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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#1468755) Verfasst am: 05.05.2010, 14:05 Titel: |
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Martha-Helene hat folgendes geschrieben: | Das war jetzt Quatsch, oder?
denn Karl der Große war trotz seines Machtanspruches ein sehr religiöser Herrscher und die Grausamkeit der Rechtsprechung seiner Zeit ist auch offensichtlich. |
Erst bringst Du einen Text über die Constitutio Criminalis Carolina Karls V. (bzw. Karl I. von Spanien), dann redest Du von Karl dem Großen?
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Martha-Helene auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 24.02.2010 Beiträge: 1155
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(#1468762) Verfasst am: 05.05.2010, 14:31 Titel: |
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Äh, hab ich da was durcheinander gebracht?
Nun, ihr müsst ordentlich posten, damit ich das intellektuelle Niveau des Forums nicht allzu sehr nach unten drücke.
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Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
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(#1468765) Verfasst am: 05.05.2010, 14:54 Titel: |
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esme hat folgendes geschrieben: | Ich habe große Probleme mit der verminderten Schuldfähigkeit.
Denn wenn jemand normal empathiefähig ist und jemand anderen brutal ermordet, dann ist es schlimmer, weil? er sich danach schlechter fühlt als der andere? oder was eigentlich? |
Geht mir genau so.
Ich kann diese Logik nur im Kontext eines juristischen Systems verstehen, in dem Schuld noch mit dem Begriff des "Bösen" assoziiert wird (und wieder ein Bezug zu MSS - Jenseits von Gut und Böse): Ein Mensch, der gegen sein Gewissen handelt, ist böse, jemand der krank ist und daher kein Gewissen hat, ist unschuldig oder zumindest weniger schuldig.
Das Problem, dass aber die Persönlichkeit unser Handeln bestimmt und die Persönlichkeit immer auch Produkt eines langen Prozesses ist und sich entsprechend jeder, der sich schwer gesellschaftsschädlich verhält irgendwie "falsch" entwickelt hat, kommt dabei zu kurz.
Auch kommt die Frage zu kurz, was wir mit Strafen überhaupt erreichen wollen. Im Sinne von Rache mag es intuitiv richtig erscheinen die Kranken zu verschonen. Aber sollte unser Ziel nicht sein, im Guten auf Straftäter einzuwirken? Dann jedoch haben es die jenigen mit dem krankhaftesten Verhalten auch am stärksten nötig.
Ich halte entsprechend auch die starke Trennung von Strafe und Forensik für verfehlt. Es sollte niemals um diesen schwammigen Schuld-Begriff gehen, sondern immer um Besserung der Täter.
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1468792) Verfasst am: 05.05.2010, 15:34 Titel: |
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esme hat folgendes geschrieben: | Ich habe große Probleme mit der verminderten Schuldfähigkeit. |
Die vermehrte ist sogar noch schlimmer ...
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Auch kommt die Frage zu kurz, was wir mit Strafen überhaupt erreichen wollen. Im Sinne von Rache mag es intuitiv richtig erscheinen die Kranken zu verschonen. Aber sollte unser Ziel nicht sein, im Guten auf Straftäter einzuwirken? Dann jedoch haben es die jenigen mit dem krankhaftesten Verhalten auch am stärksten nötig. Ich halte entsprechend auch die starke Trennung von Strafe und Forensik für verfehlt. Es sollte niemals um diesen schwammigen Schuld-Begriff gehen, sondern immer um Besserung der Täter. |
Genau, plus den Schutz der Allgemeinheit.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1469004) Verfasst am: 05.05.2010, 23:24 Titel: |
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Eleonor hat folgendes geschrieben: | esme hat folgendes geschrieben: | Ich habe große Probleme mit der verminderten Schuldfähigkeit.
Denn wenn jemand normal empathiefähig ist und jemand anderen brutal ermordet, dann ist es schlimmer, weil? er sich danach schlechter fühlt als der andere? oder was eigentlich? |
Geht mir genau so.
Ich kann diese Logik nur im Kontext eines juristischen Systems verstehen, in dem Schuld noch mit dem Begriff des "Bösen" assoziiert wird (und wieder ein Bezug zu MSS - Jenseits von Gut und Böse): Ein Mensch, der gegen sein Gewissen handelt, ist böse, jemand der krank ist und daher kein Gewissen hat, ist unschuldig oder zumindest weniger schuldig. |
Diejenige Handlung ist 'böse' (= moralisch falsch), die im Wissen darum begangen wurde, dass das Opfer das nicht mag (es mag es z.B. nicht, betrogen, bestohlen, vergewaltigt, missbraucht, verletzt, ermordet etc. zu werden).
Jemand, der psychisch krank ist oder geistig zurückgeblieben, der deswegen gar nicht erst erkennen kann, dass er unmoralisch ('böse') handelt, der ist unschuldig im Sinne des Gesetzes, ja. Genauso wie ein Löwe unschuldig ist, der einen Menschen tötet, denn der weiß es nicht besser, er ist nicht normativ ansprechbar.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Das Problem, dass aber die Persönlichkeit unser Handeln bestimmt und die Persönlichkeit immer auch Produkt eines langen Prozesses ist und sich entsprechend jeder, der sich schwer gesellschaftsschädlich verhält irgendwie "falsch" entwickelt hat, kommt dabei zu kurz. |
'Falsch entwickelt'? Was ist 'richtig entwickelt'? Ist dAn jeder irgendwie krank, der gegen ein Gesetz verstößt? Jeder Dieb, Steuerhinterzieher, Graffitisprüher, Schwarzfahrer, Falschparker, Räuber, Körperverletzer krankhaft?
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Auch kommt die Frage zu kurz, was wir mit Strafen überhaupt erreichen wollen. Im Sinne von Rache mag es intuitiv richtig erscheinen die Kranken zu verschonen. |
Kranke werden aber keineswegs verschont, das Gegenteil ist der Fall. Wenn man jemanden für krank hält und zusätzlich für sehr gesellschaftsschädlich, dann werden ihm rasch und ohne Bedenken alle Rechte entzogen, die man jemandem zugesteht, den man für moralisch verantwortlich hält. 'Wegsperren für immer - das ist nämlich keiner von uns, das ist ein Monster' - so ist dann regelmäßig die Forderung.
Jemanden als 'geistig krank' zu bezeichnen bedeutet mE ein Stigma, damit sollte man nicht fahrlässig umgehen.
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dAdAmai Zweifler
Anmeldungsdatum: 26.06.2009 Beiträge: 217
Wohnort: Bonn Bad Godesberg
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(#1469050) Verfasst am: 06.05.2010, 09:05 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Eleonor hat folgendes geschrieben: | esme hat folgendes geschrieben: | Ich habe große Probleme mit der verminderten Schuldfähigkeit.
Denn wenn jemand normal empathiefähig ist und jemand anderen brutal ermordet, dann ist es schlimmer, weil? er sich danach schlechter fühlt als der andere? oder was eigentlich? |
Geht mir genau so.
Ich kann diese Logik nur im Kontext eines juristischen Systems verstehen, in dem Schuld noch mit dem Begriff des "Bösen" assoziiert wird (und wieder ein Bezug zu MSS - Jenseits von Gut und Böse): Ein Mensch, der gegen sein Gewissen handelt, ist böse, jemand der krank ist und daher kein Gewissen hat, ist unschuldig oder zumindest weniger schuldig. |
Diejenige Handlung ist 'böse' (= moralisch falsch), die im Wissen darum begangen wurde, dass das Opfer das nicht mag (es mag es z.B. nicht, betrogen, bestohlen, vergewaltigt, missbraucht, verletzt, ermordet etc. zu werden).
