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Klaus-Peter
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Anmeldungsdatum: 10.01.2004
Beiträge: 1534

Beitrag(#147900) Verfasst am: 09.07.2004, 12:14    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
[...] Sowohl der 'Positivismusstreit' als auch die Tatsache, dass unser aller Kanzler Schmidt Popper als 'Hofphilosophen' ausrief, hat auch nicht gerade dazu beigetragen, Popper unumstritten zu machen.

Ja, ich habe auch den Eindruck, dass die Ablehnung Poppers stets ideologisch motiviert ist. Ich verstehe auch nicht, warum Du meinst, Popper ausgerechnet aus den Schillpp-Bänden lernen zu müssen. Die meisten Vorurteile über Popper kann man abstellen, wenn man bloss das recht flüssig lesbare "Auf der Suche nach einer besseren Welt" liest. Oder wenn es seriöser sein soll, das Popper Lesebuch bei Mohr Siebeck/ UTB.

Zitat:
Es scheint mir aber Konsens darin zu bestehen, dass Falsifikationismus nicht so funktionieren kann, wie Popper sich das vorstellte.


Das stimmt so nachprüfbar nicht. Wahr ist, dass zahlreiche Leute sehr viel dummes Zeug darüber schreiben, was Popper angeblich sich vorgestellt hat (und da machen Leute, die ich sonst sehr schätze, keine Ausnahme, ich denke an Sokal, Vollmer, Mahner, Bunge, ... Es besteht Konsens, dass es so, wie Mahner/Bunge denken, dass Popper es gedacht hat, nicht funktionieren kann. (Ich gehe dabei stillschweigend davon aus,dass das was Martin auf seiner HP schreibt, ziemlich gut die Vorstellungen von Mahner/Bunge trifft, ich muss zugeben, dass ich die beiden nur von Dir und Martin kenne).

Zitat:
Denn für die Falsifikation braucht man ja eine Auffassung, die eine Falsifikation begründen kann. Wenn es keine direkte Erkenntnis gibt, kann eine Erfahrung ja auch nicht an 'der Natur' (oder der 'Wirk'lichkeit) scheitern, denn wir erkennen diese ja nur theoriegeleitet. Wir vergleichen ja nicht unsere Theorie mit 'der Natur', sondern die Messwerte, die wir auf der Basis einer bestimmten Theorie ermitteln mit den Vorhersagen einer (anderen?) Theorie.


Lies mein Popper Zitat im Beitrag an Martin, dann siehst Du, dass Popper das sehr wohl gesehen und gelöst hat - von Anfang an.

Zitat:
Streng genommen ist sogar die Auffassung, dass sich unsere Theorien 'der Wahrheit' (ein Relikt aus den Zeiten der 'adaequatio'-Auffassung) annähern, schwer zu begründen. Denn auch dazu müsste man ein 'tertium comparationis' haben.


Nein, muss man nicht. Die Annäherung an die Wahrheit kommt durch die Zunahme an empirischem Gehalt zustande.

Zitat:
Wie Du auch sagst, haben wir nur ein Kriterium, das 'negativ' antwortet. Solange unsere Theorien 'passen' haben wir streng genommen nichts gelernt.


Das ist nur die Hälfte der Wahrheit. Der wichtigere Teil: Unabhängig von ihrer Wahrheit kann man Theorien einen empirischen Gehalt zuschreiben, und hat auf diese Art ein "Fortschrittskriterium". Dadurch bekommt man Hiweise, was man sinnvollerweise prüfen sollte, und erhält im Falle einer Nichtwiderlegung wesentlich mehr als nur eine Negativaussage: Nämlich die Aussage, dass eine gehaltvollere Theorie der Prüfung standgehalten hat. Kann man schön nachlesen: Popper Lesebuch, Text 13 ("Wachstum der wissenschaftlichen Erkenntnis" und Text 14 ("Wahrheit und Annäherung an die Wahrheit"). Dort ist auch sehr schön beschrieben, wodurch sich der moderne an Tarski anlehnende semantische Wahrheitsbegriff von dem alten "Adäquatio"-Begriff und anderen Abbild- und Projektionstheorien unterscheidet.

Zitat:
Auch eine 'Verbesserung' einer an 'der Erfahrung' gescheiterten Theorie ist eben nur eine Passung. Das Problem scheint mir darin zu liegen, dass es nicht möglich ist, eine wahre Aussage _als_ wahr zu erkennen.


Das ist ja gerade der Witz an Poppers Ansatz: Dadurch, dass man ein Fortschrittskriterium besitzt, kann man sich der Wahrheit annähern (durch eine nicht-falsifizierte, bessere Theorie) ohne sie zu kennen. Das ist, wie wenn man die Kreiszahl Pi durch Intervallschachtelung annähert. Aber das ist wesentlich mehr als eine blosse "Passung", die lediglich Messdaten interpoliert.

Gruss

KP
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Klaus-Peter
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Anmeldungsdatum: 10.01.2004
Beiträge: 1534

Beitrag(#147902) Verfasst am: 09.07.2004, 12:20    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Step,

ich glaube, das was zu gezeigt bekommen möchtest, zeigt man Dir am besten durch eine Frage:

step hat folgendes geschrieben:
... aber Ihr konntet bisher nicht zeigen, daß die wissenschaftliche Methode - also das Finden von Regeln zur hinreichend erfolgreichen Voraussage - ohne diese Annahme nicht funktioniert.

Hinreichend genaue Voraussage von was?

Gruss

KP
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Klaus-Peter
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Anmeldungsdatum: 10.01.2004
Beiträge: 1534

Beitrag(#147910) Verfasst am: 09.07.2004, 12:33    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Lamarck,

von Glasersfeld hat folgendes geschrieben:
Beobachtete Eigenschaften des Gegenstands leiten die geistige Koordination des Verhaltens des Subjekts, die wiederum die beobachteten Eigenschaften verändern, die ihrerseits zu anderem Verhalten führen usw.


Konstruktivisten halten also diesen dialektischen Hohlzirkel für virtuos.

2 Fragen:

1. Können Konstruktivisten erklären, warum dieser Zirkel weiterführt, also virtuos ist, und warum er nicht genausogut desaströs sein könnte, also absteigend, verschlechternd?

2. Nehmen wir an, Glasersfeld ist nicht alleine auf der Welt (diese Annahme ist plausibel, weil wir sonst nicht hier diskutieren würden). Wie kommt das nun, laut Glasersfeld, dass die Glasersfelder Konstruktionen einen Einfluss auf Deine und meine Konstruktionen haben? (Du und ich kommen in Glasersfelds Zirkel nämlich gar nicht vor).

Gespannte Grüsse

KP
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Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#147946) Verfasst am: 09.07.2004, 14:14    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter!

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Konstruktivisten halten also diesen dialektischen Hohlzirkel für virtuos.


Das mit der Dialektik ist doch schon mal gar nicht so schlecht ... .


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
2 Fragen:

1. Können Konstruktivisten erklären, warum dieser Zirkel weiterführt, also virtuos ist, und warum er nicht genausogut desaströs sein könnte, also absteigend, verschlechternd?

2. Nehmen wir an, Glasersfeld ist nicht alleine auf der Welt (diese Annahme ist plausibel, weil wir sonst nicht hier diskutieren würden). Wie kommt das nun, laut Glasersfeld, dass die Glasersfelder Konstruktionen einen Einfluss auf Deine und meine Konstruktionen haben? (Du und ich kommen in Glasersfelds Zirkel nämlich gar nicht vor).


Zu 1.: Natürlich könnte "dieser Zirkel" auch 'desaströs' enden. Wenn er nicht mehr weiterführt, ist eben Schluß mit lustig (= Viabilität). Im Extremfall durch Tod. Ich hatte es erwähnt: Welche Einsichten haben Popper bewogen, die ET nicht mehr für zirkelschlüssig zu halten? - Bitte hier analog anwenden.

Zu 2.: Was Du hier als "Von Glasersfelds Konstruktionen" ansiehst, sind eigentlich Deine Konstruktionen, die Du nur "Von Glasersfeld" zuschreibst. Meine 'Realität' ist eine andere als Deine 'Realität'. Schön, Du bist per definitionem näher dran an die von Dir so konstruierte "realere" 'Realität'. Warum können wir trotzdem - wenn auch nicht so reibunglos - miteinander kommunizieren?


Cheers,

Lamarck
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„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)

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Klaus-Peter
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Anmeldungsdatum: 10.01.2004
Beiträge: 1534

Beitrag(#147950) Verfasst am: 09.07.2004, 14:45    Titel: Antworten mit Zitat

Lamarck hat folgendes geschrieben:

Warum können wir trotzdem - wenn auch nicht so reibunglos - miteinander kommunizieren?

Hallo Lamarck,

warum fragst Du das mich? Ich habe darauf eine Antwort, die Du kennst. Weil ich Realist bin, nehme ich also an, dass wir in einer uns gemeinsamen objektiven Realität miteinander interagieren.

Ich habe Dich gefragt, weil Du Radikaler Konstruktivist bist, und weil Deiner Meinung nach alles nur Konstrukte sind. Wie lautet also Deine Antwort?

Zitat:
Ich hatte es erwähnt: Welche Einsichten haben Popper bewogen, die ET nicht mehr für zirkelschlüssig zu halten? - Bitte hier analog anwenden.


Wenn ich Popper anwende, dann bin ich kritischer Realist, nicht Konstruktivist. Fällt Dir auf, dass jedesmal, wenn ich Deine konstruktivistischen Thesen kritisiere, Du mit realistischen Antworten kommst?

Btw. Popper hat die ET niemals für zirkelschlüssig gehalten. Nur eine Zeit lang für tautologisch. Das ist etwas anderes. Da hatte er aber offenbar die ET noch nicht genügend verstanden. Als er das getan hatte, hat er sein Urteil (wie sich das für einen Kritischen Rationalisten gehört) revidiert.

Gruss

KP

Achtung: Mehrfach editiert. Bitte neueste Version lesen. zuletzt 14:59 Uhr
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#147964) Verfasst am: 09.07.2004, 16:13    Titel: Antworten mit Zitat

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
ich glaube, das was zu gezeigt bekommen möchtest, zeigt man Dir am besten durch eine Frage:
step hat folgendes geschrieben:
... aber Ihr konntet bisher nicht zeigen, daß die wissenschaftliche Methode - also das Finden von Regeln zur hinreichend erfolgreichen Voraussage - ohne diese Annahme nicht funktioniert.

Hinreichend genaue Voraussage von was?

Von späteren Wahrnehmungen.

Jetzt bin ich aber gespannt.

gruß/step
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#147981) Verfasst am: 09.07.2004, 17:32    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
ich bin immer noch der Meinung, Ihr schiebt der wissenschaftlichen Methode zu Unrecht (bzw. unnötigerweise) eine Ontologie unter. Die meisten Wissenschaftler sind zwar "privat" der Meinung, es gebe ein "objektive Realität" (was immer sie damit meinen, ich weiß es nicht), aber Ihr konntet bisher nicht zeigen, daß die wissenschaftliche Methode - also das Finden von Regeln zur hinreichend erfolgreichen Voraussage - ohne diese Annahme nicht funktioniert.


Wie ich früher schon schrieb, setzt das Betreiben von Wissenschaften u.a. die Akzeptanz des (ontologischen) Naturalismus voraus. Obwohl Du das bestritten hast und das heute noch bestreitest, hattest Du vor geraumer Zeit an dieser Stelle etwas recht Aufschlußreiches geschrieben:

Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Ein Fall, der aus der Reihe tanzt, würde schon genügen, um dem Supernaturalismus das Tor zu öffnen (wenn z.B. vor Deinen Augen aus dem Nichts eine neue Spezies herauskröche oder der Himmel aufreißen würde und Goldnuggets herabregneten, auf denen geschrieben stünde "made by the designer".)


Das sehe ich anders. Würde das tatsächlich passieren, müßte ich einige Theorien über die Natur verwerfen oder wesentlich erweitern, z.B. um einen (dann sehr natürlichen) Nuggetwerfer. Keine Spur von Supernaturalismus.


Das ist nichts anderes als Dein Eingeständnis, daß Du eine philosophische Vorentscheidung zugunsten des Naturalismus getroffen hast. Du möchtest mit anderen Worten die Welt auch dann noch rein naturgesetzlich erklären, wenn Phänomene auftreten, die (scheinbar) nicht mehr ins naturalistische "Raster" passen. Das und nichts anderes meinte ich, als ich schrieb, wissenschaftliches Arbeiten setze die Akzeptanz des Naturalismus voraus. zwinkern


Step hat folgendes geschrieben:
Man würde diese Annahme nur dann benötigen, wenn man den zusätzlichen Anspruch erheben würde, mithilfe der Methode "Wahrheit" zu finden. Dies sollt man allerdings mE besser bleiben lassen.


Nun, ich denke, Du solltest nicht nur im ontologischen, sondern auch im epistemologischen Bereich nicht vorschnell urteilen. Ich bin mir ziemlich sicher, daß Du als Wissenschaftler schnell aufhören (oder gar nicht erst anfangen würdest) zu forschen, wenn Du wüßtest, daß Dein Weltbild bzw. alle Erkenntnisse, die Du über die Welt sammelst, nichts mehr mit dem zu tun hätten, das "die Welt im Innersten zusammenhält". In diesem Fall wär' Forschung einfach "witzlos".

Grüße

Martin
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"Science is a candle in the dark." - Carl Sagan

www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
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Darwin Upheaval
Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator



Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#148007) Verfasst am: 09.07.2004, 19:30    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck,

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Hi Klaus-Peter!

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Konstruktivisten halten also diesen dialektischen Hohlzirkel für virtuos.


Das mit der Dialektik ist doch schon mal gar nicht so schlecht ... .


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
2 Fragen:

1. Können Konstruktivisten erklären, warum dieser Zirkel weiterführt, also virtuos ist, und warum er nicht genausogut desaströs sein könnte, also absteigend, verschlechternd?

2. Nehmen wir an, Glasersfeld ist nicht alleine auf der Welt (diese Annahme ist plausibel, weil wir sonst nicht hier diskutieren würden). Wie kommt das nun, laut Glasersfeld, dass die Glasersfelder Konstruktionen einen Einfluss auf Deine und meine Konstruktionen haben? (Du und ich kommen in Glasersfelds Zirkel nämlich gar nicht vor).


Zu 1.: Natürlich könnte "dieser Zirkel" auch 'desaströs' enden. Wenn er nicht mehr weiterführt, ist eben Schluß mit lustig (= Viabilität). Im Extremfall durch Tod. Ich hatte es erwähnt: Welche Einsichten haben Popper bewogen, die ET nicht mehr für zirkelschlüssig zu halten? - Bitte hier analog anwenden.

