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Bewusstsein und Evolution
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1454237) Verfasst am: 03.04.2010, 23:36    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Aber egal: was ich aus dem, was Du gesagt hast, schließe: das ist Wortklauberei.

Na ja, wenn jemand schreibt, er sei Agnostiker (in Bezug auf den Physikalismus), dann schließe ich daraus, dass er kein Physikalist ist, da man als Physikalist ja einen konkreten Standpunkt bezieht.

Herrje, wir haben offensichtlich eine ziemlich verschiedene Auffassung darüber, was 'Agnostizismus' bedeutet. Aber das ist hier absolut OT. Und welchen Standpunkt (und wieso) ich beziehe, habe ich oben mE ausdrücklich gesagt.
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Myron
Pansomatist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3625

Beitrag(#1454239) Verfasst am: 03.04.2010, 23:42    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Herrje, wir haben offensichtlich eine ziemlich verschiedene Auffassung darüber, was 'Agnostizismus' bedeutet.


Nach meinem und dem allgemein vorherrschenden Verständnis ist ein Agnostiker in Bezug auf X jemand, der weder pro X noch kontra X eingestellt ist, d.h. der weder an die Wahrheit von X noch an dessen Falschheit glaubt.
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1454242) Verfasst am: 04.04.2010, 00:09    Titel: Antworten mit Zitat

Ja, das im Prinzip richtig. Nur ist, anscheinend im Gegensatz zu Deiner Auffassung, 'glauben' in meiner Ansicht keine binäre Kategorie, sondern eine graduelle. Wozu ich mehr neige und wieso, habe ich oben erläutert. Ansonsten habe ich keine Lust, hier in diesem Thread über 'Agnostizismus' zu diskutieren.
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Myron
Pansomatist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3625

Beitrag(#1454243) Verfasst am: 04.04.2010, 00:21    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ja, das im Prinzip richtig. Nur ist, anscheinend im Gegensatz zu Deiner Auffassung, 'glauben' in meiner Ansicht keine binäre Kategorie, sondern eine graduelle.


Ich habe nicht gesagt, dass "Ich glaube, dass der Physikalismus wahr ist" grundsätzlich dasselbe bedeutet wie "Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass der Physikalismus wahr ist".
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
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Beitrag(#1454250) Verfasst am: 04.04.2010, 01:11    Titel: Antworten mit Zitat

Wir sollten uns nicht über etwas streiten, bei dem wir gar keinen Dissens haben, was wir nur unterschiedlich benennen.

Aber mal was anderes: Deiner Signatur »Das kraftstoffliche Sein und Werden in Raum und Zeit bildet die gesamte Wirklichkeit.« kann ich nicht zustimmen. Es gibt mE keine 'gesamte Wirklichkeit'. Das hört sich an nach einer einzig wahren Wahrheit. Meiner Ansicht ergibt sich aber die Wirklichkeit aus Interpretionen dessen, was vorhanden / gegeben ist. Und Interpretationen sind mE notwendiger Bestandteil dessen, was ich 'Wirklichkeit' nennen würde, d.h. ohne Interpretation keine Wirklichkeit (da es mE keinen archimedischen Standpunkt gibt). Und weiterhin führen Interpretationen meiner Meinung nach nicht zu einer einzigen Wahrheit. Wiewohl es zwar Interpretationen geben kann, die unplausibel sind, kann es auch Interpretationen geben, die sich widersprechen, aber gleichermaßen plausibel sind. Und daher, (falls das stimmt, falls das nicht widerlegt werden kann, falls es kein gutes Argument gegen diese Auffassung gibt), ist die Idee einer einzigen letztlichen Wahrheit (und die der 'gesamten Wirklichkeit') mMn hinfällig.
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Myron
Pansomatist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3625

Beitrag(#1454255) Verfasst am: 04.04.2010, 02:20    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Aber mal was anderes: Deiner Signatur »Das kraftstoffliche Sein und Werden in Raum und Zeit bildet die gesamte Wirklichkeit.« kann ich nicht zustimmen. Es gibt mE keine 'gesamte Wirklichkeit'. Das hört sich an nach einer einzig wahren Wahrheit.


Ich denke, dass es eine allumfassende Gesamtwirklichkeit gibt, die, wittgensteinesk ausgedrückt, aus vielen wirklichen Sachverhalten, d.i. Tatsachen, besteht. Eine Wahrheit ist eine wahre Aussage, und eine Aussage ist genau dann wahr, wenn sie eine Tatsache, also ein Stück Wirklichkeit wiedergibt.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1454357) Verfasst am: 04.04.2010, 15:02    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Aber mal was anderes: Deiner Signatur »Das kraftstoffliche Sein und Werden in Raum und Zeit bildet die gesamte Wirklichkeit.« kann ich nicht zustimmen. Es gibt mE keine 'gesamte Wirklichkeit'. Das hört sich an nach einer einzig wahren Wahrheit.


Ich denke, dass es eine allumfassende Gesamtwirklichkeit gibt, die, wittgensteinesk ausgedrückt, aus vielen wirklichen Sachverhalten, d.i. Tatsachen, besteht. Eine Wahrheit ist eine wahre Aussage, und eine Aussage ist genau dann wahr, wenn sie eine Tatsache, also ein Stück Wirklichkeit wiedergibt.

Und dann sind wir bei der Frage, wann eines Aussage die Wirklichkeit wiedergibt. Meistens kommen dann Aussagenbeispiele, die hinreichend simpel sind und über die es keinen Dissens gibt. Aber versuche mal eine wissenschaftliche Studie im Bereich sagen wir der Neurowissenschaften in 'wahre' Aussagen zu zerlegen, oder noch extremer, insgesamt als Aussage zu betrachten und feststellen zu wollen, ob sie wahr ist oder falsch.

Was man statt dessen in der Praxis hat, sind belegbare Fakten, im Idealfall auch Messungen, die ein Modell von vermuteten Zusammenhängen stützen. Und nun geht es um die Frage, ob die Messungen korrekt, dh nachvollziehbar sind, ob die daraus gebildete Theorie plausibel ist, oder ob oder wieweit sie mit bisherigem Wissen in Konflikt gerät. Dabei mag sich herausstellen, daß eine Theorie, eine Aussage falsch ist, oder daß sie ein Fortschritt ist gegenüber dem, was man bisher wußte, aber 'Wahrheit', selbst die einzelner Aussagen, kommt so wohl nicht zustande.
_________________
"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1454428) Verfasst am: 04.04.2010, 18:04    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Kannst Du andere, in der Vergangenheit erklärte Phänomene nennen, die sich als fundamental neue, unphysikalische Kategorien herusgestellt haben? Oder meinst Du obiges in einem sehr schwachen Sinne, also etwa daß der Chemie etwas wesentliches verlorenginge, wenn man sie auf die Physik reduziert?
Tja, das wird jetzt sehr grundsätzlich. Ich fürchte, da fehlen mir die Worte, um das verständlich darstellen zu können. Man müsste auch erst mal 'unphysikalisch' genau definieren, genau sagen, was das eigentlich bedeutet, was man damit genau meint. Für mich sind 'physikalische Kategorien' eher eng gefasst. Das sind für mich 'physikalische Kategorien' (und alles, was darauf zurückführbar, d.h. reduzierbar, ist).

Also diese Liste ist wohl eher was für den technischen Anwender, es fehlen z.B. die guten Theorien.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Daneben gibt es Begriffe, die erst mal keine physikalischen Größen sind, (d.h. zu keiner physikalischen Kategorie zuordbar sind), zum Beispiel 'kochen', 'spielen', 'Begriff', 'Physik', 'Sprache', 'Geschichte', 'Politik', 'Ethik', 'Bewusstsein', 'Wirtschaft', (ergo unphysikalisch sind -> zu einer anderen Kategorie als den physikalischen gehören). Was nun nicht per se heißt, dass sie prinzipiell nicht auf physikalische Größen zurückführbar seien, 'kochen' zum Beispiel kann man sicher reduzieren. Aber dass das bei allen diesen Begriffen möglich ist, bezweifle ich stark.

Wenn Du jetzt noch diejenigen wegnimmst, die mit "Bewußtsein" zu tun haben, dann bleibt kein einziges übrig. Ich hatte aber extra um ein anderes Beispiel gebeten, da "Bewußtsein" ja eben noch nicht erklärt ist und daher schlecht als Beispiel für Deine obige These taugt, Unwissen sei ein gutes Indiz für eine fundamental neue Kategorie. Daher hätte ich gern ein Beispiel, indem es später eine Erklärung gab und diese prinzipiell nicht auf Physik reduzierbar war.

Ein solches Beispiel wäre etwa, wenn man "Vererbung" erklären könnte und zeigen könnte, daß diese relevant noch von anderen als nur den physikalischen Gesetzen gelenkt wird.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Die Frage wäre nun, ob Du behauptest, dass alles, was nach Deiner Ansicht nach unwissenschaftlich ist, deswegen nicht existieren kann. ...

Eine Behauptung über etwas, das Deines Erachtens nicht definierbar, sondern nur von Dir "erlebbar" ist, ist nicht sinnvoll diskutierbar. Insbesondere kannst Du eine von Dir angenommene Eigenschaft dieses Undefinierten nicht als Argument dafür verwenden, es sei etwas fundamental Anderes / Unphysikalisches.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1454480) Verfasst am: 04.04.2010, 19:49    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Die Frage wäre nun, ob Du behauptest, dass alles, was nach Deiner Ansicht nach unwissenschaftlich ist, deswegen nicht existieren kann. ...

Eine Behauptung über etwas, das Deines Erachtens nicht definierbar, sondern nur von Dir "erlebbar" ist, ist nicht sinnvoll diskutierbar. Insbesondere kannst Du eine von Dir angenommene Eigenschaft dieses Undefinierten nicht als Argument dafür verwenden, es sei etwas fundamental Anderes / Unphysikalisches.

Zum 'definierbar', bzw. zur Beschreibung dessen, was mit 'phänomenalem Bewusstsein' gemeint ist, nochmal der Link von oben: Thomas Metzinger - Das Problem des Bewusstseins

Ich meine schon, dass das sinnvoll diskutierbar ist, jedenfalls sehe ich keinen Grund, warum es das nicht sein sollte. Am Kopf kratzen

Was ich nun behaupte, ist Folgendes: a) phänomenales Bewusstsein existiert (das weiß ich aus eigener Anschauung) und b) es gibt heutzutage keine Erklärung dafür, wie man es auf physiologische Vorgänge zurückführen kann, und zwar in dem Sinne einer Erklärung, die eine notwendige Beziehung zwischen bestimmten physiologischen Vorgängen (oder beliebigen anderen physikalischen Vorgängen oder Vorgängen, die ihrerseits wieder physikalisch reduzierbar sind) plausibel erscheinen lässt, d.h. ableitbar / zurückführbar ist. Eine Erklärung, die zusätzlich zur lediglichen Darstellung von Korrelationen diesen Zusammenhang plausibel macht.
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Deus ex Machina
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Anmeldungsdatum: 14.03.2006
Beiträge: 789

Beitrag(#1454554) Verfasst am: 04.04.2010, 22:34    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Der Punkt ist: wenn jemand behauptet, das einzig Grundlegende, das einzig Wichtige, das einzig real Existierende in unserer Welt seien die kausalen physikalischen Vorgänge, und eine Beschreibung aller kausalen Vorgänge seien eine hinreichende Erklärung aller Vorgänge in unserer Welt, der nichts hinzugefügt werden könnte, dann folgt daraus unweigerlich, dass Bewusstsein keine (in irgend einer Art wichtigen) Auswirkung haben kann, lediglich eine Art Trittbrettfahrer der physiologischen Vorgänge ist (die 'das Eigentliche', 'das Wesentliche', das, worauf es nur ankommt, seien).


