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Sammelthread: Türkei
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beachbernie
male Person of Age and without Color



Anmeldungsdatum: 16.04.2006
Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii

Beitrag(#1416754) Verfasst am: 12.01.2010, 23:40    Titel: Antworten mit Zitat

ateyim hat folgendes geschrieben:
"„Ich bin Türke, ehrlich und fleißig.
Mein Gesetz ist es, meine Jüngeren zu schützen,
meine Älteren zu achten, meine Heimat und meine Nation mehr zu lieben als mich selbst.
Mein Ideal ist es aufzusteigen, voranzugehen.
O großer Atatürk! Ich schwöre, dass ich unaufhaltsam auf dem von dir eröffneten Weg zu dem von dir gezeigten Ziel streben werde.
Mein Dasein soll der türkischen Existenz ein Geschenk sein.
Wie glücklich derjenige, der sagt ,Ich bin Türke‘!“


Geschockt Geschockt Geschockt


Von dem Dummfug gehoert nicht nur ein Satz entfernt! Kinder sollte man zu selbststaendig denkenden Individuen erziehen und nicht in "Fahnenappellen" dressieren wie Apportierhunde, auf dass sie sich vor einem Gesslerlumpen buecken wie unfreie Landeslakaien. Mit den Augen rollen


Wenn ich daran denke, dass es auch in Deutschland Leute gibt, die einen solch peinlichen Mummenschanz gerne einfuehren wuerden, wird mir immer ganz schlecht.


Welcome back, Ateyim! Winke - Winke


Man hat Dich schon vermisst hier. Smilie

Gruss, Bernie
_________________
Defund the gender police!! Let's Rock
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chiring
Asatru



Anmeldungsdatum: 11.08.2005
Beiträge: 1694
Wohnort: Westfalen

Beitrag(#1416826) Verfasst am: 13.01.2010, 01:38    Titel: Antworten mit Zitat

ateyim hat folgendes geschrieben:
Die aktuellen Gehaelter für türkische Beamte sind nun veröffentlich worden:

Angaben in TL (derzeit 1 Euro = 2,1 TL)

Staatspraesident: 18.434
Premierminister: 9.790
Minister: 9.737
Parlamentsabgeordnete: 9469
.
.


Nekla Kelek hat behauptet, das der finanzielle Etat der Diyanet (türkische Religionsbehörde) / DITIB (Ableger der Religionsbehörde für Deutschland) den zweitgrößten Etat der Türkei hätte - gleich nach dem Etat des Militärs.

Weißt Du etwas davon?

Es wäre schon deshalb interessant näheres zu erfahren, weil die DITIB mit Abstand größter Moscheebauverein in Deutschland ist und mit der Diyanet eng verbunden ist.
_________________
.
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ateyim
registrierter User



Anmeldungsdatum: 21.05.2007
Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul

Beitrag(#1416875) Verfasst am: 13.01.2010, 11:33    Titel: Antworten mit Zitat

Das Budget betrug 2009 2.4 Milliarden TL und lag stolze 22,5% über dem Budget von 2008.

Davon seien 2,2 Milliarden Personalkosten und 300 Millionen werden unter "sonstige Ausgaben" aufgeführt... Details konnte ich bisher nicht ausfindig machen.

Beim Budget von 2010 gab es eine weitere Erhöhung von 8,4 Prozent auf 2,6 Milliarden, wovon 80,5% wiederum Personalkosten seien.

Allerdings kann ich die Information, dass die Diyanet über das 2.grösste Budget verfügt nicht bestaetigen: habe bezüglich 2009 folgendes über die anderen Ministerien gefunden: (von CNNTürk)

Verteidigungsministerium: 14,5 Milliarden
Gesundheitsministerium: 12,7 Mİlliarden
Landwirtschaftsministerium: 7,6 Milliarden
Justizministerium: 3,5 Milliarden
Innenministerium: 1,9 Milliarden
Umweltministerium: 1,2 Milliarden
Verkehrsministerium: 1,1 Milliarden
Kultur/Tourismusministerium: 1,5 Milliarden


die Zahl der "Bediensteten des Diyanet" wird mit ungefaehr 90.000 angegben. (by the way: Zahl der Aerzte liegt bei unter 80.000)


Also stimmt die Sache mit dem zweitgrössten Budget so nicht, und ich habe keine einzige Quelle gefunden, die überhaupt die 3Mrd. Grenze überschreitet.

Aber eine Info, die DICH bestimmt interessieren wird:

angeblich gibt es in der Türkei 1 Opernverband, 11 Balletverbaende, 18 Malerverbaende, 18 Kinoverbaende und 38 Theaterverbaende.

Anzahl der Verbaende zum Bau von Moscheen: 35.000.

Bestaetigen kann ich die Zahlen nicht, es wird aber in vielen türkischen Foren mit Erstaunen darüber diskutiert... keine Ahnung ob die Zahl stimmt, oder ob das jemand einfach mal so in den Raum geworfen hat und es nun seine Runde macht.

Aus meiner Zeit in Deutschland weiss ich jedenfalls, dass in den "türkischen Einkaufsstrassen" an der Theke immer die Spendenboxen für irgendwelche Moscheebauverbaende standen, aber selbst in benachbarten Laeden selten der gleiche Verband anzutreffen war... wieviele davon überhaupt solche Ziele verfolgen und wieviele hingegen für die eigene Tasche sammeln, weiss ich nicht.
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ateyim
registrierter User



Anmeldungsdatum: 21.05.2007
Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul

Beitrag(#1417204) Verfasst am: 14.01.2010, 13:48    Titel: Antworten mit Zitat

Über die an anderer Stelle erwaehnte diplomatische Krise zwischen der Türkei und İsrael:

Zitat:
"Die Türkei hat im diplomatischen Streit um eine schwere Demütigung des türkischen Botschafters eine Entschuldigung Israels akzeptiert. Zuvor war die israelische Regierung mit einem Entschuldigungsschreiben einer Forderung des türkischen Präsidenten Abdullah Gül nachgekommen. "Für uns ist das Problem erledigt", sagte Außenminister Ahmet Davutoglu dem türkischen Nachrichtensenders CNN-Türk zufolge. Auslöser des Streits war eine von Israel als antisemitisch angesehene Fernsehserie.

Die Türkei hatte auf eine formelle Entschuldigung Israels bestanden. Die Regierung in Ankara drohte ultimativ, ihren Gesandten Oguz Celikkol abzuberufen, sollte die Entschuldigung nicht vorliegen. Die Bemühungen des stellvertretenden israelischen Außenminister Danny Avalons um eine Entspannung wurden als nicht ausreichend zurückgewiesen. Dieser hatte sein Bedauern über sein Verhalten sigalisiert, nachdem er Celikkol wegen der umstrittenen Fernsehserie einbestellt hatte. "Es ist nicht meine Art, die Ehre eines Botschafters zu missachten und ich werde meine Positionen in Zukunft in einer diplomatisch akzeptablen Form darlegen", sagte Ayalon. Eine ausdrückliche Entschuldigung äußerte er jedoch nicht.

Zudem waren zu dem Termin Fernsehkameras zugelassen. "Ich arbeite seit 35 Jahren als Diplomat im türkischen Außendienst und bin noch nie so gedemütigt worden", sagte Celikkol anschließend der israelischen Zeitung "Jediot Achronot".

Kritik an türkischer Serie sei "berechtigt"
Gleichzeitig erneuerte Ayalon seine Kritik an der türkischen Serie. Die Proteste gegen "Das Tal der Wölfe" seien berechtigt. Die Produktion zeigt unter anderem die Entführung eines türkischen Kindes, das im Kampf gegen Palästinenser ausgebildet werden soll. Der Entführer im Film ist ein Agent des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad.

Seit dem Krieg im Gazastreifen vor einem Jahr haben sich die Beziehungen zwischen Israel und der Türkei, die ein Militärbündnis verbindet, erheblich verschlechtert. Die Türkei wirft Israel den Einsatz übertriebener Gewalt gegen die Palästinenser vor. Im Oktober vergangenen Jahres hatte Ankara ein geplantes internationales Manöver abgesagt, um eine israelische Teilnahme zu verhindern."
(www.tagesschau.de)

Natürlich wird dies die typisch türkischen Konsequenzen haben: GRÖSSENWAHN!!!

