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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26588
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(#1365676) Verfasst am: 23.09.2009, 18:18 Titel: Re: Rechtliche Legitimation der Nürnberger Prozesse? |
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Danol hat folgendes geschrieben: | ....Möglicherweise sähen dann die meisten Urteile anders aus, aber das wäre inkaufzunehmen gewesen und keineswegs so drastisch dass mit massenhaften Freisprüchen zu rechnen wäre. Diverse Anklagepunkte, die unter anderem für einige drastische Strafen verantwortlich waren, hätte man aber wohl fallenlassen müssen, das wäre unschön aber immernoch erträglich. ..... |
Es funktionierte im NS sehr viel duch das, was man später vorauseilender Gehorsam genannt hat - d.h. Befehlsketten waren kaum bis zum Anfang vorhanden, geschweige denn dokumentiert. Ich würde mich nicht wundern, wenn man +- die gesamte Regierung hätte laufen lassen müssen - als Kristallisationsaat für die nächste Diktatur?
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Danol registrierter User
Anmeldungsdatum: 02.04.2007 Beiträge: 3027
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(#1365677) Verfasst am: 23.09.2009, 18:36 Titel: Re: Rechtliche Legitimation der Nürnberger Prozesse? |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Es funktionierte im NS sehr viel duch das, was man später vorauseilender Gehorsam genannt hat - d.h. Befehlsketten waren kaum bis zum Anfang vorhanden, geschweige denn dokumentiert. Ich würde mich nicht wundern, wenn man +- die gesamte Regierung hätte laufen lassen müssen - als Kristallisationsaat für die nächste Diktatur? |
Ich bezweifle dass man sie hätte laufen lassen müssen. Die 12 Jahre NS-Zeit geben soviel Verbrechen her, dass es auf ein paar unklare Befehlsketten und vorauseilenden Gehorsam nicht ankommt, desweiteren waren diverse (mögliche) Anklagepunkte davon definitiv nicht betroffen (so z.B. die Errichtung der Konzentrationslager, Erlässe über die Unterbringung der Gefangenen, Menscheversuche, Kriegsverbrechen (man denke an diverse Führerbefehle, z.B. den 'Kommissarbefehl', der geht m.W. auf das Konto von Keitel und war auch nach Weimarer Standard ein illegal), Verhalten gegenüber der Zivielbevölkerung (in Polen wurden z.B. einige Deportationen direkt vom Generalgouverneur und seinen Mitarbeitern beschlossen) und diverses andere). Ich möchte behaupten dass sich gegen jeden, der zum Tode oder zu langjähriger Haft verurteilt wurde, ausreichend Material für eine saubere Verurteilung hätte finden lassen.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1365678) Verfasst am: 23.09.2009, 18:38 Titel: Re: Rechtliche Legitimation der Nürnberger Prozesse? |
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Danol hat folgendes geschrieben: |
Die Rechtslage war ja gar nicht so unklar. Die Weimarer Verfassung galt weiterhin... |
Das ist doch einfach nicht wahr! Das Deutsche Reich hatte aufgehört zu existieren. Deutschland stand nach der bedingungslosen Kapitulation unter Militärverwaltung. Gesetze wurden von den Alliierten erlassen. Deutschland war kein souveräner Staat mehr.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Danol registrierter User
Anmeldungsdatum: 02.04.2007 Beiträge: 3027
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(#1365681) Verfasst am: 23.09.2009, 18:47 Titel: Re: Rechtliche Legitimation der Nürnberger Prozesse? |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Danol hat folgendes geschrieben: |
Die Rechtslage war ja gar nicht so unklar. Die Weimarer Verfassung galt weiterhin... |
Das ist doch einfach nicht wahr! Das Deutsche Reich hatte aufgehört zu existieren. Deutschland stand nach der bedingungslosen Kapitulation unter Militärverwaltung. Gesetze wurden von den Alliierten erlassen. Deutschland war kein souveräner Staat mehr. |
Kontext beachten.
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neinguar Blue Note
Anmeldungsdatum: 04.02.2008 Beiträge: 3088
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(#1365693) Verfasst am: 23.09.2009, 19:08 Titel: Re: Rechtliche Legitimation der Nürnberger Prozesse? |
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Danol hat folgendes geschrieben: |
es wäre durchaus möglich gewesen die verantwortlichen nach den Gesetzen, die zum Zeitpunkt ihrer Taten gegolten haben, zu belangen. |
Die Verantwortlichen, d.h. alle? Schwer zu sagen. Aber viele. Allein die Tatsache, dass in Deutschland (meist spät, aber immerhin) Leute wegen NS-Verbrechen vor Gericht gebracht wurden, von den Auschwitz-Prozessen in den 60ern bis zum (laufenden) Verfahren gegen Demjanjuk, zeigt das.
