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Forscher widerlegen Willensfreiheit
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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1407323) Verfasst am: 19.12.2009, 15:09    Titel: Antworten mit Zitat

Hornochse hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Die Welt selbst kann keine Hypothesen über ihre Zukunft aufstellen; wie sollte es da die Dialektik tun ohne sich in die Tasche zu lügen?


Die "bürgerliche" Wissenschaft tut dies seit Jahrhunderten mit zunehmendem Erfolg. Vielleicht ist sie ja nicht von dieser Welt.


Die Technik schreitet voran. Die Gesellschaft nicht. Das ist die bürgerliche Wissenschaft auf den Punkt gebracht.

Skeptiker
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L.E.N.
im falschen Film



Anmeldungsdatum: 25.05.2004
Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1407325) Verfasst am: 19.12.2009, 15:15    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Die Technik schreitet voran. Die Gesellschaft nicht. Das ist die bürgerliche Wissenschaft auf den Punkt gebracht.


in der ddr wars vice versa, oder?
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1407326) Verfasst am: 19.12.2009, 15:19    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Naja, in den Naturwissenschaften ist es auch durchaus üblich, in solchen Zusammenhängen von "Zwang" zu sprechen, synonym zur naturgesetzlichen Determination. Man formuliert dort allgemein kühler und weniger emotional.

Ach, tatsächlich, ist das so, dass in der Naturwissenschaft "Determinismus" und "Zwang" Synonyme sind? Kommt mir erst mal ziemlich merkwürdig vor, in welchem konkreten Zusammenhang würde man das denn so verwenden? "Der Computer errechnete gezwungenermaßen das Ergebnis von 1+1?" "Die Erde dreht sich gezwungenermaßen um die Sonne?"

step hat folgendes geschrieben:
Aber letztlich ist es egal, ob wir es "Zwang" nennen, sondern die Frage ist, warum solche nichtintentionalen Verursachungen (z.B. Konditionierung durch Evolution) irrelevant für die behauptete Willensfreiheit sein sollten, im Gegensatz zu intentionalen Verursachungen (z.B. absichtliche Konditionierung durch die Mitmenschen, Eltern oder Diktatoren). Für mich stehen dahinter keine Freiheitsgrade, sondern es ist ein reiner Psychologismus der Art, daß es weniger bringt, sich über unerbittliche Naturgesetze aufzuregen, als über unerbittliche Eltern und Diktatoren.

Aus meiner Sicht ergeben sich aber Freiheitsgrade. Jemand, der mehr Handlungsoptionen überhaupt erkennen / sich ausdenken kann, hat mAn mehr Freiheitsgrade, als jemand, der alternativlos einem vorgegeben Weg folgt.

Und dann erscheint es mir eben in meinem Sprachgefühl als höchst merkwürdig, wesentliche Persönlichkeitsmerkmale, Vorlieben, Abneigungen, Bewertungsmaßstäbe und dergleichen unterschiedslos als "Zwang" einzustufen. Das entspricht mE nicht der gebräuchlichen Verwendung von "Zwang". Und überhaupt muss man dazu die Person komplett wegreduzieren, wenn man alle ihre Merkmale von ihr ablöst. Dann bleibt gar nichts mehr, was gezwungen werden könnte.

Und psychologistisch hin oder her, Fakt ist nun mal, dass es in unserer Gesellschaft als wesentlicher Unterschied angesehen wird, ob jemand eine Entscheidung aus sich heraus ("freiwillig") getroffen hat oder ob diese ihm von außen aufgedrückt wurde. Z.B. für das Vertragsrecht ist diese Unterscheidung von wesentlicher Bedeutung. Ob ich mich z.B. selber dafür entscheide, jemanden zu heiraten oder ob ich von Dritten dazu gezwungen werde.

Selbst aber wenn man nun aus irgend einem bisher nicht genannten Gründe alles gleichermaßen "Zwang" nennen möchte, (weil man, wieder aus einem mir unerfindlichen Grunde "Determinismus" und "Zwang" als Synonyme ansieht), selbst dann bedeutet das doch noch lange nicht, dass alle Arten von Zwang gleich zu bewerten seien.

Wäre dem aber doch so, käme man also zu dem Schluss, dass, weil alles determiniert sei, daraus folgen müsse, dass alles unterschiedloser Zwang sei, man also nicht mehr zwischen "freiwillig" und "gezwungen" unterscheiden möchte, dann wäre das schon ein ziemlicher Prämissenwechsel, der so gut wie alle Bereiche der Gesellschaft und der sozialen Beziehungen beträfe.
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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1407338) Verfasst am: 19.12.2009, 16:07    Titel: LEN widerlegt Willensfreiheit Antworten mit Zitat

L.E.N. hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Die Technik schreitet voran. Die Gesellschaft nicht. Das ist die bürgerliche Wissenschaft auf den Punkt gebracht.


in der ddr wars vice versa, oder?


Sag mal, bist Du dressiert? Das sind ja echte Pawlow'sche Reflexe. immer die gleiche Leier

Passt ja so gesehen zum thread ...-

Skeptiker
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1407374) Verfasst am: 19.12.2009, 17:16    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Erstens ist auch ein rein zufälliges Ereignis kein Ereignis ohne Ursache.
Was verursacht denn den Zufallswert eines solchen Ereignisses?
... Was bewirkt den Zufall? Womöglich einfach gleichwertige/gleichstabile Folgezustände.
Das kann aber nicht den Zufallswert erklären. Nehmen wir an, A1 und A2 sind "gleichwertige" Folgezustände. Wer oder was bestimmt ("verursacht") nun, daß in einer ganz bestimmten Situation A1 und nicht A2 geschieht?
Das lässt sich gar nicht bestimmen und es gibt auch nichts und niemanden, der das bestimmt. Im Gegenteil: Gerade weil niemand das Ergebnis bestimmt, sind beide Ereignisse gleichwertig.

Wenn also nichts und niemand den Zufallswert bestimmt, dann ist er ohne Ursache, und damit Deine ursprüngliche Behauptung widerlegt. Vermutlich hast Du Dich nur ungenau ausgedrückt und meintest eigentlich, daß es eine Ursache hat, daß überhaupt etwas geschieht (nämlich A1 oder A2).

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Wichtig ist lediglich, dass der alte Zustand A zugunsten des neuen Zustandes A1 negiert wird.

Was hast Du immer mit dem "Negieren"? Die Ereignisse A und A liegen doch einfach nur an zeitlich benachbarten Raumzeitpunkten herum und sind durch gewisse Naturgesetze korreliert, wobei im Fall echten Zufalls da ein echter Freiheitsgrad wäre.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Und weiterhin ist wichtig, dass nicht A1 und A2 gleichzeitig stattfinden können.

Klassisch gesehen richtig. Mit Blick auf die Quantentheorie sollte man vorsichtiger formulieren, etwa: "... dass wir nie beide beobachten können".

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Man könnte sich ja in der Fantasie vorstellen, dass die Welt vor der Wahl steht und sich nicht entscheiden kann und deshalb stehenbleibt, weil die Wahlalternativen so gleichwertig sind.

Deswegen finden ja viele Physiker die Kopenhagener Interpretation unbefriedigend, denn dort benötigt man eine Art geheimnisvolle Zustandsreduktion, die in etwa der von Dir beschriebenen Phantasie entspricht.

Aber auch ganz ohne Zufall muß ein Folgezustand existieren, da die Schrödingergleichung des Systems eine unitäre Zeitentwicklung beinhaltet. Das könnte sich höchstens ändern, wenn die SG keine gue Beschreibung mehr ist, z.B. in der Nähe von Raumzeitsingularitäten oder auf Skalen kleiner als die Plancklänge. Wie es da aussieht mit Kausalität und Untarität usw., das weiß man einfach noch nicht.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... Wir finden mit der Naturwissenschaft nur gute (d.h. voraussagefähige) Theorien.
Sofern es etwas vorauszusagen gibt. Das ist ja nicht immer der Fall.

Wenn es erwiesenermaßen nichts vorauszusagen gibt, ist das echter Zufall.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
In den Bereichen, wo das der Fall ist, hat die Theorie voraussagenden Charakter. Das heisst aber nicht, dass nur voraussagefähige Theorien gut sind. Theorien, die nichts voraussagen können, weil es objektiv nichts vorauszusagen gibt, sind - da sie die Realität genau so gut abbilden können - genau so gut oder genau so schlecht wie voraussagefähige Theorien. Und Prüfen kann man ja beides.

Nein, eine Theorie, die nichts voraussagen kann (sei es, weil sie schlecht ist oder weil es nichts vorauszusagen gibt), ist nicht prüfbar und auch keine Theorie im naturwissenschaftlichen Sinne.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Ich sehe derzeit in Teilen der physikalischen Zunft eine einseitige Sichtweise in dem Sinne, dass gute Theorien nur voraussagefähige Theorien sein können. Das meine ich mit trügerischem Konsens.

Diese Sichtweise ist sozusagen erzwungen, weil sich gezeigt hat, daß nur voraussagefähige Theorien zu verläßlichen Ergebnissen führen und daß diese Forderung daher nützlich ist.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... Handlungsfreiheit ist somit definitiv nicht die beliebige Wahl einer beliebigen Handlung!!!
Das behauptet ja auch niemand hier.
Das klang mal so, meine ich ...- Pfeifen

Bei wem und wo?
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step
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Wohnort: Germering

Beitrag(#1407381) Verfasst am: 19.12.2009, 17:35    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Naja, in den Naturwissenschaften ist es auch durchaus üblich, in solchen Zusammenhängen von "Zwang" zu sprechen, synonym zur naturgesetzlichen Determination. Man formuliert dort allgemein kühler und weniger emotional.

Ach, tatsächlich, ist das so, dass in der Naturwissenschaft "Determinismus" und "Zwang" Synonyme sind? Kommt mir erst mal ziemlich merkwürdig vor, in welchem konkreten Zusammenhang würde man das denn so verwenden? ...


wikipedia hat folgendes geschrieben:
Zwang steht für:
* die nachdrückliche Beeinflussung der Entscheidungs- und Handlungsfreiheit durch verschiedene Einflüsse, siehe Freiheit
* [...]
* in der Medizin eine Gruppe von Erkrankungen (IDC-10: F42), siehe Zwangsstörung
* [...]
* bei technischen und mathematischen Systemen allgemein eine Randbedingung
* in der Mechanik eine äußere Kraft, siehe Zwangskraft
* in der Chemie zur Beschreibung des Einflusses von Temperatur, Druck und Stoffkonzentration auf ein System im Gleichgewicht, siehe Prinzip vom kleinsten Zwang
* [...]


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jemand, der mehr Handlungsoptionen überhaupt erkennen / sich ausdenken kann, hat mAn mehr Freiheitsgrade, als jemand, der alternativlos einem vorgegeben Weg folgt.

Du meinst so wie ein stärkerer Schachcomputer, der tiefer rechnen kann und damit auch Chancen erkennt, die erstmal schlecht aussehen, sich aber nach 10 Zügen auszahlen?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Und psychologistisch hin oder her, Fakt ist nun mal, dass es in unserer Gesellschaft als wesentlicher Unterschied angesehen wird, ob jemand eine Entscheidung aus sich heraus ("freiwillig") getroffen hat oder ob diese ihm von außen aufgedrückt wurde. Z.B. für das Vertragsrecht ist diese Unterscheidung von wesentlicher Bedeutung. Ob ich mich z.B. selber dafür entscheide, jemanden zu heiraten oder ob ich von Dritten dazu gezwungen werde.

Richtig. Wir sind uns einig, daß in der Gesellschaft im wesentlichen so gedacht wird, auch beim Strafrecht hatten wir das schon. Das liegt eben gerade daran, daß wir eine Person intuitiv als Letztverursacher (wichtiger Entscheidungen) einordnen, wenn wir die Ursachen nicht sehen, weil sie unbekannt oder zu komplex sind. Außerdem scheint eine Rolle zu spielen, daß eine solche Sichtweise die Gesellschaft insgesamt traditionell stabilisiert(e), weil die Überzeugung, Letztursache zu sein, die psychologische Macht von Prinzipien wie Schuld und Moral stärkt, was wiederum absurderweise die Determinerbarkeit des Verhaltens fördert. Dafür spricht mE auch, wie oft dieses "wo kämen wir den sonst hin - Verfall der Moral" -Argument hier so regelmäßig kommt, sobald es um Determinismus oder unfreien Willen geht.
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fwo
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Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25959
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#1407389) Verfasst am: 19.12.2009, 18:38    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
.....
Richtig. Wir sind uns einig, daß in der Gesellschaft im wesentlichen so gedacht wird, auch beim Strafrecht hatten wir das schon. Das liegt eben gerade daran, daß wir eine Person intuitiv als Letztverursacher (wichtiger Entscheidungen) einordnen, wenn wir die Ursachen nicht sehen, weil sie unbekannt oder zu komplex sind. Außerdem scheint eine Rolle zu spielen, daß eine solche Sichtweise die Gesellschaft insgesamt traditionell stabilisiert(e), weil die Überzeugung, Letztursache zu sein, die psychologische Macht von Prinzipien wie Schuld und Moral stärkt, was wiederum absurderweise die Determinerbarkeit des Verhaltens fördert. Dafür spricht mE auch, wie oft dieses "wo kämen wir den sonst hin - Verfall der Moral" -Argument hier so regelmäßig kommt, sobald es um Determinismus oder unfreien Willen geht.
fett von mir
Das sollte auch nicht allzusehr verwundern, weil die Information über diesen gesellschaftlichen Usus mit zu den Informationen gehört, die letztlich in den resultierenden Willen im Hintergrund mit einberechnet sind. Da das Rechtswesen in seiner Ausprägung mit zu der Erfahrungswelt des Individuums gehört, das hier betrachtet wird, ist es ziemlich egal, ob wir von einem freien Willen ausgehen oder nicht - eine Rückkopplung findet auf jeden Fall statt.

fwo
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1407392) Verfasst am: 19.12.2009, 18:53    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
.....
Richtig. Wir sind uns einig, daß in der Gesellschaft im wesentlichen so gedacht wird, auch beim Strafrecht hatten wir das schon. Das liegt eben gerade daran, daß wir eine Person intuitiv als Letztverursacher (wichtiger Entscheidungen) einordnen, wenn wir die Ursachen nicht sehen, weil sie unbekannt oder zu komplex sind. Außerdem scheint eine Rolle zu spielen, daß eine solche Sichtweise die Gesellschaft insgesamt traditionell stabilisiert(e), weil die Überzeugung, Letztursache zu sein, die psychologische Macht von Prinzipien wie Schuld und Moral stärkt, was wiederum absurderweise die Determinerbarkeit des Verhaltens fördert. Dafür spricht mE auch, wie oft dieses "wo kämen wir den sonst hin - Verfall der Moral" -Argument hier so regelmäßig kommt, sobald es um Determinismus oder unfreien Willen geht.
fett von mir
Das sollte auch nicht allzusehr verwundern, weil die Information über diesen gesellschaftlichen Usus mit zu den Informationen gehört, die letztlich in den resultierenden Willen im Hintergrund mit einberechnet sind. Da das Rechtswesen in seiner Ausprägung mit zu der Erfahrungswelt des Individuums gehört, das hier betrachtet wird, ist es ziemlich egal, ob wir von einem freien Willen ausgehen oder nicht - eine Rückkopplung findet auf jeden Fall statt.

