Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen |
Autor |
Nachricht |
Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
|
(#149729) Verfasst am: 13.07.2004, 14:59 Titel: |
|
|
Hi Thomas,
[...]
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Das Problem ist dass die Theorie _bestimmt_, was 'Fakten' sind.
Wie gesagt, ich habe mich mit Popper vor etwa 20 Jahren das letzte Mal intensiver befasst. Seither habe ich meist Arbeiten gelesen, in denen Popper kritisiert wurde. Daraus habe ich in meiner Naivität geschlossen, dass die Wissenschaftstheorie seit Popper auch ein wenig weiter gekommen ist. Mein Eindruck kann mich aber trügen. |
Keine Angst, die Welt ist bunter. Das hat nur nicht jeder, der Popper für sakrosankt hält, mitgekriegt
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
|
|
Nach oben |
|
 |
Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
|
(#149742) Verfasst am: 13.07.2004, 15:29 Titel: |
|
|
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Keine Angst, die Welt ist bunter. |
Der Spruch wirkt beim Original schon eher peinlich. Bei der Kopie ... naja.
Zitat: | Das hat nur nicht jeder, der Popper für sakrosankt hält, mitgekriegt |
Ich habe Dich mit zahlreichen Zitaten und Argumenten darauf hingewiesen, dass Du wesentliche Aussagen der Popperschen Philosophie nicht verstanden hast. Ich muss jemanden nicht für sakrosankt halten, wenn ich darauf bestehe, dass seine Philosophie korrekt dargestellt wird.
Aber Du kannst natürlich auf Deiner Homepage schreiben was Du willst. Und so lange die Biologen ihr Popper-Bild von Mahner-Bunge oder Wuchterl beziehen, statt seine Thesen bei Albert, Niemann oder im Original zu lernen, hast Du auch keine Blamage zu befürchten.
Gruss
KP
|
|
Nach oben |
|
 |
Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
|
(#149797) Verfasst am: 13.07.2004, 16:52 Titel: |
|
|
Hi Klaus-Peter,
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Es gibt eben zwei Spielarten der Falsifikation: die logische (oder prinzipielle) und die praktische Falsifzierbarkeit von Theorien. |
Pardon, wer vertritt diese (etwas eigenartige) Erkenntnistheorie? Popper garantiert nicht. |
Ups. Wie wär's mit:
Popper, K.R. (1994): Zwei Bedeutungen von Falsifizierbarkeit. In: Seiffert, H.; Radnitzky, G. (Hrsg.): Handlexikon zur Wissenschaftstheorie. dtv, München.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Wissenschaftliche Theorien sind kaum in der Praxis, aber logisch falsifizierbar. |
Sie sind nurlogisch falsifizierbar. |
Ups. Wurde die Äthertheorie jetzt nur logisch oder auch praktisch falsifiziert? Und was ist mit der Phlogiston-Hypothese, dem geozentrischen Weltmodell und vielem anderen?
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Und selbstverständlich ist jede Beobachtung eine prinzipielle Falsifikation der Theorie, wenn sie den Erwartungen der Theorie widerspricht. |
Nein. Das könnte an falscher Beobachtung, falschen Randbedingungen, falschen Messanordnungen, was weiss ich alles liegen. |
Richtig. Trotzdem handelt es sich um eine logische Falsifikation. Damit ist zunächst einmal nur gemeint, daß eine Beobachtungsaussage mit einer theoretischen Aussage nicht in Einklang steht, mehr nicht. Ob die logische Falsifikation dann letztendlich der Theorie angelastet wird, oder ob man sich diverser "Immunisierungsstrategien" bedient, ist eine andere Frage. Doch man sollte nicht vergessen, daß es dem Wesen der Wissenschaft entspricht, nicht beliebig lang an (logisch) widerlegten Theorien festzuhalten, sondern diese wenn nötig zu revidieren. Und dann kommt man nicht mehr mit ein paar neuen Hilfshypothesen aus. Das war niemandem mehr bewußt als Popper selbst, der schreibt:
Zitat: | Wie ich im allerersten Kapitel meiner Logik der Forschung erklärte, können wir angesichts von Widerlegungen immer Zuflucht zu ausweichenden Taktiken nehmen (...) Solche Immunisierungstaktiken gibt es viele; und wenn uns nichts Besseres einfällt, können wir immer die Objektivität - oder sogar die Existenz - der widerlegenden Beobachtung leugnen (...) Intellektuelle, die sich mehr dafür interessieren, recht zu haben, als etwas Interessantes, aber Unerwartetes zu entdecken, sind keineswegs seltene Ausnahmen (...) Wir können also sagen, daß man empirische Wissenschaft in meinem Sinne aufgibt, wenn man die Falsifizierung um jeden Preis vermeidet. Aber ich stellte zusätzlich fest, daß Übersensibilität in bezug auf die widerlegende Kritik ebenso gefährlich ist: Dogmatismus hat einen legitimen Platz, wenn auch einen sehr begrenzten. |
Popper, K.R. (1995): Objektive Erkenntnis. Ein evolutionärer Entwurf. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg, 108 ff.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Und dies ist eben bei der Selektionstheorie oft der Fall. Man denke nur an die abnorm häufige Konvergenzbildungen bei den frühen Landpflanzen. Oder an die Stetigkeit der Baupläne (nicht nur von "lebenden Fossilien", wie Limulus, Lingula ). Oder an die Mosaikevolution. Oder an Präadaptationen, Tiefenhomologien usw. usf. |
Logische Falsifikationen sind diese Beispiele definitiv nicht. Da ich Deine "praktische Falsifizierbarkeit" nicht kenne, habe ich keine Ahnung was Du damit meinst, und inwiefern obige Beispiele praktische F. sind. Es würde mich auch wundern, wenn sich diese "praktische Falsifikationstheorie" konsistent vertreten liesse. Auf Popper kannst Du Dich damit jedenfalls nicht berufen. |
Nun, es hilft gelegentlich, Popper nicht nur zu lesen, sondern auch zu verstehen, was er geschrieben hat
[...]
