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BrunoBauer Junghegelianer
Anmeldungsdatum: 10.03.2010 Beiträge: 5
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(#1442520) Verfasst am: 11.03.2010, 01:54 Titel: Grenzen der modernen Religionskritik (am Beispiel Hitchens) |
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Ich habe mir gerade die zweite Debatte zwischen Turek und Hitchens angesehen ( http://www.youtube.com/watch?v=ks9G0z4Ahng ), und muss Turek einräumen, daß er Hitchens argumentativ durchaus überlegen ist. Nicht dass ich nun Kraft Tureks Argumentation Christ werde, sondern es geht es mir vielmehr darum, die Probleme einer solch strikt skeptizistischen bzw. naturalistische Religionskritk aufzuzeigen.
Ich weiß, daß es hier schon diverse Themen zum Gottesbeweis und Religionskritik gibt, aber mir geht es um spezielle Problemfelder, die in der modernen Religionskritik nicht oder nur mangelhaft reflektiert werden. Ich fange mal mit zweien, die eng zusammenhängen, an: Moral und die mangelnde Unterscheidung von Religionen.
Angefangen bei Moral: Turek insistiert nicht umsonst nachgerade penetrant, von Hitchens eine Begründung für die Unterscheidung von Gut/Böse einzufordern. Hitchens verliert sich immer darin, es bei moralischer Praxis zu belassen (sinngemäß zitiert: "man nenne mir eine ethische Handlung, die ich als Atheist nicht kann..."), und ignoriert aus Verständnislosigkeit die Frage nach deren Legitimation/Begründung: Wie kann man im absoluten/objektiven Sinne gut und böse unterscheiden? Die röm.kath. und jüdische Theologie steht da auf einem festen Fundament, sie haben Gott als letzten Grund, bei den Protestanten wackelt das Fundament mit der Verlagerung des Glaubens in den Einzelnen und somit der Absage an die Vernunft (Luther konnte gar nicht oft genug von der "Hure Vernunft" schreiben, Melanchthon & Co. waren da nicht viel besser), Kants "Sittlichkeit" kann das für den Protestantismus gerade noch so retten (etwas salopp formuliert), im Islam bricht es aber durch Totalunterwerfung komplett zusammen, hier hat Moral/Ethik ihren universalen Anspruch völlig verloren, wird nur noch pragmatistisch aufgefasst, anything goes, solange der Islam sich ausbreiten kann - alle anderen Religionen sind schon nicht mehr erwähnenswert.
Das Problem der Moral führt direkt zum nächsten Punkt: Die "Totalitarismustheorie" der Religionen. Hitchens & Co. können sich Religion immer nur im Sinne einer Priesterbetrugstheorie verstehen, was genau dazu führt, dass in der Nacht alle Religionen grau sind. Das blamiert auch das "wir sind alle Atheisten, ich nur der konsequenteste"-Argument ein wenig, weil sich das schon längst von der Frage nach der Wahrheit verabschiedet hat (und da muss man gar nicht in metaphysische Diskussionen flüchten, ob es Wahrheit im objektiven Sinne gibt, für Hitchens gibt es sie, somit ist es ein innerer Widerspruch seiner Argumentation).
Die Ausführungen Hitchens gehen immer schon davon aus, daß es Gott nicht gibt, wie auch die Marxens, Feuerbachs, Freuds, nur dass letztere ihre Aussagen auf eine gesell. Analyse fußen lassen und den Menschen in der Geschichte begreifen, also sich auch noch einen Begriff von Ideologie/Interesse/Fetisch (natürlich im genuinen Wortsinne) machen können. Hitchens kann das nicht, da er keine Geschichtsphilosophie anzubieren hat, sondern nur logischen Positivismus, der mündet zwangsweise wieder in Verstrickungen bei evolutionsbiologischen Moralbegründungen, die der Empirie und Geschichte einfach nicht standhalten (Holocaust als stärkstes Beispiel). Alles, was demnach der Goldenen Regel nicht folgt, die Hitchens aus seiner Anthropologie deduziert, wird einfach für verrückt erklärt. Ihm zufolge sind, in Konsequenz der Theorie, die Menschen verrückt, die nicht der Regel gemäß handeln. Es sollte verständlich sein, daß Unmengen an geschichtlichen Beispielen darin nicht aufgehen. Der Ausweg eines moralischen Relativismus (also Moral nicht mehr als Universale anzusehen) ist keiner für Hitchens (oder Dawkins...), da sie selbst ja Religion als böse bezeichnen und das auch universell verstanden wissen wollen.