Zu 2.: Was Du hier als "Von Glasersfelds Konstruktionen" ansiehst, sind eigentlich Deine Konstruktionen, die Du nur "Von Glasersfeld" zuschreibst. Meine 'Realität' ist eine andere als Deine 'Realität'. Schön, Du bist per definitionem näher dran an die von Dir so konstruierte "realere" 'Realität'. Warum können wir trotzdem - wenn auch nicht so reibunglos - miteinander kommunizieren?


Keine Ahnung. Weil Du nicht nur Dein Weltbild, sondern mich als Eigenschaft Deines Weltbildes gleich mitkonstruierst? Gröhl...

Grüße

Martin
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#148028) Verfasst am: 09.07.2004, 20:45    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Ein Fall, der aus der Reihe tanzt, würde schon genügen, um dem Supernaturalismus das Tor zu öffnen (wenn z.B. vor Deinen Augen aus dem Nichts eine neue Spezies herauskröche oder der Himmel aufreißen würde und Goldnuggets herabregneten, auf denen geschrieben stünde "made by the designer".)
Das sehe ich anders. Würde das tatsächlich passieren, müßte ich einige Theorien über die Natur verwerfen oder wesentlich erweitern, z.B. um einen (dann sehr natürlichen) Nuggetwerfer. Keine Spur von Supernaturalismus.
Das ist nichts anderes als Dein Eingeständnis, daß Du eine philosophische Vorentscheidung zugunsten des Naturalismus getroffen hast. Du möchtest mit anderen Worten die Welt auch dann noch rein naturgesetzlich erklären, wenn Phänomene auftreten, die (scheinbar) nicht mehr ins naturalistische "Raster" passen. Das und nichts anderes meinte ich, als ich schrieb, wissenschaftliches Arbeiten setze die Akzeptanz des Naturalismus voraus. zwinkern

Nicht ganz. Ich würde nur auch unter diesen Umständen mein Ziel verfolgen, Regeln für Voraussagen zu finden. Für dieses Ziel hat sich die NM als die bisher beste erwiesen. Ich würde also nicht deshalb versuchen, den Nuggetwerfer "naturalistisch zu deuten", weil ich an eine objektive Realität glaube, oder weil ich andere Deutungen a priori ablehne, sondern nur deshalb weil ich auf diese Weise besser Regeln für Voraussagen zu finden meine. Nichtnaturalistische Methoden, die gleich erfolgreich im Finden von Regeln für Voraussagen wären, würde ich nicht von der Hand weisen.

Ich denke, dies ist keine wesentliche ontologische Annahme (also keine Annahme über das Sein der Welt oder der Dinge). Wenn überhaupt ist es eine Entscheidung für ein (relativ bescheidenes, ontologisch irrelevantes) Ziel.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Step hat folgendes geschrieben:
Man würde diese Annahme nur dann benötigen, wenn man den zusätzlichen Anspruch erheben würde, mithilfe der Methode "Wahrheit" zu finden. Dies sollte man allerdings mE besser bleiben lassen.
Nun, ich denke, Du solltest nicht nur im ontologischen, sondern auch im epistemologischen Bereich nicht vorschnell urteilen.

Vor allem nicht endgültig zwinkern

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Ich bin mir ziemlich sicher, daß Du als Wissenschaftler schnell aufhören (oder gar nicht erst anfangen würdest) zu forschen, wenn Du wüßtest, daß Dein Weltbild bzw. alle Erkenntnisse, die Du über die Welt sammelst, nichts mehr mit dem zu tun hätten, das "die Welt im Innersten zusammenhält". In diesem Fall wär' Forschung einfach "witzlos".

Das stimmt - zumindest für mich - definitiv nicht. Forschung würde mir nur dann witzlos erscheinen, wenn die wahrgenommene Welt das Finden von voraussagefähigen Regeln offensichtlich nicht erlauben würde.

Es ist wirklich so - ich bin vollständiger Ametaphysiker. Ausdrücke wie "was die Welt im Innersten zusammenhält" oder "absolute Wahrheit" oder "Sein des Seins" erscheinen mir aus der gleichen Kategorie wie "Gott" oder "esljasvlkvdj".

gruß/step
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Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#148073) Verfasst am: 09.07.2004, 23:53    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Martin,

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Hi Klaus-Peter!

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Konstruktivisten halten also diesen dialektischen Hohlzirkel für virtuos.


Das mit der Dialektik ist doch schon mal gar nicht so schlecht ... .


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
2 Fragen:

1. Können Konstruktivisten erklären, warum dieser Zirkel weiterführt, also virtuos ist, und warum er nicht genausogut desaströs sein könnte, also absteigend, verschlechternd?

2. Nehmen wir an, Glasersfeld ist nicht alleine auf der Welt (diese Annahme ist plausibel, weil wir sonst nicht hier diskutieren würden). Wie kommt das nun, laut Glasersfeld, dass die Glasersfelder Konstruktionen einen Einfluss auf Deine und meine Konstruktionen haben? (Du und ich kommen in Glasersfelds Zirkel nämlich gar nicht vor).


Zu 1.: Natürlich könnte "dieser Zirkel" auch 'desaströs' enden. Wenn er nicht mehr weiterführt, ist eben Schluß mit lustig (= Viabilität). Im Extremfall durch Tod. Ich hatte es erwähnt: Welche Einsichten haben Popper bewogen, die ET nicht mehr für zirkelschlüssig zu halten? - Bitte hier analog anwenden.

Zu 2.: Was Du hier als "Von Glasersfelds Konstruktionen" ansiehst, sind eigentlich Deine Konstruktionen, die Du nur "Von Glasersfeld" zuschreibst. Meine 'Realität' ist eine andere als Deine 'Realität'. Schön, Du bist per definitionem näher dran an die von Dir so konstruierte "realere" 'Realität'. Warum können wir trotzdem - wenn auch nicht so reibunglos - miteinander kommunizieren?


Keine Ahnung. Weil Du nicht nur Dein Weltbild, sondern mich als Eigenschaft Deines Weltbildes gleich mitkonstruierst? Gröhl...


Freut mich, dass Du Deinen Spaß hast. Daumen hoch!

Und selbstverständlich habe ich Dich gleich mitkonstruiert! Deswegen nehme ich auch an, das Du ebenso 'Vorstellungen' über mich entwickelst. Aber Du irrst bestimmt, denn ich bin keine Kohlenstoff-Einheit ... .

Gleichwohl auch in Deine Richtung: Warum haben wir zwei nun unterschiedliche Realitäten???


Cheers,

Lamarck
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Darwin Upheaval
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Anmeldungsdatum: 23.01.2004
Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden

Beitrag(#148243) Verfasst am: 10.07.2004, 14:58    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck,

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Ich weiß ehrlich gesagt noch immer nicht, was Du mit Deinem Zirkelvorwurf bezweckst. Die Wissenschaft läßt sich, wie schon betont, eben nicht philosophisch voraussetzungfrei betreiben. Sie hat einen „philosophischen Hintergrund“, der u.a. epistemologische und ontologische Postulate enthält, die sich nicht beweisen lassen, die aber durch ihre methodischen Prinzipien erzwungen werden. Da Beobachten und Theoretisieren immer handinhand gehen, bewegt sich die Wissenschaft insgesamt in einem ("virtuosen") Zirkel.


Das ist hier ein anderer Zirkel. Du begründest hier 'Ding' mit 'Eigenschaft' und 'Eigenschaft' mit 'Ding'.


Nein Ausrufezeichen Ich begründe die "Ding-Eigenschafts-Beziehung" in erster Linie mit methodologischen Prinzipien: Eine Welt, die nicht erkannt werden kann, läßt sich nicht sinnvoll untersuchen. Zirkel hin oder her: Der Realismus ist schlicht und ergreifend eine rationale Voraussetzung für das Anwenden der empirisch-wissenschaftlichen Methode:

Zitat:
Somit haben wir, wenn wir an einem ontologischen Realismus festhalten, auch gute Gründe für unsere erkenntnistheoretischen und methodologischen Maximen und Postulate. Positivismus, Relativismus und Instrumentalismus müssen ihre methodologischen Regeln durch Argumente rechtfertigen oder motivieren, die von jeder Ontologie unabhängig sind. Das wird nicht immer möglich sein. Warum sollten wir nach Quarks, nach Quasaren, nach Schwarzen Löchern suchen, wenn sie nichts weiter sind als nützliche Begriffe, hilfreiche Fiktionen, brauchbare Instrumente, ökonomische Zusammenfassungen? Niemand wird nach etwas suchen, dessen Existenz er bestreitet. Der ontologische Realismus ist deshalb auch heuristisch viel fruchtbarer als jede andere Position.


Vollmer, G. (1986): Die Einheit der Wissenschaft in evolutionärer Perspektive. In: Vollmer, G.: Was können wir wissen? Bd. 2: Die Natur der Erkenntnis. Hirzel, Stuttgart. 163-199 (180).


Im übrigen beruht der von Dir gezogene und wohlbekannte Fehlschluß auf einer Verwechslung von Erkenntnis- und Erklärungsgrund. (Man erinnert sich, daß sich auch Popper darin schon verrannt hatte.) Nehmen wir an, ein Mensch lebt in einem abgeschotteten Raum und beobachtet das Fallen des Barometers. Der Beobachter hat keinen direkten Zugriff auf die „Außenwelt“, kann aber anhand der Symptomkonstellation (des Fallens des Barometers) das Anrücken eines Tiefdruckgebietes postulieren. Die Wetterverschlechterung ist demnach der Erklärungsgrund für das Fallen des Barometers, das den Erkenntnisgrund darstellt. Natürlich läßt sich auch daraus eine Lamarcksche Scheintautologie konstruieren: „Warum fällt das Barometer? Weil das Wetter schlechter wird. Warum wird das Wetter schlechter? Weil das Barometer fällt.“ In unserem Fall gilt das Analoge: Die Phänomene in unserem Weltbild sind Symptomkonstellationen (Erkenntnisgründe), die einer Erklärung durch Entitäten bedürfen:

Zitat:
Zwar könnten wir im Prinzip auf Ontologie verzichten, wie Positivismus und Relativismus [entsprechend auch RK] es tun, ja sogar – wie der Instrumentalismus – auf (Ontologie und) jede Erkenntnistheorie. Dadurch, daß Positivismus, Relativismus und Instrumentalismus bescheidener sind, sind sie in ihren Voraussetzungen auch weniger anspruchsvoll, also weniger verletzlich als jede Form von Realismus(...)

Es gibt jedoch ein entscheidendes Argument gegen diese „bescheidenen“ Positionen. Dieses Argument beruht auf dem Erklärungswert des Realismus. Weder Positivisimus noch Relativismus oder Instrumentalismus sind in der Lage zu erklären, warum einige unserer Theorien erfolgreich sind und andere nicht. Warum sind manche Theorien bessere „Instrumente“ für Beschreibung, Erklärung, Voraussage, Retrodiktion oder Systematisierung als andere? Warum eignen sich manche Theorien besser als andere dazu, „die Phänomene zu retten“, wenn nicht wegen ihrer (partiellen) Wahrheit, ihrer Übereinstimmung mit der Realität, ihrer höheren Wahrheitsähnlichkeit? Der Realismus und die mit ihm verknüpfte Auffassung von Wahrheit (die Korrespondenztheorie), zeichnen sich also durch ihren höheren Erklärungwert aus. Akzeptiert man den Erklärungswert einer Theorie als ein Bewertungskriterium, und zwar nicht nur bei faktischen Theorien (...) sondern auch bei erkenntnistheoretischen und methodologischen Konzeptionen (...) dann ist der ontologische Realismus jeder „bescheideneren“ oder ängstlicheren Position vorzuziehen (....)

Beide Argumente für eine realistische Ontologie – Erklärungswert und heuristischer Wert – sind im Zusammenhang mit der Einheit der Wissenschaft von größter Bedeutung.


Vollmer (1986, a.a.O.)


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wenn ich Dir also aufzeige, das es sehr wohl Eigenschaften von Eigenschaften gibt, machst Du aus der zunächst primären Eigenschaft ein 'Ding'. Kein Wunder, wenn durch Deine rekursiven Operationen nur mehr der Eigenwert der Operation, 'Ding', übrigbleibt. Wie sieht das aber aus, wenn Du Deine Argumentation der "Teile von Dingen" z. B. bis auf den Welle-Teilchen-Dualismus herunterbrichst (oder in einem unendlichen Regreß darüber hinaus ...)?!

Und als Anmerkung: Ein wirklicher virtuoser Zirkel wird nur durch den Radikalen Konstruktivismus bewerkstelligt. Auf den Arm nehmen Also:


Dieser Satz ist nicht verstehbar. Du reduzierst Dein Weltbild auf den logisch-semantisch unbestimmten sowie omniexplanatorischen Begriff der „Viabilität“ und nennst das dann virtuos? Deine epistemologischen Begrifflichkeiten sind höchstens so virtuos und heuristisch fruchtbar, wie der kreationistische Schöpfergott: "Die Welt existiert so, wie sie existiert, weil sie der Schöpfer in seinem unergründlichen Ratschluß eben so erschaffen hat." Zu erforschen gibt es da nichts; der Ratschluß ist unerforschlich. Demnach ist die Welt nur beschreibbar, aber nicht wissenschaftlich zu erklären. Analog dazu lautet Deine Antwort: "Wir konstruieren unser Weltbild so, wie wir es tun, weil es auf irgendeine ominöse Weise 'viabel' ist." Mehr als eine Worthülse ist das nicht. Zu erforschen gibt natürlich auch nichts mehr, weil die Welt als solche angeblich nicht erkannt werden kann. Folglich macht es auch keinen Sinn, auch nur den Versuch zu wagen, die Welt zu erklären. Ohne es zu merken, koppelst Du also die methodologischen Prinzipien der Wissenschaft von ihren philosophischen Voraussetzungen bzw. von allen Rationalitätsstandards ab. Kurzum:

Zitat:
Gibt es wahre Theorien? oder: Gibt es Naturgesetze? (...) Meine Antwort ist: „Ja.“ Eine der möglichen nicht-wissenschaftlichen („transzendentalen“) Argumente für diese hypothetische Antwort ist: gibt es keine Gesetzmäßigkeiten, so gibt es keine Beobachtungen und keine Sprache; keine Beschreibungen und insgesamt keine Argumente. (...) Diese positive Lösung der („ontologischen“) Problems der Induktion impliziert einen metaphysischen (oder „ontologischen“) Realismus. Das praktische Problem der Induktion, das durch die Idee der Wahrheitsnähe aufgerollt wird, löst sich von selbst: die praktische Bevorzugung der Theorie, die im Lichte der Diskussion als wahrheitsnäher erscheint, ist riskant aber rational.


Popper, K.R. (1984): Bewährung. Der Weg der Wissenschaft. In: Popper, K.R.: Logik der Forschung. Tübingen, Mohr. S. 198-229 (226).


