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Bewusstsein und Evolution
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kalmar
Poltergeist



Anmeldungsdatum: 29.11.2005
Beiträge: 81
Wohnort: Salzwedel

Beitrag(#1517524) Verfasst am: 12.08.2010, 15:58    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Aber die Erklärungslücke hat damit [mit der Frage nach der 'objektiven Welt' - kalmar] nichts zu tun, das halte ich für eine falsche Analogie.

Für Dich hat die 'Erklärungslücke' mehr mit dem 'Qualiaproblem' zu tun, stimmt's? Man muss aber beides voneinander trennen, denke ich. Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen:

Wenn elektromagnetische Wellen bestimmter Wellenlänge auf die Netzhäute der Augen von Versuchspersonen treffen, ist das regelmäßig damit verbunden, dass diese Versuchspersonen auf die Frage, was sie sehen, antworten: "Rot". Angenommen, wir wüssten, wie der Gehirnzustand, bei dem die Versuchspersonen 'Rot' sehen, genau beschaffen ist, und angenommen, wir könnten lückenlos beschreiben, wie das Gehirn diesen Zustand erzeugt - beides halte ich für möglich - dann wäre das als Erklärung, wie 'Rot-Erlebnisse' entstehen, hinreichend.

Es entsteht keine Erklärungslücke dadurch, dass die Versuchspersonen möglicherweise etwas Unterschiedliches innerlich erleben, während sie sagen, dass sie 'Rot' sehen. Wenn das, was sie innerlich erleben, dasselbe ist wie das, was sie sonst immer erleben, wenn sie sagen, dass sie etwas Rotes sehen - wenn die Versuchspersonen also nicht lügen - ist die Sache in Ordnung. Die Erklärungslücke entsteht vielmehr dadurch, dass wir im Prinzip nicht wissen können, ob die Versuchspersonen lügen - wir müssen ihen glauben, dass sie ein Rot-Erlebnis haben, wenn sie sagen, sie haben eins.

Das Qualia-Argument wurde, soweit ich weiß, vor allem vorgebracht, um die Identitätstheorie zu widerlegen. Um mit Hilfe der Identitätstheorie die Erklärungslücke zu schließen in der Form:

(1) Wir wissen alles über den Gehirnvorgang, der Rot-Erlebnisse erzeut.
(2) Ein Gehirnvorgang, der ein Rot-Erlebnis erzeugt, ist mit einem Rot-Erlebnis identisch.

müsste man die Identitätstheorie aber nicht nur nicht widerlegen können - man müsste sie beweisen können. Und dass man das nicht kann, liegt an ihrer Zirkularität und nicht am Qualia-Argument.
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kalmar
Poltergeist



Anmeldungsdatum: 29.11.2005
Beiträge: 81
Wohnort: Salzwedel

Beitrag(#1517622) Verfasst am: 12.08.2010, 21:30    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Bei der Realismus-Frage würde ich mich mal wieder Putnam anschließen mit seinem Direkten Realismus.

Wenn ich es richtig verstanden habe, ist Putnams direkter Realismus = Naiver Realismus + Modelltheorie, also:

Ich sehe den Baum auf der Wiese.
Ich sehe nicht das Bild eines Baumes in meinem Gehirn,
denn ich sitze nicht in meinem Gehirn und betrachte Bilder.
Ich sitze auf der Wiese und sehe den Baum.
Jedenfalls glaube ich das.
Ich glaube, dass der Baum, den ich sehe, dort tatsächlich vorhanden ist,
und dass ich ihn deshalb dort sehe.
Vielleicht irre ich mich.
Vielleicht ist mein Modell falsch.
Aber ich glaube, dass das Modell nicht falsch ist.

(Seltsam, dass wir hier und im Thread 'Transzendenz / Immanenz' ungefähr dieselben Probleme diskutieren...)


Zuletzt bearbeitet von kalmar am 12.08.2010, 21:38, insgesamt 2-mal bearbeitet
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1517623) Verfasst am: 12.08.2010, 21:32    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nur ist es jedoch voraussetzungsgemäß so, dass alles in das Gehirn eingespeist wird, es hat keinerlei Sensoren, die sich auf unsere Welt beziehen. Alles, was 'Gehirn', 'Tank', 'Einspeisung' etc. betrifft, ist also für das Gehirn unerkennbar. ...

Wenn man natürlich voraussetzt, daß das Gehirn keinen relevanten Kontakt zur Außenwelt hat, wir die Behauptung, es könne über die Außenwelt nur spekulieren, eher trivial. Ich gehe allerdings davon aus, daß die Voraussetzung schwierig zu erfüllen ist, weil die Inputs ja immer physikalisch (oder was wir so nennen) realisiert sein müssen und daher per se eine Art Sensorik darstellen.

