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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1463436) Verfasst am: 21.04.2010, 14:11 Titel: Völkermord an den Armeniern heute in der türkischen Presse |
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Die Zeitung Haber Türk hat heute anderthalb Seiten diesem Thema gewidmet. Ich will sie hier einfach mal übersetzen.
Erwaehnen sollte ich auch zwei schwarz-weiss Fotos, die dieser Bericht enthaelt:
1.Foto ein in anatolischer Bauerntracht gekleideter Mann, bei dem die Gedaerme herausschauen: Überschrift: Ein Türke, der Opfer der Armenier wurde
Untertitel: Vor der Umsiedlung von Armeniern getöteter türkischer Bauer, dessen Bauch mit Bajonetten aufgeschlitzt wurde
2.Foto: an die 20 tote Kinder
Überschrift: Armenische Kinder, die den Partisanen zum Opfer fielen
Untertitel: Die Umsiedlung wurde oftmals von Partisanen angegriffen und führte zu sehr traurigen Vergehen
Zitat: | Die Armenier haben 23 Tage nach dem 24.April in Van eine Regierung gebildet
Die Armenier-Thematik wurde aufgrund unserer amateurhaften Bemühungen der Rechtfertigung und aufgrund der Tatsache, dass wir dieses Thema versuchten, nur national zu betrachten, von der erfolgreichen Propaganda der armenischen Diaspora zum Tagesordnungspunkt vieler Parlamente weltweit und es wurden Beschlüsse gegen uns gefasst.
Ein Teil der türkischen Bevölkerung flüchtet sich zu einer leichten Lösung: "Lasst uns uns wegen der Ereignisse des Jahres 1915 entschuldigen und die Sache ein für allemal beenden". Sie behaupten sogar, dass die Verantwortung nicht beim Osmanischen Reich selbst liege, sondern dass ein paar Politiker das gemacht haetten. Daher habe uns die "Vertreibungs-Thematik" nicht zu interessieren. So ein Unfug.
Fassen wir die Ereignisse von damals, die damals zu dieser Vertreibung geführt haben, die diejenigen, die sagen: "Lasst uns uns dafür entschuldigen, dann haetten wir Grösse bewiesen" als "steinzeitlich" bis "faschistoid" bezeichnen mal zusammen:
Das 19.Jahrhundert war eine Phase, in der nationalistische Bestrebungen entstanden und schnell an Kraft dazugewannen. Die Minderheiten im grossen Reichen lehnten sich gegen die Zentralgewalt auf und strebten nach ihrer Unabhaengigkeit. Das bekam auch das Osmanische Reich zu spüren, als zuerst Griechenland und dann andere Balkanstaaten ihre Unabhaengigkeit erlangten.
Die, die bei diesen Bestrebungen irgendwie Schlusslicht blieben waren die Armenier. Sie hatten sich in den letzten Jahrhunderten über das ganze Reich verteilt und lebten gemeinsam mit der muslimischen Bevölkerung. Eine Unabhaengigkeitsbestrebung kam bei ihnen lange Zeit erst gar nicht auf.
In der zweiten Haelfte des 19.Jahrhunderts kam es in verschiedenen Regionen Anatoliens zu Übergriffen, die vor allem von Russland aber auch von anderen europaeischen Maechten unterstützt wurden, die zu grossen Verlusten bei der muslimischen Bevölkerung führten.
Und gerade zu solch einer Zeit, trat das Reich in den 1.Weltkrieg ein.
Es kam im Jahre 1915, am 15.April in Van, am 17.April in Çatak, am 18.April in Bitlis und am 20.April im Zentrum der Provinz Van zu armenischen Aufstaenden.
Die osmanische Regierung blieb in ihren Bemühungen diese Aufstaende zu unterbinden erfolglos. Es kam in Istanbul zu zahlreichen Verhandlungen zwischen der Regierung, armenischen Politkern und der armenischen Patriarchat, und dass es schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen würde, wenn die Übergriffe an der muslimischen Bevölkerung nicht unterbunden würden. Aber die Verhandlungen endeten ergebnislos.
Bei den Übergriffen in Van kamen 40000 Türken zu Tode, nur 1500 Frauen und Kinder konnten unbeschadet entkommen.
