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Forscher widerlegen Willensfreiheit
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Tso Wang
Vergiß es



Anmeldungsdatum: 21.09.2003
Beiträge: 1433

Beitrag(#1335907) Verfasst am: 29.07.2009, 17:22    Titel: Re: Interdisziplinäres Kaffeekränzchen Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Ich sagte doch explizit, daß Entscheidungsfreiheit (der Beschluß) - wie abstrus der Beschluß auch sein mag - das ist, worum es geht. Die Existenz des "Freie Willens" kann doch wohl schlecht davon abhängig gemacht werden, daß ein Wunsch nicht realisierbar ist - wie es hier vielfach angeklungen ist. Oder wird die Willensentscheidung Deiner Meinung nach dadurch infrage gestellt, daß man kein Elephant werden kann oder daß man nicht aus einer Diktatur entfliehen kann, weil die Chancen der Realisierbarkeit denkbar ungünstig sind und deshalb dieser Wille nicht existieren kann ?


Erstens sind viele Wünsche mit der Physiologie gegeben.



.

Hier gleitet die Diskussion wieder in andere Bereiche ab. Klar hat der Mensch Wünsche und Triebe, die aus dem Unbewußten kommen, aber darum geht es primär gar nicht. Es geht doch um die bewußte Kontrolle (oder auch die "gefühlte" Kontrolle) über diese Wünsche oder Regungen. Ist ein Mensch Sklave dieser Regungen oder hat er ein "Mitspracherecht" ? Darum geht es ja schließlich beim Thema der "Willensfreiheit", wie es schon seit Jahrhunderten in der westlichen Kultur diskutiert wird (z.B. Augustinus: "Wie weit sind wir in unserem Leben Herr unserer Entschlüsse?)

Wie ich oben geschildert habe (Link, #1328028), finde ich den Gedanken Libet's sehr interessant, der eine Art "Freiheit des Nichtwollens" (Vetorecht) postuliert.

Und diese Freiheit äußert sich in einer Kontrollfähigkeit über diese Regungen. Und diese Kontrollfähigkeit wiederum ist je nach Betrachtungsweise mehr oder weniger eingeschränkt. Betrachte ich mich nur als mein "bewußtes Ich" habe ich bestenfalls ein Vetorecht über meine Regungen, das ggf. bei schnellen "Entscheidungen" auch noch völlig ausgehebelt wird. Schließe ich mein Unbewußtes, das eine viel größere Kommunikationsbandbreite mit der Umwelt besitzt, mit ein, sieht die Sache etwas anders aus.

Darüber hinaus koppelt die bewußte Reflektion ("der rationale Agent", "der Analysator" oder wie auch immer) rück auf das Unbewußte (das Spiel mit "Priming", sublime "Implantate", Suggestionsformeln, Werbung, etc....)

Zitat:
Einen weiteren großen Teil steuert die Sozialisation bei.


Auch hier: Das soziale Umfeld ist ein Konglomerat von Willensregungen. Es selbst ist durch in die Tat umgesetzte Willensregungen veränderbar.

Zitat:
Und das ist beides nichts, was jemand sich frei gewählt hat.


Im Gegensatz zu Deiner deterministischen These, bin ich der Auffassung, daß Sozialisation und Physiologie keine starren Systeme sind, die nicht auch umgekehrt von Willensregungen beeinflussbar wären.

Zitat:
Zweitens beeinflusst der Grad der eingeschätzten/erkannten Realisierbarkeit eines Wunsches sehr drastisch auch den Willen eines rationalen Agenten (Subjekts).


Selbstverständlich ! Aber keinesfalls die Willensregung an sich ! Die Reflektion setzt doch erst später ein ! Sie kann den Willen dann zwar "abschwächen", aber die Regung nicht mehr verhindern.

Zitat:
Noch nie was von der Verdrängung von Wünschen ins Unbewusste gehört?


Klar, schon. Aber ich weiß nicht, ob ich da Dein richtiger Ansprechpartner bin....hier im Internet.....so öffentlich...., na dann schieß los: Wo drückt Dein Schuh?

Zitat:
Da gibt es offenbar eine Wechselwirkung zwischen der Erkenntnis der Möglichkeit der objektiven Realisierbarkeit und dem subjektiven Willen.


Das nennt man übrigens Reflektion. Aber das ist doch nix Neues. Und darüber streitet doch auch niemand.

Zitat:
Ich machte ja ein kleines Gedankenspiel über das Zusammenkommen eines Willesn A=A'.....


Welche physiologischen Mechanismen willst Du denn durch A und A' beschreiben. Das ganze Gedankenspiel sollte vielleicht etwas anschaulicher gestaltet werden (anhand eines Beipiels).
Und was möchtest Du damit aufzeigen? Oder zielst Du damit auf die Eingangsbehauptung und das Eingangsexperiment dieses Threads ab (Seite 1) ?

Zitat:
Insofern sage ich noch einmal in Ergänzung der Frage, ob ein Mensch ein Willens-Automat sei: Nein, ist er nicht, denn sein Wille ist etwas anderes als Willens-Hydraulik.....


Ich wüßte nicht, daß wir beide da jemals drüber diskutiert hätten. Welcher reflexartiger Automatismus läuft denn da bei Dir ab ?????

Zitat:
Aber ich betrachte hier den Zusammenhang zwischen Bedürfnissen, sozialer Entwicklung, Kultur, Erkenntnis und objektiven Möglichkeiten. Die Erkenntnis realer Möglichkeiten spielt bei der Diskussion der menschlichen Freiheit die entscheidende Rolle.


Das ist vollkommen richtig, aber Du setzt hier den Ausdruck "Willensfreiheit" mit "menschlicher Freiheit" gleich. Dadurch bekommst Du natürlich eine völlig andere Diskussion und musst Dich dann auch nicht wundern, daß durch Deine "Neudefinition" alle munter durcheinander diskutieren anstatt miteinander. Darum geht es doch in dem langen Streit der Philosophen und anderer Gelehrter um die "Willensfreiheit" gar nicht (siehe auch Eingangsthema). Die Diskussion geht um die Frage : "Bin ich Herr über meine Willensregungen (wie ein Reiter über sein Pferd) oder sein Sklave (oder ein"Zwischending") ?"

Menschliche Freiheit und reale Möglichkeiten, einen Willen umzusetzen, ist eher die Diskussion um Politik. Dazu findet man auch einiges im Grundgesetz.

P.S.: Ich fragte Dich weiter oben, was Deine inhaltliche Hauptkritik an den Artikeln in "Gehirn und Geist" (s.o.) sei. Hab aber keine Antwort bekommen.

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Skeptiker
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Beitrag(#1336769) Verfasst am: 31.07.2009, 13:32    Titel: Re: Interdisziplinäres Kaffeekränzchen Antworten mit Zitat

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Erstens sind viele Wünsche mit der Physiologie gegeben.


Hier gleitet die Diskussion wieder in andere Bereiche ab. Klar hat der Mensch Wünsche und Triebe, die aus dem Unbewußten kommen, aber darum geht es primär gar nicht. Es geht doch um die bewußte Kontrolle (oder auch die "gefühlte" Kontrolle) über diese Wünsche oder Regungen. Ist ein Mensch Sklave dieser Regungen oder hat er ein "Mitspracherecht" ? Darum geht es ja schließlich beim Thema der "Willensfreiheit", wie es schon seit Jahrhunderten in der westlichen Kultur diskutiert wird (z.B. Augustinus: "Wie weit sind wir in unserem Leben Herr unserer Entschlüsse?)

Wie ich oben geschildert habe (Link, #1328028), finde ich den Gedanken Libet's sehr interessant, der eine Art "Freiheit des Nichtwollens" (Vetorecht) postuliert.

Und diese Freiheit äußert sich in einer Kontrollfähigkeit über diese Regungen. Und diese Kontrollfähigkeit wiederum ist je nach Betrachtungsweise mehr oder weniger eingeschränkt. Betrachte ich mich nur als mein "bewußtes Ich" habe ich bestenfalls ein Vetorecht über meine Regungen, das ggf. bei schnellen "Entscheidungen" auch noch völlig ausgehebelt wird. Schließe ich mein Unbewußtes, das eine viel größere Kommunikationsbandbreite mit der Umwelt besitzt, mit ein, sieht die Sache etwas anders aus.

Darüber hinaus koppelt die bewußte Reflektion ("der rationale Agent", "der Analysator" oder wie auch immer) rück auf das Unbewußte (das Spiel mit "Priming", sublime "Implantate", Suggestionsformeln, Werbung, etc....)


Grundsätzlich hat der Mensch den Wunsch, verdauliche Dinge zu essen. Warum hat der Mensch nicht den Wunsch, unverdauliche Dinge zu essen? Woher kommt das?

Und wo siehst Du hier Ansatzpunkte eines "Vetos" gegen den Wunsch, verdauliche Dinge zu essen? Und warum bringst Du hier die Kategorien "Bewusstes/Unbewusstes" ein? Für mich ist es erst mal nicht relevant, ob ein Wille bewusst ist, sondern relevant ist für mich die Erklärung, woher ein Wille kommt, an dem wir dann hängen.

Und der Wille kommt gar nicht primär aus dem Gehirn. Eigentlich ist der Wille zu irgendwas ein Produkt der Evolution. Es sind eben solche Menchen ausgestorben, die lieber Sand essen wollen, während solche Menschen überlebt und sich fortgepflanzt haben, die lieber Fleisch und/oder andere verdauliche Sachen essen wollen.

