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Buchempfehlungen und Rezensionen/Kritik
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Evilbert
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Anmeldungsdatum: 16.09.2003
Beiträge: 42408

Beitrag(#1477069) Verfasst am: 27.05.2010, 16:37    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
d3mon hat folgendes geschrieben:
Hallo FGH,
ich würde mir gerne die homerischen Epen lesen. Jedoch bin ich mir nicht so ganz sicher an was für ein Buch ich mich halten soll. Amazon spukt da eine Liste aus, wobei öfters weitere Autoren zu Homer genannt werden. Nur die Ilias gibt es nur von Homer.
Ich bin jedenfalls etwas von der Menge an Büchern überfordert, und bitte desswegen hier um eine Buchempfehlung.

vielen Dank schonmal im Vorraus.


Ich habe diese hier zuhause; und auch, vor lange Zeit, gelesen.
Nicht leicht. Verdammt nicht leicht.


Dieser Übersetzer ist vor 200 Jahren gestorben. Sicher nicht mehr das Deutsch, was man heutzutage spricht.

Also @d3mon, egal was Du nimmst, guck Dir auf jeden Fall den Übersetzer an.

Und:
Ich hab grad nochmal geguckt, was ich eigentlich habe:
Oddyssee: Herausgeber Manfred Fuhrmann, Übersetzung von Anton Weiher, mit einer Einführung in Odyssee und Homerischen Hymnen und mit einem Namensregister.


Das ist natürlich extra Service, den nicht jedes Buch haben wird, aber das verteuert es dann auch.
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d3mon
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Anmeldungsdatum: 26.04.2006
Beiträge: 137

Beitrag(#1477075) Verfasst am: 27.05.2010, 16:50    Titel: Antworten mit Zitat

danke vorerst... weis jemand, warum bei diesem Buch kein Übersetzer angegeben ist?
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Evilbert
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Anmeldungsdatum: 16.09.2003
Beiträge: 42408

Beitrag(#1477088) Verfasst am: 27.05.2010, 17:12    Titel: Antworten mit Zitat

d3mon hat folgendes geschrieben:
danke vorerst... weis jemand, warum bei diesem Buch kein Übersetzer angegeben ist?


Vermutlich eben aus dem Grund, dass der Auor nicht so ein Zugpferd ist wie andere Übersetzer, sondern nur so`n 08/15-Typ.
Deswwegen ist das Buch auch so billig.
Auf gar keinen Fall sowas kaufen!
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Zoff
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Anmeldungsdatum: 24.08.2006
Beiträge: 21668

Beitrag(#1477091) Verfasst am: 27.05.2010, 17:20    Titel: Antworten mit Zitat

d3mon hat folgendes geschrieben:
danke vorerst... weis jemand, warum bei diesem Buch kein Übersetzer angegeben ist?


Ging wohl vergessen.

Anderswo wird Johann H. Voß als Übersetzer angegeben.
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Ahriman
Tattergreis



Anmeldungsdatum: 31.03.2006
Beiträge: 17976
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Beitrag(#1477100) Verfasst am: 27.05.2010, 17:46    Titel: Antworten mit Zitat

Die Zerstörung Trojas


Im Jahre elfhundertzwanzig ante Christum natum,
da wollte es das unabänderliche Fatum,
daß Troja von den Griechen zerstört war,
wie solches noch niemals erhört war.
Wie dieses den Griechen gelang
verkündet euch jetzt mein Gesang.

Im jahre elfhundertzwanzig ante Christum,
da brachte der Paris den Achill mit List um.
Es streckte im Sterben die Glieder
der Held ach so brav und so bieder.
Drob gerieten die Griechen in Wut,
und solches tut niemals nicht gut.

Da schrieb Odysseus, der weltbekannte Schlaukopf
an Nestor, den mindestens ebenso oft erwähnten Graukopf:
"Ich bin noch immer, Freund, wiss' es,
der alte und kluge Ulysses.
Ich nehme die Troerstadt bis
drei Tage vergangen. - Ulyss."

Es hatte nämlich Odysseus einen ganz prächtigen Einfall.
Der brachte sofort den Troern den diesbezüglichen Reinfall.
Es machte der schlaue Ithaker
zuschanden die troischen Racker.
Mit Hilfe der Geometrie
erfand er ein hölzernes Vieh.

"Hurra!" riefen die Troer, "Fort sind nun endlich die Griechen!"
Aber am Strande ließen sie so verschiedenes liegen.
Es schleppten die troischen Bauern
sich selber ihr Pech in die Mauern,
so sehr auch Laokoon schrie:
"Die Dummen verringern sich nie!"

Des Nachts beim Schein einer ganz kümmerlichen Laterne,
des Mondes und einiger gänzlich unbedeutender Sterne
da entstiegen dem hölzernen Pferd
sämtliche Griechen von einigem Wert.
Die öffnen den andern das Tor.
Meine Herrn, wie kommt Ihnen das vor?

Und als am Morgen die rosenfingrige Eos erwachte,
da zeigte sich ihren erstaunten Blicken eine gänzlich veränderte Lage der Sache.
Wo gestern noch Troja gestanden
war nur Asche und Schutt noch vorhanden.
Darauf ackert dahin und daher
in Hexametern Papa Homer.

Quelle: Der Kilometerstein. Liederbuch der Bündischen Jugend
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...und suche mich nicht in der Unterführung...
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Sticky
vae victis



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Beitrag(#1478486) Verfasst am: 30.05.2010, 13:06    Titel: Antworten mit Zitat

Jutta Dittfurth: Zeit des Zorns!

Zitat:
Bei aller Kritik an den Fehlern und inhumanen Folgen mancher Revolutionen – was ging ihnen voraus? Wogegen richteten sie sich, und wie wäre es den Menschen im feudalistischen Frankreich und im zaristischen Rußland ergangen, hätte es keine notwendigerweise auch gewaltsamen Erhebungen gegeben? Hat nicht ihre ungeheure »Gutmütigkeit« (Marx) die Pariser Kommune im Mai 1871 in ihrem Blut ertränkt? Hätte die Bastille 1789 mit einer Lichterkette erstürmt werden können? Ist die Oktoberrevolution von 1917 als gewaltfreie Sitzblockade denkbar? Die Befreiung vom Faschismus durch eine Love-Parade?


Leseprobe unter: http://www.jutta-ditfurth.de/Zeit-des-Zorns/Presse/jungeWelt-Ditfurth-Zeit-des-Zorns-Abb-20090429.pdf
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Gruss: Sticky

Die staatliche Ordnung basiert auf Recht und Gesetz.
Ich bin rechtlos, folglich bin ich auch gesetzlos.