Jemand, der psychisch krank ist oder geistig zurückgeblieben, der deswegen gar nicht erst erkennen kann, dass er unmoralisch ('böse') handelt, der ist unschuldig im Sinne des Gesetzes, ja. Genauso wie ein Löwe unschuldig ist, der einen Menschen tötet, denn der weiß es nicht besser, er ist nicht normativ ansprechbar.
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So sehe ich das auch.
Zu esme noch: Ich bezweifle sehr stark, dass ein Mensch mit normaler Empathie morden kann (siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Empathie#Hirnforschung)
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Das Problem, dass aber die Persönlichkeit unser Handeln bestimmt und die Persönlichkeit immer auch Produkt eines langen Prozesses ist und sich entsprechend jeder, der sich schwer gesellschaftsschädlich verhält irgendwie "falsch" entwickelt hat, kommt dabei zu kurz. |
'Falsch entwickelt'? Was ist 'richtig entwickelt'? Ist dAn jeder irgendwie krank, der gegen ein Gesetz verstößt? Jeder Dieb, Steuerhinterzieher, Graffitisprüher, Schwarzfahrer, Falschparker, Räuber, Körperverletzer krankhaft?
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Oder sind manche Gesetze falsch? Vielleicht sind manche Gesetze auch unverständlich, weil zu kompliziert formuliert und dadurch falsch?
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Auch kommt die Frage zu kurz, was wir mit Strafen überhaupt erreichen wollen. Im Sinne von Rache mag es intuitiv richtig erscheinen die Kranken zu verschonen. |
Kranke werden aber keineswegs verschont, das Gegenteil ist der Fall. Wenn man jemanden für krank hält und zusätzlich für sehr gesellschaftsschädlich, dann werden ihm rasch und ohne Bedenken alle Rechte entzogen, die man jemandem zugesteht, den man für moralisch verantwortlich hält. 'Wegsperren für immer - das ist nämlich keiner von uns, das ist ein Monster' - so ist dann regelmäßig die Forderung.
Jemanden als 'geistig krank' zu bezeichnen bedeutet mE ein Stigma, damit sollte man nicht fahrlässig umgehen. |
Ein großes Problem. Allerdings habe ich Vertrauen in die Ärzteschaft, die es ja gewohnt ist, wissenschaftlich zu denken und somit ihre "Urteile" ständig überprüft.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26529
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1469060) Verfasst am: 06.05.2010, 09:21 Titel: |
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Keine Angst. Bei Bedarf wird auch der Mensch mit "normaler Empathie" es schaffen, sich die Tötung als Notwehr oder gerechte Bestrafung oder ... zu verkaufen.
Die Entdeckung der Empathie ist keine Basis, die alten Märchen von der angeborenen Tötungshemmung oder vom "von Natur aus guten Menschen" wieder auszugraben. Empathie ist eine menschliche Leistung, die man fördern kann, sollte diese Entdeckung aber nicht dazu führen, dass wir vergessen, dass unser heutigeas Menschenbild wesentlich nicht mehr alten Büchern oder einzelnen Untersuchungen sondern von der geschichtlichen Erfahrung bestimmt wird. Die wegen der Euphorie über die Spiegelneuronen vergessen zu wollen, wäre fatal.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Waschmaschine777 auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.07.2008 Beiträge: 4007
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(#1469063) Verfasst am: 06.05.2010, 09:27 Titel: |
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dAdAmai hat folgendes geschrieben: |
Oder sind manche Gesetze falsch? Vielleicht sind manche Gesetze auch unverständlich, weil zu kompliziert formuliert und dadurch falsch?
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Die meisten Gesetze sind kompliziert formuliert, was aber nichts daran ändert, dass der Durchschnittsmensch in den meisten Bereichen weiß, was erlaubt ist und was nicht. Wer andere beklaut, oder Graffiti an Häuser sprüht, weiß dass er eine Straftat begeht.
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dAdAmai Zweifler
Anmeldungsdatum: 26.06.2009 Beiträge: 217
Wohnort: Bonn Bad Godesberg
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(#1469064) Verfasst am: 06.05.2010, 09:28 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: |
Keine Angst. Bei Bedarf wird auch der Mensch mit "normaler Empathie" es schaffen, sich die Tötung als Notwehr oder gerechte Bestrafung oder ... zu verkaufen.
Die Entdeckung der Empathie ist keine Basis, die alten Märchen von der angeborenen Tötungshemmung oder vom "von Natur aus guten Menschen" wieder auszugraben. Empathie ist eine menschliche Leistung, die man fördern kann, sollte diese Entdeckung aber nicht dazu führen, dass wir vergessen, dass unser heutigeas Menschenbild wesentlich nicht mehr alten Büchern oder einzelnen Untersuchungen sondern von der geschichtlichen Erfahrung bestimmt wird. Die wegen der Euphorie über die Spiegelneuronen vergessen zu wollen, wäre fatal.
fwo |
Vielleicht gehe ich auch zuviel von meinen Erfahrungen aus. Ich war ein paar mal in Notwehrsituationen, die wesentlich schneller und einfacher durch Gewalt und billige Inkaufnahme des Todes des Gegenübers zu lösen gewesen wären - ich habe mich stets für einen anderen Weg entschieden und bin auch stets zu einer Lösung gelangt.
Und ich halte mich für normal empathisch.
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dAdAmai Zweifler
Anmeldungsdatum: 26.06.2009 Beiträge: 217
Wohnort: Bonn Bad Godesberg
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(#1469065) Verfasst am: 06.05.2010, 09:30 Titel: |
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Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | dAdAmai hat folgendes geschrieben: |
Oder sind manche Gesetze falsch? Vielleicht sind manche Gesetze auch unverständlich, weil zu kompliziert formuliert und dadurch falsch?
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Die meisten Gesetze sind kompliziert formuliert, was aber nichts daran ändert, dass der Durchschnittsmensch in den meisten Bereichen weiß, was erlaubt ist und was nicht. Wer andere beklaut, oder Graffiti an Häuser sprüht, weiß dass er eine Straftat begeht. |
Bis auf die Graffiti Zuspruch. (Graffiti waren nur durch juristische Sophistereien strafbar, bis der Sachbeschädigungsparagraph geändert/erweitert wurde - und Graffiti ist Notwehr)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1469069) Verfasst am: 06.05.2010, 09:46 Titel: |
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Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben: | Wer andere beklaut, oder Graffiti an Häuser sprüht, weiß dass er eine Straftat begeht. |
Genau, er weiß, daß es nicht erwünscht ist.
Strafe kann man aber nicht damit legitimieren, daß derjenige weiß, daß sie ihm blüht.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1469073) Verfasst am: 06.05.2010, 09:54 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Bei Bedarf wird auch der Mensch mit "normaler Empathie" es schaffen, sich die Tötung als Notwehr oder gerechte Bestrafung oder ... zu verkaufen.
Die Entdeckung der Empathie ist keine Basis, die alten Märchen von der angeborenen Tötungshemmung oder vom "von Natur aus guten Menschen" wieder auszugraben. Empathie ist eine menschliche Leistung, die man fördern kann, sollte diese Entdeckung aber nicht dazu führen, dass wir vergessen, dass unser heutigeas Menschenbild wesentlich nicht mehr alten Büchern oder einzelnen Untersuchungen sondern von der geschichtlichen Erfahrung bestimmt wird. Die wegen der Euphorie über die Spiegelneuronen vergessen zu wollen, wäre fatal. |
Zustimmung.
Dazukommt, daß Empathie keine "moralisch stetige" Funktion ist. Im Gegenteil wird oft sogar die Überwindung empathischer Regungen zu einem "höheren Zweck" als moralisch gut propagiert, z.B. bei Prügelstrafen für Zöglinge, bewaffneten Einsätzen oder eben auch im Strafvollzug.