Ich halte "Bewusstsein" im genau gleichen Sinne wie "Leben" für physikalisch oder nicht physikalisch.


Zitat:
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Wenn Du jetzt zeigen kannst, wieso entweder Zombies nicht möglich sind oder wieso notwendigerweise alle Zombies sein müssen, dann hast Du den Schlüssel zur Lösung des Leib-Seele-Problemes gefunden.

Ich denke vielmehr, dass die Unterscheidung zwischen Zombies und Nicht-Zombies in deinem und dem philosophischen Sinne hinfällig ist. Sie gehört in die gleiche Kategorie wie eine Unterscheidung zwischen Menschen, die von einem unsichtbaren/-hörbaren/usw. Zwilling überall hin begleitet werden und Menschen, die keinen solchen Zwilling haben; oder, etwas weniger konstruiert, zwischen Hexen und Nicht-Hexen. Die Unterscheidung ist Ausdruck einer starken Intuition darüber, was Bewusstheit ist (welcher ich mich auch nur schwer entziehen kann), drückt aber keinen realen Sachverhalt aus. Kurz gesagt, wenn sich zwei Dinge prinzipiell, in diesem Falle sogar per definitionem, nicht unterscheiden lassen, sind sie identisch.

Diese Definition ist aber mE in diesem speziellen Falle schlicht falsch, unzureichend, ungenügend.


Du kannst feststellen, dass Du keine Beine hast, aber Du kannst nicht feststellen, dass Du kein Bewusstsein hast. * Du kannst also zwischen dir mit Beinen und dir ohne Beine unterscheiden, nicht aber zwischen dir mit Bew. und dir ohne Bew. (genau so wenig, wie Du feststellen kannst, dass Du tot bist und somit auch nicht zwischen dir in lebendigem und totem Zustand unterscheiden kannst).

Nach deiner Vorstellung kann es ja nicht einmal so etwas wie Hinweise für Bewusstheit geben. Wenn
jemand einen Geruch geniesst oder dir sagt "Ich kann mir nicht erklären, weshalb ich bewusst etwas erlebe, obwohl ich nur eine Menge von Atomen bin, die in bestimmter Art und Weise zusammengesetzt sind" kannst Du dies nicht als Hinweis darauf werten, dass diese Personen bewusst sind, da sie ja eben gleich handeln würden, wenn sie tatsächlich kein Bewusstsein hätten.

* Ich finde das einen interessanten Punkt. Aus deiner Sicht gibt es mindestens einen Menschen, der bewusst ist, nämlich dich. Es gibt viele Menschen, die die Überzeugung vertreten, bewusst zu sein, von denen Du aber nicht sicher wissen kannst, ob das tatsächlich stimmt, da bei gleichem Verhalten Bewusstsein vorhanden sein kann oder auch nicht. Es gibt hingegen niemanden, der oder die von sich sagt, nichts bewusst zu erleben. Auch wenn alle Menschen Bewusstsein haben leuchtet nicht ein, warum das so ist, da es ja es keinen notwendigen Zusammenhang zwischen tatsächlichem und berichtetem Bewusstsein einer Person gibt.


Zitat:
Ich habe phänomenales Erleben, was zwar niemand (für meinen Fall) bestätigen kann, aber dennoch habe ich es. Und es wäre etwas anderes, wenn ich es nicht hätte, wenn ich ein Zombie wäre, der nur sagen würde, er hätte es, das aber nicht wahr wäre, (was aber nicht bedeutet, dass er lügt, er sagt es halt lediglich deswegen, weil die vorherigen Vorgänge in der Welt das kausal bedingen).


(gefettet von mir)

Der Punkt ist: Nach deinem Verständnis sagst auch Du "lediglich deswegen, weil die vorherigen Vorgänge in der Welt das kausal bedingen" und nicht deswegen, weil Du tatsächlich bewusst etwas erlebst, dass Du phänomenales Erleben hast. Wäre das phänomenale Erleben die Ursache deiner Beteuerungen gäbe es einen für Dritte feststellbaren Unterschied zwischen dir und dem Zombie-AP, welchen es ja eben per definitionem nicht gibt.


Zitat:
Oder mal anders gesagt: nehmen wir an, ein (zukünftiger genialer) Neurowissenschaftler würde mir das Angebot machen, meine Intelligenz um den Faktor 100 zu erhöhen. Ich würde die absurdesten Probleme in kürzester Zeit lösen können, sogar solche, die ich jetzt noch nicht einmal im Ansatz verstehen würde. Ich (bzw. genauer gesagt mein Körper) würde daneben auch weiter so agieren / funktionieren können, (von außen gesehen), wie jetzt auch, mit der einzigen kleinen Einschränkung, dass ich mein Bewusstsein aufgeben müsste. Er würde mir eine kleine Spritze geben, ich würde einschlafen, er würde mein Gehirn operieren und dann wäre ich unglaublich intelligent, lediglich nicht mehr bewusst, es gäbe keine inneres Erleben mehr, obgleich das von außen niemand feststellen könnte. Ich würde auch eine Menge Kohle bekommen.

Ich behaupte: so ein Angebot würde niemand annehmen, der nicht sowieso Suizid-Gedanken hat.


Entweder lässt mich die Operation in irgendeiner Weise beeinträchtigt zurück oder es setzt schon deine Konzeption von Bewusstsein voraus, dass es nämlich ein Bewusstsein völlig losgelöst von allen Fähigkeiten, Kapazitäten, Vermögen zu entfernen gäbe.


Zitat:
Und noch ein kleiner Link: Das Problem des Bewusstseins


Ich kenne den Text. Gerade Metzinger spricht übrigens davon, dass wir von unseren Intuitionen darüber, was Bewusstsein ist, irregeleitet werden.
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
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Beitrag(#1454601) Verfasst am: 04.04.2010, 23:24    Titel: Antworten mit Zitat

Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:
Kurz gesagt, wenn sich zwei Dinge prinzipiell, in diesem Falle sogar per definitionem, nicht unterscheiden lassen, sind sie identisch.

Diese Definition ist aber mE in diesem speziellen Falle schlicht falsch, unzureichend, ungenügend.

Du kannst feststellen, dass Du keine Beine hast, aber Du kannst nicht feststellen, dass Du kein Bewusstsein hast. * Du kannst also zwischen dir mit Beinen und dir ohne Beine unterscheiden, nicht aber zwischen dir mit Bew. und dir ohne Bew. (genau so wenig, wie Du feststellen kannst, dass Du tot bist und somit auch nicht zwischen dir in lebendigem und totem Zustand unterscheiden kannst).

Genau, und Letzteres ist der Grund, warum ich Deine Identitäts-Behauptung (in diesem Falle) für falsch halte. Es ist ja offensichtlich ein Unterschied, ob ich lebe oder nicht, (und den gibt es auch dann, wenn niemand da ist, um das festzustellen). Wenn ich tot bin, dann bin ich schlicht nicht mehr. Und wenn ich nicht mehr existiere, kann ich logischerweise nichts mehr feststellen. Gleiches gilt dann, wenn ich kein Bewusstsein mehr habe. Aber der Schluss, es sei deswegen, (weil dann niemand da sei, der einen Unterschied feststellen könnte), dasselbe, ob ich lebe oder tot sei bzw. Bewusstsein hätte oder nicht, erscheint mir irgendwie merkwürdig.

Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich habe phänomenales Erleben, was zwar niemand (für meinen Fall) bestätigen kann, aber dennoch habe ich es. Und es wäre etwas anderes, wenn ich es nicht hätte, wenn ich ein Zombie wäre, der nur sagen würde, er hätte es, das aber nicht wahr wäre, (was aber nicht bedeutet, dass er lügt, er sagt es halt lediglich deswegen, weil die vorherigen Vorgänge in der Welt das kausal bedingen).

(gefettet von mir)

Der Punkt ist: Nach deinem Verständnis sagst auch Du "lediglich deswegen, weil die vorherigen Vorgänge in der Welt das kausal bedingen" und nicht deswegen, weil Du tatsächlich bewusst etwas erlebst, dass Du phänomenales Erleben hast. Wäre das phänomenale Erleben die Ursache deiner Beteuerungen gäbe es einen für Dritte feststellbaren Unterschied zwischen dir und dem Zombie-AP, welchen es ja eben per definitionem nicht gibt.

Ob mein phänomenales Erleben die Ursache meiner Beteuerungen ist, (und was das genau bedeutet), ist erst mal gar nicht die Frage. Es geht darum, dass es einen Unterschied macht, ob jemand handelt oder ob er lediglich funktioniert. 'Handlung', 'Verstehen', 'Glauben' und 'Wissen' zum Beispiel beinhalten implizit die Zuschreibung eines Bewusstseins, diese Begriffe sind ohne dies sinnlos, (bzw. wären lediglich Analogien). Mein Taschenrechner z.B. glaubt nicht, dass 1+1=2 ist und er weiß das auch nicht. Er hat keine Überzeugungen. Er rechnet nur.

Für mich macht es einen Unterschied, ob ich bewusst erlebe oder nicht, selbst wenn niemand anderes das von außen bestätigen kann, will sagen: ich würde ungerne auf mein bewusstes Erleben verzichten, (und ich nehme an, dass diese Einstellung die meisten Leute teilen). Vergiß einfach mein Beispiel mit dem Neurochirurgen und frage einfach Dich, ob es für Dich bezüglich Deines Bewusstseins einen Unterschied macht, ob Du es hast, ob Du problemlos darauf verzichten würdest. Wenn nicht: dann ist da doch offensichtlich ein Unterschied. Auch wenn Du in einem wesentlichen Sinne nicht mehr existierst, nachdem Dein Bewusstsein weg ist.

Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und noch ein kleiner Link: Das Problem des Bewusstseins

Ich kenne den Text. Gerade Metzinger spricht übrigens davon, dass wir von unseren Intuitionen darüber, was Bewusstsein ist, irregeleitet werden.

In dem Text nicht. Mir ist auch nicht klar, wie ich mich z.B. darüber täuschen kann, einen Schmerz zu empfinden, welchen Sinn diese Behauptung überhaupt ergeben könnte. Die Empfindung eines Schmerzes ist der Schmerz, daher ist es sinnlos, zu sagen: in Wirklichkeit ist da aber kein Schmerz, der Schmerz existiert nicht.

