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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
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(#1470212) Verfasst am: 09.05.2010, 09:47 Titel: |
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So löst sich die Furcht vor einem EU-Beitritt der Türkei von alleine:
Die heutige Karikatur der türkischen Zeitung Sabah:
"Wir würden ja gerne beitreten, aber wie gelangen wir an die Tür"
Ich weiss leider nicht mehr wer genau die auslaendischen Gaeste der Talkrunde waren, die ich gestern kurz aufgeschnappt habe, aber vom Akzent her ein Brite meinte gestern, haette die EU bei allen Staaten, die es bereits aufgenommen hat, nur 50% der Sorgfalt, Skepsis, Sorge an den Tag gelegt, wie sie das bei jedem einzelnen Satz macht, wenn es um die Türkei geht, würde sie heute nicht vor diesem Dilemma stehen.
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
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(#1470358) Verfasst am: 09.05.2010, 16:21 Titel: |
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Seit Jahren schon faellt mir eine sehr bizarre Situation auf, und in der letzten Zeit, in der sich die Meldungen von gefallenen Soldaten bei Auseinandersetzungen im Osten mit der PKK wieder haeufen wird das wieder offensichtlich.
Im Türkischen drückt das Wort "şehit" einerseits "Gefallener" aus, aber auch "Maertyrer" im religiösen Sinn.
Obwohl das Maertyrertum im Islam an den Dschihad verknüpft ist, vermischen die Hinterbliebenen dies gerne mit der normalen Bedeutung "Gefallener", da sie die für sie so grosse Erleichterung verspüren, dass der Verstorbene Sohn/Ehemann/Vater tatsaechlich (zumindest nach ihrem Glauben) ins Paradies gelangt ist.
Kein General würde sagen, dass die Kaempfe gegen die PKK im Osten Teil eines Dschihads sind, aber sobald ein Soldat faellt, werden die die Angehörigen damit vertröstet, dass es sich ja um einen "şehit" handelt, und so wird die Sache dann auch vom Imam meist beim Totengebet aufgenommen.
Das ganze wird dann kurios, wenn Eltern darauf pochen, dass ihr Sohn bei egal welcher Todesursache im Wehrdienst zu einem "şehit" erklaert werden soll. Der letzte Fall, der mir gerade in Erinnerung ist, war der Tod eines jungen Soldaten am Steuer eines Truppentransporters an akutem Herzversagen. Die Familie will mit Brief und Siegel ein Beleg dafür, dass er "şehit" ist, weil sie dann die Gewissheit hat, dass er ohne Befragung durch Allah ins Paradies gelangt ist.
Absurd ist für mich, dass sehr glaeubigen Menschen, die sonst an ihrem Glauben der alleinigen Allmacht Allahs keine Zweifel aufkommen lassen würden, es plötzlich wichtig ist, dass der Staat den Toten als "şehit" bezeichnet, damit Allah dadurch praktisch diesen ins Paradies einlassen muss - dass heisst, man will eigentlich Allah praktisch in die Ecke draengen, damit er nicht anders kann.
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Angkor registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.03.2007 Beiträge: 1547
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(#1470372) Verfasst am: 09.05.2010, 16:39 Titel: |
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ateyim hat folgendes geschrieben: |
Im Türkischen drückt das Wort "şehit" einerseits "Gefallener" aus, aber auch "Maertyrer" im religiösen Sinn. |
Das hat mich vor einiger Zeit sehr irritiert. Türkische, nationalistische Bekannte von mir hatten manchmal so Propagandabilder auf dem PC, auf denen diesen "Märtyrern" gehuldigt wurde.
Das stand dann immer "şehitler" und "vatan" und so ein Kram. Da war ich zuerst ziemlich geschockt, als ich da "Hitler" gelesen hab. Da wusste ich aber noch nichts von der Pluralendung im Türkischen "-ler" bzw. "-lar".
ateyim hat folgendes geschrieben: |
Das ganze wird dann kurios, wenn Eltern darauf pochen, dass ihr Sohn bei egal welcher Todesursache im Wehrdienst zu einem "şehit" erklaert werden soll. Der letzte Fall, der mir gerade in Erinnerung ist, war der Tod eines jungen Soldaten am Steuer eines Truppentransporters an akutem Herzversagen. Die Familie will mit Brief und Siegel ein Beleg dafür, dass er "şehit" ist, weil sie dann die Gewissheit hat, dass er ohne Befragung durch Allah ins Paradies gelangt ist.
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Ist sowas nicht auch mit einer ganzen Menge Ansehen verbunden? Wenn man praktisch vor den Bekannten angeben kann, dass der Sohn als Märtyrer gestorben ist?
_________________ بالأخضر كفناه بالأحمر كفناه
بالأبيض كفناه بالأسود كفناه
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
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(#1470385) Verfasst am: 09.05.2010, 16:51 Titel: |
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Angkor hat folgendes geschrieben: | ateyim hat folgendes geschrieben: |
Im Türkischen drückt das Wort "şehit" einerseits "Gefallener" aus, aber auch "Maertyrer" im religiösen Sinn. |
Das hat mich vor einiger Zeit sehr irritiert. Türkische, nationalistische Bekannte von mir hatten manchmal so Propagandabilder auf dem PC, auf denen diesen "Märtyrern" gehuldigt wurde.
Das stand dann immer "şehitler" und "vatan" und so ein Kram. Da war ich zuerst ziemlich geschockt, als ich da "Hitler" gelesen hab. Da wusste ich aber noch nichts von der Pluralendung im Türkischen "-ler" bzw. "-lar".  |
Du meinst den Spruch: "Şehitler ölmez, vatan bölünmez" (Maertyrer sterben nie, das Vaterland wird nie geteilt)... mir hing der Spruch zum Hals raus, weil wir dieses und aehnliches staendig beim Marschieren beim Militaer brüllen mussten.