Enver Paşa verlante daraufhin, dass nun Massnahmen ergriffen werden müssten, die auf alle Faelle zu einem Ergebnis führten. Am 24.April ging an die Provinzen ein Schreiben raus, der den Beschluss zwischen Regierung und Armee enthielt, dass die Übergriffe unverzüglich aufzuhören haetten.
Aber auch diese Anordnungen nützten nicht. Van wurde von den Armeniern am 6.Mai an die Russen übergeben und am 17.Mai 1915 wurde unter der Führung eines Guerilla-Hauptmanns namens Aram Manukyan in der Stadt eine armenische Regierung gegründet.
Nach diesen Ereignissen erging auf osmanischer Seite am 27.Mai der "Umsiedlungs-Beschluss"
Laut den Dokumenten von Talât Paşa wurden 924.158 Armenier zwangsweise deportiert. Die armenische Bevölkerung, die vorher in Anatolien 1.250.000 Armenier umfasste, schrumpfte auf 284.157.
Dies bedeutet nicht automatisch, dass ca. 1 Million Armenier bei der Umsiedlung zu Tode kamen. Neben denen, die durch organisierte Überfaelle am Treck ihr Leben verloren, verliessen sehr viele das Land Richtung Russland, Südamerika und Europa, von denen die Mehrheit dann nach der Unterzeichnung des Abkommens von Mondoros im Jahre 1918 zurückkehren sollten. |
Ich habe ja bisher immer die Ansicht vertreten, dass in İstanbul, die Armenier unbetroffen waren, von den Beschlüssen:
heute habe ich aufgrund folgender Meldung in dieser Zeitung dies als Fehler erkennen müssen:
Zitat: | Die Menschenrechtsvereinigung (IHD) wird am 24.April eine Gedenkveranstaltung am Haydarpaşa Bahnhof von İstanbul durchführen. Ausserdem will eine Gruppe türkischer Intelektueller am 24.April um 19 Uhr am Taksim-Platz in Istanbul eine Gedenkveranstaltung abhalten.
Die Veranstaltung am Bahnhof wird um 13.30 stattfinden und wird der Festnahme und Deportation von 220 armenischen Intelektuellen von diesem Bahnhof aus gedenken, von denen nur sehr wenige überlebten.
In der Einladung zu dieser Veranstaltung heisst es:
Um der Opfer des 24.April zu gedenken und "Niemals wieder" zu sagen, laden wir jeden ein, der in seinem Herzen Scham wegen der Ereignisse des Jahres 1915 empfindet zum Haydarpaşa Bahnhof zu kommen. |
Ich kann nur hoffen, dass diese Gedenkversammlungen nicht durch nationalistische Übergriffe getrübt werden. Der 24.April ist direkt einen Tag nach einem der wichtigsten nationalen staatlischen Feiertage der Türkei (Eröffnung der ersten Nationalversammlung im Jahre 1920) und der gleichzeitig als Tag des Kindes mit Paraden und zahlreichen Umzügen gefeiert wird. Einen Tag nach dem wieder mal der Nationalstolz hochgepusht wurde ist leider die Gefahr für solche Gedenkveranstaltungen umso grösser.
Glaubt mir: selbst der erste Artikel, der die historische Bertrachtung aus türkischer Sicht liefert haette aufgrund mancher Kommentare und wegen des Fotos mit den toten armenischen Kindern früher dazu geführt, dass der Generalstaatsanwalt beim Gericht angeklingelt haette, Polizisten waeren schon vor dem Redakitonsgebaeude und würden die Journalisten vor den "Grauen Wölfen" schützen und und und....
es bewegt sich was, vielleicht nicht so schnell wie manche es sich wünschen, aber ist es nützlich von aussen einer Nation auf die Stirn eines jeden Bürgers durch auslaendische Parlamentarier indirekt ein "Nachkomme eines Völkermörders" zu stempeln.
Ich werde jedenfalls über das, was am 24.April hier tut berichten und hoffe, dass die Ereignisse nicht wegen blutiger Übergriffe von sich aus den Weg in die auslaendischen Nachrichten finden. Leider werden sie bestimmt, wenn es keine Vorfaelle gibt, ignoriert werden.