Übrigens: Wenn es gefährlich ist, von der (gewünschten oder tatsächlichen) Norm abweichendes Verhalten "krank" zu nennen, dann ist es umso fragwürdiger, abweichendes Verhalten vergeltend zu bestrafen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
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(#1469078) Verfasst am: 06.05.2010, 10:10 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Diejenige Handlung ist 'böse' (= moralisch falsch), die im Wissen darum begangen wurde, dass das Opfer das nicht mag (es mag es z.B. nicht, betrogen, bestohlen, vergewaltigt, missbraucht, verletzt, ermordet etc. zu werden).
Jemand, der psychisch krank ist oder geistig zurückgeblieben, der deswegen gar nicht erst erkennen kann, dass er unmoralisch ('böse') handelt, der ist unschuldig im Sinne des Gesetzes, ja. Genauso wie ein Löwe unschuldig ist, der einen Menschen tötet, denn der weiß es nicht besser, er ist nicht normativ ansprechbar. |
Ich glaube, meine Vorstellungen von Moral bzw. Ethik unterscheiden sich von deinen (oder nur der des Gesetzgebers?) in einem wichtigen Punkt: Für mich ist Ethik ein abstraktes Modell, das ein möglichst reibungsloses Zusammenleben gewährleisten soll und keine Messlatte, um Menschen in ein Spektrum einzuordnen.
Ethik ist die intellektuelle Herangehensweise an die Probleme, auf die sozial lebende Lebewesen zwangsläufig stoßen. Es ist der Versuch, Übereinkommen heraus zu kristallisieren, die innerhalb einer Gesellschaft gelten sollten, damit die Allgemeinheit und auch das Individuum geschützt ist.
In diesem Sinne kann es uns aber nicht darum gehen, wie "rein" das Gewissen eines Täters ist, sondern dass er überhaupt dazu in der Lage war, sich schwer gesellschaftsschädlich zu verhalten.
Der Löwe hingegen fällt komplett aus der Ethik heraus, da er nicht Teil der Gesellschaft und daher nicht an den ethischen Übereinkünften innerhalb einer Gesellschaft beteiligt ist.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Das Problem, dass aber die Persönlichkeit unser Handeln bestimmt und die Persönlichkeit immer auch Produkt eines langen Prozesses ist und sich entsprechend jeder, der sich schwer gesellschaftsschädlich verhält irgendwie "falsch" entwickelt hat, kommt dabei zu kurz. |
'Falsch entwickelt'? Was ist 'richtig entwickelt'? Ist dAn jeder irgendwie krank, der gegen ein Gesetz verstößt? Jeder Dieb, Steuerhinterzieher, Graffitisprüher, Schwarzfahrer, Falschparker, Räuber, Körperverletzer krankhaft? |
Es ist nicht verkehrt, dass du nochmal nachhakst. Ich hoffe aber schon, dass du mir nicht unterstellst, ich würde z.B. Schwarzfahren als "schwer gesellschaftsschädlich" bewerten.
Mit schwer gesellschaftsschädlich meine ich definitiv eine starke Neigung zur Gewaltbereitschaft, Triebtäter, Mörder.
Ich meine noch nicht einmal Totschlag damit: Wahrscheinlich kann tatsächlich jeder Mensch unter gewissen Umständen töten, aber die wenigsten Menschen könnten morden. Diese Unterscheidung ist ja nicht aus der Luft gegriffen.
Das nächste, was du ins Feld führst, ist der Begriff "krankhaft". Um es klar zu sagen: Ich habe diesen Begriff an dieser Stelle bewusst nicht genutzt, um wieder von der Einteilung, die juristisch derzeit gerne gemacht wird, weg zu kommen. Zum einen aus dem Grund, den auch du ansprichst: Man sollte diese Zuordnung nicht inflationär machen, da es eine Stigmatisierung bedeutet. Ein weiterer und für die eigentliche Diskussion weitaus entscheidenderer Punkt ist jedoch der, dass die Unterscheidung in krankhaft und "normal" einem Schwarz/Weiß-Denken entspricht, das dem komplexen Thema nicht gerecht wird.
In keiner menschlichen Entwicklung ist alles "richtig" verlaufen. Die Unterscheidung, jemanden als krank zu bezeichnen, ist entsprechend willkürlich, versucht sich aber meines Wissens meist danach zu richten, inwiefern die "Eigenarten" einer Person ganz klar das Leben behindern (im Extremfall bis zu dem Punkt, an dem die Person alleine nicht mehr lebensfähig ist).
Für die "Schuldfrage" ergibt sich aber eben das Problem, dass die verminderte Schuldfähigkeit nochmals eine rein willkürliche Grenze setzt und dazu eine Grenze, die gar nicht existiert (noch weniger als die Definition von krankhaftem Verhalten).
Nehmen wir mal ein weniger hartes Beispiel: Der berühmte Phineas Gage, dessen regelkonformes Verhalten durch die starke Läsion des Frontallappens, vereitelt wurde, war für sein unverschämtes Verhalten quasi im Vorfeld "entschuldigt". Wenn man dann aber als Gegenbeispiel den "Rüpel" nimmt, der einfach eine schlechte "Kinderstube" genossen hat und die Regeln der Höflichkeit daher gar nicht erst erlernt hat, ist weswegen schuldfähiger als Phineas Gage? Weil seine Ursache für nonkonformes Verhalten nicht makroskopisch durch ein Loch im Gehirn erkennbar ist?
Für den genauen Umgang mit Tätern mag die Unterscheidung in krankhaft und "nur" ethisch unterentwickelt einen Unterschied machen: Letzterer ist vielleicht schon durch "Nachhilfe" wieder auf den rechten Weg zu bringen, der krankhafte Fall braucht hingegen womöglich tatsächlich dauerhaft eine sichere Umgebung, in die er sich leichter einfügen kann.
Für die Schuldfrage sehe ich den Sinn in der Unterscheidung jedoch nicht! Meinetwegen können wir uns auch dem Begriff "Schuld" entledigen und nur noch von Verantwortung im Sinne von "Taten haben Konsequenzen" sprechen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Kranke werden aber keineswegs verschont, das Gegenteil ist der Fall. Wenn man jemanden für krank hält und zusätzlich für sehr gesellschaftsschädlich, dann werden ihm rasch und ohne Bedenken alle Rechte entzogen, die man jemandem zugesteht, den man für moralisch verantwortlich hält. 'Wegsperren für immer - das ist nämlich keiner von uns, das ist ein Monster' - so ist dann regelmäßig die Forderung. |
Da sind wir uns eigentlich einig - auch wenn ich darauf nicht näher eingegangen bin. Dass Menschen dämonisiert werden, ist auch absolut nicht in meinem Sinn und ich halte allein schon die Art so zu denken, für ausgesprochen gefährlich. Jemandem das Menschliche absprechen zu wollen führt tatsächlich zur ethischen Legitimierung von Menschenrechtsverletzungen. Nicht umsonst sehen Todesstrafen-Befürworter Schwerverbrecher nicht als Mitmenschen mit Vorgeschichte.
Was das Wegsperren betrifft: Wie schon erwähnt, mache ich die Entscheidung, ob jemand wirklich "krankhaft" ist, nicht allein an seinen Taten fest.
Ein Mörder, dessen Sozialisation im Kindes- und Jugendalter schief gelaufen ist, kann seine Defizite womöglich nachholen, jemand, der krankhaft im engeren Sinne ist, ist zu der nötigen Einsichtsfähigkeit womöglich gar nicht in der Lage. Nun sind aber auch "hoffnungslose Fälle" Teil unserer Gesellschaft und sie sind auf uns angewiesen. Gleichzeitig muss jedoch der Schutz der Allgemeinheit (wie step ja schon sagte) gewahrt bleiben. Sehr viel mehr, als ihn in eine sichere, betreute Umgebung zu geben, bleibt da nicht mehr übrig. Es sollte aber natürlich das Anliegen bleiben, so viele Rechte des Individuums wie möglich zu wahren.