Mit anderen Worten: klar kann man sich täuschen, können Intuitionen und Wahrnehmungen falsch sein. Aber die Behauptung, man würde sich bei allen seinen phänomenalen Wahrnehmungen täuschen, ist einfach Unsinn. Mir scheint auch nicht, dass Metzinger so etwas Merkwürdiges vertritt.
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Deus ex Machina
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Anmeldungsdatum: 14.03.2006
Beiträge: 789

Beitrag(#1454670) Verfasst am: 05.04.2010, 00:58    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:
Kurz gesagt, wenn sich zwei Dinge prinzipiell, in diesem Falle sogar per definitionem, nicht unterscheiden lassen, sind sie identisch.

Diese Definition ist aber mE in diesem speziellen Falle schlicht falsch, unzureichend, ungenügend.

Du kannst feststellen, dass Du keine Beine hast, aber Du kannst nicht feststellen, dass Du kein Bewusstsein hast. * Du kannst also zwischen dir mit Beinen und dir ohne Beine unterscheiden, nicht aber zwischen dir mit Bew. und dir ohne Bew. (genau so wenig, wie Du feststellen kannst, dass Du tot bist und somit auch nicht zwischen dir in lebendigem und totem Zustand unterscheiden kannst).

Genau, und Letzteres ist der Grund, warum ich Deine Identitäts-Behauptung (in diesem Falle) für falsch halte. Es ist ja offensichtlich ein Unterschied, ob ich lebe oder nicht, (und den gibt es auch dann, wenn niemand da ist, um das festzustellen). Wenn ich tot bin, dann bin ich schlicht nicht mehr. Und wenn ich nicht mehr existiere, kann ich logischerweise nichts mehr feststellen. Gleiches gilt dann, wenn ich kein Bewusstsein mehr habe. Aber der Schluss, es sei deswegen, (weil dann niemand da sei, der einen Unterschied feststellen könnte), dasselbe, ob ich lebe oder tot sei bzw. Bewusstsein hätte oder nicht, erscheint mir irgendwie merkwürdig.


Du kannst zwar nicht feststellen, dass Du tot bist, andere hingegen schon. Bei deiner Vorstellung von Bewusstsein hingegen kannst weder Du noch jemand anders feststellen, dass Du kein Bewusstsein hast (solange Du dich so verhältst, "als ob Du Bew. hättest").


Zitat:
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich habe phänomenales Erleben, was zwar niemand (für meinen Fall) bestätigen kann, aber dennoch habe ich es. Und es wäre etwas anderes, wenn ich es nicht hätte, wenn ich ein Zombie wäre, der nur sagen würde, er hätte es, das aber nicht wahr wäre, (was aber nicht bedeutet, dass er lügt, er sagt es halt lediglich deswegen, weil die vorherigen Vorgänge in der Welt das kausal bedingen).

(gefettet von mir)

Der Punkt ist: Nach deinem Verständnis sagst auch Du "lediglich deswegen, weil die vorherigen Vorgänge in der Welt das kausal bedingen" und nicht deswegen, weil Du tatsächlich bewusst etwas erlebst, dass Du phänomenales Erleben hast. Wäre das phänomenale Erleben die Ursache deiner Beteuerungen gäbe es einen für Dritte feststellbaren Unterschied zwischen dir und dem Zombie-AP, welchen es ja eben per definitionem nicht gibt.

Ob mein phänomenales Erleben die Ursache meiner Beteuerungen ist, (und was das genau bedeutet), ist erst mal gar nicht die Frage.


Doch, ich denke genau hier sind wir am Kern unseres Dissens'. Kommt es dir nicht komisch vor, dass, wenn man deine Position konsequent zu Ende denkt, deine Behauptung, bewusst etwas zu erleben nicht davon abhängt, dass Du bewusst etwas erlebst? (Falls es davon abhinge gäbe es ja einen für Dritte feststellbaren Unterschied zwischen dir und deinem Zombie-Zwilling.)


Zitat:
Vergiß einfach mein Beispiel mit dem Neurochirurgen und frage einfach Dich, ob es für Dich bezüglich Deines Bewusstseins einen Unterschied macht, ob Du es hast, ob Du problemlos darauf verzichten würdest. Wenn nicht: dann ist da doch offensichtlich ein Unterschied.


"Kein Bewusstsein mehr haben" ist für mich äquivalent mit "tot sein", "anästhetisiert sein", "hirntot sein", "in traumlosem Schlaf sein" oder ähnliches und insofern möchte ich da natürlich nicht dauerhaft drauf verzichten. Der Unterschied zwischen uns ist, dass für dich die Frage "Bewusstsein ja oder nein" prinzipiell unabhängig von der Frage nach Fähigkeiten oder Verhalten ist, für mich nicht.


Zitat:
Mir ist auch nicht klar, wie ich mich z.B. darüber täuschen kann, einen Schmerz zu empfinden, welchen Sinn diese Behauptung überhaupt ergeben könnte. Die Empfindung eines Schmerzes ist der Schmerz, daher ist es sinnlos, zu sagen: in Wirklichkeit ist da aber kein Schmerz, der Schmerz existiert nicht.


Ja, genau.


Zitat:
Mit anderen Worten: klar kann man sich täuschen, können Intuitionen und Wahrnehmungen falsch sein. Aber die Behauptung, man würde sich bei allen seinen phänomenalen Wahrnehmungen täuschen, ist einfach Unsinn. Mir scheint auch nicht, dass Metzinger so etwas Merkwürdiges vertritt.


Das war ja auch nicht die Aussage. Es ging um Intuitionen im Sinne von Konzeptionen dessen, was Bewusstsein ist. Meine Quelle ist ein persönliches Gespräch, ich suche aber nach etwas schriftlichem.
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fwo
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Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26444
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#1454687) Verfasst am: 05.04.2010, 01:43    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
.....es gibt heutzutage keine Erklärung dafür, wie man es auf physiologische Vorgänge zurückführen kann, und zwar in dem Sinne einer Erklärung, die eine notwendige Beziehung zwischen bestimmten physiologischen Vorgängen (oder beliebigen anderen physikalischen Vorgängen oder Vorgängen, die ihrerseits wieder physikalisch reduzierbar sind) plausibel erscheinen lässt, d.h. ableitbar / zurückführbar ist. Eine Erklärung, die zusätzlich zur lediglichen Darstellung von Korrelationen diesen Zusammenhang plausibel macht.

Das wird es in dieser Form auch in absehbarer Zeit nicht geben. Wir können zwar heute bei einem Prozessor die Signale abtasten, die er empfängt oder sendet und mit Kenntnis der der benutzten Wortgröße und der Datenformate im Prinzip belauschen was er tut und hätten wahrscheinlich dabei relativ schnell seinen Befehlssatz geknackt. Außerdem können wir das Teil anschleifen und mikroskopieren usw.. Danach können wir rangehen und Daten begutachten, Systemsoftware, Anwendungen .....

Was ich sagen will, ist dass das, was Du verlangst, bereits beí einem industriell geklonten Produkt nicht ganz trivial ist. Und nun übertragen wir diese Aufgabe auf einen Multiprozessorrechner, bei dem weder Datenformate noch Wortgröße noch die Prozessorkommunikation wirklich verstanden ist. Außerdem wird er biologisch mit riesigen Qualitätsschwankungen in der Produktion hergestellt und Du möchtest ja nicht etwa nur etwas über die Prozesse erfahren, dei auf diesem Gerät laufen, Du möchtest wissen, wie sie zu Zuständen führen, die von außen nicht abgreifbar sind, deren Repräsentation also zwangsläufig unbekannt ist.

Dazu gab es bereits einen kurzen Dialog zwischen uns:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Mal noch ein paar Gedanken dazu.

Das Problem des Bewusstseins ist, zu verstehen, wie es entsteht und wie es mit physikalischen Prozessen zusammenhängt.

Bewusstsein beinhaltet mE "bewusstes Erleben", auch Qualia genannt. Hier ein ganz guter Überblick über die Problematik......

Wenn man nichts rauskriegen will, kann man es so machen wie Du - dazu neige ich aber nicht.

Wie bitte? Verstehe ich nicht, was Du damit sagen willst......


Was wir dagegen besser abgreifen können, sind höhere Ebenen dieser Datenverarbeitung und es ist möglich, auf Prozesse/Funktionen in diesen Ebenen zu schließen, genauso wie es möglich ist, die grundsätzlichen Möglichkeiten und Vor- bzw. Nachteile dieser Prozesse zu vergleichen. Das wäre schon etwas, was ziemlich dicht an die Fragestellung dieses Threads heranführte: Die Evolution des Bewusstseins. Ich wiederhole deshalb meine Frage:
fwo hat folgendes geschrieben:
....Was ich dabei immer noch nicht so ganz verstehe: Wenn wir Bewusstsein insgesamt als eine Funktionalität unserer Datenverarbeitung verstehen und wenn wir weiterhin - rein funktional - feststellen, dass die Gefühle, also subjektive Erlebnisse, ein Kanal sind, um Daten ins Bewusstsein zu transportieren, worin für die Verarbeitung dieser Daten die Besonderheit dieses Kanals liegt, dass es so wichtig ist, ihn in der Simulation exakt nachzubilden...


Da Du bis jetzt nicht geantwortet hast, noch einmal: Welchen Sinn macht es überhaupt für die Erforschung der Evolution des Bewusstseins, auf einem Verständnis des Zusammenhanges von der Maschinenebene zum Gesamtverhalten des Systems zu bestehen. Für die Analyse eines SAP-Systems mit der Mikroprogammierung der beteiligten Prozessoren zu beginnen, das wäre ein Ansatz, mit dem Du Informatiker über die ausgelösten Lachkrämpfe töten könntest, aber immer noch ein Klacks, gegen das was Du einforderst.

Deshalb: Einmal völlig abgesehen davon, dass sie nicht bearbeitbar ist: Worin liegt für die Untersuchung der Evolution des Bewusstseins der besondere Vorteil deiner Fragestellung?

fwo
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1454951) Verfasst am: 05.04.2010, 18:41    Titel: Antworten mit Zitat

Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Aber der Schluss, es sei deswegen, (weil dann niemand da sei, der einen Unterschied feststellen könnte), dasselbe, ob ich lebe oder tot sei bzw. Bewusstsein hätte oder nicht, erscheint mir irgendwie merkwürdig.

Du kannst zwar nicht feststellen, dass Du tot bist, andere hingegen schon. Bei deiner Vorstellung von Bewusstsein hingegen kannst weder Du noch jemand anders feststellen, dass Du kein Bewusstsein hast (solange Du dich so verhältst, "als ob Du Bew. hättest").

