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Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#140602) Verfasst am: 21.06.2004, 17:05    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Thomas,


Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
auch wenn das in der Biologie eine praktische Annahme sein mag.

Keine Ahnung, wo man so etwas in der Biologie 'hat'. Es sei denn als Reifikation. Das sind dann aber Konzepte, keine Dinge. 'Stoffwechsel' zum Beispiel.


Kannst Du mir eine geeignete Methode nennen, mit der man Dinge und Konzepte genau auseinanderhalten kann? Ist also ein 'Ding' wie etwa ein 'Tisch' nicht letztlich ein Konzept? - Dieser Tisch wird ja durch Menschen produziert ... .

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Das merkst Du, wenn Du versuchst, "Ding" zu definieren, ohne Eigenschaften wie z.B. "Masse", "materiell", "abgegrenzt" o.ä. Hinzuzuziehen.

Genau. Das sind dann Konstrukte, die ja per definitionem immateriell sind.


Nicht unbedingt beim eigentlichen Materialismus. Aber was ist bei Dir dann "materiell"?


Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Selbstverständlich ist 'ontologischer Status' ein Konstrukt, das einem Ding nicht an sich zukommt.

Ein interessanter Satz, mglw. selbstwidersprüchlich? Kommen andere Eigenschaften "einem Ding an sich zu"?

Ich verstehe Dein Problem nicht. Ein 'ontologischer Status' ist dasselbe, wie wenn ich zu einem Viech, das da herumsteht 'cheval' sage. Macht das wirklich einen Unterschied, ob ich 'horse', 'Pferd' oder 'equus' dazu sage? Ich _bezeichne_ mit einem Konstrukt ein Ding.

Ich verstehe den Zusammenhang nicht. Es ging doch um die Frage, ob es Sinn macht, Dingen neben ihren Eigenschaften (bekannten und unbekannten) noch einen ontologischen Status einzuräumen, ein "an-sich", das nicht durch Eigenschaften definiert ist.

Ups, vermutlich haben wir aneinander vorbei geredet. Wie gesagt, ein Ding 'existiert einfach so'. Wie es 'an sich' ist, wissen wir nicht. Wir nehmen es nur über die Eigenschaften wahr, die wir rezipieren können. Ob das eine strukturell isomorphe Abbildung oder ein 'passendes' Konzept ist, weiß vermutlich niemand. Es ist noch schlimmer: wir wissen eigentlich nicht mal so recht, welche 'Dinge' es überhaupt 'gibt', weil wir nur aus Messungen Weltbilder basteln.
step hat folgendes geschrieben:
Meine Antwort ist nein, denn mE erscheinen uns manche Erscheinungen dinghafter als andere einzig aufgrund gewisser physikalischer Eigenschaften (Masse, Lokalität, Stabilität usw.).

Das ist doch die eigentlich spannende ontologische Frage: was 'ist' es eigentlich, dessen physikalische Eigenschaften wir messen? Die Antwort der Ontologie, die ich vertrete, habe ich Dir geschildert.


Mal von der Messtheorie abgesehen: Du kannst nur "physikalische Eigenschaften" ausmachen, etwa "Kräfte erkannt man an ihren Wirkungen". Die Frage, "was sind Kräfte" kannst Du nicht vom Kontext (z. B. 'Eigenschaften') extrahieren. Folglich existieren weder "Kräfte-als-solches" oder "Kräfte-an-sich". Die wesentlich spannendere Frage für mich wäre: Wie gelingt es uns vor diesem Hintergrund überhaupt, irgend etwas zu rezipieren?


Cheers,

Lamarck
_________________
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#140618) Verfasst am: 21.06.2004, 18:01    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck,

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
auch wenn das in der Biologie eine praktische Annahme sein mag.

Keine Ahnung, wo man so etwas in der Biologie 'hat'. Es sei denn als Reifikation. Das sind dann aber Konzepte, keine Dinge. 'Stoffwechsel' zum Beispiel.

Kannst Du mir eine geeignete Methode nennen, mit der man Dinge und Konzepte genau auseinanderhalten kann?


nein. Ich habe eine _Ontologie_ geschildert, keine _Epistemologie_.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Ist also ein 'Ding' wie etwa ein 'Tisch' nicht letztlich ein Konzept? - Dieser Tisch wird ja durch Menschen produziert ... .


Wie ich hinsichtlich Vieh und 'Pferd' schon sagt, gibt es ein Konzept für ein Ding. 'Da draußen' ist nach meiner Ontologie irgendetwas, das ich via Konzept beschreibe. Kann sein, dass ich aus einem 'Ding' viele mache. Oder umgekehrt. Mehr als 'passende' Konzepte kann ich nicht erreichen.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Das merkst Du, wenn Du versuchst, "Ding" zu definieren, ohne Eigenschaften wie z.B. "Masse", "materiell", "abgegrenzt" o.ä. Hinzuzuziehen.

Genau. Das sind dann Konstrukte, die ja per definitionem immateriell sind.


Nicht unbedingt beim eigentlichen Materialismus. Aber was ist bei Dir dann "materiell"?


Die 'Dinge', die ich aber nicht direkt als solche erkennen kann.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Das ist doch die eigentlich spannende ontologische Frage: was 'ist' es eigentlich, dessen physikalische Eigenschaften wir messen? Die Antwort der Ontologie, die ich vertrete, habe ich Dir geschildert.


Mal von der Messtheorie abgesehen: Du kannst nur "physikalische Eigenschaften" ausmachen, etwa "Kräfte erkannt man an ihren Wirkungen". Die Frage, "was sind Kräfte" kannst Du nicht vom Kontext (z. B. 'Eigenschaften') extrahieren. Folglich existieren weder "Kräfte-als-solches" oder "Kräfte-an-sich". Die wesentlich spannendere Frage für mich wäre: Wie gelingt es uns vor diesem Hintergrund überhaupt, irgend etwas zu rezipieren?


Ist das nicht eine Umformulierung meiner Frage?

Grüßle

Thomas
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#140623) Verfasst am: 21.06.2004, 18:12    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck,

Lamarck hat folgendes geschrieben:
dann unterscheidest Du Dich also hier von den Positionen von Mahner/Bunge?


Sorry, ich wüßte nicht, in welchem Bereich. Schreiben sie irgendwo, daß elektromagnetische Felder Eigenschaften von z.B. ferromagnetischen Stoffen seien? Wenn ja, dann höchstens im metaphorischen Sinn. Ich weiß ganz sicher, daß sie sich (IIRC auf S. 12) anhand einiger Beispiele aus der Biologie eindeutig zu dem Unterschied "Ding - Merkmal (Eigenschaft)" erklärt haben.


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
ich habe im Augenblick nicht so viel Zeit, deshalb ganz schnell ein kurzer Einwurf:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Sorry, ich weiß nicht, was Du damit sagen willst. Dinge sind einfach materielle Ganzheiten, Punkt. Ob es sich dabei um quantenmechanische Objekte, Fußbälle, elektromagnetische Felder, oder was auch immer handelt, spielt doch keine Rolle.

Elektromagnetische Felder sind doch auch Eigenschaften von z. B. ferromagnetischen Stoffen.

Wie gesagt, nach meiner Ontologie ist diese Aussage nicht ganz "astrein". Das elektromagnetische Feld ist (nach gleichgerichteter Orientierung des Gesamtspins der Atome) Bestandteil ferromagnetischer Stoffe, nicht aber deren Eigenschaft. Die (essentielle) Eigenschaft ferromagnetischer Stoffe wäre die Fähigkeit, permanente elektromagnetische Felder zu erzeugen (oder der Besitz eines solchen Feldes). Eigenschaften sind demnach reine Abstraktionen der Wirklichkeit. Wenn es kein abstrahierendes Subjekt mehr gibt, gibt es auch keine Eigenschaften (als Abstrakta) mehr, wohl aber Dinge, wie ferromagnetische Stoffe und ihre Felder...


Ich weiß jetzt nicht recht, was Du unter ein "permanentes elektromagnetisches Feld" verstehst. Ist das Magnetfeld der Erde "permanent"? Oder das eines Permanent-Magneten? Wie steht es dann mit Massen und Wellen (z. B. "Farbe Rot")?


Ups, inwieweit sind nun diese Fragen für das Thema von Relevanz? Ist es nicht gleichgültig, ob das Magnetfeld der Erde "permanent" ist oder ob es sich alle paar 100.000 Jahre mal umpolt? Es geht doch um die Frage, ob ein Magnetfeld (permanent oder nicht) als Teil eines Dings eine respektable materielle Entität oder nur ein (naturgemäß immaterielles) Konstrukt darstellt. Da Felder qua E=mc² eine Masse besitzen, gehe ich von ersterem aus. Was die "Farbe Rot" anlangt, so handelt es sich (wie bei allen Eigenschaften) natürlich um ein Konstrukt. Wie Thomas schon sagte: Es gibt keine immaterielle Entität der "Rotheit", sondern nur Dinge, die rot sind.

Natürlich ist das Beispiel insofern raffiniert gewählt, als die Eigenschaft "rot" eine sekundäre Eigenschaft, d.h. keine intrinsische Eigenschaft von Dingen ist. Das Merkmal "rot" entsteht nur im System "Objekt-erkennendes Subjekt", während die Eigenschaft "Absorption von Licht der Wellenlänge 500 nm" durchaus eine intrinsische Eigenschaft von Dingen ist. Smilie


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Die Aussage 'Eigenschaften als Abstraktionen ' gefällt mir natürlich. Sehr glücklich Aber warum soll dies bei Dingen denn anders sein?


Wie gesagt, das ist ein ontologisches Postulat, das (wie Deine Postulate auch) weder beweisbar noch widerlegbar ist - insofern macht die Frage wenig Sinn. Ich kann Dir nur einmal mehr die Antwort anbieten, daß meine Ontologie (wie der Naturalismus, aus dem sie entspringt), durch die methodischen Prinzipien der Wissensgewinnung erzwungen wird. Sie ist einfach vernünftig, weil kein Mensch auf die Idee käme, sich mit einer Welt auseinanderzusetzen (oder sie gar zu erforschen), die er gar nicht erkennt bzw. wenn alles, was er wahrnimmt, nicht die Repräsentation einer in Teilen erkannten Wirklichkeit, sondern "neuronaler Nonsens" wäre. Was also bringt Dir unter rationalen Gesichtspunkten Dein radikaler K. ein? Einige provokative Antworten, die Deine Position u.a. als "Reste magisch-anthropozentrischen Denkens" charakterisiert haben, wurden schon genannt... Mr. Green


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Was ein Ding ist, wird doch gleichermaßen z. B. von Dir bestimmt.


Ja - aber weshalb muß diese Feststellung gleich in einem radikalen Konstruktivismus enden? Niemand behauptet doch, daß eine Fischflosse alle Eigenschaften des Wasser repräsentieren könne oder gar muß, damit der Fisch in seinem Milieu überleben kann. Aber als halbwegs überlebensadäquate Passung muß ihre Form die strömungsmechanischen Eigenschaften das Wasser wenigstens annähern richtig abbilden und damit einen (wenn auch nochso kleinen) Teil der Wirklichkeit repräsentieren. Warum sollte das mit unserer Erkenntnisfähigkeit grundlegend anders sein? Was brächte uns in evolutionärer Hinsicht die vollständige Unkenntnis der Welt? Nein, so geht das nicht!


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Auf linguistischer Ebene betrachtet, sind Dinge so gleichermaßen Konstrukte (Subjekt, Prädikat, Objekt): Du denkst nicht mit der Welt, sondern über die Welt.


Letzteres ist eine Aussage, die mir keine Bauchschmerzen bereitet. Ein emergentistischer Materialist behauptet dasselbe.

Grüße

Martin
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step
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Beitrag(#140657) Verfasst am: 21.06.2004, 20:38    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin,

Du definierst Dinge als "materielle Ganzheiten", machst Dingheit also an einer bestimmten Eigenschaft fest. Dagegen ist auch nichts zu sagen. Andererseits sagst Du, daß es Dinge - anders als Eigenschaften - "gibt". Meinst Du also mit "gibt" nichts weiter als jene materialisierende Eigenschaft der Welt zu einer bestimmten Raumzeit? Wäre nicht demnach "ontologischer Status" nichts weiter als ein hochtrabender Ausdruck für eine ganz bestimmte physikalische Eigenschaft der Welt an einem Punkt?

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wenn es kein abstrahierendes Subjekt mehr gibt, gibt es auch keine Eigenschaften (als Abstrakta) mehr, wohl aber Dinge, wie ferromagnetische Stoffe und ihre Felder...

Ist die hohe Wahrscheinlichkeitsdichte eines Quantenfeldes an einem Ort nun eine Eigenschaft des Quantenfeldes (und dieses eine der Welt) oder ist sie ein Elektron, ein Ding?

gruß/step
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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El Schwalmo
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Beitrag(#140661) Verfasst am: 21.06.2004, 20:49    Titel: Antworten mit Zitat

Hi step,

step hat folgendes geschrieben:

Ist die hohe Wahrscheinlichkeitsdichte eines Quantenfeldes an einem Ort nun eine Eigenschaft des Quantenfeldes (und dieses eine der Welt) oder ist sie ein Elektron, ein Ding?


vielleicht 'ist' 'da draußen' irgendetwas, das wir mit irgendwelchen Konzepten _beschreiben_?

Grüßle

Thomas
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step
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Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#140686) Verfasst am: 21.06.2004, 23:10    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
vielleicht 'ist' 'da draußen' irgendetwas, das wir mit irgendwelchen Konzepten _beschreiben_?

Möglich, aber nicht besonders einleuchtend - ist doch "ist" selbst nur ein solches Beschreibungskonzept.

gruß/step
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#140708) Verfasst am: 22.06.2004, 00:03    Titel: Antworten mit Zitat

Hi step,

step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
vielleicht 'ist' 'da draußen' irgendetwas, das wir mit irgendwelchen Konzepten _beschreiben_?

Möglich, aber nicht besonders einleuchtend


was bedeutet 'einleuchtend' in diesem Kontext?

step hat folgendes geschrieben:
- ist doch "ist" selbst nur ein solches Beschreibungskonzept.


Nun kannst Du entweder den radikalen Konstruktivismus vertreten und 'die Welt' als Konstrukt betrachten, oder den üblichen Konstruktivismus, der 'nur' das Bild dieser Welt konstruiert.

Ist epistemologisch Hose wie Jacke, solange wir das 'Sein des Seienden' nicht erkennen können, aber irgendwie finde ich die Existenz einer an sich seienden Realiität hübscher, weil die radikale Variante zu sehr nach Solipsismus aussieht.

Grüßle

Thomas
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Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#140725) Verfasst am: 22.06.2004, 02:03    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin!

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
dann unterscheidest Du Dich also hier von den Positionen von Mahner/Bunge?

Sorry, ich wüßte nicht, in welchem Bereich. Schreiben sie irgendwo, daß elektromagnetische Felder Eigenschaften von z.B. ferromagnetischen Stoffen seien? Wenn ja, dann höchstens im metaphorischen Sinn. Ich weiß ganz sicher, daß sie sich (IIRC auf S. 12) anhand einiger Beispiele aus der Biologie eindeutig zu dem Unterschied "Ding - Merkmal (Eigenschaft)" erklärt haben.


Mahner/Bunge schreiben eindeutig, auch ein elektromagnetisches Feld ist ebenso ein Ding, wie ein Hammer; des weiteren, dass Eigenschaften selbst keine Eigenschaften besitzen. Damit läßt sich schließen: Alles, was Eigenschaften besitzt, ist ein Ding. Dies ist im Falle des Elektromagnetismus ein Lapsus: Ein magnetisches 'Ding' hat die Eigenschaft, 'magnetisch' zu sein, d. h. ein elektromagnetisches Feld auszubilden.

Aber was sind nun Eigenschaften? Sind damit nur physikochemische Eigenschaften gemeint? Oder Prädikate im logisch/linguistischen Sinne? Bei der Objektorientierten Programmierung gehe ich übrigens umgekehrt vor: Eigenschaften als Klassen zusammengefaßt, bilden Objekte (was analog zu 'Dingen' steht).

Vorhergehend hast Du nun dieses ausgesagt:

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Sorry, ich weiß nicht, was Du damit sagen willst. Dinge sind einfach materielle Ganzheiten, Punkt. Ob es sich dabei um quantenmechanische Objekte, Fußbälle, elektromagnetische Felder, oder was auch immer handelt, spielt doch keine Rolle.


Im Umfeld dieses Zitates hatte ich den Eindruck, Du würdest Dich hier von den Positionen von Mahner/Bunge unterscheiden, was aber offenbar nicht der Fall ist. Gleichwohl: Nach Mahner/Bunge wäre also im obigen 'Ganzheit' ein Objekt mit der 'Eigenschaft' materiell?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
ich habe im Augenblick nicht so viel Zeit, deshalb ganz schnell ein kurzer Einwurf:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Sorry, ich weiß nicht, was Du damit sagen willst. Dinge sind einfach materielle Ganzheiten, Punkt. Ob es sich dabei um quantenmechanische Objekte, Fußbälle, elektromagnetische Felder, oder was auch immer handelt, spielt doch keine Rolle.

Elektromagnetische Felder sind doch auch Eigenschaften von z. B. ferromagnetischen Stoffen.

Wie gesagt, nach meiner Ontologie ist diese Aussage nicht ganz "astrein". Das elektromagnetische Feld ist (nach gleichgerichteter Orientierung des Gesamtspins der Atome) Bestandteil ferromagnetischer Stoffe, nicht aber deren Eigenschaft. Die (essentielle) Eigenschaft ferromagnetischer Stoffe wäre die Fähigkeit, permanente elektromagnetische Felder zu erzeugen (oder der Besitz eines solchen Feldes). Eigenschaften sind demnach reine Abstraktionen der Wirklichkeit. Wenn es kein abstrahierendes Subjekt mehr gibt, gibt es auch keine Eigenschaften (als Abstrakta) mehr, wohl aber Dinge, wie ferromagnetische Stoffe und ihre Felder...

