtigen, dann ist man ziemlich genau bei dem Begriff von "Schuld", so wie er im Strafrecht verstanden wird. Dieser Begriff beinhaltet nämlich keineswegs die zusätzlichen metaphysischen Konnotationen, die Du anscheinend immer darin siehst (inhärente Notwendigkeit von Vergeltung, Rache). "Schuld" bedeutet lediglich, dass jemand willentlich, absichtlich oder fahrlässig, ohne äußeren oder inneren Zwang eine zu dem Zeitpunkt der Nomverletzung eine ihm bekannte Normverletzung begangen hat und ihm deswegen diese Normverletzung vorwerfbar ist. Lehnt man jetzt nur den Begriff ab und möchte aber weiterhin die Unterscheidung zwischen "absichtlich" und "unabsichtlich" treffen, dann betreibt man nur Wortkosmetik. Die aber nichts an dem damit gemeinten Sachverhalt ändert.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Die heutigen Prinzipien, die ich für unverzichtbar halte, von denen ich nicht abrücken möchte, egal, ob sie heute (perfekt) realisiert sind oder (eher) idealistisch, habe ich mit einem Strich gekennzeichnet. Und das in (eventuell) in deine Sprache Umgesetzte habe ich mit einem Stern gekennzeichnet. Dahinter möchte ich nicht zurück. Können wir dabei übereinstimmen?

- Keine Strafe ohne Schuld

OK. Aus meiner Sicht also keine Strafe (da keine Schuld). zwinkern

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
* Keine Sanktion (= individuelle / außergewöhnliche / nicht Alle betreffende Freiheitseinschränkung / Zwangsmaßnahme / Verantwortungsentzug) ohne nachgewiesene absichtliche / fahrlässige Normverletzung

Da stimme ich nicht zu. Individuelle Verantwortungszumessung auch ohne nachgewiesene absichtliche / fahrlässige Normverletzung betreiben wir ständig, etwa wenn wir Kindern etwas nicht erlauben, und zwar nur aufgrund unserer allgemein gebildeten Einschätzung, dieses Kind würde der zugewiesenen Verantwortung wahrscheinlich nicht gerecht.

Es geht mir hier um staatliche Maßnahmen gegenüber mündigen Bürgern. Diesem darf nur dann (die normale generell gegebene) Freiheit / Verantwortung individuell entzogen werden, wenn er eine konkrete Normverletzung begangen hat und nicht aufgrund einer statistischen Wahrscheinlichkeit.

Na gut, diese Aussage ist ziemlich pauschal, die wird man sicher mit irgendwelchen Einzelbeispielen angreifen können, die Grenze zwischen "mündigem" und "nicht mündigem" Bürger kann man auch nicht so einfach festlegen. Aber es geht mir um das Prinzip, ich möchte keine "Supernanny-Gesellschaft" bzw. eine "control-freak-society". "Wir machen es hier so, es gibt ja keine scharfe Grenze zwischen mündigen und unmündigen Bürgern, also dürfen wir problemlos diese Grenze immer weiter ausweiten" sehe ich nicht als guten Grund an. Das folgt nämlich mE überhaupt nicht.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... - "der Staat hat von Verfassung wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bürger zu bessern oder zu hindern, sich selbst zu schädigen" (BVerfGE 22, 180/219 f.; BayObLGZ 1994, 209/211)

[...] Am meisten interessiert mich aber, ob unter "bessern" auch das Verhindern von Schädigung Dritter fällt. Falls ja, würde das bedeuten, daß man Straftäter zwar gegen ihren Willen einkerkern, aber nicht gegen ihren Willen bessern darf?

Ganz richtig, genau das bedeutet es. Die Gesellschaft hat demnach zwar das Recht, sich gegen Normverletzer zur Wehr zu setzen, aber sie hat nicht das Recht, mündige Bürger so anzupassen, dass sie konformer mit was auch immer gehen. Denn jeder hat das Recht dazu, eine andere Auffassung als die Gesellschaft, bzw. die Mehrheit der Gesellschaft zu haben und diese auch weiterhin zu haben, falls er sich dafür entscheidet.

step hat folgendes geschrieben:
Na gut, also nach längerer Überlegung würde ich zustimmen, dem gefährdeten Wiederholungstäter als Alternative "freiwillige" Sicherheitsverwahrung anzubieten, wenn er um jeden Preis nicht therapiert werden möchte.