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Karlchen kritisch christlicher Exot ohne Artenschutz
Anmeldungsdatum: 30.04.2008 Beiträge: 1119
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(#1463666) Verfasst am: 21.04.2010, 23:21 Titel: |
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Auf jeden Fall danke für die Übersetzungsarbeit.
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Ilmor auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 13.12.2008 Beiträge: 7151
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(#1463702) Verfasst am: 22.04.2010, 00:39 Titel: |
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Ebenfalls danke für die Übersetzung. Könntest du sagen, welchem deutschen Blatt diese Zeitung in etwa entsprechen würde?
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Karlchen kritisch christlicher Exot ohne Artenschutz
Anmeldungsdatum: 30.04.2008 Beiträge: 1119
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(#1464739) Verfasst am: 24.04.2010, 21:35 Titel: |
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"DTS-Meldung vom 24.04.2010, 19:09 Uhr:
Armenier erinnern an Massaker von 1915-1917
Eriwan (dts Nachrichtenagentur) - In der armenischen Hauptstadt Eriwan sind heute tausende Menschen auf die Straße gegangen, um der Opfer der Massaker vor 95 Jahren zu gedenken. In einer Prozession marschierten sie mit Fackeln und Kerzen zu einem Mahnmal für die Opfer der Verbrechen im Osmanischen Reich, um Blumen niederzulegen. Außerdem wurden Fahnen von jenen Ländern hochgehalten, welche die Massaker bereits als Völkermord anerkennen, darunter Frankreich, Polen und die Schweiz. Dazu kamen zum ersten Mal in Istanbul in der Türkei Menschenrechtler und Künstler zusammen, um an die Opfer zu erinnern. Obgleich die Türkei einräumt, dass damals mehrere hunderttausend Armenier getötet worden seien, lehnt sie seit Jahren die Einstufung als Genozid ab. Grund sei, dass Armenien im ersten Weltkrieg auf der Seite des Feindes Russland gestanden und seinerseits zehntausende Türken getötet hätte. Am 24. April 1915 wurden mehr als 200 armenische Intellektuelle und Gemeindevertreter im damaligen Konstantinopel von den Behörden des Osmanischen Reichs festgenommen. Armenischen Angaben zufolge wurden bis zum Jahre 1917 rund 1,5 Millionen ihrer Landsleute ermordet. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern werden seit Jahrzehnten durch die Erinnerung an die Verbrechen schwer belastet."
Quelle
Zitat: |
Dazu kamen zum ersten Mal in Istanbul in der Türkei Menschenrechtler und Künstler zusammen, um an die Opfer zu erinnern. |
Wenigstens ein Anfang, wenn die Menschenrechtler und Künstler unbehelligt bleiben konnten.
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Uriziel Herpiderpi
Anmeldungsdatum: 22.12.2007 Beiträge: 1728
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(#1466200) Verfasst am: 29.04.2010, 04:41 Titel: |
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Es gibt kein einziges Jahr, ohne das irgendeiner weint und Aua hat
ABER: Verbrechen, die wirklich geschehen sind und die Menschen mit Täter-Energie zu leugnen versuchen, sollten das Recht haben, jährlich erwähnt zu werden. Wenn es sein muss, auch der Holocaust...
(Obwohl alle wissen, das es den WIRKLICH gegeben hat *Hust* )
Wenn es da so einen kleinen Völkermord gegeben hat und es nunmal die WAHRHEIT ist, das auch die Türken keine unschuldige Geschichte haben, dann ist es den Opfern zuliebe zu pflegen, an der Wahrheit festzuhalten.
Wir sind 'alle' kleine, normale Privatpersonen.
Wir hätten auch Opfer solcher Verbrechen werden können.
Wir hätten auch das Recht, das man uns wenigstens einen Teil Mitleid und Solidarität zukommen lässt.
Kein friedlicher Mensch, der niemanden was tut, hat es verdient, einfach so getötet zu werden - "nur" weil er lebt.
Darum gehört das Verbrechen an den Armeniern anerkannt als Verbrechen und NICHT geleugnet.
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