Lamarck hat folgendes geschrieben:
"Beobachtete Eigenschaften des Gegenstands leiten die geistige Koordination des Verhaltens des Subjekts, die wiederum die beobachteten Eigenschaften verändern, die ihrerseits zu anderem Verhalten führen usw. "

(Von Glasersfeld, E. & Richards, J. in Schmidt, S. J.; 1987)


Ich lese hier zunächst einmal nur heraus, daß es Gegenstände gibt und Eigenschaften. Gibt es jetzt Eigenschaften und Gegenstände oder nur Eigenschaften (von Eigenschaften n-ter Ordnung)? Und wenn es Gegenstände gibt, wie und mit welcher Begründung unterscheidet dann Glaserfeld Gegenstände von Eigenschaften? Wird hier also doch ein metaphysischer Unterschied zwischen Gegenständen und Eigenschaften konstruiert? Und wie haben wir hier eigentlich den Begriff der Viabilität unterzubringen? Könnte man sagen: „Viable Weltbilder leiten die geistige Koordination des Verhaltens des Subjekts, das wiederum die viablen Weltbilder verändert“? Bringt also Viabilität Viabilität hervor? Viable Weltbilder definieren sich also als Weltbilder, die viabel sind? Hier tausche ich mal Rollen, denn auch ich weise eine Epistemologie zurück, die (vitiös!) zirkelschlüssig, metaphysisch und mit einer (logisch-semantischen) Unwucht ausgestattet ist. Lachen


[...]

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Das ist eben das Mißverständnis: Dinge haben keine Konstrukte (vulgo: Eigenschaften). Wenn man einen Sprengkörper abbrennt, explodiert er, das heißt man abstrahiert die Eigenschaft „Besitz der Fähigkeit, in einer exothermen Reaktion unter Freiwerden gasförmiger Produkte zu explodieren“. Aber es gibt keine Explositions-Entität, die mit dem Sprengkörper irgendwie in Wechselwirkung tritt. Eigenschaften sind Konstrukte (da komme ich Dir also entgegen Smilie ). Wenn es keine Menschen mehr gibt, gibt es folglich auch niemanden mehr, der Eigenschaften konstruiert. Nichtsdestotrotz gäbe es dann immer noch Substrate, die in exothermer Reaktion explosionsartig auseinanderfliegen. Und explodierende Sterne gibt es nicht erst, seit Menschen da sind, die die Eigenschaft „Fähigkeit zur Explosion“ konstruieren. Sonst (so postuliere ich mal kühn), gäbe es keinen Lamarck, der behaupten könnte, daß die Kohlenstoffverbindungen, aus denen er besteht, nur eine Wahnvorstellung seien.


Zunächst kollidiert Deine Bemerkung mit "Satz 2". Für Dich sind also 'Eigenschaften' (hier: Prozesse, wie chemische Reaktionen) nicht 'real'?! - Deine Wahnvorstellungen scheinen noch umfänglicher als meine zu sein .... .


Nein, genau umgekehrt: Was Du hier konstruierst, ist eine logische Konfusion, die es gar nicht gibt. Weltbilder, Theorien und Hypothesen sowie die Elemente von Hypothesen sind Konstrukte. Und ad nauseam: kritische Realisten sind überwiegend auch (gemäßigte epistemologische) Konstruktivisten. Denn die Einsicht, daß Theorien, Hypothesen und ihre Elemente Konstrukte sind, steht nicht im logischen Widerspruch zu der Annahme, daß sie als Konstrukte begriffliche Repräsentationen von real existierenden Entitäten sind.

Daher noch einmal: Man kann der Dynamitstange die Eigenschaft „rot“, „Fähigkeit zur Explosion“, eine entsprechend Reaktionsgleichung und ein Modell von ihrem Aufbau zuweisen. Aber die Entität „Dynamitstange“ ist nicht = Kieselgur + Glyceroltrinitrat + Rotheit + Explositionsentität + Reaktionsgleichung + theoretisches Modell. Und vice versa: Wenn ich sage, daß „rot“, „Explositionsfähigkeit“, die Reaktionsgleichung und das Modell von der Dynamitstange Konstrukte sind, behaupte ich nicht, daß auch die Dynamitstange ein Konstrukt sei.


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Zwar sind "Entitäten" nicht so mein 'Ding' Cool aber ich erwarte trotzdem nicht, dass Entitäten - auch keine Explositions-Entität - irgendwie mit irgendwas in Wechselwirkung tritt. Warum sind 'Dinge' - offenbar das Eichmaß Deines HRs - keine Konstrukte? Und was ist das für ein Klebstoff, mit dem Du 'Eigenschaften' an 'Dinge' klebst?


Der Klebstoff existiert wiederum nur in deiner konstruierten Wahnwelt Smilie

Nein ehrlich, ich versteh’ Dein „Abgrenzungsproblem“ nicht: Phänomene lassen sich beschreiben, und alle Beschreibungen sind Konstrukte. Und hinter den Phänomenen bzw. Konstrukten, werden Entiäten postuliert, die man zur Erklärung der Phänomene braucht und denen man dazu einen ontologischer Status zuschreibt. Demnach spielt es überhaupt keine Rolle, ob Du einen „Kleber“ zur Hand hast, um der Sonne die Fähigkeit anzuheften, in einer Supernova auseinanderzufliegen und dabei schwere Elemente zu produzieren. Du existierst (auch wenn Deine Thesen überwiegend surreal anmuten) aus meiner Sicht trotzdem... zwinkern


[...]

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Dann noch einmal zu "meinem wirklich virtuosen Zirkel" (s. o.). Der ist deswegen nicht heuristisch steril, weil er prinzipiell evolutionär funktioniert! - Popper hat das mit der hier analogen Evolutionstheorie als solches letztlich auch kapiert.


Entschuldige, das war kein Argument gegen meine Replik. Mir scheint, Du packst mit Vorliebe den nichtssagenden Viabilitätsprügel aus, wenn es brenzlig wird. Daß sich etwas evolutionär bewährt, wenn es sichtlich funktioniert, ist aber eine nichtssagende Trivalität. In der EE gilt es statt dessen zu erklären, warum bestimmte Weltbilder funktionieren (also „viabel“ sind), so daß sie uns einen evolutionären Vorteil ermöglichen. An der Stelle bist Du dann mit Deiner Worthülse aufgeschmissen.


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Um "das mit dem Positivismus" zu klären, erfinde ich hierzu jetzt mal den Begriff Optimistischer Negativismus: Du kannst bestenfalls feststellen, was nicht ist. Ich nenne diesen Fall nun Banane. Das philosophische Gegenteil von Banane ist für mich keine Banane. Du jedoch konstruierst aus meiner Sicht hier für die Banane einen Abguß,


Zitat:
Das logisch-methodologische Problem der Induktion ist nicht unlösbar, sondern es wurde in meinem Buch (negativ) gelöst: (a) Negative Lösung. Wir können Theorien nicht rechtfertigen, weder als wahr noch als wahrscheinlich. Diese und die folgende Lösung sind vereinbar: (b) Positive Lösung. Wir können die Bevorzugung von Theorien rechtfertigen, im Lichte ihrer Bewährung, d.h. des momentanen Standes der kritischen Diskussion der konkurrierenden Theorien unter dem Gesichtspunkt der Wahrheitsnähe


Popper (1984, a.a.O.)


Lamarck hat folgendes geschrieben:
denn Du Nicht-Banane nennst; also diesen ganzen entitätisch-ontologischen Unfug: Diese Nicht-Banane bezeichnest Du schließlich als Realität. Nun alles Banane?


Merkst Du, wie gerade wieder der radikale Positivist mit Dir durchgeht? Das, was Du hier anmerkst, hat doch schon mehr oder minder wörtlich der Erz-Positivst Ernst Mach gegen die Atom-Spekulation und die Instrumentalisten gegen die realistische Wissenschaft abgeleiert. Du plädierst hier gerade vehement für einen wissenschaftlichen Deskriptivismus (als Gegenstück zum Realismus), der als eine der positivistischen Hauptthesen die Aufgabe der Wissenschaft lediglich darin sieht,
Zitat:
Erscheinungen zu beschreiben und nicht etwa durch dahinter verborgene Dinge oder Eigenschaften zu erklären


Mahner, M. (2003): Positivismus. In: Lexikon der Biologie, Bd. 11, 221-222. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg.


Vor diesem Hintergrund ist aber Deine Argumentationsweise nicht konsequent genug. Auf der einen Seite predigst Du den radikalen Konstruktivismus, postulierst aber– im Kontrast zum Solipsismus - die Existenz einer Außenwelt. Wie begründest Du denn das? Warum gehst Du den Weg Deiner Argumentation nicht konsequent zuende? Erschrickst Du hier plötzlich vor der eigenen Irrationalität? Mit Vollmer ist man entweder ganz Solpsist (als konsequenteste Form des Positivismus), oder hypothetischer Realist. Aber eine halbschwangere Kompromißlösung, wie sie Dir vorschwebt, endet nur in einem logischen Fiasko. Du wirfst mithilfe Deiner verbalen Kaventsmänner ( „entitätisch-ontologischer Unfug“ und dgl.) Dein eigenes Weltbild dem positivistischen Radikalismus zum Fraße vor:

Zitat:
Der Solipsismus ist sogar der einzig konsequente Positivismus. Wenn man aber den Solipsismus ablehnt, also über die Anerkennung der eigenen Bewußtseinssphäre als des allein Realen hinausgeht, dann sollte man wiederum konsequent sein und den Weg des hypothetischen Realismus mitgehen, der die Welt und ihre Strukturen als existierend und hypothetisch erkennbar ansieht. Denn jeder Schnitt in der Kette des hypothetisch Postulierten (eigene Vergangenheit, eigener Körper, fremdes Bewußtsein, andere Menschen, Lebewesen, organisch und anorganische Systeme, Moleküle, Atome...) wäre willkürlich (...) Wer nicht Solipsist ist, muß (hypothetischer) Realist sein und die Existenz materieller, insbesondere neuronaler Prozesse anerkennen.


Vollmer, G. (1986): Evolutionäre Erkenntnistheorie und Leib-Seele-Problem. In: Vollmer, G.: Was können wir wissen? Bd. 2: Die Natur der Erkenntnis. Hirzel, Stuttgart. 66-99 (89 f.). Teufel


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Ich gebe zu, dass Du "auch einen epistemologischen Konstruktivismus" vertrittst, habe ich nicht immer bemerkt. Auch bei Deinem Beispiel Fischflosse und Wasser geht es schließlich um den Beobachter, nicht um Fischflosse oder Wasser. Wenn Du eine Epistemologie hast, warum brauchst Du dann noch eine Ontologie?


Wie gesagt, ich könnte Dich dasselbe fragen, denn allein Solipsisten vertreten keine Ontologie. [Nachtrag 18:07 Uhr: Du behauptest also ebenso wie ich die Existenz von Entitäten, mit denen Du angeblich "in Wechselwirkung" trittst. Du nennst sie aus irgendeinem vorrationalen Grunde nur anders - sagen wir: "Substrate" oder "(Um)welt".] Da kann ich allen "non-Solipsisten" nur sagen: Willkommen im Club der hypothetischen Realisten! Sehr glücklich


[...]

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Ein Offenes Fließgleichgewicht steht in einem begrifflichen Zusammenhang mit einer Kybernetik 2. Ordnung.


Dummerweise sehe ich noch immer nicht, wie Dein Wortgeläute die heuristischen und Erklärungs-Probleme des RK lösen soll. Realistisch (bzw. rational) Sehr glücklich betrachtet existieren nur drei (mathematisch übrigens überaus wuchtige) Möglichkeiten:

a.) Du trittst als „offenes Fließgleichgewicht (...) mit der (Um)welt selbstverständlich in Wechselwirkung“, so daß gilt: Substrat Y wirkt auf Konstrukt Y’ (und somit die „Außenwelt“ auf unser „subjektives Weltbild“) zurück. Ergo: N {Y1,Y’} <> 0
b.) Du trittst als „offenes Fließgleichgewicht (...) mit der (Um)welt selbstverständlich nicht in Wechselwirkung“, so daß gilt Substrat Y wirkt nicht auf Konstrukt Y’ (und somit die „Außenwelt“ auf unser „subjektives Weltbild“) nicht zurück. Ergo: N {Y1,Y’} = 0
c.) Es existiert keine Umwelt.

Für welche Lösung willst Du Dich nun entscheiden?


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Wenn Du mir sagen kannst, wie ein hiervon Betroffener Wahnvorstellungen von Vorstellungen unterscheiden kann, darfst Du ruhig Eigenschaftsschnittmengen dieser Wahnvorstellungen und Vorstellungen, seien sie Null oder was anderes, konstruieren ... . Insofern macht der Begriff „überlebensadäquat“ in der Tat keinen Sinn.


Was Du schreibst, ergibt für mich keinen Sinn. Du hast den evolutionären Erfolg (also die Überlebensadäquatheit) bestimmter Weltbilder zu erklären! Wenn Du „als offenes Fließgleichgewicht (...) mit der (Um)welt selbstverständlich in Wechselwirkung“ trittst, muß es logischerweise irgendeinen „evolutionären Algorithmus“ geben, der „Wahnvorstellungen“ von (sagen wir mal: adäquaten) Weltbildern aussondert. Ob ich diejenigen Qualitäten eines Substrates XYZ, die mit mir „in Wechselwirkung treten“, nun „Eigenschaften“ „nomische Notwendigkeiten“ oder sonstwie nenne, ist für das Erklärungsproblem irrelevant: Es muß, um im Bilde des Affen zu bleiben, auf irgendeine Weise gelingen, daß ein Affe dasjenige Substrat Z, welches wir als „Skorpion“ Z’ “ visualisieren, nicht als „Ast“ Y’ visualisiert. Du kannst mir nun metaphysisches Denken, mathematische Unfähigkeit oder sonstwas vorhalten – ich habe eine Erklärung geliefert und damit mein Soll erfüllt. Du hingegen erschlägst das Problem mit dem Allmachtsbegriff „Viabilität“, versäumst es aber zu erklären, wie es möglich sein soll, auf evolutionäre Weise viable Weltbilder zu „begünstigen“, wenn das Weltbild mit der (Um)welt nicht wenigstens in Teilen kongruent ist. Ich werf’ Dir also konkret das Herummogeln um Erklärungen vor.


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Diese "Eigenschaftsschnittmengen" sind nie leer; auch halluzinatorische Entitäten verfügen doch über Eigenschaften!


Was bitte ist in unserem Beispiel die „halluzinatorische Entität?“ Der „Ast“? Oder das Substrat Z, das wir als „Ast“ visualisieren? Und ich warte noch immer auf Deine Erklärung: Wenn die Konstrukte Y’ und Z’ gleichermaßen „halluzinatorische Entitäten“ darstellen, Substrat Z aber nicht, wie kommt es dann, daß Z -> Z’ viabel ist, Z -> Y’ aber nicht? Oder ist nun doch schon Substrat Z die „halluzinatorische Entität“?