Wer nicht freiwillig therapiert werden will, der kann auch nicht therapiert werden. Die Drohung z.B. gegenüber einem notorischen Ladendieb mit Sicherungsverwahrung mag ihn zwar dazu verleiten, die Therapie mitzumachen, vielleicht, wenn er schlau ist, eignet er sich auch Strategien an, den Therapeuten über einen angeblichen Erfolg der Therapie zu täuschen. Aber dieser Erfolg kann so nicht gewährleistet werden, nach allem, was ich so weiß. Klar macht er die Therapie, wenn die einzige Alternative dann die Sicherungsverwahrung ist. Wäre halt ein bisschen unverhältnismäßig, das würde mich dabei stören (widerspräche meinem oben geforderten Prinzip, dass die Dauer der staatlich verhängten Sanktion von der Größe der moralischen Ablehnung der Normvetzung abhängen sollte - auf das Du nicht eingegangen bist). Und auch der somit dahinter liegende Gedanke, die Gesellschaft / der Staat hätte überhaupt das Recht dazu, andere an ihre Vorstellungen anzupassen (durch härtere Maßnahmen als Apelle, Argumentationen, Überzeugungsversuche).

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Ich halte es daher für sinnlos, zu behaupten, Erkenntnisse, Gedanken, Meinungen, Erfahrungen, Gefühle existierten in Wirklichkeit gar nicht, in Wirklichkeit gäbe es nur darunter liegendes Neuronenfeuern -> Epiphänomenalismus.

Ich enthalte mich ontologischer AUssagen über diese Phänomene. Von mir aus dürfen sie auch "existieren". Mir geht es darum, daß die darunterliegenden Schichten die "Wirkungen" enthalten und daher den Vorgang komplett determinieren.

Die "darunterliegenden Schichten" können nur das determinieren, von dem sie getrennt sind, wenn sie etwas anderes sind -> Epiphanomenalismus. Wenn aber die höheren Schichten durch die unteren Schichten realisiert werden, dann kann man nun mal genauso gut sagen, das Ergebnis meiner Überlegungen wird durch meine Argumente determiniert. Die unteren Schichten brauchen dann für die Gültigkeit meiner Argumente nicht mehr betrachtet zu werden. Abgesehen davon, wie schon gesagt, dass wir eh kein Vokabular dafür haben, um irgendwelche Argumente mit Prozessen irgendwelcher unterer Ebenen gleich setzen zu können.

Falls Du hier aber wiederum nur sagen wolltest: ist aber alles determiniert!, dann frage ich eben wieder: ja, na und, was folgt daraus und warum?

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
(Wenn man die Zukunft in Richtung besserer Normeinhaltung beeinflussen will - aufgrund von Überlegungen und Argumentationen.)

Ja, aber eben nur, wenn das die Zukunft verbessert.

Na, gut, an dieser Stelle nochmal mein Argument, auf das Du überhaupt nicht eingegangen bist: wer glaubt, die Zukunft aufgrund seiner Überlegungen und Argumente beeinflussen zu können, der sieht sich als autonomes, handelndes, die Zukunft beeinflussen könnendes und daher letztlich als freies Subjekt an.

Wir können gar keine andere Sichtweise als diese einnehmen. Oder wir verfallen dem Fatalismus. Aber ein Teilnehmer in einem Diskurs, der mit Argumenten überzeugen möchte, sieht sich unweigerlich so.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Er war in dem Fall nachweislich NICHT "in der Lage" (!), würde ich sagen. Oder wie stellst Du fest, daß er dazu in der Lage ist? Weil er manchmal richtig parkt?

Ja, genau. Niemand und nichts hat ihn dazu gezwungen, falsch zu parken.