Ich weiß jetzt nicht recht, was Du unter ein "permanentes elektromagnetisches Feld" verstehst. Ist das Magnetfeld der Erde "permanent"? Oder das eines Permanent-Magneten? Wie steht es dann mit Massen und Wellen (z. B. "Farbe Rot")?

Ups, inwieweit sind nun diese Fragen für das Thema von Relevanz? Ist es nicht gleichgültig, ob das Magnetfeld der Erde "permanent" ist oder ob es sich alle paar 100.000 Jahre mal umpolt? Es geht doch um die Frage, ob ein Magnetfeld (permanent oder nicht) als Teil eines Dings eine respektable materielle Entität oder nur ein (naturgemäß immaterielles) Konstrukt darstellt. Da Felder qua E=mc² eine Masse besitzen, gehe ich von ersterem aus. Was die "Farbe Rot" anlangt, so handelt es sich (wie bei allen Eigenschaften) natürlich um ein Konstrukt. Wie Thomas schon sagte: Es gibt keine immaterielle Entität der "Rotheit", sondern nur Dinge, die rot sind.


Nun ja, Du bist derjenige, der hier 'Permanenz' als 'Eigenschaft' einführt, um 'Bestandteil' von 'Eigenschaft' zu trennen. Sind den nicht immer Eigenschaften Bestandteile von Dingen?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Natürlich ist das Beispiel insofern raffiniert gewählt, als die Eigenschaft "rot" eine sekundäre Eigenschaft, d.h. keine intrinsische Eigenschaft von Dingen ist. Das Merkmal "rot" entsteht nur im System "Objekt-erkennendes Subjekt", während die Eigenschaft "Absorption von Licht der Wellenlänge 500 nm" durchaus eine intrinsische Eigenschaft von Dingen ist. Smilie


Es ist natürlich noch viiiiiiiiiiel raffinierter! Was also sind sekundäre Eigenschaften? Etwa Eigenschaften von Eigenschaften? Selbstverständlich läßt sich doch die 'Eigenschaft' 'Rot' der 'Eigenschaft' Wellenlänge eines bestimmten 'Dings' 'Strahler' zuordnen ... . Auf den Arm nehmen


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Die Aussage 'Eigenschaften als Abstraktionen ' gefällt mir natürlich. Sehr glücklich Aber warum soll dies bei Dingen denn anders sein?

Wie gesagt, das ist ein ontologisches Postulat, das (wie Deine Postulate auch) weder beweisbar noch widerlegbar ist - insofern macht die Frage wenig Sinn. Ich kann Dir nur einmal mehr die Antwort anbieten, daß meine Ontologie (wie der Naturalismus, aus dem sie entspringt), durch die methodischen Prinzipien der Wissensgewinnung erzwungen wird. Sie ist einfach vernünftig, weil kein Mensch auf die Idee käme, sich mit einer Welt auseinanderzusetzen (oder sie gar zu erforschen), die er gar nicht erkennt bzw. wenn alles, was er wahrnimmt, nicht die Repräsentation einer in Teilen erkannten Wirklichkeit, sondern "neuronaler Nonsens" wäre. Was also bringt Dir unter rationalen Gesichtspunkten Dein radikaler K. ein? Einige provokative Antworten, die Deine Position u.a. als "Reste magisch-anthropozentrischen Denkens" charakterisiert haben, wurden schon genannt... Mr. Green


Mir scheint, immer wenn es brenzlig für Deine Argumentation wird, versteckst Du Dich hinter Deinem großen Bruder (= Ontologie) und rufst "Ätsch"! Aber was können Postulate anderes sein als Konstrukte? Und im Übrigen: Gleich, was Ontologie ist, sie kann nur eine Abhängige der Epistemologie sein, oder nicht?!


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Was ein Ding ist, wird doch gleichermaßen z. B. von Dir bestimmt.

Ja - aber weshalb muß diese Feststellung gleich in einem radikalen Konstruktivismus enden? Niemand behauptet doch, daß eine Fischflosse alle Eigenschaften des Wasser repräsentieren könne oder gar muß, damit der Fisch in seinem Milieu überleben kann. Aber als halbwegs überlebensadäquate Passung muß ihre Form die strömungsmechanischen Eigenschaften das Wasser wenigstens annähern richtig abbilden und damit einen (wenn auch nochso kleinen) Teil der Wirklichkeit repräsentieren. Warum sollte das mit unserer Erkenntnisfähigkeit grundlegend anders sein? Was brächte uns in evolutionärer Hinsicht die vollständige Unkenntnis der Welt? Nein, so geht das nicht!


Letzteres ist natürlich Viabilität! Trösterchen

Und wenn 'Du' der einzige bist, der bestimmt, was ein Ding ist (oder dessen ontologischer Status), sage ich nur: "Willkommen im Club"! Cool

Bildet das Wasser übrigens die strömungsmechanischen Eigenschaften der Fischflosse annähernd richtig ab (Ja, ich bin schon ein rrrrraffinierter Abseits-Fallensteller)?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Auf linguistischer Ebene betrachtet, sind Dinge so gleichermaßen Konstrukte (Subjekt, Prädikat, Objekt): Du denkst nicht mit der Welt, sondern über die Welt.

Letzteres ist eine Aussage, die mir keine Bauchschmerzen bereitet. Ein emergentistischer Materialist behauptet dasselbe.


Welche Ebene außer der linguistischen gibt es sonst noch? Teufel


Cheers,

Lamarck
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step
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Beitrag(#140749) Verfasst am: 22.06.2004, 09:42    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Nun kannst Du entweder den radikalen Konstruktivismus vertreten und 'die Welt' als Konstrukt betrachten, oder den üblichen Konstruktivismus, der 'nur' das Bild dieser Welt konstruiert.

Ist epistemologisch Hose wie Jacke, solange wir das 'Sein des Seienden' nicht erkennen können, aber irgendwie finde ich die Existenz einer an sich seienden Realiität hübscher, weil die radikale Variante zu sehr nach Solipsismus aussieht.

Ich habe nichts gegen einen hypothetischen Realismus einzuwenden, in dem Sinne, daß man für "normale Zwecke" die Dinge als gegeben ansieht.

Die Tatsache jedoch, daß wir dies offensichtlich erfolgreich mit makroskopisch Dinghaftem tun können, ist kein ontologisches Wunder, sondern reduzierbar auf physikalische Eigenschaften.

Der rK bringt uns zwar tatsächlich nicht weiter, vermeidet aber immerhin den "ontologischen Fehlschluß".

gruß/step
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El Schwalmo
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Beitrag(#140757) Verfasst am: 22.06.2004, 10:11    Titel: Antworten mit Zitat

Hi step,

step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Nun kannst Du entweder den radikalen Konstruktivismus vertreten und 'die Welt' als Konstrukt betrachten, oder den üblichen Konstruktivismus, der 'nur' das Bild dieser Welt konstruiert.

Ist epistemologisch Hose wie Jacke, solange wir das 'Sein des Seienden' nicht erkennen können, aber irgendwie finde ich die Existenz einer an sich seienden Realiität hübscher, weil die radikale Variante zu sehr nach Solipsismus aussieht.

Ich habe nichts gegen einen hypothetischen Realismus einzuwenden, in dem Sinne, daß man für "normale Zwecke" die Dinge als gegeben ansieht.


schön, dass wir uns so weit einig sind.

step hat folgendes geschrieben:
Die Tatsache jedoch, daß wir dies offensichtlich erfolgreich mit makroskopisch Dinghaftem tun können, ist kein ontologisches Wunder, sondern reduzierbar auf physikalische Eigenschaften.


Hier allerdings trennen sich vermutlich unsere Wege. Das, was Du mit 'physikalische Eigenschaften' beschreibst, ist genau das, was ich als _hypothetisch_ setze. Was ein 'ontologisches Wunder' ist, weiß ich nicht. Ich vermute, dass das in etwa das ist, was v. Ditfurth als Argument gegen das 'anthropische Prinzip' vorgebracht hat: wenn die Naturkonstanten nicht so fein aufeinander abgestimmt wären, würde das niemandem auffallen.

step hat folgendes geschrieben:
Der rK bringt uns zwar tatsächlich nicht weiter, vermeidet aber immerhin den "ontologischen Fehlschluß".


Sorry, Bildungslücke. Ich kenne nur den 'naturalistischen Fehlschluss'. Was verstehst Du unter 'ontologischem Fehlschluss'?

Grüßle

Thomas
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step
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Wohnort: Germering

Beitrag(#141026) Verfasst am: 22.06.2004, 20:02    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Die Tatsache jedoch, daß wir dies offensichtlich erfolgreich mit makroskopisch Dinghaftem tun können, ist kein ontologisches Wunder, sondern reduzierbar auf physikalische Eigenschaften.
Hier allerdings trennen sich vermutlich unsere Wege. Das, was Du mit 'physikalische Eigenschaften' beschreibst, ist genau das, was ich als _hypothetisch_ setze.

Genau, hier geht die Physik eben tiefer. Man kann Dinge als gegeben (bzw. als ontologische Kategorie) ansehen, weil man keine genauere Theorie von ihnen hat (z.B. Schamanismus), oder weil man für einen bestimmten Zweck keine benötigt (z.B. emergente Wissenschaften).

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Was ein 'ontologisches Wunder' ist, weiß ich nicht. Ich vermute, dass das in etwa das ist, was v. Ditfurth als Argument gegen das 'anthropische Prinzip' vorgebracht hat: wenn die Naturkonstanten nicht so fein aufeinander abgestimmt wären, würde das niemandem auffallen.

Ein Wunder ist eine Wahrnehmung, die wir nicht verstehen und deshalb Höherem zuschreiben, mit "ontologisches Wunder" meinte ich idZ die Verwunderung darüber, daß das meiste Dinghafte uns als "einfach da" erscheint.

Kontinuität, Lokalität und Masse hat.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Der rK bringt uns zwar tatsächlich nicht weiter, vermeidet aber immerhin den "ontologischen Fehlschluß".
Sorry, Bildungslücke. Ich kenne nur den 'naturalistischen Fehlschluss'. Was verstehst Du unter 'ontologischem Fehlschluss'?

Wenn man nicht erkennt, daß die Dinghaftigkeit am besten durch physikalische Zusammenhänge beschrieben werden kann (Kontinuität, Lokalität, Masse, ...), sondern stattdessen das scheinbar-einfach-da-Sein des Dinghaften als Hinweis auf eine kategorisch andere Eigenschaft deutet. Dies geht mE deutlich darüberhinaus, für "normale Zwecke" die Dinge als gegeben anzusehen.

gruß/step
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Beiträge: 9073

Beitrag(#141447) Verfasst am: 23.06.2004, 18:17    Titel: Antworten mit Zitat

Hi step,

step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Hier allerdings trennen sich vermutlich unsere Wege. Das, was Du mit 'physikalische Eigenschaften' beschreibst, ist genau das, was ich als _hypothetisch_ setze.

Genau, hier geht die Physik eben tiefer. Man kann Dinge als gegeben (bzw. als ontologische Kategorie) ansehen, weil man keine genauere Theorie von ihnen hat (z.B. Schamanismus), oder weil man für einen bestimmten Zweck keine benötigt (z.B. emergente Wissenschaften).


auch das verstehe ich jetzt nicht so recht. Wenn ich Dich richtig verstehe, ist das, was Deiner Meinung nach 'tiefer' macht, die Ebene der _Beschreibung_. Ontologie geht noch einen Schritt weiter: in der altmodischen Variante fordert sie eine _Begründung_ für das, was beschrieben wird, in der neumodischen eine _Klarlegung_.

step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Was ein 'ontologisches Wunder' ist, weiß ich nicht. Ich vermute, dass das in etwa das ist, was v. Ditfurth als Argument gegen das 'anthropische Prinzip' vorgebracht hat: wenn die Naturkonstanten nicht so fein aufeinander abgestimmt wären, würde das niemandem auffallen.

Ein Wunder ist eine Wahrnehmung, die wir nicht verstehen und deshalb Höherem zuschreiben, mit "ontologisches Wunder" meinte ich idZ die Verwunderung darüber, daß das meiste Dinghafte uns als "einfach da" erscheint.

Kontinuität, Lokalität und Masse hat.


Auch das verstehe ich nicht. Was bedeutet "Kontinuität, Lokalität und Masse hat"? _Was_ hat diese Eigenschaften? Ist das eine Heuristik? Eine Beschreibung? Wenn Du nur sagst: 'da' ist irgendwas, das sich mit 'Kontinuität, Lokalität und Masse' beschreiben lässt, bist Du eine Ebene unter der, die mich interessiert.

step hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Der rK bringt uns zwar tatsächlich nicht weiter, vermeidet aber immerhin den "ontologischen Fehlschluß".

Sorry, Bildungslücke. Ich kenne nur den 'naturalistischen Fehlschluss'. Was verstehst Du unter 'ontologischem Fehlschluss'?

Wenn man nicht erkennt, daß die Dinghaftigkeit am besten durch physikalische Zusammenhänge beschrieben werden kann (Kontinuität, Lokalität, Masse, ...),


Hier bist Du auf der Ebene der _Beschreibung_. Du vermeidest einen 'ontologischen Fehlschluss', indem Du die ontologischen Fragen gar nicht stellst.

step hat folgendes geschrieben:
sondern stattdessen das scheinbar-einfach-da-Sein des Dinghaften als Hinweis auf eine kategorisch andere Eigenschaft deutet. Dies geht mE deutlich darüberhinaus, für "normale Zwecke" die Dinge als gegeben anzusehen.


Hmmm, ich habe meinen Standpunkt immer als 'Sonntags-Standpunkt' bezeichnet. Die Woche über arbeite ich mit Deiner 'Ontologie' (nämlich sich keine Gedanken über Ontologie zu machen). Wenn ich sonntags aber bequem im Sessel sitze und mir in Muße Gedanken machen kann, denke ich halt ein bisschen weiter. Im Alltag habe ich das aber immer im Hinterkopf.

Grüßle

Thomas
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step
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Beitrag(#141553) Verfasst am: 23.06.2004, 20:35    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Thomas,

ich verstehe, daß Du gern wieder auf unser altes Thema abschweifen möchtest, aber mir ging es diesmal nun mal einfach nicht darum, sondern um Martins Behauptung gegenüber Lamarck.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Man kann Dinge als gegeben (bzw. als ontologische Kategorie) ansehen, weil man keine genauere Theorie von ihnen hat (z.B. Schamanismus), oder weil man für einen bestimmten Zweck keine benötigt (z.B. emergente Wissenschaften).
auch das verstehe ich jetzt nicht so recht. Wenn ich Dich richtig verstehe, ist das, was Deiner Meinung nach 'tiefer' macht, die Ebene der _Beschreibung_. Ontologie geht noch einen Schritt weiter: ...

Nein, jedenfalls nicht in dem Fall, auf den ich mich bezog: Martins posting, nicht unsere Diskussionen über Letztfragen! Eine physikalische Theorie, warum uns einiges dinghaft erscheint und anderes nicht, ist eine genauere Beschreibung, als bereits für diese Frage Zuflucht in den ontologischen Sonntagssessel zu nehmen.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... daß das meiste Dinghafte uns als "einfach da" erscheint ... Kontinuität, Lokalität und Masse hat.
Auch das verstehe ich nicht. Was bedeutet "Kontinuität, Lokalität und Masse hat"? _Was_ hat diese Eigenschaften?

Die Welt. Ich kann zwar keine Letztfragen beantworten - schon allein weil Du jede Antwort mit einer ontologischen Rekursion toppen kannst. Aber darum ging es hier auch nicht, sondern darum, daß die Frage, warum uns einiges dinghafter als anderes erscheint, keine Letztfrage (mehr) ist.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Ist das eine Heuristik? Eine Beschreibung?

Na klar, wie alles.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Wenn Du nur sagst: 'da' ist irgendwas, das sich mit 'Kontinuität, Lokalität und Masse' beschreiben lässt, bist Du eine Ebene unter der, die mich interessiert.

Ich weiß, Du bist auf der Ebene, auf der man nicht sein kann. Ich kann nicht mehr tun als Dich zu warnen, diese Ebene als etwas "Hohes" einzuschätzen.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Du vermeidest einen 'ontologischen Fehlschluss', indem Du die ontologischen Fragen gar nicht stellst.

Hauptsache ich vermeide ihn.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Die Woche über arbeite ich mit Deiner 'Ontologie' (nämlich sich keine Gedanken über Ontologie zu machen).

Es ist keine Ontologie, auch keine 'Ontologie', es hat nichts mit Annahmen über die Antworten auf Letztfragen zu tun.

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Wenn ich sonntags aber bequem im Sessel sitze und mir in Muße Gedanken machen kann, denke ich halt ein bisschen weiter.

Hmm, also nicht nur besoffen in der Kneipe zwinkern

gruß/step
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El Schwalmo
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Beitrag(#141589) Verfasst am: 23.06.2004, 21:54    Titel: Antworten mit Zitat

Hi step,

step hat folgendes geschrieben:

ich verstehe, daß Du gern wieder auf unser altes Thema abschweifen möchtest, aber mir ging es diesmal nun mal einfach nicht darum, sondern um Martins Behauptung gegenüber Lamarck.


okay, dann machen meine Einwände keinen Sinn.

[ ... ]

step hat folgendes geschrieben:

Hmm, also nicht nur besoffen in der Kneipe


Im Lehnstuhl denke ich mir das aus, womit ich mir in der Kneipe den Kopf heiß reden kann ;->

Grüßle

Thomas
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Lars
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Beitrag(#143745) Verfasst am: 30.06.2004, 19:20    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wenn es kein abstrahierendes Subjekt mehr gibt, gibt es auch keine Eigenschaften (als Abstrakta) mehr, wohl aber Dinge, wie ferromagnetische Stoffe und ihre Felder...