Die Existenzbedingungen, die objektiven Lebensbedürfnisse sind hier die schlichte Ursache eines Grundwillens. Dass dieser Grundwille sich dann verfeinert und in immer feinere Verästelungen konkretisiert - je nach inneren und äußeren Bedingungen - das ist klar. Aber kein Feinwill ohne Grundwille.

Das Gehirn erzeugt keinen Willen. Das Gehirn sucht eher nach Realisierungsmöglichkeiten und formuliert geeignete Strategien und Aktionen. Das Gehirn besteht aber nicht aus einer homogenen black box, sondern besteht aus einer Vielheit von ganz verschiedenen Organen, wenn man so will, die für ganz unterschiedliche Bereiche zuständig sind. Die Verbindung der Großhirnareale mit tieferen Hirnschichten, mit dem peripheren Nervensystem, mit den hormonellen Systemen, mit dem Immunsystem, usw. ist wichtig. Es fließt der Gesamtorganismus in alles Denken, Fühlen und Wollen ein. Und es fließt "die Umwelt" ein, die wiederum eine komplexe Vielheit ist:

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Einen weiteren großen Teil steuert die Sozialisation bei.

Auch hier: Das soziale Umfeld ist ein Konglomerat von Willensregungen. Es selbst ist durch in die Tat umgesetzte Willensregungen veränderbar.


Sozialisation ist nicht soziales Umfeld. Sozialisation ist eine Nachprogrammierung, welche die Physiologie ergänzt. Der individuelle Grundwille, der sich daraus in der Entwicklung formt, ist der Sockel, auf dem sich alles weitere aufbaut.

Das "Ich" ist dann in seinem Wollen durch diese beiden Dinge definiert. Es kommen sicher noch andere Einflüsse hinzu bis hin zu situativen Faktoren im hier und jetzt.

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Und das ist beides nichts, was jemand sich frei gewählt hat.


Im Gegensatz zu Deiner deterministischen These, bin ich der Auffassung, daß Sozialisation und Physiologie keine starren Systeme sind, die nicht auch umgekehrt von Willensregungen beeinflussbar wären.


Zunächst einmal bestimmen jene Systeme das bewusste Streben des Menschen. Dieses Streben wiederum verändert natürlich vieles in seiner Welt. Jedoch wird die Richtung der Veränderung durch ersteres maßgeblich bestimmt.

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Zweitens beeinflusst der Grad der eingeschätzten/erkannten Realisierbarkeit eines Wunsches sehr drastisch auch den Willen eines rationalen Agenten (Subjekts).


Selbstverständlich ! Aber keinesfalls die Willensregung an sich ! Die Reflektion setzt doch erst später ein ! Sie kann den Willen dann zwar "abschwächen", aber die Regung nicht mehr verhindern.


Ich formuliere's noch mal anders, worauf ich hinaus wll:

Zitat:
Wie steht es aber mit dem Einfluss des Geistes aufs Gehirn, also dem Pfeil in umgekehrter Richtung? Ein solcher Einfluss wäre vorstellbar, wenn der Geist unabhängig vom Gehirn existierte und von sich aus aktiv werden könnte. In der Abbildung ist er durchgestrichen, weil es einen solchen Einfluss nicht geben kann, und zwar aus folgendem Grund:

Akzeptiert man, dass der Geist außerhalb der physikalischen Welt gedacht werden muss, dass das Gehirn dagegen zur Welt gehört, in der die Gesetze der Physik gelten, dann kann es keinen Einfluss des Geistes aufs Gehirn geben. Denn gäbe es ihn, so müsste zu irgendwelchen Zeitpunkten Aktivität im Gehirn ohne erkennbare Ursache entstehen, gewissermaßen wie von Geisterhand erzeugt, das Kausalitätsprinzip wäre in diesem Fall nicht gültig. So etwas ist aber nie gefunden worden, alle Funktionen des Gehirns erweisen sich als in Einklang mit den Naturgesetzen. Könnte der Geist auf das Gehirn einwirken, und wäre dies beweisbar, so entspräche dies einer sehr viel größeren Revolution der Physik, als es die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik zu Beginn des letzten Jahrhunderts waren.


http://www.gehirn-und-geist.de/artikel/1001695&_z=798884


Nun ist ja "der Geist" zweifellos Ausdruck der Gehirnphysiologie. Nach den obigen Ausführungen kann zwar das Gehirn den Geist beeinflussen, nicht aber der Geist das Gehirn, weil das eine immateriell und bloß ein Produkt, das andere materiell sei.

Nun ist die Erkentnnis zweifellos ein Ergebnis der Gehirnphysiologie und ihres (verwirklichten) Potenzials. Soll aber diese Rangfolge zwischen dem primären (materiellen) und sekundären (abgeleiteten) Faktor bedeuten, dass letztes das erstere nicht beeinflussen könne?

Ich finde, das ist nicht durchdacht. Denn auch wenn das Denken und Erkennen ja von einer materiellen Struktur produziert werden, so muss das nicht heissen, dass es keine Rückwirkung gibt.

Wenn ein Rennwagen beispielsweise Geschwindigkeit produziert, welche ja ohne Materie nicht existieren kann - Geschwindigkeit ist immer Geschwindigkeit von etwas! - dann kann trotzdem diese Geschwindigkeit durch einen Crash gegen eine Mauer sich ganz schön auf die materielle Struktur des Rennwagens auswirken.

Auch die Erkenntnis ist im übrigen eine Art von Bewegung. Sie ist auch eine sehr grundsätzliche Struktur, die sich mit der Zeit entwickelt und zu einem Turm der Erkenntnis auftürmt. Erkenntnis ist nicht einfach nur das unmittelbare Wahrnehmen, sondern besteht aus Grundinformationen über die Welt, welche wiederum den Willen modifizieren kann.

Ich bin ja schon oben darauf eingegangen, wie in etwa.

Auf jeden Fall bedeutet bewusste Erkenntnis nicht bloß unmittelbare Reflektion, wie Du oben schreibst. Sondern es wird quasie ein Pool an Wissen und Erfahrung angelegt, der in einem komplizierten Wechselverhältnis zu den Willens-Grundprägungen steht. Und dieser Wissenspool geht tief ins unbewusste Denken ein, kann aber gezielt ins Bewusstsein geleitet werden, teilweise auch recht schnell.

Das mit der Reisszwecke hat dagegen lediglich mit Reflexen zu tun, die schon Insekten haben.

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Noch nie was von der Verdrängung von Wünschen ins Unbewusste gehört?


Klar, schon. Aber ich weiß nicht, ob ich da Dein richtiger Ansprechpartner bin....hier im Internet.....so öffentlich...., na dann schieß los: Wo drückt Dein Schuh?


Unbewusst ist unbewusst. Also: keine Ahnung!

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Da gibt es offenbar eine Wechselwirkung zwischen der Erkenntnis der Möglichkeit der objektiven Realisierbarkeit und dem subjektiven Willen.


Das nennt man übrigens Reflektion. Aber das ist doch nix Neues. Und darüber streitet doch auch niemand.


Hmpf, ja. Also, was ich sagen wollte, ist: Die Erkenntnis schafft neue Möglichkeiten, wo vorher keine (erkennbar) waren. Dadurch vergrößert die Erkenntnis den Mölglichkeits- und Handlungsspielraum des Menschen objektiv, zumindest dann, wenn entsprechende Mittel zur Verfügung stehen.

Rest später.

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PataPata
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Beitrag(#1336864) Verfasst am: 31.07.2009, 17:28    Titel: Antworten mit Zitat

Das Gehirn ist ja wohl ein hochgradig rückgekoppeltes System und nicht ein lineares. Wenn es so etwas produziert, was wir Geist nennen, dann wirkt dieser ganz bestimmt wieder in vielfältige Weise auf die Prozesse zurück, die ihn produziert haben. Desgleichen wird es auch eine Wechselwirkung zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein geben, die sich ständig gegenseitig beeinflussen.

Nehmen wir das Experiment, das diesem Thread zugrunde liegt. So wie ich mich erinnern mag (der Artikel ist nicht mehr auf dem Netz), hatte der Proband die Aufgabe zu entscheiden mit dem linken oder rechten Finger einen von zweien Knöpfen zu drücken (wahrlich eine tiefschürfende Entscheidung Mit den Augen rollen). Die bildgebenden Aufnahmen konnten dann bis 7 Sekunden vor einer bewussten Entscheidung voraussagen, welcher der beiden Knöpfe gedrückt wird. Was wäre wenn das Bewusstsein in dieser Situation den unbewussten Strukturen explizit den Auftrag erteilt, selber zu entscheiden ? Gemäss Anweisung des Experimentators sollte die Wahl ja willkürlich sein...

Die Schlussätze des Manifestes (Autoren: Christian E. Elger, Angela D. Friederici, Christof Koch, Heiko Luhmann, Christoph von der Malsburg, Randolf Menzel, Hannah Monyer, Frank Rösler, Gerhard Roth, Henning Scheich, Wolf Singer) von 2004 lauten übrigens:

Zitat:
Aller Fortschritt wird aber nicht in einem Triumph des neuronalen Reduktionismus enden. Selbst wenn wir irgendwann einmal sämtliche neuronalen Vorgänge aufgeklärt haben sollten, die dem Mitgefühl beim Menschen, seinem Verliebtsein oder seiner moralischen Verantwortung zugrunde liegen, so bleibt die Eigenständigkeit dieser "Innenperspektive" dennoch erhalten. Denn auch eine Fuge von Bach verliert nichts von ihrer Faszination, wenn man genau verstanden hat, wie sie aufgebaut ist. Die Hirnforschung wird klar unterscheiden müssen, was sie sagen kann und was außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs liegt, so wie die Musikwissenschaft - um bei diesem Beispiel zu bleiben - zu Bachs Fuge Einiges zu sagen hat, zur Erklärung ihrer einzigartigen Schönheit aber schweigen muss.