EDIT: Zitat repariert.
_________________ Woran du dein Herz hängest, das ist dein Gott - Martin Luther -
Wenn ich Gott wäre, würde ich mich nicht von jedem anbeten lassen wollen - Hilde Ziegler -
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26588
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1365817) Verfasst am: 23.09.2009, 23:09 Titel: Re: Rechtliche Legitimation der Nürnberger Prozesse? |
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neinguar hat folgendes geschrieben: | Danol hat folgendes geschrieben: |
es wäre durchaus möglich gewesen die verantwortlichen nach den Gesetzen, die zum Zeitpunkt ihrer Taten gegolten haben, zu belangen. |
Die Verantwortlichen, d.h. alle? Schwer zu sagen. Aber viele. Allein die Tatsache, dass in Deutschland (meist spät, aber immerhin) Leute wegen NS-Verbrechen vor Gericht gebracht wurden, von den Auschwitz-Prozessen in den 60ern bis zum (laufenden) Verfahren gegen Demjanjuk, zeigt das.
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Weimarer Gesetze in einem nicht mehr existierenden Deutschland bei Verbrechen in fremden Hoheitsgebieten? Die hätten vielleicht die KZ-Schergen bekommen, aber kaum die Bonzen.
Noch etwas anderes: Zu den Nürnberger Prozessen gehören thematisch dann auch die nach Alliertenrecht durchgeführten Entnazifizierungen (mit all ihren gewollte und ungewollten Pannen). Man kann zwar voller Genugtuung auf die deutschen Prozesse gegen NS-Verbrechen blicken, aber man sollte sich dabei auch die Frage stellen, ob es diese ohne Nürnberger Prozesse und Entnazifizierung überhaupt gegeben hätte oder ob wir ohne diese Veranstaltungen in einer völlig anderen Republik lebten. Wir sollten nicht so tun, als sei die demokratische Verfassung nach dem Krieg eine deutsche Wunschveranstaltung gewesen, die ohne amerikanischen Druck funktioniert hätte.
fwo
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1365824) Verfasst am: 23.09.2009, 23:15 Titel: |
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Und vielleicht einen Augenblick darüber nachdenken, wann die NS-Prozesse in Deutschland begonnen haben. Bis in die 60er lebten SS-Schergen in diesem unserem Lande relativ unbehelligt.
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neinguar Blue Note
Anmeldungsdatum: 04.02.2008 Beiträge: 3088
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(#1365844) Verfasst am: 23.09.2009, 23:42 Titel: Re: Rechtliche Legitimation der Nürnberger Prozesse? |
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fwo hat folgendes geschrieben: | neinguar hat folgendes geschrieben: | Danol hat folgendes geschrieben: |
es wäre durchaus möglich gewesen die verantwortlichen nach den Gesetzen, die zum Zeitpunkt ihrer Taten gegolten haben, zu belangen. |
Die Verantwortlichen, d.h. alle? Schwer zu sagen. Aber viele. Allein die Tatsache, dass in Deutschland (meist spät, aber immerhin) Leute wegen NS-Verbrechen vor Gericht gebracht wurden, von den Auschwitz-Prozessen in den 60ern bis zum (laufenden) Verfahren gegen Demjanjuk, zeigt das.
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Weimarer Gesetze in einem nicht mehr existierenden Deutschland bei Verbrechen in fremden Hoheitsgebieten? Die hätten vielleicht die KZ-Schergen bekommen, aber kaum die Bonzen. |
Ähm.....der zweite Satz hat keine logische Verbindung zum ersten.
- nicht mehr existierendes Deutschland
OK, in diesem Punkt bin ich nicht sicher, wie es im einzelnen mit der formellen Geltung und der Gesetze und den Kompetenzen der Justiz zwischen '45 und der Gründung der BRD bzw. zuvor der Länder aussah, aber ansonsten:
- Weimarer Gesetze?
Das StGB trat 1872 in Kraft. Mord, Totschlag und Körperverletzung waren seitdem durchgehend strafbar, auch wenn Einzelheiten geändert wurden.
- Verbrechen in fremden Hoheitsgebieten?
Einzelheiten mögen sich auch hier geändert haben, aber grundsätzlich unterliegen viele Taten sind nicht nur dem jeweiligen Strafrecht, wenn sie auf dem eigenen Hoheitsgebiet begangen werden, sondern viele auch, wenn entweder der Täter oder das Opfer Staatsbürger sind.
Und natürlich galt das auch für die "Bonzen". Z.B. hätte Himmler von einem bundesdeutschen Gericht nach deutschem Recht verurteilt werden können. Die Frage wäre noch gewesen, ob oder inwieweit als Täter oder als Anstifter, die Ansichten über diese Abgrenzungen haben sich über die Zeiten geändert.