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„Wenn Du ein Problem erkannt hast und nichts zur Lösung beiträgst, wirst Du selbst ein Teil des Problems!“ (Alte Indianerweisheit)

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vrolijke
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Beitrag(#1478494) Verfasst am: 30.05.2010, 13:49    Titel: Antworten mit Zitat

Sticky hat folgendes geschrieben:
Jutta Dittfurth: Zeit des Zorns!

Zitat:
Bei aller Kritik an den Fehlern und inhumanen Folgen mancher Revolutionen – was ging ihnen voraus? Wogegen richteten sie sich, und wie wäre es den Menschen im feudalistischen Frankreich und im zaristischen Rußland ergangen, hätte es keine notwendigerweise auch gewaltsamen Erhebungen gegeben? Hat nicht ihre ungeheure »Gutmütigkeit« (Marx) die Pariser Kommune im Mai 1871 in ihrem Blut ertränkt? Hätte die Bastille 1789 mit einer Lichterkette erstürmt werden können? Ist die Oktoberrevolution von 1917 als gewaltfreie Sitzblockade denkbar? Die Befreiung vom Faschismus durch eine Love-Parade?


Leseprobe unter: http://www.jutta-ditfurth.de/Zeit-des-Zorns/Presse/jungeWelt-Ditfurth-Zeit-des-Zorns-Abb-20090429.pdf


Von Jutta Ditfurth habe ich in mein ganzem Leben, noch nie einen "nicht-polemischen" Satz gehört.
Die ist zu sachliche Argumentation gar nicht fähig.
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Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
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Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.

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Sticky
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Beitrag(#1478507) Verfasst am: 30.05.2010, 14:09    Titel: Antworten mit Zitat

Deine Ansicht kann ich leider nicht teilen. Jutta Dittfurth war eine der Wenigen, die ihrer Linie treu geblieben ist. Wie so vielen früheren "Alternativen" für opportune Umfaller geworden sind, brauche ich wohl nicht grossartig zu betonen.
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vrolijke
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Beitrag(#1478562) Verfasst am: 30.05.2010, 16:14    Titel: Antworten mit Zitat

Sticky hat folgendes geschrieben:
Deine Ansicht kann ich leider nicht teilen. Jutta Dittfurth war eine der Wenigen, die ihrer Linie treu geblieben ist. Wie so vielen früheren "Alternativen" für opportune Umfaller geworden sind, brauche ich wohl nicht grossartig zu betonen.


Das hätte ich auch vorhersagen können. zwinkern
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pewe
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Beiträge: 3377

Beitrag(#1478570) Verfasst am: 30.05.2010, 16:48    Titel: Antworten mit Zitat

Sticky hat folgendes geschrieben:
Jutta Dittfurth: Zeit des Zorns!

Zitat:
Bei aller Kritik an den Fehlern und inhumanen Folgen mancher Revolutionen – was ging ihnen voraus? Wogegen richteten sie sich, und wie wäre es den Menschen im feudalistischen Frankreich und im zaristischen Rußland ergangen, hätte es keine notwendigerweise auch gewaltsamen Erhebungen gegeben? Hat nicht ihre ungeheure »Gutmütigkeit« (Marx) die Pariser Kommune im Mai 1871 in ihrem Blut ertränkt? Hätte die Bastille 1789 mit einer Lichterkette erstürmt werden können? Ist die Oktoberrevolution von 1917 als gewaltfreie Sitzblockade denkbar? Die Befreiung vom Faschismus durch eine Love-Parade?


Leseprobe unter: http://www.jutta-ditfurth.de/Zeit-des-Zorns/Presse/jungeWelt-Ditfurth-Zeit-des-Zorns-Abb-20090429.pdf

Mit dieser argumentativen Figur liesse sich bei Bedarf auch die RAF rechtfertigen. Mit den Augen rollen
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Sticky
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Beitrag(#1478577) Verfasst am: 30.05.2010, 17:17    Titel: Antworten mit Zitat

pewe hat folgendes geschrieben:
Sticky hat folgendes geschrieben:
Jutta Dittfurth: Zeit des Zorns!

Zitat:
Bei aller Kritik an den Fehlern und inhumanen Folgen mancher Revolutionen – was ging ihnen voraus? Wogegen richteten sie sich, und wie wäre es den Menschen im feudalistischen Frankreich und im zaristischen Rußland ergangen, hätte es keine notwendigerweise auch gewaltsamen Erhebungen gegeben? Hat nicht ihre ungeheure »Gutmütigkeit« (Marx) die Pariser Kommune im Mai 1871 in ihrem Blut ertränkt? Hätte die Bastille 1789 mit einer Lichterkette erstürmt werden können? Ist die Oktoberrevolution von 1917 als gewaltfreie Sitzblockade denkbar? Die Befreiung vom Faschismus durch eine Love-Parade?


Leseprobe unter: http://www.jutta-ditfurth.de/Zeit-des-Zorns/Presse/jungeWelt-Ditfurth-Zeit-des-Zorns-Abb-20090429.pdf

Mit dieser argumentativen Figur liesse sich bei Bedarf auch die RAF rechtfertigen. Mit den Augen rollen


Und was alles lässt sich mit "Marktwirtschaft" rechtfertigen?
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Ahriman
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Beitrag(#1478585) Verfasst am: 30.05.2010, 17:38    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Mit dieser argumentativen Figur liesse sich bei Bedarf auch die RAF rechtfertigen.

Nein. Auch gewaltsame Revolutionen funktionieren nur, wenn die Mehrheit des Volkes aktiv oder passiv mitmacht. Die RAF hatte überhaupt keinen Rückhalt im Volk. Hitler hat es zuerst gewaltsam versucht und ist gescheitert. Die Frage bleibt offen, ob die DDR nicht auch hochgekocht wäre, hätten die Genossen mit Gewalt reagiert.
Rechtfertigung von Gewaltanwendung gibt es nur für den, der Sieger bleibt.
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Sticky
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Beitrag(#1478598) Verfasst am: 30.05.2010, 18:11    Titel: Antworten mit Zitat

Ahriman hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Mit dieser argumentativen Figur liesse sich bei Bedarf auch die RAF rechtfertigen.

Nein. Auch gewaltsame Revolutionen funktionieren nur, wenn die Mehrheit des Volkes aktiv oder passiv mitmacht. Die RAF hatte überhaupt keinen Rückhalt im Volk. Hitler hat es zuerst gewaltsam versucht und ist gescheitert. Die Frage bleibt offen, ob die DDR nicht auch hochgekocht wäre, hätten die Genossen mit Gewalt reagiert.



*zustimm*

Ahriman hat folgendes geschrieben:
Rechtfertigung von Gewaltanwendung gibt es nur für den, der Sieger bleibt.


Daumen hoch!
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Zuletzt bearbeitet von Sticky am 30.05.2010, 19:09, insgesamt einmal bearbeitet
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Telliamed
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Beitrag(#1503166) Verfasst am: 19.07.2010, 16:49    Titel: Christa Wolf Antworten mit Zitat

Christa Wolf: Stadt der Engel oder Overcoat of Dr. Freud. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010, 415 S.