Dann verstehe ich wohl einfach nicht, was Du mit 'eine Art Sensorik' meinst und worauf Du hinauswillst. Was in unserem Gehirn physikalisch abläuft, ist für uns nun mal nicht direkt erkennbar, es gibt mW keine Sensoren im Gehirn selber.

Wohinein willst Du denn dem Gehirn dann etwas einspeisen?

Wie schon angedeutet: Ich vermute, ein Gehirn im Tank (oder ein entsprechendes Softwareprogramm) würde ein Selbstmodell ausbilden, das auch seine Hardware/Schwabbelware und seine Umwelt irgendwie mitmodelliert. Wobei das Modell natürlich schlechter ist, umso besser man das Gehirn von seiner Umwelt isoliert.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1517666) Verfasst am: 12.08.2010, 22:53    Titel: Antworten mit Zitat

kalmar hat folgendes geschrieben:
Wenn ich es richtig verstanden habe, ist Putnams direkter Realismus = Naiver Realismus + Modelltheorie, also:

Ich sehe den Baum auf der Wiese.
Ich sehe nicht das Bild eines Baumes in meinem Gehirn,
denn ich sitze nicht in meinem Gehirn und betrachte Bilder.
Ich sitze auf der Wiese und sehe den Baum.
Jedenfalls glaube ich das.
Ich glaube, dass der Baum, den ich sehe, dort tatsächlich vorhanden ist,
und dass ich ihn deshalb dort sehe.
Vielleicht irre ich mich.
Vielleicht ist mein Modell falsch.
Aber ich glaube, dass das Modell nicht falsch ist.

Ich sehe etwas, was meinem Konzept 'Baum' entspricht sitzend auf etwas, was meinem Konzept 'Wiese' entspricht.
Ich sehe nicht das Bild eines Baumes in meinem Gehirn,
denn ich sitze nicht in meinem Gehirn und betrachte Bilder.
Ich sehe den Baum.
Das glaube ich nicht, das ist einfach so.
Nun könnte es sein, dass das, was ich sehe, nicht das ist, was mein Konzept 'Baum' notwendigerweise beinhaltet, es könnte z.B. auch eine Spiegelung sein.
Wenn ich aufstehe und den Baum und seine Blätter anfasse, an ihm rieche etc. dann gehe ich davon aus, dass das, was ich sehe, tatsächlich ein Baum ist und ich mich nicht täusche.
"If it looks like a duck, swims like a duck, and quacks like a duck, then it probably is a duck."
Die Frage, ob Modelle falsch sind, ist solange sinnlos, solange es keine Möglichkeit gibt, die Falschheit festzustellen.
Die Frage kann daher dann nur sein: a) sind die Modelle nützlich und b) gibt es bessere Modelle, die die alten ersetzen können.
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Uriziel
Herpiderpi



Anmeldungsdatum: 22.12.2007
Beiträge: 1728

Beitrag(#1517675) Verfasst am: 12.08.2010, 23:07    Titel: Antworten mit Zitat

Das der Mensch ein Bewusstsein hat, glaube ich gerne...


Nur frage ich mich oft bei den Kommentaren verschiedenster Leute auf verschiedensten Internet-Seiten, ob sich das menschliche Bewusstsein seit den letzten +2000 Jahren in irgendeiner Form weiterentwickelt hat...

Also schlauer (sensibler/entwickelter) als damals kommen mir viele heutzutage nicht vor...
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1517687) Verfasst am: 12.08.2010, 23:22    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Wie schon angedeutet: Ich vermute, ein Gehirn im Tank (oder ein entsprechendes Softwareprogramm) würde ein Selbstmodell ausbilden, das auch seine Hardware/Schwabbelware und seine Umwelt irgendwie mitmodelliert.

Ja.

step hat folgendes geschrieben:
Wobei das Modell natürlich schlechter ist, umso besser man das Gehirn von seiner Umwelt isoliert.

Wieso? Und inwiefern 'schlechter'? Gemeint als 'inkonsistent', 'unlogisch'? Wenn ja: wieso sollte dann der hier angenommen Super-Hyper-Duper-Computer keine konsistente Umwelt simulieren können?
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1517782) Verfasst am: 13.08.2010, 09:09    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Wobei das Modell natürlich schlechter ist, umso besser man das Gehirn von seiner Umwelt isoliert.
Wieso? Und inwiefern 'schlechter'? Gemeint als 'inkonsistent', 'unlogisch'? Wenn ja: wieso sollte dann der hier angenommen Super-Hyper-Duper-Computer keine konsistente Umwelt simulieren können?