Ist die hohe Wahrscheinlichkeitsdichte eines Quantenfeldes an einem Ort nun eine Eigenschaft des Quantenfeldes (und dieses eine der Welt) oder ist sie ein Elektron, ein Ding?
gruß/step


Dein Problem entsteht hier aber erst dadurch, dass Deine Beschreibung unvollständig ist, Step. Eine Wahrscheinlichkeit (und damit auch eine Wahrscheinlichkeitsdichte) kannst Du nämlich nur in Bezug auf ein bestimmtes Ereignis angeben. In diesem Fall wäre eine zusammengefasste Beschreibung dieses Ereignisses aber "das Antreffen eines Elektrons", womit das 'Ding' wieder da wäre. Ein Elektron bleibt auch ein Ding, wenn Du es als Wellenerscheinung beschreibst.

Eigenschaft der Welt ist nicht das Elektron, sondern an einer bestimmten Raum-Zeit_Koordinate ein Elektron zu enthalten.

Der Unterschied zwischen Dingen, wie Teilchen, Feldern und Wellen, und Eigenschaften wie Energie, Temperatur, Feldstärke oder Frequenz, ist sehr gut an der Art wie sie in der Physik definiert werden zu erkennen.

Ein Ding hat Eigenschaften und ist durch die Angabe dieser Eigenschaften bestimmt. Ein Ding erkennt zB. man als zur Klasse 'Elektron' zugehörig, dadurch dass es eine bestimmte Ruhemasse hat, eine bestimmte elektrische Ladung und schwache Ladung und keine Farbladung.

Eine Eigenschaft hat keine Eigenschaft und wird daher auch nicht über Eigenschaften beschrieben, sondern über Beziehungen zwischen Dingen und damit verbundene Ereignisse.
Eine elektrische Ladung erkennt man zB. daran, dass ein Ding, dass eine bestimmte Quantität dieser Eigenschaft hat, in einem elektrischen Feld bestimmter Stärke eine bestimmte Änderung seines Impulses erfährt.
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step
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Beitrag(#143776) Verfasst am: 30.06.2004, 21:01    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lars,

Du hast recht, meine Argumentation war ungenau.

In einer "kompletten physikalischen Theorie der Welt" würde aber der Begriff "Ding" willkürlich oder zumindest nicht von grundsätzlicher Bedeutung erscheinen, in dem Sinne, daß er einfach nur eine bestimmte Klasse von Lösungen irgendwelcher Weltgleichungen bevorzugt.

Mein Punkt gegenüber Martin war, daß Dinghaftes sich gegenüber anderen Phänomenen nur durch eingeschränkte Eigenschaften absetzt, die keinen überphysikalischen ontologischen Sonderstatus rechtfertigen. Am Beispiel des Elektrons: Die spezielle Art der Meßresultate (insbesondere Masse, Energie, Ladungen, Lokalität usw.) lassen es sinnvoll erscheinen, das Verhalten der "Weltwellenfunktion" unter diesen Umständen "Elektron" und "Ding" zu nennen.

Martin hatte ja geschrieben:
Zitat:
Die Welt besteht IMAO nur aus Dingen, so daß Eigenschaften als solche nicht real sein, sondern nur begrifflich von Dingen abstrahiert werden können. ... Eigenschaften haben mit anderen Worten keinen ontologischen Status - ganz im Gegensatz zu Dingen!


Ich könnte auch sagen: "Die Welt hat Eigenschaften, die wir "atomar" abstrahieren können, sodaß wir von Dingen reden können. ... Dinge, z.B. Photonen, haben mit anderen Worten keinen ontologischen Status - mglw. im Gegensatz zu der Wellenfunktion der Welt selbst."

Nicht daß ich das unbedingt vertrete, aber jedenfalls scheinen mir einige von Martins Teilaussagen keineswegs selbstverständlich.

gruß/step

PS: Wie würdest Du die Beschreibung von Kräften als Austauch virtueller Teilchen ontologisch deuten?
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Lars
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Beitrag(#143798) Verfasst am: 30.06.2004, 22:10    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:

In einer "kompletten physikalischen Theorie der Welt" würde aber der Begriff "Ding" willkürlich oder zumindest nicht von grundsätzlicher Bedeutung erscheinen, in dem Sinne, daß er einfach nur eine bestimmte Klasse von Lösungen irgendwelcher Weltgleichungen bevorzugt.


Da gebe ich dir insofern recht als dass die Unterscheidung zwischen Ding und Eigenschaft wie ich sie oben beschrieben habe, nur eine heuristische ist.
Ich halte es sogar für möglich, dass es bisweilen von der jeweiligen Definition einer Entität abhängt, ob sie Ding oder Eigenschaft ist.

Dies macht diese Unterscheidung aber weder willkürlich noch unwichtig, da man einerseits durchaus rational darüber diskutieren kann welche Definition die jeweils bessere (nützlichere!) ist und andererseits Physik die Welt grundsätzlich nur heuristisch beschreiben kann.

step hat folgendes geschrieben:

Mein Punkt gegenüber Martin war, daß Dinghaftes sich gegenüber anderen Phänomenen nur durch eingeschränkte Eigenschaften absetzt, die keinen überphysikalischen ontologischen Sonderstatus rechtfertigen. Am Beispiel des Elektrons: Die spezielle Art der Meßresultate (insbesondere Masse, Energie, Ladungen, Lokalität usw.) lassen es sinnvoll erscheinen, das Verhalten der "Weltwellenfunktion" unter diesen Umständen "Elektron" und "Ding" zu nennen.

Martin hatte ja geschrieben:
Zitat:
Die Welt besteht IMAO nur aus Dingen, so daß Eigenschaften als solche nicht real sein, sondern nur begrifflich von Dingen abstrahiert werden können. ... Eigenschaften haben mit anderen Worten keinen ontologischen Status - ganz im Gegensatz zu Dingen!



Hier stimme ich dir insofern zu, dass auch Dinge keinen ontologischen Status haben können, da ich eben über diese Welt grundsätzlich nur heuristische Aussagen machen kann.
Trotzdem halte ich es im Rahmen dieser Heuristik für möglich und sinnvoll zwischen Dingen und Eigenschaften zu unterscheiden.


step hat folgendes geschrieben:

Ich könnte auch sagen: "Die Welt hat Eigenschaften, die wir "atomar" abstrahieren können, sodaß wir von Dingen reden können. ... Dinge, z.B. Photonen, haben mit anderen Worten keinen ontologischen Status - mglw. im Gegensatz zu der Wellenfunktion der Welt selbst."


Da würde ich sogar noch weiter gehen. Die "Wellenfunktion der Welt" ist nur ein Werkzeug, dass wir benutzen um die Welt zu beschreiben, hat also mit Sicherheit keinen ontologischen Status.
Bleibt also nur noch "Die Welt selbst an sich". Da ich aber Solipsismus zwar ablehne (aus heuristischen Gründen) aber nicht grundsätzlich (ontologisch) widerlegen kann, kann ich selbst hier nicht sicher sein. Ontologischen Status kann damit nur noch mein eigenes "ich" haben, und selbst da weiß ich nicht, was damit ontologisch eigentlich genau gemeint ist.

step hat folgendes geschrieben:

PS: Wie würdest Du die Beschreibung von Kräften als Austauch virtueller Teilchen ontologisch deuten?


Ontologisch aus den oben genannten Gründen gar nicht. Heuristisch gesehen, würde ich virtuelle Teilchen als Dinge betrachten, wenn auch mit einem besonderen Status.
Kräfte sind dabei tatsächlich ein Problem. Von der Begrifflichkeit her klingen sie wie Dinge, lassen sich aber kaum als Dinge über ihre Eigenschaften definieren. Sie haben keine anderen Eigenschaften als sich selbst und sind daher selbst besser als Eigenschaften anzusehen.
Daher würde ich am liebsten auf den Kraftbegriff ganz verzichten, sondern nur von zeitlichen Veränderungen von Impulsen sprechen, deren Ursachen eben nicht irgendwelche "Kräfte" sind, sondern der Austausch virtueller Teilchen.
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step
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Beitrag(#143826) Verfasst am: 30.06.2004, 22:53    Titel: Antworten mit Zitat

Lars hat folgendes geschrieben:
Ich halte es sogar für möglich, dass es bisweilen von der jeweiligen Definition einer Entität abhängt, ob sie Ding oder Eigenschaft ist.

Zustimmung.
Lars hat folgendes geschrieben:
Hier stimme ich dir insofern zu, dass auch Dinge keinen ontologischen Status haben können, da ich eben über diese Welt grundsätzlich nur heuristische Aussagen machen kann. Trotzdem halte ich es im Rahmen dieser Heuristik für möglich und sinnvoll zwischen Dingen und Eigenschaften zu unterscheiden.

Ja, jedenfalls für nicht zu exotische Bereiche.
Lars hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ich könnte auch sagen: "Die Welt hat Eigenschaften, die wir "atomar" abstrahieren können, sodaß wir von Dingen reden können. ... Dinge, z.B. Photonen, haben mit anderen Worten keinen ontologischen Status - mglw. im Gegensatz zu der Wellenfunktion der Welt selbst."
Da würde ich sogar noch weiter gehen. Die "Wellenfunktion der Welt" ist nur ein Werkzeug, dass wir benutzen um die Welt zu beschreiben, hat also mit Sicherheit keinen ontologischen Status.
Bleibt also nur noch "Die Welt selbst an sich". Da ich aber Solipsismus zwar ablehne (aus heuristischen Gründen) aber nicht grundsätzlich (ontologisch) widerlegen kann, kann ich selbst hier nicht sicher sein. Ontologischen Status kann damit nur noch mein eigenes "ich" haben, und selbst da weiß ich nicht, was damit ontologisch eigentlich genau gemeint ist.

Auch dieser Position kann ich mich anschließen.
Lars hat folgendes geschrieben:
Kräfte sind dabei tatsächlich ein Problem. Von der Begrifflichkeit her klingen sie wie Dinge, lassen sich aber kaum als Dinge über ihre Eigenschaften definieren. Sie haben keine anderen Eigenschaften als sich selbst und sind daher selbst besser als Eigenschaften anzusehen. Daher würde ich am liebsten auf den Kraftbegriff ganz verzichten, sondern nur von zeitlichen Veränderungen von Impulsen sprechen, deren Ursachen eben nicht irgendwelche "Kräfte" sind, sondern der Austausch virtueller Teilchen.

Genau das ist ja "Stand der Technik", aber auch in diesem Fall gibt es Bereiche, in denen der Kraftbegriff sinnvoll und nützlich ist / war. Und wenn man die Kategorie "Ding" nicht nur um virtuelle Teilchen, sondern um immer exotischere Mess-situationen erweitert, hat sie schließlich mit unserem lokal-materiell-stabilen "Ding" nicht mehr viel zu tun, sondern wird eine Worthülse für alles Wahrnehmbare, Physikalische, konsistent Vorstellbare oder was auch immer.

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Lars
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Beitrag(#143874) Verfasst am: 01.07.2004, 02:45    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Genau das ist ja "Stand der Technik", aber auch in diesem Fall gibt es Bereiche, in denen der Kraftbegriff sinnvoll und nützlich ist / war. Und wenn man die Kategorie "Ding" nicht nur um virtuelle Teilchen, sondern um immer exotischere Mess-situationen erweitert, hat sie schließlich mit unserem lokal-materiell-stabilen "Ding" nicht mehr viel zu tun, sondern wird eine Worthülse für alles Wahrnehmbare, Physikalische, konsistent Vorstellbare oder was auch immer.


Na ja, lokal-materiell-stabile "Dinge" sind ja auch schon Elektronen, Atome oder Moleküle nicht mehr.
Ich unterscheide zwischen Dingen und Eigenschaften sehr viel abstrakter dadurch, wie sie sinnvoll (nützlich!) definiert werden können.

Wird eine Entität über ihre Eigenschaften definiert, sehe ich sie als Ding an.
Wird sie über Wechselwirkungen zwischen Dingen, die durch sie bewirkt werden, definiert, sehe ich sie als Eigenschaft an.
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Darwin Upheaval
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Beitrag(#145519) Verfasst am: 04.07.2004, 16:54    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck,

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
dann unterscheidest Du Dich also hier von den Positionen von Mahner/Bunge?


Sorry, ich wüßte nicht, in welchem Bereich. Schreiben sie irgendwo, daß elektromagnetische Felder Eigenschaften von z.B. ferromagnetischen Stoffen seien? Wenn ja, dann höchstens im metaphorischen Sinn. Ich weiß ganz sicher, daß sie sich (IIRC auf S. 12) anhand einiger Beispiele aus der Biologie eindeutig zu dem Unterschied "Ding - Merkmal (Eigenschaft)" erklärt haben.


Mahner/Bunge schreiben eindeutig, auch ein elektromagnetisches Feld ist ebenso ein Ding, wie ein Hammer; des weiteren, dass Eigenschaften selbst keine Eigenschaften besitzen. Damit läßt sich schließen: Alles, was Eigenschaften besitzt, ist ein Ding. Dies ist im Falle des Elektromagnetismus ein Lapsus: Ein magnetisches 'Ding' hat die Eigenschaft, 'magnetisch' zu sein, d. h. ein elektromagnetisches Feld auszubilden.


Ja, aber wo ist jetzt das Problem? Elektromagnetische Felder sind ja nicht die Eigenschaften, sondern höchstens Teile von Dingen und damit wiederum selbst Dinge. Als solche haben sie natürlich auch wieder Eigenschaften, wie z.B. ein Massenäquivalent, eine Wellenlänge, physiologische Eigenschaften usw.


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Aber was sind nun Eigenschaften? Sind damit nur physikochemische Eigenschaften gemeint? Oder Prädikate im logisch/linguistischen Sinne? Bei der Objektorientierten Programmierung gehe ich übrigens umgekehrt vor: Eigenschaften als Klassen zusammengefaßt, bilden Objekte (was analog zu 'Dingen' steht).


Im logisch-linguistischen Sinne sind es Prädikate. Und wie schon betont, kann man die verschiedensten Eigenschaftsklassen erstellen. Eigenschaften (Prädikate) haben– im Gegensatz zu Dingen (Objekten) – eben keinen ontologischen Status.


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Vorhergehend hast Du nun dieses ausgesagt:

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Sorry, ich weiß nicht, was Du damit sagen willst. Dinge sind einfach materielle Ganzheiten, Punkt. Ob es sich dabei um quantenmechanische Objekte, Fußbälle, elektromagnetische Felder, oder was auch immer handelt, spielt doch keine Rolle.


Im Umfeld dieses Zitates hatte ich den Eindruck, Du würdest Dich hier von den Positionen von Mahner/Bunge unterscheiden, was aber offenbar nicht der Fall ist. Gleichwohl: Nach Mahner/Bunge wäre also im obigen 'Ganzheit' ein Objekt mit der 'Eigenschaft' materiell?


Wenn ich Mahner und Bunge nicht falsch verstanden habe, ja. zwinkern


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Ups, inwieweit sind nun diese Fragen für das Thema von Relevanz? Ist es nicht gleichgültig, ob das Magnetfeld der Erde "permanent" ist oder ob es sich alle paar 100.000 Jahre mal umpolt? Es geht doch um die Frage, ob ein Magnetfeld (permanent oder nicht) als Teil eines Dings eine respektable materielle Entität oder nur ein (naturgemäß immaterielles) Konstrukt darstellt. Da Felder qua E=mc² eine Masse besitzen, gehe ich von ersterem aus. Was die "Farbe Rot" anlangt, so handelt es sich (wie bei allen Eigenschaften) natürlich um ein Konstrukt. Wie Thomas schon sagte: Es gibt keine immaterielle Entität der "Rotheit", sondern nur Dinge, die rot sind.


Nun ja, Du bist derjenige, der hier 'Permanenz' als 'Eigenschaft' einführt, um 'Bestandteil' von 'Eigenschaft' zu trennen. Sind den nicht immer Eigenschaften Bestandteile von Dingen?


Ups, wer hat denn das behauptet? Ich war das nicht... Smilie


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Natürlich ist das Beispiel insofern raffiniert gewählt, als die Eigenschaft "rot" eine sekundäre Eigenschaft, d.h. keine intrinsische Eigenschaft von Dingen ist. Das Merkmal "rot" entsteht nur im System "Objekt-erkennendes Subjekt", während die Eigenschaft "Absorption von Licht der Wellenlänge 500 nm" durchaus eine intrinsische Eigenschaft von Dingen ist. Smilie


Es ist natürlich noch viiiiiiiiiiel raffinierter! Was also sind sekundäre Eigenschaften? Etwa Eigenschaften von Eigenschaften? Selbstverständlich läßt sich doch die 'Eigenschaft' 'Rot' der 'Eigenschaft' Wellenlänge eines bestimmten 'Dings' 'Strahler' zuordnen ... . Auf den Arm nehmen


Eigenschaften von Eigenschaften wären Eigenschaften zweiter Ordnung. Das ist mit „sekundäre Eigenschaften“ aber nicht gemeint. Die Eigenschaft „Rot“ läßt sich keiner „Wellenlänge“ zuordnen, sondern dem System „Beobachter- elektromagnetische Welle mit der Eigenschaft ny= 650-800 nm“. BTW, wieviele Ordnungen muß es denn geben, damit Du den unendlichen Regreß abbrichst?


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Mir scheint, immer wenn es brenzlig für Deine Argumentation wird, versteckst Du Dich hinter Deinem großen Bruder (= Ontologie) und rufst "Ätsch"! Aber was können Postulate anderes sein als Konstrukte? Und im Übrigen: Gleich, was Ontologie ist, sie kann nur eine Abhängige der Epistemologie sein, oder nicht?!