Diese meinte Hans Küng, wenn er schrieb:
Hans Küng hat folgendes geschrieben:
Die Hirnforschung bietet zur Zeit keine empirisch nachprüfbare Theorie über den Zusammenhang von Geist und Gehirn, von Bewusstsein und Nervensystem. Insofern darf man hoffen, dass sich alle Hirnforscher in Zukunft vor reduktionistischen Statements hüten und sich an die Schlusssätze ihres Manifestes halten ...
(zitiert aus http://www.gehirn-und-geist.de/artikel/1001695&_z=798884)
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Zuletzt bearbeitet von PataPata am 01.08.2009, 13:33, insgesamt einmal bearbeitet
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Tso Wang
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Beitrag(#1336959) Verfasst am: 31.07.2009, 19:00    Titel: ID Antworten mit Zitat

PataPata hat folgendes geschrieben:
Das Gehirn ist ja wohl ein hochgradig rückgekoppeltes System und nicht ein lineares. Wenn es so etwas produziert, was wir Geist nennen, dann wirkt dieser ganz bestimmt wieder in vielfältige Weise auf die Prozesse zurück, die ihn produziert haben. Desgleichen wird es auch eine Wechselwirkung zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein geben, die sich ständig gegenseitig beeinflussen.



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Und diese wechselwirken wiederum mit der Umwelt. Ein recht anschauliches Beispiel für das ID - Konzept.

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PataPata
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Beitrag(#1336975) Verfasst am: 31.07.2009, 19:20    Titel: Re: ID Antworten mit Zitat

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
PataPata hat folgendes geschrieben:
Das Gehirn ist ja wohl ein hochgradig rückgekoppeltes System und nicht ein lineares. Wenn es so etwas produziert, was wir Geist nennen, dann wirkt dieser ganz bestimmt wieder in vielfältige Weise auf die Prozesse zurück, die ihn produziert haben. Desgleichen wird es auch eine Wechselwirkung zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein geben, die sich ständig gegenseitig beeinflussen.



-

Und diese wechselwirken wiederum mit der Umwelt. Ein recht anschauliches Beispiel für das ID - Konzept.

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Tso Wang
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Beitrag(#1337179) Verfasst am: 01.08.2009, 07:46    Titel: Re: ID Antworten mit Zitat

PataPata hat folgendes geschrieben:
Tso Wang hat folgendes geschrieben:
PataPata hat folgendes geschrieben:
Das Gehirn ist ja wohl ein hochgradig rückgekoppeltes System und nicht ein lineares. Wenn es so etwas produziert, was wir Geist nennen, dann wirkt dieser ganz bestimmt wieder in vielfältige Weise auf die Prozesse zurück, die ihn produziert haben. Desgleichen wird es auch eine Wechselwirkung zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein geben, die sich ständig gegenseitig beeinflussen.



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Und diese wechselwirken wiederum mit der Umwelt. Ein recht anschauliches Beispiel für das ID - Konzept.

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PataPata
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Beitrag(#1337195) Verfasst am: 01.08.2009, 09:54    Titel: Re: ID Antworten mit Zitat

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
PataPata hat folgendes geschrieben:
Was hat ID (meinst Du tatsächlich Intelligent Design ?) damit zu tun ?
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Abkürzungen sind Glücksache: ID - darum bin ich dagegen (edit: gegen Abkürzungen natürlich)...
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Zuletzt bearbeitet von PataPata am 01.08.2009, 12:58, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag(#1337204) Verfasst am: 01.08.2009, 10:36    Titel: Re: Interdisziplinäres Kaffeekränzchen Antworten mit Zitat

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Ich machte ja ein kleines Gedankenspiel über das Zusammenkommen eines Willesn A=A'.....


Welche physiologischen Mechanismen willst Du denn durch A und A' beschreiben.


Keine. Ich behandle den Willen zunächst mal als 'black box'.

Es handelt sich um die theoretische Gegenüberstellung zweier 'reiner' Hypothesen. Die eine Hypothese a geht davon aus, dass ein Wille A (- meinetwegen gar seit ewigen Zeiten, seit irgendwelchen Ursuppen von einem gut kochenden Gott namens Maggi -) determiniert ist, während die Hypothese a' besagt, dass ein Wille A' aus einem "freien Willen" (- was man sich auch immer darunter vorstellen mag -) entsteht, so als wenn der Wille sich plötzlich in sich selber widerspricht. Ich lasse einfach beide Hypothesen dahin gestellt und treffe hier überhaupt gar keine Aussage. (Übrigens ist die Möglichkeit eines Selbstwiderspruchs gar nicht mal so abwegig.)

Was aber entscheidend ist: Zu einem bestimmten Zeitpunkt t ist der Wille A=Wille A' fix, wie auch immer er ist. Selbst, wenn ich mich noch mal kurz umentscheide, dann ist er eben zu einem Zeitpunkt t' fix. Irgendwann ist er fix und fertig, egal, wie er zustande gekommen ist.

Ab diesem Zeitpunkt t oder t' bin ich von diesem Willen abhängig und handle als abhängiges Subjekt, nicht als "freies" Subjekt. Und ob nun der Wille bewusst ist, halbbewusst oder total unbewusst, ist hier prinzipiell egal.

Darüber hinaus kann es der aufgedrückte Wille anderer Subjekte sein oder ein aus der Nowendigkeit der Situation entstandener Wille, mit dem das Subjekt eigentlich gar nicht übereinstimmt in seinen eigentlich Bedürfnissen und Zielen.

Vielleicht kann man aber den "freien Willen" am ehesten als den eigenwertigen, mit den nichtentfremdeten Bedürfnissen identischen Willen definieren. Doch auch dies könnte "determinstisch" zustande kommen. Ich weiß wirklich nicht, ob man einen sich selbst widersprechenden Willen als einen freieren, im Sinne eines selbstidentischen Willen annehmen muss.

Was Du weiter oben als Zeit für die Reflektion ins Spiel brachtest, ändert hier übrigens nichts, da es von außen immer noch nicht unterscheiden lässt zwischen Willen A und Willen A'. Auch der völlig determinierte Wille A kann genau so lange brauchen, bis er heraus ploppt wie der "freie" Wille A'.

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Das ganze Gedankenspiel sollte vielleicht etwas anschaulicher gestaltet werden (anhand eines Beipiels).


Ein Beispiel? Man kann jedes Beispiel nehmen, wo es um allgemeine oder konkrete Wünsche und Bereitschaften geht. Wenn ein Mensch den Wunsch hat, eine Blume zu pflücken, die er gerade am Wegesrand erblickt, dann ist kaum zu sagen, wie der Wille A oder A' zustande gekommen ist. Man sieht nur, dass ein Wille da ist. Und dieser Wunsch mag unterdrückt sein oder nicht. Er mag von längeren Gedanken begleitet sein oder nicht. Entfremdet oder selbstidentisch. All das ist möglich.

Man kann es nicht sagen. Was man fragen kann ist, inwieweit ein Wille mit den objektiven Lebensbedürfnissen eines Menschen zusammenhängt und ob der Wille real und objektiv umsetzbar ist. Dieses Verhältnis zwischen Bedürfnis ---> Wunsch ---> Bereitschaft und den zur Lösbarkeit geeigneten Mitteln & Strategien ist meiner Ansicht nach das Kriterium, um einen Willen als frei oder unfrei bezeichnen zu können.

Anstatt in idealistischer Weise über eine überirdische Freiheit und Losgelöstheit des Willens zu sprechen, können wir aber immerhin zusätzlich angeben, unter welchen Bedingungen regelmäßig bestimmte Willensäußerungen zustande kommen. Aber auch hier haben wir es mit einem Abhängigkeitsverhältnis zu tun.

Das lässt die Veränderungspotenziale des einmal zustande gekommenen Willens unbenommen.

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Und was möchtest Du damit aufzeigen? Oder zielst Du damit auf die Eingangsbehauptung und das Eingangsexperiment dieses Threads ab (Seite 1) ?


Nein, die Eingangsbehauptung thematisiert ja nur das Verhältnis zwischen Bewusstsein und Nicht-Bewusstsein. Weltbewegend sind die beschriebenen Ergebnisse in keiner Weis. Denn dass das meiste Denken nicht bewusst ist, ist ja nun wirklich nichts neues. Trotzdem gehört auch das Nichtbewusste genau so zum Subjekt wie das Bewusste.

Es wird dort ja nur etwas beschrieben, aber nichts erklärt. Wie auch? Wie kann man solche enorm komplizierten Qualitäten wie das Wünschen, Wollen, Streben, Fühlen und Denken auf so reduktionistische Weise erklären? Man kann im Grunde nur sehen, was raus kommt, aber man kommt natürlich nicht hinter das 'warum?'. Vielleicht irgendwann in 5000 Jahren. Aber dann braucht man ganz andere Methoden zur Erfassung qualitativer Strukturen und Zusammenhänge. Und diese Methoden hat man heute nicht, ganz einfach.

Dass alles mit allem zusammenhänge, besagt im übrigen auch alles und nichts, Tso Wang.

