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Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
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(#1475738) Verfasst am: 23.05.2010, 19:40 Titel: |
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Karlchen hat folgendes geschrieben: | @Alle, die mir geantwortet haben
Die Diskussion fängt gerade da an interressant zu werden, wo ich in Urlaub fahre. Ich kneife also nicht, sondern bin inner Woche wieder da. |
Urlaub? Schön! Dann mal viel Spaß!
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1475745) Verfasst am: 23.05.2010, 19:58 Titel: |
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Eleonor hat folgendes geschrieben: | Bravopunk hat folgendes geschrieben: | Was ich mich gerade frage: Warum ist es eigentlich wichtig jemanden zu bestrafen?
Das erscheint mir nicht sinnvoll. Liegt unserem Streben denn etwa eine Neigung zugrunde, die uns dazu verleitet, wenn uns Leid angetan wird, dies em Leidbringer widerum anzutun?
Wenn ja, wieso ist es in irgendeiner Form erforderlich dieser Neigung nachzugeben? Inwieweit bringt das irgendwen weiter oder einen Vorteil?
Durch die Bestrafung eines Verbrechers wird dem Geschädigten ja der Schaden nicht wieder abgenommen und dem Täter hilft es auch nicht das, was ihn dazu verleitete seine Tat zu begehen, zu überwinden.
Strafe gehört bestraft! | Meine Meinung dazu ist: Strafe als Vergeltung gehört verboten. Strafe als Werkzeug, um schädlichem Verhalten entgegen zu wirken (Verhaltensänderung oder Abschreckung - sofern möglich) muss hingegen bewahrt werden. |
Sehe ich ebenso. Ist aber hier eher OT.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1475747) Verfasst am: 23.05.2010, 20:03 Titel: |
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Karlchen hat folgendes geschrieben: | @Alle, die mir geantwortet haben
Die Diskussion fängt gerade da an interressant zu werden, wo ich in Urlaub fahre. Ich kneife also nicht, sondern bin inner Woche wieder da. |
na dann mal viel spaß und erhol dich gut. ich warte gespannt.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1475750) Verfasst am: 23.05.2010, 20:16 Titel: |
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Kramer hat folgendes geschrieben: | Eleonor hat folgendes geschrieben: | Der Realität ist es nämlich herzlich egal, wie sie sein "sollte". | Eben. Und der Evolution übrigens auch. Karlchens Argument ist demnach keines, sondern ein naturalistischer Fehlschluss. |
Hmm ... es ist eher ein Schluss vom Wollen auf das Sein, oder ein Realitätsverlust.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1475751) Verfasst am: 23.05.2010, 20:23 Titel: |
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Eleonor hat folgendes geschrieben: |
Meine Meinung dazu ist: Strafe als Vergeltung gehört verboten. Strafe als Werkzeug, um schädlichem Verhalten entgegen zu wirken (Verhaltensänderung oder Abschreckung - sofern möglich) muss hingegen bewahrt werden. |
Das ist nicht unbedingt ein Gegensatz. Nehmen wir das übelste Beispiel, die Todesstrafe. Ich gehe mal davon aus, daß wir beide dagegen sind. Nun könnte jemand argumentieren, daß die Todesstrafe für besonders abscheuliche Verbrechen notwendig sei, um abschreckend zu wirken und in den Bürgern den Respekt vor dem Gesetz wachzuhalten und sie von Selbstjustiz abzuhalten. Soweit ich weiß, hat Goethe so argumentiert. Daß wir das nicht glaubwürdig finden, ist dabei völlig ohne Belang. Aber daß ein Rechtssystem ein ziemlich kompliziertes Gebilde ist, und keineswegs ein Naturzustand, sollte man sich gelegentlich vor Augen führen.
Da sind einmal die potentiellen Straftäter, die man durch Strafandrohung von (weiteren) Straftaten abzuschrecken versucht. Da sind aber auch all die anderen Bürger, die sich von Straftätern oft nur dadurch unterscheiden, daß sie (noch) nicht straffällig geworden sind. Und wir haben die Strafverfolgungsbehörden, Polizei, Justiz, usw. Aber keine Strafverfolgung der Welt kann einen Rechtsstaat garantieren, wenn die Menschen ihn nicht respektieren. Schöne Beispiele dafür kannst du (nicht nur, aber auch) in Süditalien beobachten.
Jeder Rechtsstaat braucht das Gefühl der Bürger, daß der Gerechtigkeit genüge getan wird. Je verbreiteter Verbrechen sind und je gewalttätiger sie ausgeführt werden, umso größer wird der Wunsch der Menschen nach Vergeltung sein. Wie heißt es so schön: "a conservative is a liberal who was mugged in the streets"
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1475754) Verfasst am: 23.05.2010, 20:33 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Je verbreiteter Verbrechen sind und je gewalttätiger sie ausgeführt werden, umso größer wird der Wunsch der Menschen nach Vergeltung sein. |
Diesen Racheinstinkt könnte man uns aber aberziehen / abzüchten, wenn man ihn für kontraproduktiv hält.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
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(#1475758) Verfasst am: 23.05.2010, 20:47 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Je verbreiteter Verbrechen sind und je gewalttätiger sie ausgeführt werden, umso größer wird der Wunsch der Menschen nach Vergeltung sein. |
Diesen Racheinstinkt könnte man uns aber aberziehen / abzüchten, wenn man ihn für kontraproduktiv hält. |
Wäre zumindest wünschenswert. Wenn dies nicht möglich wäre, müsste man Marcellinus hingegen Recht geben und der Rechtsstaat müsste den Rachegelüsten des Volks nachkommen, um dieses wohl zu stimmen... (*seufz*)
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26511
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1475766) Verfasst am: 23.05.2010, 21:01 Titel: |
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Eleonor hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Je verbreiteter Verbrechen sind und je gewalttätiger sie ausgeführt werden, umso größer wird der Wunsch der Menschen nach Vergeltung sein. |
Diesen Racheinstinkt könnte man uns aber aberziehen / abzüchten, wenn man ihn für kontraproduktiv hält. |
Wäre zumindest wünschenswert. Wenn dies nicht möglich wäre, müsste man Marcellinus hingegen Recht geben und der Rechtsstaat müsste den Rachegelüsten des Volks nachkommen, um dieses wohl zu stimmen... (*seufz*) |
Jupp. Ich glaube auch nicht, dass wir so machbar sind.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1475777) Verfasst am: 23.05.2010, 21:16 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Eleonor hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Je verbreiteter Verbrechen sind und je gewalttätiger sie ausgeführt werden, umso größer wird der Wunsch der Menschen nach Vergeltung sein. |
Diesen Racheinstinkt könnte man uns aber aberziehen / abzüchten, wenn man ihn für kontraproduktiv hält. | Wäre zumindest wünschenswert. Wenn dies nicht möglich wäre, müsste man Marcellinus hingegen Recht geben und der Rechtsstaat müsste den Rachegelüsten des Volks nachkommen, um dieses wohl zu stimmen... (*seufz*) | Jupp. Ich glaube auch nicht, dass wir so machbar sind. |
Ich dagegen schon. Zum Beispiel könnte man - mal ganz allgemein gesprochen - die Gefühle stärker an die rationale Nutzenbewertung koppeln.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26511
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1475809) Verfasst am: 23.05.2010, 22:58 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | .....