Als Christa Wolf 1992 in Los Angeles auf dem Flugplatz landete, richtete der Beamte an der Abfertigung seine eisblauen Augen auf sie, ihren blauen Paß in der Hand haltend. Ob sie sicher sei, dass es das Land „East Germany“, in dem der Paß ausgestellt worden sei, noch gäbe. „Yes, I am“, antwortete sie. Der Rezensent in der Süddeutschen Zeitung meint, dass Christa Wolf entgangen sei, dass nur VIP einen blauen Paß besessen hätten, aber da irrt der Rezensent - viele der Dienstreisenden hatten ihn auch.

Obwohl sie schon einmal in den USA gewesen war, kamen ihr das Land und die laute „Stadt der Engel“ fremd und absonderlich vor, ihr, die im ruhigen Berlin-Pankow und vier Monate im Jahr in ihrem mecklenburgischen Landhaus wohnt. Neun Monate lebte sie dort auf Einladung einer Stiftung für Kulturschaffende, Wissenschaftler, Künstler aus aller Welt. Ihre Aufgabe sah sie darin, den Spuren einer kommunistischen Emigrantin aus der Nazi-Zeit nachzugehen. Immer wieder tauchen denn auch die deutschen Emigranten auf, die sich nach 1933 in L.A. einfanden – Thomas Mann und sein geheimes Tagebuch, Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Arnold Schönberg und die kommunistischen Schriftsteller Louis Fürnberg und Willi Bredel, die die junge Christa Wolf förderten. In den 1950er Jahren kam es unter den Intellektuellen der DDR zu einem wahren Aderlaß: viele starben an gebrochenen Herzen, an „verlorenen Illusionen“.


Christa Wolf war in der Gauck-Behörde. 42 Bände an "Opferakten" waren durchzusehen, hinzu kamen die Protokolle der Telefonabhörung. Zu den Zuträgern zählten gute Freunde des Ehepaars Wolf. Gegen Christa und Gerhard Wolf wurden mehrere "operative Vorgänge" eingeleitet, gezielte Provokationen, die sie verunsichern und zum Schweigen bringen sollten.

Ihre IM-"Täter"-Akte aus der Zeit um 1959 war hingegen schmal, sie enthielt Auskünfte über drei Treffs und einen (positiven!) Bericht über einen Kollegen. Diese „Täter-Akte“ durfte Christa Wolf selbst nicht sehen, Journalisten hingegen durften in sie Einblick nehmen. Die zuständige Sachbearbeiterin in der Gauck-Behörde sah für kurze Zeit weg, als Ch. Wolf in die längst vergessenen Schreiben sah. Diese Zeugin starb bald darauf an Krebs.
Günter Gaus brachte Christa Wolf eine Kopie ihrer Akte nach Los Angeles. Im Roman fungiert er als „der Freund“. Gemeinsam sangen sie im Auto Arbeiterkampflieder, die Gaus noch aus seiner Jugend her kannte.
Durch die Nachricht vom Fund der „Täter-Akte“ wurde 1992/93 ein Wirbel um Christa Wolf und die DDR-staatstreuen Schriftsteller insgesamt losgetreten, der die Schriftstellerin in eine tiefe Krise stürzte. Es ging darum, wie es Klaus Kinkel formulierte, die DDR zu „delegitimieren“, also auch ihre führenden Schriftsteller.
Wie konnte Christa Wolf ihre kurze Zeit der Zusammenarbeit mit der Stasi komplett aus dem Gedächtnis gestrichen haben? War es Verdrängung, waren diese vor 45 Jahren von der Stasi angebahnten Kontakte zu einem offiziellen Regierungsorgan der DDR für sie nicht völlig unwichtig?

Das Buch spaltet die Leserschaft. Da gab es eine intellektuelle, regierungsnahe Opposition (nur scheinbarer Widerspruch), die heute noch zu der mittlerweilen 81jährigen Christa Wolf hält. Müssen wir uns dafür entschuldigen, im falschen System gelebt zu haben?
Unvergessen bleibt ihr in diesem Buch geschilderter Auftritt auf dem Alexanderplatz am 4. November 1989, der für einige Tage die Hoffnung erwecken ließ, es könne eine deutsche demokratische Republik entstehen. An manchen Ereignissen der 1970/1980er Jahre war man ganz nah dran. Welche Ausstrahlungskraft besaßen der gütige Emigrant Lew Kopelew mit seinem Tolstoj-Bart, der im Hause von Heinrich Böll Aufnahme fand, und der von Antisemiten angefeindete Efim Etkind, Übersetzer deutscher Lyrik ins Russische.
Für Arno Widmann (Berliner Zeitung) ist das Buch ungenießbar. Das beginne schon mit der Aufschrift „Roman“, die der Verlag dem Buch gegeben habe. Fiktives und erinnerte Wirklichkeit stünden nebeneinander. Aber Widmann, der als Journalist selbst einen Roman geschrieben hat, merkt bestimmt nicht, dass auf fast jeder Seite Anspielungen enthalten sind, die wahrscheinlich nur ein "gelernter DDR-Bürger" mitbekommt. Der "Spiegel" konzentriert sich in gewohnter Weise nur auzf die Stasi-Episode, die "Zeit" auf die reichlich geschilderten genüßlichen Eß- und Trinkszenen, Christa Wolf ist keine Asketin.

Man könnte viele Einwände vortragen. Ist es wirklich nötig, den Mantel des Dr. Siegmund Freud zu bemühen, wenn es darum geht, in verborgene Schichten der Erinnerung vorzudringen? Wirken die touristischen Berichte am Schluss über Ausflüge zu den Indianern, zu dem Atomwaffen-Testgelände von Los Alamos und in die Spielhöllen von Las Vegas nicht zu sehr aufgesetzt? Allerdings würde sich Christa Wolf ansonsten Gelegenheiten entgehen lassen, ihrem Ruf als „Kassandra“ gerecht zu werden.
Die ausländischen Wissenschaftler und Künstler, die Christa Wolf bestärken, wirken sie nicht zu sehr als ihr Echo?
Der Hartgesotteneren als larmoyant erscheinende Ton – er gehört eben zu Christa Wolf hinzu, den wird sie nicht mehr los, diesen Christa-Wolf-Sound.

Das Buch steht im gewissen Sinne im Jahre 2010 allein und einzigartig in der Literaturlandschaft da. Von Hermann Kant will ich nichts mehr lesen. Günter de Bruyn vergräbt sich in die brandenburgische Heimat. Die anderen gehören jüngeren Generationen an, die von der DDR nichts oder nur die Agonie miterlebt haben.