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Aber ich betrachte hier den Zusammenhang zwischen Bedürfnissen, sozialer Entwicklung, Kultur, Erkenntnis und objektiven Möglichkeiten. Die Erkenntnis realer Möglichkeiten spielt bei der Diskussion der menschlichen Freiheit die entscheidende Rolle.


Das ist vollkommen richtig, aber Du setzt hier den Ausdruck "Willensfreiheit" mit "menschlicher Freiheit" gleich. Dadurch bekommst Du natürlich eine völlig andere Diskussion und musst Dich dann auch nicht wundern, daß durch Deine "Neudefinition" alle munter durcheinander diskutieren anstatt miteinander. Darum geht es doch in dem langen Streit der Philosophen und anderer Gelehrter um die "Willensfreiheit" gar nicht (siehe auch Eingangsthema). Die Diskussion geht um die Frage : "Bin ich Herr über meine Willensregungen (wie ein Reiter über sein Pferd) oder sein Sklave (oder ein"Zwischending") ?"


Du hast Recht. Ich setze hier einen ganz anderen Schwerpunkt. Der freie Wille kann nicht als losgelöst von äußeren und inneren Bedingungen betrachtet werden, selbst dann, wenn man ein Wahrscheinlichkeitsspektrum, eine Varianz der Willensäußerungen annimmt. Der Wille hängt daran und wir hängen an dem Willen. Ein freier Wille kann nur ein nichtentfremdeter und handlungsfähiger Wille sein. Daraus ergeben sich doch erst solche Entscheidungen, welche Freiheit erst realisieren und nicht bloß denken.

Und ob der Mensch nun "Sklave seiner Triebe" sei, wie Freud annahm oder eher ein "göttliches", geistiges Wesen - das ist ein Streit, den andere ausfechten sollen. Ich betrachte bereits die dort eingesetzten Paradigmen für irrelevant und benutze sie gar nicht.

Was mich interessiert ist die Frage nach der Art und Weise, wie sich Erkenntnis entwickelt (nach welchen Gesetzmäßigkeiten) und wie diese auf das Wollen zurückwirkt. Diese Entwicklungsgesetze sind für mich der Schlüssel zur Erforschung der menschlichen Fähigkeit zur Freiheit.

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Menschliche Freiheit und reale Möglichkeiten, einen Willen umzusetzen, ist eher die Diskussion um Politik. Dazu findet man auch einiges im Grundgesetz.


Das ist ein Missverständnis. Natürlich kann die Politik, kann eine Gesellschaft die menschlichen Bedürfnisse auf soziale Weise befriedigen, zu einem Großteil zumindest. Aber mein point of view ist allgemeiner. Auch wenn Du nur Robinson Crusoe auf seiner einsamen Insel betrachtest, so kann auch dieser Mensch durch seine Erkenntnisfähigkeit sich neue Möglichkeiten der Problemlösung schaffen. Auch eine soziale Politik muss auf der gemeinsamen Erkenntnis realer Möglichkeiten aufbauen. Richtig ist aber, dass es darum geht, bewusste Lösungsstrategien zu konzipieren, hier wie da.

Die Rückwirkung nun dieser Erkenntnis objektiver Potenziale auf den Willen selbst führt dann aber letztens zu dessen Veränderung, Entwicklung und - Freiheit!

So herum kann man das - glaube ich - betrachten.

Und ich füge noch hinzu, dass sowohl die Entwicklung der Dinge insgesamt, die darauf folgende Erkenntnis dieser Dinge und der daraufhin zum Teil modifizierte Wille allesamt nicht deterministisch sind, genau so wenig wie es die natürliche Evolution des Lebens ist. All dies ist meiner Meinung nach prinzipiell unvorhersehbar und nicht nur mangels Zeit unberechenbar, so dass ein allwissender "Gott" oder auch eine "Weltformel" prinzipiell ausscheiden.

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
P.S.: Ich fragte Dich weiter oben, was Deine inhaltliche Hauptkritik an den Artikeln in "Gehirn und Geist" (s.o.) sei. Hab aber keine Antwort bekommen.


Ich habe das Heft nicht mehr gefunden. Ist schon einige Jahre her. Vielleicht nennst Du mal ein paar Inhalte daraus ...-?

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Wally
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Beitrag(#1337926) Verfasst am: 02.08.2009, 19:15    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Was mich interessiert ist die Frage nach der Art und Weise, wie sich Erkenntnis entwickelt (nach welchen Gesetzmäßigkeiten) und wie diese auf das Wollen zurückwirkt.

Klar: Erst wenn man weiss, wie man denkt,
kann man Details zum Willen sagen.

Aber -- man weiss noch nicht, wie z.B. der Wunsch zustande kommt, eine Blume zu pflücken
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Ein Beispiel [..]
Wenn ein Mensch den Wunsch hat, eine Blume zu pflücken, die er gerade am Wegesrand erblickt, dann ist kaum zu sagen, wie der Wille A oder A' zustande gekommen ist. Man sieht nur, dass ein Wille da ist.
Weder durch jahrelange Psychoanalyse ('von innen')
noch durch Brodmannsche Hirnkarten ('von außen')
noch durch Durchblutungsbildchen
ist die Blumenfrage bisher beantwortbar Traurig
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Wally
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Beitrag(#1337953) Verfasst am: 02.08.2009, 20:20    Titel: Antworten mit Zitat

zur nicht verstandenen Blümchenfrage:

Im Deutschlandfunk sagte gerade in der Sendung
Kartographen der Seele -- 100 Jahre nach Brodmanns erstem Hirnatlas
Karl Zilles:
"Wir können zwar [..] Muster von Aktionspotenzialen [messen],
dann haben wir sozusagen das Morsealphabet untersucht.
Aber wir haben immer noch nicht verstanden, was in der Morsebotschaft wirklich drin steht.
Und das bedeutet also, dass wir bei jeder Interpretation von bildgebenden Verfahren, denen wir Funktionen unterlegen, vorsichtig sein müssen.
Denn die Funktionsbeschreibung ist eine neuropsychologische,
die Ergebnisse der Bildgebung sind Repräsentationen von molekularen Prozessen
und diese beiden Kategorien sind nicht notwendigerweise identisch."
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PataPata
Agnostiker und Pataphysiker



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Beitrag(#1339237) Verfasst am: 05.08.2009, 15:55    Titel: Antworten mit Zitat

Eben den gbs-Newsletter erhalten. Darin die Ankündigung von Michaels neuem Buch:
gbs hat folgendes geschrieben:

"JENSEITS VON GUT UND BÖSE": DAS NACHFOLGEBUCH ZUM "MANIFEST DES EVOLUTIONÄREN HUMANISMUS" ERSCHEINT AM 11.9.2009

(hpd) "Jenseits von Gut und Böse – Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind" lautet der Titel des neuen Buchs von Michael Schmidt-Salomon, das am 11. September im Pendo Verlag (Piper) erscheinen wird. "Es ist mein wichtigstes Buch", sagt der Autor selbst – und hat wahrscheinlich Recht damit: Denn wo Nietzsches "Umwertung aller Werte" einst endete, setzt Schmidt-Salomon neu an. Wohl nie zuvor wurde das traditionelle Weltbild so radikal in Frage gestellt, wurde die naturalistisch-humanistische Position so konsequent zu Ende gedacht und dabei zugleich derart anschaulich geschildert. hpd-Redakteurin Fiona Lorenz sprach mit dem Autor über das Buch und die Debatten, die es auslösen könnte.

Link zum Interview:
http://hpd.de/node/7572

Sehenswerter Videotrailer zum Buch:
http://www.youtube.com/watch?v=4uL7kPkYTZc

Weitere Informationen:
http://www.die-erloesung.de

Darin hat die Negation des freien Willens offenbar einen wichtigen Platz... (s. Interview)

Ich frage mich aber, warum nicht einmal die Idee der starken Illusion eines freien Willens leben darf, um liberale Ideen bezüglich Schuld und Sühne zu entwickeln...

Edit: Diskussion über MSSs Buch "Jenseits von Gut und Böse" da!
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Tapuak
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Beitrag(#1397935) Verfasst am: 28.11.2009, 22:22    Titel: Antworten mit Zitat

Hier ein interessanter Aufsatz zur Kritik gegenwärtiger Tendenzen in der "Neurowissenschaft":

Fuchs, Thomas (2006): Neuromythologien. Mutmaßungen über die Bewegkräfte der Hirnforschung, in: Scheidewege. Jahresschrift für skeptisches Denken 36, S. 184-202.

Zitat:
Die folgenden Überlegungen wollen einen Beitrag zur Analyse teils manifester, teils latenter Motive leisten, die in der reduktionistischen Form der Hirnforschung wirksam sind. Dabei geht es nicht darum, die zweifellos bedeutsamen und womöglich vielfältigen Nutzen bringenden Fortschritte der Neurowissenschaften auf ihrem eigenen Gebiet in Frage zu stellen. Es geht vielmehr um eine Form „veröffentlichter Neurobiologie“, die den viel weiter gehenden Anspruch erhebt, ein neues Menschenbild zu etablieren.
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zelig
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Beitrag(#1398087) Verfasst am: 29.11.2009, 12:24    Titel: Antworten mit Zitat

Tapuak hat folgendes geschrieben:
Hier ein interessanter Aufsatz zur Kritik gegenwärtiger Tendenzen in der "Neurowissenschaft":

Fuchs, Thomas (2006): Neuromythologien. Mutmaßungen über die Bewegkräfte der Hirnforschung, in: Scheidewege. Jahresschrift für skeptisches Denken 36, S. 184-202.