Im übrigen ist die forensische Verwahrung nicht unbedingt Endstation: Auch hier gibt es, sofern das Inidviduum entsprechende Fortschritte macht, die Möglichkeit auf Resozialisation. Die Anforderungen sind jedoch recht hoch - sehr viel höher als bei Bewährungsauflagen.
Ich finde das derzeitige Vorgehen ebenfalls nicht gerecht. Eben auch wegen der glasklaren Trennung in Forensik und Strafe. Jemand, der psychologisch nicht als krankhaft beurteilt wurde, sitzt seine Strafe ab und muss niemandem vorweisen, dass er dazu gelernt hat. (Wobei dafür allerdings auch die therapeutischen Maßnahmen fehlen, soweit ich weiß)
Jemand, der als krank gilt, muss sich hingegen wirklich beweisen, um resozialisiert werden zu können.
Warum also geht es beim psychisch nicht krank geltenden nur um Bestrafung - ohne "pädagogische" Zielsetzung, während sich ein als krank eingeordneter Verbrecher als Mensch komplett wandeln muss?
(Ich habe im übrigen auch nichts dagegen, innerhalb dieser Diskussion gar nicht mehr von krankhaften, sondern von irreversiblen Störungen zu sprechen, denn das ist die pragmatische Unterscheidung, die man machen müsste, wenn es tatsächlich um die "Besserung" des Täters gehen sollte)
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
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Waschmaschine777 auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 07.07.2008 Beiträge: 4007
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(#1469080) Verfasst am: 06.05.2010, 10:16 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Strafe kann man aber nicht damit legitimieren, daß derjenige weiß, daß sie ihm blüht. |
Das sicher nicht; aber derjenige dem Strafe blüht, kann sich nur selten darauf berufen, dass ihm die Gesetze zu kompliziert sind.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1469318) Verfasst am: 06.05.2010, 20:28 Titel: |
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Eleonor hat folgendes geschrieben: | Ich glaube, meine Vorstellungen von Moral bzw. Ethik unterscheiden sich von deinen (oder nur der des Gesetzgebers?) in einem wichtigen Punkt: Für mich ist Ethik ein abstraktes Modell, das ein möglichst reibungsloses Zusammenleben gewährleisten soll und keine Messlatte, um Menschen in ein Spektrum einzuordnen. |
Einen Zusammenhang zu irgend etwas in diesem Thread sehe ich dabei jetzt nicht.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Ethik ist die intellektuelle Herangehensweise an die Probleme, auf die sozial lebende Lebewesen zwangsläufig stoßen. Es ist der Versuch, Übereinkommen heraus zu kristallisieren, die innerhalb einer Gesellschaft gelten sollten, damit die Allgemeinheit und auch das Individuum geschützt ist.
In diesem Sinne kann es uns aber nicht darum gehen, wie "rein" das Gewissen eines Täters ist, sondern dass er überhaupt dazu in der Lage war, sich schwer gesellschaftsschädlich zu verhalten.
[...]
Mit schwer gesellschaftsschädlich meine ich definitiv eine starke Neigung zur Gewaltbereitschaft, Triebtäter, Mörder.
Ich meine noch nicht einmal Totschlag damit: Wahrscheinlich kann tatsächlich jeder Mensch unter gewissen Umständen töten, aber die wenigsten Menschen könnten morden. Diese Unterscheidung ist ja nicht aus der Luft gegriffen. |
Diese beiden Zitate widersprechen sich. Der Unterschied in der Bewertung Totschlag <-> Mord liegt in der Motivation / Absicht, die Du im ersten Teil des Zitates noch außen vor lassen wolltest.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Nehmen wir mal ein weniger hartes Beispiel: Der berühmte Phineas Gage, dessen regelkonformes Verhalten durch die starke Läsion des Frontallappens, vereitelt wurde, war für sein unverschämtes Verhalten quasi im Vorfeld "entschuldigt". Wenn man dann aber als Gegenbeispiel den "Rüpel" nimmt, der einfach eine schlechte "Kinderstube" genossen hat und die Regeln der Höflichkeit daher gar nicht erst erlernt hat, ist weswegen schuldfähiger als Phineas Gage? Weil seine Ursache für nonkonformes Verhalten nicht makroskopisch durch ein Loch im Gehirn erkennbar ist? |
Mir erscheint es absurd und auch wenig wünschenswert, alle Leute so anzusehen und so zu behandeln, als ob sie unzurechnungsfähig wären. Eine Ethik, erstellt von Unzurechnungsfähigen - wie könnte die wohl aussehen? Kaum vorstellbar.
Aber auf was willst Du nun eigentlich hinaus? Erst sind 'schwer gesellschaftsschädliche' Personen nicht zurechnungsfähig, jetzt dieser Rüpel ebenso.
Was ist mit einem Mittelding, sagen wir jemand, der absichtlich einen Haufen Steuern hinterzogen hat? Auch nicht zurechnungsfähig wegen einer falschen Sozialisation?
Sind nun dAn alle Normverletzer prinzipiell nicht zurechnungsfähig, weil irgendwie 'falsch gepolt', falsche Sozialisation oder dergleichen oder nicht?
Ist Mitleid das einzig richtige Gefühl, wenn jemand eine Norm verletzt?
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Für den genauen Umgang mit Tätern mag die Unterscheidung in krankhaft und "nur" ethisch unterentwickelt einen Unterschied machen: Letzterer ist vielleicht schon durch "Nachhilfe" wieder auf den rechten Weg zu bringen, der krankhafte Fall braucht hingegen womöglich tatsächlich dauerhaft eine sichere Umgebung, in die er sich leichter einfügen kann.
Für die Schuldfrage sehe ich den Sinn in der Unterscheidung jedoch nicht! Meinetwegen können wir uns auch dem Begriff "Schuld" entledigen und nur noch von Verantwortung im Sinne von "Taten haben Konsequenzen" sprechen. |
Solange Du zwischen Tötung und Mord unterscheiden willst, hast Du automatisch den juristischen Schuldbegriff mit drin.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Was das Wegsperren betrifft: Wie schon erwähnt, mache ich die Entscheidung, ob jemand wirklich "krankhaft" ist, nicht allein an seinen Taten fest.
Ein Mörder, dessen Sozialisation im Kindes- und Jugendalter schief gelaufen ist, kann seine Defizite womöglich nachholen, jemand, der krankhaft im engeren Sinne ist, ist zu der nötigen Einsichtsfähigkeit womöglich gar nicht in der Lage. Nun sind aber auch "hoffnungslose Fälle" Teil unserer Gesellschaft und sie sind auf uns angewiesen. Gleichzeitig muss jedoch der Schutz der Allgemeinheit (wie step ja schon sagte) gewahrt bleiben. Sehr viel mehr, als ihn in eine sichere, betreute Umgebung zu geben, bleibt da nicht mehr übrig. Es sollte aber natürlich das Anliegen bleiben, so viele Rechte des Individuums wie möglich zu wahren.
Im übrigen ist die forensische Verwahrung nicht unbedingt Endstation: Auch hier gibt es, sofern das Inidviduum entsprechende Fortschritte macht, die Möglichkeit auf Resozialisation. Die Anforderungen sind jedoch recht hoch - sehr viel höher als bei Bewährungsauflagen. |
Aber Dir ist hoffentlich schon klar, dass diese 'hoffnungslosen Fälle' mit 'irreversiblen Störungen' die absolute Ausnahme sind, oder?