Konsistent ja, aber "schlechter" im Sinne von: es fehlen Teile des Modells, die sich auf Details der Umwelt beziehen, über die keine Information vorliegt. Ähnlich wie wir z.B. sehr wenig wissen über Teile des Universums, aus denen kein Licht zu uns kommt.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1517784) Verfasst am: 13.08.2010, 09:13    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Die Frage, ob Modelle falsch sind, ist solange sinnlos, solange es keine Möglichkeit gibt, die Falschheit festzustellen.
Die Frage kann daher dann nur sein: a) sind die Modelle nützlich und b) gibt es bessere Modelle, die die alten ersetzen können.

Das scheint mir unumstritten.
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zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1517806) Verfasst am: 13.08.2010, 10:35    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Die Frage, ob Modelle falsch sind, ist solange sinnlos, solange es keine Möglichkeit gibt, die Falschheit festzustellen.
Die Frage kann daher dann nur sein: a) sind die Modelle nützlich und b) gibt es bessere Modelle, die die alten ersetzen können.

Das scheint mir unumstritten.

Ich habe Schwierigkeiten mit der Nützlichkeit. Man kann auch auf dem Standpunkt stehen, daß das Kriterium Nützlichkeit zwar erst den Raum der Theorien konstituiert, die als objektiv gelten können. Aber das scheint mir eigentlich eher sowas wie eine notwendige Einschränkung zu sein, aus der sich nicht folgern lässt, daß der Mensch als Erkenntnis suchendes Wesen sein Mühen um Wahrheit vollständig aufgeben muss. Soweit ich das zum Beispiel sehe, können wir nicht sicher sein, daß die Wirklichkeit prinzipiell so geartet ist, daß sie sich modellieren lässt. Ich gehe eher davon aus, daß wir einige Voraussetzungen unseres Denkens erst noch zu entdecken haben. Auf dem Feld der Logik beispielsweise. Ist die Wirklichkeit diskret? Oder ist sie ein Kontinuum? Was bedeutet das für die Qualität von Aussagen? Und etliches mehr. Ich weiß nicht, ob ich mich verständlich ausdrücken kann.
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
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Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#1517808) Verfasst am: 13.08.2010, 10:46    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
.... Soweit ich das zum Beispiel sehe, können wir nicht sicher sein, daß die Wirklichkeit prinzipiell so geartet ist, daß sie sich modellieren lässt. ....

Gegenfrage:
Könnten wir uns überhaupt als evoluierte Wesen miteinander über dieses Thema unterhalten, wenn das nicht so wäre?

fwo
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1517873) Verfasst am: 13.08.2010, 13:54    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
.... Soweit ich das zum Beispiel sehe, können wir nicht sicher sein, daß die Wirklichkeit prinzipiell so geartet ist, daß sie sich modellieren lässt. ....

Gegenfrage:
Könnten wir uns überhaupt als evoluierte Wesen miteinander über dieses Thema unterhalten, wenn das nicht so wäre?

fwo


Ja. Über den Mesokosmos.
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26451
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#1517880) Verfasst am: 13.08.2010, 14:07    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
.... Soweit ich das zum Beispiel sehe, können wir nicht sicher sein, daß die Wirklichkeit prinzipiell so geartet ist, daß sie sich modellieren lässt. ....

Gegenfrage:
Könnten wir uns überhaupt als evoluierte Wesen miteinander über dieses Thema unterhalten, wenn das nicht so wäre?

fwo


Ja. Über den Mesokosmos.

Wenn man sich über die Regelhaftigkeit (Modellierbarkeit) des Mesokosmos einig ist: Welchen Sinn macht es dann, von einer Regellosigkeit des Mikrokosmos auszugehen, die gleichzeitig so geartet sein müsste, dass sie zu einer makroskopischen Regelhaftigkeit führen müsste?

Ich mag intellektuelle Spielereien, aber diese hier halte ich für sinnlos.

fwo
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1518004) Verfasst am: 13.08.2010, 19:09    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
... können wir nicht sicher sein, daß die Wirklichkeit prinzipiell so geartet ist, daß sie sich modellieren lässt. Ich gehe eher davon aus, daß wir einige Voraussetzungen unseres Denkens erst noch zu entdecken haben.