Dass die Justiz der frühen BRD wenig Neigung zeigte, sich um sowas zu kümmern, steht auf einem anderen Blatt.
Insofern stimme ich Dir hier völlig zu:
fwo hat folgendes geschrieben: | Man kann zwar voller Genugtuung auf die deutschen Prozesse gegen NS-Verbrechen blicken, aber man sollte sich dabei auch die Frage stellen, ob es diese ohne Nürnberger Prozesse und Entnazifizierung überhaupt gegeben hätte oder ob wir ohne diese Veranstaltungen in einer völlig anderen Republik lebten. Wir sollten nicht so tun, als sei die demokratische Verfassung nach dem Krieg eine deutsche Wunschveranstaltung gewesen, die ohne amerikanischen Druck funktioniert hätte. |
EDIT: kleine Fehler korrigiert.
_________________ Woran du dein Herz hängest, das ist dein Gott - Martin Luther -
Wenn ich Gott wäre, würde ich mich nicht von jedem anbeten lassen wollen - Hilde Ziegler -
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Danol registrierter User
Anmeldungsdatum: 02.04.2007 Beiträge: 3027
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(#1365854) Verfasst am: 23.09.2009, 23:51 Titel: Re: Rechtliche Legitimation der Nürnberger Prozesse? |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Weimarer Gesetze in einem nicht mehr existierenden Deutschland bei Verbrechen in fremden Hoheitsgebieten? Die hätten vielleicht die KZ-Schergen bekommen, aber kaum die Bonzen. |
Es ist ja nicht so dass die Bestimmungen, die z.B. dem Militär auferlegt waren, auf fremden Hoheitsgebieten ihre Gültigkeit verloren hätten (wärer auch geradezu grotesk gewesen), insofern hätte man die Befehlshaber bis ganz nach oben locker drannbekommen können. Zeig mir doch mal einen der verurteilten Angeklagten Militärs oder Politiker, dem man nach im 2. WK geltendem Recht keine verbrecherischen Handlungen nachweisen konnte. Ich gehe fast jede Wette ein dass es den nicht gibt.
Zitat: | Zu den Nürnberger Prozessen gehören thematisch dann auch die nach Alliertenrecht durchgeführten Entnazifizierungen (mit all ihren gewollte und ungewollten Pannen). Man kann zwar voller Genugtuung auf die deutschen Prozesse gegen NS-Verbrechen blicken, aber man sollte sich dabei auch die Frage stellen, ob es diese ohne Nürnberger Prozesse und Entnazifizierung überhaupt gegeben hätte oder ob wir ohne diese Veranstaltungen in einer völlig anderen Republik lebten. Wir sollten nicht so tun, als sei die demokratische Verfassung nach dem Krieg eine deutsche Wunschveranstaltung gewesen, die ohne amerikanischen Druck funktioniert hätte. |
Das ist richtig, allerdings kann man von funktionieren einer Lösung nicht darauf schließen dass mans nicht hätte besser machen können. Wichtig war eine juristische Auseinandersetzung mit diesen Personen sicherlich, das will ich nicht bestreiten, die Bedeutung der Entnazifizierung auch nicht.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26588
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1365863) Verfasst am: 24.09.2009, 00:04 Titel: Re: Rechtliche Legitimation der Nürnberger Prozesse? |
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neinguar hat folgendes geschrieben: | .....
Einzelheiten mögen sich auch hier geändert haben, aber grundsätzlich unterliegen viele Taten sind nicht nur dem jeweiligen Strafrecht, wenn sie auf dem eigenen Hoheitsgebiet begangen werden, sondern viele auch, wenn entweder der Täter oder das Opfer Staatsbürger sind.
Und natürlich galt das auch für die "Bonzen". Z.B. hätte Himmler von einem bundesdeutschen Gericht nach deutschem Recht verurteilt werden können. Die Frage wäre noch gewesen, ob oder inwieweit als Täter oder als Anstifter, die Ansichten über diese Abgrenzungen haben sich über die Zeiten geändert...... |
Das in meinen Augen größte Problem habe ich oben schon mal skizziert:
fwo hat folgendes geschrieben: | ....
Es funktionierte im NS sehr viel durch das, was man später vorauseilender Gehorsam genannt hat - d.h. Befehlsketten waren kaum bis zum Anfang vorhanden, geschweige denn dokumentiert. Ich würde mich nicht wundern, wenn man +- die gesamte Regierung hätte laufen lassen müssen - als Kristallisationsaat für die nächste Diktatur?.... |
D.h. die Befehle, die da befolgt wurden, wurden oft gar nicht ausgesprochen, geschweige denn aufgeschrieben. Vergleiche mal, was in der "Fachkonferenz zur Endlösung", der Wannseekonferenz, wirklich gesagt wurde und was nachher zur Anwendung kam. Und es existieren kaum schriftliche Befehle. Angriffskrieg im StGB? Inwieweit gilt das StGB für Militärs, wenn sich der Staat offiziell im Krieg befindet ...