Angkor hat folgendes geschrieben: | ateyim hat folgendes geschrieben: |
Das ganze wird dann kurios, wenn Eltern darauf pochen, dass ihr Sohn bei egal welcher Todesursache im Wehrdienst zu einem "şehit" erklaert werden soll. Der letzte Fall, der mir gerade in Erinnerung ist, war der Tod eines jungen Soldaten am Steuer eines Truppentransporters an akutem Herzversagen. Die Familie will mit Brief und Siegel ein Beleg dafür, dass er "şehit" ist, weil sie dann die Gewissheit hat, dass er ohne Befragung durch Allah ins Paradies gelangt ist.
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Ist sowas nicht auch mit einer ganzen Menge Ansehen verbunden? Wenn man praktisch vor den Bekannten angeben kann, dass der Sohn als Märtyrer gestorben ist? |
Da sagst du was: diese Eltern nennen sich ab da ja auch selbst immer "şehit annesi"/"sehit babası" (Martyerermutter/-vater). Ich bin mir sicher, dass heute auch wieder ganz theatralisch in den Abendnachrichten auf die "Maertyrermütter" eingegangen wird. In einem Land in dem der Wehrdienst von vornherein als "Vatan borcu" (Schulden am Vaterland) bezeichnet wird, ist das nur noch das Tüpfelchen auf dem i
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
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(#1470684) Verfasst am: 10.05.2010, 14:44 Titel: |
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Zitat: | Oppositionschef Baykal tritt zurück
Deniz Baykal ist über eine Liebesaffäre gestolpert: Der türkische Oppositionsführer hat seinen Rücktritt erklärt. Im Internet kursierte ein Video, das ihn mit einer Geliebten zeigen soll. Der Politiker spricht von einem Komplott.
ISTANBUL - Der türkische Oppositionsführer Deniz Baykal (71) ist nach fast 18 Jahren an der Spitze der Republikanischen Volkspartei (CHP) wegen eines Sexskandals zurückgetreten. Baykal reagierte am Montag auf die Veröffentlichung eines heimlich gedrehten Videos, das im Internet verbreitet wurde und ihn mit einer unbekleideten CHP-Abgeordneten in einem Schlafzimmer zeigen soll.
Baykal sprach von einem Komplott. Er beschuldigte am Montag die Regierung, hinter der Veröffentlichung des Videos zu stecken. Die Aufnahmen waren bis etwa 1400 (MESZ) auch auf dem Internetportal Youtube zu sehen, bevor sie entfernt wurden.
Baykal war mit zwei kurzen Unterbrechungen seit 1992 Vorsitzender der CHP, die sich ungeachtet ihrer schweren Niederlage bei der Parlamentswahl 2007 in einem permanenten Machtkampf mit der islamisch-konservativen AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan befindet. In der Vergangenheit war ihm mehrfach das schlechte Abschneiden seiner Partei gegen die AKP angelastet worden. Die weltlich orientierte CHP ist die größte Oppositionspartei in der Türkei. (dpa) |
ksta.de
Das ist jetzt ein Scheideweg für diese Partei, die sich oftmals nur noch als eine Partei kemalistischer Betonköpfe hervorgetan hat. Entweder es gelingt ihr, innerhalb kurzer Zeit einen neuen Parteiführer zu finden, mit dem man auch neue Waehlerkreise gewinnen kann, oder aber die neue Führung vergrault noch weitere Anhaenger und führt zu ihrem totalen Absturz. Einen charismatischen Nachfolger zu finden wird gewiss nicht leicht, zumal er jegliche innerparteiliche Oppostion stets unterbunden hat.
Innerhalb der folgenden vier Monate wird das Referendum über die im Parlament verabschiedeten Verfassungsaenderungen durchgeführt werden, vor dem Regierung und Opposition wieder durchs Land reisen werden, um das Für und Wider darzulegen. Baykal, der jegliche Diskussion ablehnte und nicht bereit war sich in irgendeiner Weise in diese Reformen mit eigenen Vorschlaegen einzubringen, war für mich ein Grund, kategorisch niemals mein Kreuz bei dieser Partei zu machen.
Nun gilt es abzuwarten, ob die Partei diese Chance nutzen wird oder ob am Ende die Partei Atatürks am Ende zu einer Minipartei verkümmert.
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1471174) Verfasst am: 11.05.2010, 22:20 Titel: |
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Leider komme ich nicht dazu selbst zu fotografieren und die Fotos hier reinzustellen.
Doch Istanbul verdankt dem Judasbaum (auf türkisch: Erguvan) seine besondere Schönheit in den Monaten April und Mai
nett auch die Legende zu dem Baum: angeblich habe Judas, als er seinen Verrat bereute, an gerade einem solchen Baum sich erhaengt. Daraufhin haetten sich die Blüten, die vorher weiss waren, verfaerbt.
Die Purpurfarbe, die im byzantinischen Reich nur dem Kaiser vorbehalten war, sei damals auch von diesen Blüten gewonnen worden.
Dank dieses Eindrucks sind die Bosporusfahrten nicht nur im Herbst besonders schön, sondern auch gerade jetzt.
Morgen sollens 30 Grad werden.. hoffe es haelt sich bis zum Wochenende ... dann weiss ich, welchem Motiv ich mich widmen werde.