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Nochmal: Kein Affe greift zu einem Ast, wenn er diesen nicht wahrnimmt. Selbst wenn dieser Ast für einen anderen Affen existiert.


Fakt ist, daß nicht alles, was wahrgenommen werden kann, auch wahrgenommen werden muß. Anders sieht die Situation aus, wenn ein tödliches Substrat als harmloser „Ast“ durchgeht (oder umgekehrt).


Lamarck hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Keine Ahnung, was das soll, Du demonstrierst mir doch gerade wieder aufs neue die Absurdität Deiner Erkenntnistheorie. Wir sind uns doch einig, daß das erste Konstrukt „viabel“ ist, das zweite nicht. Kein Affe, der anstelle eines Astes Skorpione visualisieren würde (oder umgekehrt), hätte auf Dauer auch nur die geringste Überlebenschance. Daher ist aus meiner Sicht N {W1,Sk} eben nicht 0 (und daher keine Wahnvorstellung), weil sie sonst nicht evolutionär begünstigt wäre. Und jetzt kommst Du und behauptest, in beiden Fällen wären die Eigenschaftschnittmengen leer, so daß hier wie dort von Wahnvorstellungen auszugehen hätten. Das ist es doch gerade das, was Deinen rK aus meiner Sicht zu einer schiefen Angelegenheit macht.


Du hast es nicht genau gelesen, oder!? Beide Alternativen sind hier nicht viabel! In beiden Fällen ist die Rede von einem wahrgenommenen Ast; d. h., der Ast wird in beiden Fällen auch wahrgenommen. Im letzteren Fall wird nur die Frage gestellt, ob das wahrgenommene nicht auch etwas anderes sein könnte, etwa ein Skorpion. Dazu muß es aber möglich sein, wiederum einen Skorpion wahrzunehmen. Aber offensichtlich war dies hier nicht der Fall. Was schließen wir daraus?


Verzeih’, aber mir ist der tiefere Sinn Deiner Worte abermals entgangen. Du fragst, ob das „wahrgenommene etwas anderes sein könnte“, als ein Ast - z.B. ein Skorpion? Die Antwort hatten wir schon: Würde ein Affe ein tödliches Substrat (nehmen wir an, einen Skorpion) als harmlosen „Ast“ visualisieren, wäre das Spiel sehr schnell für ihn zu Ende. Es ist auch gar nicht nötig, daß der Affe das Substrat so wahrnimmt, wie es ist. So wie der v. Holstsche Hahn nicht ein „Wiesel an sich“ visualisiert, sondern immer nur die „fellige Struktur“ sowie die hervorstechenden Augen (als „approximativ richtiges Abbild“ des Wiesels) erkennt, die dann als Schlüsselreize den Fluchtreflex auslösen, so genügt dem Affen eventuell schon allein die (schemenhafte) Visualisierung des Stachels.

Spielen wir noch zwei letzte Möglichkeiten durch: Nehmen wir an, das als „Ast“ visualisierte Substrat wäre weder ein Ast noch ein Skorpion, sondern ein begattungsbereites Affenweibchen, das angefaßt werden möchte, damit es den Eisprung vollziehen kann. Oder nehmen wir an, das als „Skorpion“ visualisierte Substrat wäre in Wahrheit ein „20-köpfiges Monsterohne Schwanz und Stachel, vor dem ebenso viel Gefahr droht, wie vor einem „Skorpion“. Auch hier stellt sich wieder die Frage: Was erklärt denn das? Warum sollte und wie könnte ein „evolutionärer Algorithmus“ derart „danebenhauen“? Wären solche Weltbilder, die mit der Struktur der (Um)welt nichts mehr zu tun haben, wirklich „ökonomisch“ bzw. evolutionär „begünstigt“? Was wäre z.B., wenn der Affe zwar dem (nichtvorhandenen) Schwanz in seiner „Wahnvorstellung Skorpion“ erfolgreich auswiche, aber von den 20 Köpfen des Monsters (die in seinem Weltbild gar nicht vorhanden sind), gepackt und verschlungen würde Frage Wie lassen sich überhaupt die v. Holstschen Experimente (u.a.), die zumindest belegen, daß der Hahn einen approximativen Ausschnitt unseres Weltbildes wahrnimmt, im Lichte dieses abstrusen Szenarios deuten? Und wäre unter dieser Voraussetzung in der Wissenschaft überhaupt Wissensfortschritt möglich?

Tut mir wirklich Leid - kann sein, daß ich zu blöd bin, um zu kapieren, was „der Knaller“ an Deiner Epistemologie ist. Ich durchlebe den „Aha-Effekt“ Deiner Argumentation einfach nicht. Aber aus meiner Sicht läßt sich unter rationalen, heuristischen und methodologischen
Gesichtspunkten einfach kein Blumentopf mit Deiner Erkenntnistheorie gewinnen. Daher ein Vorschlag zur Güte: Lassen wir es – um die Monsterdebatte schiedlich-friedlich abzuschließen - mit einem „we agree to disagree“ bewenden. Einverstanden? zwinkern

Grüße

Martin
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Klaus-Peter
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Beitrag(#148387) Verfasst am: 10.07.2004, 19:31    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Martin,

Zitat:
Im übrigen beruht der von Dir gezogene und wohlbekannte Fehlschluß auf einer Verwechslung von Erkenntnis- und Erklärungsgrund. (Man erinnert sich, daß sich auch Popper darin schon verrannt hatte.)


könntest Du das mal ausführen oder eine Quelle nennen. Wo hat Popper Erkenntnisgrund und Erklärungsgrund verwechselt? Der Popper, den ich kenne, hat solche Letzt-Begründungsübungen überhaupt nicht gemacht.

Gruss

KP
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Beitrag(#148444) Verfasst am: 10.07.2004, 22:51    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:

Hinreichend genaue Voraussage von was?

Von späteren Wahrnehmungen.

Jetzt bin ich aber gespannt.

gruß/step

Nun gibt es zwei Möglichkeiten:

Entweder, Du nimmst etwas wahr. Dann fragt sich was?

Oder, Wahrnehmung ist eine elementare, nicht weiter hinterfragbare Sache. Dann brauchst Du Wahrnehmung, so wie Martin und ich Realität brauchen. Dann ist eben der Satz "Im Anfang war die Wahrnehmung" Deine metaphysische Voraussetzung. Verzichten kannst Du offenbar nicht darauf.

Gruss

KP
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Beitrag(#148451) Verfasst am: 10.07.2004, 23:32    Titel: Antworten mit Zitat

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Entweder, Du nimmst etwas wahr. Dann fragt sich was?

Das fragst Du Dich, aber nicht ich. Für mich ist die Frage "Was nehme ich wahr" äquivalent zu "wie kann ich beschreiben / voraussagen, was ich wahrnehme". Ob dabei wirklich "etwas" amd "anderen Ende der Wahrnehmung sitzt", ist irrelevant für den Wissenschaftsbetrieb (ich denke, man könnte sogar zeigen, daß wir das nicht unterschieden könnten). Relevant ist, daß die Regelfindung für die Voraussagen einigermaßen gut zu funktionieren scheint.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Oder, Wahrnehmung ist eine elementare, nicht weiter hinterfragbare Sache. Dann brauchst Du Wahrnehmung, so wie Martin und ich Realität brauchen. Dann ist eben der Satz "Im Anfang war die Wahrnehmung" Deine metaphysische Voraussetzung. Verzichten kannst Du offenbar nicht darauf.

Vielleicht verstehe ich nicht, was Du mit "Im Anfang war die Wahrnehmung" meinst. Die Erfahrung, daß man wahrnehmen muß, um Wissenschaft zu betreiben, ist doch weitverbreitet.

Die Frage, wie grundlegend Konzepte wie Input und Simulation für den Wissenserwerb sind, ist eine interessante Frage. Ich nutze die naturwissenschaftliche Methode i.a. eher wie ein am Straßenrand gefundenes besonders praktisches Werkzeug. Ich vermute allerdings, daß die NM sich auch dazu eignet, die Frage zu untersuchen, warum sie sich so gut eignet.
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Beitrag(#148553) Verfasst am: 11.07.2004, 10:05    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Entweder, Du nimmst etwas wahr. Dann fragt sich was?

Das fragst Du Dich, aber nicht ich. Für mich ist die Frage "Was nehme ich wahr" äquivalent zu "wie kann ich beschreiben / voraussagen, was ich wahrnehme". Ob dabei wirklich "etwas" amd "anderen Ende der Wahrnehmung sitzt", ist irrelevant für den Wissenschaftsbetrieb (ich denke, man könnte sogar zeigen, daß wir das nicht unterschieden könnten). Relevant ist, daß die Regelfindung für die Voraussagen einigermaßen gut zu funktionieren scheint.

Das hatte ich fast vermutet. Damit sind wir bei der 2ten Möglichkeit angelangt.

Dann versuche ich, diese 2te Möglichkeit noch sorgfältiger zu formulieren:

Wahrnehmung ist für Dich eine elementare, nicht weiter hinterfragbare Grundlage Deiner Weltanschauung. Wahrnehmung spielt bei Dir die gleiche Rolle, wie Realität in meiner (und Martins) Philosophie.

Die Antwort auf Deine Frage: Wozu braucht Ihr die Realität lautet somit: Sie ist die grundlegende Basis all unserer weiteren Überlegungen. So wie für Dich die Wahrnehmung. Dass wir Realität als Basis nehmen, ist nicht begründbar, sondern ist eine Entscheidung. Wir könnten die Realität durch etwas anderes ersetzen, wenn uns etwas besseres einfiele. Da uns nichts besseres einfällt (und "Wahrnehmung" halten wir für die deutlich schlechtere Basis), bleiben wir bei der Realität.

Falls Du noch nicht einsiehst, dass die Wahrnehmung bei Dir die gleiche Rolle wie bei uns die Realität spielt, folgende Frage:

Wie könntest Du auf die Wahrnehmung verzichten?
Wie könntest Du die Wahrnehmung kritisch hinterfragen?

Zitat:
Die Erfahrung, daß man wahrnehmen muß, um Wissenschaft zu betreiben, ist doch weitverbreitet.


Natürlich. Dass ich die Welt wahrnehme, ist Bestandteil unseres "Alltagsverstandes", genauso wie die wahrgenommene Tatsache, dass die Welt real ist. Nur ist der Realist auch in der Lage, die naive Wahrnehmung zu kritisieren, weil er zeigen kann, wo die Wahrnehmung die Welt verfälscht darstellt (einfachstes Beispiel: Optische Täuschungen).

Zitat:
Die Frage, wie grundlegend Konzepte wie Input und Simulation für den Wissenserwerb sind, ist eine interessante Frage. Ich nutze die naturwissenschaftliche Methode i.a. eher wie ein am Straßenrand gefundenes besonders praktisches Werkzeug. Ich vermute allerdings, daß die NM sich auch dazu eignet, die Frage zu untersuchen, warum sie sich so gut eignet.


Das möchte ich prinzipiell in Frage stellen. Wie grundlegend der Input ("die Wahrnehmung") für Dich ist, kannst Du nicht untersuchen. Denn Deine Theorien sind nur dazu da, künftige Wahrnehmungen vorherzusagen. Wenn die Wahrnehmung dann nicht so eintritt wie vorhergesagt, muss das an Deiner Theorie liegen. Die Wahrnehmung selbst kannst Du damit prinzipiell nicht kritisieren, weil das Dein Ansatz ist.

Gruss

KP
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Beitrag(#148817) Verfasst am: 11.07.2004, 18:22    Titel: Antworten mit Zitat

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Nur ist der Realist auch in der Lage, die naive Wahrnehmung zu kritisieren, weil er zeigen kann, wo die Wahrnehmung die Welt verfälscht darstellt (einfachstes Beispiel: Optische Täuschungen).

Das kann ich auch. Ich habe ein Theorie über die Wahrnehmung, die selbst wieder wissenschaftlichen Kriterien unterliegt. Unter Wahrnehmung verstehe ich etwas allgemeineres als die 5 menschlichen Sinne mit Verarbeitung dahinter. Letztere sind einerseits vom Inputspektrum her beschränkt, andererseits enthalten sie bereits einen Simulator (Interpretierer), der Theorien aufstellt. Ein Meßgerät nimmt anders wahr - und hat auch wieder bestimmte Beschränkungen.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Die Frage, wie grundlegend Konzepte wie Input und Simulation für den Wissenserwerb sind, ist eine interessante Frage. Ich nutze die naturwissenschaftliche Methode i.a. eher wie ein am Straßenrand gefundenes besonders praktisches Werkzeug. Ich vermute allerdings, daß die NM sich auch dazu eignet, die Frage zu untersuchen, warum sie sich so gut eignet.
Das möchte ich prinzipiell in Frage stellen. Wie grundlegend der Input ("die Wahrnehmung") für Dich ist, kannst Du nicht untersuchen. Denn Deine Theorien sind nur dazu da, künftige Wahrnehmungen vorherzusagen. Wenn die Wahrnehmung dann nicht so eintritt wie vorhergesagt, muss das an Deiner Theorie liegen. Die Wahrnehmung selbst kannst Du damit prinzipiell nicht kritisieren, weil das Dein Ansatz ist.

"Die Wahrnehmung" ist ja kein ontologischer Begriff, sondern ich meine damit den Informations-Input für mein Gehirn (oder eine KI), den eine Messung liefert. Auch dieses Modell (Input und SImulator) ist natürlich nur ein - offenbar funktionierendes - Modell. Solange ich mit einem bestimmten Typ Wahrnehmungen (Messungen) gute Erfahrungen mache (was die Voraussagefähigkeit betrifft), sehe ich keinen Grund, an ihnen zu zweifeln, obwohl ich natürlich nicht weiß, ob der Input, den ich bekomme, mit irgendener Realität übereinstimmt oder nicht. Aber die Voraussage funktioniert offensichtlich, und damit lasse ich es gut sein.

Wenn die Wahrnehmung nicht so eintritt wie vorausgesagt aber es mir gelingt, eine stimmige (und voraussagefähige!) Alternativtheorie zu entwickeln, kann ich mglw. auch noch damit leben, denn mein Ziel ist ja nur das Finden voraussagefähiger Theorien.

Wenn es mir nicht gelingt, eine stimmige und voraussagefähige Theorie zu entwickeln, muß ich in der Tat die Prozedur überprüfen, z.B. indem ich den Input anders verarbeite - etwa durch ein verbessertes Meßgerät. Der Meßvorgang selbst wird hier zum Objekt der Methode. Das ist kein Zirkelschluß, da ich andere Messungen / Wahrnehmungen anwende als die Wahrnehmungen, die ich untersuche, und die jetzt angewandten Messungen sich zuvor ebenfalls als geeignet erwiesen haben. Auf diese Weise ist es ohne weiteres möglich, z.B. zu erkennen, daß das menschliche Gehirn gewissen Fehlinterpretationen unterliegt, etwa bei optischen Täuschungen.