Keine Person hat ihn gezwungen. Das, was ihn determiniert hat, ist so komplex, daß wir es intuitiv leugnen. Wir verurteilen ihn, weil wir wissen, daß andere Personen in vergleichbaren Situationen sich oft normgerecht verhalten. Die Abweichung deuten wir - wenn wir keinen trivialen Zwang identifizieren können - als Freiwilligkeit und den Täter als Letztverursacher.

Ich zweifele Deine Behauptung an, die allgemeine Sicht von Freiheit würde einen Letztverursacher benötigen. Das glaube ich schlicht nicht. Aber darauf beruht letztlich deine ganze Argumentation. Aber Determination ist nun mal kein Gegensatz zu Freiheit, denn das müsste bedeuten, dass Zufall / Willkür freiheitserhöhend wäre.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich nehme dir auch nicht ab, dass Du nicht glaubst, plausible Argumente zu haben, die du Dir (egal mit welchem Anteil bewusst oder unbewusst) erarbeitet hast und folglich meinst, andere Subjekte überzeugen und sie somit beeinflussen zu können.

Ich wüßte auch nicht, wo ich sowas behauptet hätte.

Du glaubst also, dass Du (und somit folglich auch andere) die Zukunft mit ihren Argumenten und Überlegungen beeinflussen und somit steuern können? Wenn das aber jemand kann, warum sollte man ihm nicht seine Normverletzungen vorwerfen können und dafür eine Rechenschaft verlangen dürfen?

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Sie können nichts für ihr Handeln, weil sie durch außerhalb ihrer Kontrolle liegenden Umstände dazu gezwungen wurden? Genauso, als wie wenn sie durch jemanden mit vorgehaltener Pistole zu den Handlungen gezwungen wurden?
Nein, nicht genauso. Bei der Pistole ist dem Individuum die Determination bewußt, beim Falschparken (vermutlich) nicht. Bei der Pistole ercheint die Handlung dem Individuum antipräferent, beim Falschparken präferent. Bei der Pistole ist die Determination für beobachtende Dritte trivial, intuitiv erfaßbar und zudem jemand, den man bestrafen kann, beim Falschparken ist die Determination komplex, anti-intuitiv und schlecht greifbar.

Der Unterschied hier ist mE der zwischen Zwang und Freiwilligkeit. Und das hat erst mal überhaupt nichts mit Determination zu tun. Für mich ist der Gegensatz von Freiheit Zwang und nicht Determination. Und ich behaupte jetzt mal ganz dreist, dass viele andere Leute das ebenso sehen und daher diese Unterscheidung weiterhin wichtig sein wird, sehr viel wichtiger als die Unterscheidung zwischen determiniert und indeterminiert, auf die es Dir hier letztlich nur anzukommen scheint.

Zwang ist aus meiner Sicht so etwas wie "als nichtpräferiert wahrgenommene Determination", also eine Untermenge von Determination.

Aber Determination spielt überhaupt keine Rolle hier. Dafür fehlt schlicht ein Argument. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Zwang und Freiwilligkeit dabei.

Auch aus der Sicht eines Deterministen ist dieser Unterschied natürlich wichtig, denn es ergibt einfach keinen präventiven Sinn, jemanden für eine Handlung einer Sanktion auszusetzen, zu der er gezwungen wurde oder die er unabsichtlich vollführte. Die Sanktion kann dann ja weder Einfluss auf ihn, noch auf andere in zukünftigen ähnlichen Situationen haben. (Wobei der performative Selbstwiderspruch eines "harten Deterministen" - jemand, der behauptet, dass niemand aktiv die Zukunft beeinflussen könne, weil die festgelegt / determiniert sei - hier wieder zutage tritt: denn er glaubt offensichtlich im Widerspruch dazu von sich selber, dass er es sehr wohl könne.)
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göttertod
Atheist und Zweifelsäer