Nein, warum? Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, daß mein ontologisches Postulat keine Letztbegründung hat, wie schlechterdings überhaupt kein Postulat. Ich wage nur dezent anzudeuten, daß der rK als Teil des philosophischen Hintergrundes der Wissenschaften nicht taugt, weil er (ad nauseam zwinkern ) heurist steril ist. Angeblich hälst Du doch nichts vom Positivismus – warum? Du bist angeblich auch kein Solipsist – weshalb nicht?


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Was ein Ding ist, wird doch gleichermaßen z. B. von Dir bestimmt.

Ja - aber weshalb muß diese Feststellung gleich in einem radikalen Konstruktivismus enden? Niemand behauptet doch, daß eine Fischflosse alle Eigenschaften des Wasser repräsentieren könne oder gar muß, damit der Fisch in seinem Milieu überleben kann. Aber als halbwegs überlebensadäquate Passung muß ihre Form die strömungsmechanischen Eigenschaften das Wasser wenigstens annähern richtig abbilden und damit einen (wenn auch nochso kleinen) Teil der Wirklichkeit repräsentieren. Warum sollte das mit unserer Erkenntnisfähigkeit grundlegend anders sein? Was brächte uns in evolutionärer Hinsicht die vollständige Unkenntnis der Welt? Nein, so geht das nicht!


Letzteres ist natürlich Viabilität! Trösterchen


Nunja, die alte Scheinlösung. Ich nenne eine Theorie „approximativ richtig“, Du nennst sie „viabel“. Ich behaupte, Du hast nur die Wörter neu gelernt bzw. ersteres durch ein logisch-semantisch unsauberes Konstrukt ersetzt.

BTW, Du behauptest doch auch, daß es eine real existierende Außenwelt gibt. Damit gibst Du zumindest einmal zu, daß Du mit dieser Außenwelt irgendwie in Wechselwirkung treten mußt. Nehmen wir nun an, Lamarck (X), greife beim Schwinghangeln den Ast (Y), tritt also mit ihm in Wechselwirkung. Als rK behauptet X, er nehme Y nicht wahr. Statt dessen konstruiere X ein "viables Konstrukt Y’. Da X das approximative Erkennen von Y radikal ablehnt, bleibt die Schnittmenge der Eigenschaftsmengen definitionsgemäß leer: P (Y) geschnitten P (Y') = 0. Stellen wir uns nun vor, X greife nicht nach einem Ast Y, sondern nach einem Skorpion Z. Da X das approximative Erkennen von Z ebenfalls ablehnt, bleibt die Schnittmenge der Eigenschaftsmengen wiederum leer: P(Z) geschnitten P (Z') = 0. Würden wir jetzt anstelle P (Y’) eine Eigenschaftsmenge P (Z’) konstruieren und anstelle P(Z’) eine Eigenschaftsmenge P(Y’), wären die Eigenschaftsschnittmengen folglich ebenfalls leer. Und vor diesem Hintergrund jetzt die große Preisfrage: Warum ist Y -> Y’ und Z -> Z' viabel, Z -> Y’ aber nicht???

Teufel Teufel Teufel Teufel Teufel Teufel
Teufel Teufel Teufel Teufel Teufel Teufel
Teufel Teufel Teufel Teufel Teufel Teufel

Grüße

Martin
_________________
"Science is a candle in the dark." - Carl Sagan

www.ag-evolutionsbiologie.de
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Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
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Beitrag(#146216) Verfasst am: 06.07.2004, 04:14    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin!

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Mahner/Bunge schreiben eindeutig, auch ein elektromagnetisches Feld ist ebenso ein Ding, wie ein Hammer; des weiteren, dass Eigenschaften selbst keine Eigenschaften besitzen. Damit läßt sich schließen: Alles, was Eigenschaften besitzt, ist ein Ding. Dies ist im Falle des Elektromagnetismus ein Lapsus: Ein magnetisches 'Ding' hat die Eigenschaft, 'magnetisch' zu sein, d. h. ein elektromagnetisches Feld auszubilden.

Ja, aber wo ist jetzt das Problem? Elektromagnetische Felder sind ja nicht die Eigenschaften, sondern höchstens Teile von Dingen und damit wiederum selbst Dinge. Als solche haben sie natürlich auch wieder Eigenschaften, wie z.B. ein Massenäquivalent, eine Wellenlänge, physiologische Eigenschaften usw.


Mr. Green Mr. Green Mr. Green Siehst Du den Zirkel?! Mr. Green Mr. Green Mr. Green


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Aber was sind nun Eigenschaften? Sind damit nur physikochemische Eigenschaften gemeint? Oder Prädikate im logisch/linguistischen Sinne? Bei der Objektorientierten Programmierung gehe ich übrigens umgekehrt vor: Eigenschaften als Klassen zusammengefaßt, bilden Objekte (was analog zu 'Dingen' steht).

Im logisch-linguistischen Sinne sind es Prädikate. Und wie schon betont, kann man die verschiedensten Eigenschaftsklassen erstellen. Eigenschaften (Prädikate) haben– im Gegensatz zu Dingen (Objekten) – eben keinen ontologischen Status.


Ich weiß nicht, was ein ontologischer Status ist. Vermutlich willst Du damit zum Ausdruch bringen, dass sich in irgendeiner Form die "Wertigkeiten" von 'Dingen' und 'Eigenschaften' unterscheiden. Könnte es nicht sein, dass Du einfach 'Dingen' im Gegensatz zu 'Eigenschaften' per definitionem einen ontologischen Status (?) unterlegst? Ich kann doch auch bei 'Eigenschaften' in ähnlicher Weise Klassen bilden wie bei 'Dingen'!?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Vorhergehend hast Du nun dieses ausgesagt:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Sorry, ich weiß nicht, was Du damit sagen willst. Dinge sind einfach materielle Ganzheiten, Punkt. Ob es sich dabei um quantenmechanische Objekte, Fußbälle, elektromagnetische Felder, oder was auch immer handelt, spielt doch keine Rolle.

Im Umfeld dieses Zitates hatte ich den Eindruck, Du würdest Dich hier von den Positionen von Mahner/Bunge unterscheiden, was aber offenbar nicht der Fall ist. Gleichwohl: Nach Mahner/Bunge wäre also im obigen 'Ganzheit' ein Objekt mit der 'Eigenschaft' materiell?

Wenn ich Mahner und Bunge nicht falsch verstanden habe, ja. zwinkern

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Ups, inwieweit sind nun diese Fragen für das Thema von Relevanz? Ist es nicht gleichgültig, ob das Magnetfeld der Erde "permanent" ist oder ob es sich alle paar 100.000 Jahre mal umpolt? Es geht doch um die Frage, ob ein Magnetfeld (permanent oder nicht) als Teil eines Dings eine respektable materielle Entität oder nur ein (naturgemäß immaterielles) Konstrukt darstellt. Da Felder qua E=mc² eine Masse besitzen, gehe ich von ersterem aus. Was die "Farbe Rot" anlangt, so handelt es sich (wie bei allen Eigenschaften) natürlich um ein Konstrukt. Wie Thomas schon sagte: Es gibt keine immaterielle Entität der "Rotheit", sondern nur Dinge, die rot sind.

Nun ja, Du bist derjenige, der hier 'Permanenz' als 'Eigenschaft' einführt, um 'Bestandteil' von 'Eigenschaft' zu trennen. Sind den nicht immer Eigenschaften Bestandteile von Dingen?

Ups, wer hat denn das behauptet? Ich war das nicht... Smilie


Habe ich das jetzt richtig verstanden:

Satz 1: 'Ganzheit' ist 'Ding' plus 'Eigenschaft'
Satz 2: Ein 'Ding' besitzt immer die 'Eigenschaft' {Masse} bzw. {materiell}
Satz 3: Ein 'Ding' ist immer eine 'Ganzheit'
Satz 4: Ein 'Ding' ist eine Entität
Satz 5: Eine 'Eigenschaft' ist keine Entität

>>> Da es offenbar nicht möglich ist, 'Ganzheit', 'Ding' und 'Eigenschaft' zu trennen: Was also ist von einem 'Ding' übrig, wen man seine Konstrukte entfernt?

Vorhergehend hattest Du geschrieben:

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wie gesagt, nach meiner Ontologie ist diese Aussage nicht ganz "astrein". Das elektromagnetische Feld ist (nach gleichgerichteter Orientierung des Gesamtspins der Atome) Bestandteil ferromagnetischer Stoffe, nicht aber deren Eigenschaft. Die (essentielle) Eigenschaft ferromagnetischer Stoffe wäre die Fähigkeit, permanente elektromagnetische Felder zu erzeugen (oder der Besitz eines solchen Feldes). Eigenschaften sind demnach reine Abstraktionen der Wirklichkeit. Wenn es kein abstrahierendes Subjekt mehr gibt, gibt es auch keine Eigenschaften (als Abstrakta) mehr, wohl aber Dinge, wie ferromagnetische Stoffe und ihre Felder...


Die Zustände von Dingen (etwa die Orientierung der Elementarmagnete) sind in Deiner Sicht folglich Konstrukte?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Natürlich ist das Beispiel insofern raffiniert gewählt, als die Eigenschaft "rot" eine sekundäre Eigenschaft, d.h. keine intrinsische Eigenschaft von Dingen ist. Das Merkmal "rot" entsteht nur im System "Objekt-erkennendes Subjekt", während die Eigenschaft "Absorption von Licht der Wellenlänge 500 nm" durchaus eine intrinsische Eigenschaft von Dingen ist. Smilie

Es ist natürlich noch viiiiiiiiiiel raffinierter! Was also sind sekundäre Eigenschaften? Etwa Eigenschaften von Eigenschaften? Selbstverständlich läßt sich doch die 'Eigenschaft' 'Rot' der 'Eigenschaft' Wellenlänge eines bestimmten 'Dings' 'Strahler' zuordnen ... . Auf den Arm nehmen

Eigenschaften von Eigenschaften wären Eigenschaften zweiter Ordnung. Das ist mit „sekundäre Eigenschaften“ aber nicht gemeint. Die Eigenschaft „Rot“ läßt sich keiner „Wellenlänge“ zuordnen, sondern dem System „Beobachter- elektromagnetische Welle mit der Eigenschaft ny= 650-800 nm“. BTW, wieviele Ordnungen muß es denn geben, damit Du den unendlichen Regreß abbrichst?


Dies würde bedeuten, dass Du nach Deinen obigen Aussagen zwar Klassen von Eigenschaften bildest, diese Klassen aber (ebenso wie die Klassen von 'Dingen') nicht vermischen darfst (Was doch unmöglich ist: Hier die Klasse 'Linguistik', dort die Klasse 'Realität' ...). Was ist da Deine Definition von Entität?

Eine Aussage "Rotheit = 650-800 nm" ist sicher genauso sinnvoll wie "ny = 650-800 nm“. Wäre damit "Rotheit" identisch mit "ny"?

Dem Begriff 'Rot' hattest Du ja zugestanden, ein Konstrukt zu sein. Wie steht es nun mit dem Begriff 'Wellenlänge' (oder allen anderen Begriffen)? Genau, alles 'nur' Konstrukte! Wie ist es nur möglich, mit Konstrukten 'Dinge' einzufangen?

BTW, der regressus ad infinitum ist doch für mich als Radikalem Konstruktivisten bestenfalls ein Schein-Problem! Meinen Kontext mache ich doch selbst, für mich gibt es keine übergeordneten Ordnungen (Ist bei Dir natürlich ebenso, Du erkennst es nur (noch?) nicht)!


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Mir scheint, immer wenn es brenzlig für Deine Argumentation wird, versteckst Du Dich hinter Deinem großen Bruder (= Ontologie) und rufst "Ätsch"! Aber was können Postulate anderes sein als Konstrukte? Und im Übrigen: Gleich, was Ontologie ist, sie kann nur eine Abhängige der Epistemologie sein, oder nicht?!

Nein, warum? Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, daß mein ontologisches Postulat keine Letztbegründung hat, wie schlechterdings überhaupt kein Postulat. Ich wage nur dezent anzudeuten, daß der rK als Teil des philosophischen Hintergrundes der Wissenschaften nicht taugt, weil er (ad nauseam zwinkern ) heurist steril ist. Angeblich hälst Du doch nichts vom Positivismus – warum? Du bist angeblich auch kein Solipsist – weshalb nicht?


Nun ja, es muß nicht gleich eine "Letztbegründung" sein, eine konventionelle Begründung hätte ich dagegen schon ganz gerne: Jedenfalls sollte es dann doch leicht möglich sein, aus einer Heuristik eine Ontologie zu basteln! Auf den Arm nehmen

Wie kommst Du denn darauf, dass der RK heuristisch steril ist? Zum Positivismus bzw. Solipsismus habe ich mich doch ausreichend ausgelassen, was war daran noch unklar?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Was ein Ding ist, wird doch gleichermaßen z. B. von Dir bestimmt.

Ja - aber weshalb muß diese Feststellung gleich in einem radikalen Konstruktivismus enden? Niemand behauptet doch, daß eine Fischflosse alle Eigenschaften des Wasser repräsentieren könne oder gar muß, damit der Fisch in seinem Milieu überleben kann. Aber als halbwegs überlebensadäquate Passung muß ihre Form die strömungsmechanischen Eigenschaften das Wasser wenigstens annähern richtig abbilden und damit einen (wenn auch nochso kleinen) Teil der Wirklichkeit repräsentieren. Warum sollte das mit unserer Erkenntnisfähigkeit grundlegend anders sein? Was brächte uns in evolutionärer Hinsicht die vollständige Unkenntnis der Welt? Nein, so geht das nicht!

Letzteres ist natürlich Viabilität! Trösterchen

Nunja, die alte Scheinlösung. Ich nenne eine Theorie „approximativ richtig“, Du nennst sie „viabel“. Ich behaupte, Du hast nur die Wörter neu gelernt bzw. ersteres durch ein logisch-semantisch unsauberes Konstrukt ersetzt.


Als "unsauberes Konstrukt" empfinde ich da eher die Ontologie; wieso diese in keinem Zusammenhang mit Erkenntnis stehen kann, ist mit suspekt. Und erneut: Bildet das Wasser übrigens die strömungsmechanischen Eigenschaften der Fischflosse annähernd richtig ab und repräsentiert somit zumindest einen Teil der Wirklichkeit? Oder die Gravitation? Gibt es also einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Flosse und Wasser?

Du denkst über die Welt, d. h.: Das Gehirn ist hier autonom. So weit, so gut: Für mich sind aber Träume auch 'Realität', für Dich als Realisten aber nicht! (Klingt ein wenig seltsam, ist aber nicht so ohne, so a la approximative Welterkennung ...)


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
BTW, Du behauptest doch auch, daß es eine real existierende Außenwelt gibt. Damit gibst Du zumindest einmal zu, daß Du mit dieser Außenwelt irgendwie in Wechselwirkung treten mußt. Nehmen wir nun an, Lamarck (X), greife beim Schwinghangeln den Ast (Y), tritt also mit ihm in Wechselwirkung. Als rK behauptet X, er nehme Y nicht wahr. Statt dessen konstruiere X ein "viables Konstrukt Y’. Da X das approximative Erkennen von Y radikal ablehnt, bleibt die Schnittmenge der Eigenschaftsmengen definitionsgemäß leer: P (Y) geschnitten P (Y') = 0. Stellen wir uns nun vor, X greife nicht nach einem Ast Y, sondern nach einem Skorpion Z. Da X das approximative Erkennen von Z ebenfalls ablehnt, bleibt die Schnittmenge der Eigenschaftsmengen wiederum leer: P(Z) geschnitten P (Z') = 0. Würden wir jetzt anstelle P (Y’) eine Eigenschaftsmenge P (Z’) konstruieren und anstelle P(Z’) eine Eigenschaftsmenge P(Y’), wären die Eigenschaftsschnittmengen folglich ebenfalls leer. Und vor diesem Hintergrund jetzt die große Preisfrage: Warum ist Y -> Y’ und Z -> Z' viabel, Z -> Y’ aber nicht???


Jedenfalls behaupte ich, dass die Welt unabhängig von mir existiert. Als Offenes Fließgleichgewicht trete ich mit der (Um)welt selbstverständlich in Wechselwirkung. Und ein "Lamarck" schwinghangelt nicht, Vollmer benutzt hierzu schließlich einen Affen. Auf den Arm nehmen Und wenn ein "Lamarck" doch schwinghangeln würde, würde er niemals nach einen Ast greifen, den er nicht wahrnimmt ... . Mr. Green Mr. Green Mr. Green

Also gut, dann versuche ich es noch einmal mit der Viabilität:

Nehmen wir einmal an, Martin N wäre ein bekannter Schwinghangler. Hierzu ist er auf ein gewisses Substrat S angewiesen. Aufgrund seiner - eher unzureichend begründeten - Ontologie O bezeichnet er dieses Substrat S als Ast A. Ferner sollen die Wahnvorstellungen W1 und W2 gegeben sein; es gilt W1: ein wahrgenommener Ast A ist immer ein Ast A und W2: ein wahrgenommener Ast A ist nicht notwendigerweise immer ein Ast A, sondern bsw. ein Skorpion Sk. Unerwartet vermehren sich die vorher ausgesprochen seltenen Skorpione zu Sk1...n .

Ergebnis:

N {W1,Sk} = 0
N {W2,Sk} = 0

Conclusio: Es genügt nicht, zu zweifeln. Der Kontext muß stimmen. Zwar war N {W2,Sk} wohl auf den approximativ richtigen Weg. Gleichwohl war dieser Weg ebenfalls nicht hinreichend.


Cheers,

Lamarck
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Beitrag(#146737) Verfasst am: 07.07.2004, 14:01    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck,

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Mahner/Bunge schreiben eindeutig, auch ein elektromagnetisches Feld ist ebenso ein Ding, wie ein Hammer; des weiteren, dass Eigenschaften selbst keine Eigenschaften besitzen. Damit läßt sich schließen: Alles, was Eigenschaften besitzt, ist ein Ding. Dies ist im Falle des Elektromagnetismus ein Lapsus: Ein magnetisches 'Ding' hat die Eigenschaft, 'magnetisch' zu sein, d. h. ein elektromagnetisches Feld auszubilden.