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lies halt genau, worum es da ging: Um die Grenzen des Falsifikationismus. Später hat Popper selbst einräumen müssen, daß es nicht so einfach ist, eine Theorie in der Praxis zu widerlegen. |
Diese Aussage ist falsch. Ich habe Dir den Beleg dafür schon einmal gepostet:
Klaus-Peter, Hans-Joachim Niemann zitierend hat folgendes geschrieben: | Falsifiziert ist nach Popper eine Theorie erst dann, wenn die scientific community in einem besonderen Entscheidungsverfahren den Beobachtungssatz und alle relevanten Randbedingungen und Hilfstheorien anerkennt, so daß die dann allein noch zur Diskussion stehende Theorie verworfen werden kann. Die ganze Schreiberei von den "Grenzen des Falsifikationismus" ist ein Zeichen von Unverständnis der Methode.
|
|
Du bist wirklich ein besonderer Diskutant, das muß ich schon sagen: Erst beklagst Du Dich, man habe Popper nicht verstanden, bloß weil Du dessen Begrifflichkeiten nicht kennst. Und dann wirfst Du die Begriffe munter bunt durcheinander, die Du irgendwo 'mal aufgeschnappt hast. Also, dann halt noch einmal zum Mitschreiben:
Theorien sind nach Popper logisch widerlegbar, wenn es in der Klasse aller logisch möglichen Beobachtungsaussagen auch solche Aussagen gibt, die der Theorie (formal) widersprechen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die falsifzierende Beobachtung je gemacht wird oder tatsächlich auf einen theoretischen Defekt zurückzuführen ist, sondern zunächst einmal nur, daß sie machbar ist und mit der Theorie nicht im Einklang steht. Das ist zunächst einmal alles!
Wovon Du hier redest, ist aber die praktische Falsifikation (die es ja angeblich gar nicht gibt) und die auf einer mehr oder minder willkürlichen Entscheidung der "scientific community" beruht, Theorien, die logisch widerlegt sind, auch in der wissenschaftlichen Praxis "über die Klinge springen" zu lassen. Das ist natürlich in dieser Form kaum möglich, weil man die Frage, ob eine logisch widerlegte Theorie, tatsächlich falsch ist, nie mit Gewißheit beantworten kann. Du schreibst doch selbst, daß ein falsifizierender Befund auch an fehlerhaften Randbedingungen, falsch interpretierten Beobachtungen etc. liegen kann. Hier stößt man einfach an Grenzen des Falsifikationsprinzips. Poppers Konzept wurde nicht ohne Grund von Kuhn und Feyerabend kritisiert sowie von von Lakatos zum "raffiniert-methodologischen Falsifikationismus" umgebaut.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Eine Art, die selbst dann konstant bleibt, wenn veränderte Umweltbedingungen hohe Selektionsdrücke ausüben, ist selbstverständlich keine Beobachtung, die das "simplistische Mutations-Selektions-Erklärungsschema" falsifizieren würde. Eine Sackgasse, aus der es kein selektionspositives Entrinnen gibt (oder wo die erforderliche Mutation sehr unwahrscheinlich ist) wäre voll und ganz mit der STE verträglich. |
Kommt darauf an, was man unter "der STE" verstanden haben will. Ich habe den Eindruck, daß man alles irgendwie in "die" STE einbauen kann und das trotzdem noch als "STE" verkaufen kann. Irgendwann ist man dann an dem Punkt angelangt, an dem sich die "klassische Physik" befand, als sie mühsam versuchte, wellenmechanische Aspekte in das klassische Bohr-Sommerfeldsche Atomkonzept hineinzuverfrachten.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Von einer "selektionstheoretischen Allerklärung" kann also überhaupt keine Rede sein. Das ist höchstens dann der Fall, wenn man alle Befunde mit Gewalt in das Mutations-Selektions-Erklärungsschema hineinpreßt. |
Genau dieses zu tun, fordert die kritische Methodologie. Nur so besteht die Chance, aus dem metaphysischen Forschungsprogramm eine falsifizierbare Wissenschaft zu machen. Nämlich dadurch, dass es die Theorie beim Hineinpressen zerreisst. Solange das Hineinpressen noch in jedem Falle geht, ist es noch eine Allerklärung. |
Verzeih' aber das ist der blanke Unsinn! Jede beliebige Theorie kann man dogmatisch "zutode immunisieren", das macht der Kreationismus überdeutlich. Wenn wir es ihm gleichtäten, hätten wir schlicht und ergreifend keine wissenschaftlichen Argumente mehr. Der Sinn von Wissenschaft besteht doch gerade darin, Theorien, die logisch widerlegt wurden, schrittweise zu modifizieren und zu revolutionieren, so daß die Theorien immer mehr erklären. Dazu genügt es einfach nicht, den Rahmen so zu belassen, wie er ist und nur ein paar Hilfshypothesen auszutauschen. Das wäre alles nur keine ergebnisoffene und fruchtbare Wissenschaft. Auch das Falsifikationsprinzip könntest Du schlicht und ergreifend vergessen. Daher fordert Popper, daß jede beachtenswerte Theorie Zitat: | sowohl konservativ wie auch revolutionär sein | müsse.