Zum Schluß eine Szene, die mich herausforderte: in einer schlaflosen Nacht der Katharsis singt sich Christa Wolf alle Lieder vor, die sie kennt, als ein innerer musikalischer Monolog in der Art von J. Joyce. Volkslieder, Lieder der kommunistischen Bewegung, Schnulzen aus der Nazizeit, DDR-Lieder. Ich wage zu behaupten, nur ein Drittel davon zu kennen. Manche davon stimme ich auch auf einsamen Wanderungen an.
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Baldur
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Anmeldungsdatum: 05.10.2005
Beiträge: 8326

Beitrag(#1512188) Verfasst am: 03.08.2010, 13:08    Titel: Antworten mit Zitat

Umstrittener Jugendroman
Verführung zum Nihilismus

Zitat:
"Nichts" heißt der Roman, sein Stoff ist finster: Ein Junge klettert auf einen Baum und bleibt dort sitzen, weil er im Leben keinen Sinn mehr sieht. Das Jugendbuch der Dänin Janne Teller ist ein Bestseller - und sorgt für heftige Kontroversen: Darf man junge Leser zu radikaler Skepsis verführen?


Ich werde wohl nicht vor Jahresbeginn dazu kommen, das Buch zu lesen. Wenn sich jemand schon vorher daran macht, würde ich mich über eine Vorabrezension/-kritik sehr freuen.
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kamelpeitsche
Weapon of Mass Discussion



Anmeldungsdatum: 15.11.2003
Beiträge: 4555
Wohnort: Devil's Dancefloor

Beitrag(#1512221) Verfasst am: 03.08.2010, 14:02    Titel: Antworten mit Zitat

Kommt! Ich habe angefangen, den Spiegel-Artikel zu lesen (nicht zuende, aus Angst vor Spoilern) und das Buch ist ja sowas von vorgemerkt. Werde das heute noch bestellen.
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Ahriman
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Anmeldungsdatum: 31.03.2006
Beiträge: 17976
Wohnort: 89250 Senden

Beitrag(#1512230) Verfasst am: 03.08.2010, 14:14    Titel: Antworten mit Zitat

Baldur hat folgendes geschrieben:
Umstrittener Jugendroman
Verführung zum Nihilismus



Pillepalle
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...und suche mich nicht in der Unterführung...
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kamelpeitsche
Weapon of Mass Discussion



Anmeldungsdatum: 15.11.2003
Beiträge: 4555
Wohnort: Devil's Dancefloor

Beitrag(#1512245) Verfasst am: 03.08.2010, 15:01    Titel: Antworten mit Zitat

Ahriman hat folgendes geschrieben:
Baldur hat folgendes geschrieben:
Umstrittener Jugendroman
Verführung zum Nihilismus



Pillepalle


Naja, wenn die Autorin selber schon dem Protagonisten einen möglichst seltenen Namen gibt, damit sich kein jugendlicher Leser zu stark mit ihm identifiziert, ist der Vorwurf nicht völlig haltlos. Wird mich aber auch nicht dran hindern, das Buch zu lesen und gegebenenfalls jüngeren Cousins oder meinem Bruder zu schenken. zwinkern
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pera
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Anmeldungsdatum: 01.07.2009
Beiträge: 4256

Beitrag(#1513267) Verfasst am: 04.08.2010, 20:48    Titel: Antworten mit Zitat

Eigentlich lese ich ganz gerne populärwissenschaftliche Bücher, damit ich wenigstens halbwegs eine Ahnung habe was so los ist. Aber dieses Buch von Philip Plait "Tod aus dem All", kann ich echt nicht empfehlen. Ich habe es geschenkt bekommen, also versuche ich auch, aus Pflichtbewusstsein, es zu lesen, aber es ist hart.
-Mit Sicherheit schlampig übersetzt.
-Viele Ungenauigkeiten.
-Ein Stil, der wohl unterhaltend sein soll aber den ich nur ätzend finde.

Die Thematik wär gar nicht so übel, welche kosmischen Katastrophen auf die Erde hereinbrechen könnten, aber so nicht.

Das war als Warnung gedacht, sollte jemand mit dem Gedanken spielen dieses Ding zu erwerben.
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jagy
Herb Derpington III.



Anmeldungsdatum: 26.11.2006
Beiträge: 7275

Beitrag(#1513305) Verfasst am: 04.08.2010, 21:16    Titel: Antworten mit Zitat

pera hat folgendes geschrieben:
Eigentlich lese ich ganz gerne populärwissenschaftliche Bücher, damit ich wenigstens halbwegs eine Ahnung habe was so los ist. Aber dieses Buch von Philip Plait "Tod aus dem All", kann ich echt nicht empfehlen. Ich habe es geschenkt bekommen, also versuche ich auch, aus Pflichtbewusstsein, es zu lesen, aber es ist hart.
-Mit Sicherheit schlampig übersetzt.
-Viele Ungenauigkeiten.
-Ein Stil, der wohl unterhaltend sein soll aber den ich nur ätzend finde.

Die Thematik wär gar nicht so übel, welche kosmischen Katastrophen auf die Erde hereinbrechen könnten, aber so nicht.

Das war als Warnung gedacht, sollte jemand mit dem Gedanken spielen dieses Ding zu erwerben.


Also ich habe das Buch im englischen Original gelesen, von daher kann ich über die deutsche Übersetzung nichts sagen, das Original fand ich aber fantastisch.

(Man darf natürlich nicht den Stil bzw die Art von zB Sagan erwarten).
_________________
INGLIP HAS BEEN SUMMONED - IT HAS BEGUN!
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pera
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Anmeldungsdatum: 01.07.2009
Beiträge: 4256

Beitrag(#1513347) Verfasst am: 04.08.2010, 22:12    Titel: Antworten mit Zitat

jagy hat folgendes geschrieben:
pera hat folgendes geschrieben:
Eigentlich lese ich ganz gerne populärwissenschaftliche Bücher, damit ich wenigstens halbwegs eine Ahnung habe was so los ist. Aber dieses Buch von Philip Plait "Tod aus dem All", kann ich echt nicht empfehlen. Ich habe es geschenkt bekommen, also versuche ich auch, aus Pflichtbewusstsein, es zu lesen, aber es ist hart.
-Mit Sicherheit schlampig übersetzt.
-Viele Ungenauigkeiten.
-Ein Stil, der wohl unterhaltend sein soll aber den ich nur ätzend finde.

Die Thematik wär gar nicht so übel, welche kosmischen Katastrophen auf die Erde hereinbrechen könnten, aber so nicht.

Das war als Warnung gedacht, sollte jemand mit dem Gedanken spielen dieses Ding zu erwerben.


Also ich habe das Buch im englischen Original gelesen, von daher kann ich über die deutsche Übersetzung nichts sagen, das Original fand ich aber fantastisch.

(Man darf natürlich nicht den Stil bzw die Art von zB Sagan erwarten).