Ich dagegen schon. Zum Beispiel könnte man - mal ganz allgemein gesprochen - die Gefühle stärker an die rationale Nutzenbewertung koppeln. |
Da stehe ich jetzt auf dem Schlauch. Könntest Du dem Gedanken mal etwas mehr epische Breite geben und auch vielleicht etwas spezieller werden?
p.s. Wenn ich nicht sofort antworte, hat das übrigens den einfachen Grund, dass wir im Moment (d.h. die nächtsten Tage auch noch) Besuch haben, der ansprechend bespielt werden will.
fwo
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The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Alchemist registrierter User
Anmeldungsdatum: 03.08.2004 Beiträge: 27897
Wohnort: Hamburg
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(#1475864) Verfasst am: 24.05.2010, 12:11 Titel: |
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deirfloo hat folgendes geschrieben: | Weil du so klug daherschreibst, ohne ein Argument zu nennen, möchte ich mal kurz was fragen:
Karlchen hat folgendes geschrieben: |
Da ich Gott keine Eigenschaften wie Eitelkeit, Rachsucht und Blutdurst zuschreiben kann, weil es ihn dann wieder menschlich machen würde und darauf verweisen würde, dass dieses Gottesbild von Menschen zur reinen Machtausübung und Machtlegitimation geschaffen wurde, kann ich nur einen menschenfreundlichen, liebenden und vergebenden Gott annehmen, wie ihn Jesus von Nazareth verkündete. |
Wie kommst Du darauf, daß ihn deine genannten positiven Eigenschaften nicht auch menschlich machen würden?
Was du machst ist ein immenser wahrer Schotte: du lehnst alles an Gott ab, was nicht in dein Wertesystem passt, und definierst dann ebendiese Werte als Gottgegeben.
Fällt dir da nichts auf? |
Diesen Gedanken hatte ich auch schon.
Christen definieren ihren gott oft als gut, weil schlechte Eigenschaften ihn menschlich machen würden.
Dass dabei Liebe und Mitleid und Güte menschliche Eigenschaften sind fällt dabei immer unter den intellektuell redlichen Tisch. ja selbst einen Willen zu haben, Wünsche zu äußern ist menschlich.
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VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
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(#1475919) Verfasst am: 24.05.2010, 15:29 Titel: |
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E hat folgendes geschrieben: | Deswegen philosophierte ich im weiteren Verlauf, wie ein Konsens beschaffen sein muss, um eine schlüssige Ethik zu produzieren. Nämlich, dass die Eigeninteressen aller gleichermaßen berücksichtigt werden (was du ja explizit verneint hattest -> Machtverhältnisse) und Eigeninteressen von Minderheiten nicht rein willkürlich verletzt werden dürfen. |
Verstehe schon, schlüssig == deduktiv. Da stoßen mir nun einige Widersprüche zum bisher gesagten auf:
- das Wort "Hinterfragen" wurde bisher stark strapaziert und nun sollen gerade die nicht hinterfragbaren Grundprinzipien dem Ethiksystem seine logische Struktur verleihen
- Also Grundprinzip wurde mir zunächst "Leidensminimierung" vorgeschlagen, dem Buddhismus entnommen, jetzt das Gleichheitsprinzip aus Christentum und Konfuzianismus auch nicht gerade unbekannt.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Durch den Dogmatismus stehen aber sinnige und unsinnige Verhaltensregeln nebeneinander, ohne sie werten zu dürfen. Das ist es, was an religiöser Moral als ganzes unlogisch ist. |
Wenn man die Dogmen "Axiome" nennt, das macht Deinen deduktiven Ansatz nicht automatisch sinnvoll.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Konsens allein macht eine Ethik nämlich nicht herleitbar. Um genau zu sein können sich Menschen auch über Schwachsinn einig sein, wie z.B. dass irgend etwas verboten gehört, was mündige Menschen einvernehmlich und privat miteinander tun. |
step hat folgendes geschrieben: | Verhaltensregeln sind nicht unbedingt "ethisch". Ich würde z.B. die Verhaltensregel "Du musst jeden Abend für 3 Minuten auf einem Bein stehen und dabei den Ententanz summen" nicht als ethisch bezeichnen, als Regel (sofern sie durch Autoritäten durchgesetzt wird) schon. |
Das Konsensprinzip begründet einen über die Jahrtausende hinweg iterativen Evolutionsprozeß, der sinnlose Regeln ausselektiert. Ihr werdet doch nicht bestreiten, daß ein Evolutionsprozeß logisch begründete Ergebnisse zeitigt, auch wenn diese nicht in einer einfachen Gleichung darstellbar sind.
L.E.N. hat folgendes geschrieben: | aha?
magst du dann mal erklären wodurch die autorität legitimiert ist und was mit moral und identität passiert, wenn diese autorität erfolgreich hinterfragt wird?
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Die Frage zeigt doch eins: der Homo sapiens lechzt nach einer Schimäre namens "Legitimation". Irgendwann auf dem Weg vom Affenrudel zum handeltreibenden Stadtstaat war die Legitimation über die Überlegenheit des Alphamännchens nicht mehr ausreichend. Die Gesetzgeber haben dann die Götter als Legitimationsstifter etabliert. Selbstverständlich können derartige Autoritäten erfolgreich hinterfragt werden, und werden das auch, aber eine Nachhilfestunde in Geschichte hast du doch nicht nötig.
step hat folgendes geschrieben: | Non sequitur: Daß die bisherigen Verhaltensregeln eher unreflektiert entstanden sind, heißt nicht, daß man Ethik nicht herleiten kann. |
Du schriebst doch "empirisch" und "durch Tradition". das ist alles andere als "unreflektiert", das ist eine langsame aber effiziente form der Reflexion, die nicht an einer Generation oder einem Idividuum hängt.
Im Gegensatz dazu hast Du noch nicht dargestellt wie ein formal deduktiver Ansatz für Ethik funktionieren soll, und was der mit "Reflexion" zu tun haben soll.
eleonor hat folgendes geschrieben: | Man kann eine Wurfparabel intuitiv (und unbewusst) abschätzen (z.B. wenn einem ein Ball zugeworfen wird), man kann sie aber auch mathematisch berechnen und kommt dabei zu sehr ähnlichen Ergebnissen. |
Dann solltest du aber auch zur Kenntnis nehmen, daß Newton nicht die Falltrajektorie des Apfels aus seinem Gesetz hergeleitet hat, sondern umgekehrt. Selbst dann durfte sein "Gesetz" erst als akzeptiert gelten, als er zahlreiche weitere experimentelle Bestätigungen bis hin zu den Planetenbahnen vorgelegt hat. Analog hierzu überwiegt auch bei der Generation von Ethiksystemen der induktive Ansatz.