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Alchemist registrierter User
Anmeldungsdatum: 03.08.2004 Beiträge: 27897
Wohnort: Hamburg
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(#1471252) Verfasst am: 12.05.2010, 09:23 Titel: |
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Istanbul würde ich auch gerne mal besuchen
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Evilbert auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge: 42408
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(#1471254) Verfasst am: 12.05.2010, 09:28 Titel: |
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Alchemist hat folgendes geschrieben: | Istanbul würde ich auch gerne mal besuchen |
Wenn, dann nimm Dir Zeit und mach es selbst. Ich war mittels ner Pauschalreise für zwei Tage da und der bekloppte Reiseleiter hat z. B. für den Basar eine einzige Stunde eingeplant.
Ich hasse den noch heute.
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1471260) Verfasst am: 12.05.2010, 10:03 Titel: |
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Ist zwar Eigenwerbung, aber bevor ihr einen offiziellen Reiseführer engagiert, nehmt mich...
kein Scherz... ich habe sehr viel Spass dran und habe bisher den Eindruck, dass die Leute, die ich geführt habe zufrieden waren, da sie im Nachhinein für mich bei Bekannten und Freunden Mundpropaganda gemacht haben.
Alle paar Wochen mal, ganz nebenbei ist das eine feine Sache.
Also... erst bei mir melden.
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1471261) Verfasst am: 12.05.2010, 10:08 Titel: |
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Habe zuletzt noch das Angebot eines offiziellen Reiseführers gesehen, der eine Tour
Blaue Moschee, Hagia Sophia, Grosser Basar, Topkapi, Bosporusfahrt für 88 Euro anbietet (sogar für Kinder gilt dieser Preis) und dann auch noch schreibt, dass darin nicht nur der Eintritt für die Museen, sondern auch zur Moschee und zum Basar enthalten sei.... noch dümmer geht der Beschiss nun wirklich nicht: Was für ein Eintrittsgeld für eine Moschee oder einen Basar?
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1471308) Verfasst am: 12.05.2010, 13:26 Titel: |
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Oh mein Gott...
Der russische Praesident Medwedjew ist derzeit zu Gast in Ankara und dabei wurde verkündet, dass die Visapflicht zwischen beiden Laendern abgeschafft werden soll.
Man rechnet jaehrlich mit 3 Millionen russischen Touristen mehr im Süden der Türkei...
nachdem ich einmal erlebt habe, wie es zugeht, wenn ein Hotel in russischer Hand ist...
Neben dieser Neuigkeit gibt es über den Besuch noch folgendes zu berichten (www.tagesschau.de)
Zitat: | Türkei will von Energietransit profitieren
Bereits im vergangenen Sommer hatten die Ministerpräsidenten der beiden Länder, Recep Tayyip Erdogan und Wladimir Putin, wichtige Energieverträge unterzeichnet. Erdogan nannte damals diesen Schritt entscheidend, um den Status der Türkei als wichtiges Energie-Transit-Land zu stärken. "Entsprechend dem guten Klima der Freundschaft und Zusammenarbeit beider Länder hat die Türkei Russland auf die Anfrage hin die Erlaubnis erteilt, in den türkischen Gewässern des Schwarzen Meeres eine Machbarkeits-Studie für die geplante Erdgaspipeline South-Stream vorzunehmen", sagte Erdogan.
Die South-Stream-Leitung soll russisches Erdgas unter Umgehung der Ukraine nach Bulgarien und dann weiter nach Zentraleuropa bringen. 2011, so heißt es, soll bereits mit dem Bau der Pipeline begonnen werden. Zudem besiegelte man ein Abkommen über die Lieferung russischen Erdöls ins nordtürkische Samsun. Von dort geht es in eine Pipeline nach Ceyhan am Mittelmeer.
Durch diese Maßnahme soll der Verkehr von Tankern durch den Bosporus und die Dardanellen gedrosselt werden. Russland ist mit einem Volumen von 40 Milliarden Dollar der größte Handelspartner der Türkei. Umgekehrt ist die Türkei der fünfgrößte Handelspartner Russlands.
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Misterfritz mini - mal
Anmeldungsdatum: 09.03.2006 Beiträge: 21867
Wohnort: badisch sibirien
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(#1471323) Verfasst am: 12.05.2010, 14:10 Titel: |
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ateyim hat folgendes geschrieben: | Oh mein Gott...
Der russische Praesident Medwedjew ist derzeit zu Gast in Ankara und dabei wurde verkündet, dass die Visapflicht zwischen beiden Laendern abgeschafft werden soll.
Man rechnet jaehrlich mit 3 Millionen russischen Touristen mehr im Süden der Türkei...
nachdem ich einmal erlebt habe, wie es zugeht, wenn ein Hotel in russischer Hand ist... |
das habe ich auch gedacht, als ich das gelesen habe
ob sich die türkei damit einen gefallen tut?
_________________ I'm tapping in the dusternis
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#1471325) Verfasst am: 12.05.2010, 14:14 Titel: |
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Misterfritz hat folgendes geschrieben: | ateyim hat folgendes geschrieben: | Oh mein Gott...
Der russische Praesident Medwedjew ist derzeit zu Gast in Ankara und dabei wurde verkündet, dass die Visapflicht zwischen beiden Laendern abgeschafft werden soll.
Man rechnet jaehrlich mit 3 Millionen russischen Touristen mehr im Süden der Türkei...
nachdem ich einmal erlebt habe, wie es zugeht, wenn ein Hotel in russischer Hand ist... |
das habe ich auch gedacht, als ich das gelesen habe
ob sich die türkei damit einen gefallen tut? |
Das hat weniger mit Russen, als mit Neureich zu tun.