Ja, für die Rückkopplung reicht unsere Fähigkeit, ein Modell des Anderen auszubilden, also seine Intentionen zu simulieren.

Aber wenn wir zuviel wissen über die Mechanismen der Entscheidungsfindung, der Moral, wie Intentionen zustandekommen usw., dann bemerken wir Inkosistenzen.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1407399) Verfasst am: 19.12.2009, 19:42    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Naja, in den Naturwissenschaften ist es auch durchaus üblich, in solchen Zusammenhängen von "Zwang" zu sprechen, synonym zur naturgesetzlichen Determination.

wikipedia hat folgendes geschrieben:
Zwang steht für:
[...]
* bei technischen und mathematischen Systemen allgemein eine Randbedingung
* in der Mechanik eine äußere Kraft, siehe Zwangskraft
* in der Chemie zur Beschreibung des Einflusses von Temperatur, Druck und Stoffkonzentration auf ein System im Gleichgewicht, siehe Prinzip vom kleinsten Zwang
* [...]

Das belegt Deine Behauptung von oben ja nun gar nicht, im Gegenteil. Es ist nämlich nicht üblich, Determination und Zwang als synonym anzusehen, auch nicht in der Naturwissenschaft. Wenn man von "Zwang" redet, möchte ich mal behaupten, dann spricht man gemeinhin von äußeren Einflüssen auf ein System. Ist auch in den Wikipedia-Beispielen so.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jemand, der mehr Handlungsoptionen überhaupt erkennen / sich ausdenken kann, hat mAn mehr Freiheitsgrade, als jemand, der alternativlos einem vorgegeben Weg folgt.

Du meinst so wie ein stärkerer Schachcomputer, der tiefer rechnen kann und damit auch Chancen erkennt, die erstmal schlecht aussehen, sich aber nach 10 Zügen auszahlen?

Ja.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Und psychologistisch hin oder her, Fakt ist nun mal, dass es in unserer Gesellschaft als wesentlicher Unterschied angesehen wird, ob jemand eine Entscheidung aus sich heraus ("freiwillig") getroffen hat oder ob diese ihm von außen aufgedrückt wurde. Z.B. für das Vertragsrecht ist diese Unterscheidung von wesentlicher Bedeutung. Ob ich mich z.B. selber dafür entscheide, jemanden zu heiraten oder ob ich von Dritten dazu gezwungen werde.

Richtig. Wir sind uns einig, daß in der Gesellschaft im wesentlichen so gedacht wird, auch beim Strafrecht hatten wir das schon. Das liegt eben gerade daran, daß wir eine Person intuitiv als Letztverursacher (wichtiger Entscheidungen) einordnen, wenn wir die Ursachen nicht sehen, weil sie unbekannt oder zu komplex sind.

Letztursachen gibt es zwar mE ebensowenig wie Letztbegründungen, dennoch halte ich die Vorgehensweise, Handlungen einer Person zuzuordnen, eine Person als Urheber ihrer Handlungen zu sehen (so sie gewisse Voraussetzungen erfüllt: hat einen gewissen Level der Reflektionsfähigkeit erreicht, stand nicht unter zu großem äußeren oder innerem Zwang), für berechtigt, in keinem Widerspruch zu irgend welchen Erkenntnissen stehend.

Deine implizite Begründung hier, weil es keine Letztursachen gäbe, wäre es falsch, eine Person als Urheber ihrer Handlungen anzusehen, ist mE nicht folgerichtig.

step hat folgendes geschrieben:
Außerdem scheint eine Rolle zu spielen, daß eine solche Sichtweise die Gesellschaft insgesamt traditionell stabilisiert(e), weil die Überzeugung, Letztursache zu sein, die psychologische Macht von Prinzipien wie Schuld und Moral stärkt, was wiederum absurderweise die Determinerbarkeit des Verhaltens fördert.

Was soll daran absurd sein? Schulterzucken

Es spielt doch überhaupt keine Rolle, ob Verhalten wie auch immer determiniert ist. Es spielt hier nur eine Rolle, durch was oder wen es determiniert ist. Ob es a) von außen (äußerer Zwang) oder b) von innen, also durch die Person selber determiniert ist. Das ist für mich der wesentliche Unterschied. Und dann gilt eben für mich: a) = frei, b) = unfrei. Und das scheint mir auch die einzig sinnvolle Betrachtungsweise bei der Frage nach der Willensfreiheit zu sein. Die Behauptung: alles determiniert -> alles Zwang -> alles unfrei halte ich einfach nur für sinnlos in diesem Zusammenhang. Es sei, denn man könnte gute Gründe dafür anführen. Mit den Augen rollen Weia.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1407427) Verfasst am: 19.12.2009, 21:21    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Wenn man von "Zwang" redet, möchte ich mal behaupten, dann spricht man gemeinhin von äußeren Einflüssen auf ein System. ...

Na gut. Man kann jetzt darüber streiten, ob z.B. mikroskopische Randbedingungen eines makroskopischen Systems zu dessen äußeren Einflüssen gehören oder nicht, aber sei's drum. Ich habe ja schon oben darauf hingewiesen, daß es mir nicht darum geht, das Wort "Zwang" unbedingt auch für nichtintentionale oder mikroskopische Determinationen zu verwenden.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jemand, der mehr Handlungsoptionen überhaupt erkennen / sich ausdenken kann, hat mAn mehr Freiheitsgrade, als jemand, der alternativlos einem vorgegeben Weg folgt.
Du meinst so wie ein stärkerer Schachcomputer, der tiefer rechnen kann und damit auch Chancen erkennt, die erstmal schlecht aussehen, sich aber nach 10 Zügen auszahlen?
Ja.

Bleiben wir mal bei dem Beispiel, um die Frage von dem ganzen Psychodingens zu entkoppeln. Nun ist der Entscheidungsweg des stärkeren Rechners ja eigentlich genauso alternativlos wie der des schwächeren, der Unterschied liegt nur in der Qualität der Zukunftssimulation. Beispielsweise hat der schwächere Rechner nach Zugtiefe 5 aus allen möglichen Zügen drei vermeintlich beste Züge a>b>c, errechnet, und zieht a. Der stärkere Rechner erkennt bei Zugtiefe 7, daß d noch besser ist (d>a>b), und zieht d. Ein noch stärkerer Rechner sieht, daß a (und nur a) zu Matt und Gewinn führt.

Ich verstehe zwar, daß man Unwissen ("Umnachtung") als Unfreiheit verstehen kann, aber für mich ist da eher Handlungsfreiheit gemeint. Der schwache Computer kann zwar seine kurzzeitige Präferenz befriedigen (ziehen, was er für am besten hält), nicht aber seine langfristige (gewinnen). Man könnte ihn daher - langfristig betrachtet - als weniger handlungsfrei bezeichnen, denn er verliert oft, obwohl er das nicht präferiert.

Oder jetzt doch beim Menschen:

Ein gebildeter, intelligenter, rationaler hochverschuldeter Mensch erkennt,
a) daß Raub keine Alternative ist, weil er wahrscheinlich enttarnt wird
b) daß Raub eine Alternative ist, weil er intelligent genug dafür ist

Ein ungebildeter, dummer, an Konventionen gebundener hochverschuldeter Mensch erkennt,
a) daß Raub keine Alternative ist, weil es verboten ist
b) daß Raub eine Alternative ist, weil die Bank ja genug Geld hat

Wie hängen hier Freiheit und Alternativen zusammen?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... dennoch halte ich die Vorgehensweise, Handlungen einer Person zuzuordnen, eine Person als Urheber ihrer Handlungen zu sehen (so sie gewisse Voraussetzungen erfüllt: hat einen gewissen Level der Reflektionsfähigkeit erreicht, stand nicht unter zu großem äußeren oder innerem Zwang), für berechtigt, in keinem Widerspruch zu irgend welchen Erkenntnissen stehend.

Erstmal kann ich natürlich eine menschliche Handlung meist einem menschlichen Individuum (Körper mit bestimmten Bewußtseinseigenschaften) zuordnen, da ja die Präferenz, akute Entscheidung und akute Handlungssteuerung offensichtlich komplex und wesentlich "in" diesem Individuum stattfindet (lokal und emergent-funktional). Handlungsfreiheit alleine reicht allerdings für diese Zuordnung.

Darüberhinaus sehe ich eine gewisse Berechtigung für die (mikroskopisch betrachtet eigentlich falsche) Zuweisung einer autonomen Urheberschaft, insofern man die Handlungen eines sozialen Individuums auf diese Weise effizienter determiniert und beeinflusst (z.B. Verantwortung zuweisen, Verläßlichkeit und Kooperation absichern, psychisch stabilisieren usw.) - denn das Individuum ist ja die Stelle, mit der man kommuniziert, an die man appelliert, die auf Schmerzen reagiert usw. - aber das ist aus Deiner Sicht vmtl. eine andere Baustelle.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es spielt doch überhaupt keine Rolle, ob Verhalten wie auch immer determiniert ist. Es spielt hier nur eine Rolle, durch was oder wen es determiniert ist. Ob es a) von außen (äußerer Zwang) oder b) von innen, also durch die Person selber determiniert ist. Das ist für mich der wesentliche Unterschied. Und dann gilt eben für mich: a) = frei, b) = unfrei.

Und für mich ist diese Grenze letztlich künstlich: Ob jemand zum Zeitpunkt c Verhalten C1 oder C2 zeigt, ist (im Fall fehlender "Zwänge") determiniert durch seine Präferenz. Jetzt sagst Du, diese ist nicht einfach selbst wieder determiniert, sondern kann durch sich selbst beeinflußt und gebildet werden, und das mache den wesentlichen Unterschied. Wodurch wird denn aber entschieden, ob die Bildung der Präferenz zum Zeitpunkt b<c in Richtung B1 oder B2 geht? Du sagst, das entscheidet "die Person", die aber auch nur ein Sammelbegriff ist für bei a gebildete Präferenzen A1 und andere Einflüsse zum Zeitpunkt b. Letztlich wird so die "Person", und bilde sie sich auch noch so sehr selbst, zum Selbstbild eines Sammelbeckens von Folgen äußerer und innerer alternativloser Vorgänge.

Die Autonomie einer solchen "Person" besteht daher meines Erachtens nur daraus, daß sie simuliert, entscheidet und handelt, und dabei ein Selbstmodell ausbildet.
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PataPata
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Beitrag(#1407448) Verfasst am: 19.12.2009, 22:23    Titel: Antworten mit Zitat

Meine Überzeugung, dass die Willensfreiheit eine starke Illusion ist, ist an wanken - das habe ich schon geschrieben. Ich verfolge immer noch die sehr interessante Diskussion hier und habe immer noch den Eindruck, dass die einfachere Annahme, nämlich dass es keine Willensfreiheit gibt, eine Übersimplifizierung der Realität ist - es ist einfacher für diese Hypothese zu argumentieren als für die Existenz der Willensfreiheit, dessen Natur wir (noch) nicht kennen.

Ich möchte hier einen anderen Aspekt noch aufwerfen, der meines Wissens hier noch nicht diskutiert worden ist. Dass die unbelebte Natur streng deterministisch funktioniert - abgesehen von einigen quantenmechanischen Finessen - bezweifelt wohl niemand. Zuerst kommt die Ursache und dann die Wirkung (ich lasse mal die Möglichkeit einer Synchronizität aus dem Spiel). Ist es nicht so, dass die belebte Natur (ohne jetzt irgendwelche mystischen Argumente hervor holen zu wollen) es fertig bringt, diese Kette umzukehren ? Man handelt "um zu" - d.h. die Ursache des Handelns liegt in der Zukunft. Teleologie ! Ich meine, darin besteht doch einer der wesentlichen Unterschiede zwischen belebter und unbelebter Natur. Daher muss es doch allzu reduktionistisch sein, wenn man physikalische Gesetze, die für die unbelebte Natur formuliert und experimentell überprüft worden sind, unbesehen auf lebende Wesen anwendet.

Ja, ja, mit Sicherheit wird jetzt geantwortet werden, dass in der Zukunft liegende Ursachen eigentlich aus in der Vergangenheit stattgefundenen Ursachen konstruiert werden, und dass die Teleologie eine Illusion ist. Nur zu...
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step
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Beitrag(#1407460) Verfasst am: 19.12.2009, 23:08    Titel: Antworten mit Zitat

PataPata hat folgendes geschrieben:
... es ist einfacher für diese Hypothese zu argumentieren als für die Existenz der Willensfreiheit, dessen Natur wir (noch) nicht kennen.

Naja, AP zum Beispiel argumentiert für die Existenz einer WF, deren Natur (die gebildete Abwägungsfähigkeit) er kennt. Und ich habe das Problem, daß nahezu jeder Anhänger der WF diese anders definiert.

PataPata hat folgendes geschrieben:
... Teleologie ! ... Ja, ja, mit Sicherheit wird jetzt geantwortet werden, dass in der Zukunft liegende Ursachen eigentlich aus in der Vergangenheit stattgefundenen Ursachen konstruiert werden, und dass die Teleologie eine Illusion ist. Nur zu...

Ich drücke es ein wenig anders aus: Das Besondere an zielgerichtetem Handeln ist doch, daß wir dazu zukünftige Entwicklungen simulieren können müssen. Und das geht auch ohne Willensfreiheit oder Kausalitätsumkehr, oder?
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PataPata
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Beitrag(#1407483) Verfasst am: 19.12.2009, 23:58    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
PataPata hat folgendes geschrieben:
... es ist einfacher für diese Hypothese zu argumentieren als für die Existenz der Willensfreiheit, dessen Natur wir (noch) nicht kennen.

Naja, AP zum Beispiel argumentiert für die Existenz einer WF, deren Natur (die gebildete Abwägungsfähigkeit) er kennt. Und ich habe das Problem, daß nahezu jeder Anhänger der WF diese anders definiert.
...was genau zeigt, dass wir diese Natur nicht kennen.

step hat folgendes geschrieben:
PataPata hat folgendes geschrieben:
... Teleologie ! ... Ja, ja, mit Sicherheit wird jetzt geantwortet werden, dass in der Zukunft liegende Ursachen eigentlich aus in der Vergangenheit stattgefundenen Ursachen konstruiert werden, und dass die Teleologie eine Illusion ist. Nur zu...

Ich drücke es ein wenig anders aus: Das Besondere an zielgerichtetem Handeln ist doch, daß wir dazu zukünftige Entwicklungen simulieren können müssen. Und das geht auch ohne Willensfreiheit oder Kausalitätsumkehr, oder?
...ich sagte es ja... Mit den Augen rollen

...lass mir noch etwas Zeit (ist mir Wurst, wenn ich die Abgabefrist verpasse)...
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Beitrag(#1408166) Verfasst am: 21.12.2009, 17:18    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Ich verstehe zwar, daß man Unwissen ("Umnachtung") als Unfreiheit verstehen kann, aber für mich ist da eher Handlungsfreiheit gemeint. Der schwache Computer kann zwar seine kurzzeitige Präferenz befriedigen (ziehen, was er für am besten hält), nicht aber seine langfristige (gewinnen). Man könnte ihn daher - langfristig betrachtet - als weniger handlungsfrei bezeichnen, denn er verliert oft, obwohl er das nicht präferiert.