Sicherungsverwahrung ist übrigens meist durchaus Endstation, da gilt das Prinzip: "Im Zweifel gegen den potentiell Gefährlichen".
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Ich finde das derzeitige Vorgehen ebenfalls nicht gerecht. Eben auch wegen der glasklaren Trennung in Forensik und Strafe. Jemand, der psychologisch nicht als krankhaft beurteilt wurde, sitzt seine Strafe ab und muss niemandem vorweisen, dass er dazu gelernt hat. (Wobei dafür allerdings auch die therapeutischen Maßnahmen fehlen, soweit ich weiß)
Jemand, der als krank gilt, muss sich hingegen wirklich beweisen, um resozialisiert werden zu können.
Warum also geht es beim psychisch nicht krank geltenden nur um Bestrafung - ohne "pädagogische" Zielsetzung, während sich ein als krank eingeordneter Verbrecher als Mensch komplett wandeln muss? |
Was genau findest Du ungerecht? Dass das Prinzip der Sicherungsverwahrung nicht auf alle Straftäter angewendet wird, also jeder Straftäter wie der Sicherungsverwahrte solange in Haft bleiben soll, bis zweifelsfrei angenommen werden kann, dass er keine Normverletzung mehr begehen wird? Dass also eine Ausnahmeregelung, unter die zurzeit nur eine sehr kleine Minderheit fällt, auf alle ausgeweitet wird? Wäre es dann nicht, wenn man mit Gerechtigkeit argumentiert, sinnvoller, für die Abschaffung der Sicherungsverwahrung zu sein?
Was willst Du eigentlich? Ein Gesinnungs('Neigungs')-Strafrecht?
Strafrecht ist übrigens (jedenfalls zurzeit nicht) gar nicht dazu da, eine völlige Sicherheit der Allgemeinheit zu gewährleisten, es wägt ab zwischen dieser Sicherheit und den Rechten des Angeklagten, (Aussageverweigerungsrecht etc.). Was übrigens mE einen Rechtsstaat ausmacht, würde man den Fokus hin zu der Sicherheit verlagern wollen und diese Rechte einfach negieren, weil man sagt: "die Sicherheit der Allgemeinheit geht vor", dann verlässt man den Boden des Rechtsstaates - wiewohl man wahrscheinlich dadurch die Normtreue und somit die 'Sicherheit der Allgemeinheit' stark erhöhen könnte - aber unter Aufgabe / starker Einschränkung der persönlichen Rechte. Alles hat nun mal seinen Preis. Fragt sich, was man will.
Und dann stellt sich auch die Frage, ob eine Gesellschaft überhaupt dazu berechtigt ist, ihre erwachsenen Bürger gegen deren Willen erziehen zu dürfen. (Ich meine das nicht.)
Und es mutet mir gar merkwürdig an, wenn man diejenigen seltenen Ausnahmefälle, die sich tatsächlich überhaupt nicht unter Kontrolle haben, die es ja geben mag und denen man deswegen alle ihre Rechte als Angeklagte meint entziehen zu dürfen, als Schablone für alle nehmen will.
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Martha-Helene auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 24.02.2010 Beiträge: 1155
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(#1469424) Verfasst am: 07.05.2010, 07:31 Titel: |
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dAdAmai hat folgendes geschrieben: | Eleonor hat folgendes geschrieben: | Auch kommt die Frage zu kurz, was wir mit Strafen überhaupt erreichen wollen. Im Sinne von Rache mag es intuitiv richtig erscheinen die Kranken zu verschonen. |
Zitat: | Kranke werden aber keineswegs verschont, das Gegenteil ist der Fall. Wenn man jemanden für krank hält und zusätzlich für sehr gesellschaftsschädlich, dann werden ihm rasch und ohne Bedenken alle Rechte entzogen, die man jemandem zugesteht, den man für moralisch verantwortlich hält. 'Wegsperren für immer - das ist nämlich keiner von uns, das ist ein Monster' - so ist dann regelmäßig die Forderung.
Jemanden als 'geistig krank' zu bezeichnen bedeutet mE ein Stigma, damit sollte man nicht fahrlässig umgehen. |
Ein großes Problem. Allerdings habe ich Vertrauen in die Ärzteschaft, die es ja gewohnt ist, wissenschaftlich zu denken und somit ihre "Urteile" ständig überprüft. |
Da habe ich manchmal meine Zweifel, wie die wissenschaftliche Denkweise mancher Ärzte aussieht.
Haben Ärzte überhaupt noch genug Zeit, quer zu denken?
In diesem Fall scheint es noch zu funktionieren:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-05/therapie-paedophile-charite
Pädophilie
"Die Neigung darf nicht zu Ächtung führen"
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Martha-Helene auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 24.02.2010 Beiträge: 1155
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(#1469429) Verfasst am: 07.05.2010, 07:44 Titel: |
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Der Ansatz, Pädophile zu therapieren wird ja gerade beim derzeitigen katholischen Missbrauchs-Thema vermutlich auch von vielen "Freidenkern" nicht angedacht.
Man muss aufpassen, dass der Ruf nach harter Bestrafung der Täter nicht in den Vordergrund gespielt wird, sondern das Fehlverhalten der Kirchen, mit dem Problem angemessen umzugehen.
Zitat: | Ein Geistlicher, der Kinder und Jugendliche missbraucht, bedarf keiner seelsorgerischen Betreuung durch seinen Bischof, sondern muss konsequent und ohne Zögern neben dem weltlichen Strafrecht auch und gerade dem kirchlichen Strafrecht in all seiner Härte unterworfen werden. |
http://www.lto.de/de/html/nachrichten/374/Wo-bleibt-das-kirchliche-Strafrecht/
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Martha-Helene auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 24.02.2010 Beiträge: 1155
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(#1469448) Verfasst am: 07.05.2010, 08:37 Titel: |
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Oder hier:
http://www.taz.de/1/leben/alltag/artikel/1/die-grenze-zog-er-bei-13-14-jahren/
Zitat: | Jutta Ditfurth über Klaus Rainer Röhl
"Die Grenze zog er bei 13, 14 Jahren"
Meinhof-Biografin Jutta Ditfurth hat den Fall Röhl recherchiert, sie hält Anja Röhls Geschichte für realistisch. Röhl sexualisierte die Kleinen früh, ließ sie beim Sex zuschauen und schwärmte von "junger Haut". |
Wie denkt man da am besten wissenschaftlich??????
Man möchte doch am liebsten Kotzen und den Kerl auf ewig einbuchten.
Oder hätte er "nur" rechtzeitig therapiert werden müssen?
Sicher eine wichtige Werte-Diskussion in die auch die Humanisten einsteigen sollten.
Wie weit darf man sein Freidenken ausleben?
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1469465) Verfasst am: 07.05.2010, 09:06 Titel: |
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Martha-Helene hat folgendes geschrieben: | Oder hier:
Sicher eine wichtige Werte-Diskussion in die auch die Humanisten einsteigen sollten.
Wie weit darf man sein Freidenken ausleben? |
Ich weiß nicht, ob das etwas mit der Frage zu tun hat, ob man Freidenker ist, oder Humanist, oder was auch immer. Wie schrieb hier jemand mal so schön: Ethik ist systematisierte ethisch-moralische Erfahrung. Damit ist sie prinzipiell unabhängig von irgendeiner Weltanschauung. Freidenker zu sein heißt also nicht Freiheit von Ethik, oder die Freiheit, sich eine eigene Ethik zu basteln, auch wenn manche Freidenker dies gerne täten. Allerdings denke ich, daß gerade beim sexuellen Mißbrauch von Kindern die Neigung des Täters seine (un-)ethischen Maßstäbe bestimmt, und nicht umgekehrt.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Martha-Helene auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 24.02.2010 Beiträge: 1155
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(#1469468) Verfasst am: 07.05.2010, 09:19 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Allerdings denke ich, daß gerade beim sexuellen Mißbrauch von Kindern die Neigung des Täters seine (un-)ethischen Maßstäbe bestimmt, und nicht umgekehrt. |
Heißt also:
Diese Neigungen, die mit dem herrschenden Gesetz in Konflikt geraten können, sollten rechtzeitig therapiert werden.