Wenn die Wirklichkeit nur scheinbar modelliebar wäre, "in Wirklichkeit" jedoch unmodellierbar, dann wäre dies keinerlei Erkenntnisquelle über sie. Zwei Dinge müssen sowieso soclhen Fragen bereits vorgeschaltet sein:

- eine hinreichende Modellierbarkeit, ohne die wir gar nicht fragen könnten
- ein (wiederum modellartiges) Kriterium, was wir als "wirklich" bezeichnen

Die detaillierten Voraussetzungen unseres Denkens sind natürlich noch zu entdecken. Entdecken heißt jedoch modellieren.
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kalmar
Poltergeist



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Beitrag(#1518119) Verfasst am: 13.08.2010, 21:52    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Ich sehe etwas, was meinem Konzept 'Baum' entspricht sitzend auf etwas, was meinem Konzept 'Wiese' entspricht.

Aber diese Konzepte sind mir nicht angeboren. Ich muss einmal auf einer Wiese gesessen und einen Baum gesehen haben, oder es wenigstens aus einem Bilderbuch gelernt haben, um die Konzepte 'Baum' und 'Wiese' zu besitzen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
"If it looks like a duck, swims like a duck, and quacks like a duck, then it probably is a duck."

Schön.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
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Beitrag(#1518146) Verfasst am: 13.08.2010, 22:49    Titel: Antworten mit Zitat

kalmar hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich sehe etwas, was meinem Konzept 'Baum' entspricht sitzend auf etwas, was meinem Konzept 'Wiese' entspricht.

Aber diese Konzepte sind mir nicht angeboren. Ich muss einmal auf einer Wiese gesessen und einen Baum gesehen haben, oder es wenigstens aus einem Bilderbuch gelernt haben, um die Konzepte 'Baum' und 'Wiese' zu besitzen.

Nein, diese Konzepte sind mir mAn nicht angeboren, sie entwickeln sich innerhalb einer (Sprach-)Gemeinschaft in den ersten Lebensjahren. (Angeboren ist jedoch die grundlegende Fähigkeit, überhaupt Teil dieser Sprachgemeinschaft werden zu können.)

Meiner Auffassung nach ist ein Mensch Teil eines sozialen Systemes, (bestehend aus anderen Menschen), einer Sprachgemeinschaft, und nur als solcher Teil kann sich die angelegte Fähigkeit überhaupt entwickeln.

Siehe dazu auch hier, (eine Seite über 'Wolfskinder').

Letztlich ist das, was einen Menschen ausmacht, wohl gar nicht im Individuum zu finden, sondern in der Kultur, der Gemeinschaft. Und somit wohl auch das, was das (normale) menschliche Bewusstein ausmacht.
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kalmar
Poltergeist



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Beitrag(#1518334) Verfasst am: 14.08.2010, 10:58    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Letztlich ist das, was einen Menschen ausmacht, wohl gar nicht im Individuum zu finden, sondern in der Kultur, der Gemeinschaft. Und somit wohl auch das, was das (normale) menschliche Bewusstein ausmacht.

Sehe ich genauso.
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zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1518393) Verfasst am: 14.08.2010, 14:22    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
[...]
"If it looks like a duck, swims like a duck, and quacks like a duck, then it probably is a duck."
Die Frage, ob Modelle falsch sind, ist solange sinnlos, solange es keine Möglichkeit gibt, die Falschheit festzustellen.
Die Frage kann daher dann nur sein: a) sind die Modelle nützlich und b) gibt es bessere Modelle, die die alten ersetzen können.

b) ist wann der Fall?
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
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Beitrag(#1518434) Verfasst am: 14.08.2010, 16:21    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Die Frage, ob Modelle falsch sind, ist solange sinnlos, solange es keine Möglichkeit gibt, die Falschheit festzustellen.
Die Frage kann daher dann nur sein: a) sind die Modelle nützlich und b) gibt es bessere Modelle, die die alten ersetzen können.

b) ist wann der Fall?

Wenn das neue Modell etwas besser erklären kann als das alte oder bessere Vorhersagen erlaubt oder wenn es umfassender als das alte Modell ist, d.h. vorher unabhängige Modelle in einen Zusammenhang bringen kann oder wenn es sparsamer bezüglich der Annahme von Entitäten ist oder wenn es plausibler ist.

(Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.)
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
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Wohnort: Berlin

Beitrag(#1518443) Verfasst am: 14.08.2010, 17:00    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Wobei das Modell natürlich schlechter ist, umso besser man das Gehirn von seiner Umwelt isoliert.
Wieso? Und inwiefern 'schlechter'? Gemeint als 'inkonsistent', 'unlogisch'? Wenn ja: wieso sollte dann der hier angenommen Super-Hyper-Duper-Computer keine konsistente Umwelt simulieren können?