Das einzige, was bei diesem Vorgehen zumindest vorerst unbegründet ist, ist die beobachtete Tatsache, daß es offensichtlich funktioniert. Auch hier muß ich aber keine grundlegende Annahme machen, sondern ich kann es entweder dabei belassen oder diese Frage selbst wieder zum Objekt meiner Methode machen - letzteres allerdings maximal mit der Hoffnung, eine Theorie dafür zu finden, die es voraussagt, was natürlich ebenfalls wieder keine Letztbegründung wäre.

gruß/step
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Beitrag(#149057) Verfasst am: 12.07.2004, 09:15    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Step,

step hat folgendes geschrieben:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Entweder, Du nimmst etwas wahr. Dann fragt sich was?
Das fragst Du Dich, aber nicht ich. Für mich ist die Frage "Was nehme ich wahr" äquivalent zu "wie kann ich beschreiben / voraussagen, was ich wahrnehme". Ob dabei wirklich "etwas" amd "anderen Ende der Wahrnehmung sitzt", ist irrelevant für den Wissenschaftsbetrieb


Sorry, aber das stimmt einfach nicht! Hast Du die Zitate von Vollmer und Popper, die ich Lamarck geschrieben habe, nicht gelesen? Geschockt


Step hat folgendes geschrieben:
(ich denke, man könnte sogar zeigen, daß wir das nicht unterschieden könnten). Relevant ist, daß die Regelfindung für die Voraussagen einigermaßen gut zu funktionieren scheint.


Was bringt Dir "Regelfindung", wenn Du annimmst, daß alles, was Du "findest" auf irrealen Vorstellungen basierte? Daher auch an Dich konkret die Frage: Gehst Du davon aus, daß es eine Umwelt gibt, oder bist Du praktizierender Solipsist? Wenn Du Solipsist bist und als solcher nur die Existenz des eigenen Ich-Bewußtseins annimmst, warum forscht Du dann? Und wenn Du kein Solipsist bist bzw. von der Existenz Deines Körpers, eines Fremdbewußtseins usw. (kurz: von der Existenz einer strukturierten Umwelt bzw. von materiellen Entitäten) ausgehst, warum hälst Du dann Atome, Quarks usw. nur noch für "funktionierende Konzepte"? Weshalb wird überhaupt mithilfe milliardenteuren Teilchenbeschleuniger nach Elementarteilchen gesucht? Warum und wo setzst Du überhaupt den "ontologischen Schnitt" an, der immer nur rein willkürlich wäre? Nein, so instrumentalistisch und deskripitiv, wie Du glaubst, funktioniert und kann Wissenschaft nicht funktionieren! Nein, so geht das nicht!

Grüße

Martin
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Beitrag(#149096) Verfasst am: 12.07.2004, 12:09    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Zitat:
Im übrigen beruht der von Dir gezogene und wohlbekannte Fehlschluß auf einer Verwechslung von Erkenntnis- und Erklärungsgrund. (Man erinnert sich, daß sich auch Popper darin schon verrannt hatte.)


könntest Du das mal ausführen oder eine Quelle nennen. Wo hat Popper Erkenntnisgrund und Erklärungsgrund verwechselt? Der Popper, den ich kenne, hat solche Letzt-Begründungsübungen überhaupt nicht gemacht.


Bekanntlich hielt Popper die Selektionstheorie für tautologisch und bezeichnete daraufhin den "Darwinismus" als "metaphysisches Forschungsprogramm":

Zitat:
Ich möchte nun einige Gründe nennen, warum ich den Darwinismus als metaphysisch und als ein Forschungsprogramm betrachte. Er ist metaphysisch, weil er nicht prüfbar ist (...)

Zu sagen, daß eine jetzt lebende Art an ihre Umwelt angepaßt ist, ist in der Tat fast eine Tautologie. Die Darwinsche Theorie verwendet ja die Ausdrücke 'Anpassung' und 'Auslese' so, daß wir sagen können: Wäre die Art nicht angepaßt, dann hätte die natürliche Auslese sie eliminiert. Und entsprechend: Wenn eine Art ausgestorben ist, dann muß sie an die Bedingungen schlecht angepaßt gewesen sein. Die Anpassung oder die Tauglichkeit (fitness) wird von den modernen Evolutionstheoretikern durch die Wahrscheinlichkeit des Überlebens definiert und kann an dem tatsächlichen Überlebenserfolg gemessen werden. Es besteht kaum eine Möglichkeit, eine Theorie empirisch zu überprüfen, die so schwach ist, die so wenig vorhersagende Kraft hat.


Popper, K.R. (1994): Ausgangspunkte. Meine intellektuelle Entwicklung. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg, S. 248-250.


Als er das behauptet hatte (der Textausschnitt in der 1994er Ausgabe beleuchtet seine Position von 1974), sah er ganz offensichtlich den Unterschied zwischen Erkenntnis- und Erklärungsgrund nicht, denn Spencers "survival of the survivor", auf das er hier anspielt, ist ja nichts anderes als eine entbehrliche, rhetorische Sprachfigur. Tatsächlich sind im "Darwinismus" drei allgemeine Prinzipien ausschlaggebend, die testbar sind: Variabilität, differenzielle Tauglichkeit und Erblichkeit der Varianten. Daher hat Popper vier Jahre später (1978) seinen Tautologie-Vorwurf wieder zurückgezogen, was allerdings bis heute kaum bekannt ist. Ungeachtet seines "Widerrufs" gingen jedoch die Spannungen weiter bis zuletzt. Noch in einem seiner letzten größeren Interviews, das 1982 in der französischen Wochenzeitschrift L’Express erschien, deutete er an, daß es (zumindest im Rahmen der Historie) sehr schwer sei, testbare Prognosen und Retrodiktionen zu liefern, um die Selektionstheorie zu überprüfen:


Zitat:
Dagegen ist die Darwinsche Theorie, die die Evolution durch natürliche Selektion erklärt, problematisch im Hinblick auf ihre Überprüfbarkeit. Sie müßte ernsthaft kritisiert werden, aber es ist schwierig, das mit den üblichen Testmethoden zu tun. Man kann sagen, daß sie vielleicht zu viele Phänomene erklärt.


Popper, K.R. (1994): Die Wege der Wahrheit - zum Tode von Karl Popper. Aufklärung und Kritik 2/1994, 38 ff.

Hier irrte Popper eindeutig! Denn biologisch versierte Anti-Evolutionisten belegen Tag für Tag auf's neue, daß die Selektionstheorie (bzw. die Synthetische Theorie der Evolution) auf viele Schwierigkeiten stößt, die Evolution umfassend zu erklären. Systemtheoretische Ansätze sind dazu nötig. Hier war sich Popper also nicht ganz über die Testmöglichkeiten und Erwartungen der Selektionstheorie im klaren - was man ja auch verstehen kann. (Ein paar weiterführende Anmerkungen dazu an dieser Stelle).

Grüße

Martin
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Beitrag(#149220) Verfasst am: 12.07.2004, 15:37    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Als er das behauptet hatte (der Textausschnitt in der 1994er Ausgabe beleuchtet seine Position von 1974), sah er ganz offensichtlich den Unterschied zwischen Erkenntnis- und Erklärungsgrund nicht, denn Spencers "survival of the survivor", auf das er hier anspielt, ist ja nichts anderes als eine entbehrliche, rhetorische Sprachfigur.


In Vermeidung der für meinen Geschmack zu großsprecherischen Ausdrücke "Erkenntnis"- und "Erklärgrund" würde ich lieber sagen: Er kannte die Argumente nicht, die aus der Spencers "survival of the survivor" eine entbehrliche Sprachfigur machen. Als er sie kannte, hat er den Vorwurf zurückgenommen. Genau so funktioniert nach meinem Verständnis Kritischer Rationalismus. (Diese Angewohnheit, nutzlose "grosse Worte" zu verwenden, um zu beeindrucken, stört mich an Mahner/Bunge wie an Vollmer).

Den Popperschen Einwand

Popper hat folgendes geschrieben:
Dagegen ist die Darwinsche Theorie, die die Evolution durch natürliche Selektion erklärt, problematisch im Hinblick auf ihre Überprüfbarkeit. Sie müßte ernsthaft kritisiert werden, aber es ist schwierig, das mit den üblichen Testmethoden zu tun. Man kann sagen, daß sie vielleicht zu viele Phänomene erklärt.


Halte ich bei längerem Nachdenken jedoch nach wie vor für treffend und gültig. Deine Einwände dagegen überzeugen mich keineswegs:

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Hier irrte Popper eindeutig! Denn biologisch versierte Anti-Evolutionisten belegen Tag für Tag auf's neue, daß die Selektionstheorie (bzw. die Synthetische Theorie der Evolution) auf viele Schwierigkeiten stößt, die Evolution umfassend zu erklären.


Schwierigkeiten bei der Erklärung sind natürlich kein Argument für Falsifizierbarkeit. Wie Du auf Deiner Homepage richtigerweise darstellst, ist Falsifizierbarkeit eine logische Eigenschaft einer Theorie, nicht eine Frage des momentanen Kenntnisstandes. Allerdings verwässerst Du die anfangs klare Aussage danach wieder (zum Beipsiel indem Du Ditfurth zitierst, der explizit nicht von einer logischen Falsifizierung spricht, sondern davon, wann eine Theorie zu verwerfen ist - was eine methodologische, keine logische Frage ist)

Zitat:
Systemtheoretische Ansätze sind dazu nötig. Hier war sich Popper also nicht ganz über die Testmöglichkeiten und Erwartungen der Selektionstheorie im klaren - was man ja auch verstehen kann. (Ein paar weiterführende Anmerkungen dazu an dieser Stelle).


Dass "systemtheoretische Ansätze nötig seien" schreibst Du öfter, konntest Du aber in keinster Weise belegen.
Insbesondere kann ich nicht erkennen, inwiefern "Anpassungsschritte, die keinen Bezug zur Umwelt erkennen lassen" eine logische Falsifizierbarkeit der Selektionstheorie darstellen sollen, vor allem, weil, wenn Du das nicht erkennen kannst, damit nicht gesagt ist, dass es keine Anpassung ist.

Auch "hochgradig konservierten Schlüsselmerkmale der systematischen Gruppen, wie etwa für die Halswirbel der Säugetiere" sind keine Falsifizierung der Selektionstheorie, sondern vielmehr zeigen sie, dass es gewisse Baupläne gibt, die schwer umzustossen sind. Die Existenz solcher Baupläne wird von der Selektionstheorie nicht verboten - eher im Gegenteil.

Genau das ist es, was Popper meint, wenn er sagt, dass die Selektionstheorie "vielleicht zu viele Phänomene erklärt".

Ich halte zum Beispiel auch diese Aussage aus Deiner Homepage für falsch, "der Umstand, daß einmal getroffene, evolutionäre Entscheidungen kaum mehr rückgängig zu machen sind, auch wenn hohe Selektionsdrücke dies zu fordern scheinen," sei ein "Problemfall der Standardtheorie, der ihre Modifikation bzw. gehaltsvermehrende Überarbeitung erforderlich macht."

Denn um eine evolutionäre Entscheidung E rückgängig zu machen, müssten evolutionäre Mikroentscheidungen E1, E2, ... En, die E ausmachen, in umgekehrter Reihenfolge ablaufen. Und es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass ausgerechnet diese Reihenfolge En, En-1, ... E2, E1 unter den gegebenen, neuen Rahmenbedingungen selektionspositiv wären. Viel wahrscheinlicher ist es, dass sich die Natur etwas Neues einfallen lassen muss.

Das heisst für mich (und insofern habe ich aus Deinem Popper Zitat sehr viel gelernt): Ich muss womöglich Altmeister Popper schon wieder Abbitte leisten, und feststellen, dass er mit seiner Behauptung zumindest einen guten Punkt gemacht hat.

Wohlgemerkt: Das ist nicht unbedingt ein Makel der Evolutions-Theorie. Auch der Naturalismus ist "nur" ein metaphysisches Forschungsprogramm. Und es zeigt, in welcher Richtung die Evolutionstherie ernsthaft zu kritisieren ist (statt über die Argumente ad Ignorantiam der Kretinisten).
Und nein, ich erwarte nicht ernsthaft, dass diese die Evolutionstheorie angreift, sondern nur, dass es sie verbessert.

Gruss

KP
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



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Beitrag(#149251) Verfasst am: 12.07.2004, 16:24    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

[ ... ]

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:

Auch "hochgradig konservierten Schlüsselmerkmale der systematischen Gruppen, wie etwa für die Halswirbel der Säugetiere" sind keine Falsifizierung der Selektionstheorie, sondern vielmehr zeigen sie, dass es gewisse Baupläne gibt, die schwer umzustossen sind. Die Existenz solcher Baupläne wird von der Selektionstheorie nicht verboten - eher im Gegenteil.


die Frage ist natürlich, was denn nun genau unter 'Selektionstheorie' zu verstehen ist. Für Genreduktionisten ist Evolution 'Verschiebung von Allelfrequenzen in Populationen' und Selektion führt zu differenzieller Reproduktion. Wenn man bestimmte Annahmen macht, kann man dann bestimmte Dinge berechnen.

Ein Problem dabei ist, dass die _Entstehung_ der Allele nicht erklärt sondern als gegeben vorausgesetzt wird. Ein anderes, dass den isolierten Allelen definierte Selektionswerte zugeschrieben werden. Zudem werden constraints bestenfalls als gegeben betrachtet.

Die grundsätzliche Frage ist doch, wie Selektion _schöpferisch_ wirken kann. Wie das funktionieren kann, hat AFAIK noch niemand zeigen können.

Das heißt, egal welcher Bauplan entsteht, er ist immer 'erklärbar', aber nicht vorhersagbar. Und wenn er entstanden ist, ist er halt ein 'constraint'.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Genau das ist es, was Popper meint, wenn er sagt, dass die Selektionstheorie "vielleicht zu viele Phänomene erklärt".


Das zeigt eher, dass Popper der Unterschied zwischen Physik (es gibt 'Gesetze') und Biologie (es gibt nur 'Regeln') nicht vertraut war. Aufgrund der Kontingenz ist es sehr schwer, voauszusagen, was sich aus A im Lauf der Zeit entwickeln wird. Man kann aber zumindest prinzpiell den 'Weg zurück' rational angeben, wobei es aber sehr viele mögliche derartige Wege geben kann und sich, je nach den Fossilien oder anderen Befunden, die man findet, der jeweilige 'consensus omnium' durchaus von Zeit zu Zeit ändern kann. Man bezeichnet das auch als das 'narrative Element' in der Evolutionsbiologie

Vom Standpunkt der 'reinen Lehre' her (gute Theorien ermöglichen Vorhersagen) kann man mit der Selektionstheorie natürlich viel zu viel erklären.