Vorausgesetzt, die Gesetze entsprechen modernen ethischen Maßstäben.
Aber was ist schon modern?
Zitat: | Auch im Kirchenrecht gibt es keine Verpflichtung für den Bischof, solche Fälle an die Staatsanwaltschaft zu melden. Das resultiert aus dem Umstand, dass der CIC weltweit gilt und nicht jeder Staat ein Rechtsstaat ist, bei dem die Kirche sicher sein kann, dass Geistliche, die sich nach weltlichem Recht strafbar gemacht haben, in einem fairen rechtsstaatlichen Verfahren abgeurteilt werden. |
http://www.lto.de/de/html/nachrichten/374/Wo-bleibt-das-kirchliche-Strafrecht/
Alles ist so kompliziert
und außerdem sind wir nicht im Thema (ach nein, dies ist ja garnicht der Gott-Thread)
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Martha-Helene auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 24.02.2010 Beiträge: 1155
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(#1469482) Verfasst am: 07.05.2010, 09:56 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Martha-Helene hat folgendes geschrieben: |
Sicher eine wichtige Werte-Diskussion in die auch die Humanisten einsteigen sollten.
Wie weit darf man sein Freidenken ausleben? |
Ethik ist systematisierte ethisch-moralische Erfahrung. Damit ist sie prinzipiell unabhängig von irgendeiner Weltanschauung. |
Aber ein gesellschaftlicher Konsens, was denn die herrschende Moral ausmacht, muss doch immer wieder ausgefochten werden.
Keine Ahnung, ob der Runde Tisch dies voranbringen wird, auf alle Fälle sollte es hoffentlich von Vertretern verschiedener Weltanschauungen diskutiert und neu ausgerichtet werden.
Leute die sich gegen diesen Konsens "versündigen" oder versuchen diese Ethik auszuweiten, weil ihre Neigungen damit in Konflikt geraten, gibt es vermutlich immer.
Wann ist eine Neigung krankhaft oder strafwürdig? Oder sind es immer normale Randerscheinungen, die man aber nicht in den gesellschaftlichen Konsens einbeziehen kann.
Oder so, oder auch ganz anders.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1469600) Verfasst am: 07.05.2010, 14:54 Titel: |
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Martha-Helene hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Martha-Helene hat folgendes geschrieben: |
Sicher eine wichtige Werte-Diskussion in die auch die Humanisten einsteigen sollten.
Wie weit darf man sein Freidenken ausleben? |
Ethik ist systematisierte ethisch-moralische Erfahrung. Damit ist sie prinzipiell unabhängig von irgendeiner Weltanschauung. |
Aber ein gesellschaftlicher Konsens, was denn die herrschende Moral ausmacht, muss doch immer wieder ausgefochten werden.
Keine Ahnung, ob der Runde Tisch dies voranbringen wird, auf alle Fälle sollte es hoffentlich von Vertretern verschiedener Weltanschauungen diskutiert und neu ausgerichtet werden.
Leute die sich gegen diesen Konsens "versündigen" oder versuchen diese Ethik auszuweiten, weil ihre Neigungen damit in Konflikt geraten, gibt es vermutlich immer.
Wann ist eine Neigung krankhaft oder strafwürdig? Oder sind es immer normale Randerscheinungen, die man aber nicht in den gesellschaftlichen Konsens einbeziehen kann. |
Das ist doch genau das, was wir beobachten können. Wie beim Wissen gibt es auch bei der Moral keinen archimedischen Punkt außerhalb dieser Welt, der uns einen sicheren Stand, eine letzte Begründung liefert.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
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(#1469626) Verfasst am: 07.05.2010, 16:07 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Ethik ist die intellektuelle Herangehensweise an die Probleme, auf die sozial lebende Lebewesen zwangsläufig stoßen. Es ist der Versuch, Übereinkommen heraus zu kristallisieren, die innerhalb einer Gesellschaft gelten sollten, damit die Allgemeinheit und auch das Individuum geschützt ist.
In diesem Sinne kann es uns aber nicht darum gehen, wie "rein" das Gewissen eines Täters ist, sondern dass er überhaupt dazu in der Lage war, sich schwer gesellschaftsschädlich zu verhalten.
[...]
Mit schwer gesellschaftsschädlich meine ich definitiv eine starke Neigung zur Gewaltbereitschaft, Triebtäter, Mörder.
Ich meine noch nicht einmal Totschlag damit: Wahrscheinlich kann tatsächlich jeder Mensch unter gewissen Umständen töten, aber die wenigsten Menschen könnten morden. Diese Unterscheidung ist ja nicht aus der Luft gegriffen. |
Diese beiden Zitate widersprechen sich. Der Unterschied in der Bewertung Totschlag <-> Mord liegt in der Motivation / Absicht, die Du im ersten Teil des Zitates noch außen vor lassen wolltest. |
Ich habe nicht die Motivation außen vor lassen wollen, sondern das Gewissen. Es ist nicht "besser" zu töten und sich hinterher schlecht zu fühlen und auch nicht schlechter. Ich finde diese Unterscheidung unsinnig, weil sie an der Bewertung des Täters als Mensch ansetzt und nicht im Hinblick darauf, wie man Kriminalität vermindern kann.
Die Motivation hingegen spielt durchaus eine gewisse Rolle und das aus einem ganz wichtigen Grund: Von jemandem, der (/die) für eine Lebensversicherung seine Frau (/ihren Mann) umbringt ist eher weiteres gesellschaftsschädliches Verhalten zu erwarten als jemand, der in einer Ausnahmesituation rot gesehen hat.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Mir erscheint es absurd und auch wenig wünschenswert, alle Leute so anzusehen und so zu behandeln, als ob sie unzurechnungsfähig wären. Eine Ethik, erstellt von Unzurechnungsfähigen - wie könnte die wohl aussehen? Kaum vorstellbar. |
Von unzurechnungsfähig habe ich nichts geschrieben. Prinzipiell habe ich nur am Eingangspost angeknüpft: Jeder verhält sich gemäß seiner Natur.
Nichts desto trotz sind auch unsere ethischen Konstrukte Teil der psychischen "Umgebung", die unser Handeln bestimmen. Ich sehe da keinen Widerspruch. Wir sind ganz offensichtlich zu ethischen Überlegungen und zu ethischem Verhalten in der Lage.
Aber gerade wenn wir doch ethisches Verhalten fördern wollen, müssen wir Menschen, denen ethisches Verhalten schwerer fällt, helfen, ethisches Verhalten zu "bahnen".
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Was ist mit einem Mittelding, sagen wir jemand, der absichtlich einen Haufen Steuern hinterzogen hat? Auch nicht zurechnungsfähig wegen einer falschen Sozialisation?
Sind nun dAn alle Normverletzer prinzipiell nicht zurechnungsfähig, weil irgendwie 'falsch gepolt', falsche Sozialisation oder dergleichen oder nicht? |
Nein.
Natürlich nicht.
Wir sind soziale Lebewesen und Normverletzungen gehören dazu. Es ist einfach so, dass 100%ige Kooperation kein evolutiv stabiles System darstellt, sprich: Kooperation und persönlicher Vorteil stehen immer in Konkurrenz zueinander und das nicht nur zwischen Individuen sondern auch innerhalb eines Individuums. Das ist durchaus normal. Es ist aber auch normal, dass die Gesellschaft versucht, Ausbeutung zu bestrafen.