[...]
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Ich denke, mit der Selektionstheorie (genauer: der "Synthetischen Theorie der Evolution") verhält es sich ähnlich. |
Nein. Weil die logisch falsifizierende Bedingung nicht bekannt ist. (Ich kenne sie nicht, vielleicht kennst Du ja eine). |
Nicht nur eine. Riedl und Krall haben einen ganzen Katalog falsifizierender Befunde zusammengetragen (die mit irgendwelchen noch ausstehenden Detailerklärungen übrigens nichts zu tun haben):
Riedl, R.; Krall, P. (1994): Die Evolutionstheorie im wissenschaftstheoretischen Wandel. In: Wieser, W. (Hrsg.): Die Evolution der Evolutionstheorie. Von Darwin zur DNA. Heidelberg, Berlin, Oxford, 234-266.
Das sind zunächst einmal "nur" logische Falsifikationen. Damit ist nicht gesagt, daß die STE in der Praxis aufgegeben werden muß. Diese Falsifikationen liefern gewissermaßen nur "Impulse", die darauf hindeuten, daß die Theorie nicht vollständig ist und (gehaltsvermehrend) überarbeitet werden sollte. Es liegt jetzt an den Wissenschaftlern, was sie daraus machen.
Sie können (wie dies bislang geschah) die Falsifikationen herunterspielen, gar totschweigen oder durch irgendwelche absurden "darwinian stories" wegerklären. Sie können aber auch die Chance im positiven Sinne nutzen und einen "echten" Schritt nach vorne wagen, indem sie ihre Theorie ausbauen und vervollständigen. Aber mit ein paar kosmetischen Randkorrekturen ist es nicht getan. Es wird - ähnlich wie beim "Umbau" der klassischen Physik zur Quantenphysik - viele begriffliche und semantische Überschneidungen beider "Paradigmen" geben. Aber man wird auch vieles (wie z.B. die Rolle der Umweltselektion) zurückstutzen und einiges sogar über Bord werden müssen, wie z.B. das naive Anpassungsparadigma. Sorry, wenn Du das nicht einsiehst, hast Du nach meiner arroganten Ansicht Poppers Methodologie bzw. das Wesen des wissenschaftlichen Fortschritts nicht verstanden.
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
Zuletzt bearbeitet von Darwin Upheaval am 13.07.2004, 17:16, insgesamt einmal bearbeitet |
|
Nach oben |
|
 |
El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
|
(#149814) Verfasst am: 13.07.2004, 17:15 Titel: |
|
|
Hi Martin,
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
[ ... ]
Kommt darauf an, was man unter "der STE" verstanden haben will. Ich habe den Eindruck, daß man alles irgendwie in "die" STE einbauen kann und das trotzdem noch als "STE" verkaufen kann. |
ein Mensch hat sie als 'Schwamm' bezeichnet, der alles aufsaugen kann, ohne zu platzen. Hat beispielsweise mit der Neutralen Theorie geklappt, soll mit den Durchbrochenen Gleichgewichten klappen und die Systemtheorien folgen wohl auch noch.
Wäre interessant, das, was dabei herauskommt, mit der 'reinen Lehre' auf dem Stand von 1947 zu vergleichen.
Grüßle
Thomas
|
|
Nach oben |
|
 |
Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
|
(#149819) Verfasst am: 13.07.2004, 17:25 Titel: |
|
|
Hi Thomas,
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Kommt darauf an, was man unter "der STE" verstanden haben will. Ich habe den Eindruck, daß man alles irgendwie in "die" STE einbauen kann und das trotzdem noch als "STE" verkaufen kann. |
ein Mensch hat sie als 'Schwamm' bezeichnet, der alles aufsaugen kann, ohne zu platzen. Hat beispielsweise mit der Neutralen Theorie geklappt, soll mit den Durchbrochenen Gleichgewichten klappen und die Systemtheorien folgen wohl auch noch. |
Ja, und ich bin mir nicht mehr sicher, ob das wirklich so gut ist. Die STE ist sicher ein ganz wichtiger Pfeiler in der Mechanismenfrage, der als Erklärungs-Fragment allgemein anerkannt wird. In diesem Sinn kann man nicht behaupten, die STE sei "falsch", und eine erweiterte Theorie "richtig". Aber so zu tun, als wäre der Rahmen für alle Zeiten festgefügt, so daß man den nur noch mit ein paar Details ausstopfen müsse, ist IMAO nicht ungefährlich.
[Edit 18:31 Uhr: [...] OK, die editierte Formulierung war blöd, entschuldige. Entschuldige auch Du, Klaus-Peter. Ich hatte einfach den Eindruck, daß wir aneinander vorbeiredeten. Glaub' mir, es ist wirklich so: Popper hat 2 Spielarten der Falsifikation unterschieden. Vielleicht sollte man sich das noch einmal genauer anschauen, denn darauf basierten allgemein eine Menge von Mißverständnissen...]