Das ist so irgendwie falsch ausgedrückt. Natürlich kann ich nicht feststellen, dass ich kein Bewusstsein habe, wenn ich keines hätte und zwar genau deswegen, weil ich dann nicht existieren würde. Was aber eben nicht bedeutet, dass es keinen Unterschied machen würde (was Du daran siehst, dass auch Du ungerne darauf verzichten würdest.)

Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ob mein phänomenales Erleben die Ursache meiner Beteuerungen ist, (und was das genau bedeutet), ist erst mal gar nicht die Frage.

Doch, ich denke genau hier sind wir am Kern unseres Dissens'. Kommt es dir nicht komisch vor, dass, wenn man deine Position konsequent zu Ende denkt, deine Behauptung, bewusst etwas zu erleben nicht davon abhängt, dass Du bewusst etwas erlebst? (Falls es davon abhinge gäbe es ja einen für Dritte feststellbaren Unterschied zwischen dir und deinem Zombie-Zwilling.)

Klar kommt mir das komisch vor. Aber das ist ja der Kernpunkt des Bewusstsein-Rätsels: wenn man rein von der Funktion her ein System betrachtet, dann spielt das Bewusstsein dafür keine Rolle. Wenn man es rein materiell, z.B. funktionalistisch beschreibt, dann kommt ein Bewusstsein in dieser Beschreibung erst gar nicht vor und dann ist nicht ersichtlich, wo, wieso und wie der Übergang von Abläufen zu Bewusstsein geschieht.

Und so (aus dieser materialistischen / funktionalistischen Sichtweise) entsteht eben die Ansicht, Bewusstsein sei ein reines Epiphänomen, es trage nichts zum Funktionieren des Systemes bei, könne nicht kausal wirksam sein. Woraus dann aber mMn eben folgt, dass Zombies logisch möglich sind. (Es sei denn, man könnte irgendwie zeigen, dass Bewusstsein notwendigerweise in diesem System entsteht - so wie zum Beispiel das Gewicht des Felles eines Eisbären zwar irrelevant für die evolutionär erklärbare Funktion des Felles für eine effektive Wärmespeicherung ist, insofern also ein Epiphänomen ist, aber dennoch ein notwendiger, nicht wegdenkbarer Nebeneffekt: ein dichtes Fell hat nun mal ein gewisses Gewicht, das ergibt sich aus den grundlegenden Eigenschaften unserer Welt.)

Und wenn Bewusstsein ein auswirkungsloses Epiphänomen ist, dann kann logischerweise meine Behauptung, bewusst etwas zu erleben, nicht von meinem Bewusstsein abhängen, denn falls doch, hätte mein Bewusstsein ja eine Auswirkung.

Und daraus ergibt sich eben das (mE bisher ungeklärte) Rätsel: alle Erklärungsversuche bleiben letztlich unbefriedigend. Egal, ob man das Bewusstsein leugnet (eliminativer Materialismus), es als reines Epiphänomen ansieht, einen (starken) Emergentismus (d.h. Nicht-Reduzierbarkeit) vertritt oder einen Substanzdualismus. Alle diese Auffassungen sind mE mit gravierenden, ungelösten Problemen konfrontiert.

Ich habe auch keine Antwort darauf, jedoch das für mich Unbefriedigenste und noch nicht einmal im Grundsatz annehmbarste überhaupt ist der eliminative Materialismus (die Behauptung, es gäbe gar kein Problem; das Problem einfach wegzuerklären, zu behaupten, es sei alles gesagt, wenn man irgendwelche kausalen Prozesse aufzeigt und behauptet, in Wirklichkeit gäbe es gar kein phänomenales Erleben, nur diese Prozesse). Da kann ich ja auch gleich wieder gläubig werden und offene Fragen einfach dogmatisch wegdrücken, weil die meine Weltanschauung bedrohen, das ist keinen Deut besser als das.
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Beitrag(#1454979) Verfasst am: 05.04.2010, 19:16    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
....Was ich dabei immer noch nicht so ganz verstehe: Wenn wir Bewusstsein insgesamt als eine Funktionalität unserer Datenverarbeitung verstehen und wenn wir weiterhin - rein funktional - feststellen, dass die Gefühle, also subjektive Erlebnisse, ein Kanal sind, um Daten ins Bewusstsein zu transportieren, worin für die Verarbeitung dieser Daten die Besonderheit dieses Kanals liegt, dass es so wichtig ist, ihn in der Simulation exakt nachzubilden...

Da Du bis jetzt nicht geantwortet hast, noch einmal: Welchen Sinn macht es überhaupt für die Erforschung der Evolution des Bewusstseins, auf einem Verständnis des Zusammenhanges von der Maschinenebene zum Gesamtverhalten des Systems zu bestehen. Für die Analyse eines SAP-Systems mit der Mikroprogammierung der beteiligten Prozessoren zu beginnen, das wäre ein Ansatz, mit dem Du Informatiker über die ausgelösten Lachkrämpfe töten könntest, aber immer noch ein Klacks, gegen das was Du einforderst.

Deshalb: Einmal völlig abgesehen davon, dass sie nicht bearbeitbar ist: Worin liegt für die Untersuchung der Evolution des Bewusstseins der besondere Vorteil deiner Fragestellung?

Um Bewusstsein zu verstehen benötigt man eine Erklärung, wie der Übergang von prozessualen / funktionalistischen Vorgängen zum bewussten / subjektiven Erleben auf diese Vorgänge herleitbar / zurückführbar ist.

Wenn ich nur die Außenwirkung eines System betrachte, dann kann ich, um die nachzubilden, das auf verschiedene (mit einer vielleicht unendlich großen Anzahl) Weise nachbilden.

Es geht ja übrigens nicht um einen Übergang von der 'Maschinenebene' zu 'Bewusstseinsebene', sondern eine von der 'Algorithmusebene' zur 'Bewusstseinsebene', (denn der Übergang von der 'Maschinenebene' zur 'Algorithmusebene' ist mE grundsätzlich erklärbar).

Wenn ich lediglich ein System erschaffen möchte, das eine gewisse Funktionalität hat (z.B. Beispiel einen Schachcomputer), dann muss ich mich um die Frage des Bewusstseins überhaupt nicht kümmern. Aber ich kann dann eben auch nicht (grundlos) behaupten, dass, wenn ich einen sehr guten Schachcomputer programmiert habe, der deswegen Bewusstsein hätte.

Um das Bewusstsein (und die evolutionäre Herleitung dessen) zu erforschen, muss ich z.B. überlegen, welche Funktion das Bewusstsein hat, wozu es notwendig ist, was ein System notwendigerweise nicht könnte, wenn es kein Bewusstsein hätte. Und diese Frage ist mE offen, kann nicht beantwortet werden, (ich zumindest habe keine Antwort) - von der rein materialistischen / funktionalen Betrachtungsebene her ist die Antwort: Bewusstsein hat keine Funktion. Wenn aber das Bewusstsein nur ein Epiphänomen ist, diese Frage also mit: 'Bewusstsein hat gar keine Funktion, ist nur ein (notwendig) enstandener Nebeneffekt' beantwortet wird, dann habe ich ein großes Problem bei der evolutionären Herleitung. Dann müsste zumindest die Notwendigkeit dieses funktionslosen / kausal unwirksamen Nebeneffektes hergeleitet werden können, (so wie eben das dichte Fell eines Eisbären notwendigerweise ein gewisses Gewicht hat - wobei dieses Beispiel insofern ein wenig hinkt, keine genaue Analogie sein kann, weil Gewicht natürlich eine kausale Auswirkung auf das Gesamtsystem hat und Bewusstsein diese laut Epiphänomenalismus nicht haben darf), um die Behauptung begründen zu können.


Zuletzt bearbeitet von AgentProvocateur am 05.04.2010, 19:18, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag(#1454980) Verfasst am: 05.04.2010, 19:16    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und so (aus dieser materialistischen / funktionalistischen Sichtweise) entsteht eben die Ansicht, Bewusstsein sei ein reines Epiphänomen, es trage nichts zum Funktionieren des Systemes bei, könne nicht kausal wirksam sein. Woraus dann aber mMn eben folgt, dass Zombies logisch möglich sind. (Es sei denn, man könnte irgendwie zeigen, dass Bewusstsein notwendigerweise in diesem System entsteht - so wie zum Beispiel das Gewicht des Felles eines Eisbären zwar irrelevant für die evolutionär erklärbare Funktion des Felles für eine effektive Wärmespeicherung ist, insofern also ein Epiphänomen ist, aber dennoch ein notwendiger, nicht wegdenkbarer Nebeneffekt: ein dichtes Fell hat nun mal ein gewisses Gewicht, das ergibt sich aus den grundlegenden Eigenschaften unserer Welt.).

Wobei das in Klammern eigentlich der Normalfall ist: Aufgrund der Naturgesetzlichkeit der Welt würde ich annehmen, daß alle Epiphänomene notwendig sind.

Interessanterweise wird übrigens immer, wenn es um die Nützlichkeit von Bewußtsein geht, funktionalistisch argumentiert: z.B. daß Meinigkeit, personales Bewußtsein und dgl. nützlich sind, weil sie ein Selbstmodell des Handelden realisieren usw. - wäre Bewußtsein etwas fundamental über dieses Selbstmodell hinausgehendes, müßte erklärt werden, wozu es das überhaupt gibt. Daher finde ich, daß gerade die epiphänomenalistische These ontologisch besondes schlank ist und daher weniger Probleme mit dem "wozu"-Argument hat als die Behauptung kategorischer Qualia und kausaler mentaler Zustände.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und wenn Bewusstsein ein auswirkungsloses Epiphänomen ist, dann kann logischerweise meine Behauptung, bewusst etwas zu erleben, nicht von meinem Bewusstsein abhängen, denn falls doch, hätte mein Bewusstsein ja eine Auswirkung.

Ja, im Epiphänomenalismus wäre Deine Überzeugung, bewußt etwas zu erleben, ein Epiphänomen eines physikalischen Zustands (z.B. Erinnerung oder Referenzierung), der kausal aus einem vorherigen Zustand folgt, der ein Erlebnisphänomen hervorbrachte.

ABER: Physikalische Zustände, die z.B. Erinnerung oder Referenzierung realisieren, können sehrwohl gerade dadurch spezielle Wirkungen auslösen. Es wäre sehr naheliegend, diese mit den Folgen von Erlebnissen zu verwechseln.
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Zuletzt bearbeitet von step am 05.04.2010, 19:25, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag(#1454985) Verfasst am: 05.04.2010, 19:24    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn ich lediglich ein System erschaffen möchte, das eine gewisse Funktionalität hat (z.B. Beispiel einen Schachcomputer), dann muss ich mich um die Frage des Bewusstseins überhaupt nicht kümmern. Aber ich kann dann eben auch nicht (grundlos) behaupten, dass, wenn ich einen sehr guten Schachcomputer programmiert habe, der deswegen Bewusstsein hätte.

Nehmen wir mal an, es gelänge, eine einigermaßen getreue physikalische Kopie eines lebenden Menschen zu erzeugen, also inklusive seines neuronalen Zustands und seiner Körperfunktionen.