Nach dem Motto: "Seht ihr, wir sind wer, wenn wir auf den Tisch hauen, gibt Israel nach" und bla, und bla, und bla.... Mit den Augen rollen
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chiring
Asatru



Anmeldungsdatum: 11.08.2005
Beiträge: 1694
Wohnort: Westfalen

Beitrag(#1417331) Verfasst am: 14.01.2010, 19:37    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für die Infos!

Hast Du noch einen Link zur Quelle CNNTürk?
_________________
.
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ateyim
registrierter User



Anmeldungsdatum: 21.05.2007
Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul

Beitrag(#1417637) Verfasst am: 15.01.2010, 12:49    Titel: Antworten mit Zitat

Ich möchte heute mal nicht von etwas berichten, was ich in der Zeitung gelesen oder hier im Fernsehen gesehen habe, sondern von etwas, das ich erlebt habe.

Seit Juli nun wohne ich in einem anderen Viertel von Kadıköy, namens Sahrayıcedid, dass preislich eindeutig eher meinen Vorstellungen entspricht und deutlich weniger Menschen unterwegs sind, die ihre neuesten Klunker und Pelze zur Schau stellen wollen... trotz sehr moderner Lebensart fühlte ich mich im alten Viertel etwas fehl am Platz.

Dieses Viertel knapp zu beschreiben ist nicht schwer: mittelstaendischer und religiöser als das alte.

Ich wohne nun in einer Wohnanlage mit ca. 100 Parteien und das, was mir hier staendig begegnet ist "SEVAP"... es geht den Menschen hier staendig um "SEVAP"... man kann es wohl am besten mit "guter Tat" wiedergeben, aber im religiösen Sinn.

Es fing schon am Tag meines Einzugs an... an einem heissen Sommertag schufteten 8 Leute des Umzugsunternehmens.

Schon nachdem der Umzugswagen hier ankam, rief uns eine Dame aus einer der oberen Etagen zu, dass sie Tee koche, den sie dann mit Samuvar und Teeglaesern vom Hausmeister heruntertragen liess.

Bei jedem Dank der Arbeiter gab es ein "Das ist Sevap"

Auch fürs Mittagessen hatte eine andere Nachbarin gesorgt mit Reis, Cacık (besser bekannt als zaziki9, und Bohneneintopf... nichts dramatisches... aber wieder dieses "Gern geschehen, das ist Sevap"

egal ob ich die Leute beim Füttern der Katzen, von denen wir aktuell 8 Stück in der grossen Parkanlage haben, antreffe; egal ob ein Nachbar mal die Sterilisation von einer Katze übernimmt...alles ist immer "SEVAP"

Ohne diese Aussicht auf Pluspunkte, die sie meinen damit auf dem Weg zum Paradies zu sammeln, würden sich diese Leute wohl nicht so verhalten, zumindest kommt es mir so vor. Wenn ich naemlich einem Nachbarn helfe oder Katzen füttere, dann tue ich das wohl nicht so oft wie die, aber ich erhoffe mir dadurch auch keinen positiven Eintrag von irgendjemandem.

Ist alles hier harmonisch? Oh nein, keineswegs, denn ohne Sevap wird hier wie überall auch über jeden gelaestert. Ich bekomme alles mit, weil ich praktisch einen Logenplatz habe: direkt ein paar Meter tiefer in Höhe meines Schlafzimmers ist der kleine offene Pavillon, wo im Sommer viele Bewohner bis tief in die Nacht bei Tee und Kaffee im Park staendig tratschen und laestern.

Freitags eilen die meist aelteren Bewohner der Anlage in die ca. 500m entfernte Moschee, an den anderen Tagen gehen wohl knapp 10 Maenner geschlossen jeden Tag einmal gemeinsam mittags hin.

Und obwohl der Kopftuchanteil hier bei den Frauen bestimmt bei 50% plus liegt, sitzen samstags sogar im Winter, die jugendlichen Bewohner, Jungen (manche mit ihren Freundinnen) und Maedchen, reden und lachen dort bis in die Puppen, und morgens sieht man dann die zurückgelassenen Bierflaschen.

Auf der Anlage findet man oft irgendwelche Tippscheine vom Fussball- oder Pferdewettbüro (davon haben wir 4 im Umkreis von 5 Minuten).

Es ist für mich interessant, das alles, Tag für Tag mitzuerleben und zu beobachten... ich sehe in den Gespraechen untereinander, zwischen verhüllten und unverhüllten Frauen, zwischen eher konservativen Maennern und eher liberalen Frauen in der Siedlung im "direkten" Kontakt (gelaestert wird nachher) keine Berührungsaengste... oftmals nur eine "Duldung" und Vermeidung von problematischen Diskussionsthemen, aber mehr von dieser Bereitschaft im Miteinander mal Fünfe gerade sein zu lassen, als es in manchen Stadtteilen Kölns der Fall war.

Wie gesagt, nur ein einziger Erfahrungsbericht von einer kleinen Wohnanlage in einem der modern aber dennoch mittelstaendisch/religiös gepraegten Stadtteile Istanbuls, wo ich mich frage, ob es wirklich so wichtig ist, ob die Leute es bei ihrem friedlichen miteinander ehrlich meinen, oder sich dabei eher zaehneknirschend zwingen ruhig zu bleiben, weil der Gegenüber gar nicht ihren religiösen Vorstellungen entspricht... ob es wirklich so wichtig ist, ob Menschen eine gute Tat machen oder eine helfende Hand reichen, weil sie sich dadurch eine Erleichterung beim Eintritt ins Paradies sich erhoffen... Hauptsache sie tun es. MIR geht es nur um die Jahre zwischen Geburt und Tod und das man das irgendwie gut über die Bühne bekommt.

Früher war es mir wichtiger, dass die Leute ehrlich zu sich selbst sind, erkennen, dass sie entweder den Koran Wort für Wort leben müssen oder sich davon gefaelligst zu lösen haben.

Und was mich betrifft: Auf die Frage, ob ich denn mal zum Freitagsgebet mitkommen möchte, habe ich abgesagt und angefügt: Bitte nicht missverstehen, aber für mich ist "Religion" eine rein persönliche Sache"

"A, tabii, tamam, taman" (Ja klar, in Ordnung, in Ordnung) war die Reaktion des Bewohners, der mich seitdem aus unerklaerlichen Gründen, mit "Hoca" (religiöser Lehrer) anspricht. Lachen ... was solls.
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vrolijke
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Moderator



Anmeldungsdatum: 15.03.2007
Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart

Beitrag(#1417663) Verfasst am: 15.01.2010, 13:51    Titel: Antworten mit Zitat

Das ist ein ganz netter Brauch.
Ich kann mir vorstellen, daß Menschen öfters mal gerne jemand "direkt" helfen würden; es bleiben lassen, weil sie sich genieren.
In Deinem fall haben sie nun ein Begriff, wohinter sie sich verstecken können.
Ich bin der Meinung, daß sie es nicht machen würden, wenn sie es nicht gerne machen würden.
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Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm

Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.

Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1417670) Verfasst am: 15.01.2010, 14:08    Titel: Antworten mit Zitat

"Hoca", ich fasse's nicht! Lachen Ich schwanke (nein, ich habe noch nichts getrunken) bei der Beantwortung deiner Frage zwischen Optimismus und Pessimusmus, denn darum geht es eigentlich. Im Moment gibt es nämlich gar keine Frage. Die Leute in deinem Viertel kommen gut miteinander aus, tolerieren die Unterschiedlichkeit und bemühen sich, daraus kein Problem zu machen. Der Tratsch anschließend ist sogar ein gutes Zeichen, denn irgendwo muß man mit seinen Fremdheitsgefühlen ja hin, wie du jetzt auch hier.

Die Frage, die sich mir eher aufdrängt, ist, ob das alles auch so bleibt. Als ich in Istanbul war, ist mir das auch aufgefallen, die Vielfalt und der doch respektvolle Umgang miteinander, auch mit uns Fremden. Es ist nur eben nicht sicher, ob das auch eine Änderung des politischen Klimas überleben würde.
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

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Angkor
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Anmeldungsdatum: 14.03.2007
Beiträge: 1547

Beitrag(#1417671) Verfasst am: 15.01.2010, 14:11    Titel: Antworten mit Zitat

Danke für den Bericht. Immer wieder interessant sowas zu lesen.
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ateyim
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Anmeldungsdatum: 21.05.2007
Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul

Beitrag(#1417683) Verfasst am: 15.01.2010, 14:45    Titel: Juden in der Türkei Antworten mit Zitat

In wohl einer der wenigen lesbaren Zeitungen der Türkei, Haber Türk, ist heute ein Artikel von einem türkischen Juden namens Soli Özel, der Professor für internationale Beziehungen und politische Wissenschaften an der İstanbul Bilgi Universitaet ist.