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
|
|
Nach oben |
|
 |
El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
|
(#149889) Verfasst am: 13.07.2004, 18:36 Titel: |
|
|
Hi Klaus-Peter,
ups, dieses Posting hatte ich übersehen, war am Wochenende weg.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | [...] Sowohl der 'Positivismusstreit' als auch die Tatsache, dass unser aller Kanzler Schmidt Popper als 'Hofphilosophen' ausrief, hat auch nicht gerade dazu beigetragen, Popper unumstritten zu machen. |
Ja, ich habe auch den Eindruck, dass die Ablehnung Poppers stets ideologisch motiviert ist. |
ich würde andere Auffassungen nicht a priori als 'ideologisch' bezeichnen. Es gibt durchaus triftige Argumente gegen Popper.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Ich verstehe auch nicht, warum Du meinst, Popper ausgerechnet aus den Schillpp-Bänden lernen zu müssen. |
Ich hatte vorher etliche Bücher von Popper und Albert gelesen, zudem auch die Antwort auf die Kritiker im Schilpp. Aber, wie gesagt, das ist über 20 Jahre her.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Die meisten Vorurteile über Popper kann man abstellen, wenn man bloss das recht flüssig lesbare "Auf der Suche nach einer besseren Welt" liest. Oder wenn es seriöser sein soll, das Popper Lesebuch bei Mohr Siebeck/ UTB. |
Geh' davon aus, dass ich diese und noch etliche andere Arbeiten von Popper gelesen habe.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Es scheint mir aber Konsens darin zu bestehen, dass Falsifikationismus nicht so funktionieren kann, wie Popper sich das vorstellte. |
Das stimmt so nachprüfbar nicht. Wahr ist, dass zahlreiche Leute sehr viel dummes Zeug darüber schreiben, was Popper angeblich sich vorgestellt hat (und da machen Leute, die ich sonst sehr schätze, keine Ausnahme, ich denke an Sokal, Vollmer, Mahner, Bunge, ... Es besteht Konsens, dass es so, wie Mahner/Bunge denken, dass Popper es gedacht hat, nicht funktionieren kann. (Ich gehe dabei stillschweigend davon aus,dass das was Martin auf seiner HP schreibt, ziemlich gut die Vorstellungen von Mahner/Bunge trifft, ich muss zugeben, dass ich die beiden nur von Dir und Martin kenne). |
Ich denke, darüber sollten wir nur diskutieren, wenn Du Mahner / Bunge gelesen hast. Martin hat, im Gegensatz zu mir, noch etliche andere Arbeiten von Wissenschaftstheoretikern gelesen. Aber selbst das, was ich gelesen habe, zeigt, dass Popper eben nicht unumstritten ist. Das geht bis in die Cladistik. Da meinen Menschen aufgrund von Popper, Systematik ohne Evolution treiben zu müssen.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Denn für die Falsifikation braucht man ja eine Auffassung, die eine Falsifikation begründen kann. Wenn es keine direkte Erkenntnis gibt, kann eine Erfahrung ja auch nicht an 'der Natur' (oder der 'Wirk'lichkeit) scheitern, denn wir erkennen diese ja nur theoriegeleitet. Wir vergleichen ja nicht unsere Theorie mit 'der Natur', sondern die Messwerte, die wir auf der Basis einer bestimmten Theorie ermitteln mit den Vorhersagen einer (anderen?) Theorie. |
Lies mein Popper Zitat im Beitrag an Martin, dann siehst Du, dass Popper das sehr wohl gesehen und gelöst hat - von Anfang an. |
Nur sehr wenige Menschen haben mitbekommen, dass Popper das gelöst haben soll. Noch weniger hat Poppers 'Lösung' des Induktionsproblems überzeugt. Es ist schlicht und ergreifend nicht zutreffend, dass es Popper nur sonst nur unbedeutende Wissenschaftstheoretiker gibt.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Streng genommen ist sogar die Auffassung, dass sich unsere Theorien 'der Wahrheit' (ein Relikt aus den Zeiten der 'adaequatio'-Auffassung) annähern, schwer zu begründen. Denn auch dazu müsste man ein 'tertium comparationis' haben. |
Nein, muss man nicht. Die Annäherung an die Wahrheit kommt durch die Zunahme an empirischem Gehalt zustande. |
Auch wenn Popper das sagt, ist das schlicht und ergreifend falsch. Denk daran, dass wir _kein_ tertium comparationis haben und dass uns die Natur nur 'negativ' antwortet. Selbst wenn wir uns der Wahrheit annähern, _wissen_ wir nicht, dass wir das tun.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Wie Du auch sagst, haben wir nur ein Kriterium, das 'negativ' antwortet. Solange unsere Theorien 'passen' haben wir streng genommen nichts gelernt. |
Das ist nur die Hälfte der Wahrheit. Der wichtigere Teil: Unabhängig von ihrer Wahrheit kann man Theorien einen empirischen Gehalt zuschreiben, und hat auf diese Art ein "Fortschrittskriterium". |
Empirie hat das Problem, dass Du nur theoriegeleitete Beobachtungen machst.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Dadurch bekommt man Hiweise, was man sinnvollerweise prüfen sollte, und erhält im Falle einer Nichtwiderlegung wesentlich mehr als nur eine Negativaussage: Nämlich die Aussage, dass eine gehaltvollere Theorie der Prüfung standgehalten hat. Kann man schön nachlesen: Popper Lesebuch, Text 13 ("Wachstum der wissenschaftlichen Erkenntnis" und Text 14 ("Wahrheit und Annäherung an die Wahrheit"). Dort ist auch sehr schön beschrieben, wodurch sich der moderne an Tarski anlehnende semantische Wahrheitsbegriff von dem alten "Adäquatio"-Begriff und anderen Abbild- und Projektionstheorien unterscheidet. |
Kennst Du
Skirbekk, G.; (Hrsg.) (1980) 'Wahrheitstheorien. Eine Auswahl aus den Diskussionen über Wahrheit im 20. Jahrhundert [2. Aufl.]' Frankfurt, Suhrkamp
Ich vermute, da steht das alles auch.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Auch eine 'Verbesserung' einer an 'der Erfahrung' gescheiterten Theorie ist eben nur eine Passung. Das Problem scheint mir darin zu liegen, dass es nicht möglich ist, eine wahre Aussage _als_ wahr zu erkennen. |
Das ist ja gerade der Witz an Poppers Ansatz: Dadurch, dass man ein Fortschrittskriterium besitzt, |
Wenn dieses Kriterium aber nicht aufgewiesen werden kann?