Ich habe meine Bedenken, dass man nach deutschem Recht wirklich die Bonzen in einem Tempo, das ihren Einfluss auf den geschichtlichen Fortgang effektiv getilgt hätte, hätte politikunfähig machen können. Es ging ja (nicht nur für die Alliierten) nicht nur um Bestrafung, sondern auch darum, diese Leute vom Wiederaufbau fernzuhalten.
fwo
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1365867) Verfasst am: 24.09.2009, 00:06 Titel: Re: Rechtliche Legitimation der Nürnberger Prozesse? |
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neinguar hat folgendes geschrieben: |
OK, in diesem Punkt bin ich nicht sicher, wie es im einzelnen mit der formellen Geltung und der Gesetze und den Kompetenzen der Justiz zwischen '45 und der Gründung der BRD bzw. zuvor der Länder aussah... |
Das ist aber doch der entscheidende Punkt. Deutschland war als Staat nicht mehr existent. Damit hatte Deutschland auch keine eigene Justiz mehr. Ob man nach Gesetzen der Weimarer Zeit Hitler und seine Schergen hätte verfolgen können, ist ohne Bedeutung, weil die Alliierten es nicht zuließen, und mit Recht. Die deutsche Justiz hatte schließlich Hitler nach dem Kapp-Putsch quasi freigesprochen (von seinem Urlaub, in dem er Mein Kampf geschrieben hat, abgesehen) und danach das Nazi-Regime willig unterstützt. Die deutsche Justiz war bis weit in die Zeit der BRD hinein auf dem rechten Auge blind. Wirklich geändert hat das erst die Berufung neuer Richter Ende der 60er/ Anfang der 70er.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Danol registrierter User
Anmeldungsdatum: 02.04.2007 Beiträge: 3027
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(#1365873) Verfasst am: 24.09.2009, 00:10 Titel: Re: Rechtliche Legitimation der Nürnberger Prozesse? |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Ich habe meine Bedenken, dass man nach deutschem Recht wirklich die Bonzen in einem Tempo, das ihren Einfluss auf den geschichtlichen Fortgang effektiv getilgt hätte, hätte politikunfähig machen können. Es ging ja (nicht nur für die Alliierten) nicht nur um Bestrafung, sondern auch darum, diese Leute vom Wiederaufbau fernzuhalten. |
Aber sicher. Wie gesagt, zunächst Internierung, meinetwegen als Kriegsgefangene, von den Alliierten, danach dann Untersuchugshaft und Aburteilung. Meinetwegen auch vor einem internationalen Gericht, nur sollte das eben die Gesetze zugrundelegen, die zur Tatzeit für die Täter gegolten haben.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1365929) Verfasst am: 24.09.2009, 09:09 Titel: Re: Rechtliche Legitimation der Nürnberger Prozesse? |
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Danol hat folgendes geschrieben: |
Aber sicher. Wie gesagt, zunächst Internierung, meinetwegen als Kriegsgefangene, von den Alliierten, danach dann Untersuchugshaft und Aburteilung. Meinetwegen auch vor einem internationalen Gericht, nur sollte das eben die Gesetze zugrundelegen, die zur Tatzeit für die Täter gegolten haben. |
Gestern war auf Arte ein interessanter (wenn auch etwas langatmiger) Bericht über die Nachkriegszeit in Japan, mit besonderem Blick auf die Militärverwaltung von Douglas MacArthur. Der konnte dort offenbar völlig frei schalten und walten, und hat das auch getan. Interessant war, wie die japanische Verfassung entstanden ist, geschrieben von einer Gruppe von Offizieren und Zivilisten, wer gerade so Zeit hatte, ohne Vorkenntnisse innerhalb von 7 Tagen. Abgesetzt wurde MacArthur erst, als er im Korea-Krieg Atomwaffen einsetzen wollte.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1365930) Verfasst am: 24.09.2009, 09:13 Titel: |
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Ein Gedanke kommt mir jetzt erst. Hat das Ganze vielleicht auch etwas mit der angelsächsischen Rechtstradition zu tun, die eher auf Einzelfallentscheidungen beruht. Hier wäre mal Fachleute gefragt. Ich hatte jedenfalls den Eindruck, daß auch die amerikanische Besatzungsmacht in Japan nicht das Gefühl hatte, einen Mangel an Legitimation zu haben.