Zitat:
Einer der erschütterndsten Momente der Krise zwishen Isreal und der Türkei war wohl die Pressekonferenz von Ministerpraesident Erdoğan vor seinem Besuch in Russland. Als dem Ministerpraesidenten, dem die Wut vom Gesicht abzulesen war, bezüglich der Krise eine Frage gestellt wurde und alles nur darauf wartete, von wo und wie der zündende Funke bei ihm die Explosion auslösen würde, antwortete er ganz ruhig und gelassen, und bat, die Frage an die, die sich mit der Krise beschaeftigen, weiterzuleiten.

Sowohl Praesident Gül als auch Erdoğan, der Aussenminister und seine Arbeitskollegen haben diese Krise auf eine Art und Weise bewaeltigt, wie es sich für einen traditionsreichen Staat gehört. Und sie haben die Früchte ihrer Politik geerntet.
Israel hat sich selbst erniedrigt, indem es ein Sofa auf dem einst Moshe Sharet, Abba Eban und sogar Shimon Peres würdevoll gesessen haben für ein rassistischen Fehler benutzte. Die Erniedrigung dieses haesslichen Plans war in der Israelischen Presse allgegenwaertig.

Wie bei jeder Krise mit Israel, hat auch diesmal, in der ersten Reaktion, der Aussenminister in der ersten Erklaerung darauf hingewiesen, dass vor 500 Jahren das Osmanische Reich, den aus Spanien vertriebenen Juden Zuflucht gewaehrt habe.

Auch Erdoğan hatte im vergangenen Jahr, nachdem er sich über das Blutvergiessen Israels in Gazza aufgeregt hatte, dieselbe Logik angewandt, um deutlich zu machen, dass seine Worte keinen Antisemitismus beinhalten.

Meiner Meinung nach war es ein Fehler und zudem sehr zwiespaeltig, bei einem Problem, das er mit einer anderen Nation hat, eine Aussage über seine eigenen Staatsbürger macht. Er schmeisst damit Israelis und türkische Juden in einen Topf.


Die türkische Republik ist nicht verantwortlich für die Gründung des Staates Israel. Bei den Vereinten Nationen hatte die Türkei gegen den Plan gestimmt, dass in Palaestina ein arabischer und ein jüdischer Staat entstehen sollen. Deswegen ist der Staat Israel bezüglich seiner Gründung der Türkei nichts schuldig. Dennoch hat der Staat Israel den guten Beziehungen zur Türkei immer grossen Wert beigemessen, und die Türkei hat immer dann, wenn es vom Nutzen her in ihre Belange passte, Israel anerkannt.

Seitdem dauern die Beziehungen an. Für die Aufnahme von Beziehungen überhaupt, war es bestimmt ein Vorteil, dass Sultan Beyazıt die spanischen Juden damals in sein Reich eingeladen hat.

Die türkischen Juden sind türkische Staatsbürger. Kurzum: es sind Türken. Wie auch die Türken, die in Bosnien, im Kosovo, in Bulgarien, in Aserbaidschan, in Armenien, im Irak, in Syrien oder in Deutschland Verwandte haben, interessieren sie sich für das Wohlergehen ihrer Leute, die unter der Obhut eines anderen Staates leben.

Sicherlich sorgt die Tatsache, dass Israel nach dem Völkermord an 6 Millionen europaeischen Juden gegründet wurde, dafür, dass seine Gründung und Existenz etwas besonderes und zerbrechliches ist.
Aber genausowenig wie die die türkischen Kosovaren, Georgier und Armenier verantwortlich sind für rassistisches Verhalten der albanischen Kosovaren gegenüber Türken, für das Verhalten von Georgien gegen türkische Abhazen oder für die Besetzung des aserbaidschanischen Berg Karabach ddurch Armenien, sind die türkischen Juden für das, was in Israel geschieht.

Die türkischen Juden sind auch keine Bürger Israels, die in der Türkei leben. Sie leben wie die anderen Völker, die nach Anatolien gekommen sind, haben nur eine andere Religion.

Falls die Türkei tatsaechlich ein laizistischer Staat ist, dann darf der Umstand einer anderen Religionsgehörigkeit niemanden zu Bürgern zweiter Klassen machen.

Dass Israel in der Türkei kein positives Image hat ist bekant. Aber von manchen Gruppen wird der eh schon feine Unterschied zwischen Opposition zu Israel und Feindschaft gegenüber Juden in letzter Zeit bewusst aufgehoben.

Waehrend der Gaza-Angriffe sind die Hassrufe ausgeufert. Egal wogegen die Türkei Position in Zukunft Position bezieht, es sollte niemals Grund für die Toleranz von Hasstiraden sein.


Anmerkung: es leben nur noch ca. 26.000 Juden in der Türkei, davon die meisten in İstanbul.

Ich fand den Artikel vor allem deswegen interessant, da auch von so manchem im FGH Israelkritik per se mit Antisemitismus gleichgesetzt wird und dass hier selbst ein jüdischer Politologe davon spricht, dass es einen Unterschied, einen sehr feinen zwar, aber immerhin einen Unterschied gibt. Man muss also nicht bei jeder Kritik an Israel... wumms.... den Stempel auf die Stirn bekommen. zwinkern Zudem macht es halt auch noch mal deutlich, dass man nicht unter bestimmten Oberbegriffen alles/alle in einen Topf werfen sollte


Zuletzt bearbeitet von ateyim am 15.01.2010, 14:57, insgesamt einmal bearbeitet
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ateyim
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Anmeldungsdatum: 21.05.2007
Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul

Beitrag(#1417685) Verfasst am: 15.01.2010, 14:49    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
"Hoca", ich fasse's nicht! Lachen Ich schwanke (nein, ich habe noch nichts getrunken) bei der Beantwortung deiner Frage zwischen Optimismus und Pessimusmus, denn darum geht es eigentlich. Im Moment gibt es nämlich gar keine Frage. Die Leute in deinem Viertel kommen gut miteinander aus, tolerieren die Unterschiedlichkeit und bemühen sich, daraus kein Problem zu machen. Der Tratsch anschließend ist sogar ein gutes Zeichen, denn irgendwo muß man mit seinen Fremdheitsgefühlen ja hin, wie du jetzt auch hier.

Die Frage, die sich mir eher aufdrängt, ist, ob das alles auch so bleibt. Als ich in Istanbul war, ist mir das auch aufgefallen, die Vielfalt und der doch respektvolle Umgang miteinander, auch mit uns Fremden. Es ist nur eben nicht sicher, ob das auch eine Änderung des politischen Klimas überleben würde.


Lachen ... da hast du mir gerade aber schön den Spiegel vor die eigene Nase gehalten... mir war gar nicht bewusst, dass ich hier auf diesem Wege diesem Fremdheitsgefühl ein Ventil verschaffe... da ist schon was wahres dran.
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Angkor
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Anmeldungsdatum: 14.03.2007
Beiträge: 1547

Beitrag(#1417690) Verfasst am: 15.01.2010, 15:01    Titel: Re: Juden in der Türkei Antworten mit Zitat

ateyim hat folgendes geschrieben:
In wohl einer der wenigen lesbaren Zeitungen der Türkei, Haber Türk, ist heute ein Artikel von einem türkischen Juden namens Soli Özel, der Professor für internationale Beziehungen und politische Wissenschaften an der İstanbul Bilgi Universitaet ist.


Zitat:
Einer der erschütterndsten Momente der Krise zwishen Isreal und der Türkei war wohl die Pressekonferenz von Ministerpraesident Erdoğan vor seinem Besuch in Russland. Als dem Ministerpraesidenten, dem die Wut vom Gesicht abzulesen war, bezüglich der Krise eine Frage gestellt wurde und alles nur darauf wartete, von wo und wie der zündende Funke bei ihm die Explosion auslösen würde, antwortete er ganz ruhig und gelassen, und bat, die Frage an die, die sich mit der Krise beschaeftigen, weiterzuleiten.