Über das Original kann ich nichts sagen, aber als Beispiel ohne lang zu suchen:

"Jupiter ist etwa 300 mal größer als die Erde" Ein Satz der überhaupt keinen Sinn macht. Entweder der Durchmesser, die Oberfläche oder das Volumen, könnte man meinen. Ist aber nicht so. Gemeint ist die Masse, die etwa das 318 fache der Erde beträgt.
"Es würden 40 Mio. Tonnen Materie auf die Erde regnen. Huch, alle Mann in Deckung."
Den zweiten Teil hätte er sich sparen können, das ist doch nur albern.

Aber ich will nicht nur rumnörgeln, das Thema ist ja ok.
Sagan fand ich auch sehr gut, auch Davies, Greenstein oder Weinberg.
Übrigens fände ich es ganz gut wenn hier mehr Bücher dieser Gattung besprochen würden.
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Baldur
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Anmeldungsdatum: 05.10.2005
Beiträge: 8326

Beitrag(#1517626) Verfasst am: 12.08.2010, 21:36    Titel: Antworten mit Zitat

Comic "Alpha...directions"
Festschrift der Evolution

Zitat:
In seinem monumentalen Comic "Alpha...directions" erklärt Jens Harder die Entstehung der Welt. 2000 Bilder auf 340 Seiten lehren den Leser das Staunen.

Um den Leser, trotz des mangelnden Personals, von Beginn an zu fesseln, nutzt Jens Harder einen Kniff: Er setzt dem komplexen Weltgetöse kleine Analogien aus der Kulturgeschichte entgegen. Alle menschlichen Welterklärungsversuche – von griechischer, ägyptischer, aztekischer Mythologie über die Weltreligionen bis zu mittelalterlichen und neuzeitlichen (Pseudo-)Wissenschaften sowie deren Abglanz in der Kunst – sie alle dürfen teilhaben an Harders Evolution. Ikonografische Zitate übersetzt er in seinen eigenen Strich und passt mal einen Dürer, mal einen Magritte, hier einen Holbein, dort einen Van Gogh in seine Tafeln ein. Naturgeschichte? Nicht genug. Erst im Dialog mit Geistesgeschichte und Kunstgeschichte wird Weltgeschichte!

Harder gestaltet sein Buch in schlichter Zweifarbigkeit, mit klarem schwarzen Strich. Je nach Erdzeitalter wechselt jedoch der Grundton der Tafeln – 14 Milliarden Jahre brauchen ein bisschen Struktur. Niemand soll den Überblick verlieren. So fasst der Autor am Ende jedes Kapitels die wichtigsten Entwicklungen noch einmal in Textform zusammen, etwas ausführlicher als in den Bildunterschriften. Einen Anspruch auf Vollständigkeit kann der Band nicht erheben. Auch wenn er sich an den neusten wissenschaftlichen Theorien orientiert – er ist zunächst einmal ein Kunstwerk. Eines, das den Leser das Staunen wiederentdecken lässt, über die Leistung des Künstlers und den Gestaltenreichtum der Welt.

Freilich kann beim Auftritt der ersten Hominiden noch nicht Schluss sein mit der Geschichte. So soll Beta...civilizations das Zeitalter der Menschen abbilden und Gamma....visions die Zukunft unseres Planeten. Heute ist Jens Harder 40, diese Trilogie wird sein Lebenswerk. Im französischen Angoulême, beim wichtigsten Comicfestival Europas, wurde sein Mut zum Mammutprojekt übrigens mit dem Prix de l’Audace geehrt. Dort hat man erkannt, dass Alpha...directions dem Genre eine neue Richtung weist.


Wow. Geschockt

Das Buch gibts wohl bereits seit einigen Wochen im Buchhandel.
Kennt das schon jemand und hat mal darin geblättert?
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krasse Kutte
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Beitrag(#1522108) Verfasst am: 19.08.2010, 21:58    Titel: Bernard Mandeville - "Die Bienenfabel" Antworten mit Zitat

Mahlzeit!
Hat jemand „Die Bienenfabel oder Private Laster als gesellschaftliche Vorteile“ von Bernard Mandeville gelesen und möchte ein wenig darüber diskutieren. Worum geht’s? Lassen wir das am besten Mand-evil, wie viele ihn vielleicht nennen mögen, selbst zu Wort kommen:
Mandeville These lautet, [size=18]„dass weder die freundlichen Eigenschaften und die der menschlichen Natur gemäßen liebenswerten Eigenschaften noch die wahren Tugenden, die er [der Mensch] durch Vernunft und Selbstverleugnung zu erwerben imstande ist, die Grundlage der Gesellschaft bilden, sondern dass das, was wir das Böse in der Welt nennen, das sittliche wie das natürliche, das großartige Prinzip ist, das uns zu geselligen Wesen macht [...]. Hier müssen wir nach dem wahren Ursprung aller Künste und Wissenschaften suchen; und in dem Augenblick, in dem das Böse verschwindet, muss die Gesellschaft vor dem Ruin, wenn nicht gar der gänzlichen Auflösung stehen. [...]“. [/size]
Mandeville schließt damit , „[size=18]dass nämlich private Laster durch die geschickte Leitung eines erfahrenen Politikers in öffentliche Vorteile verwandelt werden können“.[/size] (S.357f)

Er stellt damit die gesamte christliche Heilslehre der Erkenntnis der wahren Tugenden durch ein christlich-religiöses Leben in Frage. Eine Gesellschaft wird nach Mandeville nicht durch Nächstenliebe aufrecht gehalten, sondern durch Selbstsucht, Ruhmsucht und leidenschaftlichem Egoismus. Diese Tatsache weiterhin nicht wahrhaben zu wollen, veranlasst weiterhin unkritische Menschen an christliche Heilsversprechen zu glauben, die seit 2000 Jahren nicht halten was sie versprechen. Ich finde daher, dass dieses Buch, auch wenn es vor fast 300 Jahren erstmals erschien, längst überfällig war und heute noch ist – da es leider kaum bekannt ist.