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kamelpeitsche Weapon of Mass Discussion
Anmeldungsdatum: 15.11.2003 Beiträge: 4555
Wohnort: Devil's Dancefloor
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(#1365966) Verfasst am: 24.09.2009, 12:12 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Ein Gedanke kommt mir jetzt erst. Hat das Ganze vielleicht auch etwas mit der angelsächsischen Rechtstradition zu tun, die eher auf Einzelfallentscheidungen beruht. Hier wäre mal Fachleute gefragt. Ich hatte jedenfalls den Eindruck, daß auch die amerikanische Besatzungsmacht in Japan nicht das Gefühl hatte, einen Mangel an Legitimation zu haben. |
Interessanter Gedanke, ich frage am Montag mal meinen Rechtsphilosophie-Prof, der mich auch erst auf die Ausgangsfrage gebracht hatte.
_________________ "Was immer jeder Einzelne mitbringen will an Prägung oder Anderssein - einem kollektiven Imperativ enzieht es sich mit Sicherheit"
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Testirossi Gnostiker
Anmeldungsdatum: 12.08.2008 Beiträge: 741
Wohnort: jwd
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(#1365978) Verfasst am: 24.09.2009, 12:49 Titel: |
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Z.B. Generaloberst Alfred Jodl
Zitat: | Luise von Benda, Jodls zweite Ehefrau, bemühte sich um eine Rehabilitation und erreichte schließlich, dass in München ein Spruchkammerverfahren angesetzt wurde. Jodl wurde in diesem Verfahren freigesprochen, und die Hauptspruchkammer entschied, dass, wenn Jodl noch lebte, er weder in die Gruppe 1 („Hauptschuldiger“) noch in die Gruppe 2 („Belasteter“) einzustufen sei. Von einer ganzen oder teilweisen Einziehung des Nachlasses sei ferner abzusehen. Der öffentliche Ankläger verzichtete auf Rechtsmittel, und das Urteil wurde am 2. März 1953 rechtskräftig.
Die Entscheidung der Hauptspruchkammer und die damit verbundene weitgehende Rehabilitierung Jodls wurde jedoch von den amerikanischen Besatzungsbehörden nicht hingenommen, und der Hohe Kommissar der Vereinigten Staaten erreichte schließlich die Aufhebung des Urteils. Mit der Begründung, dass das Urteil der Spruchkammer gegen das Nürnberger Urteil verstoße, hob der für die Spruchkammer zuständige Amtsgerichtspräsident das Urteil auf.
Nachdem klar wurde, dass Jodls Witwe die Angelegenheit auch weiterhin nicht auf sich beruhen lassen wollte, wurde von der amerikanischen Seite angedeutet, sich auf das Gesetz der Alliierten Hohen Kommission Nr. 13 zu berufen, das es erlaubte, in derartigen Fällen die Entscheidung an sich zu ziehen, um sie entweder selbst zu treffen oder durch ein Besatzungsgericht treffen zu lassen. Gleichzeitig wurde kein Zweifel daran gelassen, dass die Entscheidung dann ganz sicher nicht zugunsten Jodls bzw. seiner Witwe ausfallen würde. |
_________________ "Die Kunst aller grossen Volksführer aber, bestand noch zu allen Zeiten darin, die Aufmerksamkeit der Masse auf einen Feind zu konzentrieren."
(A. H.)
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1366109) Verfasst am: 24.09.2009, 18:09 Titel: |
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Deutsche Richter hätten es sicher auch geschafft, Hitler als Mitläufer einzustufen.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#1366115) Verfasst am: 24.09.2009, 18:20 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Deutsche Richter hätten es sicher auch geschafft, Hitler als Mitläufer einzustufen. |
Ganz locker. Der hatte ja schließlich gar keine Ahnung von den ganzen Verbrechen. "Wenn das der Führer wüßte".
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nocquae diskriminiert nazis
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18183
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(#1366122) Verfasst am: 24.09.2009, 18:48 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Deutsche Richter hätten es sicher auch geschafft, Hitler als Mitläufer einzustufen. |
http://de.wikipedia.org/wiki/Rosen_f%C3%BCr_den_Staatsanwalt
Sollte man ruhig mal gesehen haben.
_________________ In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.
-- Kurt Tucholsky
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nocquae diskriminiert nazis
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18183
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(#1368283) Verfasst am: 28.09.2009, 17:07 Titel: |
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Was fast nie beachtet wird:
Wenn das NS-Regime rechtlich legitimiert war, dann erledigt sich die Sache der Nürnberger Prozesse in einigen Fällen von selbst.