Der bisherigen Diskussion durfte ich entnehmen, daß religiöse Ethik und Gesetze deshalb als "unlogisch" empfunden wurden, da sie keinem deduktiven Herstellungsprozeß unterlagen. Ich hoffe ich konnte zeigen, daß der induktiv-evolutionäre Prozeß der jahrtausende alten religiösen Ethiksysteme viel mehr einem pragmatisch erfolgsorientierten Ansatz entspricht und daher keineswegs als "unlogisch" zu qualifizieren ist.
_________________ Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1475993) Verfasst am: 24.05.2010, 20:11 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Zum Beispiel könnte man - mal ganz allgemein gesprochen - die Gefühle stärker an die rationale Nutzenbewertung koppeln. |
Da stehe ich jetzt auf dem Schlauch. Könntest Du dem Gedanken mal etwas mehr epische Breite geben und auch vielleicht etwas spezieller werden? |
Unsere Gefühle bestimmen unser Handeln sehr stark, oft auch gegen die Ratio. Das war evolutionär bis jetzt hinreichend stabil, vielleicht da das wichtigste Wissen über den soziobiologischen Anteil unserer Nische sich im größten Teil unserer prähistorischen Zeit nicht wesentlich änderte und wir auch nicht mit rationaleren Wesen konkurrierten.
Daher sind die Gefühle bis heute überwiegend gebunden an Auslöser, die für dieses biologische Wissen eine wichtige Rolle spielen, nämlich aus den Bereichen sexuelle Vermehrung, kooperative Jagd, Flucht, Brutpflege, Revier, Konkurrenz mit Fremden, usw.
Diese Bindung erfolgt über ein biologisches System, beispielsweise lösen bestimmte Wahrnehmungen in bestimmten Gehirnteilen die Ausschüttung von Hormonen aus, und man empfindet dann Lust, Angst oder eben auch Rachedurst.
Wenn nun aus heutiger Sicht ein bestimmtes Verhalten kollektiv erwünscht und rational begründet wäre, ihm aber prähistorische Instinkte entgegenstehen (wie in unserem Beispiel des Rachedurstes angenommen), dann bestünde prinzipiell ein Weg darin, genau diese Kopplung zu kappen bzw. durch eine andere zu ersetzen.
Dafür sehe ich (als Laie) zwei möglich Ansätze, von denen der erste natürlich sauberer ist:
- Redesign: den Mechanismus der Musterauswertung verstehen und umleiten - so daß das Gehirn von jetzt an etwa beim Anblick einer Spinne positive Gefühle hat
- Konditionierung: Eine Zeitlang beim Anblick von Spinnen künstlich positive Gefühle erzeugen
Oder man könnte generell eine Entscheidung, die in Übereinstimmung mit rationalen Abwägungen getroffen wurde, mit positiven Gefühlen verknüpfen. Dadurch entstünde eine ganz neue Art von "Sexiness".
Das alles klingt natürlich nach Gehirnwäsche und es stellt sich wie immer die Frage nach der technischen Machbarkeit sowie nach unerwünschten Nebenwirkungen (individuell, aber auch gesellschaftlich) - aber mir geht es vor allem darum aufzuzeigen, inwiefern eine rationale Ethik nicht einfach dauerhaft vor dem Problem kontingenter Instinkte kapitulieren muß.
Ich befürchte allerdings, daß ich jetzt die eine oder andere Stammtischparole lesen muß, a la "Ja soll ich den Massenmörder jetzt auch noch gernhaben oder was?" - in diesem Fall würde ich hier nicht mehr weiterdiskutieren.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1476030) Verfasst am: 24.05.2010, 21:06 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Eleonor hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Je verbreiteter Verbrechen sind und je gewalttätiger sie ausgeführt werden, umso größer wird der Wunsch der Menschen nach Vergeltung sein. |
Diesen Racheinstinkt könnte man uns aber aberziehen / abzüchten, wenn man ihn für kontraproduktiv hält. | Wäre zumindest wünschenswert. Wenn dies nicht möglich wäre, müsste man Marcellinus hingegen Recht geben und der Rechtsstaat müsste den Rachegelüsten des Volks nachkommen, um dieses wohl zu stimmen... (*seufz*) | Jupp. Ich glaube auch nicht, dass wir so machbar sind. |
Ich dagegen schon. Zum Beispiel könnte man - mal ganz allgemein gesprochen - die Gefühle stärker an die rationale Nutzenbewertung koppeln. |
Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit, und seien wir ehrlich, sie wird auch genutzt. Wenn es richtig ist, daß die Häufigkeit und Gewalttätigkeit von Verbrechen in direktem Zusammenhang stehen mit dem Wunsch der (noch) nicht kriminellen Mehrheit (und die Kriminellen sind immer in der Minderheit, sonst nennt man es Bürgerkrieg), dann gibt es nur einen realistischen Weg, von der Vergeltungsjustiz abzukommen: Man muß die Zahl und die Gewalt der Verbrechen reduzieren, muß sich also auf die Suche nach Ursachen für die Gewalt und Verbrechen machen. Wobei sich das einfacher anhört, als es ist, denn bei der Frage, was die Ursachen von Kriminalität und Gewalt seinen, gibt es ja durchaus gewissen Meinungs- und Interessensunterschiede.
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1476035) Verfasst am: 24.05.2010, 21:10 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: | aha?
magst du dann mal erklären wodurch die autorität legitimiert ist und was mit moral und identität passiert, wenn diese autorität erfolgreich hinterfragt wird?
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Die Frage zeigt doch eins: der Homo sapiens lechzt nach einer Schimäre namens "Legitimation". Irgendwann auf dem Weg vom Affenrudel zum handeltreibenden Stadtstaat war die Legitimation über die Überlegenheit des Alphamännchens nicht mehr ausreichend. Die Gesetzgeber haben dann die Götter als Legitimationsstifter etabliert. |
du verwechselst das "recht des stärkeren" offenbar mit legitimation und auch bevor man einen jenseitigen silberrücken etablierte (und auch später immer wieder) war man schon mal weiter. obendrein waren diese natürlich keine autoritäten, sondern jene, die angeblich einen "guten draht" zu ihm haben.
Zitat: | Selbstverständlich können derartige Autoritäten erfolgreich hinterfragt werden, und werden das auch, aber eine Nachhilfestunde in Geschichte hast du doch nicht nötig. |
bitte weich meiner frage nicht aus: was also passiert mit einer moral, der die legitimität fehlt?