Wenn man hier mal beiseite lässt, dass der Begriff "Handlung" nicht unbedingt so richtig auf die Aktionen eines Schachcomputers passt, könnte man das wohl so sagen, ja.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... dennoch halte ich die Vorgehensweise, Handlungen einer Person zuzuordnen, eine Person als Urheber ihrer Handlungen zu sehen (so sie gewisse Voraussetzungen erfüllt: hat einen gewissen Level der Reflektionsfähigkeit erreicht, stand nicht unter zu großem äußeren oder innerem Zwang), für berechtigt, in keinem Widerspruch zu irgend welchen Erkenntnissen stehend.

Erstmal kann ich natürlich eine menschliche Handlung meist einem menschlichen Individuum (Körper mit bestimmten Bewußtseinseigenschaften) zuordnen, da ja die Präferenz, akute Entscheidung und akute Handlungssteuerung offensichtlich komplex und wesentlich "in" diesem Individuum stattfindet (lokal und emergent-funktional). Handlungsfreiheit alleine reicht allerdings für diese Zuordnung.

Nein, das denke ich nicht. Wenn ich ein Subjekt so manipuliere, dass es etwas will, ohne dass es diese Manipulation erkennt und daraufhin dann handelt, würde man dennoch unter bestimmten Umständen die Handlung eher mir zuordnen, d.h. mich als Urheber sehen.

step hat folgendes geschrieben:
Darüberhinaus sehe ich eine gewisse Berechtigung für die (mikroskopisch betrachtet eigentlich falsche) Zuweisung einer autonomen Urheberschaft, insofern man die Handlungen eines sozialen Individuums auf diese Weise effizienter determiniert und beeinflusst (z.B. Verantwortung zuweisen, Verläßlichkeit und Kooperation absichern, psychisch stabilisieren usw.) - denn das Individuum ist ja die Stelle, mit der man kommuniziert, an die man appelliert, die auf Schmerzen reagiert usw. - aber das ist aus Deiner Sicht vmtl. eine andere Baustelle.

"Autonome Urheberschaft" kann natürlich nie bedeuten "völlig autonome Urheberschaft", es kann immer nur bedeuten "hinreichend autonome Urheberschaft". Das muss man schon im Hinterkopf behalten. Und jetzt sehe ich noch nicht, wieso es "mikroskopisch betrachtet eigentlich falsch" sein sollte, jemanden als Urheber seiner Handlungen zu sehen. Wir haben doch gar keine Möglichkeit dazu, die Welt nur mikroskopisch zu betrachten. Wir müssen ordnen und kategorisieren (das ist ein Tisch, das ist Physik, das ist ein Subjekt, das ist seine Handlung), es ist wenig hilfreich und mE letztlich sogar sinnlos, zu behaupten, nur Beschreibungen auf der Mikroebene seien die einzig wahren.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es spielt doch überhaupt keine Rolle, ob Verhalten wie auch immer determiniert ist. Es spielt hier nur eine Rolle, durch was oder wen es determiniert ist. Ob es a) von außen (äußerer Zwang) oder b) von innen, also durch die Person selber determiniert ist. Das ist für mich der wesentliche Unterschied. Und dann gilt eben für mich: a) = frei, b) = unfrei.

Und für mich ist diese Grenze letztlich künstlich: Ob jemand zum Zeitpunkt c Verhalten C1 oder C2 zeigt, ist (im Fall fehlender "Zwänge") determiniert durch seine Präferenz. Jetzt sagst Du, diese ist nicht einfach selbst wieder determiniert, sondern kann durch sich selbst beeinflußt und gebildet werden, und das mache den wesentlichen Unterschied. Wodurch wird denn aber entschieden, ob die Bildung der Präferenz zum Zeitpunkt b<c in Richtung B1 oder B2 geht? Du sagst, das entscheidet "die Person", die aber auch nur ein Sammelbegriff ist für bei a gebildete Präferenzen A1 und andere Einflüsse zum Zeitpunkt b. Letztlich wird so die "Person", und bilde sie sich auch noch so sehr selbst, zum Selbstbild eines Sammelbeckens von Folgen äußerer und innerer alternativloser Vorgänge.

Naturalistisch monistisch gesehen ist eine Person natürlich bestimmte natürliche Zustände / Abläufe (bzw. auf höherer Ebene Wille, Präferenzen etc.) und muss das auch sein, sonst hätte man keine naturalistische Auffassung. Einige dieser Abläufe kann man nun einem Selbstbild zuordnen, gut, aber es erscheint mir wenig sinnvoll, zu sagen, eine Person sei ihr Selbstbild.

step hat folgendes geschrieben:
Die Autonomie einer solchen "Person" besteht daher meines Erachtens nur daraus, daß sie simuliert, entscheidet und handelt, und dabei ein Selbstmodell ausbildet.

Ja, könnte man so sagen. Was ist nun Dein Problem damit ("nur")?
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step
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Beitrag(#1408261) Verfasst am: 21.12.2009, 21:01    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ich verstehe zwar, daß man Unwissen ("Umnachtung") als Unfreiheit verstehen kann, aber für mich ist da eher Handlungsfreiheit gemeint. Der schwache Computer kann zwar seine kurzzeitige Präferenz befriedigen (ziehen, was er für am besten hält), nicht aber seine langfristige (gewinnen). Man könnte ihn daher - langfristig betrachtet - als weniger handlungsfrei bezeichnen, denn er verliert oft, obwohl er das nicht präferiert.
Wenn man hier mal beiseite lässt, dass der Begriff "Handlung" nicht unbedingt so richtig auf die Aktionen eines Schachcomputers passt, könnte man das wohl so sagen, ja.

Nun hattest Du ja oben geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jemand, der mehr Handlungsoptionen überhaupt erkennen / sich ausdenken kann, hat mAn mehr Freiheitsgrade, als jemand, der alternativlos einem vorgegeben Weg folgt.

Meines Erachtens habe ich jetzt für den in diesem Fall analogen Schachcomputer gezeigt, daß

- der Unterschied gar nicht in der Zahl der Alternativen steckt, sondern z.B. in der Simulationstiefe bzw. der Fähigkeit zu längerfristiger Präferenzbefriedigung

- es bei der Auswertung von Alternativen eher um eine Art Handlungsfreiheit, als um Willensfreiheit geht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Erstmal kann ich natürlich eine menschliche Handlung meist einem menschlichen Individuum (Körper mit bestimmten Bewußtseinseigenschaften) zuordnen, da ja die Präferenz, akute Entscheidung und akute Handlungssteuerung offensichtlich komplex und wesentlich "in" diesem Individuum stattfindet (lokal und emergent-funktional). Handlungsfreiheit alleine reicht allerdings für diese Zuordnung.
Nein, das denke ich nicht. Wenn ich ein Subjekt so manipuliere, dass es etwas will, ohne dass es diese Manipulation erkennt und daraufhin dann handelt, würde man dennoch unter bestimmten Umständen die Handlung eher mir zuordnen, d.h. mich als Urheber sehen.

Das widerlegt meine Aussage aber erstmal nicht. In diesem Fall wäre eben auch Deine Handlungsfreiheit beteiligt, also daß Du gemäß Deinen Präferenzen den Anderen manipulierst. Klar kannst Du jetzt den "Schwerpunkt" der Handlungsfreiheit bei Dir sehen, weil - wie beim Computer oben - Du sozusagen mächtiger bist und langfristigere Präferenzen befriedigst als der Manipulierte. Und diesen Schwerpunkt nennst Du jetzt "Urheberschaft". Soweit nachvollziehbar.

Offensichtlich gehst Du aber einen Schritt weiter und weist Personen über ihre Handlungsfreiheit/"Urheberschaft" hinaus eine weitere Eigenschaft zu, die irgendwie damit zu tun hat, daß die Präferenzbildung komplex, rekursiv und bewußt ist.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wir müssen ordnen und kategorisieren (das ist ein Tisch, das ist Physik, das ist ein Subjekt, das ist seine Handlung)...

Das ist sicher schon aus pragmatischen Gründen richtig, ähnlich wie wir auch "massiv", "Rasse" oder "Sonnenaufgang" sagen, obwohl es eigentlich falsch oder zumindest unscharf ist. Es reicht eben aus für den Alltag. Problematisch wird das erst, wenn man daraus Dinge ableitet, bei deren Ableitung solche Ungenauigkeiten wesentlich werden, z.B.

massiv -> mit Materie ausgefüllt
Rasse -> Rassenlehre
Sonnenaufgang -> Geozentrismus

und meines Erachtens eben hier:

entscheidendes Individuum (Subjekt) -> Entscheidungsfreiheit / Willensfreiheit

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... aber es erscheint mir wenig sinnvoll, zu sagen, eine Person sei ihr Selbstbild.

Nein, das Ich ist das Selbstbild des Körpers, und als Person bzw. Subjekt bezeichnen wir Körper/Strukturen, die Selbstbilder ausprägen (etwas grob ausgedrückt).

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Die Autonomie einer solchen "Person" besteht daher meines Erachtens nur daraus, daß sie simuliert, entscheidet und handelt, und dabei ein Selbstmodell ausbildet.
Ja, könnte man so sagen. Was ist nun Dein Problem damit ("nur")?

Na, es geht dabei stehts alternativlos zu, und (graduelle) Handlungsfreiheit reicht als Freiheitskonzept aus.
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PataPata
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Beitrag(#1408289) Verfasst am: 21.12.2009, 22:18    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn man hier mal beiseite lässt, dass der Begriff "Handlung" nicht unbedingt so richtig auf die Aktionen eines Schachcomputers passt...
Man kann ja einen Roboter mit einem Händchen vom Schachcomputer aus steuern, der die Figuren verschiebt - wäre das dann eher eine "Handlung" ?
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Skeptiker
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Beitrag(#1408328) Verfasst am: 22.12.2009, 00:31    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Erstens ist auch ein rein zufälliges Ereignis kein Ereignis ohne Ursache.
Was verursacht denn den Zufallswert eines solchen Ereignisses?
... Was bewirkt den Zufall? Womöglich einfach gleichwertige/gleichstabile Folgezustände.
Das kann aber nicht den Zufallswert erklären. Nehmen wir an, A1 und A2 sind "gleichwertige" Folgezustände. Wer oder was bestimmt ("verursacht") nun, daß in einer ganz bestimmten Situation A1 und nicht A2 geschieht?
Das lässt sich gar nicht bestimmen und es gibt auch nichts und niemanden, der das bestimmt. Im Gegenteil: Gerade weil niemand das Ergebnis bestimmt, sind beide Ereignisse gleichwertig.

Wenn also nichts und niemand den Zufallswert bestimmt, dann ist er ohne Ursache, und damit Deine ursprüngliche Behauptung widerlegt. Vermutlich hast Du Dich nur ungenau ausgedrückt und meintest eigentlich, daß es eine Ursache hat, daß überhaupt etwas geschieht (nämlich A1 oder A2).


Der Zufallswert wird allein empirisch "bestimmt". Es gibt genau genommen gar kein Naturgesetz, welches nicht empirisch bestimmt worden ist. Da macht der Zufall keine Ausnahme.

Wenn Du also fragst, welche Ursache ein Naturgesetz hat - wie etwa eine bestimmte Zufallsverteilung für ein Ereignis oder ein System - dann haben wir darauf prinzipiell keine Antwort.

Wenn Du aber fragst, welche Ursache ein bestimmtes Zufallsereignis hat, so ist die Ursache eben ein bestimmtes Zufallsgesetz. Das ist zwar tautologisch, wenn Du so willst, aber das trifft auf jedes andere Gesetz auch zu.

Der Unterschied zwischen einem determinierten und einem Zufallsereignis ist nur, dass letzteres nicht durch deterministische Gesetze, sondern durch Zufallsgesetze verursacht wird. Dass damit eine genaue Bestimmung oder Voraussage entfällt, liegt in der Sache selbst. Ohne Ursache ist das Zufallsereignis deshalb genau so wenig wie jedes andere Ereignis ebenfalls.

Jedes bestimmte Ereignis hat eine bestimmte, wenn auch nicht unbedingt eine bestimmende Ursache. Umgekehrt können identische Ereignisse natürlich auch durchaus aus verschiedenen Ursachen entstehen. (So dass eine Folge nicht unbedingt retrograd eine bestimmte Ursache bestimmt.)

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Wichtig ist lediglich, dass der alte Zustand A zugunsten des neuen Zustandes A1 negiert wird.

Was hast Du immer mit dem "Negieren"? Die Ereignisse A und A liegen doch einfach nur an zeitlich benachbarten Raumzeitpunkten herum und sind durch gewisse Naturgesetze korreliert, wobei im Fall echten Zufalls da ein echter Freiheitsgrad wäre.


Was hast Du mit Deinen echten Freiheitsgraden?

Dass Zustände sich selbst durch sich selbst negieren, ist womöglich der entscheidende Motor für Entwicklung überhaupt und eben nicht das Ansteuern determinierter Zustände. Während diese insgesamt prinzipiell unvorhersehbar sind, sind die negierten und vergangenen Zustände doch im Prinzip bestimmbar. Hätte also die Welt ein bewusstes Streben, so könnte man ihr unterstellen, dass es ihr egal ist, wo sie hingeht. Ihr ist nur wichtig, dass sie nie dort bleibt, wo sie ist. Die Welt ist etwas, was sich selber immer wieder abschafft, um stets immer wieder Neues zu schaffen. Dieses Neue ist aber völlig unbestimmt und auch unbestimmbar.

Wo die Welt hingeht, lässt sich auch nur empirisch erforschen (siehe meine Antwort an Hornochse).

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Und weiterhin ist wichtig, dass nicht A1 und A2 gleichzeitig stattfinden können.

Klassisch gesehen richtig. Mit Blick auf die Quantentheorie sollte man vorsichtiger formulieren, etwa: "... dass wir nie beide beobachten können".


Vorsicht ist also die Mutter der Quantentheorie. Doch die MWT ist eine reine Spekulation. Spekulationen stehen der Wissenschaft nicht gut zu Gesicht.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Man könnte sich ja in der Fantasie vorstellen, dass die Welt vor der Wahl steht und sich nicht entscheiden kann und deshalb stehenbleibt, weil die Wahlalternativen so gleichwertig sind.

Deswegen finden ja viele Physiker die Kopenhagener Interpretation unbefriedigend, denn dort benötigt man eine Art geheimnisvolle Zustandsreduktion, die in etwa der von Dir beschriebenen Phantasie entspricht.


Das ist in der Tat merkwürdig. Die Funktion scheint zusammenzubrechen. Was aber ist die Rolle der Information in der Welt? Ist es nicht so, dass die Physik bislang nicht geschafft hat, die Rolle der Information in ihre Modelle zu integrieren?

step hat folgendes geschrieben:
Aber auch ganz ohne Zufall muß ein Folgezustand existieren, da die Schrödingergleichung des Systems eine unitäre Zeitentwicklung beinhaltet. Das könnte sich höchstens ändern, wenn die SG keine gue Beschreibung mehr ist, z.B. in der Nähe von Raumzeitsingularitäten oder auf Skalen kleiner als die Plancklänge. Wie es da aussieht mit Kausalität und Untarität usw., das weiß man einfach noch nicht.