Beispiel Hermann Göring: In einer persönlichen Besprechung mit Bormann und Göbbels hat Hitler in Bezug auf Göring gesagt: „Dieser Verräter […] ist sofort hinzurichten.“ Und da war er längst nicht der einzige. der GröFaZ war in seinen letzten Tagen nicht knauserig mit Todesurteilen …
Da müssen sich jetzt die Bejubler der „Ungerechtigkeit der Nürnberger Prozesse“ mal entscheiden. Wenn das NS-Regime rechtlich legitim war, dann waren auch mehrere der Angeklagten sowieso schon legal zum Tode verurteilt …
Und wenn es nicht legitim war, dann waren sie auch anzuklagen.
Ein wenig konsequent müßt ihr schon sein.
_________________ In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.
-- Kurt Tucholsky
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Rasmus entartet und notorisch gottlos - Ich bin Papst
Anmeldungsdatum: 20.05.2004 Beiträge: 17559
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(#1368296) Verfasst am: 28.09.2009, 17:27 Titel: |
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NOCQUAE hat folgendes geschrieben: | Was fast nie beachtet wird:
Wenn das NS-Regime rechtlich legitimiert war, dann erledigt sich die Sache der Nürnberger Prozesse in einigen Fällen von selbst.
Beispiel Hermann Göring: In einer persönlichen Besprechung mit Bormann und Göbbels hat Hitler in Bezug auf Göring gesagt: „Dieser Verräter […] ist sofort hinzurichten.“ Und da war er längst nicht der einzige. der GröFaZ war in seinen letzten Tagen nicht knauserig mit Todesurteilen …
Da müssen sich jetzt die Bejubler der „Ungerechtigkeit der Nürnberger Prozesse“ mal entscheiden. |
Nö, wieso?
Ich kann doch durchaus die Legitimation von etwas in Frage stellen ohne mich dabei darüber zu äußern, ob das Ergebnis nun zufällig richtig oder falsch war? Was für ein merkwürdiges Rechtsverständnis sollte dem den bitte zugrunde liegen?
Es ist schlicht irrelevant, daß Göring schuldig wie die Hölle war. Das negiert nicht die Notwendigkeit eines ordentlichen Prozesses mit allem was dazu gehört. Und ohne das ist eine Bestrafung nicht gerechtfertigt, auch wenn man von der Schuld überzeugt ist.
Zitat: | Wenn das NS-Regime rechtlich legitim war, dann waren auch mehrere der Angeklagten sowieso schon legal zum Tode verurteilt … |
Ich glaube kaum, dass man hier nur die zwei Möglichkeiten in Betracht ziehen sollte, dass das NS-Regime entweder legitim war oder nicht. Aber selbst wenn man das tut: Bloß weil selbiges jemanden zum Tode verurteilt hatte ist es nicht automatisch so, dass die Vollstreckung durch eine fremde Macht auch legitim gewesen wäre.
Zitat: | Und wenn es nicht legitim war, dann waren sie auch anzuklagen. |
Und damit sind wir wieder am Anfang, oder?
Gegen welche gültigen Gesetze sollen denn die Angeklagten Verstoßen haben? Worauf will sich der Ankläger berufen?
Zitat: | Ein wenig konsequent müßt ihr schon sein. |
Nach Dir.
_________________ Brother Sword of Enlightenment of the Unitarian Jihad
If you ask the wrong questions you get answers like '42' or 'God'.
"Glaubst Du noch oder hüpfst Du schon?"
Sylvia Browne - Wahrsager oder Scharlatan?
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26588
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1368298) Verfasst am: 28.09.2009, 17:29 Titel: |
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Fazit: Entweder konsequent oder inkonsequent. Aber jetzt ist Schluss mit diesem ewigen hin und her.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Danol registrierter User
Anmeldungsdatum: 02.04.2007 Beiträge: 3027
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(#1368299) Verfasst am: 28.09.2009, 17:32 Titel: |
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NOCQUAE hat folgendes geschrieben: | [...] |
Naja, auf welcher Rechtsgrundlage wurde dieses 'Urteil' denn gesprochen? Ich gehe eigentlich jede Wette ein dass sowas nicht Verfassungskonform war ...
Ob nun ein Angeklagter in Nürnberg schon vorher verurteilt war spielt für die Beurteilung des nürnberger Prozesses nun genau welche Rolle? Es geht doch nicht um das Ergebnis/Urteil am Ende des Prozesses, sondern um den Weg dahin.
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nocquae diskriminiert nazis
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18183
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(#1368301) Verfasst am: 28.09.2009, 17:35 Titel: |
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Rasmus hat folgendes geschrieben: | Gegen welche gültigen Gesetze sollen denn die Angeklagten Verstoßen haben? Worauf will sich der Ankläger berufen |
Blub 1.