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | kann man sich der Wahrheit annähern (durch eine nicht-falsifizierte, bessere Theorie) ohne sie zu kennen. |
Eben nicht. Man kann auch immer weiter in die falsche Richtung laufen, _solange_ 'die Natur' nicht 'nein' sagt. Denk immer daran, dass wir nicht unsere Theorien an 'der Natur' sondern an unseren Modellen von der Natur messen. Das ist ein Unterschied.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Das ist, wie wenn man die Kreiszahl Pi durch Intervallschachtelung annähert. Aber das ist wesentlich mehr als eine blosse "Passung", die lediglich Messdaten interpoliert. |
Vor allem ist das ein hinkendes Beispiel, weil ein 'Kreis' ein Konstrukt ist. Du misst auch hier Dein Modell an einem Modell.
Grüßle
Thomas
|
|
Nach oben |
|
 |
Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
|
(#150055) Verfasst am: 14.07.2004, 05:30 Titel: |
|
|
Zitat: | Entschuldige auch Du, Klaus-Peter. Ich hatte einfach den Eindruck, daß wir aneinander vorbeiredeten. Glaub' mir, es ist wirklich so: Popper hat 2 Spielarten der Falsifikation unterschieden. Vielleicht sollte man sich das noch einmal genauer anschauen, denn darauf basierten allgemein eine Menge von Mißverständnissen...] |
Hallo Martin,
Deine Erwähnung des Popper Artikel legt nahe, dass Du mit "2 Spielarten" die Tatsache meinst, dass logische Falsifizierbarkeit und tatsächliche Falsifizierung unterschieden werden müssen.
Da stimme ich natürlich voll und ganz zu. Es ist aber irreführend, dies als "2 Spielarten" zu bezeichnen. Denn nur und ausschliesslich die Falsifizierbarkeit ist für die Untersuchung der Wissenschaftlichkeit einer Theorie erforderlich. Während die Falsifizierung eine Entscheidung der Scientific Community ist, die zeitlich nachgeordnet ist, so sie überhaupt stattfindet (die Quantenmechanik ist falsifizierbar, aber bis heute nicht falsifiziert).
Dass eine Theorie (wie ET) nicht logisch falsifizierbar sei, aber faktisch falsifiziert worden sei (wie Du es getan hast), das gibt es prinzipiell nicht. (Und davon hattest Du gesprochen).
Worum ich Dich gebeten hatte, war, Deine (angeblichen) Falsifizierungen darauf zu überprüfen, ob Du Basissätze findest, die rein logisch mit der ET in Widerspruch stehen. Die von Dir genannten Dinge
die abnorm häufige Konvergenzbildungen bei den frühen Landpflanzen. Oder an die Stetigkeit der Baupläne (nicht nur von "lebenden Fossilien", wie Limulus, Lingula ). Oder an die Mosaikevolution. Oder an Präadaptationen, Tiefenhomologien usw. usf.
sind alle sehr wohl mit der ganz gewöhnliche STE logisch vereinbar. Falls Du anderer Meinung bist, solltest Du ausführen, wo dies nicht der Fall ist.
Gruss
KP
PS ich bin jetzt ein paar Tage weg.
|
|
Nach oben |
|
 |
Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
|
(#150169) Verfasst am: 14.07.2004, 12:34 Titel: |
|
|
Hi Klaus-Peter,
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Deine Erwähnung des Popper Artikel legt nahe, dass Du mit "2 Spielarten" die Tatsache meinst, dass logische Falsifizierbarkeit und tatsächliche Falsifizierung unterschieden werden müssen. Da stimme ich natürlich voll und ganz zu. |
Genau das meinte ich
Wobei es wiederum mindestens drei Bedeutungen der (praktischen) "Falsifikation" gibt: So kann man z.B. von einer Theorie vollständig abrücken und - in Anlehnung an Kuhns "Paradigmenwechsel" - durch ein radikal neues Aussagensystem ersetzen. Das ist meist aber nicht der Fall. Im Regelfall kommt es zwischen der "neuen" Theorie und ihrem falsifizierten Vorgänger zu begrifflichen und semantischen Überschneidungen. Man könnte auch sagen, daß die falsifzierte Theorie nicht aufgegeben wird, sondern als Spezialfall in der neuen Theorie enthalten ist. Eine solche Falsifikation ist nach Popper sowohl konservativ als auch revolutionär, wobei aber oft nicht klar ist, wann eine Theorie wirklich aufgegeben werden sollte und wann nicht. Schließlich hätten die besten Theorien, die wir heute haben, schon aufgegeben werden müssen, kurz nachdem sie entworfen wurden. Die "Augenblicksrationalität", die Popper fordert, ist also nicht ganz unproblematisch. Schließlich gibt es drittens auch den Fall, daß die grundlegenden Elemente einer (logisch) falsifzierte Theorie als "harter Kern" beibehalten werden und nur der "Gürtel" aus Hilshypothesen ausgetauscht wird - das wäre dann die "schwächste" Form der (praktischen) Falsifikation, wie er von Lakatos vorgeschlagen wurde. Dessen "raffiniert-methodologischer Falsifikationismus" hat den Nachteil, daß eine solche Forschung nicht wirklich ergebnisoffen wäre, weil sie nur konserviert.