Eine Nachbarin von mir erzählt gerne darüber, wie sie früher von Berlin(West) in den Ostteil der stadt rübergefahren sind, um die Sau rauszulassen. Ich fremdschäm mich immer nur dabei.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1471608) Verfasst am: 13.05.2010, 07:57 Titel: |
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Meine Befürchtung ist, was die neureichen Russen betrifft, dass dadurch die Zahl der anderen Nationalitaeten sehr stark zurückgehen wird und man dort von dieser "Monokultur" auf Jahrzehnte abhaengig sein wird.
Was aber wiederum ein Plus sein könnte:
Jede Bombe, die in türkischen Nachbarstaaten hochgeht, beeinflusst die Zahl deutscher, englischer, französischer und amerikanischer Touristen. Es liegt wohl das daran, dass man bei einer hochgehenden Bombe plötzlich alle Nachbarlaender mit "muslimischer" Praegung als eine Gefahrenzone betrachtet.
Statistiken der letzten Jahre, die heute in den Nachrichten angeführt wurden, machten deutlich, dass sich die Russen am wenigsten um solche Ereignisse scherten. Selbst Attentate in Istanbul vor Jahren oder Umweltkatastrophen in wenigen 100km Entfernung der Urlaubsziele haetten bei russischen Touristen kaum zu Reisestornierungen oder zu einer grösseren Vorsicht geführt.
Liegt wahrscheinlich am Wodka...
Nun ja... wir werden sehen, was wir in den naechsten Jahrzehnten davon haben werden.
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pewe auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 20.01.2008 Beiträge: 3377
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(#1475374) Verfasst am: 22.05.2010, 18:59 Titel: |
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ateyim hat folgendes geschrieben: | Meine Befürchtung ist, was die neureichen Russen betrifft, dass dadurch die Zahl der anderen Nationalitaeten sehr stark zurückgehen wird und man dort von dieser "Monokultur" auf Jahrzehnte abhaengig sein wird. |
So schlimm wirds schon nicht werden. Man arbeitet doch schon an touristischen Alternativen.
Zitat: | Einen Paragrafen, der FKK-Hotels verbiete, gebe es nicht, beruhigte er den Geschäftspartner. Nudisten müssten theoretisch genauso zu tolerieren sein wie Vollverschleierte, und für die gebe es ja auch eigene Hotels. |
http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,695155,00.html
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tridi _____
Anmeldungsdatum: 21.06.2007 Beiträge: 7933
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(#1475414) Verfasst am: 22.05.2010, 20:48 Titel: |
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die tuerkei schien mir bisher nicht grade besonders geeignet fuer fkk-tourismus.
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1475710) Verfasst am: 23.05.2010, 18:39 Titel: |
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tridi hat folgendes geschrieben: | ateyim hat folgendes geschrieben: | tridi hat folgendes geschrieben: | Angkor hat folgendes geschrieben: |
Gelernt wird höchstens das Nachsprechen des arabischen Textes. Vom Verstehen des arabischen Textes kann in den meisten Fällen keine Rede sein.
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wie, die lernen das nur nachplappern, haben aber keine ahnung, was das bedeutet? |
oh ja...
so ist es... bis auf die ganz wichtigsten Suren und Gebete weiss kein Mensch was er da von sich gibt.
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eigentlich wollt ich dich jetzt fragen: "haeh? was het denn das fuern sinn, zeugs auswendig zu lernen (oder nachsprechen zu lernen), wenn man gar nicht versteht, was es bedeutet?"
dann aber fiel mir auf, dass die frage nach dem sinn von religion wohl selbst voellig sinnlos ist...
aber nach fakten kann man ja fragen: wenn die in so ner koranschule irgendeine sure oder irgendein gebet nachsprechen lernen, fragt denn dann keiner, was das heisst? fragen verboten? kriegen die leute nicht mal ne uebersetzung, damit sie einmal wissen, worum es geht?
ich mein, in meinem haus steht sogar ne deutsche uebersetzung des koran. da wirds doch gewiss auch schon mal nen "tuerkischen luther" gegeben haben, der den koran ins tuerkische uebersetzt hat. oder interessiert das einfach keine sau, worum es bei der eigenen religion geht?
Zitat: |
Ich bin mir sicher, dass weniger als 50% überhaupt bis auf das Allahu akbar des Gebetsrufs mir sagen können, was da gerufen wird. |
soll heissen: mehr als 50% verstehen speziell vom gebetsruf nur das "allahu akbar"? aber ein gewisser anteil versteht schon was mehr davon? |
Sicher bekommt man in den Koranschulen, die hier meistens Kurse sind, die die Kinder meist als Ferienkurs im Sommer besuchen oder als Wochenendkurse übers ganze Jahr, die Suren auch erklaert.
Wenn ich mir hier einen Koran kaufen wollte, ist die Mehrzahl so gestaltet, dass die Seite auf arabisch abgedruckt ist und daneben eine "meal" auf Türkisch angegeben ist... eine Erlaeuterung, Erklaerung: vor dem Wort "Übersetzung" scheut man sich, da man ...im Grunde zurecht... der Ansicht ist, dass eine 1:1 Übersetzung ohne Sinnveraenderung nicht möglich ist.
Aber dennoch... konkurrieren hier verschiedene Deutungen.
Waehrend z.B. Korandrucke, die vom türkischen Ministerium für Religiöses herausgegeben werden, in der wichtigsten Sure, folgenden Abschnitt folgendermassen kommentiert:
Zitat: | ...Leite uns den rechten Pfad
Den Pfad derer, denen Du gnädig bist, nicht derer, denen Du zürnst, und nicht der Irrenden.“ |
Allah entscheidet, wer auf dem rechten Pfad wandelt, und wer abweicht. Man bittet ihn darum, einen auf dem rechten Weg zu belassen. Auch wenn am Ende Allah selbst entscheide, was er vergibt und was nicht, sollte man ihn drum bitten, einen auf den rechten Weg schreiten zu lassen und blablablubblub.