Zitat:
Die folgenden Überlegungen wollen einen Beitrag zur Analyse teils manifester, teils latenter Motive leisten, die in der reduktionistischen Form der Hirnforschung wirksam sind. Dabei geht es nicht darum, die zweifellos bedeutsamen und womöglich vielfältigen Nutzen bringenden Fortschritte der Neurowissenschaften auf ihrem eigenen Gebiet in Frage zu stellen. Es geht vielmehr um eine Form „veröffentlichter Neurobiologie“, die den viel weiter gehenden Anspruch erhebt, ein neues Menschenbild zu etablieren.


Ausgezeichnete Analyse.
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zelig
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Beitrag(#1398092) Verfasst am: 29.11.2009, 12:39    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe eine Frage. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, gibt es hier einen breiten Konsens in der Einstufung mentaler Zustände als Epiphänomene. Wäre es für die Befürworter dieser Ansicht eine Konsequenz daraus, daß eine Welt ohne mentale Zustände eine identische Kopie unserer Welt wäre (natürlich ohne diesen mentalen Appendix)?
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step
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Beitrag(#1398099) Verfasst am: 29.11.2009, 13:29    Titel: Antworten mit Zitat

Tapuak hat folgendes geschrieben:
Hier ein interessanter Aufsatz zur Kritik gegenwärtiger Tendenzen in der "Neurowissenschaft":

Fuchs, Thomas (2006): Neuromythologien. Mutmaßungen über die Bewegkräfte der Hirnforschung, in: Scheidewege. Jahresschrift für skeptisches Denken 36, S. 184-202.

Es geht in dem Text ja schon gleich gut los mit dem ersten Nicht-Argument: Der Angst vor unangenehmen Schwindelgefühlen bei der Beschäftigung mit Konsequenzen aus der Hirnforschung. Aber sei's drum.

Fuchs hat folgendes geschrieben:
Die folgenden Überlegungen wollen einen Beitrag zur Analyse teils manifester, teils latenter Motive leisten, die in der reduktionistischen Form der Hirnforschung wirksam sind. Dabei geht es nicht darum, die zweifellos bedeutsamen und womöglich vielfältigen Nutzen bringenden Fortschritte der Neurowissenschaften auf ihrem eigenen Gebiet in Frage zu stellen. Es geht vielmehr um eine Form „veröffentlichter Neurobiologie“, die den viel weiter gehenden Anspruch erhebt, ein neues Menschenbild zu etablieren.

Oho, latente Motive. Die sind konservativen Freier-Wille-Vertretern natürlich völlig fremd. Aber sei's drum, ich lese mal weiter, ob auch inhaltliche Argumente gegen die Folgerungen in bezug auf das Menschenbild kommen, oder ob es Fuchs nur darum geht, seine Gegner schlechtzumachen und sich seinen Zorn über den Verlust seiner Deutungshoheit UND seines Menschenbilds von der Seele zu schreiben.

S.3-6 - eine Ansammlung pejorativer, teilweise strohmannartiger Verwünschungen des Entzauberungsprogramms der Wissenschaften, voller Psychologismen und archaischer Vokabeln (Thron, nackt, Triumph, erniedrigt, Kampf, Abdankung, Genugtuung ...), ohne ein einziges Argument.

S.6-7

Hier scheint, inmitten weiterer Strohmänner und Verächtlichmachungen, so etwas wie die Andeutung eines Argumentationsversuchs zu sein:

Fuchs hat folgendes geschrieben:
Aus der an sich trivialen Wahrheit der Beteiligung des Gehirns an allem menschlichen Erleben scheint zu folgen, dass die Humanwissenschaften ohne neurobiologische Erkenntnisse nicht mehr auf zeitgemäßer Grundlage arbeiten können. Das über Generationen gewachsene Wissen von Pädagogen, Psychologen, Soziologen oder Philosophen erscheint altmodisch, wenn es nicht neurowissenschaftlich umformuliert und aufgerüstet wird.

Zum einen gilt das jedoch nur für gewisse Aspekte der tradierten Lehren, zum zweiten frage ich mich, was denn dieses "über Generationen gewachsene Wissen" jener Disziplinen (man könnte noch die Theologie hinzufügen) ausmacht. Welches stabile Wissen hat denn die Philosophie oder Theologie? Hat sich nicht in den vergangenen Generationen das pädagogische und auch das psychologische wissen mehrfach wesentlich geändert? Und daß wir tot sind, wenn wir tot sind, oder daß man Blei nicht chemisch zu Gold verwandeln kann, wissen wir auch durch die Naturwissenschaft, während die Psychologie, Alchemie und Philosophie mehrheitlich das Gegenteil propagierte oder zumindest akzeptierte. Was ist also so Schlimmes daran, wenn durch "Reduktion" grundsätzliche Fehlannahmen in anderen Wissenschaften aufgedeckt werden?

S.7-10

Fuchs hat folgendes geschrieben:
und Viktor von Weizsäcker zeigte, dass das Subjekt nie ganz aus dem fortwährenden Kreislauf von Wahrnehmung und Bewegung heraustreten, dass ihm sein eigener Grund daher nicht gegenständlich werden könne. Das eigene Selbst ist nicht etwas in der Welt Vorhandenes.

Non sequitur.

Fuchs hat folgendes geschrieben:
Aber auch unser alltäglicher Lebensvollzug entzieht sich der unmittelbaren Selbstbeobachtung und geht der Reflexion immer voraus. Was immer wir bewusst planen oder tun – es geschieht aus einem verborgenen Grund heraus, den wir nie ganz in die Helligkeit des rationalen Begreifens zu bringen vermögen.

Daß die unmittelbare Selbstbeobachtung, die Reflexion, ungeeignet zur Erklärung von Entscheidungsvorgängen ist, ist nicht strittig, sondern gehört geradezu zum Ansatz der Hirnforschung. Diese wählt vielmehr eine outer-view-Methode und ist u.a. deswegen erfolgreich.

Fuchs hat folgendes geschrieben:
Das Selbstverhältnis und das Verhältnis zu Anderen lassen sich nicht messen, nicht in Ursache und Wirkung oder einzelne Faktoren zerlegen ...

Behauptung ohne Beleg.

Fuchs hat folgendes geschrieben:
Wer sich mit den Uneindeutigkeiten und Unwägbarkeiten subjektiver und intersubjektiver, insbesondere emotionaler Phänomene schwer tut – und das ist bei Wissenschaftlern häufig der Fall – zugleich aber einen latentes Bedürfnis behält, diese Phänomene auf einem Umweg doch noch „in den Griff zu bekommen“, der schlägt eine Laufbahn als naturwissenschaftlicher Psychologe, neurobiologisch orientierter Psychiater oder gleich Neurowissenschaftler ein.

Aha, Wissenschaftler sind asoziale und pervers. Das ist ja unglaublich, was der Mann da für einen primitiven Schwachsinn schreibt. Noch so ein Ding, dann lese ich nicht mehr weiter.

S.13-17

Fuchs hat folgendes geschrieben:
Wie in der Genetik den Mythos vom Heiligen Gral, so finden wir ... auch in den neurobiologischen Utopien krypto-religiöse Motive wieder.

Ja klar, und Gerhard Roth hat ein unerfülltes Sexleben und einen Vaterkomplex.

Fuchs hat folgendes geschrieben:
Der Verlust der Freiheit entlastet uns zugleich von der Bürde der Eigenverantwortung. ...

Ojeoje ... der Verlust der Freiheit entlastet den Menschen keineswegs von der Verantwortung, die ihm von seinen Mitmenschen zugewiesen wird. Verantwortliches Handeln wird von einem Gehirn erwartet, das funktioniert nur, wenn es hinreichend determinierbar ist, so wird es daher vererbt und in diesem Wissen kulturell geprägt.

Fuchs hat folgendes geschrieben:
Die Flucht in die Selbstverdinglichung und vermeintliche Determiniertheit ist der primäre Abwehrmechanismus des Menschen, der von seinem grundlosen, beliebigen Dasein überfordert ist.

Sonst wird aber doch die Grundlosigkeit und Beliebigkeit immer als "Argument" gegen den inkompatibilistischen Determinismus angeführt ... Und zudem ist es für die Frage nach dem Determinismus irrelevant, ob und warum dem Menschen dies paßt oder auch nicht. Naturwissenschaft versucht nämlich, und das mit einigem Erfolg, sich durch ihre Methodik gerade von solchen psychologistischen Motiven unabhängig zu machen.

Fuchs hat folgendes geschrieben:
Das wahre Gehirn, das uns erzeugt, liegt jenseits der erfahrbaren Welt, und wir vermögen es nicht zu erkennen. Selbst das Gehirn, das der Neurowissenschaftler erforscht, ist ja nur Teil seiner eigenen, subjektiven
Wirklichkeit. Wir können also nur hypothetisch annehmen, so Gerhard Roth, dass es ein eigentlich reales „Gehirn an sich“ außerhalb unserer Welt geben muss, das diese Welt entwirft und darin schließlich auch die wissenschaftliche Erkenntnis seiner selbst produziert. Dieses Gehirn bleibt an sich verborgen und unerkennbar – wir können nur an es glauben.