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
Zuletzt bearbeitet von L.E.N. am 24.05.2010, 21:16, insgesamt einmal bearbeitet |
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1476037) Verfasst am: 24.05.2010, 21:11 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Non sequitur: Daß die bisherigen Verhaltensregeln eher unreflektiert entstanden sind, heißt nicht, daß man Ethik nicht herleiten kann. | Du schriebst doch "empirisch" und "durch Tradition". das ist alles andere als "unreflektiert", das ist eine langsame aber effiziente form der Reflexion, die nicht an einer Generation oder einem Idividuum hängt. |
Mit "empirisch" meinte ich v.a. die natürliche Entstehung z.B. soziobiologischer Instinkte durch trial und error unter Auslese - also nicht empirisch im Sinne, daß ein prähistorischer Wissenschaftler Experimente angestellt hätte. Und "Tradition" ist oft keineswegs reflektiert (nach Väter Sitte, wo kämen wir denn sonst hin ...).
Natürlich kann man den Begriff "Reflektion" so dehnen, daß auch schon das Numerieren der Gebote darunter fällt. Ich erwarte schon eine rationale Auseinandersetzung mit den dahinterstehenden Zielen, den Konsequenzen usw. - nicht daß ich den Menschen damals vorwerfe, daß sie das nicht leisten konnten, aber heute ...
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Ich hoffe ich konnte zeigen, daß der induktiv-evolutionäre Prozeß der jahrtausende alten religiösen Ethiksysteme viel mehr einem pragmatisch erfolgsorientierten Ansatz entspricht und daher keineswegs als "unlogisch" zu qualifizieren ist. |
Das konntest Du mE nicht. Es ist z.B. keineswegs ersichtlich, warum "evolutionär" überlieferte Gebote unseren heutigen Wünschen/Zielen gerecht werden sollten. Wir fahren ja auch Auto, obwohl sich die Füße evolutionär bewährt haben. Jedes Ge-/Verbot, daß wir heute als verbindlich ansehen wollen, muß (unabhängig von seiner Gültigkeit in einer jungsteinzeitlichen Hirtensippe) rational nachvollziehbar begründet werden.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1476041) Verfasst am: 24.05.2010, 21:13 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Man muß die Zahl und die Gewalt der Verbrechen reduzieren, muß sich also auf die Suche nach Ursachen für die Gewalt und Verbrechen machen. |
Da gebe ich Dir vollkommen recht!
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Wobei sich das einfacher anhört, als es ist, denn bei der Frage, was die Ursachen von Kriminalität und Gewalt seinen, gibt es ja durchaus gewissen Meinungs- und Interessensunterschiede. |
Klar, da muß man halt forschen und auch verschiedene Sachen ausprobieren.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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beachbernie male Person of Age and without Color
Anmeldungsdatum: 16.04.2006 Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii
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(#1476056) Verfasst am: 24.05.2010, 21:25 Titel: |
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Karlchen hat folgendes geschrieben: | @Alle, die mir geantwortet haben
Die Diskussion fängt gerade da an interressant zu werden, wo ich in Urlaub fahre. Ich kneife also nicht, sondern bin inner Woche wieder da. |
Wo faehrste denn hin? Nach Lourdes?
Ich wuensche Dir jedenfalls viel Spass!
_________________ Defund the gender police!!
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#1476179) Verfasst am: 25.05.2010, 09:02 Titel: |
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Eleonor hat folgendes geschrieben: | Zum "Utilitarismus-Monster": Ich stimme dem einfach nicht zu, dass monopolisiertes Glück genau so gut wäre wie aufgeteiltes.
Und ich begründe das mit der prinzipiellen Gleichheit menschlicher Interessen. |
"Gleichheit" ist aber schon eine ethische Prämisse, die sich durchaus nicht von selbst versteht. Für Griechen und Römer beispielsweise war die Ligitimität der Sklaverei eben so selbstverständlich wie für uns heute ihre Illegitimität. Du müsstest nun schon zeigen, inwiefern unsere Empfindung diesbezüglich "richtiger" ist.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Oder anders ausgedrückt: Um die Willkür in der Unterscheidung zwischen privilegierten und unprivilegtierten Menschen rechtfertigen zu können, fehlt mir in meiner Herleitung die Begründung, warum Interessen einiger Menschen über die Interessen anderer gestellt werden können. |
Privilegien und Ungleichheiten stellen sich in beinahe jeder Gesellschaft von selbst ein. Woher leitest du eine allgemeine Verpflichtung zu Gleichheit und Ausgleich ab, Und wie weit soll das gehen? Warum ist in unserer Gesellschaft die Idee der "Gleichheit vor dem Gesetz" eine Selbstverständlichkeit, die Idee materieller Gleichheit dagegen kommunistisches Teufelszeug?
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VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
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(#1476305) Verfasst am: 25.05.2010, 18:21 Titel: |
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L.E.N hat folgendes geschrieben: | du verwechselst das "recht des stärkeren" offenbar mit legitimation und auch bevor man einen jenseitigen silberrücken etablierte (und auch später immer wieder) war man schon mal weiter. |
Ich habe doch längst geschrieben, daß auf dem Niveau der handeltreibenden Stadtstaaten das Recht des Stärkeren nicht mehr ausreicht um Autorität zu etablieren. Man erklärte dann, die eigene Gesetzgebung sei "legitim" (=gesetzmäßig), d.h. ihrerseits wiederum mit postulierten höheren Gesetzmäßigkeiten konform. Deine Fragestellung bildet insoweit die Gründe für deren Personifikation durch Götter doch sehr schön ab.
L.E.N hat folgendes geschrieben: | obendrein waren diese natürlich keine autoritäten, sondern jene, die angeblich einen "guten draht" zu ihm haben. |
welches erfolgreiche System ruft keine Parasiten auf den Plan?
L.E.N. hat folgendes geschrieben: | bitte weich meiner frage nicht aus: was also passiert mit einer moral, der die legitimität fehlt? |
Da muß ich leider mal deine schön etablierten monotheistischen Denkstrukturen etwas stören.
Es gibt keine absolute Legitimität die ein Moralsystem hat oder nicht hat. Es sei denn Du glaubst an ein absolut gültiges übergeordnetes Gesetz.
Und nun zu Deiner Frage: es geht um Akzeptanz und Macht. Die "Legitimität" dreht an der ersten dieser beiden Schrauben. Wenn beides bröckelt wird das System gekippt.
step hat folgendes geschrieben: | Mit "empirisch" meinte ich v.a. die natürliche Entstehung z.B. soziobiologischer Instinkte durch trial und error unter Auslese - also nicht empirisch im Sinne, daß ein prähistorischer Wissenschaftler Experimente angestellt hätte. |
Soziobiologische Instinkte kennen wir auch von Tieren. Das, was wir heute als Moralsystem sehen, entwickelte sich erheblich später. Und unter Mitwirkung intelligenter, reflektierender Teilnehmer. Was fehlt Dir noch um das Attribut "empirisch" im o.G. Sinne zu vergeben?
step hat folgendes geschrieben: | Natürlich kann man den Begriff "Reflektion" so dehnen, daß auch schon das Numerieren der Gebote darunter fällt. Ich erwarte schon eine rationale Auseinandersetzung mit den dahinterstehenden Zielen, den Konsequenzen usw. - nicht daß ich den Menschen damals vorwerfe, daß sie das nicht leisten konnten, aber heute ... |
Da Du offenbar die religiösen Gebote selbst gar nicht kritisierst sondern nur deren Herstellungsprozeß begibst Du Dich auf das dünne Eis der reinen Spekulation. Daß aus der Zeit der 10 Gebote keine Besprechungsprotokolle der Clanführer mehr existieren hat wohl eher techische Gründe. Gleichwohl bieten religiöse Schriften auch heute noch Beispiele von Reflexion/Kritik an bestehenden Moralgesetzen.
step hat folgendes geschrieben: | Und "Tradition" ist oft keineswegs reflektiert (nach Väter Sitte, wo kämen wir denn sonst hin ...). |
Tradition ist zwar keine hinreichende, jedoch eine notwendige Voraussetzung für Reflexion. Gesetze die verlorengegangen sind können auch schlecht reflektiert werden oder?