Die unitäre Zeitentwicklung wird ja durch die Messung beendet. Wie es da mit der Kausalität aussieht, ist die Frage. Welche Kausalität erzeugt die Messung?

Und was die Skalen unterhalb der Plancklänge angeht - da könnte es ja sein dass Materie in diesem superkleinen Maßstab ganz andere Eigenschaften und Formen zeigt, vielleicht ist Materie auch unendlich teilbar und wird in verschiedenen Größendimensionen durch völlig andere Gesetze beschrieben.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... Wir finden mit der Naturwissenschaft nur gute (d.h. voraussagefähige) Theorien.
Sofern es etwas vorauszusagen gibt. Das ist ja nicht immer der Fall.

Wenn es erwiesenermaßen nichts vorauszusagen gibt, ist das echter Zufall.


Es gibt noch etwas anderes, was sich nicht voraussagen lässt und aus dem Zusammenspiel von Zufall und Notwendigkeit ergibt: Entwicklung.

Zufall selbst ist keine Freiheit, sondern zunächst einmal Beliebigkeit. Aber der Zufall kann eine Basis für zufällige, dann aber arretierte Ankerpunkte einer Höherentwicklung sein, wodurch dann auch andere mögliche Zufälle rausgeworfen werden aus dem Spiel.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
In den Bereichen, wo das der Fall ist, hat die Theorie voraussagenden Charakter. Das heisst aber nicht, dass nur voraussagefähige Theorien gut sind. Theorien, die nichts voraussagen können, weil es objektiv nichts vorauszusagen gibt, sind - da sie die Realität genau so gut abbilden können - genau so gut oder genau so schlecht wie voraussagefähige Theorien. Und Prüfen kann man ja beides.

Nein, eine Theorie, die nichts voraussagen kann (sei es, weil sie schlecht ist oder weil es nichts vorauszusagen gibt), ist nicht prüfbar und auch keine Theorie im naturwissenschaftlichen Sinne.


Was ich sagte ist:

Die Theorie über die Welt kann nie wahrer sein als die Welt selber. Wenn Teile der Welt real unbestimmt sind, muss eine gute Theorie diese Unbestimmtheit nachzeichnen. Kann sie das nicht, ist sie vielleicht eine pseudogute Theorie, indem sie Vorhersagbarkeit vorgaukelt, aber sie ist in Wirklichkeit eine schlechte Theorie, weil sie falsch ist.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Ich sehe derzeit in Teilen der physikalischen Zunft eine einseitige Sichtweise in dem Sinne, dass gute Theorien nur voraussagefähige Theorien sein können. Das meine ich mit trügerischem Konsens.

Diese Sichtweise ist sozusagen erzwungen, weil sich gezeigt hat, daß nur voraussagefähige Theorien zu verläßlichen Ergebnissen führen und daß diese Forderung daher nützlich ist.


Auch das Gesetz der großen Zahl ist ein verlässliches Gesamtergebnis, auch wenn es über den Einzelfall nichts aussagt. Im Grunde sagst Du nichts aus. Du setzt eigentlich nur Verlässlichkeit und Voraussagefähigkeit synonym. Dahinter steckt ein Wunsch, nämlich der Wunsch nach der Weltformel und Voraussagbarkeit der Welt, wohinter sich wiederum andere Wünsche verbergen.

Aber die Weltformel ist Illusion. Sie ist prinzipiell unmöglich.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... Handlungsfreiheit ist somit definitiv nicht die beliebige Wahl einer beliebigen Handlung!!!
Das behauptet ja auch niemand hier.
Das klang mal so, meine ich ...- Pfeifen

Bei wem und wo?


Es ging um die Zahl der Alternativen ("Freiheitsgrade"). Doch es ist paradox: Denn je mehr unerwünschte Alternativen ausgeschaltet werden und somit die Zahl der Alternativen reduziert wird (- ggf. bis auf 0! -), desto erwünschter ist das, was übrig bleibt. Ein gewünschter Zustand ohne Alternative ist im Gegensatz zu zig tausend unerwünschten Zuständen eine freierer Zustand.

Eine Entwicklung zu mehr Freiheit benötigt also wiederum die Negation ...-

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AgentProvocateur
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Beitrag(#1408379) Verfasst am: 22.12.2009, 03:02    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn man hier mal beiseite lässt, dass der Begriff "Handlung" nicht unbedingt so richtig auf die Aktionen eines Schachcomputers passt, könnte man das wohl so sagen, ja.

Nun hattest Du ja oben geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jemand, der mehr Handlungsoptionen überhaupt erkennen / sich ausdenken kann, hat mAn mehr Freiheitsgrade, als jemand, der alternativlos einem vorgegeben Weg folgt.

Meines Erachtens habe ich jetzt für den in diesem Fall analogen Schachcomputer gezeigt, daß

- der Unterschied gar nicht in der Zahl der Alternativen steckt, sondern z.B. in der Simulationstiefe bzw. der Fähigkeit zu längerfristiger Präferenzbefriedigung

- es bei der Auswertung von Alternativen eher um eine Art Handlungsfreiheit, als um Willensfreiheit geht.

Also nochmal:

ich verstehe unter Handlungsfreiheit: X kann tun, was er will

und unter Willensfreiheit:

X kann wollen, was er will (-> kann seinen Willen - in einem bestimmten Maße - selber bilden)

Zur "Freiheit an sich" des Menschen gehört für mich beides gleichermaßen. Fehlt eines ganz, dann fehlt auch die "Freiheit an sich" ganz.

Der Schachcomputer hat meinetwegen Handlungsfreiheit, (wenn man mal unhinterfragt annimmt, dass er gewinnen "will"), und umso mehr davon, als er die Fähigkeit / Berechnungsstärke hat, seinen "Willen" zu realisieren, aber er hat keine Entscheidungsfreiheit.

Dennoch aber kann man auch die beiden Aspekte der Freiheit (so wie ich sie sehe) für sich betrachten und graduell bewerten. Das ist mE kein Widerspruch.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn ich ein Subjekt so manipuliere, dass es etwas will, ohne dass es diese Manipulation erkennt und daraufhin dann handelt, würde man dennoch unter bestimmten Umständen die Handlung eher mir zuordnen, d.h. mich als Urheber sehen.

Das widerlegt meine Aussage aber erstmal nicht. In diesem Fall wäre eben auch Deine Handlungsfreiheit beteiligt, also daß Du gemäß Deinen Präferenzen den Anderen manipulierst. Klar kannst Du jetzt den "Schwerpunkt" der Handlungsfreiheit bei Dir sehen, weil - wie beim Computer oben - Du sozusagen mächtiger bist und langfristigere Präferenzen befriedigst als der Manipulierte. Und diesen Schwerpunkt nennst Du jetzt "Urheberschaft". Soweit nachvollziehbar.

Hm. Es ging mir aber dabei um etwas anderes, nämlich nicht um meine Handlungsfreiheit in dem Falle, sondern um die Einschränkung der Willensfreiheit des anderen, die ich dadurch bewirke (falls ich ein genialer Hirnchirurg wäre oder so). Seine Handlungsfreiheit schränke ich ja nicht ein, wenn ich ihm einen (meinen) Willen induziere, ich ändere nur seinen Willen. Dann kann er immer noch tun, was er dann will (wobei dann sein Wille von mir bestimmt wurde und also mit meinem Willen übereinstimmt). Würde man ihn dann noch als ("an sich") frei ansehen und damit als Urheber seiner (von mir herbeigeführten) Handlung? Doch wohl eher nicht, wenn er in einem bestimmten Grade nur noch meinen Willen ausführen will.

step hat folgendes geschrieben:
Offensichtlich gehst Du aber einen Schritt weiter und weist Personen über ihre Handlungsfreiheit/"Urheberschaft" hinaus eine weitere Eigenschaft zu, die irgendwie damit zu tun hat, daß die Präferenzbildung komplex, rekursiv und bewußt ist.

Ja. Es ist für mich ein entscheidender Unterschied, ob jemand seinen Willen selber bildet oder ob der Wille "von außen" gebildet wurde. Betrachtete man nur Handlungsfreiheit und hält diese für Freiheit "an sich" für hinreichend, (d.h.: ein Mensch ist frei, wenn er Handlungsfreiheit hat), dann spielte diese Frage natürlich überhaupt keine Rolle. Was mir, wie gesagt, sehr merkwürdig und unplausibel vorkommt.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wir müssen ordnen und kategorisieren (das ist ein Tisch, das ist Physik, das ist ein Subjekt, das ist seine Handlung)...

Das ist sicher schon aus pragmatischen Gründen richtig, ähnlich wie wir auch "massiv", "Rasse" oder "Sonnenaufgang" sagen, obwohl es eigentlich falsch oder zumindest unscharf ist. Es reicht eben aus für den Alltag. Problematisch wird das erst, wenn man daraus Dinge ableitet, bei deren Ableitung solche Ungenauigkeiten wesentlich werden, z.B.
[...]
entscheidendes Individuum (Subjekt) -> Entscheidungsfreiheit / Willensfreiheit

Was ist daran nun ungenau, wenn man mein Verständnis von "Willensfreiheit / Entscheidungsfreiheit" zugrunde legt (welches ein graduelles ist - wie gesagt)?

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Die Autonomie einer solchen "Person" besteht daher meines Erachtens nur daraus, daß sie simuliert, entscheidet und handelt, und dabei ein Selbstmodell ausbildet.
Ja, könnte man so sagen. Was ist nun Dein Problem damit ("nur")?

Na, es geht dabei stehts alternativlos zu,

Irgendwie scheinst Du nun "Alternative" nicht im umgangssprachlichen Sinne zu verwenden. Wenn ich mich entscheide zwischen den Alternativen "studiere ich Physik?" oder "studiere ich Mathe?" oder "studiere ich was ganz anderes?" oder "studiere ich gar nicht?" oder "kann ich mich nicht entscheiden und lasse alles auf mich zukommen?", dann sind all das Alternativen (zumindest erst mal hypothetische, wenn man jetzt noch annimt, dass ich Abitur und zusätzlich einen guten Notendurchschnitt habe, dann sind es auch reale). Dass ich mich letztlich aber für etwas aus diesen Alternativen entscheide (und somit auch entscheiden "muss"), ist doch aber banal und stellt doch meine (Entscheidungs-)Freiheit gar nicht in Frage. Oder? Wenn ja: wieso? Wäre jemand dAn freier (oder überhaupt erst "echt" frei), wenn er, wenn man die Zeit zig-mal zurückdrehen würde, sich mal für Mathe, mal für Physik, mal für Psychologie, mal für eine Lehre, mal für eine "Drogenkarriere" und mal für gar nichts entschiede? Wenn ja: wieso?

step hat folgendes geschrieben:
und (graduelle) Handlungsfreiheit reicht als Freiheitskonzept aus.

Nein, meiner Meinung nach nicht. Wie oben versucht zu begründen. MAn ist es keineswegs egal, wie ein Wille / eine Präferenz gebildet wird, es ist mE ein wesentlicher Unterschied, ob dieser / diese selber gebildet wurde (jemand, der die prinzipielle Fähigkeit dazu besitzt, ist ja mE "freier") oder von außen aufgedrückt wurde (wobei es auch noch einen Unterschied macht, ob ich das erkennen kann oder nicht - kann ich es, dann erkenne ich meine Unfreiheit in dem Falle, kann ich es nicht, dann sehe ich noch nicht mal das).

Wie würdest Du denn eigentlich "Handlungsfreiheit" definieren? Mir scheint, wir haben dabei unterschiedliche Definitionen.
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Beitrag(#1408424) Verfasst am: 22.12.2009, 10:11    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Die unitäre Zeitentwicklung wird ja durch die Messung beendet.

Diese Vorstellung ist falsch und ein Relikt aus der Zeit, als man noch keine Dekohärenztheorie hatte und die Kopenhagener Deutung auf das Meßobjekt isoliert anwandte. Habe ich hier auch schon des öfteren erklärt.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Und was die Skalen unterhalb der Plancklänge angeht - da könnte es ja sein dass Materie in diesem superkleinen Maßstab ganz andere Eigenschaften und Formen zeigt, vielleicht ist Materie auch unendlich teilbar und wird in verschiedenen Größendimensionen durch völlig andere Gesetze beschrieben.

Du solltest an Deine eigenen Spekulationen strengere Maßstäbe anlegen oder aber wohlfeile Sprüche wie diesen hier unterlassen:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Spekulationen stehen der Wissenschaft nicht gut zu Gesicht.


Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... Wir finden mit der Naturwissenschaft nur gute (d.h. voraussagefähige) Theorien.
Sofern es etwas vorauszusagen gibt. Das ist ja nicht immer der Fall.
Wenn es erwiesenermaßen nichts vorauszusagen gibt, ist das echter Zufall.
Es gibt noch etwas anderes, was sich nicht voraussagen lässt und aus dem Zusammenspiel von Zufall und Notwendigkeit ergibt: Entwicklung.

Wen es Entwicklungen gibt, die so komplex sind, daß man sie nicht vorraussagen kann, dann kann man auch keine gute Theorie darüber aufstellen.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Die Theorie über die Welt kann nie wahrer sein als die Welt selber. Wenn Teile der Welt real unbestimmt sind, muss eine gute Theorie diese Unbestimmtheit nachzeichnen.

Dann ist es eine Theorie über eine Unbestimmtheit und kann als solche überprüft werden, z.B. indem man einen Zufallsverteilung mißt. Wie Du es auch drehst, die Theorie ist immer genau da gut, wo sie voraussagen kann.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Du setzt eigentlich nur Verlässlichkeit und Voraussagefähigkeit synonym.

So ähnlich: Ich gehe von einer guten Korrelation zwischen den beiden aus.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Dahinter steckt ein Wunsch, nämlich der Wunsch nach der Weltformel und Voraussagbarkeit der Welt, wohinter sich wiederum andere Wünsche verbergen.

So ein Unsinn. Dahinter steckt einfach nur die empirische Erfahrung, daß es so funktioniert und noch niemand effizentere Ansätze vorgezeigt hat.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... Handlungsfreiheit ist somit definitiv nicht die beliebige Wahl einer beliebigen Handlung!!!
Das behauptet ja auch niemand hier.
Das klang mal so, meine ich ...- Pfeifen

Bei wem und wo?
Es ging um die Zahl der Alternativen ("Freiheitsgrade"). Doch es ist paradox: Denn je mehr unerwünschte Alternativen ausgeschaltet werden und somit die Zahl der Alternativen reduziert wird (- ggf. bis auf 0! -), desto erwünschter ist das, was übrig bleibt. Ein gewünschter Zustand ohne Alternative ist im Gegensatz zu zig tausend unerwünschten Zuständen eine freierer Zustand.

Aber die meisten hier sind sich doch einig, daß Handlungsfreiheit (also zu tun was man will) nicht auf einer beliebigen Wahl basiert (sondern auf einer durch die Präferenz gegebenen) und auch nicht zu einer beliebigen Handlung führt (sondern zu einer der Wahl entsprechenden). Also war Deine Behauptung falsch.
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Beitrag(#1408495) Verfasst am: 22.12.2009, 12:58    Titel: Antworten mit Zitat

@AP: Ich gehe diesmal nicht auf alles, ein, mangels Zeit.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wie würdest Du denn eigentlich "Handlungsfreiheit" definieren? Mir scheint, wir haben dabei unterschiedliche Definitionen.