Korandrucke aus Saudi-Arabien z.B., die als ach so grosszügige Geschenke an Gemeinden kostenlos verschenkt werden, enthalten folgende Hinweise, wie z.B.
Zitat: | Leite uns den rechten Pfad
Den Pfad derer, denen Du gnädig bist, nicht derer, denen Du zürnst (Christen), und nicht der Irrenden (Juden).“ |
wobei die Begriffe auch vielleicht anders herum gebraucht werden, da bin ich mir jetzt nicht so sicher.
Rein theoretisch haette die Regierung zwar das recht, solche nicht zugelassenen Korane zu beseitigen, aber man möchte einen "befreundeten" Staat ja nicht verstimmten.
Aehnlich ist es mit den Koranschulen... wenn man nicht gerade das Pech hat an einen radikalen Imam zu geraten, wird "unschönes" einfach übersprungen und nicht kommentiert.
Z.B. bekommt kein Maedchen übersetzt, dass das, was sie gerade liest, davon handelt, dass der Mann sie schlagen darf, wenn sie "unartig" ist
Wenn in dem Moment eine der Schülerinnen fragen sollte, wird man wahrscheinlich ins Allgemeine abdriften und von der Befreiung der Frau durch den Islam, die früher doch Lustobjekte gewesen sind, Sklavinnen und und und erzaehlen...
Im Grunde geht es nur darum, die Schrift zu entziffern und zu lesen... am besten auch noch mit einer passenden Rezitationsmelodie.
Und was ich mit meiner Aussage zum Gebetsruf sagen wollte:
Den Gebetsruf werden die wenigsten komplett verstehen, weil sie die arabischen Begriffe kennen... sie haben es vielleicht irgendwann mal auf Türkisch erklaert bekommen und gut ist:
dass "Hayya ´ala-s-Salah" "kommt zum Gebet" heisst und dann "Hayya ´ala-l-Falah!" "kommt zum Heil" bedeutet, erschliesst sich keinem Türken aus dem Arabischen.
Morgens beim allerersten Ruf gibt es den Zusatz: "es-salatu hayrun mine'n nevm" Gebet ist gesegneter als der Schlaf" (Ansichtssache )
Ich habe dies bewusst die gefragt, die wenigstens etwas religiöser sind in meinem Umfeld und zum Freitagsgebet gehen und den Koran "lesen" können. Keiner wusste mit diesem Zusatz was anzufangen, obwohl ich doch von jemandem der von sich meint, den Koran zu "können", dass er wenigstens die Begriffe für "Gebet" und "gesegnet" da raushört und mir übersetzt.
Nichts... nur fragende Gesichter
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tridi _____
Anmeldungsdatum: 21.06.2007 Beiträge: 7933
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(#1475824) Verfasst am: 24.05.2010, 00:09 Titel: |
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und wieviel arabisch kannst du?
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1475847) Verfasst am: 24.05.2010, 08:32 Titel: |
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tridi hat folgendes geschrieben: |
und wieviel arabisch kannst du? |
Gar nicht...ich dachte, durch mein Interesse fürs Osmanische könnte ich auch viele arabischen Vokalbeln, aber wie Angkor deutlich machte, sind da so viele Lautverschiebungen drin, dass sie nicht mehr als solche zu erkennen sind. Ich könnte also in einem arabischen Land keinen vernünftigen Satz bilden - höchstens eine Aneinanderreihung von mir bekannten Wörtern, ohne zu wissen, ob es ohne Deklination und Konjuation für den anderen sind macht - wie Tarzan halt, nur in Arabien Allerdings habe ich mich mit einigen Koransuren doch intensiver beschaeftigt und habe die grundlegenden als Kind auch in der Familie auswendig gelernt.
Im Nachhinein kann ich aber zumindest bei den Passagen, die ich kenne, nicht nur die Übersetzung nennen, sondern auch sagen, was jedes eizelne Wort bedeutet... bringen tut es mir nichts, aber irgendwie erkenne ich beim Hören, wenn ich beim zappen den saudischen Staatssender erwische, deutlich öfter Wörter, die ich halt vom Koran her kenne, als so manch eifriger türkischer Koranleser...
wie gesagt... im Endeffekt bringts mir nichts, aber allein das Gefühl, denen, die einfach nur auswendig lernen etwas voraus zu haben, reicht mir.
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
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(#1476635) Verfasst am: 26.05.2010, 15:39 Titel: |
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So muss es sein ... man muss Prioritaeten setzen können:
Egal welche Themen innen-, aussen und wirtschaftspoltisch in der Türkei im Grunde wichtiger waeren... derzeit steht eine Sache im Mittelpunkt:
Die Entscheidung über die Ausrichtung der Fussball-EM 2016 zwischen den Kandidaten Frankreich, Italien und der Türkei am Freitag.
Ich weiss nicht was schlimmer ist:
wenn die Türkei den Zuschlag bekommt, und am folgenden Tag die Presse damit EU Hoffnungen verknüpft
oder
wenn die Türkei verliert, und man wieder die Mitleidsnummer abzieht: "Man will uns in dem Club nicht haben"
am besten ich lese am Samstag keine Zeitung
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1621442) Verfasst am: 22.03.2011, 11:35 Titel: Wahlprognose Turkey |
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Im Juni finden in der Türkei Parlamentswahlen statt, und den Umfragen nach wird, sieht es nicht nach grossen Verschiebungen aus:
1.Prognose
Die regierende AKP kaeme demnach auf 46.4% und waere somit nur 0.1% unter dem Ergebnis der Wahlen von 2007.