So viel erstmal von mir. Ich weiß, eine Menge Name- und Begriffsdropping. Ich werde das morgen noch ausführen, aber überlasse euch erstmal das Feld.
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Dissonanz Zeuge ANOVAs
Anmeldungsdatum: 24.03.2008 Beiträge: 3541
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(#1442542) Verfasst am: 11.03.2010, 02:38 Titel: Re: Grenzen der modernen Religionskritik (am Beispiel Hitchens) |
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BrunoBauer hat folgendes geschrieben: | Die röm.kath. und jüdische Theologie steht da auf einem festen Fundament, sie haben Gott als letzten Grund |
Nein. Der letzte Grund ist auch hier eine Prämisse, die nicht begründet wird. "Wenn man davon ausgeht, dass das was Gott will gut bedeutet" und so weiter. Das ist eine Art von naturalistischem Fehlschluss. Bin mir nicht sicher, ob das der im Sinne Moores oder im Sinne Humes ist.. Es läuft darauf hinaus, dass entweder eine Tautologie als Begründung bezeichnet wird oder aber dass aus dem Sein(Aus der Annahme, dass es Gott gibt.) ein Sollen abgeleitet wird.
Zitat: | Das Problem der Moral führt direkt zum nächsten Punkt: Die "Totalitarismustheorie" der Religionen. Hitchens & Co. können sich Religion immer nur im Sinne einer Priesterbetrugstheorie verstehen, was genau dazu führt, dass in der Nacht alle Religionen grau sind. Das blamiert auch das "wir sind alle Atheisten, ich nur der konsequenteste"-Argument ein wenig, weil sich das schon längst von der Frage nach der Wahrheit verabschiedet hat (und da muss man gar nicht in metaphysische Diskussionen flüchten, ob es Wahrheit im objektiven Sinne gibt, für Hitchens gibt es sie, somit ist es ein innerer Widerspruch seiner Argumentation). |
Wieso ist die Annahme der Existenz einer Realität ein Widerspruch innerhalb seiner Argumentation?
Zitat: | Die Ausführungen Hitchens gehen immer schon davon aus, daß es Gott nicht gibt, wie auch die Marxens, Feuerbachs, Freuds, nur dass letztere ihre Aussagen auf eine gesell. Analyse fußen lassen und den Menschen in der Geschichte begreifen, also sich auch noch einen Begriff von Ideologie/Interesse/Fetisch (natürlich im genuinen Wortsinne) machen können. Hitchens kann das nicht, da er keine Geschichtsphilosophie anzubieren hat, sondern nur logischen Positivismus, der mündet zwangsweise wieder in Verstrickungen bei evolutionsbiologischen Moralbegründungen, die der Empirie und Geschichte einfach nicht standhalten (Holocaust als stärkstes Beispiel). |
Bitte begründen.
Zitat: | Alles, was demnach der Goldenen Regel nicht folgt, die Hitchens aus seiner Anthropologie deduziert, wird einfach für verrückt erklärt. Ihm zufolge sind, in Konsequenz der Theorie, die Menschen verrückt, die nicht der Regel gemäß handeln. Es sollte verständlich sein, daß Unmengen an geschichtlichen Beispielen darin nicht aufgehen. |
In Konsequenz welcher Theorie?
Was meinst du mit "nicht aufgehen"? Weil viele Leute Q tun ist Q nicht schlecht?
Zitat: | Der Ausweg eines moralischen Relativismus (also Moral nicht mehr als Universale anzusehen) ist keiner für Hitchens (oder Dawkins...), da sie selbst ja Religion als böse bezeichnen und das auch universell verstanden wissen wollen. |
Wow. Woher ziehst du das?
Zitat: | So viel erstmal von mir. Ich weiß, eine Menge Name- und Begriffsdropping. Ich werde das morgen noch ausführen, aber überlasse euch erstmal das Feld. |
Mein Ratschlag wäre, kleinschrittiger zu argumentieren. Einige Zusammenhänge werden Leuten wie mir, die in ihrer Kritik an z.B. Hitchens völlig woanders ansetzen würden einfach nicht klar.
_________________ -Brother Broadsword of Warm Humanitarianism
"In other words, the cultures have been subjected to as careless handling as if in the hands of a somewhat below par student assistant, but they have survived."
-H. W. Chalkley in Science, Vol. LXXI, No. 1843
You can't spell Discord without Disco.