Ich möchte es hiermit etwas bekannter machen.
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Telliamed
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Beitrag(#1529425) Verfasst am: 29.08.2010, 22:49    Titel: Re: Bernard Mandeville - "Die Bienenfabel" Antworten mit Zitat

krasse Kutte hat folgendes geschrieben:
Mahlzeit!
Hat jemand „Die Bienenfabel oder Private Laster als gesellschaftliche Vorteile“ von Bernard Mandeville gelesen und möchte ein wenig darüber diskutieren. Worum geht’s? Lassen wir das am besten Mand-evil, wie viele ihn vielleicht nennen mögen, selbst zu Wort kommen:
Mandeville These lautet, [size=18]„dass weder die freundlichen Eigenschaften und die der menschlichen Natur gemäßen liebenswerten Eigenschaften noch die wahren Tugenden, die er [der Mensch] durch Vernunft und Selbstverleugnung zu erwerben imstande ist, die Grundlage der Gesellschaft bilden, sondern dass das, was wir das Böse in der Welt nennen, das sittliche wie das natürliche, das großartige Prinzip ist, das uns zu geselligen Wesen macht [...]. Hier müssen wir nach dem wahren Ursprung aller Künste und Wissenschaften suchen; und in dem Augenblick, in dem das Böse verschwindet, muss die Gesellschaft vor dem Ruin, wenn nicht gar der gänzlichen Auflösung stehen. [...]“. [/size]
Mandeville schließt damit , „[size=18]dass nämlich private Laster durch die geschickte Leitung eines erfahrenen Politikers in öffentliche Vorteile verwandelt werden können“.[/size] (S.357f)

Er stellt damit die gesamte christliche Heilslehre der Erkenntnis der wahren Tugenden durch ein christlich-religiöses Leben in Frage. Eine Gesellschaft wird nach Mandeville nicht durch Nächstenliebe aufrecht gehalten, sondern durch Selbstsucht, Ruhmsucht und leidenschaftlichem Egoismus. Diese Tatsache weiterhin nicht wahrhaben zu wollen, veranlasst weiterhin unkritische Menschen an christliche Heilsversprechen zu glauben, die seit 2000 Jahren nicht halten was sie versprechen. Ich finde daher, dass dieses Buch, auch wenn es vor fast 300 Jahren erstmals erschien, längst überfällig war und heute noch ist – da es leider kaum bekannt ist.

Ich möchte es hiermit etwas bekannter machen.


Bei den Ausgaben von Bernard Mandeville (1670-1733), die man in deutscher Sprache studieren kann, sieht man auch einmal, wie wikipedia im Detail ungenau ist. http://de.wikipedia.org/wiki/Bernard_Mandeville

Es gab die Ausgabe in der Reihe "Bibliothek des 18. Jahrhunderts" (Leipzig 1988) unter dem Titel "Die Bienenfabel oder private Laster als öffentliche Vorteile". Die habe ich seit dieser Erstausgabe zu Hause stehen. Gewöhnlich wird jetzt nach der Suhrkamp-Ausgabe, erstmals in Frankfurt am Main 1980, zitiert.
Mandeville steht in seiner Gesellschaftslehre zwischen Hobbes im 17. und Voltaire im 18. Jahrhundert. Sein Skeptizismus tat den aufgeklärten Freigeistern auch im deutschen Sprachraum gut, während ihn die Religiösen in die Ecke der "Unmoralischen" stellten.
Dazu würde ich empfehlen: Christopher Voigt: Der englische Deismus in Deutschland. Eine Studie zur Rezeption englisch-deistischer Literatur in deutschen Zeitschriften und Kompendien im 18. Jahrhundert. Tübingen 2003.

Rousseau (1712-1778), für den allein die ethische Relevanz philosophischer Theorien zählte, meint: "Mandeville hat genau gespürt, daß die Menschen mit all ihrer Moral stets nur Ungeheuer gewesen wären, hätte nicht die Natur ihnen das Mitleid als Stütze der Vernunft mitgegeben: er hat aber nicht gesehen, daß einzig aus dieser Eigenschaft alle sozialen Tugenden herrühren, die er den Menschen streitig machen will."
Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen. In: Jean-Jacques Rousseau: Kulturkritische und politische Schriften. 1. Band. Berlin 1989, S. 232.

Der Romanschriftsteller Henry Fielding schrieb Mandeville auch "Mandevil" und erklärte ihn damit zum "veritablen Teufel in Menschengestalt", weil er eben private Laster als gesellschaftliche Vorteile zu betrachten lehrte.

Gleichfalls Mahlzeit Smilie
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mondkalbnatur
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Beitrag(#1529717) Verfasst am: 30.08.2010, 10:47    Titel: Antworten mit Zitat

Ich suche dringendst Literatur á la Murakami, Oê, und Yoshimoto.

kann mir jemand was gutes japanisches empfehlen ?
darf ruhig was neueres sein....
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Ghostrider
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Beitrag(#1534219) Verfasst am: 05.09.2010, 17:17    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo,
hat jemand die "Heinrich Himmler"- Biographie von Peter Longerich gelesen? Bin am überlegen, ob ich mir die anschaffen soll, interessiere mich daher für Kritik, Lob etc..
Gruß
Michael
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"Speaking the Truth in Times of universal Deceit is a revolutionary Act"
G. Orwell
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lefthand
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Beitrag(#1534229) Verfasst am: 05.09.2010, 17:32    Titel: Antworten mit Zitat

Michael Heinrich "Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung"


Erstmals das Marxsche Kapital (über 2500 Seiten) auf unter 300 Seiten wissenschaftlich korrekt und gut verständlich zusammengefasst.
------------------------------------------------------------
PROKLA 155 "Sozialismus?"

Gibt einen guten Überblick über Sozialismusvorstellungen in Vergangenheit & Gegenwart inkl. Kritik an Markt- & Staatssozialismus.
_________________
"Freedom without Socialism is privilege and injustice; Socialism without freedom is slavery and brutality." - Mikhail Bakunin
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Telliamed
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Beitrag(#1551120) Verfasst am: 06.10.2010, 15:06    Titel: Antworten mit Zitat

Lothar de Maizière: "Ich will, dass meine Kinder nicht mehr lügen müssen". Meine Geschichte der deutschen Einheit. Unter Mitarbeit von Volker Resing. Freiburg/Basel/Wien 2010, 340 S., Abb.

Unter den Neuerscheinungen, die im Umfeld des 20. Jahrestages des Beitritts der DDR zur BRD nach Artikel 23 des Grundgesetzes erschienen sind, nehmen die Erinnerungen des 1940 geborenen Lothar de Maizière bestimmt einen herausragenden Platz ein. Der Sohn des Rechtsanwaltes Clemens de Maizière trat 1956 in die CDU in der DDR ein, um seine Distanz zur sozialistischen Ideologie und seine Verbundenheit mit christlichen Wertvorstellungen zu bezeugen. Bis zu seiner Wahl zum Parteivorsitzenden der CDU im Osten am 10. November 1989 hatte er aber keinerlei Funktionen inne gehabt. Zunächst war er bis 1975 in einem Musikorchester tätig, dann musste er aus gesundheitlichen Gründen aufgeben und studierte er Rechtswissenschaften. Als einziger Rechtsanwalt in Berlin war er Mitglied der CDU. Seine Freundschaft mit Gregor Gysi, die sich seit 1987 in der Leitung der Berliner Rechtsanwaltskammer vertiefte, hält bis heute an, obwohl sich beide als politische Kontrahenten in gegnerischen politischen Lagern wieder fanden.