Du siehst, die Probleme sind vielfältig. Eine wirklich universelle, ahistorische Methodologie hat bis heute noch niemand formulieren können - auch Popper nicht.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Worum ich Dich gebeten hatte, war, Deine (angeblichen) Falsifizierungen darauf zu überprüfen, ob Du Basissätze findest, die rein logisch mit der ET in Widerspruch stehen. Die von Dir genannten Dinge
die abnorm häufige Konvergenzbildungen bei den frühen Landpflanzen. Oder an die Stetigkeit der Baupläne (nicht nur von "lebenden Fossilien", wie Limulus, Lingula ). Oder an die Mosaikevolution. Oder an Präadaptationen, Tiefenhomologien usw. usf.
sind alle sehr wohl mit der ganz gewöhnliche STE logisch vereinbar. Falls Du anderer Meinung bist, solltest Du ausführen, wo dies nicht der Fall ist. |
Nun, logisch vereinbar wären sie nur dann, nachdem man die STE modifiziert hat. Wenn man aber behauptet, die STE biete bereits einen vollständigen Erklärungsrahmen, an dem es nichts mehr zu revidieren gibt, sind die Befunde, die Riedl & Krall genannt haben, echte logische Widersprüche, weil die STE in ihrer heutigen Form die Fragen definitiv nicht erklären kann. Die Frage ist jetzt, was die Biologen daraus machen.
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
|
|
Nach oben |
|
 |
Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
|
(#150747) Verfasst am: 15.07.2004, 15:40 Titel: |
|
|
Hallo Martin,
ich beschränke mich auf die m.E. zentralen Punkte (und lasse eine detaillierte Kritik an Lakatos und Kuhn weg)
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Schließlich gibt es drittens auch den Fall, daß die grundlegenden Elemente einer (logisch) falsifizierte Theorie als "harter Kern" beibehalten werden und nur der "Gürtel" aus Hilshypothesen ausgetauscht wird - das wäre dann die "schwächste" Form der (praktischen) Falsifikation, wie er von Lakatos vorgeschlagen wurde. |
Du musst dringend sorgfältiger formulieren. Eine "logisch falsifizierte Theorie" gibt es nicht. Logisch falsifizierbar gibt es. Was nichts anderes heisst, als dass es eine denkbare Naturbeobachtung gibt, die mit der Theorie logisch nicht vereinbar ist.
Anzuerkennen, dass die Naturbeobachtung tatsächlich gemacht wurde (die "tatsächliche Falsifizierung"), ist eine andere Sache. Wenn das geschieht, dann ist die Theorie tatsächlich falsifiziert. Aber selbst dann muss es nicht rational sein, die Theorie sofort wegzuwerfen. Dass Lakatos versucht, das Verwerfen von Theorien zu formalisieren, halte ich für nicht sehr zielführend und interessiert mich im Moment eher gar nicht.
Zitat: | Du siehst, die Probleme sind vielfältig. Eine wirklich universelle, ahistorische Methodologie hat bis heute noch niemand formulieren können - auch Popper nicht. |
Eine Methodologie in dem Sinne, dass man eine Methode hat, wo man oben was reinstopft, und unten kann jeder Depp Wissenschaft rauslassen gibt es auch nicht. Wissenschaft ist immer ein gesellschaftliches Tun. Und was man für wahr hält, ist eine Frage des Konsenses. Was wahr ist, ist dagegen keine Frage des Konsenses, sondern eine objektive Tatsache (von der man leider keine sichere Kenntnis haben kann).
Zitat: | Nun, logisch vereinbar wären sie nur dann, nachdem man die STE modifiziert hat. |
Du behauptest also schon wieder, Beobachtungen wie Mosaikevolution (oder lebende Fossilien, oder unterbrochene Gleichgewichte oder "Riedlsche Befunde") und STE (im Sinne von reiner Mutation und Selektion) seien nicht logisch miteinander vereinbar. Dürfte ich Dich noch einmal bitten, mir zu zeigen, inwiefern nicht (nimm ein Beipsiel, wo es Deiner Meinung nach am einfachsten zu zeigen geht). Ich sehe das nämlich überhaupt nicht.
Gruss
KP
|
|
Nach oben |
|
 |
El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
|
(#150764) Verfasst am: 15.07.2004, 16:38 Titel: |
|
|
Hi Klaus-Peter,
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: |
[ ... ]
Du behauptest also schon wieder, Beobachtungen wie Mosaikevolution (oder lebende Fossilien, oder unterbrochene Gleichgewichte oder "Riedlsche Befunde") und STE (im Sinne von reiner Mutation und Selektion) seien nicht logisch miteinander vereinbar. Dürfte ich Dich noch einmal bitten, mir zu zeigen, inwiefern nicht (nimm ein Beipsiel, wo es Deiner Meinung nach am einfachsten zu zeigen geht). Ich sehe das nämlich überhaupt nicht. |
das Problem liegt noch tiefer: niemand kann Dir genau sagen, was die STE eigentlich _ist_. Daher ist es sehr schwer, irgendetwas zu finden, das ihr widerspricht (BTW, Dawkins und Co. bezeichnen sich als Neo-Darwinisten, nicht als Anhänger der STE).
Ein Riesen-Problem war beispielsweise die Neutrale Evolution. Es gelang zwar, sie letztendlich irgendwie 'einzubauen' (was Menschen dazu geführt, hat, die STE als 'Schwamm, der alles in sich aufsaugen kann, ohne zu platzen' zu bezeichnen), aber _erwartet_ hatte das Phänomen niemand.