Ich denke, wir stimmen da im wesentlichen überein: "Handlungsfreiheit" = ungehindertes präferenzgemäßes Handeln. Umgangssprachlich: man kann das tun, was man will.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Seine Handlungsfreiheit schränke ich ja nicht ein, wenn ich ihm einen (meinen) Willen induziere, ich ändere nur seinen Willen. Dann kann er immer noch tun, was er dann will (wobei dann sein Wille von mir bestimmt wurde und also mit meinem Willen übereinstimmt). Würde man ihn dann noch als ("an sich") frei ansehen und damit als Urheber seiner (von mir herbeigeführten) Handlung? Doch wohl eher nicht, wenn er in einem bestimmten Grade nur noch meinen Willen ausführen will.

Das finde ich jetzt verwirrend. Ist es nun sein Wille oder nicht? Wenn er immer noch tun kann, was er will, ist er handlungsfrei (**), wenn er "in einem bestimmten Grade nur noch [D]einen Willen ausführt", dann ist er in einem bestimmten Grade nicht mehr handlungsfrei.

(**) Wobei hier offen ist, wie genau man welche Präferenzen für ein Maß der Handlungsfreiheit gewichtet. Man könnte etwa jemandem mehr Handlungsfreiheit zumessen, der längerfristige Präferenzen befriedigen kann, siehe oben.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es ist für mich ein entscheidender Unterschied, ob jemand seinen Willen selber bildet oder ob der Wille "von außen" gebildet wurde.

Auch ich leugne diesen Unterschied ja nicht, nur glaube ich, daß er überbewertet wird, denn ich denke, daß ein hoher Prozentsatz unserer Präferenzen eher von außen gebildet werden (Biologie/Evolution, Kultur und Tradition, Erziehung, Feedback der Anderen, situative Umstände, ...).

Înteressant finde ich die Frage, warum wir die Selbstbildung und Autonomie dennoch intuitiv so hoch einschätzen (auch ich!). Vielleicht liegt das u.a. einfach daran, daß Präferenz, Entscheidung und Handlungssteuerung lokal im Individuum liegen und dieses zur Vereinfachung ein konsistentes, autonomes Selbstbild ausbildet. Wenn man umgekehrt an die Verantwortung des Individuums appelliert, z.B. sein Wissen und seine Moral zu bilden, so ist das mE auch für die Anderen nützlich.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Betrachtete man nur Handlungsfreiheit und hält diese für Freiheit "an sich" für hinreichend, (d.h.: ein Mensch ist frei, wenn er Handlungsfreiheit hat), dann spielte diese Frage natürlich überhaupt keine Rolle. Was mir, wie gesagt, sehr merkwürdig und unplausibel vorkommt.

Das ist aber nicht meine Position. Ich meine, der Mensch hat nun mal nicht mehr als eine mehr oder weniger "nachhaltige" Handlungsfreiheit - und damit eben keine "Freiheit an sich", was immer das außer Zufall/Willkür sein sollte.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Die Autonomie einer solchen "Person" besteht daher meines Erachtens nur daraus, daß sie simuliert, entscheidet und handelt, und dabei ein Selbstmodell ausbildet.
Ja, könnte man so sagen. Was ist nun Dein Problem damit ("nur")?

Na, es geht dabei stehts alternativlos zu, ...
Irgendwie scheinst Du nun "Alternative" nicht im umgangssprachlichen Sinne zu verwenden. Wenn ich mich entscheide zwischen den Alternativen "studiere ich Physik?" oder "studiere ich Mathe?" oder "studiere ich was ganz anderes?" oder "studiere ich gar nicht?" oder "kann ich mich nicht entscheiden und lasse alles auf mich zukommen?", dann sind all das Alternativen (zumindest erst mal hypothetische, wenn man jetzt noch annimt, dass ich Abitur und zusätzlich einen guten Notendurchschnitt habe, dann sind es auch reale).

Die Alternativen sind in jedem Fall hypothetische, denn es sind nur simulierte Zukünfte (was wäre, wenn?). Der Entscheidungsvorgang zwischen simulierten Alternativen erfolgt selbst alternativlos (außer wenn er zufällige Elemente enthält). Daß Du letzteres trivial findest, kann ich nachvollziehen. In der Umgeangssprache verstehen die meisten Leute Alternativen als "echte", also nicht nur simulierte, Alternativen, was mE auch damit zusammenhängt, daß es sich um Fälle handelt, in denen eine bestimmte Stichprobe mangels Unkenntnis irgendwie als vergleichbar angesehener Menschen (oder Situationen) sich erfahrungsgemäß unterschiedlich verhalten kann.
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Beitrag(#1408503) Verfasst am: 22.12.2009, 13:25    Titel: Freiheit ist Zielerreichungsfreiheit. Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Aber die meisten hier sind sich doch einig, daß Handlungsfreiheit (also zu tun was man will) nicht auf einer beliebigen Wahl basiert (sondern auf einer durch die Präferenz gegebenen) und auch nicht zu einer beliebigen Handlung führt (sondern zu einer der Wahl entsprechenden). Also war Deine Behauptung falsch.


Die Diskussion um die Handlungsfreiheit ist sowieso eine falsche, weil es zwar um Präferenzen geht, jedoch dann auch durchaus immer wieder um die Frage des Anders-Handeln-Könnens ja oder nein, was dann eben doch die frage nach den Alternativen - und der Zahl der Alternativen ins Spiel bringt.

Das führt deshalb in die Irre, weil es darum gar nicht geht. Denn wenn schon Präferenzen ins Spiel kommen, dann muss man unterscheiden zwischen Mitteln und Zielen. Und eine Handlung ist ein Mittel, das Ziel ist ein zweites.

Deshalb spreche ich nur von Zielerreichungfreiheit. Diese ist selten allein durch Handeln möglich. Da braucht es immer noch einiges mehr: die Umstände, die verfügbaren Mittel, Erkenntnisse, Strategien.

Hier also der Wunsch (die Präferenz), dort das Ziel und dazwischen die Handlung, die Umstände usw.

Losgelöst von Wunsch und Ziel ist eine Handlung sinnlos. Auch die Bewertung unterschiedlicher Handlungsalternativen ist nur möglich unter Einbeziehung dieser beiden Dinge.

Das Handeln ist dann frei, wenn es unter den bestehenden Umständen die "Präferenz" verwirklicht, das Handeln ist also frei, wenn es nicht nur theoretisch, sondern praktisch wirksam ist.

Die Präferenz zum Handeln allein reicht nicht aus, um darin schon Freiheit wiederfinden zu können.

Mein Vorschlag also: Lassen wir das Reden über Handlungsfreiheit und reden wir über Zielerreichungsfreiheit ...-!

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Beitrag(#1408631) Verfasst am: 22.12.2009, 18:39    Titel: Re: Freiheit ist Zielerreichungsfreiheit. Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Mein Vorschlag also: Lassen wir das Reden über Handlungsfreiheit und reden wir über Zielerreichungsfreiheit ...-!

Ein Ziel ist für mich eine Präferenz über die Zukunft, oder auch eine als zukünftig vorgestellte Präferenz. Daher ist die "Zielerreichungsfreiheit" sehr eng mit der Handlungsfreiheit verwandt:

Handlungsfriheit: Ich tue, was ich bevorzuge.
Zielerreichungsfreiheit: Ich tue, was dabei hilft, was ich für später bevorzuge.

Das hatte ich oben bereits erklärt, bei der Frage, ob der stärkere Schachcomputer längerfristige Präferenzen bedienen kann.
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Beitrag(#1408669) Verfasst am: 22.12.2009, 19:40    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Seine Handlungsfreiheit schränke ich ja nicht ein, wenn ich ihm einen (meinen) Willen induziere, ich ändere nur seinen Willen. Dann kann er immer noch tun, was er dann will (wobei dann sein Wille von mir bestimmt wurde und also mit meinem Willen übereinstimmt). Würde man ihn dann noch als ("an sich") frei ansehen und damit als Urheber seiner (von mir herbeigeführten) Handlung? Doch wohl eher nicht, wenn er in einem bestimmten Grade nur noch meinen Willen ausführen will.

Das finde ich jetzt verwirrend. Ist es nun sein Wille oder nicht? Wenn er immer noch tun kann, was er will, ist er handlungsfrei (**), wenn er "in einem bestimmten Grade nur noch [D]einen Willen ausführt", dann ist er in einem bestimmten Grade nicht mehr handlungsfrei.

Wenn ich jemandem einen Willen einpflanze (als genialer Hirnchirurg oder so), dann ist das danach sein Wille. Dass das dann auch mein Wille ist, spielt dabei keine Rolle. Und wieso sollte er dann nicht mehr handlungsfrei sein, wenn das doch, wie Du auch sagst, bedeutet, er kann handeln, wie er will? Er kann dann nicht wollen, was er will, nur noch das, was ich will, aber handeln nach seinem Willen kann er doch noch.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es ist für mich ein entscheidender Unterschied, ob jemand seinen Willen selber bildet oder ob der Wille "von außen" gebildet wurde.
[...] Înteressant finde ich die Frage, warum wir die Selbstbildung und Autonomie dennoch intuitiv so hoch einschätzen (auch ich!).

Naja, das hat, denke ich, damit zu tun, dass man ungerne Spielball anderer Interessen ist, denn man kann wohl berechtigterweise davon ausgehen, dass einem das langfristig nicht zum Vorteil gereicht. Man möchte daher lieber selber die Kontrolle behalten und diese nicht abgeben.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Betrachtete man nur Handlungsfreiheit und hält diese für Freiheit "an sich" für hinreichend, (d.h.: ein Mensch ist frei, wenn er Handlungsfreiheit hat), dann spielte diese Frage natürlich überhaupt keine Rolle. Was mir, wie gesagt, sehr merkwürdig und unplausibel vorkommt.

Das ist aber nicht meine Position. Ich meine, der Mensch hat nun mal nicht mehr als eine mehr oder weniger "nachhaltige" Handlungsfreiheit - und damit eben keine "Freiheit an sich", was immer das außer Zufall/Willkür sein sollte.

Hm, ich dachte, das wäre inzwischen klar. In meiner Sicht: Freiheit (des Menschen) = Handlungsfreiheit + Willensfreiheit

und: jemand, der lediglich Handlungsfreiheit besitzt, (also keine Kontrolle über seinen Willen hat), ist unfrei und ebenso ist jemand, der zwar Kontrolle über seinen Willen hat, den aber nie umsetzen kann, (er also keine Handlungsfreiheit hat), unfrei

step hat folgendes geschrieben:
Die Alternativen sind in jedem Fall hypothetische, denn es sind nur simulierte Zukünfte (was wäre, wenn?). Der Entscheidungsvorgang zwischen simulierten Alternativen erfolgt selbst alternativlos (außer wenn er zufällige Elemente enthält). Daß Du letzteres trivial findest, kann ich nachvollziehen. In der Umgeangssprache verstehen die meisten Leute Alternativen als "echte", also nicht nur simulierte, Alternativen, was mE auch damit zusammenhängt, daß es sich um Fälle handelt, in denen eine bestimmte Stichprobe mangels Unkenntnis irgendwie als vergleichbar angesehener Menschen (oder Situationen) sich erfahrungsgemäß unterschiedlich verhalten kann.

Was sind denn "echte, nicht nur simulierte" Alternativen?

Nehmen wir doch mein Beispiel von oben: jemand entscheidet sich für ein bestimmtes Studium (oder kein Studium oder für eine Lehre, egal). Wann wären denn in diesem Beispiel die Alternativen "Mathe oder Physik oder Lehre" "echt"? Wie kann man sich das konkret vorstellen?

MAn sind diese Alternativen ja dann real, wenn man sie durchführen könnte, wenn man das wollte, sich also dafür entschiede. Ich wüsste nicht, inwiefern Alternativen noch "echter" als das sein könnten.
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Beitrag(#1408740) Verfasst am: 22.12.2009, 22:02    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
jemand, der lediglich Handlungsfreiheit besitzt, (also keine Kontrolle über seinen Willen hat), ist unfrei ...

Was heißt den "Kontrolle über seinen Willen"? Für mich bedeutet das den (übrigens mE eher seltenen) Fall: Man hat eine Präferenz A (z.B. clean zu werden) und eine Präferenz B (z.B. ständig Lust auf Droge). Ist man handlungsfrei in bezug auf A, handelt man so, daß sich B möglichst ändert. Man bildet/ändert also eine Präferenz durch Handlungen, die von einer anderen Präferenz gesteuert werden. Und für all das reicht Handlungsfreiheit aus.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Die Alternativen sind in jedem Fall hypothetische, denn es sind nur simulierte Zukünfte (was wäre, wenn?). Der Entscheidungsvorgang zwischen simulierten Alternativen erfolgt selbst alternativlos (außer wenn er zufällige Elemente enthält). Daß Du letzteres trivial findest, kann ich nachvollziehen. In der Umgeangssprache verstehen die meisten Leute Alternativen als "echte", also nicht nur simulierte, Alternativen, was mE auch damit zusammenhängt, daß es sich um Fälle handelt, in denen eine bestimmte Stichprobe mangels Unkenntnis irgendwie als vergleichbar angesehener Menschen (oder Situationen) sich erfahrungsgemäß unterschiedlich verhalten kann.
Was sind denn "echte, nicht nur simulierte" Alternativen?

Das wäre, wenn ein Zustand mehrere Zukünfte hätte, und ein Akteur beeinflussen könnte, welche davon ihn enthält (er müßte damit eine Art Letztursache sein). So etwas gibt es zwar in unserer Welt nicht. Aber wenn man die Leute fragt, ob sie bei einer "freien" Entscheidung, vorausgesetzt dieselbe Situation würde nachgestellt, auch anders entscheiden könnten, dann sagen fast alle ja.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nehmen wir doch mein Beispiel von oben: jemand entscheidet sich für ein bestimmtes Studium (oder kein Studium oder für eine Lehre, egal). Wann wären denn in diesem Beispiel die Alternativen "Mathe oder Physik oder Lehre" "echt"? Wie kann man sich das konkret vorstellen?

Nein, sie sind nicht echt, die Entscheidung erfolgt determiniert, und hoffentlich meistens präferent (also handlungsfrei). Die Alternativen erscheinen dem Studienanfänger jedoch echt, weil (meine Deutung)
1. die Entscheidung an das Individuum gebunden ist
2. er im Moment keine eindeutige Präferenz (oder Gegenargument) hat
3. er weiß, daß viele Studenten in ähnlicher Situation unterschiedlich entscheiden

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
MAn sind diese Alternativen ja dann real, wenn man sie durchführen könnte, wenn man das wollte, sich also dafür entschiede. Ich wüsste nicht, inwiefern Alternativen noch "echter" als das sein könnten.

Klar, man kann Worte immer so definieren. Was ist schon "real"? Natürlich ist auch die Simulation auf ihre Weise real.