Lothar de Maizière verteidigte Oppositionelle, was ihn zwangsläufig in Kontakte mit der Staatssicherheit brachte, ansonsten hätte er allein über den der Partei untergeordneten juristischen Apparat wenig ausrichten können. Seine Begründung, ohne sein Wissen als "IM Czerni" geführt worden zu sein, soll einleuchten: da die anzuwerbende Person sich gewöhnlich den Decknamen selbst aussuchte, hätte er schon aus ästhetischen Gründen den Namen des Musikers Carl Czerny (1791-1857) richtig geschrieben! 1991 musste er indes wegen der Kampagne seine Posten in der Politik aufgeben und ist seitdem wieder als Rechtsanwalt tätig.

Das Buch bietet eine Fülle an Einzelheiten über den Vereinigungsprozeß, die mir bisher kaum bekannt waren. In der Ost-CDU standen Lothar de Maizière zahlreiche Gegner gegenüber, der den korrupten "schönen Gerald" (Gerald Götting) als typische Ostblockflöte ablöste, der das von der SED an die CDU in Koffern übergebene Bargeld für persönliche Zwecke verjubelte.
Obwohl wir damals das politische Vorgehen de Maizières von prinzipiell anderen Positionen her ablehnten, muss ich anerkennen, dass sein auf die Herstellung der Einheit gerichtetes Vorgehen in sich schlüssig war. Er war ausgesprochener Realist und Pragmatiker, der sich um die rechtlichen Details in den auszuhandelnden Verträgen kümmerte und nichts von den Narren hielt, die von einer unabhängigen Zukunft träumten. Ganz bewusst trieb er die DDR in die Übergabe nach Artikel 23 an die BRD, nachdem er sich vom Bankrott der DDR-Wirtschaft überzeugt hatte (hier stehen seine Aussagen im Gegensatz zu denen des Bankers Ewald Most) und die Gefahr von Bürgerkrieg, Hunger und Chaos sah

Sehr anschaulich sind seine Besuche bei Gorbatschow geschildert, der den letzten Ministerpräsidenten der DDR als Befehlsempfänger in den Kreml zitierte, um dann mit einem selbstbewussten Vertreter einer nichtsozialistischen Koalitionsregierung konfrontiert zu sein. Gorbatschow sollte heute selbst das Vorwort zu diesen Erinnerungen schreiben.

Ich nenne in Stichpunkten einige aufschlussreiche Inhalte: Rolle des jetzigen Innenministers, seines Vetters Thomas de Maizière, als Vermittler zwischen Ost und West, der Aufstieg der Pressesprecherin des „Demokratischen Aufbruchs“ Angela Merkel, Volker Rühe sah in seinem Kontrahenten de Maiziere verächtlich den Vertreter der „schmutzigen Brüder“ im Osten, Helmut Kohl sah, dass ihm de Maizière die Show des Herstellers der Einheit zu nehmen drohte und verhieltsich immer mehr feindlich zu ihm . Positive Gestalten sind Altbischof Gottfried Forck (für mich hat er auch wesentlich zu einem friedlichen Verlauf beigetragen) und Manfred Stolpe. Wie Egon Krenz staunte, als er die Formel "So wahr mir Gott helfe" herausröhrte. Den "Runden Tisch", der von Vertretern einer Regierungsweise "von unten" bejubelt wurde, lehnte er wegen seiner chaotischen Vorgehensweise und begrenzten Möglichkeiten ab.

Für mich interessant die Tage nach dem 1. Februar 1990 (S. 110-111), als Hans Modrow nach der Mitteilung, dass der "XTR-Rubel" als Verrechnungseinheit der RGW-Länder diente und zur Mark der DXDR 1 : 2,34 stand, von Gorbatschow plötzlich beseitigt wurde. Nun hieß es auch von Modrows Seite "Deutschland einig Vaterland!" (Refrain der DDR-Hymne von Johannes R. Becher), was aber in der Koalition nicht abgesprochen war. Von nun an konnte jeden Tag in der Volkskammer von ungeduldigen Kräften in CDU und DSU, zu denen auch der konspirierende famose Professor Günther Krause gehörte (in dessen Gestalt Wolfgang Schäuble den Einigungsvertrag "mit sich selbst abschloß"), der sofortige Beitritt der DDR zur BRD nach Artikel 23 gefordert werden. Das Ergebnis wäre Chaos gewesen, da die rechtlichen Rahmenbedingungen für die deutsche Einheit noch gar nicht ausgehandelt waren und 400.000 Mann sowjetischer Truppen noch im Lande standen -sie hätten sich auf einmal auf NATO-Territorium befunden!



Fazit für mich nach der Lektüre des Buches: Zu dem schmalen Weg, den Lothar de Maiziere mit Blick auf die Einheit einschlug, scheint es unter den damaligen Bedingungen tatsächlich keine Alternative gegeben zu haben.
Die Regelung der Eigentumsfrage, die für viele (am Regime unschuldige) Menschen im Glauben an die ewige Geltung ihrer Regelungen höchst unbefriedigend ausfiel, war die komplizierteste, und hier konnte die DDR-Seite kaum noch gegenüber einer auf Privateigentum beruhenden Ordnung einen Trumpf aus dem Ärmel ziehen. Die Massenarbeitslosigkeit sollte bald die anfängliche Freude an der Einheit vergällen, da doch in einer auf Vollbeschäftigung beruhenden Ordnung die Arbeit als überaus wichtig bewertet wurde. Bald stellte sich heraus, dass nur der die neu gewonnene Reisefreiheit nutzen konnte, der auch über die nötige Knete dazu verfügte.
Der Autor räumt ein, dass die Kosten der Einheitdie kühnsten Erwartungen überstiegen, und dass an ihr in erster Linie die westdeutschen Großunternehmen verdienten (was gern vergessen wird, wenn den Ostdeutschen Undankbares Geflenne vorgeworfen wird).
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Chinasky
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Beitrag(#1560339) Verfasst am: 23.10.2010, 19:55    Titel: Tage der Toten Antworten mit Zitat

Don Winslow: "Tage der Toten".
Originaltitel: "The power of the dog", erschienen 2005.
Normalerweise höre ich kein 1Live, aber während der Arbeit lief weder auf WDR3 noch WDR5 was Vernünftiges, also zappte ich in meinem Radiorecorder kurz auf den ersten Kanal, wo irgendjemand dieses Buch vorstellte nach dem Motto: Nix für Kinder und nix für Frauen, aber hey - cool auf jeden Fall!

Drei Tage später, auf der Suche nach neuem Lesefutter in der Bahnhofsbuchhandlung stand das Buch da und mir gefiel - was sonst eher nie der Fall ist - das Cover, wohl auch, weil ich selbst gerade dabei war, ein Buchcover zu entwerfen. Wie auch immer: Schön dick, das Buch also ein fairer Seitenpreis, ein mich irgendwie ansprechendes Cover und die zwei obligatorischen Lobeshymnen im Umschlagtext reichten schließlich zum Kauf aus.