Die kemalistische CHP könnte mit 25.8% rechnen, was einer Steigerung von 5% gleichkaeme
Auch die nationalistische MHP würde ihren Stimmenanteil steigern können, von bisher 11.1% auf 13.6%
Die kurdische BDP kommt derzeit auf 5.7% und bleibt somit wie immer unter der 10%-Hürde. Daher werden die BDP-Kandidaten wie immer vor den Wahlen aus der Partei austreten, als Unabhaengige antreten (für die gilt die 10%-Hürde nicht), um nach der Wahl wieder ihrer Partei beizutreten.
2. Prognose
Eine andere Umfrage liefert hingegen folgende Ergebnisse, die stark abweichen und wegen der 10% ein ganz anderes Bild liefern würde:
AKP: nur 39.7%
CHP: nur 20.3%
MHP: nur 8.6% und somit draussen
BDP: 5.2% aber mit "Unabhaengigen-Taktik" auf alle Faelle dabei
mal abwarten was die kommenden Monate bringen... es sind nur noch 81 Tage bis zu den Wahlen.
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1624006) Verfasst am: 01.04.2011, 08:39 Titel: |
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In der türkischen Version von "Rette die Million" (jawohl... endemol ist überall )
gab es gestern eine Frage, wo ich wusste, dass dieses "islamische Land" doch anders ist als die anderen.
Es gab eine Frage, die ich mir nirgends wo sonst in der islamischen Welt vorstellen kann, weil sie jeder beantworten kann.
Nicht so die beiden Studenten gestern:
Welcher der folgenden Feiertage erinnert an die Geburt des Propheten Mohamed?
Kadir Gecesi (Nacht der Bestimmung)
Berat Kandili (Sündenvergebung)
Mevlit Kandili (Geburtstag des Propheten)
Regaip Kandili (weiss ich nicht mehr so recht )
die beiden haben ihr Geld (875.000TL) bei dieser Frage auf drei Möglichkeiten verteilen müssen. Die richtige Antwort war darunter... doch die Offenheit mit der die beiden sagten, dass sie mit religiösen Feiertagen nicht soviel am Hut haben...
OK... es liegt wohl daran, dass arabisch halt nicht unsere Muttersprache ist, denn "mevlut" kennt meine Mutter noch als osmanischen Begriff für "Neugeborenes"... ein Wort, dass heute nicht mehr benutzt wird.
Aber dennoch!.... Mit welcher Lockerheit die Beiden mit ihrer Unwissenheit scherzend und unbekümmert sich dann in Deutungsversuche begaben, die völlig daneben waren...
mir hats gefallen! wir sind immer noch ein etwas andres "islamisches" Land...
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Martha-Helene auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 24.02.2010 Beiträge: 1155
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(#1624007) Verfasst am: 01.04.2011, 08:48 Titel: |
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Das klingt gut
Also meinst du, dass man auch keinen Islamunterricht braucht um diese Bildungslücken zu schließen?
Umso trauriger wenn Jugendliche Muslime mit Türken gleichsetzen. Auch Bildungslücken...
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1624052) Verfasst am: 01.04.2011, 11:48 Titel: |
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Bezüglich der Ermordung dreier Christen in Malatya im Jahre 2007 im Buchverlag "Zirve", bei dem auch ein Deutscher ermordet worden war, gab es diese Woche mehrere Razzien.
Nach der Tat wurden schnell die Schuldigen festgenommen, die stolz behaupteten, dass sie so gehandelt haetten, um das Vaterland vor der Missionsarbeit der drei Cristen zu beschützen.
Im Rahmen der "Ergenekon"-Untersuchungen, welche seit nun einigen Jahren heimliche Aktivitaeten der Militaers aufzudecken versucht, mit denen Offiziere und Generaele Unruhe zu stiften versuchen, um einen Putschanlass zu schüren, habe ein Zeuge ausgesagt, dass er von hochrangigen Militaers den Auftrag bekommen habe, Bücher über Missionierungstaetigkeiten von Christen zu schreiben und diezbezüglich Konferenzen abzuhalten. Er habe auch ausgesagt, dass bekannte Theologieprofessoren dem Militaer bei ihren Anti-Missionierungs-Plaenen zur Seite gestanden haetten und habe Namen genannt.
Daraufhin fanden nun am Mittwoch mehrere Razzien früh morgens an mehreren Orten gleichzeitg statt, darunter sehr bekannte Theologen, die im Fernsehen immer in Sendungen auftreten, in denen Fragen zum Islam und Koran beantwortet werden, und die alle zum Thema "Missionierung" Forschung betrieben und Bücher geschrieben haben.
Diese Razzien folgten auf die Verhaftung von 7 Personen, darunter Offiziere und ein Theologe, die als Drahtzieher der obigen Ermordungen verdaechtigt werden.
Gegner der Razzien behaupten, dass die AKP-Führung laestige Personen aus ihren eigenen Reihen vor den Wahlen ausschalten möchte.
Der Minister für Religiöse Angelegenheiten wollte sich zu einem laufenden juristischen Verfahren nicht aeussern und spekulieren.
(kann keine Quelle benennen... müsste hierfür alle Zeitungen und Fernsehnachrichten der letzten Tage anführen, die ich gelesen bzw. geguckt habe )
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
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(#1648228) Verfasst am: 12.06.2011, 18:06 Titel: |
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Wahlen in der Türkei....
1.Hochrechnung:
AKP 50,6%
CHP 25,6%
MHP 13,2%
hieraus laesst sich über die Sitzverteilung leider nicht viel sagen, da die Vertreter der kurdichen BDP wegen der 10% Hürde wie immer als unabhaengige Kandidaten antreten. Für diese gilt die 10%-Hürde nicht und so sichern sie über die Hintertür ihren Einzug ins Parlament.