-frypoddie
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BrunoBauer Junghegelianer
Anmeldungsdatum: 10.03.2010 Beiträge: 5
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(#1442549) Verfasst am: 11.03.2010, 03:28 Titel: Re: Grenzen der modernen Religionskritik (am Beispiel Hitchens) |
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Noch schnell ein paar Anmerkungen vorm Schlafengehen, um Missverständnissen vorzubeugen, morgen dann hoffentlich etwas ausführlicher
Dissonanz hat folgendes geschrieben: | BrunoBauer hat folgendes geschrieben: | Die röm.kath. und jüdische Theologie steht da auf einem festen Fundament, sie haben Gott als letzten Grund |
Nein. Der letzte Grund ist auch hier eine Prämisse, die nicht begründet wird. "Wenn man davon ausgeht, dass das was Gott will gut bedeutet" und so weiter. Das ist eine Art von naturalistischem Fehlschluss. Bin mir nicht sicher, ob das der im Sinne Moores oder im Sinne Humes ist.. Es läuft darauf hinaus, dass entweder eine Tautologie als Begründung bezeichnet wird oder aber dass aus dem Sein(Aus der Annahme, dass es Gott gibt.) ein Sollen abgeleitet wird.
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Ich meine das natürlich unter der Annahme der Prämisse, daß es Gott gibt. Also ganz schlichte Dogmatik, so wie die Katholische Theologie nunmal funktioniert, aber was man dabei nicht absprechen kann: Sie ist ein systematisch-philosophisch verdammt kohärentes System. Die Setzung Gottes als letzten Grund kann man dann z.B. mit dem Münchhausen-Trilemma angreifen, aber das ist erstmal ja nicht das Thema.
Der naturalistische Fehlschschluss ist da eher auf der Seite Hitchens, wenn er Moral evolutionsbiologisch begründen will: Nur weil er vermeindlich erklären kann, warum Menschen moralisch sind, kann er nicht begründen was moralisch gut oder schlecht ist, das folgt nämlich aus der Annahme nicht, aber er tut es dennoch.
Zitat: |
Zitat: | Das Problem der Moral führt direkt zum nächsten Punkt: Die "Totalitarismustheorie" der Religionen. Hitchens & Co. können sich Religion immer nur im Sinne einer Priesterbetrugstheorie verstehen, was genau dazu führt, dass in der Nacht alle Religionen grau sind. Das blamiert auch das "wir sind alle Atheisten, ich nur der konsequenteste"-Argument ein wenig, weil sich das schon längst von der Frage nach der Wahrheit verabschiedet hat (und da muss man gar nicht in metaphysische Diskussionen flüchten, ob es Wahrheit im objektiven Sinne gibt, für Hitchens gibt es sie, somit ist es ein innerer Widerspruch seiner Argumentation). |
Wieso ist die Annahme der Existenz einer Realität ein Widerspruch innerhalb seiner Argumentation? |
Nicht Realität, sondern Wahrheit. M.E. geht auch Hitchens von objektiver Wahrheit aus und argumentiert die ganze Zeit mit Hilfe dieser Unterstellung. Dann reiht sich da aber auf einmal das Argument "Wir sind alle bei den meisten Religionen Atheisten, nur du bei einer nicht" ein; das geht aber von der strukturellen Identität aller Religionen hinsichtlich ihrer Funktion etc. aus - differenziert nicht mehr zwischen ihnen. Das ist auf einmal eine Argumentation, die schon jenseits des Anspruchs von 'im Recht sein oder nicht' argumentiert, sondern ich würde das strukturalistisch sophistisch nennen - ein Taschenspielertrick. Natürlich glaubt Turek nicht an Thor, denn der erfüllt auch gar nicht die Prämissen, unter denen er Realität erklären will.
Vorher zielte die Argumentation aber immer darauf ab, das Turek unrecht hat, ihm also epistemiologisch gesehen keine Wahrheit zukommt.
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Zitat: | Die Ausführungen Hitchens gehen immer schon davon aus, daß es Gott nicht gibt, wie auch die Marxens, Feuerbachs, Freuds, nur dass letztere ihre Aussagen auf eine gesell. Analyse fußen lassen und den Menschen in der Geschichte begreifen, also sich auch noch einen Begriff von Ideologie/Interesse/Fetisch (natürlich im genuinen Wortsinne) machen können. Hitchens kann das nicht, da er keine Geschichtsphilosophie anzubieren hat, sondern nur logischen Positivismus, der mündet zwangsweise wieder in Verstrickungen bei evolutionsbiologischen Moralbegründungen, die der Empirie und Geschichte einfach nicht standhalten (Holocaust als stärkstes Beispiel). |
Bitte begründen.