Auch diesen Fehler findet man immer wieder, vor allem bei Philosophen. Es ist für den Erfolg der Neurowissenschaften (wie auch anderer Wissenschaften) absolut unerheblich, daß wir keine Ontologie im engeren Sinne haben. Es ist unerheblich, ob das Gehirn oder die Welt "real existiert" (was immer das bedeutet) oder nicht - es zählt einzig die empirisch belegbare Voraussagekraft der Modelle.

S.17-Ende

Da kommt nur noch Geschwurbel.


Fazit: Eine weitere Haßpredigt gegen die Hirnforschung und ihr Publikum, verpackt als "Mutmaßung" über deren "latente Motive". Keinerlei inhaltliches Argument für den Freien Willen oder gegen die Claims der Hirnforschung.
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step
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Beitrag(#1398101) Verfasst am: 29.11.2009, 13:36    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Ich habe eine Frage. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, gibt es hier einen breiten Konsens in der Einstufung mentaler Zustände als Epiphänomene. Wäre es für die Befürworter dieser Ansicht eine Konsequenz daraus, daß eine Welt ohne mentale Zustände eine identische Kopie unserer Welt wäre (natürlich ohne diesen mentalen Appendix)?

Vorab: Wir hatten ja schon festgestellt, daß "Epiphänomen" auch nicht immer gleich verstanden wird.

Abgesehen davon aber: Ich würde sagen ja, es wäre eine identische Kopie (wobei es die nicht geben kann, mit oder ohne mentale Zustände).
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zelig
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Beitrag(#1398114) Verfasst am: 29.11.2009, 14:17    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich habe eine Frage. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, gibt es hier einen breiten Konsens in der Einstufung mentaler Zustände als Epiphänomene. Wäre es für die Befürworter dieser Ansicht eine Konsequenz daraus, daß eine Welt ohne mentale Zustände eine identische Kopie unserer Welt wäre (natürlich ohne diesen mentalen Appendix)?

Vorab: Wir hatten ja schon festgestellt, daß "Epiphänomen" auch nicht immer gleich verstanden wird.

Abgesehen davon aber: Ich würde sagen ja, es wäre eine identische Kopie (wobei es die nicht geben kann, mit oder ohne mentale Zustände).


Danke für die klare Antwort, der ich als Konsequenz dieser Ansicht zustimmen würde. Ich finde die Differenz zwischen unseren Anschauungen nirgends besser fokussiert als in der Beantwortung dieser Frage.
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step
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Beitrag(#1398116) Verfasst am: 29.11.2009, 14:23    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich habe eine Frage. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, gibt es hier einen breiten Konsens in der Einstufung mentaler Zustände als Epiphänomene. Wäre es für die Befürworter dieser Ansicht eine Konsequenz daraus, daß eine Welt ohne mentale Zustände eine identische Kopie unserer Welt wäre (natürlich ohne diesen mentalen Appendix)?
Vorab: Wir hatten ja schon festgestellt, daß "Epiphänomen" auch nicht immer gleich verstanden wird.

Abgesehen davon aber: Ich würde sagen ja, es wäre eine identische Kopie (wobei es die nicht geben kann, mit oder ohne mentale Zustände).
Danke für die klare Antwort, der ich als Konsequenz dieser Ansicht zustimmen würde. Ich finde die Differenz zwischen unseren Anschauungen nirgends besser fokussiert als in der Beantwortung dieser Frage.

Was ich dabei nicht verstehe: Selbst wenn man an mentale Zustände glaubt, die keine materiellen Epiphänomene sind, wäre doch eine Kopie dieser Welt mit ihr identisch. Also ich meine, die mentalen Zustände wären doch dann p.d. ebenfalls kopiert, was immer das bedeutet, oder?

Kanst Du erläutern, wieso der Kopiervorgang den Unterschied zwischen unseren Ansichten (etwa der Existenz unabhängiger mentaler Zustände) besser verdeutlicht?
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Beitrag(#1398124) Verfasst am: 29.11.2009, 15:13    Titel: Antworten mit Zitat

Freier Wille und Dopamin, ein Spiegelartikel, schon ein paar Tage alt.

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,661078,00.html
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zelig
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Beitrag(#1398132) Verfasst am: 29.11.2009, 15:36    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Ich habe eine Frage. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, gibt es hier einen breiten Konsens in der Einstufung mentaler Zustände als Epiphänomene. Wäre es für die Befürworter dieser Ansicht eine Konsequenz daraus, daß eine Welt ohne mentale Zustände eine identische Kopie unserer Welt wäre (natürlich ohne diesen mentalen Appendix)?
Vorab: Wir hatten ja schon festgestellt, daß "Epiphänomen" auch nicht immer gleich verstanden wird.

Abgesehen davon aber: Ich würde sagen ja, es wäre eine identische Kopie (wobei es die nicht geben kann, mit oder ohne mentale Zustände).
Danke für die klare Antwort, der ich als Konsequenz dieser Ansicht zustimmen würde. Ich finde die Differenz zwischen unseren Anschauungen nirgends besser fokussiert als in der Beantwortung dieser Frage.

Was ich dabei nicht verstehe: Selbst wenn man an mentale Zustände glaubt, die keine materiellen Epiphänomene sind, wäre doch eine Kopie dieser Welt mit ihr identisch. Also ich meine, die mentalen Zustände wären doch dann p.d. ebenfalls kopiert, was immer das bedeutet, oder?

Kanst Du erläutern, wieso der Kopiervorgang den Unterschied zwischen unseren Ansichten (etwa der Existenz unabhängiger mentaler Zustände) besser verdeutlicht?


Vorab. Wenn wir über diesen Aspekt sprechen, dann können wir die Frage nach der Natur der mentalen Zustände, gleichgültig ob wir sie als materiell oder als imateriell betrachten oder sonstwie eigentlich ausser Acht lassen. Wichtig ist hinsichtlich dieser Frage nur das Charakteristikum als Epiphänomen, als eine Art leer drehendes Rad, oder eine Anhäufung leer drehender Räder, die gewissermaßen mit der Nabe an den jeweiligen Achsen der Ursachenwirklichkeit fixiert sind, keine Auswirkung aufeinander haben, aber auch keine Auswirkung auf die Ursachenwirklichkeit. Stimmt dieses Bild für Dich? Wenn ja, dann hätte ich Dich danach gefragt, ob eine Kopie unserer Wirklichkeit, sagen wir seit der Existenz mentaler Zustände, einen anderen oder einen identischen Verlauf genommen hätte, wenn mentale Zustände in der kopierten Realität ganz fehlen würden. Nach meiner Ansicht wäre der Verlauf ein anderer gewesen, nach Deiner identisch. Oder?
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step
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Beitrag(#1398135) Verfasst am: 29.11.2009, 15:47    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
... dann hätte ich Dich danach gefragt, ob eine Kopie unserer Wirklichkeit, sagen wir seit der Existenz mentaler Zustände, einen anderen oder einen identischen Verlauf genommen hätte, wenn mentale Zustände in der kopierten Realität ganz fehlen würden. Nach meiner Ansicht wäre der Verlauf ein anderer gewesen, nach Deiner identisch. Oder?

Ja, genau. So wie ich Dich jetzt verstehe, würden die mentalen Zustände in Deinem Modell zwar mitkopiert, würden aber einer unterschiedlichen Zeitentwicklung unterliegen. Richtig?
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Beitrag(#1398136) Verfasst am: 29.11.2009, 15:51    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
... dann hätte ich Dich danach gefragt, ob eine Kopie unserer Wirklichkeit, sagen wir seit der Existenz mentaler Zustände, einen anderen oder einen identischen Verlauf genommen hätte, wenn mentale Zustände in der kopierten Realität ganz fehlen würden. Nach meiner Ansicht wäre der Verlauf ein anderer gewesen, nach Deiner identisch. Oder?

Ja, genau. So wie ich Dich jetzt verstehe, würden die mentalen Zustände in Deinem Modell zwar mitkopiert, würden aber einer unterschiedlichen Zeitentwicklung unterliegen. Richtig?


Einer unterschiedlichen zeitlichen Entwicklung unterliegen. Ja. Die Realität wäre letztlich eine ganz andere.
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Beitrag(#1398140) Verfasst am: 29.11.2009, 16:28    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
... dann hätte ich Dich danach gefragt, ob eine Kopie unserer Wirklichkeit, sagen wir seit der Existenz mentaler Zustände, einen anderen oder einen identischen Verlauf genommen hätte, wenn mentale Zustände in der kopierten Realität ganz fehlen würden. Nach meiner Ansicht wäre der Verlauf ein anderer gewesen, nach Deiner identisch. Oder?
Ja, genau. So wie ich Dich jetzt verstehe, würden die mentalen Zustände in Deinem Modell zwar mitkopiert, würden aber einer unterschiedlichen Zeitentwicklung unterliegen. Richtig?
Einer unterschiedlichen zeitlichen Entwicklung unterliegen. Ja. Die Realität wäre letztlich eine ganz andere.

OK, also eine "libertarian incompatibilist" Variante, ähnlich wie ballancer sie vertritt. Und da für Dich die mentalen Zustände ja wieder auf die Materie zurückwirken müssen, z.B. bei Entscheidungen, muss diese Wirkung daher eine physikalisch neuartige Kraft sein, die der bekannten Quantenphysik widerspricht, so daß diese zumindest bei Entscheidungen unzutreffend sein müßte. Denn letztere kennt ja nur unitäre Zeitentwicklungsoperatoren.
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Beitrag(#1398190) Verfasst am: 29.11.2009, 18:54    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
... dann hätte ich Dich danach gefragt, ob eine Kopie unserer Wirklichkeit, sagen wir seit der Existenz mentaler Zustände, einen anderen oder einen identischen Verlauf genommen hätte, wenn mentale Zustände in der kopierten Realität ganz fehlen würden. Nach meiner Ansicht wäre der Verlauf ein anderer gewesen, nach Deiner identisch. Oder?
Ja, genau. So wie ich Dich jetzt verstehe, würden die mentalen Zustände in Deinem Modell zwar mitkopiert, würden aber einer unterschiedlichen Zeitentwicklung unterliegen. Richtig?
Einer unterschiedlichen zeitlichen Entwicklung unterliegen. Ja. Die Realität wäre letztlich eine ganz andere.