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Beitrag(#1329858) Verfasst am: 17.07.2009, 01:53    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Wir hatten hier schonmal die Diskussion rund um die Äusserungen von Markowitsch, und dessen Plädoyer für das Präventivstrafrecht. Im wesentlichen rührt meine Skepsis gegenüber socherart Überlegungen aus der unmerklichen Wandlung der deskriptiven in eine normative Rede, ohne dies kenntlich zu machen. Das war auch in diesem Thread gut nachzuvollziehen, an dem Punkt, als Kenntnis mit Berechnung argumentativ gleichgesetzt wurde.
Meines Erachtens riskiert man durch die Verschmierung von Deskription und normativer Rede Schaden in zwei Richtungen. Sowohl der Anspruch der empirischen Wissenschaften auf Nichteinmischung aus nichtwissenschaftlichen Sphären wird unglaubwürdig, wenn sie die prinzipielle Differenz zwischen Empirie (also Kenntnis) und Theorie (die durch Empirie bestätigt werden muss) aufweicht. Als auch der Anspruch auf die Freiheit des Sollens vom Sein wird angegriffen, wenn sich der Versuch durchsetzen sollte, aus der vermeintlichen Berechenbarkeit menschlichen Verhaltens normative Verfahren gesamtgesellschaftlich zu realisieren.
Der Determinismus erhält, wenn er in dieser Hinsicht nicht einmal methodische Vorsicht gegenüber der Grenze zur Ethik walten lässt, den Charakter eines geschlossenen, fast perfekten Weltbildes mit all den Verführungen denen ihre Verfechter (wie Markowitsch) zu erliegen neigen.
Auch wenn ich den Determinismus nachvollziehen kann, so würde ich mich aus meiner Warte immer gegen die Bestrebung wenden, praktische Folgerungen aus diesem Standpunkt zuzulassen. Wie beispielsweise gesetzliche Regelungen zu präventiven Maßnahmen gegen nicht begangene Straftaten.


Eine physikalisch begründete, faschistoide "Moral". Ja, das kann man sich vorstellen. Und irgendwie läuft es bei diesem step darauf hinaus, habe ich das Gefühl ...-

Skeptiker


vorneweg.... ich bin auf der Seite von Step!!!!! vielleicht nicht in allem, dafür ist mir die Diskussion zu lange und zu leseintensiv, aber doch in der Konsequenz der Verneinung des Freien Willens und der daraus folgenden "Verplichtung" oder anders den Quasimöglichkeiten, welche wenn überhaupt so etwas wie illusionäre Freiheit darstellen.

Präventive Maßnahmen gegen Straftäter klingen für manche vielleicht schlimm, aber wenn es einst möglich ist aufgrund von wissenschaftlichen Methoden (hier wohl hauptsächlich Neurowissenschaften) im Vorfeld zu erkennen, dass Menschen bei einem speziellen Reizimpuls zu einer so und so großen Wahrscheinlichkeit diese und jene Handlung begehen werden, dann wird man darüber nachdenken müssen, wie man präventiv dagegen vorgeht.

Und soetwas haben wir ja schon, ich meine es nennt sich z.B. Sicherheitsverwahrung. Nur ist die Sicherheitsverwahrung im Augenblick in ihrer Wissenschaftlichkeit auf eine (meiner Ansicht nach) poblige Laienpsychologie angewiesen. Laienpsychologie, wegen der mangelnden neurowissenschaftlichen Determination.

Egal welche der unzähligen Sparten der Psychologie, alle haben ihre Stärken (so wie ich es verstehe) in der Aussagekraft und Vorhersage durch die Statistik, also in der Wahrscheinlichkeit, die sich aber nur durch die Beobachtungsergebnisse einer Vielzahl von Individuen herleiten lässt, und dann auf das Einzelindividuum übertragen werden soll.

Das hier auch auf den Determinismus/Reduktionismus hingewiesen werden kann, sollte selbsterklärend sein. Nur meine ich, dass eine neurowissenschaftliche Erklärung von Handlungsweisen bei Menschen (jetzt, wenn nicht in der baldigen Zukunft) eine viel tiefgreifendere und genauere Methode der Handlungsbeschreibung ist, als ein langwieriges Kennenlernen der Person über die alltägliche Interaktion in den gewohnten Facetten.


und das ist für mich dann keine faschistoide Moral, sondern eine wünschenswerte Konsequenz ...