Wichtig ist die Sitzverteilung vor allem deswegen weil in dieser Legislaturperiode eine neue Verfassung ansteht... die Abschaffung der Militaerverfassung von 1982 ist von allen Parteien beschlossen.
Für Verfassungsaenderungen bedarf es immer mindestenst einer 60% Mehrheit (330 Sitze).
Bei einer 60% Mehrheit bei den Sitzen haette die AKP die Möglichkeit alleine Verfassungsaenderungen vorzunehmen, muss sie dann aber zum Volksentscheid vorlegen.
Bei der 2/3 Mehrheit waere das nicht nötig gewesen (367 Sitze) darauf hoffte sie vor allem deswegen, weil die rechtsgerichtete MHP bei den Wahlumfragen lange an der 10% Hürde zu scheitern drohte. Waere sie daran haengen geblieben, haette die AKP dieses Ziel erreicht ohne Zweifel erreicht.
Also eins ist aber wohl ziemlich klar:
das erste Mal seit Einführung des Mehrparteiensystems in der Türkei wird eine Partei bei drei Wahlen hintereinander siegen und zudem wohl auch alleine regieren können.
Aktueller Stand nach 47% ausgezaehlten Wahlurnen:
akp: 53,1 chp: 22,3 mhp: 13,0
Zuletzt bearbeitet von ateyim am 12.06.2011, 18:10, insgesamt einmal bearbeitet |
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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(#1648230) Verfasst am: 12.06.2011, 18:08 Titel: |
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Ich weiß nicht, welche von den 3 Parteien die schlimmste ist.
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1648234) Verfasst am: 12.06.2011, 18:37 Titel: |
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2.Hochrechnung
AKP 50,4 333 Sitze
CHP 25,6 132 Sitze
MHP 13,2 57 Sitze
Unabhaengige 6,4 28 Sitze
@narziss: gute Frage. für die Türkei weiss ich nur eins (leider): entweder hopp oder topp.
Die Animositaeten zwischen den einzelnen Parteichefs und ihren Führungsköpfen sind so gross, dass eine Koalitionsregierung wirklich unmöglich ist.
Der normale europaeische Menschenverstand mag vielleicht sage " wenn das Ergebnis so ausfaellt, müssten sie sich halt zusammensetzen und einen Mittelweg finden " versagt hier.
Die Leute grüssen sich nicht, schauen sich nicht an... verklagen sich schon seit Jahren wegen Sachen, die der eine über den anderen gesagt haben soll und zahlen einander im regelmaessigen Rythmus wegen dieser Beleidigungen Schmerzensgelder. Es ist wie im Kindergarten.
Das war auch für mich ausschlaggebend: eine Taktik, die mir in DE nie in den Sinn kommen würde.
Solange ich nicht die Hoffnung habe, dass die Partei, die mir am meisten liegt es mit einem Erdrutschsieg schlagartig an die alleinige Macht schafft, waehle ich - wenn die aktuelle Regierung bei mir im Bereich "gut" bis "befriedigend" liegt, diese.
Ja, ich weiss, ich staune über meine eigene Logik.
Aber es ist ein Land in dem z.B. diese Animositaeten zwischen Parteiführern mit ein Grund für einen Putsch waren (1980).
Damals konnte sich die Nationalversammlung monatelang in 32 Abstimmungsdurchgaengen nicht auf einen Praesidenten einigen... (wegen der Unvertraeglichkeit von Ecevit und Demirel, den damals wichtigsten Akteuren im Parlament)
Koalitionen sind die wohl effektivste politische Bremse in der Türkei: absoluter Stillstand von 100-0 innerhalb eines einzigen Wahlabends für 4 Jahre.
Was ist schlimmer? Stillstand? oder ein Weg, der im Bereich 2- bis 3+ liegt?
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Critic oberflächlich
Anmeldungsdatum: 22.07.2003 Beiträge: 16358
Wohnort: Arena of Air
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(#1648294) Verfasst am: 12.06.2011, 23:48 Titel: |
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Ich habe jedenfalls im Vorfeld der Wahl zwei Berichte gehört bzw. gesehen, die eigentlich fast komplett andere Sichten verbreiten:
Da wird in dem einen (DLF) die AKP als eine moderate, "werteorientierte", europäisch gesinnte Volkspartei gesehen, die die Korruption bekämpfe, das Gesundheitswesen und die Wirtschaft auf Vordermann gebracht habe (man habe sich andererseits zwar außenpolitisch nicht nur pro-westlich geäußert, es wird aber auch genannt, daß man wenigstens einen ersten Schritt in Bezug auf Armenien unternommen habe*), die CHP aber als eher kraftlos und uninspiriert. Der Erfolg der AKP habe nichts mit einem "Erstarken des Islamismus" zu tun, selbst die Christen im Land sähen das, "was in der Türkei terroristisch gegen die Christen geschah, [als] maskierte[n] Ultranationalismus".
In dem anderen (ARD-Tagesthemen, 09.06.2011) wird Erdogan als integrationsfeindlich ("die Integration der Türken in Deutschland [sei] ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit"), größenwahnsinnig/ohne Bodenhaftung, rechtsorientiert, seine Zugeständnisse gegenüber den Kurden als halbherzig angesehen oder dargestellt, und der CHP-Kandidat als schwungvoll - er dann auch als moderat - und inspirierend ("türkischer Gandhi").
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(*) Man könnte das insofern ergänzen, daß Erdogan sowohl Libyens Gaddhafi als auch Syriens Assad kritisiert hatte. Und andere Äußerungen, die so aus Kreisen der AKP kamen, sind auch nur minimal dümmer als manches, was man in Deutschland so von der CDU/CSU hört...