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nicht mehr heute
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Zitat: | Alles, was demnach der Goldenen Regel nicht folgt, die Hitchens aus seiner Anthropologie deduziert, wird einfach für verrückt erklärt. Ihm zufolge sind, in Konsequenz der Theorie, die Menschen verrückt, die nicht der Regel gemäß handeln. Es sollte verständlich sein, daß Unmengen an geschichtlichen Beispielen darin nicht aufgehen. |
In Konsequenz welcher Theorie?
Was meinst du mit "nicht aufgehen"? Weil viele Leute Q tun ist Q nicht schlecht?
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In Konsequenz der Annahme einer evolutionsbiologisch begründbaren, goldenen Regel ("was du willst, das man dir nicht tu..."). Weil es historisch viele Beispiele gibt, wo ganze Gesellschaften das tun, was Hitchens als böse bezeichnen wüde, geht sein Konzept nicht mehr auf. Es fehlt die theoretische Vermittlung zwischen der Annahme einer goldenen Regel und der Aussage "Religionen manchen Menschen böse". Warum machen sie das? Was verschafft ihnen Geltung? etc. das sprengt naturwissenschaftliche Erklärungsmöglichkeiten.
Zitat: |
Zitat: | Der Ausweg eines moralischen Relativismus (also Moral nicht mehr als Universale anzusehen) ist keiner für Hitchens (oder Dawkins...), da sie selbst ja Religion als böse bezeichnen und das auch universell verstanden wissen wollen. |
Wow. Woher ziehst du das?
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Teilst du diese Ansicht nicht, daß zumindest Hitchens und Dawkins ein universalistisches Verständnis von Moral haben? Hitchens beruft sich permanent auf die Verletzung der Menschenrechte, die ja universalen Anspruch haben, also unabhängig davon sind, was man regional so für menschenwürdig hält...
Dawkins Doku heißt "Wurzel allen übels" (?), also muss auch er eine universale Vorstellung von Gut/Böse haben, sonst könnte er nicht alle Religionen gleichermaßen verurteilen, also von Geschichte und Sozietät dermaßen abstrahieren.
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Zitat: | So viel erstmal von mir. Ich weiß, eine Menge Name- und Begriffsdropping. Ich werde das morgen noch ausführen, aber überlasse euch erstmal das Feld. |
Mein Ratschlag wäre, kleinschrittiger zu argumentieren. Einige Zusammenhänge werden Leuten wie mir, die in ihrer Kritik an z.B. Hitchens völlig woanders ansetzen würden einfach nicht klar. |
Da haben wir wohl Konsens. Das muss ich wirklich machen. Auch um mehr Verständnis werde ich mich bemühen, sorry.
_________________ Hegel war der Antichrist!
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Juli registrierter User
Anmeldungsdatum: 11.05.2007 Beiträge: 10
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(#1442557) Verfasst am: 11.03.2010, 06:24 Titel: |
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Hitchens muss nicht das Wort „Wahrheit“ aus seinem Wortschatz verbannen, nur weil es keine nachgewiesenen Veritonen oder Wahrheitsmoleküle gibt. Er meint damit Fakten, die er für allgemein anerkannt hält, möglicherweise auch Schlussfolgerungen, die er daraus zieht. Er meint nicht DIE WAHRHEIT. „Wahrheit“ bedeutet bei einem Naturalisten nichts anderes als: Es gibt den Sachverhalt korrekt wider/Es ist eine gute Beschreibung der Realität.
Daher geht Hitchens davon aus, dass sich „Wahrheit“ an der Realität (nach)messen lassen muss – im Gegensatz eben zu manchen Religionen, die damit anfangen DIE WAHRHEIT zu besitzen – siehe dazu „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ oder „der Koran ist die Wahrheit“. Und das ist wohl der Punkt, wo für ihn alle Religionen gleich sind: Sie setzen Wahrheiten voraus, die wahr sind, weil sie DER WAHRHEIT entsprechen. Eben Wahrheiten, die sich nicht an reellen Erfahrungen messen lassen müssen.
Selbstverständlich findet Hitchens auch nicht die objektiven Kriterien für „gut und böse“. Wie könnte er auch? Es gibt für subjektive Begriffe keine objektiven Kriterien. Er unterscheidet moralische und unmoralische Handlungen – oder anders gesagt: Handlungen, die in einer Gesellschaft, in der er lebt, seiner Meinung nach erlaubt sein sollten, und solche, die er nicht in seiner Gesellschaft haben möchte. Es ist nicht das „Problem“ der Religionskritik, dass sie keine objektiven Richtlinien für gut und böse gibt. Es ist Sinn und Zweck der Religionskritik, die Fundamente, auf denen das gut-böse-Schema der Religionen beruht, in Frage zu stellen.