A. Dieser würde mE von sehr ähnlichen Erlebnissen berichten wie das Original.
B. Dieser wäre mE nicht mehr Zombie als das Original.

Wenn ich Deine Einwände gegen den Epiphänomenalismus richtig verstehe, siehst Du bereits A. anders, oder?
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Beitrag(#1455041) Verfasst am: 05.04.2010, 20:51    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und so (aus dieser materialistischen / funktionalistischen Sichtweise) entsteht eben die Ansicht, Bewusstsein sei ein reines Epiphänomen, es trage nichts zum Funktionieren des Systemes bei, könne nicht kausal wirksam sein. Woraus dann aber mMn eben folgt, dass Zombies logisch möglich sind. (Es sei denn, man könnte irgendwie zeigen, dass Bewusstsein notwendigerweise in diesem System entsteht - so wie zum Beispiel das Gewicht des Felles eines Eisbären zwar irrelevant für die evolutionär erklärbare Funktion des Felles für eine effektive Wärmespeicherung ist, insofern also ein Epiphänomen ist, aber dennoch ein notwendiger, nicht wegdenkbarer Nebeneffekt: ein dichtes Fell hat nun mal ein gewisses Gewicht, das ergibt sich aus den grundlegenden Eigenschaften unserer Welt.).

Wobei das in Klammern eigentlich der Normalfall ist: Aufgrund der Naturgesetzlichkeit der Welt würde ich annehmen, daß alle Epiphänomene notwendig sind.

Man muss zeigen können, wieso sie notwendig sind. Kann man das nicht, behauptet man einfach, dass eben alle Phänomene (völlig egal, welche: einer steht von den Toten auf, jemand kann Wasser in Wein verwandeln, etc. pp.) per se notwendig seien, weil die Welt naturgesetzlich sei und alles folge halt einfach aus bisher unbekannten Naturgesetzen, weil das nun mal so sei, ist das (nach meinem Verständnis) kein Materialismus mehr. Eher so 'ne Art Religion.

step hat folgendes geschrieben:
Interessanterweise wird übrigens immer, wenn es um die Nützlichkeit von Bewußtsein geht, funktionalistisch argumentiert: z.B. daß Meinigkeit, personales Bewußtsein und dgl. nützlich sind, weil sie ein Selbstmodell des Handelden realisieren usw. - wäre Bewußtsein etwas fundamental über dieses Selbstmodell hinausgehendes, müßte erklärt werden, wozu es das überhaupt gibt. Daher finde ich, daß gerade die epiphänomenalistische These ontologisch besondes schlank ist und daher weniger Probleme mit dem "wozu"-Argument hat als die Behauptung kategorischer Qualia und kausaler mentaler Zustände.

Phänomenales Bewusstsein ist aber nun mal etwas anderes als ein Selbstmodell. Das erscheint mir evident, denn es ist ja ohne Probleme vorstellbar, einen Roboter zu konstruieren, der ein rudimentäres Selbstmodell hat, aber kein Bewusstsein. Es mag ja sein, dass ein gewisses Selbstmodell ein notwendiger Bestandteil für ein Bewusstsein ist, aber die Behauptung, das sei auch schon hinreichend, (und nur dann könnte man es [eventuell] gleichsetzen), ist mE unbegründet.

Wenn 'fundamental darüber hinausgehendes' bedeuten soll: 'Selbstmodell' != 'Bewusstsein': ja, dann ist das (mE offensichtlich) so (oder man vertritt eine Art Panpsychismus - auch das primitivste Selbstmodel würde dann schon ein primitives Bewusstsein erzeugen - aber Panpsychisimus erscheint mir leider auch wenig selbstverständlich, ist mit gewissen Problemen verhaftet, die einer Klärung bedürfen).

Meine Frage richtet sich übrigens nicht nach dem 'wozu', sondern erst mal nach dem 'wie (funktioniert das, wie ist das erklärbar)'.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und wenn Bewusstsein ein auswirkungsloses Epiphänomen ist, dann kann logischerweise meine Behauptung, bewusst etwas zu erleben, nicht von meinem Bewusstsein abhängen, denn falls doch, hätte mein Bewusstsein ja eine Auswirkung.

Ja, im Epiphänomenalismus wäre Deine Überzeugung, bewußt etwas zu erleben, ein Epiphänomen eines physikalischen Zustands (z.B. Erinnerung oder Referenzierung), der kausal aus einem vorherigen Zustand folgt, der ein Erlebnisphänomen hervorbrachte.

Ja, was dann zu meiner Frage zurückführt: wie kommt das? wo ist der Zusammenhang des Erlebens zum physikalischen Zustand? wie kann man den zeigen / auf etwas Grundsätzliches zurückführen? wieso ist dieser Zusammenhang ein (naturgesetzlich) notwendiger? Warum so und nicht anders?

step hat folgendes geschrieben:
ABER: Physikalische Zustände, die z.B. Erinnerung oder Referenzierung realisieren, können sehrwohl gerade dadurch spezielle Wirkungen auslösen. Es wäre sehr naheliegend, diese mit den Folgen von Erlebnissen zu verwechseln.

Was die implizite Prämisse beinhaltet: nur die physikalischen Zustände sind eigentlich wirklich. Alles andere ist nur Beiwerk, vielleicht notwendig, aber Letztlich unnütz (für das 'Wahre', das was 'wirklich dahinter steckt') und somit Illusion, Täuschung, weil sie und das 'Wahre' unterschiedlich sind.

Was mir auch so per se wenig plausibel erscheint, was also begründet werden müsste. Der Gedanke, der dahinter steckt, ist anscheinend der einer 'tieferen Wahrheit', einer 'richtigen Wirklichkeit'. Was jedoch leider ebenfalls nicht evident ist, mE.
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Beitrag(#1455052) Verfasst am: 05.04.2010, 21:19    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... Aufgrund der Naturgesetzlichkeit der Welt würde ich annehmen, daß alle Epiphänomene notwendig sind.
Man muss zeigen können, wieso sie notwendig sind. Kann man das nicht, behauptet man einfach, dass eben alle Phänomene (völlig egal, welche: einer steht von den Toten auf, jemand kann Wasser in Wein verwandeln, etc. pp.) per se notwendig seien, weil die Welt naturgesetzlich sei und alles folge halt einfach aus bisher unbekannten Naturgesetzen, weil das nun mal so sein, ist das (nach meinem Verständnis) kein Materialismus mehr. Eher so 'ne Art Religion.

Wir sind uns ja einig, daß noch wesentliche Erklärungen ausstehen. Es ist allerdings schon etwas merkwürdig, daß beim "Bewußtsein" auch Leute von "fundamental anderen, unphysikalischen Kategorien" und "Indizien dafür" reden, die das bei ähnlich unvollständiger Theorienlage auf anderen Feldern wohl nie tun würden.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es mag ja sein, dass ein gewisses Selbstmodell ein notwendiger Bestandteil für ein Bewusstsein ist, aber die Behauptung, das sei auch schon hinreichend, (und nur dann könnte man es [eventuell] gleichsetzen), ist mE unbegründet.

Ich glaube immer noch, daß Du die Wahrnehmung intuitiv um eine Ego-Komponente erweiterst, und aus dieser Mischung entsteht überhaupt erst die (eigentlich abwegige, aber verbreitete) Vermutung, Qualia könnten mehr sein als ein neuronales Modell einer Wahrnehmung, eine Person sei mehr als ihr Körper und Gehirn, usw.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Meine Frage richtet sich übrigens nicht nach dem 'wozu', sondern erst mal nach dem 'wie (funktioniert das, wie ist das erklärbar)'.

Ich kam auf das "wozu", weil Du das Beispiel mit dem Bärefell aus dem evolutionistischen Anti-EP Argument brachtest.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
ABER: Physikalische Zustände, die z.B. Erinnerung oder Referenzierung realisieren, können sehrwohl gerade dadurch spezielle Wirkungen auslösen. Es wäre sehr naheliegend, diese mit den Folgen von Erlebnissen zu verwechseln.
Was die implizite Prämisse beinhaltet: nur die physikalischen Zustände sind eigentlich wirklich.

Nein, es ist erstmal nur ein Argument dafür, daß gerade der EP kein Problem mit der Tatsache hätte, daß es intuitiv eine Kausalität auf Epi-Ebene gibt.
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Beitrag(#1455085) Verfasst am: 05.04.2010, 22:17    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Wir sind uns ja einig, daß noch wesentliche Erklärungen ausstehen. Es ist allerdings schon etwas merkwürdig, daß beim "Bewußtsein" auch Leute von "fundamental anderen, unphysikalischen Kategorien" und "Indizien dafür" reden, die das bei ähnlich unvollständiger Theorienlage auf anderen Feldern wohl nie tun würden.

Naja, ich meine eben, dass phänomenales Bewusstsein ein unvergleichbares Problem ist, es also keine (hinreichend vergleichbare) Analogie dazu gibt. Und was Du unter 'fundamental' anders und 'unphysikalisch' meinst, ist mir erst mal nicht klar. Mir erscheint es geradezu selbstverständlich, dass 'Erleben' keine physikalische Kategorie ist. Aber ich weiß nicht, was Du darunter verstehst. Wenn Du per se alle Kategorien als 'physikalisch' betrachtest, dann ist das mE völlig sinnlos, bzw. ich verstehe den Sinn dessen dann nicht.

Die Frage für mich, (in meinem Verständnis von 'Kategorie'), wäre also, ob und wenn ja wie man die unphysikalische Kategorie 'Erleben' auf physikalische Kategorien zurückführen kann.

Aber einfach alles per se als 'physikalische Kategorie' zu bezeichnen erscheint mir merkwürdig. Zum Beispiel ist 'Wasser kocht' keine physikalische Kategorie, ist aber ohne große Probleme auf physikalische Kategorien zurückführbar (so und solche Luftblasen entstehen oder so).

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es mag ja sein, dass ein gewisses Selbstmodell ein notwendiger Bestandteil für ein Bewusstsein ist, aber die Behauptung, das sei auch schon hinreichend, (und nur dann könnte man es [eventuell] gleichsetzen), ist mE unbegründet.

Ich glaube immer noch, daß Du die Wahrnehmung intuitiv um eine Ego-Komponente erweiterst, und aus dieser Mischung entsteht überhaupt erst die (eigentlich abwegige, aber verbreitete) Vermutung, Qualia könnten mehr sein als ein neuronales Modell einer Wahrnehmung, eine Person sei mehr als ihr Körper und Gehirn, usw.

Was heißt 'mehr sein'? Es ist etwas anderes, ganz einfach. Etwas anderes als Körper, Gehirn, Selbstmodell, Weltmodell etc oder die Summe dessen. Da gibt es keine Ego-Komponente, ich verwahre mich lediglich gegen die Behauptung, phänomenales Bewusstsein sei schon damit erklärt, dass man Gleichungen folgender Art aufstellt: Bewusstsein == sensorischer Input + Verarbeitung dieses Inputs + Erstellung eines Weltmodells + Erstellung eines Selbstmodelles + bestimmte Reaktionen.