Sowohl Praesident Gül als auch Erdoğan, der Aussenminister und seine Arbeitskollegen haben diese Krise auf eine Art und Weise bewaeltigt, wie es sich für einen traditionsreichen Staat gehört. Und sie haben die Früchte ihrer Politik geerntet.
Israel hat sich selbst erniedrigt, indem es ein Sofa auf dem einst Moshe Sharet, Abba Eban und sogar Shimon Peres würdevoll gesessen haben für ein rassistischen Fehler benutzte. Die Erniedrigung dieses haesslichen Plans war in der Israelischen Presse allgegenwaertig.

Wie bei jeder Krise mit Israel, hat auch diesmal, in der ersten Reaktion, der Aussenminister in der ersten Erklaerung darauf hingewiesen, dass vor 500 Jahren das Osmanische Reich, den aus Spanien vertriebenen Juden Zuflucht gewaehrt habe.

Auch Erdoğan hatte im vergangenen Jahr, nachdem er sich über das Blutvergiessen Israels in Gazza aufgeregt hatte, dieselbe Logik angewandt, um deutlich zu machen, dass seine Worte keinen Antisemitismus beinhalten.

Meiner Meinung nach war es ein Fehler und zudem sehr zwiespaeltig, bei einem Problem, das er mit einer anderen Nation hat, eine Aussage über seine eigenen Staatsbürger macht. Er schmeisst damit Israelis und türkische Juden in einen Topf.


Die türkische Republik ist nicht verantwortlich für die Gründung des Staates Israel. Bei den Vereinten Nationen hatte die Türkei gegen den Plan gestimmt, dass in Palaestina ein arabischer und ein jüdischer Staat entstehen sollen. Deswegen ist der Staat Israel bezüglich seiner Gründung der Türkei nichts schuldig. Dennoch hat der Staat Israel den guten Beziehungen zur Türkei immer grossen Wert beigemessen, und die Türkei hat immer dann, wenn es vom Nutzen her in ihre Belange passte, Israel anerkannt.

Seitdem dauern die Beziehungen an. Für die Aufnahme von Beziehungen überhaupt, war es bestimmt ein Vorteil, dass Sultan Beyazıt die spanischen Juden damals in sein Reich eingeladen hat.

Die türkischen Juden sind türkische Staatsbürger. Kurzum: es sind Türken. Wie auch die Türken, die in Bosnien, im Kosovo, in Bulgarien, in Aserbaidschan, in Armenien, im Irak, in Syrien oder in Deutschland Verwandte haben, interessieren sie sich für das Wohlergehen ihrer Leute, die unter der Obhut eines anderen Staates leben.

Sicherlich sorgt die Tatsache, dass Israel nach dem Völkermord an 6 Millionen europaeischen Juden gegründet wurde, dafür, dass seine Gründung und Existenz etwas besonderes und zerbrechliches ist.
Aber genausowenig wie die die türkischen Kosovaren, Georgier und Armenier verantwortlich sind für rassistisches Verhalten der albanischen Kosovaren gegenüber Türken, für das Verhalten von Georgien gegen türkische Abhazen oder für die Besetzung des aserbaidschanischen Berg Karabach ddurch Armenien, sind die türkischen Juden für das, was in Israel geschieht.

Die türkischen Juden sind auch keine Bürger Israels, die in der Türkei leben. Sie leben wie die anderen Völker, die nach Anatolien gekommen sind, haben nur eine andere Religion.

Falls die Türkei tatsaechlich ein laizistischer Staat ist, dann darf der Umstand einer anderen Religionsgehörigkeit niemanden zu Bürgern zweiter Klassen machen.

Dass Israel in der Türkei kein positives Image hat ist bekant. Aber von manchen Gruppen wird der eh schon feine Unterschied zwischen Opposition zu Israel und Feindschaft gegenüber Juden in letzter Zeit bewusst aufgehoben.

Waehrend der Gaza-Angriffe sind die Hassrufe ausgeufert. Egal wogegen die Türkei Position in Zukunft Position bezieht, es sollte niemals Grund für die Toleranz von Hasstiraden sein.


Anmerkung: es leben nur noch ca. 26.000 Juden in der Türkei, davon die meisten in İstanbul.

Ich fand den Artikel vor allem deswegen interessant, da auch von so manchem im FGH Israelkritik per se mit Antisemitismus gleichgesetzt wird und dass hier selbst ein jüdischer Politologe davon spricht, dass es einen Unterschied, einen sehr feinen zwar, aber immerhin einen Unterschied gibt. Man muss also nicht bei jeder Kritik an Israel... wumms.... den Stempel auf die Stirn bekommen. zwinkern Zudem macht es halt auch noch mal deutlich, dass man nicht unter bestimmten Oberbegriffen alles/alle in einen Topf werfen sollte


Ich finde den Artikel ziemlich gut. Den Namen des Autors werde ich mir jedenfalls merken.
Sag mal, hast du den Artikel selbst übersetzt oder gibt es von Haber Türk auch eine deutsche Ausgabe?
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ateyim
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Beitrag(#1417692) Verfasst am: 15.01.2010, 15:07    Titel: Antworten mit Zitat

gibts nur auf Türkisch...

Türkiye'de Yahudi olmak
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ateyim
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Beitrag(#1418957) Verfasst am: 18.01.2010, 10:56    Titel: Antworten mit Zitat

Ein typsich türkisches Umfrageergebnis:

Die Überschrift lautet zwar: Vertrauen der Türken in andere Nationen, aber ich notiere mal nur die Prozentzahlen unter der Spalte "Misstrauen"

Saudi Arabien 82,5%
Iran 84,3%
Deutschland 88,3%
Japan 90,7%
USA 92,4%
China 93,5%
Russland 93,3%
Frankreich 94,2%
Schweiz 94%
Italien 93%
England 94%
(Quelle: Zeitung Haber Türk)

wundert mich nicht, wenn man ja schon von Anfang an gesagt bekommt, dass ein Türke nur einem Türken vertrauen sollte... bloss frage ich mich, warum bei den meisten Betrugsdelikten und anderen Skandalen sowohl Taeter und Opfer hier Türken sind. Lachen


Eine andere Sache: Ehud Barak war gestern zu einem kurzen Besuch in der Türkei, wobei der Besuch schon vor dem "Sofa-Skandal" geplant war.

Es war ein Besuch, der protokolarisch auf Sparflamme durchgeführt wurde... Kein Treffen mit dem Praesidenten, Premier oder obersten General... der wichtigste Gespraechspartner war der türkische Aussenminister.

Es wurde viel in die Kameras gelaechelt und Haende wurden geschüttelt.

Bei der abschliessenden Presseerklaerung sagte Barak, dass mit der Entschuldigung das "unglückliche" Ereignis abgehakt sei.

Davon scheint der Herr Ayalon, auf dessen Mist das Ganze gewachsen war, nichts mitbekommen zu haben, den gestern wurden im türkischen Fernsehen Ausschnitte einer politischen Diskussionsrunde im israelischen Fernsehen gezeigt, bei der Ayalon meinte, dass er sogar befugt sei, jeden auslaendischen Diplomaten des Landes zu verweisen.

Ich denke, da sollte die Regierung mal in Israel sich zusammenstzen und Kompetenzverteilungen besprechen.

Erdoğan meinte auf eine Reporterfrage nur, dass Barak in der Regierung einen deutlich höheren Stellenwert einnehme und meinte, dass er nur ihn als Gespraechspartner in dieser Angelegenheit anerkenne.