Edit: Der Titel "die Wurzel allen Übels" war übrigens nicht Dawkins' Idee sondern die des Senders. Wikipedia: "Dawkins has said that the title The Root of All Evil? was not his preferred choice, but that Channel 4 had insisted on it to create controversy. The sole concession from the producers on the title was the addition of the question mark. Dawkins has stated that the notion of anything being the root of all evil is ridiculous"
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jagy Herb Derpington III.
Anmeldungsdatum: 26.11.2006 Beiträge: 7275
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(#1442632) Verfasst am: 11.03.2010, 10:47 Titel: |
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BrunoBauer hat folgendes geschrieben: | Angefangen bei Moral: Turek insistiert nicht umsonst nachgerade penetrant, von Hitchens eine Begründung für die Unterscheidung von Gut/Böse einzufordern. Hitchens verliert sich immer darin, es bei moralischer Praxis zu belassen (sinngemäß zitiert: "man nenne mir eine ethische Handlung, die ich als Atheist nicht kann..."), und ignoriert aus Verständnislosigkeit die Frage nach deren Legitimation/Begründung: Wie kann man im absoluten/objektiven Sinne gut und böse unterscheiden? Die röm.kath. und jüdische Theologie steht da auf einem festen Fundament, sie haben Gott als letzten Grund, bei den Protestanten wackelt das Fundament mit der Verlagerung des Glaubens in den Einzelnen und somit der Absage an die Vernunft (Luther konnte gar nicht oft genug von der "Hure Vernunft" schreiben, Melanchthon & Co. waren da nicht viel besser), Kants "Sittlichkeit" kann das für den Protestantismus gerade noch so retten (etwas salopp formuliert), im Islam bricht es aber durch Totalunterwerfung komplett zusammen, hier hat Moral/Ethik ihren universalen Anspruch völlig verloren, wird nur noch pragmatistisch aufgefasst, anything goes, solange der Islam sich ausbreiten kann - alle anderen Religionen sind schon nicht mehr erwähnenswert.
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Das nervt mich auch immer ein bisschen, das gerade Hitchens diese Frage nach einer absoluten Moral nicht beantwortet. Dabei ist sie so einfach, denn auch Gott gibt kein Fundament für eine absolute Moral, so wie sie Religionisten gerne haben würden. Das hat schon vor über 2000 Jahren Sokrates im Eutyphron-Dilemma gezeigt:
Für Religionisten ist gut, was Gott sagt dass es gut ist. Das führt erstens schon zu dem Problem, dass dann der Satz "Gott ist gut" völlig inhaltsleer und nutzlos wird. Diesen Schritt sind Religionisten aber nicht bereit zu ziehen.
Zweitens hätte Gott dann auch sagen können, dass Vergewaltigung gut ist, wenn er der alleinige Richtpfeiler für gut und böse ist. Auch diesen Schritt wollen Religionisten nicht gehen.
Drittens: Das eigentliche Dilemma: Ist (zB) Nächstenliebe gut, weil Gott sagt dass sie gut ist? Dann stellen sich obige 2 Probleme. Oder sagt Gott, dass Nächstenliebe gut ist, weil sie gut ist? Dann ist Gott aber kein absolutes Fundament für Moral, denn dann besteht eine absolute Moral außerhalb und vor allem überhalb von Gott.
BrunoBauer hat folgendes geschrieben: | Hitchens kann das nicht, da er keine Geschichtsphilosophie anzubieren hat, sondern nur logischen Positivismus, der mündet zwangsweise wieder in Verstrickungen bei evolutionsbiologischen Moralbegründungen, die der Empirie und Geschichte einfach nicht standhalten (Holocaust als stärkstes Beispiel). Alles, was demnach der Goldenen Regel nicht folgt, die Hitchens aus seiner Anthropologie deduziert, wird einfach für verrückt erklärt. |
Nein. Hitchens und Co behaupten keine absolute Moral. Sie erkennen den Menschen viel mehr als das an, was er ist, ein Tier, das zu allerlei Grausamkeit in der Lage ist. Deswegen besteht auch kein Widerspruch zwischen evolutionsbiologischer Moralbegründung und Empirie/Geschichte (zB Holocuast). Was für ein Quatsch auch, keine evolutionsbiologischer Moralbegründung behauptet, es gäbe einen unwiderstehlichen Drive gut zu sein und keinen Menschen zu schaden.
_________________ INGLIP HAS BEEN SUMMONED - IT HAS BEGUN!
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