Grüßle

Thomas
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step
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Beitrag(#149282) Verfasst am: 12.07.2004, 17:36    Titel: Antworten mit Zitat

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ob dabei wirklich "etwas" amd "anderen Ende der Wahrnehmung sitzt", ist irrelevant für den Wissenschaftsbetrieb

Sorry, aber das stimmt einfach nicht! Hast Du die Zitate von Vollmer und Popper, die ich Lamarck geschrieben habe, nicht gelesen? Geschockt
Doch. Aber ich kommentiere sie gerne auch noch explizit, s.u.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
... auch an Dich konkret die Frage: Gehst Du davon aus, daß es eine Umwelt gibt, oder bist Du praktizierender Solipsist?

Weder gehe ich davon aus, daß es eine Umwelt wirklich "gibt", noch davon, daß sie konstruiert sei. Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich neige dazu anzunehmen, daß man beides gar nicht unterscheiden könnte, mglw. sind beides gar keine sinnvollen Aussagen. Jedenfalls aber setze ich keines von beiden voraus, wenn ich forsche.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Warum und wo setzst Du überhaupt den "ontologischen Schnitt" an, der immer nur rein willkürlich wäre?

Ich mache ja eben keinen Schnitt. Ganz im Gegenteil setzt Du eine ontologische Willkür an, denn Letztbegründungen oder ontologische Grundannahmen sind immer mode- und/oder wissensstandabhängig, ähnlich wie Gottesbilder. Im Moment z.B. finden die meisten Leute das Wesen der Materie oder auch den Zufall in der QM einer Letztbegründung würdig, vor nicht allzu langer Zeit war es der Sonnenaufgang oder die Jahreszeiten.

Vollmer hat folgendes geschrieben:
Warum sollten wir nach Quarks, nach Quasaren, nach Schwarzen Löchern suchen, wenn sie nichts weiter sind als nützliche Begriffe, hilfreiche Fiktionen, brauchbare Instrumente, ökonomische Zusammenfassungen?
Warum tut man etwas, das "nichts weiter" ist als nützlich? Ist das nicht Grund genug?

Könnte es sein, daß Vollmer hier einem Zirkelschluß unterliegt: "Ich postuliere, daß die Welt wirklich real ist. Denn genau nach so etwas suche ich eigentlich."

Vollmer hat folgendes geschrieben:
Zwar könnten wir im Prinzip auf Ontologie verzichten, wie Positivismus und Relativismus [entsprechend auch RK] es tun, ja sogar – wie der Instrumentalismus – auf (Ontologie und) jede Erkenntnistheorie. Dadurch, daß Positivismus, Relativismus und Instrumentalismus bescheidener sind, sind sie in ihren Voraussetzungen auch weniger anspruchsvoll, also weniger verletzlich als jede Form von Realismus(...)

Zustimmung.

Vollmer hat folgendes geschrieben:
Es gibt jedoch ein entscheidendes Argument gegen diese „bescheidenen“ Positionen. Dieses Argument beruht auf dem Erklärungswert des Realismus. Weder Positivisimus noch Relativismus oder Instrumentalismus sind in der Lage zu erklären, warum einige unserer Theorien erfolgreich sind und andere nicht. Warum sind manche Theorien bessere „Instrumente“ für Beschreibung, Erklärung, Voraussage, Retrodiktion oder Systematisierung als andere? Warum eignen sich manche Theorien besser als andere dazu, „die Phänomene zu retten“, ...

Das kann ich so beantworten: Offensichtlich können wir die von uns untersuchten Phänomene hinreichend gut so beschreiben, daß zu ihren Eigenschaften eine gewisse Kontingenz gehört, daß die Welt sozusagen regelmäßig ist. Wenn jemand diese scheinbare "universelle Turingartigkeit" als "Realität" bezeichnet, so wie ich auch für andere Eigenschaften Worte finde und sie in anderen Zusammenhängen - etwa emergenten Wissenschaftsbereichen - einfach voraussetze, habe ich damit kein Problem. Aber letztlich sind solche Fragen Theoriegegenstände wie andere auch.

Vollmer hat folgendes geschrieben:
... wenn nicht wegen ihrer (partiellen) Wahrheit, ihrer Übereinstimmung mit der Realität, ihrer höheren Wahrheitsähnlichkeit?

Eben, genau das darf man mE nicht machen. Mit Annäherung an irgendeine "absolute Wahrheit" hat das nichts zu tun. Das ist reines WUnschdenken, eine Art Restreligion.

Vollmer hat folgendes geschrieben:
Der Realismus und die mit ihm verknüpfte Auffassung von Wahrheit (die Korrespondenztheorie), zeichnen sich also durch ihren höheren Erklärungwert aus.

Im Gegenteil erklärt der Realismus weniger, weil er die Frage, warum uns die Welt hinreichend real erscheint, nicht wirklich beantwortet, sondern nur metaphysisch dogmatisiert, ähnlich wie in der Religion Gott die Letztbegründung ist, obwohl die eigentlichen Fragen offenbleiben. Eine echte Erklärung wäre dagegen z.B. eine physikalische Theorie der Welt, bei der sich die Turingartigkeit aus Eigenschaften der zur Beschreibung verwendeten mathematischen Körper ergibt.

Vollmer hat folgendes geschrieben:
Akzeptiert man den Erklärungswert einer Theorie als ein Bewertungskriterium, und zwar nicht nur bei faktischen Theorien (...) sondern auch bei erkenntnistheoretischen und methodologischen Konzeptionen (...) dann ist der ontologische Realismus jeder „bescheideneren“ oder ängstlicheren Position vorzuziehen (....)

Da finden sich sicherlich leicht Leute, die eine noch "mutigere" Position mit demselben "Argument" vertreten ...

gruß/step
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Beitrag(#149370) Verfasst am: 12.07.2004, 19:30    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

[...]

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Hier irrte Popper eindeutig! Denn biologisch versierte Anti-Evolutionisten belegen Tag für Tag auf's neue, daß die Selektionstheorie (bzw. die Synthetische Theorie der Evolution) auf viele Schwierigkeiten stößt, die Evolution umfassend zu erklären.


Schwierigkeiten bei der Erklärung sind natürlich kein Argument für Falsifizierbarkeit. Wie Du auf Deiner Homepage richtigerweise darstellst, ist Falsifizierbarkeit eine logische Eigenschaft einer Theorie,


Es gibt eben zwei Spielarten der Falsifikation: die logische (oder prinzipielle) und die praktische Falsifzierbarkeit von Theorien. Wissenschaftliche Theorien sind kaum in der Praxis, aber logisch falsifizierbar. Und selbstverständlich ist jede Beobachtung eine prinzipielle Falsifkation der Theorie, wenn sie den Erwartungen der Theorie widerspricht. Und dies ist eben bei der Selektionstheorie oft der Fall. Man denke nur an die abnorm häufige Konvergenzbildungen bei den frühen Landpflanzen. Oder an die Stetigkeit der Baupläne (nicht nur von "lebenden Fossilien", wie Limulus, Lingula ). Oder an die Mosaikevolution. Oder an Präadaptationen, Tiefenhomologien usw. usf.

Der Witz ist, daß man sich hier nicht mit der Kontingenz herausreden kann. Klar: Wenn es gilt, irgendwelche Spezifika (wie z.B. die Entstehung der Saugfalle von Utricularia) selektionstheoretisch zu erklären, steht man vor der Schwierigkeit, daß man Randbedingungen angeben muß, die man noch nicht erforscht hat. Aber der Fall liegt hier definitiv anders, weil es nicht um irgendwelche Detailerklärungen geht, sondern um allgemeine Trends und Phänomene der Evolution. Und wenn man genau hinschaut, läßt sich keiner dieser Befunde mit (der Konstanz der) Umweltbedingungen erklären, obwohl das den Erwartungen der Synthetischen Theorie der Evolution entspräche. Also haben wir es auch mit logischen Falsifikationen der STE zu tun, die auf der Unvollständigkeit des Mutations-Selektions-Erklärungsschemas beruhen. Das sehen übrigens nicht nur Evolutionsgegner so. Smilie


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Allerdings verwässerst Du die anfangs klare Aussage danach wieder (zum Beipsiel indem Du Ditfurth zitierst, der explizit nicht von einer logischen Falsifizierung spricht, sondern davon, wann eine Theorie zu verwerfen ist - was eine methodologische, keine logische Frage ist)


Lies halt genau, worum es da ging: Um die Grenzen des Falsifikationismus. Später hat Popper selbst einräumen müssen, daß es nicht so einfach ist, eine Theorie in der Praxis zu widerlegen.


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Dass "systemtheoretische Ansätze nötig seien" schreibst Du öfter, konntest Du aber in keinster Weise belegen.
Insbesondere kann ich nicht erkennen, inwiefern "Anpassungsschritte, die keinen Bezug zur Umwelt erkennen lassen" eine logische Falsifizierbarkeit der Selektionstheorie darstellen sollen, vor allem, weil, wenn Du das nicht erkennen kannst, damit nicht gesagt ist, dass es keine Anpassung ist. Auch "hochgradig konservierten Schlüsselmerkmale der systematischen Gruppen, wie etwa für die Halswirbel der Säugetiere" sind keine Falsifizierung der Selektionstheorie, sondern vielmehr zeigen sie, dass es gewisse Baupläne gibt, die schwer umzustossen sind. Die Existenz solcher Baupläne wird von der Selektionstheorie nicht verboten - eher im Gegenteil.


Es geht doch um Poppers Vorwurf, daß die Selektionstheorie "zuviel erklärt", weil sie nicht (logisch) falsifizierbar sei. Falsifizieren bedeutet hier, Beobachtungen zu sammeln, die nicht in das simplistische Mutations-Selektions-Erklärungsschema hineinpassen bzw. ihre Unvollständigkeit aufzeigen. Dazu gehören eben Arten, deren Baupläne selbst dann noch konstant bleiben, wenn veränderte Umweltbedingungen so hohe Selektionsdrücke ausüben, daß sie entsprechende Umbauten erforderlich machen.


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Ich halte zum Beispiel auch diese Aussage aus Deiner Homepage für falsch, "der Umstand, daß einmal getroffene, evolutionäre Entscheidungen kaum mehr rückgängig zu machen sind, auch wenn hohe Selektionsdrücke dies zu fordern scheinen," sei ein [i]"Problemfall der Standardtheorie, der ihre Modifikation bzw. gehaltsvermehrende Überarbeitung erforderlich macht."


Doch, genau das. Die Literatur ist voll mit Beispielen, die zeigen, daß die "Synthetische Theorie" höchst unvollkommene Erklärungen liefert. Von einer "selektionstheoretischen Allerklärung" kann also überhaupt keine Rede sein. Das ist höchstens dann der Fall, wenn man alle Befunde mit Gewalt in das Mutations-Selektions-Erklärungsschema hineinpreßt. Daß und warum das nur eine windschiefe Angelegenheit werden kann, haben wir vor längerer Zeit schon einmal diskutiert. (Thomas kann Dir sicher weitere Beispiele nennen.)


Klaus Peter hat folgendes geschrieben:
Denn um eine evolutionäre Entscheidung E rückgängig zu machen, müssten evolutionäre Mikroentscheidungen E1, E2, ... En, die E ausmachen, in umgekehrter Reihenfolge ablaufen. Und es ist doch sehr unwahrscheinlich, dass ausgerechnet diese Reihenfolge En, En-1, ... E2, E1 unter den gegebenen, neuen Rahmenbedingungen selektionspositiv wären. Viel wahrscheinlicher ist es, dass sich die Natur etwas Neues einfallen lassen muss.


Genau. Das aber hängt von den epigenetischen Bedingungen ab, und gerade nicht von der Umweltselektion. Die Milieu-Selektion allein erklärt einfach zu wenig. Und das ist doch gerade der "Motor" allen Fortschritts: Solche Phänomene, die nicht zur Theorie passen, führen dazu, daß sie weiterentwickelt wird. Es bringt hier doch nichts, weiterhin alles irgendwie in den Rahmen der alten Theorie zu quetschen. Das könnte man selbstverständlich tun. Man könnte, wenn man wollte, auch Quantenphänomene irgendwie noch mithilfe der Newtonschen Kontinuitätsphysik" erklären. Aber dazu müßte man ein "theoretischen Monstrum" generieren, das mit Indikator- und Hilfshypothesen derart überfrachtet wäre, daß es niemand mehr ernsthaft als einen konsistenten Beitrag zur Problemlösung betrachten würde. Ich denke, mit der Selektionstheorie (genauer: der "Synthetischen Theorie der Evolution") verhält es sich ähnlich. Natürlich kann man den Rahmen immer mehr mit Hilfs- und Zusatzhypothesen anreichern. Aber irgendwann sollte man einsehen, daß die Zeit reif ist, um den Rahmen selbst weiterzuentwickeln. Und das wird gegenwärtig auch getan, insofern war Poppers Einschätzung allzu pessimistisch...

Grüße

Martin
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Klaus-Peter
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Beitrag(#149470) Verfasst am: 12.07.2004, 23:06    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo Martin,

Leider ist meine Antwort etwas lang geworden, ging nicht kürzer.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Es gibt eben zwei Spielarten der Falsifikation: die logische (oder prinzipielle) und die praktische Falsifzierbarkeit von Theorien.


Pardon, wer vertritt diese (etwas eigenartige) Erkenntnistheorie? Popper garantiert nicht.

Zitat:
Wissenschaftliche Theorien sind kaum in der Praxis, aber logisch falsifizierbar.


Sie sind nur logisch falsifizierbar.

Zitat:
Und selbstverständlich ist jede Beobachtung eine prinzipielle Falsifikation der Theorie, wenn sie den Erwartungen der Theorie widerspricht.


Nein. Das könnte an falscher Beobachtung, falschen Randbedingungen, falschen Messanordnungen, was weiss ich alles liegen.

Zitat:
Und dies ist eben bei der Selektionstheorie oft der Fall. Man denke nur an die abnorm häufige Konvergenzbildungen bei den frühen Landpflanzen. Oder an die Stetigkeit der Baupläne (nicht nur von "lebenden Fossilien", wie Limulus, Lingula ). Oder an die Mosaikevolution. Oder an Präadaptationen, Tiefenhomologien usw. usf.


Logische Falsifikationen sind diese Beispiele definitiv nicht. Da ich Deine "praktische Falsifizierbarkeit" nicht kenne, habe ich keine Ahnung was Du damit meinst, und inwiefern obige Beispiele praktische F. sind. Es würde mich auch wundern, wenn sich diese "praktische Falsifikationstheorie" konsistent vertreten liesse. Auf Popper kannst Du Dich damit jedenfalls nicht berufen.

Zitat:
Der Witz ist, daß man sich hier nicht mit der Kontingenz herausreden kann.


Ich weiss nicht einmal, was Kontingenz ist, also werde ich mich damit auch nicht rausreden.