Ja, aber wo ist jetzt das Problem? Elektromagnetische Felder sind ja nicht die Eigenschaften, sondern höchstens Teile von Dingen und damit wiederum selbst Dinge. Als solche haben sie natürlich auch wieder Eigenschaften, wie z.B. ein Massenäquivalent, eine Wellenlänge, physiologische Eigenschaften usw.


Mr. Green Mr. Green Mr. Green Siehst Du den Zirkel?! Mr. Green Mr. Green Mr. Green


Ich weiß ehrlich gesagt noch immer nicht, was Du mit Deinem Zirkelvorwurf bezweckst. Die Wissenschaft läßt sich, wie schon betont, eben nicht philosophisch voraussetzungfrei betreiben. Sie hat einen „philosophischen Hintergrund“, der u.a. epistemologische und ontologische Postulate enthält, die sich nicht beweisen lassen, die aber durch ihre methodischen Prinzipien erzwungen werden. Da Beobachten und Theoretisieren immer handinhand gehen, bewegt sich die Wissenschaft insgesamt in einem ("virtuosen") Zirkel.


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Aber was sind nun Eigenschaften? Sind damit nur physikochemische Eigenschaften gemeint? Oder Prädikate im logisch/linguistischen Sinne? Bei der Objektorientierten Programmierung gehe ich übrigens umgekehrt vor: Eigenschaften als Klassen zusammengefaßt, bilden Objekte (was analog zu 'Dingen' steht).

Im logisch-linguistischen Sinne sind es Prädikate. Und wie schon betont, kann man die verschiedensten Eigenschaftsklassen erstellen. Eigenschaften (Prädikate) haben– im Gegensatz zu Dingen (Objekten) – eben keinen ontologischen Status.


Ich weiß nicht, was ein ontologischer Status ist. Vermutlich willst Du damit zum Ausdruch bringen, dass sich in irgendeiner Form die "Wertigkeiten" von 'Dingen' und 'Eigenschaften' unterscheiden. Könnte es nicht sein, dass Du einfach 'Dingen' im Gegensatz zu 'Eigenschaften' per definitionem einen ontologischen Status (?) unterlegst? Ich kann doch auch bei 'Eigenschaften' in ähnlicher Weise Klassen bilden wie bei 'Dingen'!?


Ja, sicher. Aber siehe oben.


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Nun ja, Du bist derjenige, der hier 'Permanenz' als 'Eigenschaft' einführt, um 'Bestandteil' von 'Eigenschaft' zu trennen. Sind den nicht immer Eigenschaften Bestandteile von Dingen?

Ups, wer hat denn das behauptet? Ich war das nicht... Smilie


Habe ich das jetzt richtig verstanden:

Satz 1: 'Ganzheit' ist 'Ding' plus 'Eigenschaft'
Satz 2: Ein 'Ding' besitzt immer die 'Eigenschaft' {Masse} bzw. {materiell}
Satz 3: Ein 'Ding' ist immer eine 'Ganzheit'
Satz 4: Ein 'Ding' ist eine Entität
Satz 5: Eine 'Eigenschaft' ist keine Entität


Die Sätze 2-5 würde ich unterschreiben, aber nicht Satz 1 Nein, so geht das nicht!


Lamarck hat folgendes geschrieben:
>>> Da es offenbar nicht möglich ist, 'Ganzheit', 'Ding' und 'Eigenschaft' zu trennen: Was also ist von einem 'Ding' übrig, wen man seine Konstrukte entfernt?


Das ist eben das Mißverständnis: Dinge haben keine Konstrukte (vulgo: Eigenschaften). Wenn man einen Sprengkörper abbrennt, explodiert er, das heißt man abstrahiert die Eigenschaft „Besitz der Fähigkeit, in einer exothermen Reaktion unter Freiwerden gasförmiger Produkte zu explodieren“. Aber es gibt keine Explositions-Entität, die mit dem Sprengkörper irgendwie in Wechselwirkung tritt. Eigenschaften sind Konstrukte (da komme ich Dir also entgegen Smilie ). Wenn es keine Menschen mehr gibt, gibt es folglich auch niemanden mehr, der Eigenschaften konstruiert. Nichtsdestotrotz gäbe es dann immer noch Substrate, die in exothermer Reaktion explosionsartig auseinanderfliegen. Und explodierende Sterne gibt es nicht erst, seit Menschen da sind, die die Eigenschaft „Fähigkeit zur Explosion“ konstruieren. Sonst (so postuliere ich mal kühn), gäbe es keinen Lamarck, der behaupten könnte, daß die Kohlenstoffverbindungen, aus denen er besteht, nur eine Wahnvorstellung seien.


[...]

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Dies würde bedeuten, dass Du nach Deinen obigen Aussagen zwar Klassen von Eigenschaften bildest, diese Klassen aber (ebenso wie die Klassen von 'Dingen') nicht vermischen darfst (Was doch unmöglich ist: Hier die Klasse 'Linguistik', dort die Klasse 'Realität' ...). Was ist da Deine Definition von Entität?


Also, dann mal konkret: Unter (materiellen) Entitäten verstehe ich theoretische Elemente, die man einführt, um ein bislang unverstandenes Phänomen (nenn das ruhig Konstrukt), zu erklären. Ein Wissenschaftler hat z.B. zu erklären, weshalb zwei „ihm gasförmig vorkommende Substrate“ stets in konstanten Proportionen chemisch miteinander wechselwirken. Dazu postuliert er dann Atom-Entitäten, aus denen er sich die „gasförmigen Substrate“ zusammengesetzt denkt und die nach chemischen Gesetzmäßigkeiten miteinander reagieren sollen. Und wenn das Gehirn eines Wissenschaftlers einen Steinkern visualisiert, deren Form an die heute lebenden Nautiliden erinnern, postuliert er wiederum eine Entität, die einst lebendig war. Um mit Tschulok (vs. Fleischmann) zu sprechen:

Zitat:
wer nicht bestimmte Postulate gelten läßt (...); wer sich nicht bei ähnlichen Gelegenheiten sagt: ich muß mir dies und jenes hinzudenken, sonst reimt sich das nicht mit allem, was ich von dem oder jenem weiß; für den ist die Annahme, daß in diesem gewundenen Stein einst ein Tier von bestimmtem Typus, von bestimmter Klasse oder Ordnung gelebt hat, immerhin eine gewagte.


Tschulok, S. (1922): Deszendenzlehre. Gustav-Fischer, Jena.


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wie kommst Du denn darauf, dass der RK heuristisch steril ist? Zum Positivismus bzw. Solipsismus habe ich mich doch ausreichend ausgelassen, was war daran noch unklar?


Das habe ich oben länglich zu demonstrieren versucht. Es kann ja sein, daß Dein Antrieb, Wissenschaftler zu werden, mit der Wirkung auf Frauen zu tun hat Sehr glücklich . Aber ich unterstelle einmal, daß die meisten Wissenschaftler einfach "nur" deshalb Wissenschaft betreiben, weil sie erklären möchten, „was die Welt in ihrem Innersten zusammenhält.“ Und dieser Erklärungsanspruch setzt wiederum die Akzeptanz voraus, daß eine vom erkennenden Subjekt unabhängigen Realität existiert, von der wenigstens bruchstückhaft irgendetwas in unserem Bewußtsein ankommt.

Und ja, Du hast völlig Recht: das mit dem Positivismus ist mir auch nicht klargeworden: Auf der einen Seite erkennst Du an, daß Theoretisieren und Beobachten handinhand gehen. Du siehst also auch, daß man zur Erklärung bestimmter Phänomene Dinge postulieren muß, die (in positivistischer Lesart) „metaphysischen Charakter“ haben. Ich gehe auch davon aus, daß Du den Zirkel der Wissenschaften siehst, den die Positivisten den kritischen Rationalisten (oder Kreationisten den Evolutionsbiologen – siehe Fleischmann) beständig unter die Nase reiben. Du akzeptierst das alles widerspruchslos, weil Du offenbar siehst, daß es gar nicht anders geht. Nur wenn der Begriff „Ontologie“ fällt, geht der Positivist in Gestalt des radikalen Konstruktivisten mit Dir durch. Smilie


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Was ein Ding ist, wird doch gleichermaßen z. B. von Dir bestimmt.

Ja - aber weshalb muß diese Feststellung gleich in einem radikalen Konstruktivismus enden? Niemand behauptet doch, daß eine Fischflosse alle Eigenschaften des Wasser repräsentieren könne oder gar muß, damit der Fisch in seinem Milieu überleben kann. Aber als halbwegs überlebensadäquate Passung muß ihre Form die strömungsmechanischen Eigenschaften das Wasser wenigstens annähern richtig abbilden und damit einen (wenn auch nochso kleinen) Teil der Wirklichkeit repräsentieren. Warum sollte das mit unserer Erkenntnisfähigkeit grundlegend anders sein? Was brächte uns in evolutionärer Hinsicht die vollständige Unkenntnis der Welt? Nein, so geht das nicht!

Letzteres ist natürlich Viabilität! Trösterchen

Nunja, die alte Scheinlösung. Ich nenne eine Theorie „approximativ richtig“, Du nennst sie „viabel“. Ich behaupte, Du hast nur die Wörter neu gelernt bzw. ersteres durch ein logisch-semantisch unsauberes Konstrukt ersetzt.


Als "unsauberes Konstrukt" empfinde ich da eher die Ontologie; wieso diese in keinem Zusammenhang mit Erkenntnis stehen kann, ist mit suspekt.


Das habe ich gar nicht behauptet. Falls Du’s noch nicht bemerkt haben solltest: Ich vertrete auch einen epistemologischen Konstruktivismus! Im Gegensatz zu Deinen sind meine Eigenschafts-Schnittmengen aber nicht leer. Damit kann ich ganze Menge erklären. Das Absurde am radikalen Konstruktivismus ist also nicht der Konstruktivismus, sondern seine Radikalität.


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
BTW, Du behauptest doch auch, daß es eine real existierende Außenwelt gibt. Damit gibst Du zumindest einmal zu, daß Du mit dieser Außenwelt irgendwie in Wechselwirkung treten mußt. Nehmen wir nun an, Lamarck (X), greife beim Schwinghangeln den Ast (Y), tritt also mit ihm in Wechselwirkung. Als rK behauptet X, er nehme Y nicht wahr. Statt dessen konstruiere X ein "viables Konstrukt Y’. Da X das approximative Erkennen von Y radikal ablehnt, bleibt die Schnittmenge der Eigenschaftsmengen definitionsgemäß leer: P (Y) geschnitten P (Y') = 0. Stellen wir uns nun vor, X greife nicht nach einem Ast Y, sondern nach einem Skorpion Z. Da X das approximative Erkennen von Z ebenfalls ablehnt, bleibt die Schnittmenge der Eigenschaftsmengen wiederum leer: P(Z) geschnitten P (Z') = 0. Würden wir jetzt anstelle P (Y’) eine Eigenschaftsmenge P (Z’) konstruieren und anstelle P(Z’) eine Eigenschaftsmenge P(Y’), wären die Eigenschaftsschnittmengen folglich ebenfalls leer. Und vor diesem Hintergrund jetzt die große Preisfrage: Warum ist Y -> Y’ und Z -> Z' viabel, Z -> Y’ aber nicht???


Jedenfalls behaupte ich, dass die Welt unabhängig von mir existiert. Als Offenes Fließgleichgewicht trete ich mit der (Um)welt selbstverständlich in Wechselwirkung.


Sorry, Du weichst aus. Daß Du als Organismus mit der (Um)welt in Wechselwirkung trittst, habe ich ja meiner Überlegung vorangeschickt. Die darauf basierende Frage war doch: Warum ist Y -> Y’ und Z -> Z' viabel, Z -> Y’ aber nicht? Oder anders: Wenn alle Eigenschaftsschnittmengen leer sind, warum sind die einen viabel, die anderen nicht? Null ist also doch nicht gleich Null, oder? Sind einige Schnittmengen doch nicht so leer wie andere? Dein RK hat doch angeblich eine Erklärungsleistung, worin besteht sie?

Aus meiner Sicht ist die Erklärung einfach und sauber: Die Eigenschaftsschnittmengen zwischen Substrat S und Konstrukt S’ sind in einem überlebensadäquaten Weltbild nicht leer. Das bedeutet: Wenn das Weltbild noch so merkmalsarm ist - mindestens eine Eigenschaft von S, die für den evolutionären Erfolg der betreffenden Art relevant ist, wird sich in ihm (vulgo im Konstrukt S’) wiederfinden. Das verstehe ich dann unter „approximativer Erkenntnis“ der Wirklichkeit. (Von wegen unsauber konzipierten Ontologie und so!) Der Rest – da hast Du dann wieder recht - fällt unter den Tisch oder wird vom Gehirn „dazukonstruiert“ – wie auch immer. Aber wenn das Stichwort „viabel“ nicht zu einer leeren Worthülse verkommen soll, können die Eigenschaftsschnittmengen nicht leer sein. Ansonsten macht ja der Begriff „überlebensadäquat“ überhaupt keinen Sinn. Das meinte ich mit „unsauberem Konstrukt“: Wo ist Deine Definition von überlebensadäquat? Ist Überlebensadäquat das, was viabel ist? Und was ist dann viabel? Das, was überlebensadäquat ist?


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Und ein "Lamarck" schwinghangelt nicht, Vollmer benutzt hierzu schließlich einen Affen. Auf den Arm nehmen Und wenn ein "Lamarck" doch schwinghangeln würde, würde er niemals nach einen Ast greifen, den er nicht wahrnimmt ... . Mr. Green Mr. Green Mr. Green


Gröhl... Wie gesagt, das war ein kleiner Spaß. Nimm’s mir nicht krumm zwinkern


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Also gut, dann versuche ich es noch einmal mit der Viabilität:

Nehmen wir einmal an, Martin N wäre ein bekannter Schwinghangler. Hierzu ist er auf ein gewisses Substrat S angewiesen. Aufgrund seiner - eher unzureichend begründeten - Ontologie O bezeichnet er dieses Substrat S als Ast A. Ferner sollen die Wahnvorstellungen W1 und W2 gegeben sein; es gilt W1: ein wahrgenommener Ast A ist immer ein Ast A und W2: ein wahrgenommener Ast A ist nicht notwendigerweise immer ein Ast A, sondern bsw. ein Skorpion Sk. Unerwartet vermehren sich die vorher ausgesprochen seltenen Skorpione zu Sk1...n .

Ergebnis:

N {W1,Sk} = 0
N {W2,Sk} = 0

Conclusio: Es genügt nicht, zu zweifeln. Der Kontext muß stimmen. Zwar war N {W2,Sk} wohl auf den approximativ richtigen Weg. Gleichwohl war dieser Weg ebenfalls nicht hinreichend.


Keine Ahnung, was das soll, Du demonstrierst mir doch gerade wieder aufs neue die Absurdität Deiner Erkenntnistheorie. Wir sind uns doch einig, daß das erste Konstrukt „viabel“ ist, das zweite nicht. Kein Affe, der anstelle eines Astes Skorpione visualisieren würde (oder umgekehrt), hätte auf Dauer auch nur die geringste Überlebenschance. Daher ist aus meiner Sicht N {W1,Sk} eben nicht 0 (und daher keine Wahnvorstellung), weil sie sonst nicht evolutionär begünstigt wäre. Und jetzt kommst Du und behauptest, in beiden Fällen wären die Eigenschaftschnittmengen leer, so daß hier wie dort von Wahnvorstellungen auszugehen hätten. Das ist es doch gerade das, was Deinen rK aus meiner Sicht zu einer schiefen Angelegenheit macht.

Grüße

Martin
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Beitrag(#146753) Verfasst am: 07.07.2004, 15:25    Titel: Antworten mit Zitat

Wenn ich auch meinen Senf dazugeben darf:

Ich bin ja bekanntlich mit MArtin bezüglich REalismus vollkommen einig. Nur scheint mir seine VErteidigung desselben ein bisschen inkosistent (und darin scheint er Mahner und Bunge zu folgen, die die gleichen Inkonsistenzen gegehen).

Also:

Lamarck ist vollkommen recht zu geben bezüglich seiner Kritik am Begriff "ontologischer Status". Ich halte das für ein Unsinnswort.

Unsere Ontologie ist die Existenz einer äusseren, von uns unabhängigen Welt. Punkt. Damit ist das Wort Ontologie ein für alle mal obsolet geworden.
Diese Realität kann ich nur und ausschliesslich über Konstruktionen erkennen. Das ist meine Epistemologie. Punkt. Damit ist das Wort E. ein für alle mal obsolet geworden.
Die Konstrukte verbessere ich dadurch, dass ich sie kritisiere und versuche an der Realität scheitern zu lassen. Das ist meine Methodologie. Punkt.

Thomas ist normalerweise (wenn er nicht zur Rechtfertigung des Agnostizismus eine Verwirrfeuerwerk aus O. E. und M. Wörtern abzieht) auch dieser Meinung. Er sagt dazu:
A erkennt B als C. A ist der Erkennende. B ist die Welt. C sind die Konstrukte.

Es gibt also keine "Elektronen", "Magnetfelder", "Schiefen Ebenen" oder "Starren Körper". Es gibt keine Arten, keine RAssen, keine Gene. Das sind alles Konstrukte. Einige dieser Konstrukte sind so gut, dass wir sie praktisch nicht vom Ding an sich, das sie "erkennen" unterscheiden können. (Ein Mathematiker kriegt diese Unterscheidung zwischen Objekt und Symbol so tief eingebleut, dass er immer allergisch reagiert, wenn das einer durcheinanderschmeisst).