Ausserdem ist in der Zeitung ein Streitgespraech abgedruckt:

Die Überschriften der Pro und Kontra-Seite sind

DER ISLAM HAT EINEN REVOLUTIONAEREN CHARAKTER, SEINE ÖKONOMISCHE UND POLITISCHE POSITION IST LINKS (vertreten von einem religiösen Schriftsteller namens İhsan Eliaçık)

SOZIALISMUS UND ISLAM HABEN NICHTS MITEINANDER ZU TUN... DER ISLAM SUCHT NICHT NACH RECHT UND FREIHEIT... ER IST DIKTATORISCH (vertreten von einem türkischen Maler namens Bedri Baykam)

denke, dass ich dazu heute noch was schreiben werde, bloss muss ich erstmal arbeiten. Jedenfalls ist es für mich immer wieder erfreulich, dass in diesem Land über so etwas in der Presse oder in Diskussionsrunden überhaupt diskutiert wird ( bzw. werden kann)Sehr glücklich
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Angkor
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Anmeldungsdatum: 14.03.2007
Beiträge: 1547

Beitrag(#1419074) Verfasst am: 18.01.2010, 16:56    Titel: Antworten mit Zitat

Interessanter Beitrag! Die "Misstrauenstabelle" ist wirklich bezeichnend. Lachen

Das Streitgespräch hört sich auch interessant an. Würde mich mal interessieren, wie die beiden ihre Positionen darlegen. Ist dieser İhsan Eliaçık eigentlich eher religiös liberal eingestellt?
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ateyim
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Beitrag(#1419443) Verfasst am: 19.01.2010, 13:54    Titel: Antworten mit Zitat

Hier nun, wie versprochen, die unterschiedlichen Ansichten aus der gestrigen Ausgabe der Zeitung Haber Türk zum Thema Islam = Sozialismus

1. Theologischer Schriftsteller İhsan Eliaçık:
Zitat:
Im Koran spricht Allah aus der Position der Unterdrückten und Armen heraus. Die Drohungen in Bezug auf die Hölle ist im Grunde nichts anderes als die Wut der Unterdrückten und Mittellosen gegenüber den Besitzenden. Im Koran findet sich keine einziger Absatz, in dem das Anhaeufen von Reichtümern gelobt wird. Im Laufe der Geschichte wird immer versucht, die rebellische Ader des Islam trocken zu legen. Aber alle Religionen und Aufstaende werden aus Not und Elend geboren und verschwinden in der errungenen Ruhe und im erlangten Frieden.
Immer schon waren die Propheten das Sprachrohr der Unterdrückten, Hungernden und Armen. In der Moderne sehen wir, dass dies sich in die linke marxistische Richtung verlagert. Seitdem nun eben auch der Marxismus als Feind der Religion wahrgenommen wird, haben sich Positionen verschoben, doch jetzt ist die Zeit gekommen, das wieder gerade zu rücken.
Meiner Meinung nach mag der Islam in seiner metaphysischen Haltung eher rechte Themen umfassen, aber wirtschaftlich und politisch ist er links. Die islamischen Sozialpositionen decken sich mit den sozialistischen Idealen. Genausowenig wie Emeviler und Abbasiler nicht alleine die Ideale des Islam vertreten, genausowenig ist das bei dem sowjetischen oder chinesischen Modellen der Fall. Wichtig sind die Durchsetzung von Recht, Gleichheit, Brüderlichkeit, Verteilung von gemeinsam Erwirtschaftetem. In unserem Zeitalter braucht die Linke Allah und die muslimische Welt braucht die Stimme der Unterdrückten und Armen. Beides kann sich in einer Welt vereinen, und das ist meiner Meinung nach der Geist der Zeit


2. Maler Bedri Baykam:
Zitat:
Der Versuch, den Islam im sozialen und politischen Leben irgendwie für jeden Bereich passend zu machen, ist ein Geschenk der 80er an die Türkei und ist in intelektuellen Kreisen das Ergebnis einer sogenannten liberal-islamischen Politik.
Die Demonstrationen der Arbeiter derzeit für mehr Rechte ist ein linker und rein politischer Protest. Es kann mit dem Sozialismus oder der Sozialdemokratie in Verbindung gebracht werden. Es sind Schlachtrufe des Sozialismus und nicht des Islams. Der Versuch diesen Widerstand, dieses Freiheitsstreben, diesen Einheitsgedanken mit dem Islam verbinden zu wollen, erinnert mich an die 80er Jahre als man versuchte "Islam und Geld", "Islam und Luxus" etc. in Einklang bringen zu wollen.
Der Islam und der Sozialismus haben nicht die geringste Gemeinsamkeit. Jeder interpretiert den Koran so wie es ihm gerade in den Kram passt. Im Koran gibt es kein Streben nach Recht und Freiheit und auch nicht die Anpassung von Denkweisen an sich veraenderte Umstaende. Im Koran sagt man nur "Das hat Allah so gewollt und befohlen"
Wie es gerade der Prediger halt verstanden hat, oder es zu seinem Vorteil verstanden haben will, so vermittelt er es als von oben gesandtes Diktat an die Gemeinde.
Der Koran ist auch nicht offen für Diskussionen, und weder von Nah und noch von Fern kann man in ihm einen Verteidiger der Freiheit erkennen.



Habe ich jetzt sehr schnell übersetzt...wird wohl hier und da eventuell nicht gerade gut sein, aber es ist korrekt übersetzt.
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ateyim
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Beitrag(#1420566) Verfasst am: 21.01.2010, 17:06    Titel: Antworten mit Zitat

In der heutigen Ausgabe der Hürriyet ist ein Bericht, der sich auf die aktuelle Ausgabe des G2-Bulletins, dem angeblich "Independent, Online Intelligence Resource " beruft... wollte ich im Original auf Englisch lesen, ist aber kostenpflichtig...

daher nur der Bericht:

Zitat:
Der unabhaengige amerikanische Nachrichtendienst G2-Bulletin hat sich in der letzten Ausgabe der Annaeherung von Moskau und Ankara gewidmet. In letzter Zeit wollte die NATO, sich in den Osten zu den ehemaligen Sowjetstaaten hin ausbreiten und somit in den Einflussbereich Moskaus betreten.


In dem Bericht, der von World Net Daily veröffentlich wurde und die Unterschrift von Josep Farah traegt, wird gesagt, dass über die Annaeherung der Türkei an Russland, der Kreml einen Weg gefunden habe, die Ausbreitung der NATO-Zone zu schwaechen.

Premierminister Recep Tayyip Erdoğan hatte in den vergangenen Tage bei seinem Besuch in Moskau Milliarden von Dollar schwere Handels- und Energieabkommen unterschrieben.

Die beiden Seiten wollen in den kommenden fünf Jahren das Handelsvolumen von 35 Milliarden auf 100 Milliarden Dollar steigern, und haben strategische Vereinbarungen im Energiebereich getroffen.

In dem Bericht wird erwaehnt, dass die Türkei 70% seines Erdgasbedarfs aus Russland beziehe, und daher keine andere Wahl habe, als mit Moskau zusammenzuarbeiten.

Diese Abhaengigkeit habe zu einer Vergrösserung des russischen Einflusses auf die Politik und die Wirtschaft der Türkei geführt.

Noch wichtiger ist, dass Russland der Türkei angeboten hat, ihre erste Atomkraftanlage zu bauen und zu betreiben.

Auch wenn wegen dieser Abhaengigkeit in der Türkei oppositionelle Stimmen laut werden, haben Erdoğan und Putin bereits ein Abkommen über den Bau unterschrieben.

Das Werk soll an der Mittelmeerküste in der Umgebung von Akkuyu von einem Konsortium bestehend aus den russischen Unternehmen Atomstroyeexport und Inter Rao Eus sowie der türkischen Firma Park Teknik gebaut werden.

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass Ankara im Energiebereich in den Faengen Moskaus sei.

http://www.hurriyet.com.tr/planet/13544520.asp?gid=286

Müssen wir eigentlich die USA nicht erst mal um Erlaubnis fragen, bevor wir uns der Atomenergie zuwenden....
und wie verlaesslich ist das russische Know-How beim Bau von Atomkraftwerken in Erdbebenregionen
skeptisch
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ateyim
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Beitrag(#1420802) Verfasst am: 22.01.2010, 13:56    Titel: Antworten mit Zitat

Ist das nicht schön.. jetzt geraten israelische Politiker sich in die Wolle wegen der Türkei: Die Zusammenfassung eines Streitgespraechs zwischen dem israelischen Aussenminister Liebermann und dem Wirtschafts- und Arbeitsminister Ben-Eliezer (türkische Quelle:Habertürk

Zitat:
Ben-Eliezer: “Das Aussenministerium muss einende und nicht trennende Faktoren finden. Du vernichtest die Politik des Ministeriums, die sie mühsam in 10 Jahren aufgebaut hat. Wenn du nicht mein Freund waerst, würde ich aus dir einen Döner machen."