Ein anderes Problem waren die Durchbrochenen Gleichgewichte. Dabei allerdings weniger die Punktuationen als die Stasis. Phyletische Evolution sieht anders aus. Auch hier haben die Vertreter der STE einfach in die 'Trickkiste' gegriffen, 'stabilisierende Selektion' gefunden und gemeint, nun sei alles erklärt.
Ein Problem ist der mit der STE verbundene Externalismus. Es ist sehr schwer zu erklären, warum es Arten gibt, die bei _wandelnden_ Umwelten konstant bleiben.
Man _kann_ natürlich sagen, letztendlich ist alles Mutation und Selektion. Das ist aber dann in etwa auf der Ebene, zu sagen, dass alles aufgrund von elektrostatischen Wechselwirkungen in der Elektronenhülle unter Beachtung des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik erfolgt.
Gerade die STE hat das nicht gemacht, was Popper fordert: möglichst widerlegbare (aber natürlich nicht widerlegte) Aussagen zu formulieren.
Grüßle
Thomas
|
|
Nach oben |
|
 |
Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
|
(#150839) Verfasst am: 15.07.2004, 17:49 Titel: |
|
|
Hi Klaus-Peter,
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Schließlich gibt es drittens auch den Fall, daß die grundlegenden Elemente einer (logisch) falsifizierte Theorie als "harter Kern" beibehalten werden und nur der "Gürtel" aus Hilshypothesen ausgetauscht wird - das wäre dann die "schwächste" Form der (praktischen) Falsifikation, wie er von Lakatos vorgeschlagen wurde. |
Du musst dringend sorgfältiger formulieren. Eine "logisch falsifizierte Theorie" gibt es nicht. Logisch falsifizierbar gibt es. Was nichts anderes heisst, als dass es eine denkbare Naturbeobachtung gibt, die mit der Theorie logisch nicht vereinbar ist. |
Ich will mich auf Deine merkwürdigen Wortklaubereien gar nicht näher einlassen - informier' Dich darüber, was Popper geschrieben hat und überleg' Dir, ob es sinnvoll ist, einem (theoretischen) Gebilde potentielle Eigenschaften (wie "logische Falsifizierbarkeit", "Lösbarkeit", "Eßbarkeit" usw.) zuzuschreiben und gleichzeitig die Realisierung dieser Potenzen ("logisch falsifiziert", "gelöst", "gegessen" usw.) für unmöglich zu erklären.
[...]
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Nun, logisch vereinbar wären sie nur dann, nachdem man die STE modifiziert hat. |
Du behauptest also schon wieder, Beobachtungen wie Mosaikevolution (oder lebende Fossilien, oder unterbrochene Gleichgewichte oder "Riedlsche Befunde") und STE (im Sinne von reiner Mutation und Selektion) seien nicht logisch miteinander vereinbar. Dürfte ich Dich noch einmal bitten, mir zu zeigen, inwiefern nicht (nimm ein Beipsiel, wo es Deiner Meinung nach am einfachsten zu zeigen geht). Ich sehe das nämlich überhaupt nicht. |
Ich denke, Thomas hat Dir gerade geschrieben, was Sache ist: Es gibt eine Menge von Befunden, die nicht ins althergebrachte Raster paßen: Artkonstanz bei wechselnden Umweltbedingungen, Parallelentwicklungen in grundverschiedenen Umwelten usw. Und wenn in den turbulentesten Regionen und Erdepochen über zig Jahrmillionen so gut wie nix passiert und binnen wenigen 100.000 Jahren wie aus dem Nichts eine Formenexplosion einsetzt, sieht jeder Blinde mit Krückstock, daß eine Erklärung qua "Zufallsmutation - Umweltselektion" hinten und vorne nicht paßt. Das ist in der Tat eine simple "Ja - nein-Entscheidung" und damit eine Frage der Logik. Ist das so schwer zu kapieren? Sogar Mayr hat in einem seiner letzten größeren Interviews eingeräumt, daß da einiges nicht den Erwartungen "der STE" entspricht.
Wer hier das Falsifikationsprinzip halbwegs beherzigt und nicht bloß als Worthülse gebraucht, muß zugegeben, daß hier logische Falsifikationen vorliegen, die dazu anregen, die Theorie wenigstens gehaltsvermehrend zu überarbeiten. Das ist ja mit den "punctuated equilibria", den Ansätzen von "EvoDevo" etc. ja auch gemacht worden. Wie man das Theoriengebäude dann taufen will, ist in diesem Zusammenhang eher nebensächlich.
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
|
|
Nach oben |
|
 |
Klaus-Peter auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.01.2004 Beiträge: 1534
|
(#151051) Verfasst am: 16.07.2004, 00:02 Titel: |
|
|
Hallo Martin,
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: |
Ich will mich auf Deine merkwürdigen Wortklaubereien gar nicht näher einlassen - informier' Dich darüber, was Popper geschrieben hat und überleg' Dir, ob es sinnvoll ist, einem (theoretischen) Gebilde potentielle Eigenschaften (wie "logische Falsifizierbarkeit", "Lösbarkeit", "Eßbarkeit" usw.) zuzuschreiben und gleichzeitig die Realisierung dieser Potenzen ("logisch falsifiziert", "gelöst", "gegessen" usw.) für unmöglich zu erklären. |
Ich muss leider feststellen, dass Du nicht verstanden hast, was Falsifikation ist, und auch nicht bereit zu sein scheinst, ein verbessertes Verständnis zu erlangen.