Wir hatten schon den Schachcomputer, auch da spricht man ja tatsächlich von mehreren Zugalternativen in dem Sinne, daß sie alle regulär wären. Dem "diese Züge wären alle regulär" entspricht bei der Handlungsentscheidung "diese simulierten Zukünfte erfüllen alle (2.) und (3.) oben". Jedenfalls soweit die Analogie hier noch reicht.
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Beitrag(#1408828) Verfasst am: 23.12.2009, 02:50    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
jemand, der lediglich Handlungsfreiheit besitzt, (also keine Kontrolle über seinen Willen hat), ist unfrei ...

Was heißt den "Kontrolle über seinen Willen"? Für mich bedeutet das den (übrigens mE eher seltenen) Fall: Man hat eine Präferenz A (z.B. clean zu werden) und eine Präferenz B (z.B. ständig Lust auf Droge). Ist man handlungsfrei in bezug auf A, handelt man so, daß sich B möglichst ändert. Man bildet/ändert also eine Präferenz durch Handlungen, die von einer anderen Präferenz gesteuert werden. Und für all das reicht Handlungsfreiheit aus.

Kontrolle über den Willen, die eigene Entscheidung übt man mE z.B. dann aus, wenn man hin und her überlegt, Argumente und Gründe wälzt, diese bewertet und ordnet, vielleicht mal 'ne Nacht darüber schläft und sich dann letztlich zu etwas durchringt (zu einer Handlung oder auch zu einer Meinung / Einstellung). Präferenzen sind ja übrigens nichts Statisches / von außen Vorgegebenes, so wie Du hier immer implizit anzunehmen scheinst. mE bedeutet das alles, dass man sich seine eigenen Ziele setzen kann. Das kann man mE auch nicht einfach unter Handlungsfreiheit subsummieren, das ist schon mehr als das. Es ist die Frage danach, ob man wollen kann, was man will. Und das ist mE eben die Frage nach der Willensfreiheit. Klammert man das einfach aus, dann ist man schnell bei der Schlussfolgerung, es sei doch egal, wer meine Ziele setzte, ob ich das sei oder jemand anders. Aber das ist mir keineswegs egal.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was sind denn "echte, nicht nur simulierte" Alternativen?

Das wäre, wenn ein Zustand mehrere Zukünfte hätte, und ein Akteur beeinflussen könnte, welche davon ihn enthält (er müßte damit eine Art Letztursache sein).

Wenn wir jetzt aber mal betrachten, was eine Entscheidung ist und wie sie abläuft, was wäre dann dadurch gewonnen, wieso und inwiefern wäre man dann freier? Der Akteur würde doch ebenso wie jetzt auch letztlich zu einem bestimmten Entschluss kommen. Er könnte dann ja auch nichts anderes tun als jetzt auch, nämlich verschiedene Optionen durchspielen, das Ganze sozusagen von außen zu betrachten, sich einen Schritt neben sich zu stellen, evtl. sein Bauchgefühl berücksichtigen und dann zu urteilen. Oder? Genau genommen ist es mAn sogar problemlos vorstellbar, dass man eine Welt mit "echten" Alternativen in Deinem Sinne gar nicht von einer Welt mit "unechten" Alternativen unterscheiden könnte (wenn man in beiden Welten die Zeit nicht zurückdrehen könnte). Und dann wäre es doch etwas seltsam, wenn man sich nun zwei vollkommen identisch entscheidende und handelnde Subjekte jeweils in Welt A und in Welt B vorstellte und das eine "frei" nennen würde, das andere aber nicht.

Eine "absolute" Letztursache könnte er jedoch auch in der hypothetischen anderen Welt nicht sein, wenn man voraussetzt, dass wir über seine Entscheidung reden und nicht über etwas Willkürliches ohne Zusammenhang zu ihm, das ihm dann ja nur zustoßen würde. Für das man ihn dann auch wohl nicht als Urheber ansehen würde.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
MAn sind diese Alternativen ja dann real, wenn man sie durchführen könnte, wenn man das wollte, sich also dafür entschiede. Ich wüsste nicht, inwiefern Alternativen noch "echter" als das sein könnten.

Klar, man kann Worte immer so definieren. Was ist schon "real"? Natürlich ist auch die Simulation auf ihre Weise real.

Ach, ich hänge hier nicht an dem Wort "real". Ist mir egal, wie wir das nennen wollen und "echt" war ja schon durch Dich belegt. Es geht mir hier darum, "realistische" von "unmöglichen" Alternativen zu unterscheiden. Bsp.: "Warum bist du gestern nicht gekommen?" "Die S-Bahn ist ausgefallen." "Du hättest aber doch den Bus nehmen können?" (Ja [der Bus fuhr] -> "realistische" Alternative", Nein [der Bus ist auch ausgefallen] -> "unmögliche" Alternative).

Diese Unterscheidung halte ich für durchaus wichtig, („impossibilium nulla obligatio“). Jedoch inwiefern eine Unterscheidung in "echte" und "unechte" Alternativen in diesem Zusammenhang etwas bringen könnte, ist mir unklar.
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Beitrag(#1408977) Verfasst am: 23.12.2009, 16:07    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... Man bildet/ändert also eine Präferenz durch Handlungen, die von einer anderen Präferenz gesteuert werden. Und für all das reicht Handlungsfreiheit aus.
... und sich dann letztlich zu etwas durchringt (zu einer Handlung oder auch zu einer Meinung / Einstellung).

Ja, aber selbst wenn dieser Vorgang langwierig, komplex und schmerzhaft ist, wird er doch wieder von existierenden Präferenzen entschieden.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Präferenzen sind ja übrigens nichts Statisches / von außen Vorgegebenes, so wie Du hier immer implizit anzunehmen scheinst.

Nein, das impliziere ich keineswegs, im Gegenteil habe ich ein einfaches Modell beschrieben, wie sich Präferenzen auch ändern können. Zur Zeit einer bestimten Entscheidung sind natürlich einige Präferenzen dennoch typischerweise statisch, sonst würde unser Entscheidungssystem ja auch gar nicht funktionieren.

Außerdem möchte ich Dich idZ daran erinnern, daß Du eines meiner Hauptargumente noch gar nicht entkräftet hast, nämlich daß eine Willensfreiheit in Deinem Sinne, selbst wenn es sie gäbe, in unerer Gesellschaft keine große Bedeutung hätte, da unser soziales Miteinander sehr stark auf moralischer Determination aufbaut (Verläßlichkeit, Gesetzestreue, Führbarkeit, Loyalität usw.). Das Ganze funktioniert überhaupt nur deshalb eingermaßen, weil Situationen selten sind, in denen eine Entscheidung erst nach ausführlichem Ringen mit sich selbst, und mit für Andere ungewissem Ausgang geschieht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
mE bedeutet das alles, dass man sich seine eigenen Ziele setzen kann. Das kann man mE auch nicht einfach unter Handlungsfreiheit subsummieren, das ist schon mehr als das. Es ist die Frage danach, ob man wollen kann, was man will. Und das ist mE eben die Frage nach der Willensfreiheit. Klammert man das einfach aus, dann ist man schnell bei der Schlussfolgerung, es sei doch egal, wer meine Ziele setzte, ob ich das sei oder jemand anders.

Das ist aber non sequitur. Denn ich kann ja eine naturalistische Begründung angeben, wie es kommt, daß es mir eben nicht egal ist: Aus Erfahrung (evolutionär / kulturell tradiertes und selbst angeeignetes Wissen) meine ich zu wissen, daß meine langfristigen Präferenzen besser zu befriedigen sind, wenn ich weniger zugunsten individuell-egoistischer Interessen Anderer manipuliert werde.

Umgekehrt könnte jemand argumentieren: Wenn man anstrebt, daß sich jeder Mensch möglichst vollständig von der Bildung seiner Präferenzen durch Andere oder durch die Umwelt "emanzipiert", ist eine stabile Gemeinschaft mit effizienter (weil "vorverdrahteter") Kooperation nicht mehr so einfach möglich.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was sind denn "echte, nicht nur simulierte" Alternativen?
Das wäre, wenn ein Zustand mehrere Zukünfte hätte, und ein Akteur beeinflussen könnte, welche davon ihn enthält (er müßte damit eine Art Letztursache sein).
Wenn wir jetzt aber mal betrachten, was eine Entscheidung ist und wie sie abläuft, was wäre dann dadurch gewonnen, wieso und inwiefern wäre man dann freier? ... Genau genommen ist es mAn sogar problemlos vorstellbar, dass man eine Welt mit "echten" Alternativen in Deinem Sinne gar nicht von einer Welt mit "unechten" Alternativen unterscheiden könnte (wenn man in beiden Welten die Zeit nicht zurückdrehen könnte). Und dann wäre es doch etwas seltsam, wenn man sich nun zwei vollkommen identisch entscheidende und handelnde Subjekte jeweils in Welt A und in Welt B vorstellte und das eine "frei" nennen würde, das andere aber nicht.

Ja, das wäre wirklich merkwürdig und ist auch reine Spekulation, denn um Deine Fragen aufzulösen, müßte man erstmal Annahmen über die unbekannte Physik dieser spekulativen Welt machen. In unserer Welt kann man nur an einer Stelle von echten Freiheitsgraden reden, und das ist der echte Zufall. Der würde allerdings nicht zu dem Freien Willen führen, den Du Dir wünschst, sondern höchstens zu Unberechenbarkeit und Willkür.

Deshalb würde ich den Begriff "frei" ja auch lieber einschränken, also mit genaueren Definitionen ergänzen. Zum Beispiel "Abwesenheit akuter, äußerer Zwänge" oder "Abwesenheit intentionaler Manipulation" oder "Fähigkeit zur fallunterscheidenden Zukunftssimulation" oder "Reflektion über die eigenen Präferenzen" oder was auch immer. Dann kann man mE sehen, ob man, was Freiheit betrifft, mit Determinismus und Handlungsfreiheit auskommt, und gleichzeitig darüber diskutieren, ob und wie obige Eigenschaften erwünscht sind.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es geht mir hier darum, "realistische" von "unmöglichen" Alternativen zu unterscheiden. Bsp.: "Warum bist du gestern nicht gekommen?" "Die S-Bahn ist ausgefallen." "Du hättest aber doch den Bus nehmen können?" (Ja [der Bus fuhr] -> "realistische" Alternative", Nein [der Bus ist auch ausgefallen] -> "unmögliche" Alternative).

Ich sage ja nicht, daß der Unterschied unwichtig sei. Der Unterschied kommt aber mE nur dadurch zustande, daß wir wissen, daß im einen Fall die Präferenz, im anderen Fall äußere Randbedingungen entscheidend sind. Wenn also ein Bus fährt, hat man Handlungsfreiheit, ansonsten nicht. Du dagegen nennst das (aus meiner Sicht irreführenderweise) "realistische Alternative" und "unmögliche Alternative".
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Beitrag(#1409029) Verfasst am: 23.12.2009, 19:55    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Präferenzen sind ja übrigens nichts Statisches / von außen Vorgegebenes, so wie Du hier immer implizit anzunehmen scheinst.

Nein, das impliziere ich keineswegs, im Gegenteil habe ich ein einfaches Modell beschrieben, wie sich Präferenzen auch ändern können.

Gut. Halten wir also einfach mal als Zwischenergebnis fest, dass Präferenzen nichts Statisches sind.

step hat folgendes geschrieben:
Außerdem möchte ich Dich idZ daran erinnern, daß Du eines meiner Hauptargumente noch gar nicht entkräftet hast, nämlich daß eine Willensfreiheit in Deinem Sinne, selbst wenn es sie gäbe, in unerer Gesellschaft keine große Bedeutung hätte, da unser soziales Miteinander sehr stark auf moralischer Determination aufbaut (Verläßlichkeit, Gesetzestreue, Führbarkeit, Loyalität usw.). Das Ganze funktioniert überhaupt nur deshalb eingermaßen, weil Situationen selten sind, in denen eine Entscheidung erst nach ausführlichem Ringen mit sich selbst, und mit für Andere ungewissem Ausgang geschieht.

Inwiefern könnte das ein Argument gegen meine Sichtweise sein? Ich behaupte doch gar nicht, dass sich jemand laufend ad hoc sozusagen selbst neu erfinden kann oder dass totale Unberechenbarkeit etwas Wünschenswertes wäre. Und Willensfreiheit sehe ich nicht nur in langfristigen Entscheidungen, sondern auch in alltäglichen, solange die hinreichend auf dem eigenen Mist gewachsen sind, hinreichend kontrollierbar sind.

Und für unsere Gesellschaft hat diese Sichtweise sehr wohl eine große Bedeutung. Man sieht sich und die anderen als hinreichend autonome, mündige, d.h. freie Bürger. Wozu gehört, dass man ihnen ihre Handlungen zuordnet, bei ihnen eine gewisse Kontrolle über ihr Handeln und ihre Entscheidungen annimmt.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und das ist mE eben die Frage nach der Willensfreiheit. Klammert man das einfach aus, dann ist man schnell bei der Schlussfolgerung, es sei doch egal, wer meine Ziele setzte, ob ich das sei oder jemand anders.

Das ist aber non sequitur. Denn ich kann ja eine naturalistische Begründung angeben, wie es kommt, daß es mir eben nicht egal ist: Aus Erfahrung (evolutionär / kulturell tradiertes und selbst angeeignetes Wissen) meine ich zu wissen, daß meine langfristigen Präferenzen besser zu befriedigen sind, wenn ich weniger zugunsten individuell-egoistischer Interessen Anderer manipuliert werde.

Was daran jetzt besonders "naturalistisch" sein soll, weiß ich zwar nicht und habe ich nicht oben genau dasselbe gesagt? Aber, na gut, wenn wir dabei einer Meinung sind, dann können wir das ja auch erst mal abhaken.

step hat folgendes geschrieben:
In unserer Welt kann man nur an einer Stelle von echten Freiheitsgraden reden, und das ist der echte Zufall. Der würde allerdings nicht zu dem Freien Willen führen, den Du Dir wünschst, sondern höchstens zu Unberechenbarkeit und Willkür.

Ganz richtig. Willkür schränkt Freiheit in meinem Sinne ein, Determinismus nicht.

Was führt nun aber zu dem Freien Willen, so wie Du ihn Dir vorstellst? Was ist Dein Konzept von "echter Willensfreiheit"? Dass die Zukunft "offen" (= nicht determiniert) ist, kann ja nicht hinreichend dafür sein. Es muss also an dem Entscheidungsprozess liegen, dort irgendwie zu finden sein.

"Echt frei" ist dAn eine Entscheidung genau dann, wenn sie wie vonstatten geht...?

step hat folgendes geschrieben:
Deshalb würde ich den Begriff "frei" ja auch lieber einschränken, also mit genaueren Definitionen ergänzen. Zum Beispiel "Abwesenheit akuter, äußerer Zwänge" oder "Abwesenheit intentionaler Manipulation" oder "Fähigkeit zur fallunterscheidenden Zukunftssimulation" oder "Reflektion über die eigenen Präferenzen" oder was auch immer. Dann kann man mE sehen, ob man, was Freiheit betrifft, mit Determinismus und Handlungsfreiheit auskommt, und gleichzeitig darüber diskutieren, ob und wie obige Eigenschaften erwünscht sind.