Für Verbrechen in Frankreich, Polen, den Niederlanden, der Sowjetunion usw. usf. etc. pp. sind nicht damaliges deutsches Recht anzuwenden, sondern das zum Tatzeitpunkt geltende Recht am Tatort.
Blub 2.
Waren auch damals nach geltendem Kriegsvölkerrecht gezielte Angriffe auf eine Zivilbevölkerung illegitim. Und ich darf daran erinnern, dass das nicht erst im zweiten Weltkrieg losging.
_________________ In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.
-- Kurt Tucholsky
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nocquae diskriminiert nazis
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18183
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(#1368302) Verfasst am: 28.09.2009, 17:38 Titel: |
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Danol hat folgendes geschrieben: | NOCQUAE hat folgendes geschrieben: | [...] |
Naja, auf welcher Rechtsgrundlage wurde dieses 'Urteil' denn gesprochen? Ich gehe eigentlich jede Wette ein dass sowas nicht Verfassungskonform war ... |
Genau das ist das Argument. Wenn die Notverordnung verfassungsrechtlich legitim waren, dann war dieses „Urteil“ auch legitim … wenn die Notverordnungen nicht verfassungsrechtlich legitim waren, dann sind auch sämtliche auf Anordnung der Reichsregierung durchgeführten Aktionen illegetim.
_________________ In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.
-- Kurt Tucholsky
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Danol registrierter User
Anmeldungsdatum: 02.04.2007 Beiträge: 3027
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(#1368304) Verfasst am: 28.09.2009, 17:45 Titel: |
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NOCQUAE hat folgendes geschrieben: | Danol hat folgendes geschrieben: | NOCQUAE hat folgendes geschrieben: | [...] |
Naja, auf welcher Rechtsgrundlage wurde dieses 'Urteil' denn gesprochen? Ich gehe eigentlich jede Wette ein dass sowas nicht Verfassungskonform war ... |
Genau das ist das Argument. Wenn die Notverordnung verfassungsrechtlich legitim waren, dann war dieses „Urteil“ auch legitim … wenn die Notverordnungen nicht verfassungsrechtlich legitim waren, dann sind auch sämtliche auf Anordnung der Reichsregierung durchgeführten Aktionen illegetim. |
Mag sein dass es juristisch so war, das hat nur immer noch keinen Bezug zu den Nürnberger Prozessen. Selbst wenn die Notverordnungen legitim waren folgt daraus übrigens immer noch nicht die Legitimität dieser Urteile, da die WRV auch Grenzen für Notverordnungen vorsah. Wenn ich mich nicht gerade ziemlich irre sind die mit willkürlichen Todesurteilen sicherlich überschritten.
Die Kernargumentation ist doch folgende: Die Täter haben Dinge getan, die zum Tatzeitpunkt nicht strafbar waren, zumindest nicht so wie sie in Nürnberg behandelt wurden. Daran ändert auch die Notverordnung nichts.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26588
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1368305) Verfasst am: 28.09.2009, 17:46 Titel: |
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NOCQUAE hat folgendes geschrieben: | ....
Waren auch damals nach geltendem Kriegsvölkerrecht gezielte Angriffe auf eine Zivilbevölkerung illegitim. Und ich darf daran erinnern, dass das nicht erst im zweiten Weltkrieg losging. |
Das wesentliche Problem hierbei hatte ich vorher allerdings schonmal erwähnt - die internationale Übereinkunft zu diesem Thema war die Haager Landkriegsordnung:
Zitat: | Ahndung von Verstößen
Die Haager Landkriegsordnung enthält für Verstöße gegen die in ihr enthaltenen Regeln keine Festlegungen zu Sanktionen für Personen oder Personengruppen. Lediglich der Artikel 3 des zugehörigen Abkommens in der Fassung von 1907 schreibt für den Fall der Verletzung durch eine Vertragspartei eine allgemein formulierte Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz vor. Schwerwiegende Verstöße sind in Deutschland jedoch durch das 2002 in Kraft getretene Völkerstrafgesetzbuch strafbar, insbesondere durch die Paragrafen 9 bis 12. In der Schweiz sind entsprechende Regelungen im 1927 verabschiedeten Militärstrafgesetz, derzeit in der Fassung von 2004, enthalten. In Österreich bilden Artikel 9 des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie Artikel 64 des Strafgesetzbuches die rechtliche Grundlage für die Strafbarkeit von Verletzungen der Regeln der Haager Landkriegsordnung. In der DDR regelte der Paragraf 93 des Strafgesetzbuches vom 12. Januar 1968 die Strafbarkeit von Kriegsverbrechen und der Paragraf 84 einen entsprechenden Ausschluss der Verjährung. |
Man sieht, wie lange das brauchte, bis da auch national anwendbares recht draus geworden ist.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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nocquae diskriminiert nazis
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18183
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(#1368307) Verfasst am: 28.09.2009, 17:50 Titel: |
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Danol hat folgendes geschrieben: | Mag sein dass es juristisch so war, das hat nur immer noch keinen Bezug zu den Nürnberger Prozessen. Selbst wenn die Notverordnungen legitim waren folgt daraus übrigens immer noch nicht die Legitimität dieser Urteile, da die WRV auch Grenzen für Notverordnungen vorsah. Wenn ich mich nicht gerade ziemlich irre sind die mit willkürlichen Todesurteilen sicherlich überschritten. |
Nein. Die Notverordnungen sahen vor, dass die Reichsregierung Gesetze erlassen konnte, solange diese nicht die Einrichtung des Reichstags oder des Reichsrats an sich zum Gegenstand hatten.