Den Determinismus in seiner solipsistischen Tendenz durchbrechen, dabei muss ich immer wieder mal an folgendes Zitat von Kant denken:

Zitat:
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude [wage es verständig zu sein]! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“ (Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? Berlinische Monatsschrift, 1784,2, S. 481–494)


Was passiert mit dem Zitat, WENN ICH DEN DETERMINISMUS ANERKENNE???? Wenn ich Aufklärung mit Freiheit gleichsetzte..... und hier meine ich HANDLUNGSFREIHEIT nicht den Freien Willen (den es ja nicht gibt).
Genau dann ist es wichtig aus dem Erkennen des Zustandes Quasioptionen zu generieren, ethisch vertretbare Handlungsoptionen für alle.
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step
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Beitrag(#1329905) Verfasst am: 17.07.2009, 09:27    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Also, wenn jemand von Kriminalitätsprävention spricht und ihm dazu lediglich ordnungspolitische *Maßnahmen* einfallen, anstatt soziale Prävention, dann weiß man schon von vorn herein, woher der Wind weht.

Damit kannst Du ja wohl nicht mich meinen, oder?
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PataPata
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Beitrag(#1329965) Verfasst am: 17.07.2009, 11:14    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
PataPata hat folgendes geschrieben:
Ich wollte mit dieser Diskussion nur steps Haltung ad absurdum führen - er ist aber aalglatt in seiner Argumentation (wie Du manchmal auch) und weicht jeder vernünftigen Stellungnahme aus ...

Irgendwie bist Du doch ein armes Würstchen.
Na Und! Sind wir doch irgendwie alle - ausser Dir natürlich...
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PataPata
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Beitrag(#1329974) Verfasst am: 17.07.2009, 11:37    Titel: Antworten mit Zitat

AXO hat folgendes geschrieben:
PataPata hat folgendes geschrieben:
AXO hat folgendes geschrieben:
[...] Versucht man hingegen jede Sache auf den Punkt zu bringen/auf die Spitze zu treiben, läufts ganz im letzten Detail immer auf (m.E. alltagsuntaugliches) entweder oder hinaus.
Meine Erfahrung lehrt mich eher, dass es dann absurd wird...
Konsequenterweise müsstest Du dann aber auf die Behauptung des freien Willens verzichten,
weil er schlußendlich nur über die sowohl-als-auch Absurdität von frei=unfrei hinaus
auf einen eindeutigen Definitionspunkt zu bringen wäre.
Diese Absurdität entsteht daraus, dass man immer wieder eine binäre Logik verwendet mit Einsatz von Extremen. Dann kann man auf solche Sachen wie frei=unfrei gelangen (les extrèmes se touchent !). Zwischen Schwarz und Weiss gibt es aber viele Farben und Helligkeitsstufen. Wahrscheinlich führt der Begriff "sowohl als auch" ebenfalls zur Absurdität, weil immer noch nur Schwarz und Weiss zugelassen ist. Man kann ebenfalls auf Schwarz=Weiss kommen, wenn man keine Farben und Graustufen zulässt...

Nein, Freiheit muss man in Bezug setzen auf die Freiheitsgrade (graduell) die man besitzt ! Ein Ansatz wäre die Fuzzy-Logik, trifft es aber auch nicht genau...
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Beitrag(#1329976) Verfasst am: 17.07.2009, 11:40    Titel: Antworten mit Zitat