Konsistent ja, aber "schlechter" im Sinne von: es fehlen Teile des Modells, die sich auf Details der Umwelt beziehen, über die keine Information vorliegt. Ähnlich wie wir z.B. sehr wenig wissen über Teile des Universums, aus denen kein Licht zu uns kommt.

Ich verstehe immer noch nicht. Weil Du nicht explizit unterscheidest zwischen 'äußerer Umwelt' und 'innerer Umwelt'. Im Gedankenexperiment ist die 'äußere Umwelt' diejenige (dasjenige 'Universum'), in der sich das Gehirn samt Leitungen und Computer befindet, die 'innere Umwelt' (das innere 'Universum') diejenige, die vom Computer simuliert wird.

Welche Teile wessen Modelles fehlen also wieso wo?

Alle Modelle aus der 1.-Person-Perspektive des Gehirnes beziehen sich auf strukturelle Zustände des Computers.
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step
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Beitrag(#1518481) Verfasst am: 14.08.2010, 18:52    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Im Gedankenexperiment ist die 'äußere Umwelt' diejenige (dasjenige 'Universum'), in der sich das Gehirn samt Leitungen und Computer befindet, die 'innere Umwelt' (das innere 'Universum') diejenige, die vom Computer simuliert wird.

Welche Teile wessen Modelles fehlen also wieso wo?

Dem Modell, dad das Gehirn im Tank sich von der (gesamten) Welt macht, fehlen Teile der von Dir "äußere" genannten Umwelt, das es über sie zu spärliche Informationen bezieht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Alle Modelle aus der 1.-Person-Perspektive des Gehirnes beziehen sich auf strukturelle Zustände des Computers.

Strukturelle Zustände des Computers sind aber Teil der von Dir "äußere" genannten Umwelt.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1518495) Verfasst am: 14.08.2010, 19:20    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Dem Modell, dad das Gehirn im Tank sich von der (gesamten) Welt macht, fehlen Teile der von Dir "äußere" genannten Umwelt, das es über sie zu spärliche Informationen bezieht.

Das Gehirn bezieht aber doch, das ergibt sich aus dem Gedankenexperiment-Versuchsaufbau, überhaupt keine Informationen über die äußere Umwelt (mangels Sensoren) und deren Aufbau, deren Komplexität, deren physikalischen Gesetze etc.

step hat folgendes geschrieben:
Strukturelle Zustände des Computers sind aber Teil der von Dir "äußere" genannten Umwelt.

Aber das Gehirn kann doch diese strukturellen Zustände nicht erkennen. Ebensowenig, wie ich strukturelle Zustände in meinem Gehirn direkt erkennen kann. Indirekt kann ich sie zwar erkennen, durch Messungen an meinem Gehirn, aber diese Möglichkeit hat das BIV (brain in an vat) nun mal nicht.

Mir ist nicht klar wo hier unser Verständnisproblem liegt.
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step
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Beitrag(#1518500) Verfasst am: 14.08.2010, 19:34    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das Gehirn bezieht aber doch, das ergibt sich aus dem Gedankenexperiment-Versuchsaufbau, überhaupt keine Informationen über die äußere Umwelt (mangels Sensoren) und deren Aufbau, deren Komplexität, deren physikalischen Gesetze etc. ... Mir ist nicht klar wo hier unser Verständnisproblem liegt.

Ich denke es liegt letztlich darin, daß ich die o.g. Voraussetzung nicht für realistisch halte. Die innere Welt überschneidet nach meiner Auffassung sozusagen immer mit der äußeren Welt.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1518546) Verfasst am: 14.08.2010, 21:27    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das Gehirn bezieht aber doch, das ergibt sich aus dem Gedankenexperiment-Versuchsaufbau, überhaupt keine Informationen über die äußere Umwelt (mangels Sensoren) und deren Aufbau, deren Komplexität, deren physikalischen Gesetze etc. ... Mir ist nicht klar wo hier unser Verständnisproblem liegt.

Ich denke es liegt letztlich darin, daß ich die o.g. Voraussetzung nicht für realistisch halte. Die innere Welt überschneidet nach meiner Auffassung sozusagen immer mit der äußeren Welt.

Ich verstehe immer noch nicht. (Sorry, manchmal stehe ich wohl einfach auf dem Schlauch.)

Stelle Dir jetzt einfach mal vor, Du bist ein Gehirn im Tank. Alle Erlebnisse werden Dir durch eine Art Computer eingespeist, der in einer anderen 'Welt' existiert als in der, die Deine 'Welt' ist, (die von ihm simulierte).