Zumsel hat folgendes geschrieben: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Zum "Utilitarismus-Monster": Ich stimme dem einfach nicht zu, dass monopolisiertes Glück genau so gut wäre wie aufgeteiltes.
Und ich begründe das mit der prinzipiellen Gleichheit menschlicher Interessen. |
"Gleichheit" ist aber schon eine ethische Prämisse, die sich durchaus nicht von selbst versteht.
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Sie versteht sich z.B. für den von selbst der jenseits christlicher Kultur nichts kennt. Der christliche Gleichheitsgedanke wird übernommen, dann "Axiom" genannt und irgendwas daraus gefolgert. Das Ganze wird uns dann als reflektiertes in sich logisches System verkauft.
_________________ Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
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Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
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(#1476307) Verfasst am: 25.05.2010, 18:43 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | E hat folgendes geschrieben: | Deswegen philosophierte ich im weiteren Verlauf, wie ein Konsens beschaffen sein muss, um eine schlüssige Ethik zu produzieren. Nämlich, dass die Eigeninteressen aller gleichermaßen berücksichtigt werden (was du ja explizit verneint hattest -> Machtverhältnisse) und Eigeninteressen von Minderheiten nicht rein willkürlich verletzt werden dürfen. |
Verstehe schon, schlüssig == deduktiv. Da stoßen mir nun einige Widersprüche zum bisher gesagten auf:
- das Wort "Hinterfragen" wurde bisher stark strapaziert und nun sollen gerade die nicht hinterfragbaren Grundprinzipien dem Ethiksystem seine logische Struktur verleihen
- Also Grundprinzip wurde mir zunächst "Leidensminimierung" vorgeschlagen, dem Buddhismus entnommen, jetzt das Gleichheitsprinzip aus Christentum und Konfuzianismus auch nicht gerade unbekannt. |
Den Religionen "entnommen" sind diese Grudprinzipien sicher nicht. Dass Religionen nicht nur schlechtes übernommen haben, habe ich bereits eingeräumt.
Zitat: |
Wenn man die Dogmen "Axiome" nennt, das macht Deinen deduktiven Ansatz nicht automatisch sinnvoll. |
Ethische Axiome sind verhandelbar. Dogmen nicht.
Zitat: |
Das Konsensprinzip begründet einen über die Jahrtausende hinweg iterativen Evolutionsprozeß, der sinnlose Regeln ausselektiert. Ihr werdet doch nicht bestreiten, daß ein Evolutionsprozeß logisch begründete Ergebnisse zeitigt, auch wenn diese nicht in einer einfachen Gleichung darstellbar sind. |
Kulturelle und somit ethische Evolution besteht. Zum Glück. Unglücklicherweise sind heilige Schriften jedoch nicht dazu gedacht, sich mitzuwandeln, weswegen religiöse Werte auch zunehmend unsinnig werden.
Zitat: | Analog hierzu überwiegt auch bei der Generation von Ethiksystemen der induktive Ansatz. |
Das mag sogar durchaus sein und begründet vermutlich die Kluft zwischen dem, was die Gesellschaft für ethisch hält und das, was Moralphilosophen theoretisch ausgearbeitet haben.
Zitat: |
Der bisherigen Diskussion durfte ich entnehmen, daß religiöse Ethik und Gesetze deshalb als "unlogisch" empfunden wurden, da sie keinem deduktiven Herstellungsprozeß unterlagen. Ich hoffe ich konnte zeigen, daß der induktiv-evolutionäre Prozeß der jahrtausende alten religiösen Ethiksysteme viel mehr einem pragmatisch erfolgsorientierten Ansatz entspricht und daher keineswegs als "unlogisch" zu qualifizieren ist. |
Nein, sie wird nicht für unlogisch empfunden, da sie nicht deduktiv entstanden sind, sondern weil sie nach deduktiven Methoden keinen Sinn machen.
Ethik ist tatsächlich etwas, was evolviert und ihre Wege sind entsprechend von den Gegebenheiten einer Gesellschaft, ihrer Vorgeschichte und Traditionen abhängig.
Was ich als Weg zu guter Ethik beschrieb ist natürlich theoretisch. Moralphilosophen (wozu ich nicht gehöre) versuchen ja für gewöhnlich auch, Ethik zu begründen, aber begründete Ethik muss nicht unbedingt praktizierbar sein oder von der Gesellschaft angenommen werden.
Interessant ist jedoch wie sich gelebte und theoretische Ethik zueinander verhalten: Während früher kulturelle Einflüsse eine sehr wichtige Rolle gespielt haben und somit z.B. stark kulturabhängige Manieren enorm wichtig waren, erleben wir jetzt in Zeiten der Globalisierung einen Trend zu universelleren Regeln, da nun die Willkür der Regeln, die streng an einen Kulturkreis gebunden sind, hervor tritt. Wir merken zunehmend, dass diese willkürlichen Regeln uns wenig bis nichts bringen.
Und nun kommt das Erstaunliche: Moralphilosophen aus verschiedensten Epochen, also die, die versucht haben, Ethik zu begründen, die haben diesen Trend zu großen Stücken schon vorraus gedacht.
Diese wesentlichen Regeln, die für jeden Menschen auf der Erde gleichermaßen wertvoll sein könnten, sind quasi die Quintessenz der Ethik. Man könnte durchaus sagen, dass diese heutzutage induktiv durch eine der Globalisierung geschuldeten Selektion der willkürlichen Regeln entdeckt werden, aber es ist ebenfalls Fakt, dass sich genau die Regeln als beständig erweisen, die sich eben auch deduktiv herleiten ließen und sich nun auch im Nachhinein wieder deduktiv nachvollziehen lassen.
Man sollte annehmen, dass "göttliche" (oder dogmatische) Regeln, wenn sie ihrem Wahrheitsanspruch gerecht werden wollen, weniger willkürlich und dafür universeller sind. Wie du schon bemerkt hast, haben Religionen hier und da durchaus allgemeinere und auch gute Konzepte übernommen, vieles aber ist eben doch streng Kulturkreis-abhängig gewesen. Das ist das unlogische daran.