- Lieberman: “Du bist in der üblichen jüdischen Betrachtungsweise haengen geblieben. Du versuchts immer deine Herren zufriedenzustellen."

- Ben-Eliezer: “In Aegypten und Jordanien werden taeglich Fernsehserien mit anti-israelischem Inhalt gezeigt. Warum regst du dich nicht über die auf?"

- Lieberman: “Der Unterschied ist der, dass die Aegypter und Jordanier nicht, wie der türkische Ministerpraesident es aber tut, behaupten, dass Ahmadinecad ihr bester Freund sei und greifen nicht tagtaeglich den israelischen Praesidenten an. Demnaechst wird man Sie, die Anhaenger der Mapay Partei zu einer aussterbenden Art erklaeren und in den Tiergarten von Brei Ayish bringen. Aber selbst dieser Zoo wird für Sie zu gross sein."

- Ben-Eliezer: “Warum tragen Sie das jetzt auf einer persönlichen Ebene aus? Meinem Enkel sage ich, wenn er vom Thema abweicht: "Lenk nicht ab sondern sag was Vernünftiges"

- Botschafter Ben-Zeev: “In Deutschland lebt eine grosse türkische Minderheit. Vor einiger Zeit war der türkische Premierminister dort. Er hat dort vor einer türkischen Menge gesprochen und gesagt, dass sie die Verbundenheit zu ihrem Land nicht augeben sollen."

- Ben-Eliezer: “Siehst du? Weil er das gesagt hat, sind die Deutschen durchgedreht"

- Lieberman: “Wer ein Schosshund sein möchte, soll ruhig einer sein. Wir haben im Mittleren Osten keine andere Wahl. Manchmal musst du so reagieren, als ob die Nerven mit dir durchgegangen seien.”

- Ben-Eliezer: “Deutschland hat zahlreiche Handelsbeziehungen mit dem Iran. Heute haben wir den ganzen Tag mit den Deutschen zusammengesessen und sind gute Freunde. Selbst wenn wir da was zu kritisieren haetten, wüssten wir, wie wir das zur Sprache bringen würden. Die Türkei hat mit der Ablehnung seitens Europas begonnen sich von uns zu distanzieren und sich vermehrt der arabischen Welt zuzuwwenden. Auch wir haben durch unsere eigenen Anführer einen unschönen Beitrag hierzu geleistet (Hier wird Bezug genommen, auf den Besuch Ben-Eliezers in Ankara zwei Tage vor Beginn der Gaza-Operation bei der versprochen wurde, dass kein Angriff durchgeführt werde)"

- Lieberman: “Du fürchtest dich vor denen. Du möchtest sie nur besasenftigen und am Ende recht haben.”

- Ben-Eliezer: “Ich fürchte mich vor niemandem. Ich wurde in Kaempfen verwundet. Ich verstehe bloss nicht, was es uns nützlich sein soll, wenn wir uns immer weiter vn der muslimischen Welt isolieren"



Für mich macht dies vor allem deutlich, wie schwer trotz des Vorhandenseins von auslaendischen Vertretungen es ist, Beflindlichkeiten richtig zu deuten. Allein der Einwand des Botschafters, dass man in Deutschland ausgerastet sei, obwohl Erdoğan doch bloss gesagt habe, dass man seine Verbindung zur Heimat nicht verlieren soll. War seine Rede damals wirklich so harmlos?

Wenn da schon gewisse Sachen vom oberster Repraesentanten eines auslaendischen Staates so vereinfacht an das eigene Land vermittelt werden, dann wundert mich gar nichts.

Und dennoch meinen manche in Diskussionen immer, politische Ablaeufe im Ausland augrund eines Spiegel-Berichts hunderprozent richtig beurteilen zu können. zwinkern Es gehört mehr dazu als das Lesen eines einfachen Berichts aus dem Blickwinkel eines "Auslaenders"
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DeHerg
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Beitrag(#1420864) Verfasst am: 22.01.2010, 16:24    Titel: Antworten mit Zitat

ateyim hat folgendes geschrieben:
Allein der Einwand des Botschafters, dass man in Deutschland ausgerastet sei, obwohl Erdoğan doch bloss gesagt habe, dass man seine Verbindung zur Heimat nicht verlieren soll. War seine Rede damals wirklich so harmlos?
also die einzigen Ausraster die ich zu dem Thema in Erinnerung hatte waren eigentlich nur aus den Kreisen der "typischen Verdächtigen"(konservative Politiker auf Stimmenfang und ein paar islamophobe)

ateyim hat folgendes geschrieben:

Zitat:
Ben-Eliezer: “Wenn du nicht mein Freund waerst, würde ich aus dir einen Döner machen."
nur mal nebenbei: bist du sicher das der Spruch wirklich so gesagt wurde? (ich frage weil der Spruch so sehr nach dem typischen Klischeebild von jugendlichen Immigranten aus dem Orient klingt("alter wenn du nisch mein Bruder wärst isch würd disch Döner machen") und nicht nach hochrangigen Politikern)
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ateyim
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Beitrag(#1420869) Verfasst am: 22.01.2010, 16:36    Titel: Antworten mit Zitat

DeHerg hat folgendes geschrieben:
ateyim hat folgendes geschrieben:
Allein der Einwand des Botschafters, dass man in Deutschland ausgerastet sei, obwohl Erdoğan doch bloss gesagt habe, dass man seine Verbindung zur Heimat nicht verlieren soll. War seine Rede damals wirklich so harmlos?
also die einzigen Ausraster die ich zu dem Thema in Erinnerung hatte waren eigentlich nur aus den Kreisen der "typischen Verdächtigen"(konservative Politiker auf Stimmenfang und ein paar islamophobe)

ateyim hat folgendes geschrieben:

Zitat:
Ben-Eliezer: “Wenn du nicht mein Freund waerst, würde ich aus dir einen Döner machen."
nur mal nebenbei: bist du sicher das der Spruch wirklich so gesagt wurde? (ich frage weil der Spruch so sehr nach dem typischen Klischeebild von jugendlichen Immigranten aus dem Orient klingt("alter wenn du nisch mein Bruder wärst isch würd disch Döner machen") und nicht nach hochrangigen Politikern)


nun ja... ich müsste wohl hebraeisch verstehen und mir das Original angucken, um es dir sagen zu können. Ich vermute mal, dass es eventuell mit einem süffisanten Laecheln anfangs gesagt wurde. Keine Ahnung was für eine Art von Humor man da pflegt... ich habe es aber in keinster Weise als ernsthafte Drohung an den Gespraechspartner aufgefasst...

"hochrangigen Politikern" traue ich allerdings in hitzköpfigen Breitengraden allerdings alles zu, was das Diskussionsniveau betrifft.. Lachen
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ateyim
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Beitrag(#1422003) Verfasst am: 25.01.2010, 10:31    Titel: Antworten mit Zitat

Eine der beliebtesten Unterhaltungssendungen im türkischen Fernsehen ist die Sendung "Wipeout" (http://www.wipeoutturkey.com, die es wohl nach gleichem Muster in vielen Laendern gibt - mal wieder eine endemol-Produktion). Sie ist ungefaehr vergleichbar mit den japanischen Sendungen, wo man versucht einen Parcour mit Hindernissen, Matsch und Dreck zu überwinden.

In der türkischen Variante werden in jeder Folge 16 Kandidaten zu diesem Parcours nach Argentinien geflogen, damit einer am Ende die 10.000 TL Praemie kassiert... im grossen Finale der Sieger geht es dann um 100.000TL.

Natürlich kommt es in dieser Sendung zu spektakulaeren Stürzen, die dann zig mal in Zeitlupe wiederholt und von der Stimme aus dem Off genüsslich kommentiert werden...

Warum schreibe ich das?

In der gestrigen Folge ist ein Kandidat mehrmals so gestürzt, dass es so aussah als ob er beten würde:

Die Stimme aus dem Off machte dann Bemerkungen wie:

"Nun wirft sich xy zum Mittagsgebet auf den Boden"

"Aber, aber... willst du dich vorher nicht mal waschen, bevor du dich zum Nachmittagsgebet hinlegst."

"Übertreibst du es nicht mit dem Beten nicht etwas"

etc. etc.