Was doch bedeutet: Du kannst gar nichts wissen über die 'Welt', in der der Computer existiert. Denn Du hast gar keine Sensoren, die mit der Welt des Computers verbunden sind, die Dir Informationen über diese Welt geben könnten.

Wenn Du nun nichts wissen kannst über die Welt des Computers, dann weißt Du auch nicht, wie komplex diese Welt ist, was es dort für Entitäten, physikalische Gesetze etc. gibt.

Du kannst nun wohl Folgendes schließen: wenn dem so ist und dieser Computer mein ganzes Universum simuliert, dann muss dieser Computer komplexer als mein 'Universum' (das simulierte Universum) sein.

Aber mehr kannst Du nicht schließen. Du kannst z.B. keineswegs aus den simulierten Naturgesetzen Deiner Welt auf die Naturgesetze der Welt des Computers schließen.

Der Computer simuliert Deine gesamte Welt, Deinen Körper, die anderen Leute, Deinen Urlaub, einfach alles. Dass er komplexer als das Simulierte sein muss, spielt keine Rolle, weil Du ja keine Informationen über die Komplexität seiner 'Welt' erlangen kannst. Also kann man eine beliebige Komplexität annehmen.

Was Du für realistisch hältst, hängt logischerweise von Deinem Universum ab, das ja aber hier im Gedankenexperiment komplett simuliert wird.

Und ein Schluss von einem simulierten Universum auf Eigenschaften des simulierenden Universums scheint mir ein Fehlschluss zu sein.
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step
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Beitrag(#1518767) Verfasst am: 15.08.2010, 12:09    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... ein Schluss von einem simulierten Universum auf Eigenschaften des simulierenden Universums scheint mir ein Fehlschluss zu sein.

Hmm ... also wie gesagt, mein Einwand bezieht sich auf die evtl. unausweichlichen Folgen der Annahme, ein Gehirn im Tank werde mit Input von außen versorgt oder sei auch nur auf ein Substrat der äußeren Welt angewiesen.

Daher möchte ich nochmals darauf hinweisen, daß es hier nicht um ein simuliertes Bewußtsein geht, sondern um eine simulierte Welt, die einem realen Gehirn im Tank vorzugaukeln versucht wird.

Das bedeutet (ist vielleicht vielen hier klar, ich weiß aber aus anderen Diskussionen, daß das gern verwechselt wird): Als Gehirn im Tank wäre ich nicht Teil einer Simulation, außer insofern daß das Selbstmodell in gewisser Weise als Simulation angesehen werden kann, die das Gehirn ausbildet, ebenso wie Gehirne außerhalb des Tanks. Und dem Gehirn im Tank werden keine "falschen Naturgesetze" einprogrammiert, sondern es werden ihm nur "merkwürdige inputs" eingespeist, und zwar über eine physikalische, nichtsimulierte, sensorische Schnittstelle, im Extremfall (keine Sinnesorgane) eine low-level-neuronale Schnittstelle (elektrische Impulse). (**)

Das Gehirn-im-Tank Problem hat daher nicht viel mit dem Zombie-Problem zu tun, also mit der Frage, ob ein simuliertes Bewußtsein bewußt wäre (oder so ähnlich). Sondern es hat eher Ähnlichkeit mit beispielsweise der Situation, daß wir mit unseren Teleskopen die Sterne beobachten, aber ein mächtiges Wesen all diese Lichtblitze künstlich generiert und uns damit zu einer "physikalisch falschen" Kosmologie verleitet.

Das - hinreichend intelligente - Gehirn im Tank wird also versuchen, aus den Inputs ein Modell der Welt zu bilden und seine Theorien zu falsifizieren. Dieses Modell ist daher p.d. ein Modell derselben äußeren Welt (inklusive dem Gehirnsubstrat selbst), allerdings natürlich ein umso abweichenderes und ärmeres, je ärmer bzw. irreführender die Inputs auf der Schnittstelle sind.

Erklärt das meinen Einwand besser? Kannst Du bis dahin zustimmen?

Ich finde insgesamt das Gehirn-im-Tank GE nicht so gut geeignet, da zuviele andere Fragen mit hereingemischt werden, z.B. ob man einem nativen Gehirn eines sozialen Wesens überhaupt sinnvollen neuronalen Input eingeben kann, wie es überhaupt intelligent werden kann, usw.