Eine Theorie, die im logischen Widerspruch zu einem Basissatz steht, ist falsifizierbar. "Falsifizierbarkeit" ist somit eine rein logische Eigenschaft einer Theorie in Bezug auf eine Anzahl Basissätze. Beispiel: Die Abstammungslehre sagt zum BEispiel, dass Menschen und Dinosaurier nicht gleichzeitig gelebt haben. Sie ist somit falsifizierbar, weil es denkbare Beobachtungen gibt (z.B. Fussabdruck eines Menschen im Jura neben einem Saurier), die mit der Theorie logisch unvereinbar sind. Das ist eine rein logische Eigenschaft der Theorie, und unabhängig von empirischen Resultaten. Wenn ich nun eines Tages anerkenne, dass man so einen Fussabdruck gefunden hat, dann ist die Theorie tatsächlich falsifiziert. Das ist aber keine Sache der Logik, der Deduktion mehr, sondern eine Sache der Beobachtung und der Einigung von Forschern, ob das tatsächlich ein Fussabdruck ist, oder doch etwas anderes. Die eigentliche Falsifikation ist somit eine empirische, keine logische Sache.
Zitat: | Es gibt eine Menge von Befunden, die nicht ins althergebrachte Raster paßen: |
Das mag sein, das heisst aber nicht, dass solche Befunde mit STE logisch nicht vereinbar sind.
Zitat: | Artkonstanz bei wechselnden Umweltbedingungen, Parallelentwicklungen in grundverschiedenen Umwelten usw. |
All dies ist logisch sehr wohl mit Mutation und Selektion vereinbar. Wenn die Mutation nicht die geeigneten Erfindungen macht, an denen die Selektion angreifen kann, dann ändert sich die Art nicht, obwohl sich die Umwelt ändert. Und wenn in unterschiedlichen Umgebungen gleiche Probleme zu lösen sind, dann sind auch ähnliche Lösungen zu erwarten.
Zitat: | Und wenn in den turbulentesten Regionen und Erdepochen über zig Jahrmillionen so gut wie nix passiert und binnen wenigen 100.000 Jahren wie aus dem Nichts eine Formenexplosion einsetzt, sieht jeder Blinde mit Krückstock, daß eine Erklärung qua "Zufallsmutation - Umweltselektion" hinten und vorne nicht paßt. |
Wenn die Mutation zigmillionen Jahre lang nichts gescheites erfindet, dann tut sich eben nichts. Und wenn sie die Super-Erfindung macht, dann geht ie Post ab. (Wenn ich nach Ursachen für die kambrische Explosion suchen müsste, würde ich auf eine Erfindung wie die Hox-Gene tippen.
Zitat: | Das ist in der Tat eine simple "Ja - nein-Entscheidung" und damit eine Frage der Logik. Ist das so schwer zu kapieren? |
Das ist in der Tat schwer zu kapieren. Was hat "ja-nein-Entscheidung" mit Logik tun?
Zitat: | Sogar Mayr hat in einem seiner letzten größeren Interviews eingeräumt, daß da einiges nicht den Erwartungen "der STE" entspricht. |
Was immer er damit gemeint hat...
Zitat: | Wer hier das Falsifikationsprinzip halbwegs beherzigt und nicht bloß als Worthülse gebraucht, muß zugegeben, daß hier logische Falsifikationen vorliegen, die dazu anregen, die Theorie wenigstens gehaltsvermehrend zu überarbeiten. |
Wer das Falsifikationsprinzip nur annähernd verstanden hat, sieht, dass hier keine falsifizierenden Basissätze vorliegen, sondern dass Equilibrum und Mutation/Selektion perfekt logisch miteinander vereinbar sind.
Zitat: | Wie man das Theoriengebäude dann taufen will, ist in diesem Zusammenhang eher nebensächlich. |
Das ist wahr.
Übrigens, wenn Du den Beitrag von Thomas sorgfältig liest, wirst Du feststellen, dass Thomas offenbar wie Popper der Meinung ist, STE sei nicht falsifizierbar.
Ich schliesse das aus Sätzen wie:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Gerade die STE hat das nicht gemacht, was Popper fordert: möglichst widerlegbare (aber natürlich nicht widerlegte) Aussagen zu formulieren. |
Du bist dagegender Meinung, STE sei bereits falsifiziert.
Wir sind uns aber hoffentlich einig, dass sich diese beiden Meinungen logisch ausschliessen.
Gruss
KP
|
|
Nach oben |
|
 |
El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
|
(#151103) Verfasst am: 16.07.2004, 05:56 Titel: |
|
|
Hi Klaus-Peter,
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: |
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Gerade die STE hat das nicht gemacht, was Popper fordert: möglichst widerlegbare (aber natürlich nicht widerlegte) Aussagen zu formulieren. |
Du bist dagegender Meinung, STE sei bereits falsifiziert. |
nein. Ich weiß gar nicht, was 'STE' _konkret_ bedeutet. Daher weiß ich auch nicht, wie man sie falsfizieren könnte.
Klaus-Peter hat folgendes geschrieben: | Wir sind uns aber hoffentlich einig, dass sich diese beiden Meinungen logisch ausschliessen.
|
Möglicherweise.
Ich bin mir aber nicht sicher, ob Du mit 'STE' nicht etwas meinst, was ich gar nicht darunter verstehe.
BTW, Menschenspuren zusammen mit Dinosauriern würden nicht widerlegen, dass Evolution via Mutation und Selektion abläuft (also einen _Mechanismsu_), sondern nur die Ableitung des Menschen von bestimmten Formen (also eine _Phylogenie_).
Grüßle
Thomas
|
|
Nach oben |
|
 |
|