Hitler war seit Hindenburgs Tod als „Führer und Reichskanzler“ diese Regierung. Wenn man also davon ausgeht, dass die Notverordnungen legitim war, dann waren „direkte Führerbefehle“ automatisch auch Gesetze.
_________________ In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.
-- Kurt Tucholsky
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nocquae diskriminiert nazis
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 18183
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(#1368309) Verfasst am: 28.09.2009, 17:59 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Man sieht, wie lange das brauchte, bis da auch national anwendbares recht draus geworden ist. |
Das zeigt vor allem mal, wie inkonsequent die rechtspositivistische Auffassung insgesamt ist:
Es wird immer mit dem Rückwirkungsverbot begründet. Und?
Irgendein Staat kann schlicht nachträglich ein Gesetz beschließen, dass ein Rückwirkungsverbot nicht für von deutschen Staatsbürgern verübte Verbrechen (gleich wo auf der Welt) zwischen dem 01.01.1933 und dem 31.12.1945 gilt.
Das würde unsere Rechtspositivisten dann ganz schön ins Schwitzen bringen. Die könnten dann nur noch lamentieren, dass das nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun hätte - all das würde aber nichts daran ändern, dass das ein legitimes Gesetz wäre. Der Kardinalfehler unserer lieben Rechtspositivsten besteht ja immer darin, sich nur die Bruchstücke auszusuchen, die ihnen gerade in den Kram passen. Rechtspositivismus gibts aber nicht als Wunschpaket. Beispiel: deutsches Recht, geich welchen Zeitpunktes ist hierbei vollständig irrelevant.
Nichts ist so einfach mit seinen eigenen Waffen zu schlagen, wie ein fundamentalistischer Rechtspositivismus. In dem Moment, wo man nämlich ein geeignetes Gesetz schafft, bleibt ihnen nur, mit dem Rückwirkungsverbot zu argumentieren, wobei sie dann bereits positivistischen Grund und Boden verlassen und ihre gesamte Argumentation ins Wanken gerät.
_________________ In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, als viel gefährlicher, als derjenige, der den Schmutz macht.
-- Kurt Tucholsky
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Danol registrierter User
Anmeldungsdatum: 02.04.2007 Beiträge: 3027
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(#1368324) Verfasst am: 28.09.2009, 18:36 Titel: |
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NOCQUAE hat folgendes geschrieben: | Irgendein Staat kann schlicht nachträglich ein Gesetz beschließen, dass ein Rückwirkungsverbot nicht für von deutschen Staatsbürgern verübte Verbrechen (gleich wo auf der Welt) zwischen dem 01.01.1933 und dem 31.12.1945 gilt. |
So ein Gesetz würde durch eben das Rückwirkungsverbot verhindert. Man kann die Rückwirkung ebenfalls nur ganz oder gar nicht verbieten, so eine Ausnahmeregelung ist schließlich selbst eine Rückwirkung. Und natürlich verlässt man damit den Rahmen des Rechtsstaats, insofern hätte ich schon Probleme dieses Gesetz 'legitim' zu nennen.
Zitat: | Nein. Die Notverordnungen sahen vor, dass die Reichsregierung Gesetze erlassen konnte, solange diese nicht die Einrichtung des Reichstags oder des Reichsrats an sich zum Gegenstand hatten.
Hitler war seit Hindenburgs Tod als „Führer und Reichskanzler“ diese Regierung. Wenn man also davon ausgeht, dass die Notverordnungen legitim war, dann waren „direkte Führerbefehle“ automatisch auch Gesetze. |
Gut, dass die Grenzen so weitgefasst waren, war mir nicht bewusst. Nunja, demnach muss man dann anerkennen dass Göring legitim zum Tode Verurteilt war, und zwar von Hitler. Und? Was konkret ändert das an der Beurteilung der Nürnberger Prozesse?
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