Zitat:
Also haben wir es auch mit logischen Falsifikationen der STE zu tun, die auf der Unvollständigkeit des Mutations-Selektions-Erklärungsschemas beruhen.


Wenn Du mir einen einzigen falsifizierenden Basissatz nennen könntest, der die Behauptung "das Mutations/Selektionsschema ist vollständig" falsifizieren würde, dann hätten wir
1. Eine logische Falsifizierbarkeit der Theorie
2. hätte Popper unrecht, und die Selektionstheorie wäre falsifizierbar
3. Wir könnten uns vielleicht einigen, ob dieser Basissatz eventuell anzuerkennen wäre, und somit die "klassische" STE falsifiziert.
Bisher hast Du aber nur gesagt es gäbe welche, aber noch keines genannt. Deine Beispiele von "praktischer Falsifizierung" ist aber schlicht logisch unsinnig.

Martin Neukamm hat folgendes geschrieben:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Allerdings verwässerst Du die anfangs klare Aussage danach wieder (zum Beipsiel indem Du Ditfurth zitierst, der explizit nicht von einer logischen Falsifizierung spricht, sondern davon, wann eine Theorie zu verwerfen ist - was eine methodologische, keine logische Frage ist)


Lies halt genau, worum es da ging: Um die Grenzen des Falsifikationismus. Später hat Popper selbst einräumen müssen, daß es nicht so einfach ist, eine Theorie in der Praxis zu widerlegen.

Diese Aussage ist falsch. Ich habe Dir den Beleg dafür schon einmal gepostet:

Klaus-Peter, Hans-Joachim Niemann zitierend hat folgendes geschrieben:
Falsifiziert ist nach Popper eine Theorie erst dann, wenn die scientific community in einem besonderen Entscheidungsverfahren den Beobachtungssatz und alle relevanten Randbedingungen und Hilfstheorien anerkennt, so daß die dann allein noch zur Diskussion stehende Theorie verworfen werden kann. Das schrieb er vor 65 Jahren. Für dieses Entscheidungsverfahren gab er ziemlich am Anfang der Logik der Forschung zwei methodologischen Regeln an, die sagen, wann eine Falsifikation zur Ablehnung einer Hypothese führen kann. Die Falsifikation tritt nicht zwingend ein.


Die ganze Schreiberei von den "Grenzen des Falsifikationismus" ist ein Zeichen von Unverständnis der Methode.

Zitat:
Es geht doch um Poppers Vorwurf, daß die Selektionstheorie "zuviel erklärt", weil sie nicht (logisch) falsifizierbar sei. Falsifizieren bedeutet hier, Beobachtungen zu sammeln, die nicht in das simplistische Mutations-Selektions-Erklärungsschema hineinpassen bzw. ihre Unvollständigkeit aufzeigen. Dazu gehören eben Arten, deren Baupläne selbst dann noch konstant bleiben, wenn veränderte Umweltbedingungen so hohe Selektionsdrücke ausüben, daß sie entsprechende Umbauten erforderlich machen.


Eine Art, die selbst dann konstant bleibt, wenn veränderte Umweltbedingungen hohe Selektionsdrücke ausüben, ist selbstverständlich keine Beobachtung, die das "simplistische Mutations-Selektions-Erklärungsschema" falsifizieren würde. Eine Sackgasse, aus der es kein selektionspositives Entrinnen gibt (oder wo die erforderliche Mutation sehr unwahrscheinlich ist) wäre voll und ganz mit der STE verträglich.

Zitat:
Die Literatur ist voll mit Beispielen, die zeigen, daß die "Synthetische Theorie" höchst unvollkommene Erklärungen liefert.

Wenn das wahr wäre (wenn also die Erklärungen wirklich unvollkommen und nicht lediglich "noch " unvollkommen wären) , dann müsste sich doch aus einem dieser Beispiele ein falsifizierender Basissatz generieren lassen, der, falls wahr, die STE falsifizieren würde. Mir würde ein Basissatz von der Form: "Wenn man im Kambrium ein versteinertes Auto findet" reichen. Es muss nicht einer sein, den man gleich als wahr anerkennen müsste, mir reicht einer, der - und sei sein Eintreten noch so unwahrscheinlich - die STE widerlegen würde. Wenn dies nicht möglich ist, kannst Du Deine ganze "praktische Falsifiziererei" in der Pfeife rauchen.

Zitat:
Von einer "selektionstheoretischen Allerklärung" kann also überhaupt keine Rede sein. Das ist höchstens dann der Fall, wenn man alle Befunde mit Gewalt in das Mutations-Selektions-Erklärungsschema hineinpreßt.


Genau dieses zu tun, fordert die kritische Methodologie. Nur so besteht die Chance, aus dem metaphysischen Forschungsprogramm eine falsifizierbare Wissenschaft zu machen. Nämlich dadurch, dass es die Theorie beim Hineinpressen zerreisst. Solange das Hineinpressen noch in jedem Falle geht, ist es noch eine Allerklärung. Was die STE gegenüber anderen Allerklärungen (wie z.B: der Psychoanalyse) so fruchtbar macht, ist die Tatsache, dass sie uns zum Erstellen von "Darwinian Stories" auffordert, die dann tatsächlich geprüft und falsifiziert werden können.

Zitat:
Daß und warum das nur eine windschiefe Angelegenheit werden kann, haben wir vor längerer Zeit schon einmal diskutiert. (Thomas kann Dir sicher weitere Beispiele nennen.)


Das habe ich schon damals nicht eingesehen, und Dein Web-Artikel hat mir dankenswerterweise die Argumente dafür geliefert, warum das nicht windschief ist.

Zitat:
Man könnte, wenn man wollte, auch Quantenphänomene irgendwie noch mithilfe der Newtonschen Kontinuitätsphysik" erklären. Aber dazu müßte man ein "theoretischen Monstrum" generieren, das mit Indikator- und Hilfshypothesen derart überfrachtet wäre, daß es niemand mehr ernsthaft als einen konsistenten Beitrag zur Problemlösung betrachten würde.


Nein, das kann man nicht. Die Newtonschen Physik wird durch die Wellennatur des Elektrons (logisch!) falsifiziert (das nicht ainzusehen. wäre eine "Immunisierung". Wenn man also einmal die Experimente zur Wellennatur des Elektrons anerkannt hat, dann ist Newton widerlegt. So geht Falsifizieren, und nur so.

Zitat:
Ich denke, mit der Selektionstheorie (genauer: der "Synthetischen Theorie der Evolution") verhält es sich ähnlich.


Nein. Weil die logisch falsifizierende Bedingung nicht bekannt ist. (Ich kenne sie nicht, vielleicht kennst Du ja eine).

Zitat:
Natürlich kann man den Rahmen immer mehr mit Hilfs- und Zusatzhypothesen anreichern. Aber irgendwann sollte man einsehen, daß die Zeit reif ist, um den Rahmen selbst weiterzuentwickeln. Und das wird gegenwärtig auch getan, insofern war Poppers Einschätzung allzu pessimistisch...


Die Leute, die diesen Rahmen zum jetzigen Zeitpunkt weiterentwickeln, sind (und das habe ich in dieser Diskussion erst gelernt) methodische Quacksalber. Es ist grober Unsinn, eine Theorie zu erweitern, bevor man den Vorläufer falsifiziert hat. Das wäre, wie wenn man zum Naturalismus noch ein paar Wunder als Erklärungen einführt, weil man noch nicht alle Phänomene der Welt naturalistisch erklärt hat.

Gruss

KP
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Klaus-Peter
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Beiträge: 1534

Beitrag(#149480) Verfasst am: 12.07.2004, 23:39    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:

die Frage ist natürlich, was denn nun genau unter 'Selektionstheorie' zu verstehen ist.

Nein, Das ist nicht die Frage. Für die Zwecke der Frage, ob "Darwinismus" falsifizierbar ist, ist die Sache genügend geklärt. Sag statt 'Selektionstheorie' meinetwegen "primitives Wechselspiel zwischen Mutation und Selektion auf Basis von Physik und Chemie, und sonst nichts".
[...]

Zitat:
Das zeigt eher, dass Popper der Unterschied zwischen Physik (es gibt 'Gesetze') und Biologie (es gibt nur 'Regeln') nicht vertraut war.

Dieser Unterschied ist mir auch nicht vertraut. Kann es sein, dass Du ein zu positivistisches Bild von Physik hast?

Zitat:
Aufgrund der Kontingenz ist es sehr schwer, voauszusagen, was sich aus A im Lauf der Zeit entwickeln wird.

Das ist es nicht, was Popper meinte, als er sagte, es würde zuviel erklärt.

Zitat:
Vom Standpunkt der 'reinen Lehre' her (gute Theorien ermöglichen Vorhersagen) kann man mit der Selektionstheorie natürlich viel zu viel erklären.


Auch das nicht. Gesucht ist lediglich eine mögliche (denkbare) Beobachtung oder empirische Tatsache, die mit der Selektionstheorie logisch nicht verträglich wäre. (Wie das Auto im Kambrium mit der "Deszendenztheorie" nicht verträglich wäre).

Gruss

KP
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Lamarck
Radikaler Konstruktivist



Anmeldungsdatum: 28.03.2004
Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main

Beitrag(#149520) Verfasst am: 13.07.2004, 01:08    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter!

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:

Warum können wir trotzdem - wenn auch nicht so reibunglos - miteinander kommunizieren?

warum fragst Du das mich? Ich habe darauf eine Antwort, die Du kennst. Weil ich Realist bin, nehme ich also an, dass wir in einer uns gemeinsamen objektiven Realität miteinander interagieren.

Ich habe Dich gefragt, weil Du Radikaler Konstruktivist bist, und weil Deiner Meinung nach alles nur Konstrukte sind. Wie lautet also Deine Antwort?


Du glaubst also, wir haben keine unterschiedlichen Realitäten, und es gibt eine einzige, wirklich absolut objektive Realität?! - Warum können wir dann irren?

Aus meiner Sicht ist das Gehirn eine Simulationsmaschine. Es werden dazu intern Muster generiert (= Konstrukte), die intern mit anderen intern generierten Mustern verglichen werden. Wenn der Vergleich erfolgreich ist, war er viabel. Zur Erläuterung: Stelle Dir zwei Einzeller vor, die auf Sonnenstrahlung angewiesen sind. Für den Einzeller A besteht u. U. die Gefahr, durch diese Sonnenstrahlung beeinträchtigt zu werden. Rein zufällig entwickelt Einzeller B eine Vermeidungsstrategie, die diesen veranlaßt, bei entsprechenden Bedingungen (= Mustervergleich) diese Strategie anzuwenden. Ein weiterer Einzeller C verfügt über die gleichen Mechanismen wie B, wird diese aber nie anwenden, da dieser aus anderen Gründen nur in einem Milieu existieren kann, in dem Sonnenstrahlung nicht vorkommt.

A hat keine Wahl, seine Viabilität ist an das "u. U." gebunden
B hat einen viablen Weg gefunden, um auch mit ungünstigeren Umständen zurechtzukommen
C hat hiervon weder Schaden noch Nutzen.

Hat nun A, B oder C eine 'objektivere Realität'?

Die Möglichkeit, über ein Gehirn verfügen zu können, hat den Vorteil, Möglichkeiten durchspielen zu können, ohne diese Viabilitätsprüfung immer mit der eigenen Existenz bezahlen zu müssen. Wenn ein Radikaler Konstruktivist (der Einfachheit halber im naiven Sinne) von 'Realität' spricht, meint er damit eine Blackbox, die sich entsprechend (viabel) verhält; für Dich ist der hineinkonstruierte Inhalt der Box 'real'. Um dieses Prinzip ein wenig weiter zu polemisieren: Sie sind nicht eßbar und auch nicht zu sehen; sind deswegen die Natürlichen Zahlen nicht real?!


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Lamarck hat folgendes geschrieben:
Ich hatte es erwähnt: Welche Einsichten haben Popper bewogen, die ET nicht mehr für zirkelschlüssig zu halten? - Bitte hier analog anwenden.

Wenn ich Popper anwende, dann bin ich kritischer Realist, nicht Konstruktivist. Fällt Dir auf, dass jedesmal, wenn ich Deine konstruktivistischen Thesen kritisiere, Du mit realistischen Antworten kommst?


Wenn ein Esel im Kuhstall eine Kuh ist, dann ist auch ein Radikaler Konstruktivist, der den Kritischen Realismus anwendet (?!) Karl Popper. In diesem Sinne: Nochmal die o. g. Frage an Dich... .


Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Btw. Popper hat die ET niemals für zirkelschlüssig gehalten. Nur eine Zeit lang für tautologisch. Das ist etwas anderes. Da hatte er aber offenbar die ET noch nicht genügend verstanden. Als er das getan hatte, hat er sein Urteil (wie sich das für einen Kritischen Rationalisten gehört) revidiert.



Martin hatte es ja schon erwähnt:

Zitat:
Ich möchte nun einige Gründe nennen, warum ich den Darwinismus als metaphysisch und als ein Forschungsprogramm betrachte. Er ist metaphysisch, weil er nicht prüfbar ist (...)

Zu sagen, daß eine jetzt lebende Art an ihre Umwelt angepaßt ist, ist in der Tat fast eine Tautologie. Die Darwinsche Theorie verwendet ja die Ausdrücke 'Anpassung' und 'Auslese' so, daß wir sagen können: Wäre die Art nicht angepaßt, dann hätte die natürliche Auslese sie eliminiert. Und entsprechend: Wenn eine Art ausgestorben ist, dann muß sie an die Bedingungen schlecht angepaßt gewesen sein. Die Anpassung oder die Tauglichkeit (fitness) wird von den modernen Evolutionstheoretikern durch die Wahrscheinlichkeit des Überlebens definiert und kann an dem tatsächlichen Überlebenserfolg gemessen werden. Es besteht kaum eine Möglichkeit, eine Theorie empirisch zu überprüfen, die so schwach ist, die so wenig vorhersagende Kraft hat (Popper, K .R. (1994): Ausgangspunkte. Meine intellektuelle Entwicklung. Hoffmann und Campe, Hamburg, S. 248-250).


Du weißt aber schon, in welcher Weise die Begriffe 'Tautologie' und 'Zirkel zusammenhängen? Und in diesem Sinne hatte Popper es auch gemeint!


Cheers,

Lamarck
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„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

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Lamarck
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Beitrag(#149531) Verfasst am: 13.07.2004, 01:51    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Thomas!

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Die grundsätzliche Frage ist doch, wie Selektion _schöpferisch_ wirken kann. Wie das funktionieren kann, hat AFAIK noch niemand zeigen können.


Ich weiß selbstverständlich, wie Du das meinst, aber weil mir dies sehr wichtig ist, im Klartext: Selektion ist nicht kreativ. Der Generator ist natürlich die Mutation (in einer allgemeineren Sicht ist hierzu nicht mal ein Genom erforderlich). Als Antagonist wirkt hierzu die Selektion; beides zusammen kann erst sowas wie Evolution bewirken.