Ich meine, das erklärt die wesentliche Frage aber nicht, das berührt sie noch nicht einmal.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Meine Frage richtet sich übrigens nicht nach dem 'wozu', sondern erst mal nach dem 'wie (funktioniert das, wie ist das erklärbar)'.

Ich kam auf das "wozu", weil Du das Beispiel mit dem Bärefell aus dem evolutionistischen Anti-EP Argument brachtest.

Das Bärenfell ist aber, wie Du vielleicht weißt, eine unpassende Analogie, denn das Gewicht hat einen kausalen Einfluss auf die Welt (das Gesamtsystem). Das Problem beim Epiphänomenalismus ist, dass diese Analogie insofern nicht passt, als a) die Notwendigkeit des Gewichtes durch grundlegende Eigenschaften unserer Welt erklärbar ist und b) das Gewicht eben einen kausalen Einfluss auf die Welt hat (lediglich nicht innerhalb des willkürlich festgelegten Systemes / Nutzens -> Wärmespeicherung). Ein Epiphänomenalist bezüglich des Bewusstseins behauptet aber, dass Bewusstsein überhaupt keine Auswirkung auf das gesamte System (-> Universum) hat. Und das ist, hm, ungewöhnlich, mit nichts anderem vergleichbar, bedarf einer gesonderten Erklärung, die anders ist als die mit dem Fell, die diese Besonderheit erklären kann. Da ploppt also ein Bewusstsein auf, einfach so, ohne ersichtlichen Grund und sogar ohne Wirkung auf irgend etwas in der Welt, ein mit nichts vergleichbares 'Phänomen-für-sich'. Wenn das nicht einer Erklärung bedarf, dann weiß ich auch nicht.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
ABER: Physikalische Zustände, die z.B. Erinnerung oder Referenzierung realisieren, können sehrwohl gerade dadurch spezielle Wirkungen auslösen. Es wäre sehr naheliegend, diese mit den Folgen von Erlebnissen zu verwechseln.

Was die implizite Prämisse beinhaltet: nur die physikalischen Zustände sind eigentlich wirklich.

Nein, es ist erstmal nur ein Argument dafür, daß gerade der EP kein Problem mit der Tatsache hätte, daß es intuitiv eine Kausalität auf Epi-Ebene gibt.

Doch, das Problem hat er sehr wohl: wo ist dieser Zusammenhang zwischen einem physiologischen Vorgang und einem mentalen? Es ist ja überhaupt kein Problem, sich vorzustellen, dass entweder a) jemand deswegen zum Arzt geht, weil sein Zahn Nerven reizt, "er" das aber nicht weiß / mitbekommt, (weil er gar keine phänomenales Bewusstsein hat), falls die Erklärung, warum er zum Arzt geht, hinreichend beschrieben ist durch die kausale Nervenreizung des Zahnes, die einzig (ohne dass etwas hinzukommen muss) den Gang zum Arzt verursacht (falls nur kausale Vorgänge etwas verursachen können) und b) warum der Schmerz nicht als angenehm empfunden wird (denn das hat ja nichts mit dem Gang zum Arzt zu tun, falls dieser hinreichend durch die Nervenreizung erklärt werden kann).

Mir scheint, das ganze Problem entsteht überhaupt nur dann, wenn die Naturwissenschaften den Anspruch erheben, alles hinreichend erklären zu können, die Wirklichkeit komplett abbilden zu können. Nur dann stellen sich diese ganzen Fragen. Verzichtet die Naturwissenschaft auf diesen Anspruch, sieht sie sich lediglich als einen Teil eines größeren Ganzen, das die Wirklichkeit ausmacht, für einen Teil der Erklärung der Wirklichkeit (sehr) nützlich ist, dann braucht man im Rahmen der Naturwissenschaft keine Erklärung mehr für alles zu fordern. Dann kann man eben sagen: 'dieser Teil der Wirklichkeit ist zurzeit nicht Gegenstand der Naturwissenschaften', (was dann aber nicht mehr automatisch bedeutet: das ist deswegen auch nicht wirklich).
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Beitrag(#1455097) Verfasst am: 05.04.2010, 22:39    Titel: Antworten mit Zitat

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Ascanius hat folgendes geschrieben:
Warum nur vergeuden sogar Neurobiologen ihre Zeit immer wieder mit denselben Banalitäten?


Bezieht sich Deine fragende Antwort auf die von mir verlinkte Dokumentation auf 3sat:

"Dem Bewußtsein auf der Spur" , weil Du ja direkt darauf gepostet hast ?


Unter Anderem. So interessant die Ergebnisse neurowissenschaftlicher Forschung auch sein mögen, so ganz und gar nicht revolutionär sind sie in philosophischer Hinsicht. Einen "freien Willen" kann es schon aus logischem Grunde nicht geben, und auch der Umstand, daß sich Gehirne in spezifischer Weise regen, bevor ihren Besitzern etwas Bestimmtes bewußt wird, liegt in der Natur von Bewußtwerdungsprozessen. Einige Neurowissenschaftler wären gut beraten, ihre Erkenntnisse etwas niedriger zu hängen oder wenigstens philosophisch verantwortungsvoller zu kommentieren.
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Beitrag(#1455098) Verfasst am: 05.04.2010, 22:40    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Das innere Gewahren von Erlebnissen wie Empfindungen ist nicht analog zur Wahrnehmung äußerer Gegenstände mit einer Subjekt-Objekt-Struktur. Denn für alle Erlebnisse gilt: Sein heißt Erlebtwerden!


Unklare Formulierung! Allerdings macht es kaum einen Unterschied, ob Du vom Sein der Erlebnisse sprichst oder vom Sein der Dinge/Prozesse, die erlebt werden, denn Ersteres ist banal und Letzteres falsch: während Dinge unabhängig davon existieren, ob sie wahrgenommen werden (können), besteht die Wahrnehmung außerkörperlicher Dinge und ihrer Veränderungen ebenso in Gehirnprozessen wie die Wahrnehmung innerkörperlicher Dinge und ihrer Veränderungen.

Myron hat folgendes geschrieben:
Wenn ich zum Beispiel einen Schmerz in meiner linken Wade spüre, dann existierte dieser nicht, bevor ich mir seiner bewusst wurde.
Es gibt hier keine Zeitverzögerung wie beim Sehen eines Baumes, wo es einen Moment dauert, bis das vom Baumstamm reflektierte Licht meine Augen erreicht.


Auch zwischen der Auslösung von bestimmten Gehirnprozessen, deren Äquivalenzklasse wir als Schmerz bezeichnen, und ihrer Bewußtwerdung vergeht etwas Zeit, denn: jede Bewußtwerdung ist eine Bewußtwerdung von etwas. Es liegt also in der Natur von Bewußtwerdungen, daß sie sich auf bereits Geschehenes beziehen. Außerdem sind die Reaktionszeiten neuronaler Systeme zu berücksichtigen, d.h. wir haben es mit gleich zwei Verzögerungen zu tun: Reiz -> Reaktion des Nervensystems -> Bewußtwerdung dieser Reaktion. Übrigens ging es mir in meinem ersten Posting nur um die Feststellung, daß die Kontroversen um einige neurowissenschaftliche Erkenntnisse, bzw. deren "Interpretationen" auf philosophischen Ungenauigkeiten beruhen und in der Sache überflüssig sind.

Myron hat folgendes geschrieben:
Ich sage ja nur, dass ein psychophysischer Vorgang erlebt wird, sobald er einsetzt.


Nicht alles, was wir "erleben", wird uns auch bewußt, aber was uns bewußt wird, muß bereits geschehen sein. Weil ich die Vorstellung von einem "gegenstandslosen" Bewußtsein für absurd halte, verwende ich den Bewußtseinsbegriff schon lange nicht mehr unabhängig vom jeweiligen konkreten Etwas, dessen sich ein Wesen bewußt wird (übrigens bisher ganz ohne Folgeprobleme). Bezeichnenderweise hat noch niemand in diesem Thread eine zirkelschlußfreie und anwendbare Definition des "isolierten" Begriffes "Bewußtsein" vorgelegt. Wie auch in Diskussionen über "Gott" wird hier also ein Begriff strapaziert, dessen Bezugsobjekt unbenannt ist. Solche Diskussionen führen offensichtlich geradewegs nirgendwohin.
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Deus ex Machina
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Beitrag(#1455128) Verfasst am: 05.04.2010, 23:42    Titel: Antworten mit Zitat

@AP: Damit sind wir wohl wieder da, wo die Diskussion begonnen hat. Ich habe alles gesagt, was ich zu sagen habe und denke nicht, dass jemand von uns kurzfristig noch seinen Standpunkt ändern wird. Das schöne an solchen Diskussionen ist, dass sie dennoch helfen, sich über die eigene Position klar zu werden und Struktur in die eigenen Gedanken zu bringen.

Noch dazu:

Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:
Das war ja auch nicht die Aussage. Es ging um Intuitionen im Sinne von Konzeptionen dessen, was Bewusstsein ist. Meine Quelle ist ein persönliches Gespräch, ich suche aber nach etwas schriftlichem.


Blackmore S., Conversations on Consciousness, p.151

Zitat:
Thomas [Metzinger] It is certainly true that conscious experiences can take place in individual models of reality, in individual brains, and from an individual first person perspective. The question ist whether you can generate a real, deep mystery out of that fact. And the deeper question ist, what the hell is a self, an what actually is a first person perspective? I would argue it is a very, very specific kind of representational structure, a way in which brains depict a world as a centred world, as a world that's centred around a self, an which has proved to be adaptive, biologically successful. That's what generates the problem.

Related to that, I don't think there is a principled explanatory gap between the brain and conscious experience, but there may indeed be something like an intelligibility gap. It may be that even if we have a satisfactory theory of consciousness, this theory is not intuitively plausible to us, and we cannot consciously experience the truth of that theory.

[kurz: Gegenwärtige physikalische Theorien sind auch nicht intuitiv plausibel und werden dennoch akzeptiert.]

On the other hand, everybody thinks a theory of consciousness has to give you some intuitive insight into the phenomenon. But nobody ever said that a theory about a phenomenon should recreate the phenomenon - so for instance, a theory about bat consciousness an the sensory qualities of bats does not have to create that consciousness for people who read that theory in books later on. This is just a false criterion for what would be a good theory about consciousness.


Ich bin hier übrigens völlig mit Metzinger einig, insbesondere mit dem zweiten Abschnitt.
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Beitrag(#1455140) Verfasst am: 06.04.2010, 00:30    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:

[W]ährend Dinge unabhängig davon existieren, ob sie wahrgenommen werden (können), besteht die Wahrnehmung außerkörperlicher Dinge und ihrer Veränderungen ebenso in Gehirnprozessen wie die Wahrnehmung innerkörperlicher Dinge und ihrer Veränderungen.