OK, also eine "libertarian incompatibilist" Variante, ähnlich wie ballancer sie vertritt. Und da für Dich die mentalen Zustände ja wieder auf die Materie zurückwirken müssen, z.B. bei Entscheidungen, muss diese Wirkung daher eine physikalisch neuartige Kraft sein, die der bekannten Quantenphysik widerspricht, so daß diese zumindest bei Entscheidungen unzutreffend sein müßte. Denn letztere kennt ja nur unitäre Zeitentwicklungsoperatoren.


Es trifft leider nicht zu, daß die Wirksamkeit mentaler Prozesse zwangsläufig die Behauptung einer neuartigen physikalischen Kraft beinhaltet, welche gegen irgendein Naturgesetz verstoßen würde. Die Behauptung, daß dies so sei, stellt jedoch eine unhaltbare Verengung der ganzen Diskussionsbreite und der innerhalb dieser Breite möglichen unterschiedlichen Positionen und Kombinationsmöglichkeiten von Standpunkten dar, die einer szientistischen Sichtweise geschuldet ist.
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Tapuak
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Beitrag(#1398200) Verfasst am: 29.11.2009, 19:19    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Fuchs hat folgendes geschrieben:
Das wahre Gehirn, das uns erzeugt, liegt jenseits der erfahrbaren Welt, und wir vermögen es nicht zu erkennen. Selbst das Gehirn, das der Neurowissenschaftler erforscht, ist ja nur Teil seiner eigenen, subjektiven
Wirklichkeit. Wir können also nur hypothetisch annehmen, so Gerhard Roth, dass es ein eigentlich reales „Gehirn an sich“ außerhalb unserer Welt geben muss, das diese Welt entwirft und darin schließlich auch die wissenschaftliche Erkenntnis seiner selbst produziert. Dieses Gehirn bleibt an sich verborgen und unerkennbar – wir können nur an es glauben.

Auch diesen Fehler findet man immer wieder, vor allem bei Philosophen. Es ist für den Erfolg der Neurowissenschaften (wie auch anderer Wissenschaften) absolut unerheblich, daß wir keine Ontologie im engeren Sinne haben. Es ist unerheblich, ob das Gehirn oder die Welt "real existiert" (was immer das bedeutet) oder nicht - es zählt einzig die empirisch belegbare Voraussagekraft der Modelle.

Ich befürchte, dass eine Deutung der Naturwissenschaften, die sich mit dem Prognoseerfolg zufriedengibt, eher eine Ausnahme darstellt. Wenn ich z.B. Wolf Singer lese, entsteht stattdessen der Eindruck einer naiv-realistischen Interpretation, in der ontologisiert wird, was das Zeug hält. Dort werden dann nicht nur die theoretischen Konstrukte der Naturwissenschaft (z.B. "Atome", "Elementarteilchen") analog zu Tischen und Stühlen als "in der Welt seiend" angenommen, sondern teilweise sogar die der Naturwissenschaft zugrundeliegenden methodischen Prinzipien (z.B. "Kausalprinzip"). Als ontologische Grundierung dient dabei der Begriff der "Materie", der wohl auf eine bestimmte (einheitliche) Beschaffenheit des Seienden abzielen soll. Dabei wird diese "Materie" nicht nur als "seiend" gedeutet, sondern darüber hinaus werden ihr sogar noch spezifische Eigenschaften zugeschrieben (z.B. hier: "...deterministische Systeme sind offen und kreativ, können Neues in die Welt bringen. Das kann Materie. Man muss der Materie ein bisschen mehr zutrauen."). All das fällt für mich ganz eindeutig in den Bereich metaphysischer - ontologischer - Spekulation und ist weit entfernt von einem rein instrumentalistischen Wissenschaftsverständnis.
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step
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Beitrag(#1398205) Verfasst am: 29.11.2009, 19:33    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... Und da für Dich die mentalen Zustände ja wieder auf die Materie zurückwirken müssen, z.B. bei Entscheidungen, muss diese Wirkung daher eine physikalisch neuartige Kraft sein, die der bekannten Quantenphysik widerspricht, so daß diese zumindest bei Entscheidungen unzutreffend sein müßte. Denn letztere kennt ja nur unitäre Zeitentwicklungsoperatoren.
Es trifft leider nicht zu, daß die Wirksamkeit mentaler Prozesse zwangsläufig die Behauptung einer neuartigen physikalischen Kraft beinhaltet, welche gegen irgendein Naturgesetz verstoßen würde.

Das sagt sich mal eben so transzendent. Aber wie sonst sollen die für die Handlung nötigen Änderungen der Gehirnatomzustände bewirkt werden?

zelig hat folgendes geschrieben:
Die Behauptung, daß dies so sei, stellt jedoch eine unhaltbare Verengung der ganzen Diskussionsbreite und der innerhalb dieser Breite möglichen unterschiedlichen Positionen und Kombinationsmöglichkeiten von Standpunkten dar, die einer szientistischen Sichtweise geschuldet ist.

Du kannst diese "Breite an möglichen unterschiedlichen Positionen" natürlich gern trotzdem einnehmen.
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Beitrag(#1398211) Verfasst am: 29.11.2009, 19:44    Titel: Antworten mit Zitat

Tapuak hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Fuchs hat folgendes geschrieben:
Das wahre Gehirn, das uns erzeugt, liegt jenseits der erfahrbaren Welt, und wir vermögen es nicht zu erkennen. Selbst das Gehirn, das der Neurowissenschaftler erforscht, ist ja nur Teil seiner eigenen, subjektiven Wirklichkeit. Wir können also nur hypothetisch annehmen, so Gerhard Roth, dass es ein eigentlich reales „Gehirn an sich“ außerhalb unserer Welt geben muss, das diese Welt entwirft und darin schließlich auch die wissenschaftliche Erkenntnis seiner selbst produziert. Dieses Gehirn bleibt an sich verborgen und unerkennbar – wir können nur an es glauben.
Auch diesen Fehler findet man immer wieder, vor allem bei Philosophen. Es ist für den Erfolg der Neurowissenschaften (wie auch anderer Wissenschaften) absolut unerheblich, daß wir keine Ontologie im engeren Sinne haben. Es ist unerheblich, ob das Gehirn oder die Welt "real existiert" (was immer das bedeutet) oder nicht - es zählt einzig die empirisch belegbare Voraussagekraft der Modelle.

Ich befürchte, dass eine Deutung der Naturwissenschaften, die sich mit dem Prognoseerfolg zufriedengibt, eher eine Ausnahme darstellt. Wenn ich z.B. Wolf Singer lese, entsteht stattdessen der Eindruck einer naiv-realistischen Interpretation, in der ontologisiert wird, was das Zeug hält.

Naja, die meisten Vertreter höherer Naturwissenschaften (also Nichtphysiker) gehen von einem hypothetischen Realismus aus, was - für ihr Fachgebiet - keinen Unterschied macht. Fuchs ging es in seinem Vorwurf ja nicht um finale epistemologische oder ontologische Kategorien, sondern seine Behauptung versucht, das Gehirn (im Gegensatz etwa zum Stein) einer Operationaliserung zu entziehen, weil Instanzen derselben Klasse Gehirn im reflektiven Kontext dies nicht können:

Fuchs hat folgendes geschrieben:
Das wahre Gehirn, das uns erzeugt, liegt jenseits der erfahrbaren Welt, und wir vermögen es nicht zu erkennen.

Falls er das nicht meint, was dann?

Tapuak hat folgendes geschrieben:
Dort werden dann nicht nur die theoretischen Konstrukte der Naturwissenschaft (z.B. "Atome", "Elementarteilchen") analog zu Tischen und Stühlen als "in der Welt seiend" angenommen, sondern teilweise sogar die der Naturwissenschaft zugrundeliegenden methodischen Prinzipien (z.B. "Kausalprinzip"). Als ontologische Grundierung dient dabei der Begriff der "Materie", der wohl auf eine bestimmte (einheitliche) Beschaffenheit des Seienden abzielen soll. Dabei wird diese "Materie" nicht nur als "seiend" gedeutet, sondern darüber hinaus werden ihr sogar noch spezifische Eigenschaften zugeschrieben (z.B. hier: "...deterministische Systeme sind offen und kreativ, können Neues in die Welt bringen. Das kann Materie. Man muss der Materie ein bisschen mehr zutrauen."). All das fällt für mich ganz eindeutig in den Bereich metaphysischer - ontologischer - Spekulation und ist weit entfernt von einem rein instrumentalistischen Wissenschaftsverständnis.