Gerne. In meiner Sicht würde ich jemanden dann als handlungsfrei ansehen, wenn er tun kann, was er will.

Und als willensfrei, wenn er

- keinen (zu großen) akuten, inneren Zwängen (z.B. einer Sucht oder einer Phobie) unterliegt
- eine hinreichende Fähigkeit zur Selbstreflexion
- und eine hinreichende Fähigkeit zur "fallunterscheidenden Zukunftssimulation" besitzt

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es geht mir hier darum, "realistische" von "unmöglichen" Alternativen zu unterscheiden. Bsp.: "Warum bist du gestern nicht gekommen?" "Die S-Bahn ist ausgefallen." "Du hättest aber doch den Bus nehmen können?" (Ja [der Bus fuhr] -> "realistische" Alternative", Nein [der Bus ist auch ausgefallen] -> "unmögliche" Alternative).

Ich sage ja nicht, daß der Unterschied unwichtig sei. Der Unterschied kommt aber mE nur dadurch zustande, daß wir wissen, daß im einen Fall die Präferenz, im anderen Fall äußere Randbedingungen entscheidend sind. Wenn also ein Bus fährt, hat man Handlungsfreiheit, ansonsten nicht. Du dagegen nennst das (aus meiner Sicht irreführenderweise) "realistische Alternative" und "unmögliche Alternative".

Irreführend? Hm, naja, "realistisch" passt vielleicht tatsächlich nicht so gut. Wie wäre es mit "möglichen Alternativen" und "unmöglichen Alternativen"?

Natürlich ist dieser Unterschied deswegen wichtig, um zu unterscheiden zwischen einer Handlung (oder Nichthandlung), die jemand willentlich und absichtlich durchgeführt (oder nicht durchgeführt) hat und einer (Nicht-)Handlung, die nicht auf ihn und seine Absicht zurückgeführt werden kann, weil sie nicht in seinem für ihn möglichen Handlungsrahmen lag. Falls es absichtlich geschah, kann man nämlich evtl. Schlüsse auf sein künftiges Verhalten ziehen.

Und so verwendet man übrigens mAn auch in der Alltagssprache konditionale Ausdrücke. "Er hätte das tun können", "das und das hätte passieren können". Das hat mE nichts mit Determinismus, bzw. einer "offenen Zukunft" zu tun, daher sind Konditional I und II und auch die Unterscheidung zwischen "Möglichem" und "Unmöglichem" auch in einer determinierten Welt problemlos sinnvoll verwendbar.
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Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1409064) Verfasst am: 23.12.2009, 21:18    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Außerdem möchte ich Dich idZ daran erinnern, daß Du eines meiner Hauptargumente noch gar nicht entkräftet hast, nämlich daß eine Willensfreiheit in Deinem Sinne, selbst wenn es sie gäbe, in unerer Gesellschaft keine große Bedeutung hätte, da unser soziales Miteinander sehr stark auf moralischer Determination aufbaut (Verläßlichkeit, Gesetzestreue, Führbarkeit, Loyalität usw.). Das Ganze funktioniert überhaupt nur deshalb eingermaßen, weil Situationen selten sind, in denen eine Entscheidung erst nach ausführlichem Ringen mit sich selbst, und mit für Andere ungewissem Ausgang geschieht.

Inwiefern könnte das ein Argument gegen meine Sichtweise sein? Ich behaupte doch gar nicht, dass sich jemand laufend ad hoc sozusagen selbst neu erfinden kann oder dass totale Unberechenbarkeit etwas Wünschenswertes wäre. Und Willensfreiheit sehe ich nicht nur in langfristigen Entscheidungen, sondern auch in alltäglichen, solange die hinreichend auf dem eigenen Mist gewachsen sind, hinreichend kontrollierbar sind.

Nun sind aber wie gesagt die meisten sozial wichtigen Entscheidungen und Verhaltensweisen des Alltags eben nicht auf dem eigenen Mist gewachsen, sonst würden sich nicht alle so extrem ähnlich wie ihre Mitmenschen, Eltern, Lehrer, Nachbar-Arten verhalten. Und Verhaltensweisen, bei denen wir uns stark unterschieden (etwa ob jemand die rote oder grüne Kugel wählt), sind meist eher unwesentlich.

Es bleibt daher mE gegenüber der Handlungsfreiheit höchstens das Plus, sich in unwichtigen Situationen unverläßlich / zufällig / willkürlich zu verhalten (wenn die HF das zuläßt).

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und für unsere Gesellschaft hat diese Sichtweise sehr wohl eine große Bedeutung. Man sieht sich und die anderen als hinreichend autonome, mündige, d.h. freie Bürger. Wozu gehört, dass man ihnen ihre Handlungen zuordnet, bei ihnen eine gewisse Kontrolle über ihr Handeln und ihre Entscheidungen annimmt.

Das kann man alles auch nur mit Handlungsfreiheit: Z.B. mündig = gebildet usw., "freier Bürger" = die Gemeinschaft greift nicht in die Umsetzung seiner Präferenzen ein über das nötige Gemeinwohl hinaus, Handlungskontrolle = Fähigkeit zur Simulation und Körperkontrolle usw. - siehe auch Verantwortungszuweisung durch Erwartungshaltung und andere Diskussionen, die wir schon hatten.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was führt nun aber zu dem Freien Willen, so wie Du ihn Dir vorstellst? Was ist Dein Konzept von "echter Willensfreiheit"?

Alle Ansätze, die mir dazu bisher eingefallen sind und tatsächliche Freiheitsgrade des Willens enthalten, sind entweder physikalisch nicht möglich oder befriedigen nicht die moralisch hehren Ansprüche, die FW-Anhänger damit verbinden. Daher macht es mE keinen Sinn bzw. ist irreführend, von WF zu sprechen, da i.a. zuviele falsche (z.B. libertarische) Vorstellungen mitschwingen. Mein Ziel ist ja nicht, um jeden Preis etwas zu finden, das ich notfalls als "Willensfreiheit" bezeichnen könnte. Ebenso wie es ja auch nicht an mir ist, ein schlüssiges Konzept für "Gott" vorzulegen, nur weil ich alle bisherigen Konzepte unschlüssig finde.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
In meiner Sicht würde ich jemanden dann als handlungsfrei ansehen, wenn er tun kann, was er will.

Und als willensfrei, wenn er

1.- keinen (zu großen) akuten, inneren Zwängen (z.B. einer Sucht oder einer Phobie) unterliegt
2.- eine hinreichende Fähigkeit zur Selbstreflexion
3.- und eine hinreichende Fähigkeit zur "fallunterscheidenden Zukunftssimulation" besitzt

Aus meiner Sicht sind (1.), (2.) und (3.) Handlungsfreiheit. Zum Beleg schauen wir, was passieren würde, wenn jemand handlungsfrei ist, aber (1.), (2.) oder (3.) nicht erfüllt:

ad (1.) Ein Süchtiger oder Phobiker, der seine Sucht/Phobie loswerden will, aber es nicht schafft, ist nicht Maße handlungsfrei (er kann nicht tun, was er eigentlich will).

ad (2.) ist nmV ein Teil von (3.) oder (1.), je nach Interpretation.

zu (3.): jemand, der nur unzureichende Fähigkeit zur "fallunterscheidenden Zukunftssimulation" besitzt, kann nicht im Sinne längerfristigerer, komplexerer Präferenzen entscheiden/handeln. Er ist also weniger handlungsfrei.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... Der Unterschied kommt aber mE nur dadurch zustande, daß wir wissen, daß im einen Fall die Präferenz, im anderen Fall äußere Randbedingungen entscheidend sind. Wenn also ein Bus fährt, hat man Handlungsfreiheit, ansonsten nicht. Du dagegen nennst das (aus meiner Sicht irreführenderweise) "realistische Alternative" und "unmögliche Alternative".
Irreführend? Hm, naja, "realistisch" passt vielleicht tatsächlich nicht so gut. Wie wäre es mit "möglichen Alternativen" und "unmöglichen Alternativen"?

Schon besser. Immerhin wird jetzt nicht mehr so stark suggeriert, daß es mehr als simulierte Alternativen sind. Aber wie wäre es mit "entscheidend beeinflußbar" und "nicht entscheidend beeinflußbar"? Dann haben wir immerhin die individuelle Zuordenbarkeit drin.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Falls es absichtlich geschah, kann man nämlich evtl. Schlüsse auf sein künftiges Verhalten ziehen.

Natürlich ist das wichtig! Aber wenn es nicht absichtlich geschah, war es auch keine Handlungsfreiheit, oder?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und so verwendet man übrigens mAn auch in der Alltagssprache konditionale Ausdrücke. "Er hätte das tun können", "das und das hätte passieren können". Das hat mE nichts mit Determinismus, bzw. einer "offenen Zukunft" zu tun, daher sind Konditional I und II und auch die Unterscheidung zwischen "Möglichem" und "Unmöglichem" auch in einer determinierten Welt problemlos sinnvoll verwendbar.

In der Alltagssprache wird das tatsächlich so verwendet. Wie schon oft geschrieben, liegt das aber mAn an folgender Ursache:

Die meisten Menschen nehmen eine in Entscheidungssituationen tatsächlich offene Zukunft an (sie denken unphysikalisch). Man weiß zudem meist über den Entscheidungsvorgang nicht genügend, außer "wo" akut die Handlungssteuerung stattfindet. Man mittelt empirisch über vergleichbare, im Detail ebenfalls unbekannte Fälle, und interpretiert die nichtsinguläre Ergebnisverteilung (mal wird A, mal B gewählt) als auch im Einzelfall letzt-autonom. Erkent man in Einzelfällen doch die Details des deterministischen Ablaufs, sagt man i.a. auch nicht mehr "das und das hätte passieren können", sondern eher "das mußte ja so kommen".
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1409091) Verfasst am: 23.12.2009, 22:40    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und Willensfreiheit sehe ich nicht nur in langfristigen Entscheidungen, sondern auch in alltäglichen, solange die hinreichend auf dem eigenen Mist gewachsen sind, hinreichend kontrollierbar sind.

Nun sind aber wie gesagt die meisten sozial wichtigen Entscheidungen und Verhaltensweisen des Alltags eben nicht auf dem eigenen Mist gewachsen, sonst würden sich nicht alle so extrem ähnlich wie ihre Mitmenschen, Eltern, Lehrer, Nachbar-Arten verhalten.

Nö, das ist aber mAn jetzt ein schlichtes non sequitur. Jemand kann z.B. absichtlich und willentlich die momentanen Normen einhalten, er kann es aber auch deswegen tun, weil er noch nicht mal auf die Idee kommt, es könnte auch anders gehen. Und das wäre für mich ein wesentlicher Unterschied, ich würde aber nicht aus dem Fakt, dass jemand (oder viele oder alle), die Normen einhält, die Schlussfolgerung ziehen wollen, er hätte deswegen keine eigene Entscheidung getroffen, eine, die nicht auf seinem Mist gewachsen sei.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und für unsere Gesellschaft hat diese Sichtweise sehr wohl eine große Bedeutung. Man sieht sich und die anderen als hinreichend autonome, mündige, d.h. freie Bürger. Wozu gehört, dass man ihnen ihre Handlungen zuordnet, bei ihnen eine gewisse Kontrolle über ihr Handeln und ihre Entscheidungen annimmt.

Das kann man alles auch nur mit Handlungsfreiheit: Z.B. mündig = gebildet usw., "freier Bürger" = die Gemeinschaft greift nicht in die Umsetzung seiner Präferenzen ein über das nötige Gemeinwohl hinaus, Handlungskontrolle = Fähigkeit zur Simulation und Körperkontrolle usw. - siehe auch Verantwortungszuweisung durch Erwartungshaltung und andere Diskussionen, die wir schon hatten.

Klar kann man das auch umschreiben. Wobei ich allerdings Deinen Umschreibungen nicht zustimmen kann. Die Gleichsetzung von mündig und gebildet finde ich erst mal wenig plausibel. Und "freier Bürger" bedeutet nicht lediglich, dass die Gesellschaft nicht eingreift. Es bedeutet in dem Zusammenhang zwingend auch, dass bestimmte Fähigkeiten zur Autonomie angenommen werden.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was führt nun aber zu dem Freien Willen, so wie Du ihn Dir vorstellst? Was ist Dein Konzept von "echter Willensfreiheit"?

Alle Ansätze, die mir dazu bisher eingefallen sind und tatsächliche Freiheitsgrade des Willens enthalten, sind entweder physikalisch nicht möglich oder befriedigen nicht die moralisch hehren Ansprüche, die FW-Anhänger damit verbinden. Daher macht es mE keinen Sinn bzw. ist irreführend, von WF zu sprechen, da i.a. zuviele falsche (z.B. libertarische) Vorstellungen mitschwingen. Mein Ziel ist ja nicht, um jeden Preis etwas zu finden, das ich notfalls als "Willensfreiheit" bezeichnen könnte. Ebenso wie es ja auch nicht an mir ist, ein schlüssiges Konzept für "Gott" vorzulegen, nur weil ich alle bisherigen Konzepte unschlüssig finde.

Wenn Du behauptest, Du hättest ein Konzept, das, wenn das erfüllt sei, erst "echte" Freiheit gewährleisten könne und meinen Begriff von Freiheit daran messen könntest und als "unecht" klassifizieren könntest, dann musst Du dieses Konzept auch darstellen können. Es muss Kriterien geben, an denen man unsere beiden Konzepte messen und vergleichen kann.

Ich zitiere mal Dich von oben:

step hat folgendes geschrieben:
Deshalb würde ich den Begriff "frei" ja auch lieber einschränken, also mit genaueren Definitionen ergänzen. Zum Beispiel "Abwesenheit akuter, äußerer Zwänge" oder "Abwesenheit intentionaler Manipulation" oder "Fähigkeit zur fallunterscheidenden Zukunftssimulation" oder "Reflektion über die eigenen Präferenzen" oder was auch immer. Dann kann man mE sehen, ob man, was Freiheit betrifft, mit Determinismus und Handlungsfreiheit auskommt, und gleichzeitig darüber diskutieren, ob und wie obige Eigenschaften erwünscht sind.


So ist es. Wenn Du Dein Konzept bezüglich "echter" Freiheit nicht näher darstellen kannst als einfach nur zu behaupten, eine notwendige Voraussetzung dafür sei eine nicht-deterministische Welt, wenn Du also nicht die hinreichenden Kriterien nennen kannst, dann kannst Du es auch nicht mit meinem Konzept vergleichen. Und ich kann es erst recht nicht. Und niemand anders. Wie sollte man da entscheiden können, welches Konzept besser (plausibler / zustimmungsfähiger / gemeinhin akzeptabel / wünschenswerter) oder gar erst "echt" sei? Ein Ding der Unmöglichkeit.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
In meiner Sicht würde ich jemanden dann als handlungsfrei ansehen, wenn er tun kann, was er will.