Wachstum der Erkenntnis bedeutet also nur, bessere und bessere Theorien zu konstruieren. (Deshalb gefällt mir das Vollmersche Gerede vom "virtuosen Zirkel" auch nicht. Es handelt sich, wenn schon, dann um eine Spirale der Erkenntnis, die neue Theorien über die alten hinaushebt.

Bis hierhin stimme ich (wenn ich das richtig sehe) der Lamarckschen Kritik der Bungeschen Erkenntnistheorie vollkommen zu. Aber jetzt kommt der Punkt, andem der R.K. komplett in die Irre läuft: Er hat nämlich keine ANtwort auf die Frage: Warum ist es möglich, so eine Aufwärtsspirale der Erkenntnis zu fabrizieren.

Und da komme ich zu 100% auf die Antwort von Martin zurück:

Zitat:
Aber ich unterstelle einmal, daß die meisten Wissenschaftler einfach "nur" deshalb Wissenschaft betreiben, weil sie erklären möchten, „was die Welt in ihrem Innersten zusammenhält.“ Und dieser Erklärungsanspruch setzt wiederum die Akzeptanz voraus, daß eine vom erkennenden Subjekt unabhängigen Realität existiert, von der wenigstens bruchstückhaft irgendetwas in unserem Bewußtsein ankommt.


Oder noch deutlicher und mit vollster Zustimmung:

Zitat:
Das Absurde am radikalen Konstruktivismus ist also nicht der Konstruktivismus, sondern seine Radikalität.


(Vorausgesetzt, Du, Martin, meinst mit der "Radikalität" die Tatsache, dass er die Realität ablehnt. und nicht die Tatsache, dass all unser Wissen über die Realität aus Konstruktionen besteht).

Jedenfalls plädiere ich stark dafür, dass grässliche Wort "ontologischer Status" für unsere Konstrukte zu vermeiden. Unsere Konstrukte machen entweder Aussagen über die Welt, die wahr oder falsch sein können. Dann sind es sinnvolle Aussagen. Machen sie ausserdem empirisch überprüfbare Aussagen, dann sind sind "falsifizierbar" und somit "wissenschaftlich". Machen sie keine Aussagen über die Welt, dann sind sie sinnlos. Sinnvolle, nicht-falsifizierbare Aussagen nenne ich metaphysisch. (Un solche gibt es, was Step nicht einsehen möchte).

Aber der "ontologische Status" einer Aussage ist immer: es ist eine Konstruktion. Was der radikale Konstruktivist übersieht, ist allerdings die entscheidende Rolkle der Kritik. Die schärfste mögliche Kritik ist diejenige, die durch die Realität (indem man die Theorien anwendet) geschieht. Und deshalb ist die Realität in jeder (ernstzunehmenden) Erkenntnistheorie unverzichtbar.

Kurz: Wissenschaft besteht darin, dass ich die Realität zum Kritiker meiner Konstrukte mache.
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Beitrag(#146801) Verfasst am: 07.07.2004, 17:37    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Wenn ich auch meinen Senf dazugeben darf: Ich bin ja bekanntlich mit MArtin bezüglich REalismus vollkommen einig. Nur scheint mir seine VErteidigung desselben ein bisschen inkosistent (und darin scheint er Mahner und Bunge zu folgen, die die gleichen Inkonsistenzen gegehen). Also: Lamarck ist vollkommen recht zu geben bezüglich seiner Kritik am Begriff "ontologischer Status". Ich halte das für ein Unsinnswort. Unsere Ontologie ist die Existenz einer äusseren, von uns unabhängigen Welt. Punkt. Damit ist das Wort Ontologie ein für alle mal obsolet geworden.


Was heißt denn das? Wenn Du voraussetzst, daß es eine vom erkennenden Subjekt unabhängige Welt gibt, die (nur) aus materiellen Systemen (Entitäten) besteht (und das ist doch AFAIK der Fall), erkennst Du meine Ontologie an. Ob Du das dann anders nennst, ist doch wurscht. Obsolet geworden ist demnach gar nichts. Es sei denn, Du bist unter die Solipsisten, Anti-Materialisten oder Supernaturalisten geraten. zwinkern


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Diese Realität kann ich nur und ausschliesslich über Konstruktionen erkennen. Das ist meine Epistemologie.


Meine doch auch!!!

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Falls Du’s noch nicht bemerkt haben solltest: Ich vertrete auch einen epistemologischen Konstruktivismus!


Aber im Gegensatz zu Lamarck kommt in meinem Weltbild etwas von der Realität an. Ansonsten ist nix mit Forschung. Oder würdest Du noch forschen, wenn Du wüßtest, daß Du Wahnvorstellungen erforscht? Smilie


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Punkt. Damit ist das Wort E. ein für alle mal obsolet geworden. Die Konstrukte verbessere ich dadurch, dass ich sie kritisiere und versuche an der Realität scheitern zu lassen. Das ist meine Methodologie. Punkt.


Nunja, das auszudiskutieren würde den hiesigen Rahmen sprengen und wäre ein Thema für sich. Obwohl ich auch den Hypothetico-Deduktivismus vertrete, ist das mit dem Falsifikationismus nicht so unproblematisch und simpel, wie Popper sich das ursprünglich vorgestellt hat...


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Thomas ist normalerweise (wenn er nicht zur Rechtfertigung des Agnostizismus eine Verwirrfeuerwerk aus O. E. und M. Wörtern abzieht) auch dieser Meinung. Er sagt dazu:
A erkennt B als C. A ist der Erkennende. B ist die Welt. C sind die Konstrukte.


Ich will ja Thomas nicht ins Wort greifen und kann natürlich nur für mich sprechen. Aber wenn ich ihn über die Jahre nicht völlig falsch verstanden habe, vertritt er wie ich sowohl einen erkenntnistheoretischen Realismus als auch einen emergentistischen Materialismus. Und methodologisch scheint er Lakatos nicht ganz fern zu stehen. Natürlich stellt er seine Epistemologie und Ontologie unter den Fallibilitätsvorbehalt (daher spricht er gerne auch vom "hypothetischen" Realismus). Abgesehen von der Frage, ob man den Agnostizismus lieber in Atheismus umtaufen sollte, scheinen wir uns weitgehend einig zu sein. Wo's da ein "Verwirrfeuerwerk" geben soll, ist mir schleierhaft. Schulterzucken


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Es gibt also keine "Elektronen", "Magnetfelder", "Schiefen Ebenen" oder "Starren Körper". Es gibt keine Arten, keine RAssen, keine Gene. Das sind alles Konstrukte. Einige dieser Konstrukte sind so gut, dass wir sie praktisch nicht vom Ding an sich, das sie "erkennen" unterscheiden können. (Ein Mathematiker kriegt diese Unterscheidung zwischen Objekt und Symbol so tief eingebleut, dass er immer allergisch reagiert, wenn das einer durcheinanderschmeisst).


Wie gesagt, Entitäten sind hypothetische Elemente, die aufgrund unseres Weltbildes ersonnen werden. Soweit sind wir uns also einig. Ich kritisiere doch nur die These, daß sich die Außenwelt nicht approximativ in unserem Weltbild wiederfindet. Wenn man so etwas verträte, machte empirische Forschung schlicht und ergreifend keinen Sinn. Das ist alles!

[Nachtrag 18:21 Uhr: Wiewohl Entitäten hypothetische Elemente sind, geht der Wissenschaftler also davon aus, daß sie real sind (vulgo: einen "ontologischen Status" haben), wenn sie sich theoretisch bewähren. Alles andere wäre eine "sinnlose Spielerei". Die These, daß Wissenschaft nur deskriptiv funktioniere, ist demnach ein Mythos, der gerade von Popper eindringlich kritisiert wurde.]


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Wachstum der Erkenntnis bedeutet also nur, bessere und bessere Theorien zu konstruieren.


Also sind wir uns einig darin, daß wir (unbewiesen) voraussetzen, daß sich unsere Theorien der Wirklichkeit immer besser annähern? Daß also, umgekehrt, der kumulative Wissensfortschritt in der Wissenschaft eines der besten Indizien dafür ist, daß unsere Theorien die "objektive Wirklichkeit" immer besser beschreiben?


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
(Deshalb gefällt mir das Vollmersche Gerede vom "virtuosen Zirkel" auch nicht. Es handelt sich, wenn schon, dann um eine Spirale der Erkenntnis, die neue Theorien über die alten hinaushebt.


Beobachten setzt Theoretisieren voraus, und Theoretisieren tun wir wiederum anhand von Beobachtungen. Das Theoriengebäude der Wissenschaft ist in sich kohärent - ihre Bereiche stützen sich gegenseitig. Das kann man natürlich eine "Spirale der Erkenntnis" nennen. Aber was ist das denn anderes als ein "virtuoser Zirkel"?


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Und da komme ich zu 100% auf die Antwort von Martin zurück:

Zitat:
Aber ich unterstelle einmal, daß die meisten Wissenschaftler einfach "nur" deshalb Wissenschaft betreiben, weil sie erklären möchten, „was die Welt in ihrem Innersten zusammenhält.“ Und dieser Erklärungsanspruch setzt wiederum die Akzeptanz voraus, daß eine vom erkennenden Subjekt unabhängigen Realität existiert, von der wenigstens bruchstückhaft irgendetwas in unserem Bewußtsein ankommt.


Oder noch deutlicher und mit vollster Zustimmung:

Zitat:
Das Absurde am radikalen Konstruktivismus ist also nicht der Konstruktivismus, sondern seine Radikalität.


(Vorausgesetzt, Du, Martin, meinst mit der "Radikalität" die Tatsache, dass er die Realität ablehnt.


Nein. Lamarcks radikaler Konstruktivismus wäre zwar konsistenter, wenn er einen Solipsismus verträte, aber das macht er offensichtlich nicht. Mit Radikalität meine ich also nicht, daß er die Existenz einer Umwelt ablehnt, sondern die Tatsache, daß er behauptet, wie würden sie überhaupt nicht erkennen.


[...]

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Aber der "ontologische Status" einer Aussage ist immer: es ist eine Konstruktion. Was der radikale Konstruktivist übersieht, ist allerdings die entscheidende Rolkle der Kritik.


Wieso, der kritisiert doch laufend. Nach seiner Auffassung entzieht sich doch genau umgekehrt der erkenntnistheoretische Realist der Kritik. Der rK schüttet - salopp formuliert - mit seiner Kritik geradezu das Kind mit dem Bade aus!


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Die schärfste mögliche Kritik ist diejenige, die durch die Realität (indem man die Theorien anwendet) geschieht. Und deshalb ist die Realität in jeder (ernstzunehmenden) Erkenntnistheorie unverzichtbar.

Kurz: Wissenschaft besteht darin, dass ich die Realität zum Kritiker meiner Konstrukte mache.


Verzeih', aber das Satz bleibt mir kryptisch. Meines Wissens war gerade Popper derjenige, der mit Nachdruck darauf hingewiesen hat, daß wir die Realität nicht sehen, wie sie wirklich ist.

Grüße

Martin
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Beitrag(#147095) Verfasst am: 08.07.2004, 10:43    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Wenn Du voraussetzst, daß es eine vom erkennenden Subjekt unabhängige Welt gibt, die (nur) aus materiellen Systemen (Entitäten) besteht (und das ist doch AFAIK der Fall), erkennst Du meine Ontologie an.

Natürlich. Ich erkenne aber nicht an, dass man dazu bei jeder unpassenden Gelegenheit "Ontologie" sagen muss, und damit endlos Nebel zu verbreiten. Das ist alles. Obsolet geworden ist das Wort, weil überhaupt kein Anlass mehr besteht, darüber ein Wort zu verlieren, wenn unser Gegenüber mal verstanden hat, dass wir von der Existenz einer realen Welt ausgehen. Und das Wort "Agnostizismus" wird auch obsolet, sobald man einmal zugegeben hat, dass man sich immer irren kann.

Nicht mal, wenn man darüber diskutiert, ob die Annahme sinnvoll ist oder nicht, ist das Wort "Ontologie" auch nur annähernd hilfreich (wie man sieht: Es gibt Lamarck nur die Gelegeheit, an Nebensachen herumzumachen, statt auf die Hauptfrage des r.K. einzugehen, die den r.K. meiner Meinung nach komplett platt macht: Warum konstruieren er, Du und ich das Gleiche).

Zitat:
Aber im Gegensatz zu Lamarck kommt in meinem Weltbild etwas von der Realität an. Ansonsten ist nix mit Forschung. Oder würdest Du noch forschen, wenn Du wüßtest, daß Du Wahnvorstellungen erforscht? Smilie

Natürlich nicht. Ich stimme Dir sogar in der Verwenduung des Ausdruckes zu: Unsere Theorien werden immer wahrheitsähnlicher.

Zitat:
Obwohl ich auch den Hypothetico-Deduktivismus vertrete, ist das mit dem Falsifikationismus nicht so unproblematisch und simpel, wie Popper sich das ursprünglich vorgestellt hat...


Doch, genau so einfach ist es, wie Popper es sich ursprünglich vorgestellt hat. Allerdings hat es sich Popper nicht so vorgestellt, wie Du auf Deiner Homepage darstellst.

Popper, Logik der Forschung, 1935 hat folgendes geschrieben:
Wir müssen nicht sagen, daß die Theorie 'falsch' ist, sondern wir können sagen, daß die Theorie mit einem bestimmten System von anerkannten Basissätzen in Widerspruch steht.


Falsifiziert ist nach Popper eine Theorie erst dann, wenn die scientific community in einem besonderen Entscheidungsverfahren den Beobachtungssatz und alle relevanten Randbedingungen und Hilfstheorien anerkennt, so daß die dann allein noch zur Diskussion stehende Theorie verworfen werden kann. Das schrieb er vor 65 Jahren. Für dieses Entscheidungsverfahren gab er ziemlich am Anfang der Logik der Forschung zwei methodologischen Regeln an, die sagen, wann eine Falsifikation zur Ablehnung einer Hypothese führen kann. Die Falsifikation tritt nicht zwingend ein. (Hans-Joachim Niemann, in "Die Krise in der Erkenntnistheorie - Sokal, Bricmont und die wissenschaftlichen Standards in der Philosophie", hier, ein hervorragender Text). Offenbar wiederholen Chalmers und Mahner/Bunge denselben längst widerlegten Unsinn. Wolfgang Stegmüller hat das schon 1971 als "Jahrzehnte alte Vorwürfe" bezeichnet, die Popper immer wieder zu Unrecht gemacht würden.


Zitat:
Ich will ja Thomas nicht ins Wort greifen und kann natürlich nur für mich sprechen. Aber wenn ich ihn über die Jahre nicht völlig falsch verstanden habe, vertritt er wie ich sowohl einen erkenntnistheoretischen Realismus als auch einen emergentistischen Materialismus. Und methodologisch scheint er Lakatos nicht ganz fern zu stehen. Natürlich stellt er seine Epistemologie und Ontologie unter den Fallibilitätsvorbehalt (daher spricht er gerne auch vom "hypothetischen" Realismus). Abgesehen von der Frage, ob man den Agnostizismus lieber in Atheismus umtaufen sollte, scheinen wir uns weitgehend einig zu sein. Wo's da ein "Verwirrfeuerwerk" geben soll, ist mir schleierhaft. Schulterzucken

Genau das meine ich ja: Man kann man sich nur dann darüber streiten, wenn man sich zuvor in einer Wirrniss von Begriffen verrannt, sonst muss man nach kurzer Analyse Einigkeit konstatieren..

[Ackhalber gesnipped]

Zitat:
[Nachtrag 18:21 Uhr: Wiewohl Entitäten hypothetische Elemente sind, geht der Wissenschaftler also davon aus, daß sie real sind (vulgo: einen "ontologischen Status" haben), wenn sie sich theoretisch bewähren.


"Vulgo" heisst bei mir "gemeinhin", deshalb würde ich erwarten, dass der einfachere Begriff rechts vom "vulgo" steht. Ich finde, dass auch hier der bombastische BEgriff "ontologischer Status" nicht zur Klarheit beiträgt, sondern im Gegenteil das Problem verschleiert. Ich glaube z.B: nicht, dass ein Elektron real ist. Es ist ein KOnstrukt, dass allerdings eine reale (aber direkt unzugängliche) Eigenschaft der Realität sehr gut annähert. Ein Stein ist so gesehen auch nicht real, aber das Konstrukt Stein nähert sich so sehr der Realität an, und ist so tief in unserem angeborenen Erkenntnisvermögen verankert, (Vollmer sagt: "gehört zu unserem Mesokosmos"), dass man die Aussage "der Stein ist ein Konstrukt" und "der Stein ist real" nicht mehr unterscheiden kann. Es könnte sein, dass ich in diesem Punkt leicht anderer Auffassung bin als Popper, der mal geäussert hat, ein Elektron hätte "wirklich einen Impuls und einen Ort" bin mir aber nicht ganz sicher. Jedenfalls halte ich die Frage nach einem "ontologischen Status" des Begriffs "Stein", der über die Tatsache, dass der Begriff "Stein" ein gelungenes Konstrukt ist, das einen Aspekt der realen Welt perfekt beschreibt, für eine Form von Essentialismus ("Was ist das Wesen des Steins"), den Popper genauso ablehnt wie ich.

Zitat:
Alles andere wäre eine "sinnlose Spielerei". Die These, daß Wissenschaft nur deskriptiv funktioniere, ist demnach ein Mythos, der gerade von Popper eindringlich kritisiert wurde.

Sehe ich auch so. Step vertritt diese These, wenn ich recht verstehe. Das ist genuin positivistisch, und die daraus resultierende Erkenntnistheorie halte ich für unbefriedigend, geradezu ärmlich. Man darf sich nämlich die wirklich spannenden Fragen nicht stellen.

Zitat:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Wachstum der Erkenntnis bedeutet also nur, bessere und bessere Theorien zu konstruieren.