Persönlich finde ich gar nichts Schlimmes an diesen Sprüchen, frage mich nur, ob man darüber genauso lachen würde, wenn es in einer auslaendischen Version so gesagt werden würde.

Ich werde den Verdacht nicht los, dass manche Kreise sich darüber lautstark empören würden... zwinkern

Ich mag die Sendung vor allem deswegen, weil bei jeder Sendung zig junge Leute antreten, die zwar unter die 99% Anteil Muslime in der Türkei fallen, die (und mit aller Wahrscheinlichkeit auch ihre Familien) aber meilenweit von den Horrorcharakteren entfernt sind, die manche Islam/Islamismus-Vermischer hier pauschal zeichnen. Wenn ich dann auch noch höre, dass sie nicht nur aus den Metropolen der Türkei stammen, sondern auch aus weniger bekannten anatolischen Provinzen, dann freut es mich umso mehr. Smilie

In einer Sendung letztes Jahr war sogar ein Student, der spaeter Imam werden möchte, dabei... solche Imame seh ich gerne. Der einzige Unterschied zwischen ihm und den anderen Kandidaten und Kandidatinnen bestand darin, dass er vor jedem Sprung und jeder Aktion im Parcours ein "bismillah" (im Namen Gottes) vor sich hin murmelte. Lachen
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Chilisalsa
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Beitrag(#1422080) Verfasst am: 25.01.2010, 15:46    Titel: Antworten mit Zitat

ateyim hat folgendes geschrieben:
Allein der Einwand des Botschafters, dass man in Deutschland ausgerastet sei, obwohl Erdoğan doch bloss gesagt habe, dass man seine Verbindung zur Heimat nicht verlieren soll. War seine Rede damals wirklich so harmlos?

Erdogan hat nicht gesagt, daß man seine Verbindung zur Heimat nicht verlieren soll und von "ausrasten" kann keine Rede sein.

Erdogan hielt in der Köln-Arena vor 16 000 Türken eine Rede, in der er u.a. sagte, "Assimilation wäre ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit", eine dumme Bemerkung, die angesichts der Probleme durch mangelnde Integrationsbereitschaft von Teilen der türkischen Gemeinde in Deutschland nicht gerade als konstruktiv bezeichnet werden kann.
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ateyim
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Beitrag(#1422867) Verfasst am: 27.01.2010, 01:09    Titel: Antworten mit Zitat

Am 25.01. wurde in den Zeitungen hier der Bericht über eine Werbekampagne eines deutschen Unterwaescheherstellers namens Liaison Dangereuse veröffentlicht.

Clip

In dem Clip sieht man eine Frau, wie sie sich schminkt, sexy Unterwaesche anzieht, und sich dann am Ende verschleiert, mit der Einblendung des Spruchs "Sexiness for Everyone, Everywhere"

Ich habe mal abgewartet und wollte ein bis zwei Tage verstreichen lassen, bis ich die Leserkommentare im Internet meiner Zeitung "Habertürk" nachlese:

170 Kommentare sind es zu dem Bericht, der fast generell unter Überschriften wie: Aufruhr in der Muslimischen Welt oder Muslims in Rage in allen Blaettern heute abgedruckt wurden.

die letzten Kommentare lauten:

26.01.2010 09:41

Zitat:
Die Werbung hat ihr Ziel erreicht. Seht nur, sogar auf dieser Website werden hier die meisten Kommentare geschrieben. Das ist ja auch das Ziel der Werbung, je mehr man darüber spricht, umso erfolgreicher ist sie. und das bedeutet am Ende Umsatz. Die Leute beherrschen ihren Job, wie man sieht.



26.01.2010 09:21

Zitat:
Als jemand, der bereits in arabischen Laendern gelebt hat, kann ich sagen, dass das den Tatsachen entspricht. Dort wird es heimlich gelebt, aber glaubt mir, es wird gelebt. Sogar die Homosexualitaet ist an einem Maximum, aber niemand gibt es zu.


Misafir 26.01.2010 08:41

Zitat:
Bitte aendert die Überschrift dieses Artikels von "Die Muslime haben sich erhoben" in "Die arabische Welt hat sich erhoben" Denn mich stört es gar nicht. Und die Araber dürften sich im Grunde auch nicht empören, denn es beschreibt ja eigentlich nur ihre Situation.


Misafir 26.01.2010 08:35

Zitat:
Es ist in der Tat ein schöner Werbespot geworden.



26.01.2010 08:20

Zitat:
Was ist so schlimm an diesem Spot. Ich bitte euch, in Gottes Namen....



26.01.2010 08:17

Zitat:
Auch ich bin eine Frau und trage Kopftuch. Die Werbung ist wirklich schön geworden. Letzendlich erfüllt es einen wirtschaftlichen Zweck, bitte bauscht es nicht so sehr auf



26.01.2010 08:10

Zitat:
In eurem Perso steht "Moslem" aber ihr habt nicht das geringste mit dem Islam zu tun. Islam ist nicht das, was euch in den Kram passt, sondern das was Allah vermittelt hat.


26.01.2010 07:36
Zitat:
Was soll man noch über die Leute sagen, die den Islam benutzen, um die Leute für dumm zu verkaufen. Genau DAS regt euch über diese Werbung auf. Das ist Rückstaendigkeit und Unwissenheit. Man wollte bewusst provozieren und ihr fallt drauf rein.



...

es ist ein hin und her... ich habe mir noch nicht die Mühe gemacht, mal nach Pro und Contra die 170 Leserbeitraege zu sortieren, ABER worauf es mir hier eher ankommt ist der Umstand, dass so mancher hier im Forum gerne Moslems als "eine Suppe" wahrnehmen....

d.h. sobald sie in einer deutschen Zeitung von einer Demonstration gegen diesen Clip lesen, sehen sie gleich eine einstimmige Geschlossenheit hinter dieser Ansicht seitens ALLER Muslime.... die "So-sind-sie-halt-die-Muslime-Fraktion kann sich nicht vorstellen, dass es auch Muslime gibt, die normal über solche Sachen reden können, ohne schon mit blutroten Augen und geiferndem Sabber die Krummsaebel schwingen.

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ateyim
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Beitrag(#1423530) Verfasst am: 28.01.2010, 14:17    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn es bei diesem Unfall keine Verletzten gegeben haette, haette ich das eventuell an anderer (Fun)-Stelle gepostet, aber eine Person liegt nach diesem Unfall noch im Koma.

Szene augenommen von einer Strassenüberwachungskamera

Unfall

Ein LKW faehrt über eine Autobahn mit aufgerichteter Ladeflaeche und zerstört einen Fussgaengerüberweg.

Der inhaftierte Fahrer behauptet, dass aufgrund der frostigen Temperaturen eine Fehlfunktion ausgelöst worden sei (eventuell durch Vereisung der dafür zustaendigen Motorik) waehrend der Fahrt und dass er deswegen nichts gemerkt habe. Mit den Augen rollen

Heftig, man sieht die eine Person, wie sie im letzten Moment erstarrt und sich weder vor noch zurückbewegt, bevor es dann zu dem Zusammenstoss kommt. Traurig
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Kiki
ist sicher nicht Eso



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Beitrag(#1423717) Verfasst am: 28.01.2010, 18:24    Titel: Antworten mit Zitat

ateyim hat folgendes geschrieben:
Wenn es bei diesem Unfall keine Verletzten gegeben haette, haette ich das eventuell an anderer (Fun)-Stelle gepostet, aber eine Person liegt nach diesem Unfall noch im Koma.

Szene augenommen von einer Strassenüberwachungskamera

Unfall

Ein LKW faehrt über eine Autobahn mit aufgerichteter Ladeflaeche und zerstört einen Fussgaengerüberweg.

Der inhaftierte Fahrer behauptet, dass aufgrund der frostigen Temperaturen eine Fehlfunktion ausgelöst worden sei (eventuell durch Vereisung der dafür zustaendigen Motorik) waehrend der Fahrt und dass er deswegen nichts gemerkt habe. Mit den Augen rollen

Heftig, man sieht die eine Person, wie sie im letzten Moment erstarrt und sich weder vor noch zurückbewegt, bevor es dann zu dem Zusammenstoss kommt. Traurig


Krass, und wie manche Autofahrer da noch mal schön über den Schutt fahren. Die konnten doch bestimmt nicht sehen, ob da wer liegt...
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Beitrag(#1423800) Verfasst am: 28.01.2010, 20:33    Titel: Antworten mit Zitat

ateyim hat folgendes geschrieben:
...