Und als willensfrei, wenn er

1.- keinen (zu großen) akuten, inneren Zwängen (z.B. einer Sucht oder einer Phobie) unterliegt
2.- eine hinreichende Fähigkeit zur Selbstreflexion
3.- und eine hinreichende Fähigkeit zur "fallunterscheidenden Zukunftssimulation" besitzt

Aus meiner Sicht sind (1.), (2.) und (3.) Handlungsfreiheit. Zum Beleg schauen wir, was passieren würde, wenn jemand handlungsfrei ist, aber (1.), (2.) oder (3.) nicht erfüllt:

ad (1.) Ein Süchtiger oder Phobiker, der seine Sucht/Phobie loswerden will, aber es nicht schafft, ist nicht Maße handlungsfrei (er kann nicht tun, was er eigentlich will).

ad (2.) ist nmV ein Teil von (3.) oder (1.), je nach Interpretation.

zu (3.): jemand, der nur unzureichende Fähigkeit zur "fallunterscheidenden Zukunftssimulation" besitzt, kann nicht im Sinne längerfristigerer, komplexerer Präferenzen entscheiden/handeln. Er ist also weniger handlungsfrei.

Es geht jetzt nur um Definitionen, also die Unterscheidung, die ich zwischen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit treffe, möchtest Du nicht treffen? Eine solche Diskussion ist mE wenig fruchtbar. Ich möchte gerne bei meiner Unterscheidung bleiben, ich halte sie für sinnvoll, wie oben versucht darzulegen (denn ich halte die Frage danach, ob und inwiefern jemand beeinflussen kann, was er will, für hier durchaus wesentlich). Aber dabei, bei der Definition werden wir uns wahrscheinlich nicht einigen können. Sind eh nur Worte, es ist egal, ob wir was unterschiedlich benennen, wenn wir dasselbe damit meinen. Wichtiger wäre es daher, den Dissens zwischen uns herauszuarbeiten. Dazu gehört es für mich, zu verstehen, warum Du mein Konzept von Freiheit ablehnst, wie Deines genau aussieht und wieso und inwiefern das wünschenswerter wäre als meines oder auch erst wirklich "echt".

Und noch 'ne Frage zu einer obigen Aussage von Dir:

step hat folgendes geschrieben:
[...]nämlich daß eine Willensfreiheit in Deinem Sinne, selbst wenn es sie gäbe[...]


Wolltest Du nun damit sagen, dass es sie nicht gibt? Falls ja, wäre das doch mal ein eindeutiger Dissens, den wir weiterhin behandeln könnten.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Irreführend? Hm, naja, "realistisch" passt vielleicht tatsächlich nicht so gut. Wie wäre es mit "möglichen Alternativen" und "unmöglichen Alternativen"?

Schon besser. Immerhin wird jetzt nicht mehr so stark suggeriert, daß es mehr als simulierte Alternativen sind. Aber wie wäre es mit "entscheidend beeinflußbar" und "nicht entscheidend beeinflußbar"? Dann haben wir immerhin die individuelle Zuordenbarkeit drin.

Was sind noch mal genau "mehr als simulierte Alternativen" (bei einer Entscheidung, die zu einem bestimmten Ergebnis führt)? Wie kann man sich das konkret vorstellen? Zum Beispiel?

"Entscheidend" ist irgendwie missverständlich (ich verstehe das in diesem Zusammenhang nicht). Wenn man von "Alternativen" redet, dann geht es doch dabei um alternative "mögliche" und "unmögliche" Weltabläufe. Oder vielleicht mal anders gesagt: in einer (hypothetischen) Welt, in der die gleichen Naturgesetze gelten wie in unserer, wäre der eine Ablauf problemlos möglich gewesen, der andere nicht (es hätte sein können, dass ich gestern in der Stadt einen Parkplatz gefunden hätte -> "möglich" - aber es hätte nicht sein können, dass ein Stein, den ich einfach loslasse, gen Himmel fliegt und im Weltraum verschwindet -> "unmöglich".)

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Falls es absichtlich geschah, kann man nämlich evtl. Schlüsse auf sein künftiges Verhalten ziehen.

Natürlich ist das wichtig! Aber wenn es nicht absichtlich geschah, war es auch keine Handlungsfreiheit, oder?

Wenn etwas nicht absichtlich geschah, dann war es nicht die Handlung des Subjektes. Die Frage, ob ein Subjekt handlungsfrei gehandelt hat, wenn es nicht gehandelt hat (in keinem Sinne, auch nicht dem der Unterlassung) erscheint mir irgendwie sinnlos. Aber vielleicht wieder eine Definitionsfrage? Einen Reflex z.B., der unkontrolliert einfach geschieht (Hämmerchen aufs Knie), würde ich nicht als "Handlung" bezeichnen.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und so verwendet man übrigens mAn auch in der Alltagssprache konditionale Ausdrücke. "Er hätte das tun können", "das und das hätte passieren können". Das hat mE nichts mit Determinismus, bzw. einer "offenen Zukunft" zu tun, daher sind Konditional I und II und auch die Unterscheidung zwischen "Möglichem" und "Unmöglichem" auch in einer determinierten Welt problemlos sinnvoll verwendbar.

In der Alltagssprache wird das tatsächlich so verwendet. Wie schon oft geschrieben, liegt das aber mAn an folgender Ursache:

Die meisten Menschen nehmen eine in Entscheidungssituationen tatsächlich offene Zukunft an (sie denken unphysikalisch). Man weiß zudem meist über den Entscheidungsvorgang nicht genügend, außer "wo" akut die Handlungssteuerung stattfindet. Man mittelt empirisch über vergleichbare, im Detail ebenfalls unbekannte Fälle, und interpretiert die nichtsinguläre Ergebnisverteilung (mal wird A, mal B gewählt) als auch im Einzelfall letzt-autonom. Erkent man in Einzelfällen doch die Details des deterministischen Ablaufs, sagt man i.a. auch nicht mehr "das und das hätte passieren können", sondern eher "das mußte ja so kommen".

Nein, dem kann ich nicht zustimmen. Ich denke, dass Konditionalsätze und auch die Rede von "möglich" und "unmöglich" immer gewisse Voraussetzungen beeinhalten (wenn -> dann) und evtl. auch eine Wahrscheinlichkeit (in ähnlichen Fällen ist es oft passiert, dass A eingetreten ist, daher hätte das auch hier so passieren können). Und in dem Sinne kann man Möglichkeiten auch für vergangene (bereits geschehene Abläufe) sinnvoll feststellen. Davon bleibt unberührt, dass etwas nicht so gekommen ist, wie man annimmt, dass es hätte geschehen können. Jedenfalls wäre es wenig sinnvoll, diese Unterscheidung nicht mehr zu treffen, weil die Welt determiniert ist. Und auch keine Unterscheidung mehr zwischen "wollen" und "müssen" zu treffen (ich will ins Kino gehen == ich muss ins Kino gehen).
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step
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Wohnort: Germering

Beitrag(#1409314) Verfasst am: 24.12.2009, 13:57    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und Willensfreiheit sehe ich nicht nur in langfristigen Entscheidungen, sondern auch in alltäglichen, solange die hinreichend auf dem eigenen Mist gewachsen sind, hinreichend kontrollierbar sind.
Nun sind aber wie gesagt die meisten sozial wichtigen Entscheidungen und Verhaltensweisen des Alltags eben nicht auf dem eigenen Mist gewachsen, sonst würden sich nicht alle so extrem ähnlich wie ihre Mitmenschen, Eltern, Lehrer, Nachbar-Arten verhalten.
Nö, das ist aber mAn jetzt ein schlichtes non sequitur. Jemand kann z.B. absichtlich und willentlich die momentanen Normen einhalten, er kann es aber auch deswegen tun, weil er noch nicht mal auf die Idee kommt, es könnte auch anders gehen.

Tja, das überzeugt mich nicht, weil es mein Argument nicht entkräftet. Das allermeiste moralische Verhalten ist eindeutig überindividuell synchron. Es ist also nicht wirklich auf Deinem Mist gewachsen (sondern eben tradiert/erzogen), und selbst im Fall individuell-tiefsinnig-skeptischer Überprüfung eines moralischen Gebotes kann man das Ergebnis der Entscheidung meist recht gut voraussagen, da es recht determiniert ist. Von mir aus kannst Du es auch so ausdrücken: Die vorgestellten Alternativen sind offensichtlich so unangenehm, daß Andere sich darauf verlassen können, daß Du meist wie erwünscht handelst. Ich behaupte, daß nur äußerst selten jemand absichtlich, nach reiflicher Überlegung, wesentlich gegen sein Gewissen (den moralischen Agenten der Anderen) handelt.

Die einzige mir bekannte Ausnahme sind moralische Dilemmasituationen, weil nämlich da typischerweise keine eindeutige gesellschaftliche Präferenz erkennbar (und damit erziehbar) ist.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Die Gleichsetzung von mündig und gebildet finde ich erst mal wenig plausibel.

War ja nur ein Beispiel. Plausibel finde ich es übrigens schon, wenn auch sicher nicht vollständig äquivalent.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und "freier Bürger" bedeutet nicht lediglich, dass die Gesellschaft nicht eingreift. Es bedeutet in dem Zusammenhang zwingend auch, dass bestimmte Fähigkeiten zur Autonomie angenommen werden.

Hmm ... für mich bedeutet "freier Bürger" (liberté) primär schon etwas politisches, da geht es um Bürgerrechte und dgl.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Wie sollte man da entscheiden können, welches Konzept besser (plausibler / zustimmungsfähiger / gemeinhin akzeptabel / wünschenswerter) ... sei?

Es ist, wie gesagt, ähnlich wie beim Begriff "Gott". A findet ihn sinnlos, B kann darunter verstehen, was er will (kann ihm ja keiner verbieten). B sagt: Du mußt auch ein Konzept für "Gott" vorlegen, wie soll man sonst entscheiden, wer von uns recht hat?

Deshalb muß ich eben auf die konkrete Ebene runter und versuchen rauszukitzeln, wo dieser oder jener Anhänger einer jeweils völlig unterschiedlich definierten Willensfreiheit aus seiner Definition widerlegbare Schlüsse zieht. Und das habe ich hier schon mehrfach praktiziert. Auch wenn Dich das nicht überzeugt hat, wie mir wohl bewußt ist.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
[...]nämlich daß eine Willensfreiheit in Deinem Sinne, selbst wenn es sie gäbe[...]
Wolltest Du nun damit sagen, dass es sie nicht gibt? Falls ja, wäre das doch mal ein eindeutiger Dissens, den wir weiterhin behandeln könnten.

Genu, das wäre ein solcher Fall. Ich wollte damit ausdrücken (s.auch der Abschnitt oben), daß mE die meisten moralischen Entscheidungen / Verhaltensweisen nicht auf individuellem Mist gewachsen sind, selbst wenn sie gefühlt absichtlich geschehen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... Aber wie wäre es mit "entscheidend beeinflußbar" und "nicht entscheidend beeinflußbar"? Dann haben wir immerhin die individuelle Zuordenbarkeit drin.
... "Entscheidend" ist irgendwie missverständlich (ich verstehe das in diesem Zusammenhang nicht).

Ich habe das Wort hier doppeldeutig verwendet, um herauszustellen, daß der Unterschied darin besteht, ob die individuelle Entscheidung für den effektiven Ausgang entscheidend ist oder nicht. Also konkret: Wenn der Bus gar nicht fährt, ist die individuell-präferente Entscheidung, ihn zu nehmen, letztlich nicht entscheidend für die Fortbewegung. Wenn der Bus dagegen fährt, ist die präferente Entscheidung entscheidend.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn man von "Alternativen" redet, dann geht es doch dabei um alternative "mögliche" und "unmögliche" Weltabläufe. Oder vielleicht mal anders gesagt: in einer (hypothetischen) Welt, in der die gleichen Naturgesetze gelten wie in unserer, wäre der eine Ablauf problemlos möglich gewesen, der andere nicht (es hätte sein können, dass ich gestern in der Stadt einen Parkplatz gefunden hätte -> "möglich" - aber es hätte nicht sein können, dass ein Stein, den ich einfach loslasse, gen Himmel fliegt und im Weltraum verschwindet -> "unmöglich".)

Ich würde sagen, das ist genaugenommen falsch. In einer hypothetischen Welt mit exakt denselben Natugesetzen wären jeder der beiden Fälle entweder ebenso gegeben oder ebenso unphysikalsich. Wir sagen umgangssprachlich nur deshalb in dem einen Fall "unmöglich", weil er weniger komnplex ist und wir eine gute Theorie (Wissen) über ihn haben. Man sieht das ganz gut bei Grenzfällen, z.B. Wundergläubige.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und so verwendet man übrigens mAn auch in der Alltagssprache konditionale Ausdrücke. "Er hätte das tun können", "das und das hätte passieren können". Das hat mE nichts mit Determinismus, bzw. einer "offenen Zukunft" zu tun, daher sind Konditional I und II und auch die Unterscheidung zwischen "Möglichem" und "Unmöglichem" auch in einer determinierten Welt problemlos sinnvoll verwendbar.
In der Alltagssprache wird das tatsächlich so verwendet. Wie schon oft geschrieben, liegt das aber mAn an folgender Ursache:

Die meisten Menschen nehmen eine in Entscheidungssituationen tatsächlich offene Zukunft an (sie denken unphysikalisch). Man weiß zudem meist über den Entscheidungsvorgang nicht genügend, außer "wo" akut die Handlungssteuerung stattfindet. Man mittelt empirisch über vergleichbare, im Detail ebenfalls unbekannte Fälle, und interpretiert die nichtsinguläre Ergebnisverteilung (mal wird A, mal B gewählt) als auch im Einzelfall letzt-autonom. Erkent man in Einzelfällen doch die Details des deterministischen Ablaufs, sagt man i.a. auch nicht mehr "das und das hätte passieren können", sondern eher "das mußte ja so kommen".

Nein, dem kann ich nicht zustimmen. Ich denke, dass Konditionalsätze und auch die Rede von "möglich" und "unmöglich" immer gewisse Voraussetzungen beeinhalten (wenn -> dann) und evtl. auch eine Wahrscheinlichkeit (in ähnlichen Fällen ist es oft passiert, dass A eingetreten ist, daher hätte das auch hier so passieren können).

Bis hierher ist es noch kein Widerspruch zu meinem Modell.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und in dem Sinne kann man Möglichkeiten auch für vergangene (bereits geschehene Abläufe) sinnvoll feststellen. Davon bleibt unberührt, dass etwas nicht so gekommen ist, wie man annimmt, dass es hätte geschehen können.

Hmm ... viellicht sollte ich oben präzisieren:

"Erkent man in Einzelfällen doch die ursächlichen Zusammenhänge des deterministischen Ablaufs, sagt man i.a. auch nicht mehr "das und das hätte passieren können", sondern eher "das mußte ja so kommen".

Denn wenn man die Ursache nachträglich erkennt, versteht man ja, wieso man zuvor fälschlicherweise annahm, es hätte auch anders kommen können.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jedenfalls wäre es wenig sinnvoll, diese Unterscheidung nicht mehr zu treffen, weil die Welt determiniert ist. Und auch keine Unterscheidung mehr zwischen "wollen" und "müssen" zu treffen (ich will ins Kino gehen == ich muss ins Kino gehen).

Strohmann! Ich treffe die Unterscheidung zwischen "wollen" und "müssen" im Rahmen der Handlungsfreiheit. "Wollen" ist, wenn Handlung und Präferenz übereinstimmen. "Müssen" ist, wenn eine Handlung ungeachtet der Präferenz als erzwungen erlebt wird.
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