Also sind wir uns einig darin, daß wir (unbewiesen) voraussetzen, daß sich unsere Theorien der Wirklichkeit immer besser annähern? Daß also, umgekehrt, der kumulative Wissensfortschritt in der Wissenschaft eines der besten Indizien dafür ist, daß unsere Theorien die "objektive Wirklichkeit" immer besser beschreiben?

Offenbar sind wir uns nur zum Teil einig. Wir sind uns einig, dass es sinnvoll ist, zu sagen, dass Theorien immer besser die Wahrheit annähern, und dass Wachstum des Wissens gleichzusetzen ist mit Annäherung an die Wahrheit. Ich stimme Dir nicht zu, dass dies eine "unbewiesene Vorraussetzung" ist. Es ist m.E. eine Folgerung aus der Tatsache, dass bessere Theorien eine höheren semantischen Gehalt haben (gemessen in "Anzahl zukünftiger Ereignisse, die von der Theorie verboten sind bzw. gefordert werden").

Zitat:
Beobachten setzt Theoretisieren voraus, und Theoretisieren tun wir wiederum anhand von Beobachtungen. Das Theoriengebäude der Wissenschaft ist in sich kohärent - ihre Bereiche stützen sich gegenseitig. Das kann man natürlich eine "Spirale der Erkenntnis" nennen. Aber was ist das denn anderes als ein "virtuoser Zirkel"?

Der Begriff "Zirkel" ist irreführend, weil er vorgaukelt, man würde von "Logischem Zirkel" reden. Tut man aber nicht, es hanmdelt sich nur um eine äusserliche Ähnlichkeit. Man könnte es auch "dialektischen Dreischritt" nennen, weil es auch so ähnlich aussieht. Aber auch das wäre grob irreführend.

Zitat:
Lamarcks radikaler Konstruktivismus wäre zwar konsistenter, wenn er einen Solipsismus verträte, aber das macht er offensichtlich nicht. Mit Radikalität meine ich also nicht, daß er die Existenz einer Umwelt ablehnt, sondern die Tatsache, daß er behauptet, wie würden sie überhaupt nicht erkennen.

Wenn jemand die Existenz der Realität akzeptiert, dann muss er auch akzeptieren, dass "wir" mit ihr wechselwirken. Wenn er das nicht tut, akzeptiert er in Wirklichkeit doch keine Realität. Wenn man aber eine Wechselwirkung akzeptiert, dann können Theorien ander Praxis scheitern, und dann haben wir was über die Welt erkannt: Nämlich wenigstens ein "so geht es nicht". Das ist auch genau das Einzige, was wir erkennen (sagt der Kritische Rationalist). Wenn Lamarck das wirklich so sieht (ich bin nicht sicher, aber Du hast ausführlicher mit ihm diskutiert), dann ist seine Ansicht komplett in sich inkonsistent.

Zitat:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Aber der "ontologische Status" einer Aussage ist immer: es ist eine Konstruktion. Was der radikale Konstruktivist übersieht, ist allerdings die entscheidende Rolkle der Kritik.


Wieso, der kritisiert doch laufend. Nach seiner Auffassung entzieht sich doch genau umgekehrt der erkenntnistheoretische Realist der Kritik. Der rK schüttet - salopp formuliert - mit seiner Kritik geradezu das Kind mit dem Bade aus!

Nun, in sich inkosistente Argumente betrachte ich nicht als gültige Kritik, insofern hat Lamarck nicht kritisiert.

Zitat:
Zitat:
Kurz: Wissenschaft besteht darin, dass ich die Realität zum Kritiker meiner Konstrukte mache.


Verzeih', aber das Satz bleibt mir kryptisch. Meines Wissens war gerade Popper derjenige, der mit Nachdruck darauf hingewiesen hat, daß wir die Realität nicht sehen, wie sie wirklich ist.

Eben: Wir sehen die Natur nicht, wie sie ist. Aber unsere Theorien können an der Realität scheitern. Das ist dann die Kritik der unerkennbaren Natur an unseren Theorien. Und es ist die schärfstmögliche (und immer konsistente) Kritik. Wir stellen eine Ja/Nein-Frage, und die Natur "antwortet": "So nicht" oder "keine Einwände".

Gruss

KP
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



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Beitrag(#147109) Verfasst am: 08.07.2004, 11:58    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

leider habe ich gerade wenig Zeit (und, ehrlich gesagt, wenig Lust) mich intensiver in diese Diskussion zu hängen. Daher nur eine Anmerkung.

[ ... ]

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Obwohl ich auch den Hypothetico-Deduktivismus vertrete, ist das mit dem Falsifikationismus nicht so unproblematisch und simpel, wie Popper sich das ursprünglich vorgestellt hat...


Doch, genau so einfach ist es, wie Popper es sich ursprünglich vorgestellt hat. Allerdings hat es sich Popper nicht so vorgestellt, wie Du auf Deiner Homepage darstellst.


Ich muss zugeben, dass ich mich mit Popper seit etwa 20 Jahren nicht mehr intensiver befasst habe. Schilpps Sammelband über Popper (übrigens der erste und AFAIK einzige Philosoph, dessen Darstellung 2 Bände erforderte) hatte ich damals so diagonal gelesen und irgendwann weggelegt, weil mir das Niveau zu hoch war: so genau wollte ich es eigentlich gar nicht wissen. Aber auch schon damals war deutlich, dass es, wenn man sich nicht in 'gewissen Kreisen' bewegt, eine sehr kontroverse Diskussion um Popper gab. Sowohl der 'Positivismusstreit' als auch die Tatsache, dass unser aller Kanzler Schmidt Popper als 'Hofphilosophen' ausrief, hat auch nicht gerade dazu beigetragen, Popper unumstritten zu machen.

Es scheint mir aber Konsens darin zu bestehen, dass Falsifikationismus nicht so funktionieren kann, wie Popper sich das vorstellte. Denn für die Falsifikation braucht man ja eine Auffassung, die eine Falsifikation begründen kann. Wenn es keine direkte Erkenntnis gibt, kann eine Erfahrung ja auch nicht an 'der Natur' (oder der 'Wirk'lichkeit) scheitern, denn wir erkennen diese ja nur theoriegeleitet. Wir vergleichen ja nicht unsere Theorie mit 'der Natur', sondern die Messwerte, die wir auf der Basis einer bestimmten Theorie ermitteln mit den Vorhersagen einer (anderen?) Theorie.

Streng genommen ist sogar die Auffassung, dass sich unsere Theorien 'der Wahrheit' (ein Relikt aus den Zeiten der 'adaequatio'-Auffassung) annähern, schwer zu begründen. Denn auch dazu müsste man ein 'tertium comparationis' haben.

Wie Du auch sagst, haben wir nur ein Kriterium, das 'negativ' antwortet. Solange unsere Theorien 'passen' haben wir streng genommen nichts gelernt. Auch eine 'Verbesserung' einer an 'der Erfahrung' gescheiterten Theorie ist eben nur eine Passung. Das Problem scheint mir darin zu liegen, dass es nicht möglich ist, eine wahre Aussage _als_ wahr zu erkennen.

Grüßle

Thomas
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Darwin Upheaval
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Beitrag(#147142) Verfasst am: 08.07.2004, 14:04    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Thomas,

[Übereinstimmungshalber gesnippt]

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Streng genommen ist sogar die Auffassung, dass sich unsere Theorien 'der Wahrheit' (ein Relikt aus den Zeiten der 'adaequatio'-Auffassung) annähern, schwer zu begründen. Denn auch dazu müsste man ein 'tertium comparationis' haben.


Natürlich fehlt das "tertium comparationis", aber wir sind uns doch einig, daß Wissenschaftler eine Ontologie voraussetzen (müssen). Und der zufolge gibt es so etwas wie die "objektive Realität". Und natürlich gibt es dann auch Wahrheitsindikatoren, wie empirische Adäquatheit, externe Konsistenz usw., sonst macht ja die Anwendung jedweder Methodologie keinen Sinn. Daß es sich hierbei um Relikte handeln soll, vermag ich nicht zu sehen. (BTW, was verstehst Du unter "adaequatio"-Auffassung?)


Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Wie Du auch sagst, haben wir nur ein Kriterium, das 'negativ' antwortet. Solange unsere Theorien 'passen' haben wir streng genommen nichts gelernt. Auch eine 'Verbesserung' einer an 'der Erfahrung' gescheiterten Theorie ist eben nur eine Passung.


Offenbar scheinst Du hier doch eher Lamarcks Thesen zu vertreten als Vollmers (hypothetischen) epistemologischen Realismus? Aber Du siehst doch hoffentlich auch, daß dies nicht das ist, was sich Wissenschaftler vorstellen, wenn sie Forschung betreiben. Vielmehr können sie gar nicht anders, als bewußt eine realistische Epistemologie vorauszusetzen. Genau das hat Popper (zurecht) am Positivismus herumgemäkelt. Es ist tatsächlich so, wie KP schreibt: Die eigentlich interessanten Fragen kann nur der stellen, der realistisch denkt.


Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Das Problem scheint mir darin zu liegen, dass es nicht möglich ist, eine wahre Aussage _als_ wahr zu erkennen.


Nun, daß wir nichts mit formallogischer Gewißheit wissen können, ist doch eh' klar. Insofern hat auch hier KP nicht ganz unrecht, wenn er moniert, daß man die Fallibilität des Wissens auch überbetonen, mit ihr aber nicht im Rahmen der Methodologie gegen diese argumentieren kann.

BTW, bist Du nun radikaler Konstruktivist oder (wie ich vermutete) doch Realist? Es täte mir Leid, wenn ich Dich oben falsch charakterisiert haben sollte...

Grüße

Martin
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



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Beiträge: 9073

Beitrag(#147170) Verfasst am: 08.07.2004, 15:28    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin,

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Streng genommen ist sogar die Auffassung, dass sich unsere Theorien 'der Wahrheit' (ein Relikt aus den Zeiten der 'adaequatio'-Auffassung) annähern, schwer zu begründen. Denn auch dazu müsste man ein 'tertium comparationis' haben.


Natürlich fehlt das "tertium comparationis", aber wir sind uns doch einig, daß Wissenschaftler eine Ontologie voraussetzen (müssen). Und der zufolge gibt es so etwas wie die "objektive Realität". Und natürlich gibt es dann auch Wahrheitsindikatoren, wie empirische Adäquatheit, externe Konsistenz usw., sonst macht ja die Anwendung jedweder Methodologie keinen Sinn.


das sehe ich nicht. Die _Voraussetzung_ ist eine Hypothese ('hypothetischer Realismus'). Die 'Wahrheitsindikatoren' bauen dann auf dieser auf, sind also bestenfalls so stark wie diese Hypothese.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Daß es sich hierbei um Relikte handeln soll, vermag ich nicht zu sehen. (BTW, was verstehst Du unter "adaequatio"-Auffassung?)


Unter 'Relikt' verstehe ich, dass nicht immer deutlich gemacht wird, wo es sich um _Hypothesen_ handelt.

"Veritas est adaequatio rei et intellectus" (wobei man statt 'adaequatio' auch 'correspondentia', 'conformitas', 'convenientia' etc. findet, heute spricht man AFAIK von Korrespondenztheoretischer Auffassung) ist eine auch heute noch gültige Definition von 'Wahrheit', die von Thomas von Aquin (nach dem wurde ich benamst, nicht nach dem ungläubigen Aposten) stammt. Niemand konnte aber bisher ein Kriterium aufstellen, anhand dessen man zeigen kann, wann diese Korrespondenz vorliegt.

Ich bin hier epistemologisch genauso Agnostiker wie in der Gottesfrage (obwohl man hier besser 'Skeptiker' im eher pejorativen Sinne sagt) und vertrete Deine Ontologie _pragmatisch_ wie den Atheismus.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Wie Du auch sagst, haben wir nur ein Kriterium, das 'negativ' antwortet. Solange unsere Theorien 'passen' haben wir streng genommen nichts gelernt. Auch eine 'Verbesserung' einer an 'der Erfahrung' gescheiterten Theorie ist eben nur eine Passung.


Offenbar scheinst Du hier doch eher Lamarcks Thesen zu vertreten als Vollmers (hypothetischen) epistemologischen Realismus?


Mir ist nicht ganz klar, was Lamarck konkret vertritt. Ich bin aber mit Vollmer nicht ganz einig.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Aber Du siehst doch hoffentlich auch, daß dies nicht das ist, was sich Wissenschaftler vorstellen, wenn sie Forschung betreiben. Vielmehr können sie gar nicht anders, als bewußt eine realistische Epistemologie vorauszusetzen. Genau das hat Popper (zurecht) am Positivismus herumgemäkelt. Es ist tatsächlich so, wie KP schreibt: Die eigentlich interessanten Fragen kann nur der stellen, der realistisch denkt.


Solange er nicht meint, mit seinen Antworten über die Setzungen, die er macht, hinauszugelangen, sind wir uns einig.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Das Problem scheint mir darin zu liegen, dass es nicht möglich ist, eine wahre Aussage _als_ wahr zu erkennen.


Nun, daß wir nichts mit formallogischer Gewißheit wissen können, ist doch eh' klar. Insofern hat auch hier KP nicht ganz unrecht, wenn er moniert, daß man die Fallibilität des Wissens auch überbetonen, mit ihr aber nicht im Rahmen der Methodologie gegen diese argumentieren kann.


Tue ich doch gar nicht. Ich erkenne die _Methodologie_ an, incl. der damit verbundenen Ontologie als _Hypothese_. Man kann aber noch einen Schritt weiterfragen.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
BTW, bist Du nun radikaler Konstruktivist oder (wie ich vermutete) doch Realist? Es täte mir Leid, wenn ich Dich oben falsch charakterisiert haben sollte...


Eigentlich bin ich Thomas Waschke und interessiere mich, ehrlich gesagt, gar nicht so besonders dafür, welches Wapperl man meiner Position aufpappen möchte.

Grüßle

Thomas
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Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#147840) Verfasst am: 09.07.2004, 04:47    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin!


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Mahner/Bunge schreiben eindeutig, auch ein elektromagnetisches Feld ist ebenso ein Ding, wie ein Hammer; des weiteren, dass Eigenschaften selbst keine Eigenschaften besitzen. Damit läßt sich schließen: Alles, was Eigenschaften besitzt, ist ein Ding. Dies ist im Falle des Elektromagnetismus ein Lapsus: Ein magnetisches 'Ding' hat die Eigenschaft, 'magnetisch' zu sein, d. h. ein elektromagnetisches Feld auszubilden.

Ja, aber wo ist jetzt das Problem? Elektromagnetische Felder sind ja nicht die Eigenschaften, sondern höchstens Teile von Dingen und damit wiederum selbst Dinge. Als solche haben sie natürlich auch wieder Eigenschaften, wie z.B. ein Massenäquivalent, eine Wellenlänge, physiologische Eigenschaften usw.

Mr. Green Mr. Green Mr. Green Siehst Du den Zirkel?! Mr. Green Mr. Green Mr. Green

Ich weiß ehrlich gesagt noch immer nicht, was Du mit Deinem Zirkelvorwurf bezweckst. Die Wissenschaft läßt sich, wie schon betont, eben nicht philosophisch voraussetzungfrei betreiben. Sie hat einen „philosophischen Hintergrund“, der u.a. epistemologische und ontologische Postulate enthält, die sich nicht beweisen lassen, die aber durch ihre methodischen Prinzipien erzwungen werden. Da Beobachten und Theoretisieren immer handinhand gehen, bewegt sich die Wissenschaft insgesamt in einem ("virtuosen") Zirkel.


Das ist hier ein anderer Zirkel. Du begründest hier 'Ding' mit 'Eigenschaft' und 'Eigenschaft' mit 'Ding'. Wenn ich Dir also aufzeige, das es sehr wohl Eigenschaften von Eigenschaften gibt, machst Du aus der zunächst primären Eigenschaft ein 'Ding'. Kein Wunder, wenn durch Deine rekursiven Operationen nur mehr der Eigenwert der Operation, 'Ding', übrigbleibt. Wie sieht das aber aus, wenn Du Deine Argumentation der "Teile von Dingen" z. B. bis auf den Welle-Teilchen-Dualismus herunterbrichst (oder in einem unendlichen Regreß darüber hinaus ...)?!

Und als Anmerkung: Ein wirklicher virtuoser Zirkel wird nur durch den Radikalen Konstruktivismus bewerkstelligt. Auf den Arm nehmen Also:


Zitat:
"Beobachtete Eigenschaften des Gegenstands leiten die geistige Koordination des Verhaltens des Subjekts, die wiederum die beobachteten Eigenschaften verändern, die ihrerseits zu anderem Verhalten führen usw. "

(Von Glasersfeld, E. & Richards, J. in Schmidt, S. J.; 1987)





Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Nun ja, Du bist derjenige, der hier 'Permanenz' als 'Eigenschaft' einführt, um 'Bestandteil' von 'Eigenschaft' zu trennen. Sind den nicht immer Eigenschaften Bestandteile von Dingen?

Ups, wer hat denn das behauptet? Ich war das nicht... Smilie


Habe ich das jetzt richtig verstanden:

Satz 1: 'Ganzheit' ist 'Ding' plus 'Eigenschaft'
Satz 2: Ein 'Ding' besitzt immer die 'Eigenschaft' {Masse} bzw. {materiell}
Satz 3: Ein 'Ding' ist immer eine 'Ganzheit'
Satz 4: Ein 'Ding' ist eine Entität
Satz 5: Eine 'Eigenschaft' ist keine Entität


Die Sätze 2-5 würde ich unterschreiben, aber nicht Satz 1 Nein, so geht das nicht!


Hierzu das folgende:


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Im Umfeld dieses Zitates hatte ich den Eindruck, Du würdest Dich hier von den Positionen von Mahner/Bunge unterscheiden, was aber offenbar nicht der Fall ist. Gleichwohl: Nach Mahner/Bunge wäre also im obigen 'Ganzheit' ein Objekt mit der 'Eigenschaft' materiell?