Cheers,

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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



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Beitrag(#149551) Verfasst am: 13.07.2004, 06:25    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:

die Frage ist natürlich, was denn nun genau unter 'Selektionstheorie' zu verstehen ist.

Nein, Das ist nicht die Frage. Für die Zwecke der Frage, ob "Darwinismus" falsifizierbar ist, ist die Sache genügend geklärt. Sag statt 'Selektionstheorie' meinetwegen "primitives Wechselspiel zwischen Mutation und Selektion auf Basis von Physik und Chemie, und sonst nichts".


okay. Dann sage ich, dass Popper für diese Frage nichts bringt. Das ist nun wirklich ein reiner Glaubenssatz. Auf diesem Level kannst Du gar nichts falsifizieren, weil noch gar nichts _konkret_ behauptet wurde.

Du darfst mir gerne ein Beispiel nennen, in dem mit dem von Dir genannten Mechanismus etwas _Neues_ entstanden ist. Also keine Trivialität wie eine Resistenz aufgrund einer Verlustmutante oder ein Hund aus einem Wolf.

[...]

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Das zeigt eher, dass Popper der Unterschied zwischen Physik (es gibt 'Gesetze') und Biologie (es gibt nur 'Regeln') nicht vertraut war.

Dieser Unterschied ist mir auch nicht vertraut. Kann es sein, dass Du ein zu positivistisches Bild von Physik hast?


Ich vermute eher, dass Deine Kenntnisse in Biologie etwas insuffizient sind.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Aufgrund der Kontingenz ist es sehr schwer, voauszusagen, was sich aus A im Lauf der Zeit entwickeln wird.


Das ist es nicht, was Popper meinte, als er sagte, es würde zuviel erklärt.


Dann sag mal genau, was Popper darunter versteht, dass ‚zuviel erklärt‘ wird.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Vom Standpunkt der 'reinen Lehre' her (gute Theorien ermöglichen Vorhersagen) kann man mit der Selektionstheorie natürlich viel zu viel erklären.


Auch das nicht. Gesucht ist lediglich eine mögliche (denkbare) Beobachtung oder empirische Tatsache, die mit der Selektionstheorie logisch nicht verträglich wäre. (Wie das Auto im Kambrium mit der "Deszendenztheorie" nicht verträglich wäre).


Dann formuliere eine solche Aussage. Wenn Du das, was Du unter ‚Selektionstheorie‘ oben beschrieben hast, darunter verstehst, würde mich das sehr interessieren.

Nur so nebenbei: ich bin mir auch gar nicht sicher, ob Popper beschreibt, wie Wissenschaft _funktioniert_, sondern nur, wie sie in einem Wolkenkuckucksheim zu betreiben wäre. Ich habe selten Publikationen gelesen, in denen Menschen versuchten, Hypothesen zu falsifzieren. Üblicherweise versucht man, sie zu begründen. Zudem zählen üblicherweise _positive_ Befunde.

Grüßle

Thomas
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El Schwalmo
Naturalistischer Ignostiker



Anmeldungsdatum: 06.11.2003
Beiträge: 9073

Beitrag(#149553) Verfasst am: 13.07.2004, 06:33    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Lamarck,

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Die grundsätzliche Frage ist doch, wie Selektion _schöpferisch_ wirken kann. Wie das funktionieren kann, hat AFAIK noch niemand zeigen können.


Ich weiß selbstverständlich, wie Du das meinst, aber weil mir dies sehr wichtig ist, im Klartext: Selektion ist nicht kreativ.


sagen wir so: in der Standard-Version der Selektionstheorie ist Selektion der einzige _richtende_ Faktor. Alle anderen Faktoren werden nur anerkannt, solange sie diese zentrale Rolle der Selektion nicht beeinträchtigen.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
Der Generator ist natürlich die Mutation


Die erzeugt nur das Auslesematerial, ist aber nicht schöpferisch. Sonst hast Du den Selektionsdruck durch einen Mutationsdruck ersetzt. Das ist aber nicht mehr 'Selektionstheorie'.

Lamarck hat folgendes geschrieben:
(in einer allgemeineren Sicht ist hierzu nicht mal ein Genom erforderlich). Als Antagonist wirkt hierzu die Selektion; beides zusammen kann erst sowas wie Evolution bewirken.


Die Frage ist noch etwas anders: können diese Mechanismen _allein_ so etwas wie Evolution bewirken? Wenn ich richtig informiert bin, verlaufen gerade die Schritte, die am interessantesten sind, nicht selektionsgesteuert. Ob man dann das Ganze noch 'Selektionstheorie' nennen sollte, ist eine interessante Frage.

Grüßle

Thomas
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Klaus-Peter
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Anmeldungsdatum: 10.01.2004
Beiträge: 1534

Beitrag(#149571) Verfasst am: 13.07.2004, 08:25    Titel: Antworten mit Zitat

Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Dann sage ich, dass Popper für diese Frage nichts bringt. Das ist nun wirklich ein reiner Glaubenssatz. Auf diesem Level kannst Du gar nichts falsifizieren, weil noch gar nichts _konkret_ behauptet wurde.

Du darfst mir gerne ein Beispiel nennen, in dem mit dem von Dir genannten Mechanismus etwas _Neues_ entstanden ist. Also keine Trivialität wie eine Resistenz aufgrund einer Verlustmutante oder ein Hund aus einem Wolf.

Natürlich wurde konkret etwas behauptet: Alles ist so entstanden. Jedes Lebewesen. Die konkrete Behauptung ist: Mutation und Selektion ist der einzige Motor, den die Evolution braucht. Alles andere ist der "Spielplatz" auf dem dieser Algorithmus spielt.

Zitat:
Ich vermute eher, dass Deine Kenntnisse in Biologie etwas insuffizient sind.

Das ist unsachlich und unnötig. Meine Kenntnis der Biologie ist bei weitem gross genug, um sagen zu können, dass die Behauptung, die Biologie benötige eine eigene und grundsätzlich andere Methodik, als die Physik, falsch ist. Das was Du an Unterschieden zur Physik genannt hast ("Genauigkeit der Voraussage") basiert auf einem vorpopperschen, positivistischen Bild der Physik.

Zitat:
Dann sag mal genau, was Popper darunter versteht, dass ‚zuviel erklärt‘ wird.

Habe ich einen Satz weiter. Es ist immer besser, ein Posting erst zu ganz lesen, und dann zu antworten. Ich schreibs noch einmal:

Gesucht ist eine mögliche (denkbare) Beobachtung oder empirische Tatsache, die mit der Selektionstheorie logisch nicht verträglich wäre. (Wie das Auto im Kambrium mit der "Deszendenztheorie" nicht verträglich wäre).

Deine Antwort:
Zitat:

Dann formuliere eine solche Aussage. Wenn Du das, was Du unter ‚Selektionstheorie‘ oben beschrieben hast, darunter verstehst, würde mich das sehr interessieren.

zeigt, dass Du Dir nicht die Mühe gemacht hast, mein Posting zu verstehen. Popper sagt, dass die Theorie zu viel erklärt, weil es eine solche Aussage (womöglich) nicht gibt. Würde ich eine solche Aussage kennen, dann könnte ich Popper hier widersprechen. Das Ziel der Biologie sollte sein, hier Popper widersprechen zu können.

Zitat:
Nur so nebenbei: ich bin mir auch gar nicht sicher, ob Popper beschreibt, wie Wissenschaft _funktioniert_, sondern nur, wie sie in einem Wolkenkuckucksheim zu betreiben wäre. Ich habe selten Publikationen gelesen, in denen Menschen versuchten, Hypothesen zu falsifzieren. Üblicherweise versucht man, sie zu begründen. Zudem zählen üblicherweise _positive_ Befunde.


Auch das ist eines der Missverständnisse, die von unwissenden Wissenschaftstheorie-Autoren immer wieder massenhaft unter die Leute gebracht werden, und was seine eigenen Schüler Kuhn und Feyerabend schon falsch verstanden haben: Popper beschreibt, wie Wissenschaft logisch funktioniert. Er erklärt, wie gehaltserweiternde Sätze prinzipiell entstehen können (eine Tatsache, die der Positivismus nicht erklären konnte). Praktisch vertritt er (ich werde meinen Gewährsmann fragen, ob er das auch so sieht) eher eine abgeschwächte Form von "anything goes", einen Methoden-Pluralismus. Popper sagt allerdings auch, dass man bessere Wissenschaft macht, wenn man die logischen Grundlagen der Wissenschaft beherzigt (Zum Beispiel, weil man dann gezielter nach widerlegenden Tatsachen sucht, und dadurch schneller zu besseren Theorien gelangt). In meiner Antwort an Martin nannte ich das sinngemäss "Fakten so lange in eine Theorie pressen, bis es die Theorie zerreisst". Die Theorie (auch wenn sie noch metaphysisch ist) schon aufzuweichen, bevor man das versucht hat, ist schlechte Methode.

Gruss

KP
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El Schwalmo
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Beitrag(#149577) Verfasst am: 13.07.2004, 09:01    Titel: Antworten mit Zitat

Hi Klaus-Peter,

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Dann sage ich, dass Popper für diese Frage nichts bringt. Das ist nun wirklich ein reiner Glaubenssatz. Auf diesem Level kannst Du gar nichts falsifizieren, weil noch gar nichts _konkret_ behauptet wurde.

Du darfst mir gerne ein Beispiel nennen, in dem mit dem von Dir genannten Mechanismus etwas _Neues_ entstanden ist. Also keine Trivialität wie eine Resistenz aufgrund einer Verlustmutante oder ein Hund aus einem Wolf.

Natürlich wurde konkret etwas behauptet: Alles ist so entstanden. Jedes Lebewesen. Die konkrete Behauptung ist: Mutation und Selektion ist der einzige Motor, den die Evolution braucht. Alles andere ist der "Spielplatz" auf dem dieser Algorithmus spielt.


ein Musterbeispiel einer falsizfizierbaren Aussage. Nun kann man darwinian stories erfinden, so lange man lustig ist.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Ich vermute eher, dass Deine Kenntnisse in Biologie etwas insuffizient sind.

Das ist unsachlich und unnötig.


Du bist ein Weltmeister im Splitter finden, nachdem Du mit Balken um Dich geworfen hast.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Meine Kenntnis der Biologie ist bei weitem gross genug, um sagen zu können, dass die Behauptung, die Biologie benötige eine eigene und grundsätzlich andere Methodik als die Physik


Ups.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Das was Du an Unterschieden zur Physik genannt hast ("Genauigkeit der Voraussage") basiert auf einem vorpopperschen, positivistischen Bild der Physik.


Sagen wir mal so: ich referiere Mayr. Dessen neuestes Buch zu diesem Thema ist gerade im Druck. Vielleicht sollten wir abwarten, was er schreibt.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Dann sag mal genau, was Popper darunter versteht, dass 'zuviel erklärt' wird.

Habe ich einen Satz weiter. Es ist immer besser, ein Posting erst zu ganz lesen, und dann zu antworten. Ichschreibs noch einmal:

Gesucht ist eine mögliche (denkbare) Beobachtung oder empirische Tatsache, die mit der Selektionstheorie logisch nicht verträglich wäre. (Wie das Auto im Kambrium mit der "Deszendenztheorie" nicht verträglich wäre).

Deine Antwort:
Zitat:

Dann formuliere eine solche Aussage. Wenn Du das, was Du unter 'Selektionstheorie' oben beschrieben hast, darunter verstehst, würde mich das sehr interessieren.

zeigt, dass Du Dir nicht die Mühe gemacht hast, mein Posting zu verstehen. Popper sagt, dass die Theorie zu viel erklärt, weil es eine solche Aussage (womöglich) nicht gibt. Würde ich eine solche Aussage kennen, dann könnte ich Popper hier widersprechen.


Die Sache wird für mich immer rätselhafter. Auf der einen Seite hängst Du Dawkins und ähnlichen Genzentristen an und tust so, als sei hinsichtlich Evolution schon alles erklärt. Und dann bringst Du Popper aufs Tablett und sagst, dass diese Menschen viel zu viel erklären. Und ich behaupte, dass die gar nichts erklären.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben:
Nur so nebenbei: ich bin mir auch gar nicht sicher, ob Popper beschreibt, wie Wissenschaft _funktioniert_, sondern nur, wie sie in einem Wolkenkuckucksheim zu betreiben wäre. Ich habe selten Publikationen gelesen, in denen Menschen versuchten, Hypothesen zu falsifzieren. Üblicherweise versucht man, sie zu begründen. Zudem zählen üblicherweise _positive_ Befunde.


Auch das ist eines der Missverständnisse, die von unwissenden Wissenschaftstheorie-Autoren immer wieder massenhaft unter die Leute gebracht werden, und was seine eigenen Schüler Kuhn und Feyerabend schon falsch verstanden haben: Popper beschreibt, wie Wissenschaft logisch funktioniert.


Welchen Grund könnte es gegeben haben, dass Kuhn einen Aufsatz mit 'Logik oder Psychologie der Forschung?' überschrieb, in dem er Poppers Ansatz mit seinem verglich?

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Praktisch vertritt er (ich werde meinen Gewährsmann fragen, ob er das auch so sieht) eher eine abgeschwächte Form von "anything goes", einen Methoden-Pluralismus.


Er vertritt 'conjectures and refutations'. Im ersten Schritt 'anything goes' und im zweiten strenge Prüfung, wofür er ein Konzept vorgelegt hat, das die Wissenschaftstheorie sehr befruchtete, aber auch nicht unumstritten blieb. Zudem erinnerte ihn das an Mutation und Selektion, weshalb er oft den Terminus 'evolutionär' verwendete. Solange man darunter nicht das versteht, was Biologen unter 'evolutionär' verstehen, ist das unproblematisch.

Klaus-Peter hat folgendes geschrieben:
Popper sagt allerdings auch, dass man bessere Wissenschaft macht, wenn man die logischen Grundlagen der Wissenschaft beherzigt (Zum Beispiel, weil man dann gezielter nach widerlegenden Tatsachen sucht, und dadurch zu besseren Theorien gelangt). In meiner Antwort an Martin nannte ich das sinngemäss "Fakten so lange in eine Theorie pressen, bis es die Theorie zerreisst". Die Theorie (auch wenn sie noch metaphysisch ist) schon aufzuweichen, bevor man das versucht hat, ist schlechte Methode.


Das Problem ist dass die Theorie _bestimmt_, was 'Fakten' sind.

Wie gesagt, ich habe mich mit Popper vor etwa 20 Jahren das letzte Mal intensiver befasst. Seither habe ich meist Arbeiten gelesen, in denen Popper kritisiert wurde. Daraus habe ich in meiner Naivität geschlossen, dass die Wissenschaftstheorie seit Popper auch ein wenig weiter gekommen ist. Mein Eindruck kann mich aber trügen.

Grüßle

Thomas
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