Ich stimme Dir insofern zu, als die Begriffe "zutrauen" und "kreativ" psychologisierend eine implizite Intentionalität oder Intelligenz der Materie suggerieren. Ansonsten fällt das aber alles unter harmlosen hypothetischen Realismus und hat keinerlei Relevanz für den wissenschaftlichen Inhalt etwa der Feststellung, daß Entscheidungsfindung im Gehirn determiniert abläuft.
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Beitrag(#1398408) Verfasst am: 30.11.2009, 01:26    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Fuchs ging es in seinem Vorwurf ja nicht um finale epistemologische oder ontologische Kategorien, sondern seine Behauptung versucht, das Gehirn (im Gegensatz etwa zum Stein) einer Operationaliserung zu entziehen, weil Instanzen derselben Klasse Gehirn im reflektiven Kontext dies nicht können:

Fuchs hat folgendes geschrieben:
Das wahre Gehirn, das uns erzeugt, liegt jenseits der erfahrbaren Welt, und wir vermögen es nicht zu erkennen.

Falls er das nicht meint, was dann?
Fuchs ging es in seinem Vorwurf ja nicht um finale epistemologische oder ontologische Kategorien, sondern seine Behauptung versucht, das Gehirn (im Gegensatz etwa zum Stein) einer Operationaliserung zu entziehen, weil Instanzen derselben Klasse Gehirn im reflektiven Kontext dies nicht können:

Fuchs hat folgendes geschrieben:
Das wahre Gehirn, das uns erzeugt, liegt jenseits der erfahrbaren Welt, und wir vermögen es nicht zu erkennen.

Falls er das nicht meint, was dann?

Am Kopf kratzen

Das ist aber doch nicht seine Meinung, sondern die von Roth, die er hier lediglich darstellt. Das geht doch aus dem Kontext eindeutig hervor, oder etwa nicht?

Und mAn ist die Ansicht von Roth (und auch die von Singer) tatsächlich einfach nur schlechte Philosophie, inkonsistent, selbstwidersprüchlich und somit selbstaufhebend. Und das scheint mir Fuchs' Punkt hier zu sein. Und da stimme ich ihm zu.

Und falls Du annehmen solltest, es ginge bei der ganzen Diskussion, bei den Auffassungen von Roth und Singer nur um die Widerlegung des ontologischen Dualismus, dann irrst Du mE schlicht. Die Behauptungen sind viel weitergehender, auch wenn Du das nicht sehen willst. Es geht mE letzlich um die Behauptung der Richtigkeit des eliminativen Materialismus (nur eine Beschreibung auf der Ebene der Elementarteilchen ist ein adäquater Standpunkt der Beschreibung der Wirklichkeit, d.h. eine hypothetische zukünftige Physik kann die Welt auf Elementarteilchenebene hinreichend und letztlich einzig richtig beschreiben und das ist auch das langfristige Ziel [ob es erreicht werden kann ist hier unwesentlich - es geht um die Ontologie, die dahinter steckt] ), es geht also mE um die Beanspruchung des "wahren" Standpunktes, den die Naturwissenschaft durch diese Thesen anscheinend beansprucht, um eine Deutungshoheit. Das hat Fuchs mE durchaus treffend beschrieben.

Um jetzt nicht falsch verstanden zu werden: den Anspruch an sich finde ich völlig in Ordnung. Vielleicht ist die Ansicht ja richtig. Aber dann müsste schlicht mehr vorgetragen werden können als schlechte Philosophie, als Ausführungen, die sich schon selber ad absurdum führen.

Es müsste mehr sein als ein banaler linearer Kausalkettendeterminismus des 17. Jahrhunderts, der noch nicht mal die Konzepte von Rekursion, Selbstbezüglichkeit, Selbstorganisation, Rückkopplung kennt geschweige denn berücksichtigt, der mE deswegen niemals die Entstehung von Personen, d.h (in gewissem Rahmen) eigenmächtig handelnden Systemen verstehen kann, der immer nur aufgrund dessen der Auffassung anhängen muss, dass "in Wirklichkeit" alles nur Produkt der Vergangenheit ist, alles verlustlos auf die ferne Vergangenheit reduziert werden kann und dann (insofern) folgerichtig das Konzept der Person als nicht "der wahren Realität" (= "Illusion") entsprechend ansieht (jedoch evtl. "zwar zurzeit behelfsmäßig nützlich, aber eigentlich und hoffentlich langfristig verzichtbar") oder, wie einige der hier behandelten Hirnforscher sagen: "Keiner kann anders als er ist. Verschaltungen legen uns fest. Wir sollten aufhören von Freiheit zu reden."

Aber wie auch immer. Diese Diskussion hier dreht sich mE eh nur im Kreis. Meine Vermutung ist die, dass es Dir dabei nur um die Frage "Dualismus oder Monismus" geht. Und Du irgendwie nicht verstehen kannst, aus welchem Grunde auch immer, dass es anderen eben nicht darum geht. Du (und andere, die Deiner Ansicht zustimmen) versuchen dann immer alle Ansichten, die nicht mit der Deinen übereinstimmen auf diesen Punkt herunterzubrechen.

Und es geht auch nicht um die "absolute, vorausetzungslose von allem unabhängige Freiheit". Auch wenn Du immer wieder versuchst, die Diskussion darauf zu reduzieren und zu beschränken.

Letztlich, und das wird Dir sicher nicht gefallen, kann man Deine Argumentation auf folgende These komprimieren: "Freiheit ist etwas Binäres: entweder gibt es absolute Freiheit - d.h. Unabhängigkeit von allem oder es gibt überhaupt keine Freiheit, man darf das dann, wenn es nicht von allem unabhängig ist, nicht mehr Freiheit nennen". Und dabei verkennst Du völlig, dass a) es hier wenig strittig ist, dass es Freiheit in diesem Sinne nicht gibt - die Feststellung, dass jeder von Rahmenbedingungen, die er nicht beeinflussen kann, abhängig ist wäre mE problemlos der Mehrheit der Leute vermittelbar und b) dass Sprachregelungen, die jemand argumentlos postuliert, meist wenig gut ankommen. Du musst einfach mal in Betracht ziehen, dass für jemand anderen als Dich "Freiheit" etwas anderes bedeutet, Du also nicht die Deutungshoheit über diesen Begriff beanspruchen kannst.

Jedoch, um das jetzt noch zu Ende zu führen, bedeutet Deine These nun mal (und das vertrittst Du offensichtlich auch), dass, weil keine Handlung völlig frei sein kann, jede Handlung gleichermaßen unfrei sein muss. Und damit wirst Du, behaupte ich, weniger Zustimmung ernten können. Die Bedeutung von Worten, der Sinn von Konzepten hängt aber mE nun mal davon ab, was man darunter versteht. Es ist (falls das so ist) notwendigerweise absurd, zu behaupten, man selber habe das richtige Konzept, die richtige Bedeutung eines Wortes (hier "Freiheit") und die anderen, die das anders sehen, würden irren.
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zelig
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Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1398436) Verfasst am: 30.11.2009, 08:52    Titel: Antworten mit Zitat

Falls es jemanden interessiert:
Habermas - Zwischen Naturalisms und Religion; stw1918

Kann ich auch speziell zu diesem Teil der Diskussion empfehlen. Entlüftet so ein bisschen das Hirn. ; )
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Skeptiker
"I can't breathe!"



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Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1398458) Verfasst am: 30.11.2009, 10:02    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es müsste mehr sein als ein banaler linearer Kausalkettendeterminismus des 17. Jahrhunderts, der noch nicht mal die Konzepte von Rekursion, Selbstbezüglichkeit, Selbstorganisation, Rückkopplung kennt ...


Und auch nichts von Dialektik weiß! Um das mal zu ergänzen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... geschweige denn berücksichtigt, der mE deswegen niemals die Entstehung von Personen, d.h (in gewissem Rahmen) eigenmächtig handelnden Systemen verstehen kann, der immer nur aufgrund dessen der Auffassung anhängen muss, dass "in Wirklichkeit" alles nur Produkt der Vergangenheit ist, alles verlustlos auf die ferne Vergangenheit reduziert werden kann und dann (insofern) folgerichtig das Konzept der Person als nicht "der wahren Realität" (= "Illusion") entsprechend ansieht (jedoch evtl. "zwar zurzeit behelfsmäßig nützlich, aber eigentlich und hoffentlich langfristig verzichtbar") oder, wie einige der hier behandelten Hirnforscher sagen: "Keiner kann anders als er ist. Verschaltungen legen uns fest. Wir sollten aufhören von Freiheit zu reden."


Wenn man meint, dass vom - nicht als ultimativ bewiesenen - Urknall an bis in alle Zeiten schon jede Materieverteilung und -struktur determiniert gewesen sei, und wenn man selbst den Zufall negiert, dann ist das schon gewagt. Die genetischen Mutationen sind ja z.B. wohl echt zufällige Prozesse.

Der Faktor von Information bzw. Erkenntnis spielt außerdem womöglich eine entscheidende (!) Rolle. Und nehmen wir mal an, dass es auch so etwas wie eine Höherentwicklung und Optimierung von Erkennntis gibt, mit mutativen, selektiven und dialektischen Prozessen, und zwar im Dienste der Bedürfnisbefriedigung, dann würden Freiheit und Erkenntnis in einem wesentlichen Zusammenhang stehen.

Frei ist der Mensch, wenn er Möglichkeiten erkennt und die Mittel hat, sie zu nutzen - mal ganz allgemein gesprochen.

Freiheit ist - ich wiederhole es zum x-ten Male - nicht, wenn ich statt der Handlung a die Handlung b tun kann, bevor nicht klar ist, was a und b für die Bedrüfnisse überhaupt bedeuten.

Freiheit ist also etwas anderes als Beliebigkeit. (Nur noch mal als Erinnerung.)

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