(**) Ob, um diese Impulse zu generieren, wiederum eine Simulation des Gehirns notwendig wäre, soll hier mal außen vor bleiben.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Deus ex Machina
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Anmeldungsdatum: 14.03.2006
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Beitrag(#1519267) Verfasst am: 16.08.2010, 01:10    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich habe Bewusstsein, ich fühle etwas, ich habe phänomenales Empfinden, ich nehme etwas wahr. Da ist nichts grundsätzlich Unerkennbares dabei, im Gegenteil ist das das unmittelbar Erkennbare.

Das ist alles, mehr gibt es eigentlich dazu nicht zu sagen.


Dafür dauert die Diskussion aber schon recht lange. Sehr glücklich

Die ursprüngliche Frage war ja, ob das Bewusstsein uns ein tiefes Rätsel aufgibt welches mit unseren momentanen Methoden nicht lösbar ist. Ich finde da die Unterscheidung, die Bieri zwischen "kognitivem Bewusstsein" und "Bewusstsein im Sinne von Erleben" trifft, sehr hilfreich. Ersteres gibt uns - wie er schreibt - kein grundsätzliches Rätsel auf, zweiteres gemäss ihm und anscheinend auch dir schon, gemäss mir aber nicht. "Warum könnte die Fabrik mit dem übrigen Körper und seiner Umgebung nicht genau so verbunden sein wie jetzt, so daß der kognitive Gehalt der Vorgänge. ihre Bedeutung, genau dieselbe wäre, aber ohne daß ein Erleben stattfände?" Meines Erachtens kommt ein Grossteil der Verwirrung daher, dass wir Vokabeln unserer Beschreibung der Welt aus der 3.-Person-Perspektive für das Erleben verwenden, "das Erleben findet statt". Ich erlebe etwas, in meiner 1.-Person-Perspektive, aber da gibt es nichts zu erklären. Es gibt in unserem Erlebnisstrom ja gerade dann erst etwas zu erklären, wenn wir aus den Erlebnissen beginnen, ein Modell der Welt zu erstellen (was wir im Alltag ständig und unbewusst tun) und somit eine 3.-Person-Perspektive einnehmen. Zu Erklärendes gibt es nur in diesem Weltmodell, nicht in dem unmittelbaren Erleben. In der 1.-Person-Perspektive gibt es nichts zu erklären und in der 3.-Person-Perspektive lässt sich kein "Rätsel des Bewusstseins" formulieren, da dort das „Erleben“ eben nur als Phänomen wie jedes andere auch auftritt (nur im kognitiven Sinne nach Bieri).

Meines Erachtens kann man sagen: Sobald man alle Überzeugungen über Bewussteinsinhalte erklärt hat, hat man alles erklärt, was es zu erklären gibt (den Gedanken habe ich von Dennett). Bewusstseinsinhalte, von denen die Person, welche sie hat, nicht glaubt, sie zu haben, sind ein sinnloses Konstrukt da grundsätzlich unerkennbar. Dass Du diesen letzten Teilsatz geschrieben hast, war ja der Grund, warum ich mich in die Diskussion eingeklinkt habe. Überzeugungen über Bewusstseinsinhalte lassen sich grundsätzlich mit den bekannten wissenschaftlichen Methoden erklären, da es eben Phänomene der Welt aus der 3.-Person-Perspektive sind.
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kalmar
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Beitrag(#1519434) Verfasst am: 16.08.2010, 12:13    Titel: Antworten mit Zitat

Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:

Sobald man alle Überzeugungen über Bewussteinsinhalte erklärt hat, hat man alles erklärt, was es zu erklären gibt [...] Überzeugungen über Bewusstseinsinhalte lassen sich grundsätzlich mit den bekannten wissenschaftlichen Methoden erklären, da es eben Phänomene der Welt aus der 3.-Person-Perspektive sind.

Genau, das denke ich auch: Wenn man erklären kann, wie es dazu kommt, dass eine Versuchsperson - nach eigener Angabe - ein 'Rot'-Erlebnis hat, dann ist alles erklärt, was es zu erklären gibt, wenn man erkären wil, wie Rot-Erlebnisse zustande kommen. Man muss dazu nicht wissen oder nachvollziehen können, was die Person genau innerlich erlebt - man muss nicht wissen, wie es für diese Person ist, etwas 'Rotes' zu sehen.

Die 'Erklärungslücke' besteht lediglich darin, dass wir der Versuchsperson glauben müssen, dass sie nicht lügt. Die 'Erklärungslücke' ist also eigentlich keine Erklärungslücke, sondern nur eine Beweislücke.