Natürlich liegen sowohl äußeren Wahrnehmungen wie dem Sehen eines Baumes als auch inneren Wahrnehmungen (Empfindungen) wie dem Spüren eines Schmerzes in der Wade Nervenvorgänge zugrunde; aber der Unterschied besteht darin, dass erstens das Sein des Schmerzes im Gegensatz zum Sein des Baumes in seinem Wahrgenommenwerden, Empfundenwerden besteht und zweitens Schmerzen im Gegensatz zu Bäumen keine Dinge sind. Die Wahrnehmung eines Schmerzes in der Wade besteht genau genommen in der Wahrnehmung des Schmerzens der Wade, wobei man bestenfalls die Wade als ein Ding bezeichnen kann, aber nicht das Schmerzen der Wade.

Ascanius hat folgendes geschrieben:

Es liegt also in der Natur von Bewußtwerdungen, daß sie sich auf bereits Geschehenes beziehen. Außerdem sind die Reaktionszeiten neuronaler Systeme zu berücksichtigen, d.h. wir haben es mit gleich zwei Verzögerungen zu tun: Reiz -> Reaktion des Nervensystems -> Bewußtwerdung dieser Reaktion.


Natürlich dauert es einen Moment, bis der von einem, sagen wir, Muskelfaserriss in der Wade ausgelöste Nervenreiz mein Gehirn erreicht hat. Doch solange dieser zunächst rein physische Vorgang nicht in einen psychophysischen Vorgang umgewandelt ist, sind keine Schmerzen vorhanden. Denn zu einem Schmerz gehört notwendigerweise das unmittelbare Gespürtwerden seiner Schmerzhaftigkeit.

Ascanius hat folgendes geschrieben:

Nicht alles, was wir "erleben", wird uns auch bewußt, aber was uns bewußt wird, muß bereits geschehen sein.


Ich halte die Phrase "bewusstes Erleben" für redundant, weil nach meinem Verständnis Erleben per se bewusstes Erleben ist. (Man kann allerdings zwischen Widerfahrnissen und Erlebnissen unterscheiden; das heißt, nicht alles, was mir körperlich widerfährt, muss von mir auch erlebt werden. Ein Beispiel: Elefanten kommunizieren u.a. im Infraschallbereich miteinander. Solche niederfrequenten Schallwellen werden von meinem Körper zwar empfangen, aber nicht in Hörerlebnisse umgewandelt.)

Und mein Punkt ist, dass wenn Bewusstseinsvorgänge Nervenvorgänge sind, sie logischerweise gleichzeitig mit diesen ablaufen. Das bedeutet freilich nicht, dass vor und während meiner Empfindungen keine unempfundenen Nervenvorgänge ablaufen, die somit keine Bewusstseinsvorgänge sind.

Was nun beispielsweise das Wahrnehmen eines innerkörperlichen Ereignisses wie dem Reißen einer Muskelfaser in der Wade anbelangt, so finden dieses physische Ereignis und das mit "Spüren eines Schmerzes in der Wade" beschriebene psychische (psychophysische) Ereignis in der Tat nicht völlig gleichzeitig statt, da ja die Reizweiterleitung zum Gehirn und die Verarbeitung des Reizes im Gehirn eine gewisse kurze Zeit in Anspruch nehmen, bevor das Schmerzerlebnis einsetzt.
Aber bei allen relevanten Körperereignissen und -vorgängen vor dem Spüren des Schmerzes handelt es sich eben nicht um geistig-seelische, sondern um rein körperliche Ereignisse und Vorgänge.

Ascanius hat folgendes geschrieben:

Bezeichnenderweise hat noch niemand in diesem Thread eine zirkelschlußfreie und anwendbare Definition des "isolierten" Begriffes "Bewußtsein" vorgelegt. Wie auch in Diskussionen über "Gott" wird hier also ein Begriff strapaziert, dessen Bezugsobjekt unbenannt ist. Solche Diskussionen führen offensichtlich geradewegs nirgendwohin.


In der Fachliteratur findet sich eine Unterscheidung zwischen transitivem und intransitivem Bewusstsein:

"Transitive Consciousness. In addition to describing creatures as conscious in these various senses, there are also related senses in which creatures are described as being conscious of various things. The distinction is sometimes marked as that between transitive and intransitive notions of consciousness, with the former involving some object at which consciousness is directed (Rosenthal 1986)."
(http://plato.stanford.edu/entries/consciousness/#2.1)

Bewusstseinszustände haben freilich immer einen subjektiven Inhalt und insofern ist Bewusstsein immer Bewusstsein-von-etwas. Subjektiv inhaltsloses Erleben ist Nichterleben.

Und was die Definition bzw. Definierbarkeit des Bewusstseinsbegriffs betrifft, so arbeite ich mit Folgendem:

Ein Lebewesen hat oder ist bei Bewusstsein genau dann, wenn es für es irgendwie ist zu sein, es irgendetwas erlebt, ihm die Welt, sein In-der-Welt-Sein irgendwie erscheint.

"Trying to define conscious experience in terms of more primitive notions is fruitless. One might as well try to define 'matter' or 'space' in terms of something more fundamental. The best we can do is to give illustrations and characterizations that lie at the same level. These characterizations cannot qualify as true definitions, due to their implicitly circular nature, but they can help to pin down what is being talked about. I presume that every reader has conscious experiences of his or her own. If all goes well, these characterizations will help establish that it is just those that we are talking about.
The subject matter is perhaps best characterized as 'the subjective quality of experience.' When we perceive, think, and act, there is a whir of causation and information processing, but this processing does not usually go on in the dark. There is also an internal aspect; there is something it feels like to be a cognitive agent. This internal aspect is conscious experience. Conscious experiences range from vivid color sensations to experiences of the faintest background aromas; from hard-edged pains to the elusive experience of thoughts on the tip of one's tongue; from mundane sounds and smells to the encompassing grandeur of musical experience; from the triviality of a nagging itch to the weight of a deep existential angst; from the specificity of the taste of peppermint to the generality of one's experience of selfhood. All these have a distinct experienced quality. All are prominent parts of the inner life of the mind.
We can say that a being is conscious if there is something it is like to be that being, to use a phrase made famous by Thomas Nagel. Similarly, a mental state is conscious if there is something it is like to be in that mental state. To put it another way, we can say that a mental state is conscious if it has a qualitative feel—an associated quality of experience. These qualitative feels are also known as phenomenal qualities, or qualia for short. The problem of explaining these phenomenal qualities is just the problem of explaining consciousness. This is the really hard part of the mind-body problem."


(Chalmers, David J. The Conscious Mind: In Search of a Fundamental Theory. New York: Oxford University Press, 1996. p. 4)


Zuletzt bearbeitet von Myron am 06.04.2010, 00:54, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag(#1455141) Verfasst am: 06.04.2010, 00:51    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
.....
Mir scheint, das ganze Problem entsteht überhaupt nur dann, wenn die Naturwissenschaften den Anspruch erheben, alles hinreichend erklären zu können, die Wirklichkeit komplett abbilden zu können. Nur dann stellen sich diese ganzen Fragen. Verzichtet die Naturwissenschaft auf diesen Anspruch, sieht sie sich lediglich als einen Teil eines größeren Ganzen, das die Wirklichkeit ausmacht, für einen Teil der Erklärung der Wirklichkeit (sehr) nützlich ist, dann braucht man im Rahmen der Naturwissenschaft keine Erklärung mehr für alles zu fordern. Dann kann man eben sagen: 'dieser Teil der Wirklichkeit ist zurzeit nicht Gegenstand der Naturwissenschaften', (was dann aber nicht mehr automatisch bedeutet: das ist deswegen auch nicht wirklich).

Mit dieser Aussage habe ich überhaupt keine Schwierigkeiten - ein großer Teil unseres Streites beruht wahrscheinlich auf einer berufsbedingt anderen Wertung, wobei ich allerdings auch unter dieser Sicht bei einigen Aussagen Schwierigkeiten habe:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
...
Es geht ja übrigens nicht um einen Übergang von der 'Maschinenebene' zu 'Bewusstseinsebene', sondern eine von der 'Algorithmusebene' zur 'Bewusstseinsebene', (denn der Übergang von der 'Maschinenebene' zur 'Algorithmusebene' ist mE grundsätzlich erklärbar). ....

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
.....
Ja, was dann zu meiner Frage zurückführt: wie kommt das? wo ist der Zusammenhang des Erlebens zum physikalischen Zustand? wie kann man den zeigen / auf etwas Grundsätzliches zurückführen? wieso ist dieser Zusammenhang ein (naturgesetzlich) notwendiger? Warum so und nicht anders?.....

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
....Mir erscheint es geradezu selbstverständlich, dass 'Erleben' keine physikalische Kategorie ist. ....

Hier beißt sich nach meinem Empfinden etwas.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
...
Meine Frage richtet sich übrigens nicht nach dem 'wozu', sondern erst mal nach dem 'wie (funktioniert das, wie ist das erklärbar)'. ...

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
.....ich verwahre mich lediglich gegen die Behauptung, phänomenales Bewusstsein sei schon damit erklärt, dass man Gleichungen folgender Art aufstellt: Bewusstsein == sensorischer Input + Verarbeitung dieses Inputs + Erstellung eines Weltmodells + Erstellung eines Selbstmodelles + bestimmte Reaktionen.

Ich meine, das erklärt die wesentliche Frage aber nicht, das berührt sie noch nicht einmal. .....

Hier ist jetzt kein interner Widerspruch bei dir, aber deutlicher zu mir, wahrscheinlich auch zu step. Für mich geht es hier immer noch um den evolutiven Vorteil dieser Veranstaltung, die wir Bewusstsein nennen und das ist zwangläufig zuerst die Frage wozu. Ein näheres Verständnis des Wie ist dazu zunächst nicht nötig, genauso wie es nicht notwendigerweise so ist, dass dieses Wie bei Vögeln und Säugern - bei beiden gibt es Formen, bei denen wir von Bewusstsein ausgehen - identisch ist. Die Evolution tranportiert die Funktion, den Nutzen, wenn er existiert; das Wie ist nicht unbedingt identisch, es gibt auch soetwas wie Konvergenz. Insekten, Spinnen, Vögel und Säuger habe alle das Fliegen gelernt, aber diese Entwicklungen erfolgten unabhängig voneinander und benutzten z.T. sehr unterschiedliche Techniken.

Was allerdings aus der Sicht eines Naturwissenschaftlers nötig ist, ist eine Definition oder zumindest Einengung dieses Begriffes, damit wir überhaupt wissen, worüber wir uns unterhalten - und aus dieser Sicht wäre es mir ziemlich egal, ob nun irgend ein Philosoph kommt und sich dagegen verwahrt. Aus dieser Zunft bin ich es im Zweifelsfall sogar gewöhnt, dass für einen Begriff, den alle benutzen x autorenspezifische Definitionen unterwegs sind, die sich in zentralen Punkten alle widersprechen. Die Existenzbegründung der Naturwissenschaft sieht anders aus. Außerdem solltzest Du eine Definition oder Einengung des Untersuchungsgegenstandes nicht mit einer Erklärung verwechseln. Und was das Wesentliche eines Gegenstandes ist, entscheiden weniger Personen als Blickrichtungen.