göttertod hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Wir hatten hier schonmal die Diskussion rund um die Äusserungen von Markowitsch, und dessen Plädoyer für das Präventivstrafrecht. Im wesentlichen rührt meine Skepsis gegenüber socherart Überlegungen aus der unmerklichen Wandlung der deskriptiven in eine normative Rede, ohne dies kenntlich zu machen. Das war auch in diesem Thread gut nachzuvollziehen, an dem Punkt, als Kenntnis mit Berechnung argumentativ gleichgesetzt wurde.
Meines Erachtens riskiert man durch die Verschmierung von Deskription und normativer Rede Schaden in zwei Richtungen. Sowohl der Anspruch der empirischen Wissenschaften auf Nichteinmischung aus nichtwissenschaftlichen Sphären wird unglaubwürdig, wenn sie die prinzipielle Differenz zwischen Empirie (also Kenntnis) und Theorie (die durch Empirie bestätigt werden muss) aufweicht. Als auch der Anspruch auf die Freiheit des Sollens vom Sein wird angegriffen, wenn sich der Versuch durchsetzen sollte, aus der vermeintlichen Berechenbarkeit menschlichen Verhaltens normative Verfahren gesamtgesellschaftlich zu realisieren.
Der Determinismus erhält, wenn er in dieser Hinsicht nicht einmal methodische Vorsicht gegenüber der Grenze zur Ethik walten lässt, den Charakter eines geschlossenen, fast perfekten Weltbildes mit all den Verführungen denen ihre Verfechter (wie Markowitsch) zu erliegen neigen.
Auch wenn ich den Determinismus nachvollziehen kann, so würde ich mich aus meiner Warte immer gegen die Bestrebung wenden, praktische Folgerungen aus diesem Standpunkt zuzulassen. Wie beispielsweise gesetzliche Regelungen zu präventiven Maßnahmen gegen nicht begangene Straftaten.


Eine physikalisch begründete, faschistoide "Moral". Ja, das kann man sich vorstellen. Und irgendwie läuft es bei diesem step darauf hinaus, habe ich das Gefühl ...-

Skeptiker


vorneweg.... ich bin auf der Seite von Step!!!!! vielleicht nicht in allem, dafür ist mir die Diskussion zu lange und zu leseintensiv, aber doch in der Konsequenz der Verneinung des Freien Willens und der daraus folgenden "Verplichtung" oder anders den Quasimöglichkeiten, welche wenn überhaupt so etwas wie illusionäre Freiheit darstellen.

Präventive Maßnahmen gegen Straftäter klingen für manche vielleicht schlimm, aber wenn es einst möglich ist aufgrund von wissenschaftlichen Methoden (hier wohl hauptsächlich Neurowissenschaften) im Vorfeld zu erkennen, dass Menschen bei einem speziellen Reizimpuls zu einer so und so großen Wahrscheinlichkeit diese und jene Handlung begehen werden, dann wird man darüber nachdenken müssen, wie man präventiv dagegen vorgeht.

Und soetwas haben wir ja schon, ich meine es nennt sich z.B. Sicherheitsverwahrung. Nur ist die Sicherheitsverwahrung im Augenblick in ihrer Wissenschaftlichkeit auf eine (meiner Ansicht nach) poblige Laienpsychologie angewiesen. Laienpsychologie, wegen der mangelnden neurowissenschaftlichen Determination.

Egal welche der unzähligen Sparten der Psychologie, alle haben ihre Stärken (so wie ich es verstehe) in der Aussagekraft und Vorhersage durch die Statistik, also in der Wahrscheinlichkeit, die sich aber nur durch die Beobachtungsergebnisse einer Vielzahl von Individuen herleiten lässt, und dann auf das Einzelindividuum übertragen werden soll.

Das hier auch auf den Determinismus/Reduktionismus hingewiesen werden kann, sollte selbsterklärend sein. Nur meine ich, dass eine neurowissenschaftliche Erklärung von Handlungsweisen bei Menschen (jetzt, wenn nicht in der baldigen Zukunft) eine viel tiefgreifendere und genauere Methode der Handlungsbeschreibung ist, als ein langwieriges Kennenlernen der Person über die alltägliche Interaktion in den gewohnten Facetten.


und das ist für mich dann keine faschistoide Moral, sondern eine wünschenswerte Konsequenz ...