_________________ Dies ist keine Piep-Show.
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Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
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(#1476312) Verfasst am: 25.05.2010, 18:58 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | Eleonor hat folgendes geschrieben: | Zum "Utilitarismus-Monster": Ich stimme dem einfach nicht zu, dass monopolisiertes Glück genau so gut wäre wie aufgeteiltes.
Und ich begründe das mit der prinzipiellen Gleichheit menschlicher Interessen. |
"Gleichheit" ist aber schon eine ethische Prämisse, die sich durchaus nicht von selbst versteht. Für Griechen und Römer beispielsweise war die Ligitimität der Sklaverei eben so selbstverständlich wie für uns heute ihre Illegitimität. Du müsstest nun schon zeigen, inwiefern unsere Empfindung diesbezüglich "richtiger" ist. |
Moment mal: Wenn sich keine qualitativen oder quantitativen Unterschiede in Interessen beweisen lassen, ist die Gleichheit sogar das, was man zunächst annehmen sollte.
Die Ungleichheit, die du meinst, besteht in der hierarchischen Position, nicht in den Interessen.
Weiterer Herleitungsversuch: Sofern man nicht an Schicksal oder Karma-Wiedergeburt-Beziehungen glaubt, wird jeder Mensch aus der hypothetischen Sicht eines Ungeborenen zufällig in irgend ein Umfeld geboren. Willkürlich Menschen aus irgend einem Umfeld als Unprivilegierte zu behandeln ist aus dieser Sicht banalste Ungerechtigkeit.
Das Prinzip, "Wir"-Gruppen zu bilden, mag eine interessante menschliche Eigenschaft sein, die auch zur emotionalen Legitimation führt, Sklaven halten zu können, aber inwiefern das ethisch herleitbar sein soll, erschließt sich mir nicht.
Zitat: |
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Oder anders ausgedrückt: Um die Willkür in der Unterscheidung zwischen privilegierten und unprivilegtierten Menschen rechtfertigen zu können, fehlt mir in meiner Herleitung die Begründung, warum Interessen einiger Menschen über die Interessen anderer gestellt werden können. |
Privilegien und Ungleichheiten stellen sich in beinahe jeder Gesellschaft von selbst ein. Woher leitest du eine allgemeine Verpflichtung zu Gleichheit und Ausgleich ab, Und wie weit soll das gehen? Warum ist in unserer Gesellschaft die Idee der "Gleichheit vor dem Gesetz" eine Selbstverständlichkeit, die Idee materieller Gleichheit dagegen kommunistisches Teufelszeug? |
Die Ungleichheit der Menschen ist Fakt, nicht aber die der Interessen. Und genau daraus leitet sich auch ab, dass Gleichheit vor dem Gesetz in jeder aufgeklärten Gesellschaft ein wichtiges Anliegen ist, materielle Ungleichheit als Folge der Unterschiedlichkeit von Menschen für gewöhnlich jedoch hingenommen wird.
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Rohrspatz grobsinnig und feinschlächtig
Anmeldungsdatum: 25.12.2007 Beiträge: 3877
Wohnort: NRW
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(#1476313) Verfasst am: 25.05.2010, 19:01 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: |
Sie versteht sich z.B. für den von selbst der jenseits christlicher Kultur nichts kennt. Der christliche Gleichheitsgedanke wird übernommen, dann "Axiom" genannt und irgendwas daraus gefolgert. Das Ganze wird uns dann als reflektiertes in sich logisches System verkauft. |
Hm, Unterstellungen empfinde ich als etwas unhöflich. Aber vielleicht beachtest du die neuen Darlegungen, die ich dazu verfasst habe, ja?
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1476475) Verfasst am: 26.05.2010, 00:12 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | L.E.N hat folgendes geschrieben: | du verwechselst das "recht des stärkeren" offenbar mit legitimation und auch bevor man einen jenseitigen silberrücken etablierte (und auch später immer wieder) war man schon mal weiter. |
Ich habe doch längst geschrieben, daß auf dem Niveau der handeltreibenden Stadtstaaten das Recht des Stärkeren nicht mehr ausreicht um Autorität zu etablieren. Man erklärte dann, die eigene Gesetzgebung sei "legitim" (=gesetzmäßig), d.h. ihrerseits wiederum mit postulierten höheren Gesetzmäßigkeiten konform. Deine Fragestellung bildet insoweit die Gründe für deren Personifikation durch Götter doch sehr schön ab. |
nein du verwechselst immer noch.
eine menschengemachte und idealerweise demokratisch beschlossene ethik sowie die darauf aufbauende gesetzgebung unterscheidet sich von einer moral auf religiöser basis wie bspw. der 10 gebote durch ihre legitimität. wird beides hinterfragt, ist es mit um die religiöse moral schlecht bestellt.
Zitat: | L.E.N hat folgendes geschrieben: | obendrein waren diese natürlich keine autoritäten, sondern jene, die angeblich einen "guten draht" zu ihm haben. |
welches erfolgreiche System ruft keine Parasiten auf den Plan? |
was möchtest du mit der frage andeuten?
Zitat: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: | bitte weich meiner frage nicht aus: was also passiert mit einer moral, der die legitimität fehlt? |
Da muß ich leider mal deine schön etablierten monotheistischen Denkstrukturen etwas stören.
Es gibt keine absolute Legitimität die ein Moralsystem hat oder nicht hat. Es sei denn Du glaubst an ein absolut gültiges übergeordnetes Gesetz. |
damit weichst du immer noch aus. es muss kein "absolut gültiges übergeordnetes Gesetz" geben, um ein im intersubjektiven diskurs demokratisch beschlossenes gesetz irgendwelchen göttlichen gesetzen vorzuziehen.
Zitat: | Und nun zu Deiner Frage: es geht um Akzeptanz und Macht. Die "Legitimität" dreht an der ersten dieser beiden Schrauben. Wenn beides bröckelt wird das System gekippt. |
na bitte. und welchen vorwurf hört man ständig von religiösen moralaposteln?