Und ich muß sagen... Das beste Buch, das ich in den letzten zwei, drei Jahren so gelesen habe!

Der Inhalt dreht sich um den "War on drugs" der USA. Zentraler Schauplatz ist Mexiko, die zwei Hauptprotagonisten sind ein halbmexikanischer Ex-CIA-Mann, der jetzt für die Drogenfahndung arbeitet, sowie ein mexikanischer Dealer, der innerhalb einiger Jahrzehnte von seinem Freund zu seinem Feind wird und gleichzeitig zum Oberboß eines der größten Dorgenkartelle aufsteigt.
Aber mit so einer reinen Männerfreundschaft/Männerfeindschaft-Story lassen sich noch keine 700 Seiten füllen. Und so kommt also das mit rein in den Roman, was ihn für mich so imposant und wichtig macht: Die Politik. Alle mischen sie mit in diesem Buch: die italienische Mafia. Die irische Mafia. Die CIA und die Vietnamveteranen, die den Absprung in ein friedliches Normalo-Leben nie schafften. Die kolumbianischen Kokai-Kartelle, die Sandinisten, die Contras, die FARC, die Chinesen, der Vatikan... Vor allem auf die Verflechtung von Politik und Verbrechen in Mexiko wird nachvollziehbar und gerade deswegen so angsterfüllend eingegangen. En detail wird geschildert, wie der kriminelle Mob sich Zugang zur feinen Gesellschaft verschafft, wie er sich bei der Bevölkerung mit Zuckerbrot und Peitsche Einfluß schafft und wie die Drogenbosse alles und jeden entweder kaufen, manipulieren oder aus dem Weg räumen. Und nur das Eine fürchten: Die Legalisierung ihrer Waren.
Gleichzeitig wird gezeigt, wer, alle Verschwörungstheoretiker werden jauchzen, seine Hände bis zum Ellbogen mit drin hat im Drogenhandel: die konservative Rechte, der Vatikan, natürlich die CIA, welche ja keine Gelder mehr für ihren Kampf gegen die südamerikanischen Linken bewilligt bekommt und also daran interessiert ist, das Budget im "war on drugs" tüchtig hoch zu halten...

In der Debatte um die Legalisierung "harter Drogen" sollte dieses Buch zur Pflichtlektüre aller Teilneher zählen.

Schrieb ich schon, daß dieses Buch sauspannend ist? Nein? Ist es aber. Von der ersten Seite an. Es ist hart, es ist brutal, es ist realistisch, es ist schnell. Manch einer mag die Charaktere etwas eindimensional geschnitzt finden. Sie sind aber nie unglaubwürdig und über Passagen hinweg, wenn aus der Sicht des zentralen Bösewichts geschrieben wird, fängt man an, auch ihn zu verstehen, ihn ganz sympathisch zu finden.
Und für zwei Figuren aus der zweiten Reihe wachsen dem Leser gar an's Herz, obwohl es sich dabei um einen irischen Auftragskiller und einem mexikanischen Polizei-Rambo übelster Sorte handelt, deren beider Wege mit Leichen gepflastert sind...

Manche finden, es käme zuviel Gewalt in dem Buch vor. Das finde ich auch. Dafür kann aber das Buch nichts und dem Autoren ist es auch nicht anzulasten. Er schreibt über die Vorhölle, in der sind die hübschen Szenen nun mal eher rar gesäht. Es werden auch "erholsame" Passagen eingeschoben, wenn z.B. ein Mafioso mit seiner Mätresse sich einen Sonnenuntergang in Hong Kong anschaut oder wenn sie den vom Bruder des Mafioso angelegten privaten Garten durchschlendern... Es werden Ausschnitte einer heilen Welt gezeigt, um die sich manche der Romanfiguren bemühen. Und wenn diese heile Welt dann wieder kaputtgestampft wird, dann kommt keine Vernichtungsfreude auf - sondern Trauer.

Das Buch, so spannend es auch ist, so süffig es auch geschrieben wurde (ja, ein paar derbe Sexszenen fehlen ebenfalls nicht) - am Ende macht es irgendwie traurig. Oder wütend. Und ich kann mir nicht vorstellen, wie jemand es ausgelesen aus der Hand legen kann, ohne in ein paar wichtigen politischen Fragen die eigene Position nachjustieren zu wollen.
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satsche
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Beitrag(#1562152) Verfasst am: 27.10.2010, 19:58    Titel: Antworten mit Zitat

Ein Lesetip der etwas anderen Art: Es geht nicht um ein Buch, es geht um eine Rede, der Dankrede des diesjährigen Georg-Büchner-Preisträgers Reinhard Jirgl.

Die neunseitige pdf kann auf einer Seite der Akademie aufgeklappt werden:

http://www.deutscheakademie.de/preise_buechner.html

Der Redner beginnt mit seiner Kindheit in der DDR und bleibt dann im weiteren Verlauf der Dankrede dicht am Namensgeber des Preises: Georg Büchner; und ist mMn sehr lesenswert!

Einige Auszüge:

„...Ein moralischer Fortschritt existiert nicht. Selbst Formen der Sklaverei sind aus den Gesellschaften niemals verschwunden, Sklaverei sieht heutzutage nur anders aus und trägt bisweilen andere Namen: darunter Organhandel, Klonen, das Staatsmonopol für Sterben und Tod...“

„...In Georg Büchners Geburtsjahr, 1813, fand bei Leipzig die so genannte Völkerschlacht statt, der Anfang vom Ende des Napoleonischen Imperiums. Ein Jahrzehnt hatten die französischen Heere Europa mit Krieg überzogen, und dabei notwendigerweise auch die deutsche Kleinstaaterei beseitigt. Und mehr, Napoleon hatte, ganz nach abendländischer Manier, Europa vereinigt mit den ihm zugehörigen Mitteln: Macht um jeden Preis, Krieg als Motor aller Dinge. Der letzte europäische Vereiniger dieses Schlags, man muss es aussprechen, war Hitler. Kriege und Völkermord als Väter des europäischen Vereinigungsprozesses! Von Napoleon zu Hitler - alle späteren Projekteure eines vereinten Europas haben sich mit dieser Ahnenreihe auseinanderzusetzen...“

„...All die simulierten worst-case-Szenarien in den Prozessen von Wissenschaft, Technik, Militär, Ökonomie gehören hierher, unlängst der so genannte Stresstest für Bankinstitute mit der Frage, ob sie im Netzwerk ihres eigenen Finanzbanditentums der nächsten, somit selbst herbeigeführten Krise standhalten oder zugrunde gehen würden...“

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Keiner hat das Recht zu gehorchen. Hannah A.
Das, was lebt, ist etwas anderes als das, was denkt. G. Benn
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