_________________ "Die Pentagon-Gang wird in der Liste der Terrorgruppen geführt"
Dann bin ich halt bekloppt.
"Wahrheit läßt sich nicht zeigen, nur erfinden." (Max Frisch)
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1648346) Verfasst am: 13.06.2011, 13:04 Titel: |
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An beiden Berichten ist was wahres dran...
welcher Teufel Erdoğan immer reitet, wenn er in Deutschland ist, bleibt für mich ein Raetsel. Wenn er sich so für die Türken in Deutschland interessiert, dann haette er nach all den Jahren wenigstens dafür sorgen können, dass die Auslandstürken, wie dies bei andernen Nationalitaeten der Fall ist, in den dortigen Konsulaten ihre Stimme abgeben können.
Aber wieder wurden an den Grenzen und Flughaefen Wahlurnen aufgestellt (ab dem 12.Mai) und wer nicht in die Türkei reiste, hatte halt Pech.
Ich kann hier nicht all die AKP Jahre analysieren, aber seit 2006 ... also für 5 Jahre ... habe ich durch sie in meinem Leben keine "Iranisierung" festgestellt.
Ich bin nicht blind gegenüber den schlechten Minderheitenrechten, nicht blind gegenüber den Einschraenkungen bei der Pressefreiheit, doch ist dies keine Entwicklung, die die AKP in diesem Land eingeführt hat.
Die AKP ist für mich derzeit die beste Wahl und Erdoğan hat gestern in der ersten Rede nach der Wahl sofort alle Parteien zur Zusammenarbeit bei der Entwicklung einer zivilen Verfassung eingeladen mit der all der Ballast und die Einschraenkungen der Militaerverfassung von 1982 abgeworfen werden kann - eine Verfassung, die in einem unfreien Referandum mit 96% der Stimmen angenommen worden war.
Bemerkenswert:
ALLE.... ALLE überhaupt möglichen 36 Kandidaten der BDP, die als Unabhaengige angetreten sind,haben es geschaft. Und sie haben diese Sitze nicht etwa allein nur in Ostanatolien geholt:
Sogar in İstanbul holten sie 3 Sitze, was auch dem letzten Betonkopf in der Türkei zeigen sollte, dass das Kurdenthema nie mehr mit Panzern in Anatolien zu lösen ist, sondern wirklich politisch angegangen werden muss und das hat die AKP zumindest als erste Regierung überhaupt begriffen.
Sehr erfreulich auch die hohe Wahlbeteiligung von 87%.
Kurz etwas Statistik:
2002 kam die AKP an die Macht. Da die MHP damals an der 10% Hürde scheiterte und nur 2 Parteien ins Parlament kamen, reichten ihr 34% der Stimmen für fast 2/3 der Sitze. 2007 waren es 46% und nun fast 50%.
Aber wenn wir uns die absoluten Waehlerzahlen anschauen von 2002, 2007 und 2011 dann ergibt sich folgendes Bild
AKP
2002 10.800.000
2007 16.300.000
2011 21.400.000
eine Partei, die in der Türkei 3 mal hintereinander das alleinige Regierungsmandat bekommt, und es schafft jedesmal die Zahl ihrer Waehler zu steigern, hat es noch nie gegeben.
und an Konstanz hat es in all den Jahrzehnten nur allzuoft gefehlt in der türkischen Politik
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#1648362) Verfasst am: 13.06.2011, 14:19 Titel: |
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m.E. passender Kommentar in der SZ
Zitat: | Überhaupt darf man die Türken beglückwünschen dazu, wie weit sie ihre Demokratie in den letzten Jahrzehnten getragen haben und wie sehr sie ihnen am Herzen liegt. Die Wahlbeteiligung lag bei erstaunlichen 84 Prozent. Erneut hat sich das Volk für Stabilität entschieden. Kurdische Politiker durften erstmals in ihrer Muttersprache Wahlkampf machen. 78 Frauen ziehen ein ins 550 Mitglieder starke Parlament, so viele wie noch nie.
Anders als noch vor vier Jahren spielten ideologische Grabenkämpfe nur mehr eine untergeordnete Rolle: Erdogan will die Türkei in einen Gottesstaat verwandeln? Den Vorwurf, der in manchen Zirkeln in Europa nicht totzukriegen ist, haben Erdogans türkische Gegner längst still und heimlich zu Grabe getragen: Es nimmt ihnen schon lange keiner mehr ab.
Die Türken sind Pragmatiker bis ins Mark. Sie haben Erdogan diesen Sieg geschenkt, nicht weil er ein frommer Muslim ist, sondern schlicht, weil er ihnen ein besseres Leben geschenkt hat: Mehr als acht Prozent Wachstum im letzten Jahr - nur China wuchs schneller. Und freier wurde die Türkei dazu. Und dennoch steht sie an einem Scheideweg. Die Demokratie ist noch nicht gefestigt, alles Erreichte steht auf wackeligen Beinen, solange der Rahmen morsch ist. Die Türkei braucht dringend eine neue Verfassung, sie braucht dringend echte Aussöhnung mit den Kurden, sie braucht dringend neues Engagement im EU-Beitrittsprozess. Die Verantwortung für alle Parteien ist groß.
Das Land braucht den Konsens.Erdogan muss nun die Hand ausstrecken - und die Opposition, die die letzten Jahre nur auf Sabotage aus war, muss in diese Hand auch einschlagen. Der Triumph Erdogans zeigt nicht bloß, wie sehr ihn das Volk für das Erreichte belohnen möchte, es zeigt auch, wie sehr es noch immer dieser Opposition misstraut. |
http://www.sueddeutsche.de/politik/erdogans-wahlsieg-volkstribun-mit-gestutzen-fluegeln-1.1107886
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