Ach Du scheiße, das ist echt hart. Geschockt
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„Wer in einem gewissen Alter nicht merkt, daß er hauptsächlich von Idioten umgeben ist, merkt es aus einem gewissen Grunde nicht.“ Curt Goetz
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ateyim
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Beitrag(#1426855) Verfasst am: 03.02.2010, 09:48    Titel: Antworten mit Zitat

Aus der heutigen Hürriyetausgabe:

Zitat:
Urteil nach jahrelangem juristischen Kampf für den alevitischen Mitbürger Sinan Işık


Das Gericht hat entschieden, dass die in den türkischen Ausweisen aufgeführte Angabe zur Religionszugehörigkeit, dem 9.Paragraphen des Europaeischen Menschenrechtsabkommens widerspreche, der die Religions- und Glaubensfreiheit schütze.

Das Gericht war der Auffassung, dass der Zwang zur Preisgabe der religiösen Zugehörigkeit auf einem Ausweis e,ne Verletzung der persönlichen Menschenrechte darstelle, und dass dieses Problem durch Beseitigung dieser Angabe gelöst werden könne.

Es sei nicht Aufgabe des Staates die Religion bzw. den Glauben eines Menschen zu bewerten, denn solch ein Zustand mit sich bringen, dass der Staat seine Neutralitaet und Unabhaengigkeit in dieser Sache in Zukunft verletzen könne.


Der Klaeger wollte eigentlich, dass dort "Alevit" bei Religionszugehörigkeit steht und seine Anwaelte hatten vor Gericht vorgebracht, dass ein leeres Feld nicht gewünscht sei, da man sonst ja für einen Atheisten gehalten werden könnte. Hierzu sagte das Gericht:

Zitat:
"Diese Gedanken kaemen ja überhaupt erst auf, weil auf den Ausweisen halt die Religion angegeben wird"



Ausserdem sagte man im Urteil:

Zitat:
Die Religionsfreiheit ist eine der grundlegensten Freiheiten von Glaeubigen. Sie ist aber auch sehr wichtig für Atheisten, Agnostiker, Septiker und einfach nur unreligiöse Menschen. Denn dieser Beschluss umfasst auch die Freiheit, ob man überhaupt eine Religion hat oder nicht, oder ob man religiöse Rituale ausübt oder nicht.


----

Ein anderes Urteil fiel gestern auch... kurdische Bürger hatten wegen der Schreibung ihrer Namen mit den im türkischen Alphabet nicht vorkommenden Buchstaben Q, W und X geklagt. (stattdessen schreibt man in den Amtsstuben K, V und KS).

Diese Klage wurde zurückgewiesen mit der Begründung, dass jedes Land über seine offizielle Amts- und Behördensprache frei entscheiden dürfe, und dementsprechend auch das angewandte Alphabet festlegen könne. Sicherlich dürfe jede ethnische Minderheit seine Namen benutzen, aber diese müssen den Amtsalphabet angepasst werden.

Es sei in der Klageschrift auf das Problem von Ausspracheschwierigkeiten hingewiesen worden, wenn man den Namen nicht mit den eigenen Buchstaben schreibe.

Darauf habe das Gericht gesagt, dass dies kein typisch türkisches Problem sei, dass man das in vielen Laendern in solchen Faellen erlebe und dass man bemüht sein solle, die für die Aussprache "naheliegendste" Schreibweise in der Amtssprache zu verwenden.



[/quote]
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Beitrag(#1426952) Verfasst am: 03.02.2010, 14:21    Titel: Antworten mit Zitat

Die Argumentation werde ich mir aneignen, dann kann ich bei Effô Tisetti den Akzent wieder weglassen Mr. Green
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ateyim
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Beitrag(#1427125) Verfasst am: 03.02.2010, 17:53    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe zwar nirgends geklagt, aber als das grosse "Ö" am Anfang meines Namens auf meinem Abizeugnis mit "Oe" geschrieben wurde, habe ich protestiert....

und dafür waere ich sogar vor Gericht gezogen... Cool
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Beitrag(#1428602) Verfasst am: 07.02.2010, 12:34    Titel: Antworten mit Zitat

In der Freitagspredigt hat der türkische Minister für religiöse Angeleheiten es gewagt in der Ulu Moschee von Diyarbakır, folgendes zu sagen:



Zitat:
"Schaltet abends den Fernseher für 30 Minuten aus und lest im Koran. Der Koran lehrt uns unsere Vergangenheit und Zukunft, und bringt uns uns selbst naeher. Daher ist so, dass wir uns mit uns treffen, wenn wir den Koran in die Hand nehmen. Schaltet abends für eine halbe Stunde den Fernseher aus, und lest im Koran, wenn ihr ihn lesen könnt. Die, die es nicht können, sollen zur Hilfe Audio-CDs nutzen.


Damit hat er heftige Diskussionen ausgelöst. In Leserbriefen reichen die Meinungen von einem extrem zum anderen.

In der heutigen Ausgabe der Zeitung Haber-Türk sind einige Pro- und Kontra Ansichten wiedergegeben. Sie alle zu übersetzen entspricht nicht meiner Vorstellung von einem entspannten Sonntag zwinkern , daher zumindest die zusammenfassenden Überschriften aus der Zeitung:

Universitaet zu Ankara, Religionsprofessor Dr. Hayri Kırbaşoğlu:
Zitat:
Das Hauptproblem ist, dass wir kein lesendes, sondern fernsehendes Volk sind. Wir sind zu einem der Völker geworden, die die meiste Zeit vorm Fernsehen verbringen. Ich hoffe, dass der Vorschlag unserer höchsten Instanz in religiösen Angelegenheiten umgesetzt wird, aber mit "toten" (=desinteressiert) Augen den Koran zu lesen, nützt niemandem


Soziologe Prof. Dr. Nilüfer Narlı:
Zitat:
Er hat es bestimmt nur im Sinne von: "Betet, und hört auf eure innere Stimme" gesagt


Fernseh-Regisseur Faruk Turgut:
Zitat:
Ich glaube nicht, dass er gegen das Fernsehen ist. Man sollte den Koran eh nicht nur abends lesen


Designerin Biricik Alanson:
Zitat:
Man kann denn Koran doch nicht auf Befehl lesen, wie als wenn man zum Appell antritt


Schauspieler Tarık Akan:
Zitat:
Was Menschen zu Hause machen wollen, können sie machen. Niemand hat das Recht, sich darin einzumischen


Schauspieler Fikret Hakan:
Zitat:
Er soll seine Takke (=Kopfbedeckung) aufsetzen und schweigen


Maler Bedri Baykam:
Zitat:
In diesem Land respektiert man die Religion, aber nicht das private Leben



Um ehrlich zu sein... ich habe nicht mit solch einer Aufregung gerechnet gehabt, als ich die Meldung am Samstag in den Zeitungen gelesen hatte. Ich dachte mir, dass ist eine Forderung, die man auch in Bezug auf Christentum/Bibel bestimmt irgendwann mal auch in aehnlicher Form vom Papst gehört haben dürfte.

Der Unterschied ist wohl der, dass der Papst für einen jeden seinen festen Stellenwert bereits hat: entweder was er sagt ist für mich wichtig, oder geht mir irgendwo vorbei. Solch ein heftiger Wellengang bleibt aus

Sobald verbeamtete Religiöse in der Türkei allerdings solche Forderungen aussprechen, verspürt man den Drang, sich dazu aeussern zu müssen... Befürworter sehen darin eventuell einen Schritt in mehr Religion im Staat, Gegner allerdings sehen darin einen Verstoss gegen die Grundprinzipien des laizistischen Staates, gegen den Mann sich sofort zur Wehr setzen muss, um jegliches Erstarken der religiösen Kraefte zu verhindern.

Ein Leserbrief passt so typisch zum "türkischen" Islam: "Auf Türkisch würde ich den Koran lesen, aber Arabisch interessiert mich nicht" Lachen



Sehr glücklich Ich frag mich allerdings immer wieder ob es mit rechten Dingen zugeht, dass sehr oft, wenn ich über den Islam in der Türkei schreibe, der Gebetsruf ertönt, wie gerade. skeptisch zwinkern
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