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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Martha-Helene auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 24.02.2010 Beiträge: 1155
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(#1476508) Verfasst am: 26.05.2010, 08:08 Titel: |
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Mal kurz eingeschoben:
Ich und die Welt - Der Sinn des Lebens
Eine, wie ich meine, gute, sehr ausführliche Diskussion intelligenter, teils gläubiger Menschen
Michael Schmidt-Salamon, Anselm Grün, Heiner Geißler, Gelongma Lama Palmo
Gott als philosophisches Konstrukt
denen, die eine elendes Leben führen müssen, darf man die Hoffnung auf ein besseres Jenseits nicht nehmen
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#1476550) Verfasst am: 26.05.2010, 09:57 Titel: |
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Eleonor hat folgendes geschrieben: | Die Ungleichheit der Menschen ist Fakt, nicht aber die der Interessen |
Das ist Wortklauberei. Interesse und Mensch gehören zusammen. Ein Interesse ohne den dazugehörigen Menschen ist ebenso wenig denkbar wie ein Gefühl oder ein Gedanke. Tatsächlich musst du die Gleichheit der Menschen schon insgeheim voraussetzen, um ihre Interessen für prinzipiell gleichwertig zu halten.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Wenn sich keine qualitativen oder quantitativen Unterschiede in Interessen beweisen lassen, ist die Gleichheit sogar das, was man zunächst annehmen sollte. |
Das ist aber reichlich idealistisch gedacht. Interessen sind etwas rein abstraktes. Das Interesse ist doch bloß in seiner konkreten "Erscheinung" von Relevanz, also insoweit, wie der "Interessierte" Einfluss auf den Lauf der Welt zu nehmen vermag. Denn nur dadurch werden andere gezwungen, sich mit dessen "Interessen" auseinanderzusetzen. Das Interesse interessiert nur als Ursache möglichen Handelns.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Sofern man nicht an Schicksal oder Karma-Wiedergeburt-Beziehungen glaubt, wird jeder Mensch aus der hypothetischen Sicht eines Ungeborenen zufällig in irgend ein Umfeld geboren. Willkürlich Menschen aus irgend einem Umfeld als Unprivilegierte zu behandeln ist aus dieser Sicht banalste Ungerechtigkeit. |
Höchstens in einer stark individualisierten Gesellschaft wie der unseren. Niemand wird "zufällig" irgendwo hineingeboren. Denn vor der Geburt gibt es niemanden, der zufällig irgendwo hingelangen könnte. Jeder Mensch ist das logische Produkt der Umstände unter denen er gezeugt, geboren und aufgewachsen ist. In einer Klassengesellschaft gehört er ganz selbstverständlich "seiner" Klasse an. Denn so wenig wie wir von Karma, also der Ungleichheit der Seelen aufgrund früherer Leben ausgehen wollen, so wenig wollen wir doch auch von der (gleichberechtigten) Existenz der Seelen jenseits der irdischer Gegebenheiten ausgehen.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Und genau daraus leitet sich auch ab, dass Gleichheit vor dem Gesetz in jeder aufgeklärten Gesellschaft ein wichtiges Anliegen ist, materielle Ungleichheit als Folge der Unterschiedlichkeit von Menschen für gewöhnlich jedoch hingenommen wird. |
"Den Menschen" gibt es nicht. Du müsstest schon konkret benennen, WAS ungleich ist, und inwiefern das zwar einerseits eine ungleiche Verteilung des Wohlstandes rechtfertigt, nicht aber eine ungleiche Zuweisung von Rechten.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1476559) Verfasst am: 26.05.2010, 10:13 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Natürlich kann man den Begriff "Reflektion" so dehnen, daß auch schon das Numerieren der Gebote darunter fällt. Ich erwarte schon eine rationale Auseinandersetzung mit den dahinterstehenden Zielen, den Konsequenzen usw. - nicht daß ich den Menschen damals vorwerfe, daß sie das nicht leisten konnten, aber heute ... | Da Du offenbar die religiösen Gebote selbst gar nicht kritisierst ... |
Doch, die kritisiere ich (teilweise) auch, aber darum geht es mir hier weniger.
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | ... sondern nur deren Herstellungsprozeß begibst Du Dich auf das dünne Eis der reinen Spekulation. Daß aus der Zeit der 10 Gebote keine Besprechungsprotokolle der Clanführer mehr existieren hat wohl eher techische Gründe. Gleichwohl bieten religiöse Schriften auch heute noch Beispiele von Reflexion/Kritik an bestehenden Moralgesetzen. |
OK, so kommen wir nicht weiter. Ich denke, wir müssen konkrete Beispiele religiöser Ge-/Verbote nehmen und schauen, wie gut reflektiert und begründet sie sind. Nehmen wir mal beispielhaft folgende religiöse Ge-/Verbote:
- Verbot des Verzehrs von Schweinefleisch (Islam, Judentum)
- Verbot der Selbstbefriedigung (Islam, Judentum, Christentum)
- Verbot der Homosexualität (Islam, Judentum, Christentum)
- Gebot der Verhüllung der Frau (Islam)
- Verbot des Redens von Frauen in der Gemeinde (Christentum)
- Gebot, keine anderen Götter außer Jahwe zu haben (Christentum, Judentum)
- Gebot, keine anderen Götter außer Allah zu haben (Islam)
- Verbot, am Sonntag zu arbeiten (Christentum)
- Verbot, am Samstag zu arbeiten (Judentum)
- Gebot, auch die rechte Wange hinzuhalten (Christentum)
(hoffe, ich hab nichts durcheinandergebracht ...)
Ich denke schon, daß über all diese z.B. von Theologen ausführlich reflektiert wurde, wenn auch meist nicht kritisch und ergebnisoffen. Aber eine Reflektion und Begründung aus heutiger, aufgeklärter Sicht müßte, z.B. durch Aufzeigen der Konsequenzen und unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse, zeigen, daß diese Ge-/Verbote heute sinnvoll sind.
Stimmst Du mir da zu? Und wenn ja, bei welchen von ihnen siehst Du eine solche, auch für Außenstehende plausible Begründung?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
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(#1476811) Verfasst am: 26.05.2010, 21:46 Titel: |
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Eleonor hat folgendes geschrieben: | Den Religionen "entnommen" sind diese Grudprinzipien sicher nicht. Dass Religionen nicht nur schlechtes übernommen haben, habe ich bereits eingeräumt. |
Stand der Diskussion ist, daß Du als mögliche grundlegende Axiome für einen moralischen Diskurs bisher nur die dem Buddhismus entnommene Leidensminimierung und den christlichen Gleichheitsgedanken angeboten hast.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Moment mal: Wenn sich keine qualitativen oder quantitativen Unterschiede in Interessen beweisen lassen, ist die Gleichheit sogar das, was man zunächst annehmen sollte. |
1. Interessen sind nicht gleich, man denke nur an die Geschlechter.
2. so ziemlich die erste Erfahrung die ein Mensch macht ist die, daß man es nicht jedem recht machen kann. Aus Gleichheit der Interessen reflexartig Gleichheit des Rechtes auf deren Befriedigung zu fordern erscheint demgegenüber wie das Produkt einer religiösen Traumwelt.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Ethische Axiome sind verhandelbar. Dogmen nicht. |
Wenn man Axiome verhandeln will dann braucht man keine. Axiome machen nur Sinn als Arbeitshypothesen die der Verhandelbarkeit für die Projektdauer entzogen sind. Aber auch auch die Lebensdauer religiöser Dogmen ist begrenzt.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Unglücklicherweise sind heilige Schriften jedoch nicht dazu gedacht, sich mitzuwandeln, weswegen religiöse Werte auch zunehmend unsinnig werden. |
Du behauptest zu wissen was Schreiber und Urheber religiöser Lehren (eine Vielzahl verschiedener Menschen) "gedacht" haben. Sorry, aber dieses Argument ist irrelevant. Es geht um die Frage ob die religiöse Lehren nach heutiger Papierlage Sinn machen.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Wir merken zunehmend, dass diese willkürlichen Regeln uns wenig bis nichts bringen.