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Beitrag(#1455159) Verfasst am: 06.04.2010, 08:22    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
.....ich verwahre mich lediglich gegen die Behauptung, phänomenales Bewusstsein sei schon damit erklärt, dass man Gleichungen folgender Art aufstellt: Bewusstsein == sensorischer Input + Verarbeitung dieses Inputs + Erstellung eines Weltmodells + Erstellung eines Selbstmodelles + bestimmte Reaktionen.

Ich meine, das erklärt die wesentliche Frage aber nicht, das berührt sie noch nicht einmal. .....


Hier ist jetzt kein interner Widerspruch bei dir, aber deutlicher zu mir, wahrscheinlich auch zu step. Für mich geht es hier immer noch um den evolutiven Vorteil dieser Veranstaltung, die wir Bewusstsein nennen und das ist zwangläufig zuerst die Frage wozu. Ein näheres Verständnis des Wie ist dazu zunächst nicht nötig, genauso wie es nicht notwendigerweise so ist, dass dieses Wie bei Vögeln und Säugern - bei beiden gibt es Formen, bei denen wir von Bewusstsein ausgehen - identisch ist. Die Evolution tranportiert die Funktion, den Nutzen, wenn er existiert; das Wie ist nicht unbedingt identisch, es gibt auch soetwas wie Konvergenz. Insekten, Spinnen, Vögel und Säuger habe alle das Fliegen gelernt, aber diese Entwicklungen erfolgten unabhängig voneinander und benutzten z.T. sehr unterschiedliche Techniken.


Ganz genau! Bewusstsein könnte theoretisch durch ganz unterschiedliche "Vorrichtungen" zustande kommen und es kann vielleicht auch verschiedene Arten von Bewusstsein geben, nicht bloß verschiedene Grade.

Die Frage des "Wie" erweitert sich also tatsächlich zu einer Frage des "Warum". Ein "Wozu" finde ich ebenfalls zu kurz gehupft, weil es in der Evolution letztlich keine Zwecke gibt, sondern tatsächlich bloß Entwicklungsformen, die durch ihre Entwicklung in Wechselwirkung mit der Umwelt in der Zeit erklärt werden können und auch müssen.

Denn selbst, wenn man einen Zweck setzt (- "wozu"? -), so kann ja derselbe Zweck eben auch durch ganz unterschiedliche Entwicklungen erreicht werden, also durch ein Bewusstsein ebenso wie auch durch ein Nicht-Bewusstsein.

Eine "Warum"-Frage stellt immer die Frage nach den Bedingungen, den notwendigen und den hinreichenden. Eine "Wie"-Frage dagegen guckt sozusagen ex post, so als wenn schon in den ursprünglichen Ausgangsbedingungen der aktuelle Punkt der Entwicklung angelegt war. War er aber ex ante nicht unbedingt.

fwo hat folgendes geschrieben:
Was allerdings aus der Sicht eines Naturwissenschaftlers nötig ist, ist eine Definition oder zumindest Einengung dieses Begriffes, damit wir überhaupt wissen, worüber wir uns unterhalten - und aus dieser Sicht wäre es mir ziemlich egal, ob nun irgend ein Philosoph kommt und sich dagegen verwahrt. Aus dieser Zunft bin ich es im Zweifelsfall sogar gewöhnt, dass für einen Begriff, den alle benutzen x autorenspezifische Definitionen unterwegs sind, die sich in zentralen Punkten alle widersprechen. Die Existenzbegründung der Naturwissenschaft sieht anders aus. Außerdem solltzest Du eine Definition oder Einengung des Untersuchungsgegenstandes nicht mit einer Erklärung verwechseln. Und was das Wesentliche eines Gegenstandes ist, entscheiden weniger Personen als Blickrichtungen.


Vielleicht sollte man auch mal gucken, was es bereits an wissenschaftlichen und philosophischen Ansätzen und Debatten gibt. Ohne richtige Interpretation der Fakten geht es nicht. Die Hirnforschung allerdings zeichnet sich meist durch eine schlechte Interpretation ihrer gewonnenen Fakten aus, das heisst also, durch eine schlechte Philosophie. Aber das soll nicht das Problem sein. Die Fakten können ja immer noch besser interpretiert werden als bisher. Und sicher brauchen wir auch noch mehr davon.

Aber schwierig ist es schon, das Subjektive objektiv zu bestimmen, weil es halt eine teilnehmende Beobachtung ist ...-

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Beitrag(#1455230) Verfasst am: 06.04.2010, 11:07    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Ich halte die Phrase "bewusstes Erleben" für redundant, weil nach meinem Verständnis Erleben per se bewusstes Erleben ist.

Es ist jedoch bekannt, daß auch komplexe Wahrnehmungen unbewußt verarbeitet werden und dennoch die "geistig-seelische" Verfassung beeinflussen.

Myron hat folgendes geschrieben:
Und was die Definition ... des Bewusstseinsbegriffs betrifft, so arbeite ich mit Folgendem:

Ein Lebewesen hat oder ist bei Bewusstsein genau dann, wenn es für es irgendwie ist zu sein, es irgendetwas erlebt, ihm die Welt, sein In-der-Welt-Sein irgendwie erscheint.

Damit implizierst Du ja ein rudimentäres Selbstmodell. Würdest Du daher auch sagen, daß jedes beliebige Etwas, das ein rudimentäres Selbstmodell ausbildet mit Wahrnehmungen assoziiert, Bewußtsein hat? Wenn nein, warum nicht?
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Myron
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Beitrag(#1455425) Verfasst am: 06.04.2010, 19:34    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:

Es ist jedoch bekannt, daß auch komplexe Wahrnehmungen unbewußt verarbeitet werden und dennoch die "geistig-seelische" Verfassung beeinflussen.


Ich bestreite nicht, dass auch unbewusste Wahrnehmungen vorkommen, d.i. Empfangungen und Verarbeitungen von Sinnesreizen, die nicht mit entsprechenden Empfindungen einhergehen. (Stichwort "Blindsicht")

step hat folgendes geschrieben:

Myron hat folgendes geschrieben:

Ein Lebewesen hat oder ist bei Bewusstsein genau dann, wenn es für es irgendwie ist zu sein, es irgendetwas erlebt, ihm die Welt, sein In-der-Welt-Sein irgendwie erscheint.

Damit implizierst Du ja ein rudimentäres Selbstmodell. Würdest Du daher auch sagen, daß jedes beliebige Etwas, das ein rudimentäres Selbstmodell ausbildet mit Wahrnehmungen assoziiert, Bewußtsein hat? Wenn nein, warum nicht?


Bewusstsein ist bekanntlich nicht gleich Selbstbewusstsein. Das heißt, ich setze nicht voraus, dass ein bewusstes Lebewesen fähig ist, sich in Abgrenzung von seiner Umwelt ein begriffliches oder sprachliches Bild von sich selbst zu machen. Allerdings scheint die Grundfähigkeit zur Selbst/Fremd-Unterscheidung in tierischen Organismen bereits auf der rein physiologischen Ebene vorhanden zu sein. (Stichwort "Immunsystem").
Ein bewusstes Lebewesen muss ein gewisses Selbstinteresse, d.h. ein Interesse am eigenen Fortbestand und Überleben haben, wobei dieses bei den einfachsten bewussten Tieren noch ein reiner Selbsterhaltungstrieb ist. Das heißt, es muss imstande sein, Sinnesreize positiv oder negativ zu bewerten und sein Verhalten entsprechend anzupassen. Eine in der Sonne liegende Eiskugel kann das nicht, sie schmilzt einfach langsam dahin. Dagegen kann ein Tier, das merkt, dass die Sonneneinstrahlung zu intensiv wird und sich somit negativ auf seinen Körper auszuwirken beginnt, sich einfach an einen kühleren Platz begeben und damit seiner Vernichtung entgehen.


Zuletzt bearbeitet von Myron am 06.04.2010, 20:08, insgesamt einmal bearbeitet
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step
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Beitrag(#1455438) Verfasst am: 06.04.2010, 19:48    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Es ist jedoch bekannt, daß auch komplexe Wahrnehmungen unbewußt verarbeitet werden und dennoch die "geistig-seelische" Verfassung beeinflussen.
Ich bestreite nicht, dass auch unbewusste Wahrnehmungen vorkommen, d.i. Empfangungen und Verarbeitungen von Sinnesreizen, die nicht mit entsprechenden Empfindungen einhergehen. (Stichwort "Blindsicht")

Dann sind diese nach Deiner Definition keine Erlebnisse? Hast Du dann nicht "Erlebnis" und "Bewußtsein" wechselseitig definiert?

Myron hat folgendes geschrieben:
Dagegen kann ein Tier, das merkt, dass die Sonneneinstrahlung zu intensiv wird und sich somit negativ auf seinen Körper auszuwirken beginnt, sich einfach an einem kühleren Platz begeben und damit seiner Vernichtung entgehen.

Sehe ich ebenso. Wobei das eben auch ein Regenwurm bereits kann. Und was ist mit einem Prozessor, der sich bei Überhitzung heruntertaktet?
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Myron
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Beitrag(#1455472) Verfasst am: 06.04.2010, 20:31    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:

Dann sind diese nach Deiner Definition keine Erlebnisse?


Fälle von Blindsicht stellen in der Tat keine Erlebnisse, keine Bewusstseinsereignisse dar.

step hat folgendes geschrieben:

Hast Du dann nicht "Erlebnis" und "Bewußtsein" wechselseitig definiert?


"Erlebnis" ist für mich der grundlegende Begriff: Man hat Bewusstsein, weil man Erlebnisse hat, d.i. Empfindungen, Gefühle, Stimmungen, Gedanken oder Vorstellungen.

step hat folgendes geschrieben:

Und was ist mit einem Prozessor, der sich bei Überhitzung heruntertaktet?


Wahrnehmungen (Reizempfangungen und -verarbeitungen) und Anpassungsverhalten finden sich tatsächlich auch bei bewusstseinslosen Maschinen. Das heißt, das behavioristische Schema Reiz –> Black Box –> Reaktion lässt sich verallgemeinert auch auf Prozessoren anwenden, was bedeutet, dass es zur Definition des Bewusstseinsbegriffs ungeeignet ist. Denn was einen Prozessor oder einen Thermostat von bewusstseinsbegabten Dingen unterscheidet, ist eben, dass die Welt zwar in ihnen wirkt, aber darin nicht für sie in Erscheinung tritt, zum Vorschein kommt. Sie sind da und nehmen aktiv an Geschehnissen teil, aber sie erleben dabei nichts und sind somit keine Subjekte. (Die Panpsychisten werden das natürlich bestreiten.)


Zuletzt bearbeitet von Myron am 06.04.2010, 20:47, insgesamt einmal bearbeitet
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