Innerhalb dieses natürlichen Konflikts funktioniert gewöhnliche Bestrafung sogar einigermaßen, denn die Strafe bildet die zu erwartenden Kosten für Ausbeutung (erhoffter persönlicher Vorteil). Im Idealfall lohnt sich Ausbeutung nicht mehr.
Um es auf den Punkt zu bringen: Die Konsequenzen für gesellschaftsschädliches Verhalten sollen derart geschaffen sein, dass sie künftige Taten zu einem Großteil verhindern oder gar abschrecken können (wenn denn möglich). Die Unterscheidung in zurechnungsfähig und unzurechnungsfähig nützt uns hierbei schlichtweg nichts. Wenn überhaupt muss man unterschiedliche Lösungsansätze für unterschiedliche Probleme finden. Eine Geldstrafe, die hoch genug ist, um Steuerhinterzieher abzuschrecken, hat ihren Zweck erfüllt. Einen Mörder einfach wegzusperren und zu hoffen, dass er von selbst seinen Weg zur Besserung findet, nicht.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Ist Mitleid das einzig richtige Gefühl, wenn jemand eine Norm verletzt? |
Es geht mir nicht um Mitleid, sondern um Verstehen. Wie will man einen Täter richtig behandeln, wenn man ihn nicht versteht?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Solange Du zwischen Tötung und Mord unterscheiden willst, hast Du automatisch den juristischen Schuldbegriff mit drin.  |
Es mag ein Aspekt des Schuldbegriffs sein - ja. Man kann sich jetzt auch darüber streiten, ob ich nur eine Modifizierung der Definition von Schuld vorschlage, aber das ist doch zweitrangig.
Um es nochmal klar zu machen was genau mich am derzeitigen Schuldbegriff stört: Schuld wird heutzutage immernoch viel zu sehr mit dem Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit assoziiert. Menschen laden demnach Schuld auf sich, wenn sie gegen ihr Gewissen handeln und müssen büßen, um diese wieder von sich nehmen zu lassen. Dieser transzendente Nebenschauplatz lenkt jedoch davon ab, was das eigentliche Interesse der Gesellschaft sein sollte: Den größtmöglichen Schutz und die größtmögliche Freiheit aller zu gewährleisten.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Aber Dir ist hoffentlich schon klar, dass diese 'hoffnungslosen Fälle' mit 'irreversiblen Störungen' die absolute Ausnahme sind, oder? |
Ich bin auf deinen Punkt eingegangen, dass man psychisch Kranken die Rechte entzieht und ich habe nur versucht darzulegen, warum das meiner Meinung nach (eingeschränkt und in bestimmten Fällen) gerechtfertigt ist.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Sicherungsverwahrung ist übrigens meist durchaus Endstation, da gilt das Prinzip: "Im Zweifel gegen den potentiell Gefährlichen". |
Wie ich schon schrieb: Die Auflagen sind enorm hoch. Natürlich ist es da nicht mehr die Regel, wieder auf freien Fuß zu kommen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Was genau findest Du ungerecht? Dass das Prinzip der Sicherungsverwahrung nicht auf alle Straftäter angewendet wird, also jeder Straftäter wie der Sicherungsverwahrte solange in Haft bleiben soll, bis zweifelsfrei angenommen werden kann, dass er keine Normverletzung mehr begehen wird? Dass also eine Ausnahmeregelung, unter die zurzeit nur eine sehr kleine Minderheit fällt, auf alle ausgeweitet wird? Wäre es dann nicht, wenn man mit Gerechtigkeit argumentiert, sinnvoller, für die Abschaffung der Sicherungsverwahrung zu sein? |
Zweifelsfrei kann man niemals annehmen, dass keine weiteren Normverletzungen vom Individuum begangen werden. Hier muss natürlich wie in nahezu allen ethischen Überlegungen eine Ballance gefunden werden zwischen den Rechten des Individuums und dem Schutz der Allgemeinheit.
Ein mögliches Ziel könnte Einsicht sein.
Aber es sollte schlichtweg um ein solches Ziel gehen. Wenn dies nicht erreicht werden kann, ist Sicherungsverwahrung - je nach Wiederholungsrisiko und Art der befürchteten Taten - womöglich die beste Möglichkeit und das unabhängig von der genauen Diagnose durch einen Psychater. Ein gefährliches Individuum ist ein gefärhliches Individuum ist ein gefährliches Individuum. Die Ungerechtigkeit im jetzigen System ist das Messen mit zweierlei Maß, ob ein Täter nach Meinung von Psychatern geisteskrank ist (dann ist man so konsequent und denkt über die Risiken einer Freilassung überhaupt erst nach) oder ob ein Täter "gesund" ist (dann geht es nur um ausgleichende Gerechtigkeit).
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Was willst Du eigentlich? Ein Gesinnungs('Neigungs')-Strafrecht? |
Ich will ein Strafrecht, das nicht nur Strafen ausspricht, um dem Wunsch nach Rache oder "ausgleichender Gerechtigkeit" nach zu kommen, sondern um auf die Gesellschaft tatsächlich im Sinne der größtmöglichen Leidensvermeidung einzuwirken. Sprich: Strafen sollen effektiv bei möglichst geringer Verletzung der Rechte des Täters sein. Wie kann es uns denn überhaupt um irgend etwas anderes dabei gehen?
Ich will dabei auch keine Neigungen, nur weil sie ausgelebt gesellschaftsschädlich sein könnten, bestrafen - ich will diese einfach behandelt wissen, wenn sie sich bereits in der Praxis als gefährlich bewiesen haben
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Strafrecht ist übrigens (jedenfalls zurzeit nicht) gar nicht dazu da, eine völlige Sicherheit der Allgemeinheit zu gewährleisten, es wägt ab zwischen dieser Sicherheit und den Rechten des Angeklagten, (Aussageverweigerungsrecht etc.). Was übrigens mE einen Rechtsstaat ausmacht, würde man den Fokus hin zu der Sicherheit verlagern wollen und diese Rechte einfach negieren, weil man sagt: "die Sicherheit der Allgemeinheit geht vor", dann verlässt man den Boden des Rechtsstaates - wiewohl man wahrscheinlich dadurch die Normtreue und somit die 'Sicherheit der Allgemeinheit' stark erhöhen könnte - aber unter Aufgabe / starker Einschränkung der persönlichen Rechte. Alles hat nun mal seinen Preis. Fragt sich, was man will. |
Hm, überhaupt im Sinne der Sicherheit der Gesellschaft zu denken bedeutet doch nicht, dass man die Rechte des Täters gleich ganz vernachlässigen kann.
Interessenabwägung ist natürich unerlässlich. Diese Interessenabwägung würde aber auch ohne größere Verletzung der Rechte des Täters stärker zugunsten der Sicherheit ausfallen, wenn ein Einwirken auf die Täter überhaupt ein ernsthaftes Thema hier wäre.
In Sitzungen die Empathie mit den Opfern schärfen, um Einsicht zu fördern. Verarbeitung der Tat, um produktive Schlüsse für die Zukunft ziehen zu können. Gemeinschaftlicher Austausch über ethische Themen. Aktivitäten, die die Kooperation der Gesellschaft symbolisch repräsentieren. Oder-was-weiß-ich! (Bin ja keine Psychologin)
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Und dann stellt sich auch die Frage, ob eine Gesellschaft überhaupt dazu berechtigt ist, ihre erwachsenen Bürger gegen deren Willen erziehen zu dürfen. (Ich meine das nicht.) |
Man kann so einiges in Frage stellen. Warum wir uns aber alle gegenseitig, durch Werbung, meinungsbildenden Medien usw. erziehen dürfen, aber nicht übereinstimmend gemeinsame "Erziehungsziele" entwickeln dürfen sollten, verstehe ich wiederum nicht.