Den Determinismus in seiner solipsistischen Tendenz durchbrechen, dabei muss ich immer wieder mal an folgendes Zitat von Kant denken:

Zitat:
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude [wage es verständig zu sein]! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“ (Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? Berlinische Monatsschrift, 1784,2, S. 481–494)


Was passiert mit dem Zitat, WENN ICH DEN DETERMINISMUS ANERKENNE???? Wenn ich Aufklärung mit Freiheit gleichsetzte..... und hier meine ich HANDLUNGSFREIHEIT nicht den Freien Willen (den es ja nicht gibt).
Genau dann ist es wichtig aus dem Erkennen des Zustandes Quasioptionen zu generieren, ethisch vertretbare Handlungsoptionen für alle.


Das Zitat von Kant ist überaus wertvoll. Ein Schatz, dessen Bedeutung man gar nicht genug würdigen kann. Kant hat ja immer bestritten, ein Idealist zu sein, weil er die materielle Welt als objektiv gegeben ansah. In dem Zitat spricht Kant von "Schuld" und von "Muth" zur Entscheidung zum eigenen Verstand. Dass spätestens mit der Entfremdungstheorie der "eigene" Verstand oft nur der verinnerlichte fremde ist, ändert aber die Grundforderung Kants insofern nicht als dass es angesichts dieser Erkenntnis eben darum geht, den Mensch wieder seiner Natur anzunähern, will sagen, seinen eigentlichen, lebensfördernden und sozialen Bedürfnissen sowie seinen rationalen Fähigkeiten. Also den Menschen zu vernatürlichen und die Natur zu humanisieren. Dann ist erst die Grundlage für Vernunft in der Praxis geschaffen. Aber gut, so weit konnte Kant nicht sehen. Ich schätze ihn trotzdem außerordentlich.

Ein Physiker, der im Nebenjob Philosoph sein will und von vorne bis hinten hier eine lupenreinen Schäublerismus herunter-rhabarbert, ohne das auch nur zu wissen, den kann man wohl kaum in die Kategorie "Aufklärung" tun. Sondern - wie zelig sehr richtig bemerkte! - hier muss man trennen zwischen Fachgebiet (und dessen Anwendungsbereich!) sowie Philosophie.

Lenin hat sogar die Sache etwas schärfer formuliert. Sinngemäß sagte er:

"Die Erkennntise der bürgerlichen Wissenschaft sind wichtig und anzuerkennen. Aber sobald ein bürgerlicher Wissenschaftler philosophisch wird, sollte man ihm kein einziges Wort glauben."

Dazu kommt bei unserem steppi, dass er ständig logische Inkonsistenzen erzeugt, die eines Wissenschaftlers unwürdig sind. AgentProvocateur und ich haben bereits mehrfach darauf hingewiesen. (step behandelt hier das Subjekt "Gesellschaft" als völlig frei in seinen Methoden zu einem bestimmten Ziel. Dem Individuum gesteht er diese Freiheit - und das genau ist Freiheit - nicht zu.) Seine Vergleiche des menschlichen Erkennens in der Geschichte und Gesellschaft vergleicht er mit der Lernfähigkeit eines Schachcomputers. Na, was soll man dazu noch sagen?

Ob Du jetzt "auf seiner Seite stehst" oder nicht, kann an der Beurteilung der etwas dürren Substanz seiner Ausführungen nichts ändern.

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Anmeldungsdatum: 06.05.2009
Beiträge: 215

Beitrag(#1329982) Verfasst am: 17.07.2009, 11:59    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Das Zitat von Kant ist überaus wertvoll. Ein Schatz, dessen Bedeutung man gar nicht genug würdigen kann. Kant hat ja immer bestritten, ein Idealist zu sein, weil er die materielle Welt als objektiv gegeben ansah. In dem Zitat spricht Kant von "Schuld" und von "Muth" zur Entscheidung zum eigenen Verstand.

Es ist sehr, sehr bedauerlich, daß hier ellenlange Texte verfaßt werden, ohne das Handgreifliche zu fassen. Die von Kant behauptete selbstverschuldete Unmündigkeit widerspricht eklatant dem von ihm gleich darauf erwähnten Unvermögen.

Gruß von Leila*
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