Wenn ich Mahner und Bunge nicht falsch verstanden habe, ja. zwinkern


Ich wollte hier nur einige Deiner Behauptungen zusammenfassen. Wie ist also Deine o. g. Bemerkung zu verstehen?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
>>> Da es offenbar nicht möglich ist, 'Ganzheit', 'Ding' und 'Eigenschaft' zu trennen: Was also ist von einem 'Ding' übrig, wen man seine Konstrukte entfernt?


Das ist eben das Mißverständnis: Dinge haben keine Konstrukte (vulgo: Eigenschaften). Wenn man einen Sprengkörper abbrennt, explodiert er, das heißt man abstrahiert die Eigenschaft „Besitz der Fähigkeit, in einer exothermen Reaktion unter Freiwerden gasförmiger Produkte zu explodieren“. Aber es gibt keine Explositions-Entität, die mit dem Sprengkörper irgendwie in Wechselwirkung tritt. Eigenschaften sind Konstrukte (da komme ich Dir also entgegen Smilie ). Wenn es keine Menschen mehr gibt, gibt es folglich auch niemanden mehr, der Eigenschaften konstruiert. Nichtsdestotrotz gäbe es dann immer noch Substrate, die in exothermer Reaktion explosionsartig auseinanderfliegen. Und explodierende Sterne gibt es nicht erst, seit Menschen da sind, die die Eigenschaft „Fähigkeit zur Explosion“ konstruieren. Sonst (so postuliere ich mal kühn), gäbe es keinen Lamarck, der behaupten könnte, daß die Kohlenstoffverbindungen, aus denen er besteht, nur eine Wahnvorstellung seien.


Zunächst kollidiert Deine Bemerkung mit "Satz 2". Für Dich sind also 'Eigenschaften' (hier: Prozesse, wie chemische Reaktionen) nicht 'real'?! - Deine Wahnvorstellungen scheinen noch umfänglicher als meine zu sein .... . Mr. Green

Zwar sind "Entitäten" nicht so mein 'Ding' Cool aber ich erwarte trotzdem nicht, dass Entitäten - auch keine Explositions-Entität - irgendwie mit irgendwas in Wechselwirkung tritt. Warum sind 'Dinge' - offenbar das Eichmaß Deines HRs - keine Konstrukte? Und was ist das für ein Klebstoff, mit dem Du 'Eigenschaften' an 'Dinge' klebst?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Dies würde bedeuten, dass Du nach Deinen obigen Aussagen zwar Klassen von Eigenschaften bildest, diese Klassen aber (ebenso wie die Klassen von 'Dingen') nicht vermischen darfst (Was doch unmöglich ist: Hier die Klasse 'Linguistik', dort die Klasse 'Realität' ...). Was ist da Deine Definition von Entität?


Also, dann mal konkret: Unter (materiellen) Entitäten verstehe ich theoretische Elemente, die man einführt, um ein bislang unverstandenes Phänomen (nenn das ruhig Konstrukt), zu erklären. Ein Wissenschaftler hat z.B. zu erklären, weshalb zwei „ihm gasförmig vorkommende Substrate“ stets in konstanten Proportionen chemisch miteinander wechselwirken. Dazu postuliert er dann Atom-Entitäten, aus denen er sich die „gasförmigen Substrate“ zusammengesetzt denkt und die nach chemischen Gesetzmäßigkeiten miteinander reagieren sollen. Und wenn das Gehirn eines Wissenschaftlers einen Steinkern visualisiert, deren Form an die heute lebenden Nautiliden erinnern, postuliert er wiederum eine Entität, die einst lebendig war. Um mit Tschulok (vs. Fleischmann) zu sprechen:

Zitat:
wer nicht bestimmte Postulate gelten läßt (...); wer sich nicht bei ähnlichen Gelegenheiten sagt: ich muß mir dies und jenes hinzudenken, sonst reimt sich das nicht mit allem, was ich von dem oder jenem weiß; für den ist die Annahme, daß in diesem gewundenen Stein einst ein Tier von bestimmtem Typus, von bestimmter Klasse oder Ordnung gelebt hat, immerhin eine gewagte.


Tschulok, S. (1922): Deszendenzlehre. Gustav-Fischer, Jena.


Ich lese hieraus nur, Entitäten sind Konstrukte. Gilt das auch für Dich? Dann wären aber auch 'Dinge' entweder keine Entitäten oder aber nun doch Konstrukte. Und mit 'Konstruktionen' habe ich keine Probleme, magst Du diese nun als Postulate, als Nautiliden oder (hier aber fälschlicherweise) als Typus konkretisieren. Die Formulierung "postuliert Entitäten" möchte ich, obwohl oben zweifach vorhanden, wg. Deines 'Satz 4' trotzdem nochmal hervorheben. Können also auch 'Dinge' postuliert werden?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wie kommst Du denn darauf, dass der RK heuristisch steril ist? Zum Positivismus bzw. Solipsismus habe ich mich doch ausreichend ausgelassen, was war daran noch unklar?


Das habe ich oben länglich zu demonstrieren versucht. Es kann ja sein, daß Dein Antrieb, Wissenschaftler zu werden, mit der Wirkung auf Frauen zu tun hat Sehr glücklich . Aber ich unterstelle einmal, daß die meisten Wissenschaftler einfach "nur" deshalb Wissenschaft betreiben, weil sie erklären möchten, „was die Welt in ihrem Innersten zusammenhält.“ Und dieser Erklärungsanspruch setzt wiederum die Akzeptanz voraus, daß eine vom erkennenden Subjekt unabhängigen Realität existiert, von der wenigstens bruchstückhaft irgendetwas in unserem Bewußtsein ankommt.

Und ja, Du hast völlig Recht: das mit dem Positivismus ist mir auch nicht klargeworden: Auf der einen Seite erkennst Du an, daß Theoretisieren und Beobachten handinhand gehen. Du siehst also auch, daß man zur Erklärung bestimmter Phänomene Dinge postulieren muß, die (in positivistischer Lesart) „metaphysischen Charakter“ haben. Ich gehe auch davon aus, daß Du den Zirkel der Wissenschaften siehst, den die Positivisten den kritischen Rationalisten (oder Kreationisten den Evolutionsbiologen – siehe Fleischmann) beständig unter die Nase reiben. Du akzeptierst das alles widerspruchslos, weil Du offenbar siehst, daß es gar nicht anders geht. Nur wenn der Begriff „Ontologie“ fällt, geht der Positivist in Gestalt des radikalen Konstruktivisten mit Dir durch. Smilie


Dann noch einmal zu "meinem wirklich virtuosen Zirkel" (s. o.). Der ist deswegen nicht heuristisch steril, weil er prinzipiell evolutionär funktioniert! - Popper hat das mit der hier analogen Evolutionstheorie als solches letztlich auch kapiert.

Um "das mit dem Positivismus" zu klären, erfinde ich hierzu jetzt mal den Begriff Optimistischer Negativismus: Du kannst bestenfalls feststellen, was nicht ist. Ich nenne diesen Fall nun Banane. Das philosophische Gegenteil von Banane ist für mich keine Banane. Du jedoch konstruierst aus meiner Sicht hier für die Banane einen Abguß, denn Du Nicht-Banane nennst; also diesen ganzen entitätisch-ontologischen Unfug: Diese Nicht-Banane bezeichnest Du schließlich als Realität. Nun alles Banane?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Was ein Ding ist, wird doch gleichermaßen z. B. von Dir bestimmt.

Ja - aber weshalb muß diese Feststellung gleich in einem radikalen Konstruktivismus enden? Niemand behauptet doch, daß eine Fischflosse alle Eigenschaften des Wasser repräsentieren könne oder gar muß, damit der Fisch in seinem Milieu überleben kann. Aber als halbwegs überlebensadäquate Passung muß ihre Form die strömungsmechanischen Eigenschaften das Wasser wenigstens annähern richtig abbilden und damit einen (wenn auch nochso kleinen) Teil der Wirklichkeit repräsentieren. Warum sollte das mit unserer Erkenntnisfähigkeit grundlegend anders sein? Was brächte uns in evolutionärer Hinsicht die vollständige Unkenntnis der Welt? Nein, so geht das nicht!

Letzteres ist natürlich Viabilität! Trösterchen

Nunja, die alte Scheinlösung. Ich nenne eine Theorie „approximativ richtig“, Du nennst sie „viabel“. Ich behaupte, Du hast nur die Wörter neu gelernt bzw. ersteres durch ein logisch-semantisch unsauberes Konstrukt ersetzt.


Als "unsauberes Konstrukt" empfinde ich da eher die Ontologie; wieso diese in keinem Zusammenhang mit Erkenntnis stehen kann, ist mit suspekt.


Das habe ich gar nicht behauptet. Falls Du’s noch nicht bemerkt haben solltest: Ich vertrete auch einen epistemologischen Konstruktivismus! Im Gegensatz zu Deinen sind meine Eigenschafts-Schnittmengen aber nicht leer. Damit kann ich ganze Menge erklären. Das Absurde am radikalen Konstruktivismus ist also nicht der Konstruktivismus, sondern seine Radikalität.


Ich gebe zu, dass Du "auch einen epistemologischen Konstruktivismus" vertrittst, habe ich nicht immer bemerkt. Auch bei Deinem Beispiel Fischflosse und Wasser geht es schließlich um den Beobachter, nicht um Fischflosse oder Wasser. Wenn Du eine Epistemologie hast, warum brauchst Du dann noch eine Ontologie?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
BTW, Du behauptest doch auch, daß es eine real existierende Außenwelt gibt. Damit gibst Du zumindest einmal zu, daß Du mit dieser Außenwelt irgendwie in Wechselwirkung treten mußt. Nehmen wir nun an, Lamarck (X), greife beim Schwinghangeln den Ast (Y), tritt also mit ihm in Wechselwirkung. Als rK behauptet X, er nehme Y nicht wahr. Statt dessen konstruiere X ein "viables Konstrukt Y’. Da X das approximative Erkennen von Y radikal ablehnt, bleibt die Schnittmenge der Eigenschaftsmengen definitionsgemäß leer: P (Y) geschnitten P (Y') = 0. Stellen wir uns nun vor, X greife nicht nach einem Ast Y, sondern nach einem Skorpion Z. Da X das approximative Erkennen von Z ebenfalls ablehnt, bleibt die Schnittmenge der Eigenschaftsmengen wiederum leer: P(Z) geschnitten P (Z') = 0. Würden wir jetzt anstelle P (Y’) eine Eigenschaftsmenge P (Z’) konstruieren und anstelle P(Z’) eine Eigenschaftsmenge P(Y’), wären die Eigenschaftsschnittmengen folglich ebenfalls leer. Und vor diesem Hintergrund jetzt die große Preisfrage: Warum ist Y -> Y’ und Z -> Z' viabel, Z -> Y’ aber nicht???


Jedenfalls behaupte ich, dass die Welt unabhängig von mir existiert. Als Offenes Fließgleichgewicht trete ich mit der (Um)welt selbstverständlich in Wechselwirkung.


Sorry, Du weichst aus. Daß Du als Organismus mit der (Um)welt in Wechselwirkung trittst, habe ich ja meiner Überlegung vorangeschickt. Die darauf basierende Frage war doch: Warum ist Y -> Y’ und Z -> Z' viabel, Z -> Y’ aber nicht? Oder anders: Wenn alle Eigenschaftsschnittmengen leer sind, warum sind die einen viabel, die anderen nicht? Null ist also doch nicht gleich Null, oder? Sind einige Schnittmengen doch nicht so leer wie andere? Dein RK hat doch angeblich eine Erklärungsleistung, worin besteht sie?

Aus meiner Sicht ist die Erklärung einfach und sauber: Die Eigenschaftsschnittmengen zwischen Substrat S und Konstrukt S’ sind in einem überlebensadäquaten Weltbild nicht leer. Das bedeutet: Wenn das Weltbild noch so merkmalsarm ist - mindestens eine Eigenschaft von S, die für den evolutionären Erfolg der betreffenden Art relevant ist, wird sich in ihm (vulgo im Konstrukt S’) wiederfinden. Das verstehe ich dann unter „approximativer Erkenntnis“ der Wirklichkeit. (Von wegen unsauber konzipierten Ontologie und so!) Der Rest – da hast Du dann wieder recht - fällt unter den Tisch oder wird vom Gehirn „dazukonstruiert“ – wie auch immer. Aber wenn das Stichwort „viabel“ nicht zu einer leeren Worthülse verkommen soll, können die Eigenschaftsschnittmengen nicht leer sein. Ansonsten macht ja der Begriff „überlebensadäquat“ überhaupt keinen Sinn. Das meinte ich mit „unsauberem Konstrukt“: Wo ist Deine Definition von überlebensadäquat? Ist Überlebensadäquat das, was viabel ist? Und was ist dann viabel? Das, was überlebensadäquat ist?


Nein, ich weiche nicht aus. Ein Offenes Fließgleichgewicht steht in einem begrifflichen Zusammenhang mit einer Kybernetik 2. Ordnung. Und zu Deinem etwas seltsamen Auf den Arm nehmen Rechenkunststückchen; es gilt:

Y’ -> viabel


Wenn Du mir sagen kannst, wie ein hiervon Betroffener Wahnvorstellungen von Vorstellungen unterscheiden kann, darfst Du ruhig Eigenschaftsschnittmengen dieser Wahnvorstellungen und Vorstellungen, seien sie Null oder was anderes, konstruieren ... . Insofern macht der Begriff „überlebensadäquat“ in der Tat keinen Sinn.

Mal abgesehen von der obigen mathematischen Unwucht: Diese "Eigenschaftsschnittmengen" sind nie leer; auch halluzinatorische Entitäten verfügen doch über Eigenschaften! - Welche Farbe hat die Nicht-Banane?


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Und ein "Lamarck" schwinghangelt nicht, Vollmer benutzt hierzu schließlich einen Affen. Auf den Arm nehmen Und wenn ein "Lamarck" doch schwinghangeln würde, würde er niemals nach einen Ast greifen, den er nicht wahrnimmt ... . Mr. Green Mr. Green Mr. Green


Gröhl... Wie gesagt, das war ein kleiner Spaß. Nimm’s mir nicht krumm zwinkern


Keine Angst, ich bin diesbezüglich sehr robust. Nochmal: Kein Affe greift zu einem Ast, wenn er diesen nicht wahrnimmt. Selbst wenn dieser Ast für einen anderen Affen existiert.


Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Also gut, dann versuche ich es noch einmal mit der Viabilität:

Nehmen wir einmal an, Martin N wäre ein bekannter Schwinghangler. Hierzu ist er auf ein gewisses Substrat S angewiesen. Aufgrund seiner - eher unzureichend begründeten - Ontologie O bezeichnet er dieses Substrat S als Ast A. Ferner sollen die Wahnvorstellungen W1 und W2 gegeben sein; es gilt W1: ein wahrgenommener Ast A ist immer ein Ast A und W2: ein wahrgenommener Ast A ist nicht notwendigerweise immer ein Ast A, sondern bsw. ein Skorpion Sk. Unerwartet vermehren sich die vorher ausgesprochen seltenen Skorpione zu Sk1...n .

Ergebnis:

N {W1,Sk} = 0
N {W2,Sk} = 0

Conclusio: Es genügt nicht, zu zweifeln. Der Kontext muß stimmen. Zwar war N {W2,Sk} wohl auf den approximativ richtigen Weg. Gleichwohl war dieser Weg ebenfalls nicht hinreichend.

Keine Ahnung, was das soll, Du demonstrierst mir doch gerade wieder aufs neue die Absurdität Deiner Erkenntnistheorie. Wir sind uns doch einig, daß das erste Konstrukt „viabel“ ist, das zweite nicht. Kein Affe, der anstelle eines Astes Skorpione visualisieren würde (oder umgekehrt), hätte auf Dauer auch nur die geringste Überlebenschance. Daher ist aus meiner Sicht N {W1,Sk} eben nicht 0 (und daher keine Wahnvorstellung), weil sie sonst nicht evolutionär begünstigt wäre. Und jetzt kommst Du und behauptest, in beiden Fällen wären die Eigenschaftschnittmengen leer, so daß hier wie dort von Wahnvorstellungen auszugehen hätten. Das ist es doch gerade das, was Deinen rK aus meiner Sicht zu einer schiefen Angelegenheit macht.


Du hast es nicht genau gelesen, oder!? Beide Alternativen sind hier nicht viabel! In beiden Fällen ist die Rede von einem wahrgenommenen Ast; d. h., der Ast wird in beiden Fällen auch wahrgenommen. Im letzteren Fall wird nur die Frage gestellt, ob das wahrgenommene nicht auch etwas anderes sein könnte, etwa ein Skorpion. Dazu muß es aber möglich sein, wiederum einen Skorpion wahrzunehmen. Aber offensichtlich war dies hier nicht der Fall. Was schließen wir daraus?




Cheers,

Lamarck
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step
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Beitrag(#147860) Verfasst am: 09.07.2004, 09:28    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin und Thomas,

ich bin immer noch der Meinung, Ihr schiebt der wissenschaftlichen Methode zu Unrecht (bzw. unnötigerweise) eine Ontologie unter. Die meisten Wissenschaftler sind zwar "privat" der Meinung, es gebe ein "objektive Realität" (was immer sie damit meinen, ich weiß es nicht), aber Ihr konntet bisher nicht zeigen, daß die wissenschaftliche Methode - also das Finden von Regeln zur hinreichend erfolgreichen Voraussage - ohne diese Annahme nicht funktioniert.

Man würde diese Annahme nur dann benötigen, wenn man den zusätzlichen Anspruch erheben würde, mithilfe der Methode "Wahrheit" zu finden. Dies sollt man allerdings mE besser bleiben lassen.

gruß/step
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