Ich rede ja immerhin nicht von Indoktrination oder Gehirnwäsche.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: |
Und es mutet mir gar merkwürdig an, wenn man diejenigen seltenen Ausnahmefälle, die sich tatsächlich überhaupt nicht unter Kontrolle haben, die es ja geben mag und denen man deswegen alle ihre Rechte als Angeklagte meint entziehen zu dürfen, als Schablone für alle nehmen will. |
Irgendwie scheint dir nicht ganz klar zu sein, dass ich den normalen Strafvollzug nicht auflösen will, sondern Forensik und Strafvollzug annähern möchte. Ich bin sogar so optimistisch, dass eine intensive psychische Begleitung des Strafvollzugs zu geringeren Strafen führen würde und somit den meisten Tätern zugute käme. Gleichzeitig ließe sich womöglich auch die Hürde, als forensischer Fall wieder resozialisiert zu werden, verringern - das Risiko für die Gesellschaft sollte dabei ähnlich hoch sein wie bei jedem anderen Täter, der wieder frei kommt.
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
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Ascanius abnorm
Anmeldungsdatum: 14.06.2005 Beiträge: 375
Wohnort: Berlin
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(#1469628) Verfasst am: 07.05.2010, 16:13 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Wie schrieb hier jemand mal so schön: Ethik ist systematisierte ethisch-moralische Erfahrung. |
Was ist daran "schön"?
1. Definiens und Definiendum enthalten den gleichen Begriff.
2. U.a. deshalb wird absolut nichts über die Bedeutung der Begriffe "ethisch" und "moralisch", bzw. "ethisch-moralisch" ausgesagt.
3a. Die Frage, wie "Erfahrung" normativ sein kann, (ohne einen Naturalistischen Fehlschluß zu implizieren,) bleibt ungeklärt.
3b. Die Frage, wie eine Ethik ohne Normatismus auskommen kann, bleibt ungeklärt.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1469648) Verfasst am: 07.05.2010, 17:42 Titel: |
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Ascanius hat folgendes geschrieben: | ... 3a. Die Frage, wie "Erfahrung" normativ sein kann, (ohne einen Naturalistischen Fehlschluß zu implizieren,) bleibt ungeklärt. |
Schreib doch mal hin, was genau Du unter "normativ" verstehst.
Dann wird man vermutlich sehen, daß je nach Deiner Definition einer der folgenden drei Fälle eintritt:
1. Ethik ist trivialerweise (sozusagen p.d.) normativ,
oder
2. NICHTS ist normativ,
oder
3. Die Natur ist normativ.
Ascanius hat folgendes geschrieben: | 3b. Die Frage, wie eine Ethik ohne Normatismus auskommen kann, bleibt ungeklärt. |
Antwort später.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Ascanius abnorm
Anmeldungsdatum: 14.06.2005 Beiträge: 375
Wohnort: Berlin
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(#1469663) Verfasst am: 07.05.2010, 18:30 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Ascanius hat folgendes geschrieben: | ... 3a. Die Frage, wie "Erfahrung" normativ sein kann, (ohne einen Naturalistischen Fehlschluß zu implizieren,) bleibt ungeklärt. |
Schreib doch mal hin, was genau Du unter "normativ" verstehst. |
Wie enttäuschend, daß ausgerechnet Du mich darum bittest! Immerhin warst Du schon häufig zugegen, wenn ich mich zu moralphilosophischen Fragen ausließ. Kurz und banal: Normative Aussagen sind "soll"-Aussagen.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1469674) Verfasst am: 07.05.2010, 18:49 Titel: |
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Ascanius hat folgendes geschrieben: | Kurz und banal: Normative Aussagen sind "soll"-Aussagen. |
Damit tritt Fall (1) ein:
step hat folgendes geschrieben: | 1. Ethik ist trivialerweise (sozusagen p.d.) normativ, ... |
denn in jeder Ethik gibt es "soll"-Aussagen und damit ist jede Ethik "normativ".
Und bei dieser Definition von "normativ" ist es in der Tat so, daß ...
Ascanius hat folgendes geschrieben: | 3b. Die Frage, wie eine Ethik ohne Normatismus auskommen kann, bleibt ungeklärt. |
... eine Ethik nicht wirklich ohne Normen auskommen kann.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Ascanius abnorm
Anmeldungsdatum: 14.06.2005 Beiträge: 375
Wohnort: Berlin
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(#1469707) Verfasst am: 07.05.2010, 20:19 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Ascanius hat folgendes geschrieben: | Kurz und banal: Normative Aussagen sind "soll"-Aussagen. |
Damit tritt Fall (1) ein:
step hat folgendes geschrieben: | 1. Ethik ist trivialerweise (sozusagen p.d.) normativ, ... |
denn in jeder Ethik gibt es "soll"-Aussagen und damit ist jede Ethik "normativ". |
...was keineswegs bedeutet, daß sie ausschließlich normativ ist. Tatsächlich betrachten einige Moralphilosophen auch die Analyse ethischer Systeme als Teildisziplin der Ethik. Insofern, als normative Aussagen sinnlos sind, wenn sie nicht in einer geordneten Beziehung zu (mehr oder weniger wahren) Aussagen über die Welt stehen, besitzt jede ernstgenommenwerdenwollende Ethik ohnehin deskriptive Elemente.
step hat folgendes geschrieben: | Ascanius hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Und bei dieser Definition von "normativ" ist es in der Tat so, daß ... |
3b. Die Frage, wie eine Ethik ohne Normatismus auskommen kann, bleibt ungeklärt. |
... eine Ethik nicht wirklich ohne Normen auskommen kann.
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Gewiß, gewiß! Ursprünglich ging es allerdings nicht um meine Ansichten, sondern um ein "schönes" Zitat in einem Beitrag von Marcellinus.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1469709) Verfasst am: 07.05.2010, 20:28 Titel: |
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Ascanius hat folgendes geschrieben: | Insofern, als normative Aussagen sinnlos sind, wenn sie nicht in einer geordneten Beziehung zu (mehr oder weniger wahren) Aussagen über die Welt stehen, besitzt jede ernstgenommenwerdenwollende Ethik ohnehin deskriptive Elemente. |
Genau. Und da die normativen Anteile der Ethik keine absoluten Begründungen haben, sondern ebenfalls nur in Beziehungen zu Aussagen über die Welt stehen (etwa zu unseren Zielen und Wünschen), wäre es falsch, hier einen naturalistischen Fehlschluss zu vermuten, solange nicht jemand eine so entstandene Ethik für absolut verkauft.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Ascanius abnorm
Anmeldungsdatum: 14.06.2005 Beiträge: 375
Wohnort: Berlin
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(#1469714) Verfasst am: 07.05.2010, 20:38 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Ascanius hat folgendes geschrieben: | Insofern, als normative Aussagen sinnlos sind, wenn sie nicht in einer geordneten Beziehung zu (mehr oder weniger wahren) Aussagen über die Welt stehen, besitzt jede ernstgenommenwerdenwollende Ethik ohnehin deskriptive Elemente. |
Genau. Und da die normativen Anteile der Ethik keine absoluten Begründungen haben, sondern ebenfalls nur in Beziehungen zu Aussagen über die Welt stehen (etwa zu unseren Zielen und Wünschen), wäre es falsch, hier einen naturalistischen Fehlschluss zu vermuten, solange nicht jemand eine so entstandene Ethik für absolut verkauft. |
Bitte lies doch die relevanten Beiträge noch einmal in ihrer Reihenfolge. Wie es scheint, bist Du etwas neben die Spur geraten. Jedenfalls kann ich mich von Deinen letzten Zeilen nicht angesprochen fühlen.
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