Und nun kommt das Erstaunliche: Moralphilosophen aus verschiedensten Epochen, also die, die versucht haben, Ethik zu begründen, die haben diesen Trend zu großen Stücken schon vorraus gedacht.
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ähnliche Kritik an etablierten Regeln findet sich auch im NT. Wie gesagt, das hinterfragen von Regeln begründet keinen substantiellen Unterschied zwischen weltlichen Gesetzen und religiöser Moral.
Eleonor hat folgendes geschrieben: | Wie du schon bemerkt hast, haben Religionen hier und da durchaus allgemeinere und auch gute Konzepte übernommen, vieles aber ist eben doch streng Kulturkreis-abhängig gewesen. |
Bei Menschen mit verschiedenen Traditionen, in verschiedenen Umgebungen finden verschiedenartige Moralgesetze Akzeptanz. Was ist daran unlogisch?
L.E.N. hat folgendes geschrieben: | damit weichst du immer noch aus. es muss kein "absolut gültiges übergeordnetes Gesetz" geben, um ein im intersubjektiven diskurs demokratisch beschlossenes gesetz irgendwelchen göttlichen gesetzen vorzuziehen.
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Es geht nicht um "vorziehen" (das erledigen spielend die Machtverhältnisse) sondern um "Legitimität" (=Gesetzmäßigkeit). Das war übrigens Deine Idee! Also: Woher soll sich das beschlossene Gesetz seine "Legitimität=Gesetzmäßigkeit" denn sonst holen? Etwa im Zirkelschluß von einem untergeordneten Gesetz oder durch sich selbst?
L.E.N. hat folgendes geschrieben: | eine menschengemachte und idealerweise demokratisch beschlossene ethik sowie die darauf aufbauende gesetzgebung unterscheidet sich von einer moral auf religiöser basis wie bspw. der 10 gebote durch ihre legitimität. .... |
... die ja offenbar gegenstandlos ist.
step hat folgendes geschrieben: | - Verbot des Verzehrs von Schweinefleisch (Islam, Judentum)
- Verbot der Selbstbefriedigung (Islam, Judentum, Christentum)
- Verbot der Homosexualität (Islam, Judentum, Christentum)
- Gebot der Verhüllung der Frau (Islam)
- Verbot des Redens von Frauen in der Gemeinde (Christentum)
- Gebot, keine anderen Götter außer Jahwe zu haben (Christentum, Judentum)
- Gebot, keine anderen Götter außer Allah zu haben (Islam)
- Verbot, am Sonntag zu arbeiten (Christentum)
- Verbot, am Samstag zu arbeiten (Judentum)
- Gebot, auch die rechte Wange hinzuhalten (Christentum)
(hoffe, ich hab nichts durcheinandergebracht ...)
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ich fürchte doch!
Die ersten 5 Gebote entstammen m.W. noch nicht mal der Lehre der Religionsstifter sondern wurden später dazugedichtet. Ein Beleg dafür daß der größte Unsinn durchaus oft im freien Diskurs entstehen kann.
6-9 machen Sinn, das haben wir hier bereits diskutiert.
Der Diskurs zu Deinem letzten Gebot geht quer durch die Gerichtssäle und auch durch dieses Forum, durchaus ergebnisoffen.
Dasselbe gilt für viele andere der 10 Gebote, die Du hier nicht erwähnt hast.
_________________ Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1476879) Verfasst am: 26.05.2010, 23:11 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: | damit weichst du immer noch aus. es muss kein "absolut gültiges übergeordnetes Gesetz" geben, um ein im intersubjektiven diskurs demokratisch beschlossenes gesetz irgendwelchen göttlichen gesetzen vorzuziehen.
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Es geht nicht um "vorziehen" (das erledigen spielend die Machtverhältnisse) sondern um "Legitimität" (=Gesetzmäßigkeit). |
besser: =rechtmäßigkeit.
Zitat: | Das war übrigens Deine Idee! Also: Woher soll sich das beschlossene Gesetz seine "Legitimität=Gesetzmäßigkeit" denn sonst holen? Etwa im Zirkelschluß von einem untergeordneten Gesetz oder durch sich selbst? |
ich würde gut finden, wenn du registrieren würdest was ich schrieb. die entsprechende textpassage habe ich gefettet.
Zitat: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: | eine menschengemachte und idealerweise demokratisch beschlossene ethik sowie die darauf aufbauende gesetzgebung unterscheidet sich von einer moral auf religiöser basis wie bspw. der 10 gebote durch ihre legitimität. .... |
... die ja offenbar gegenstandlos ist. |
argumentation?!
inwiefern ist die rechtmäßigkeit einer wie oben beschriebenen gesetzgebung gegenstandslos wenn sich eine gottgegebene moral nach rationaler überprüfung als luftnummer herausstellt?
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1476941) Verfasst am: 27.05.2010, 09:14 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | - Verbot des Verzehrs von Schweinefleisch (Islam, Judentum)
- Verbot der Selbstbefriedigung (Islam, Judentum, Christentum)
- Verbot der Homosexualität (Islam, Judentum, Christentum)
- Gebot der Verhüllung der Frau (Islam)
- Verbot des Redens von Frauen in der Gemeinde (Christentum)
(hoffe, ich hab nichts durcheinandergebracht ...) | ich fürchte doch! Die ersten 5 Gebote entstammen m.W. noch nicht mal der Lehre der Religionsstifter sondern wurden später dazugedichtet. |
Erstens stimmt das für einige davon nicht, zweitens könnte man so gegen sämtliche Gebote und die gesamte Theologie argumentieren, denn welche Verse des AT oder NT wurden denn wirklich vom "Religionsstifter" geschrieben oder autorisiert? Da bleibt nicht viel. Drittens aber wäre es sowieso irrelvant für meine Behauptung, denn sonst hätten die Religionen diese Verbote nach einer Reflektionsphase ja längst gestrichen.
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | - Gebot, keine anderen Götter außer Jahwe zu haben (Christentum, Judentum)
- Gebot, keine anderen Götter außer Allah zu haben (Islam)
- Verbot, am Sonntag zu arbeiten (Christentum)
- Verbot, am Samstag zu arbeiten (Judentum) | 6-9 machen Sinn, das haben wir hier bereits diskutiert. |
Wieso machen die heute noch "Sinn"? Mit welche rational nachvollziehbaren Begründung etwa sollte jemand an Jahwe glauben? Wenn es jedoch einen guten Grund gäbe, so müßte er angegeben werden. Heutige Begründungen müssen "etsi deus non daretur" einleuchten.
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | - Gebot, auch die rechte Wange hinzuhalten (Christentum) | Der Diskurs zu Deinem letzten Gebot geht quer durch die Gerichtssäle und auch durch dieses Forum, durchaus ergebnisoffen. |
Das ist ja schön und gut. Aber wenn man es als Gebot einer heutigen Ethik etablieren will, muß es eben rational nachvollziehbar begründet sein. Wenn man es einhält, weil in der Bibel steht, daß Jesus es predigte, so ist das mangelnde Reflektion.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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