Das 'Rätsel' des Bewusstseins liegt meiner Ansicht nach woanders: Nicht in der Frage 'Wie kommt ein Rot-Erlebnis zustande?', sondern in der Frage: Wie kommt es, dass das subjektive Erleben objektive Folgen hat? Wir können zwar m. E. recht gut erklären, welche Funktion das Bewusstsein hat und weshalb es im Verlauf der Evolution entstanden ist (es ermöglicht die Wahl zwischen verschiedenen Verhaltensalternativen, indem es uns sagt, was zu tun ist, uns aber nicht zwingt, dies zu tun. Und es ermöglicht einem Lebewesen, von der Reaktion zur Aktion überzugehen und ein Ziel zu verfolgen). Aber diese Erklärungen setzen voraus, dass das bewusste Erleben überhaupt eine physische Wirkung hat und nicht nur ein Epiphänomen ist. Die physische Wirkung des Geistigen - sowohl des bewussten Erlebens als auch des Denkens - ist mit den gegenwärtig diskutierten Theorien aber nicht zu erklären. Das 'Rätsel' ist nach wie vor das 'Leib-Seele-Problem'.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1519523) Verfasst am: 16.08.2010, 14:21    Titel: Antworten mit Zitat

kalmar hat folgendes geschrieben:
Die physische Wirkung des Geistigen - sowohl des bewussten Erlebens als auch des Denkens - ist mit den gegenwärtig diskutierten Theorien aber nicht zu erklären. Das 'Rätsel' ist nach wie vor das 'Leib-Seele-Problem'.

Nur wenn man von einem Dualismus ausgeht, der aber in sich nicht konstistent ist. Wenn du davon ausgehst, daß es einen Unterschied zwischen Körper und Geist gibt, dann mußt du eine Mechanismus annehmen, der die Wechselwirkung zwischen beiden realisiert.

Wenn du dagegen davon ausgehst, daß Körper und Geist ein und dasselbe sind, daß unsere Persönlichkeit nichts anderes ist als die Gesamtheit unserer nervlichen und neuronalen Vorgänge, und unserer Bewußtsein nichts anderes als die Ich-Perspektive dieser Vorgänge, die Art und Weise, wie uns selbst die Vorgänge unseres Körpers und unseres Gehirns bewußt werden, dann gibt es zumindest kein prinzipielles Erklärungsproblem.

Und es ist ja auch nicht wahr, daß wir nicht wenigstens annähernd wüßten, wie sich das Bewußtsein der anderen aus deren Ich-Perspektive anfühlt. Es gibt längst Versuche von Neurowissenschaftlern, mit denen man herausgefunden hat, daß die Gehirne von Menschen sogar in der Lage sind, sich zu synchronisieren, zB bei gemeinsamen Erzählen von Geschichten. Besonders wenn sie beiden bekannt sind, werden exakt die gleichen Gehirnregionen aktiv.
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1519639) Verfasst am: 16.08.2010, 17:06    Titel: Antworten mit Zitat

Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:
"Warum könnte die Fabrik mit dem übrigen Körper und seiner Umgebung nicht genau so verbunden sein wie jetzt, so daß der kognitive Gehalt der Vorgänge. ihre Bedeutung, genau dieselbe wäre, aber ohne daß ein Erleben stattfände?" Meines Erachtens kommt ein Grossteil der Verwirrung daher, dass wir Vokabeln unserer Beschreibung der Welt aus der 3.-Person-Perspektive für das Erleben verwenden, "das Erleben findet statt". Ich erlebe etwas, in meiner 1.-Person-Perspektive, aber da gibt es nichts zu erklären. Es gibt in unserem Erlebnisstrom ja gerade dann erst etwas zu erklären, wenn wir aus den Erlebnissen beginnen, ein Modell der Welt zu erstellen (was wir im Alltag ständig und unbewusst tun) und somit eine 3.-Person-Perspektive einnehmen. Zu Erklärendes gibt es nur in diesem Weltmodell, nicht in dem unmittelbaren Erleben. In der 1.-Person-Perspektive gibt es nichts zu erklären und in der 3.-Person-Perspektive lässt sich kein "Rätsel des Bewusstseins" formulieren, da dort das „Erleben“ eben nur als Phänomen wie jedes andere auch auftritt (nur im kognitiven Sinne nach Bieri).

Hm, verstehe ich das richtig: Du sagst, es gibt verschiedene 'Betriebsmodi', in denen sich ein Mensch befinden kann. Da ist der 'reine Erlebens-Modus' und dann gibt es noch den 'Erklären-Modus'.

So weit, so gut, das kann ich ja noch nachvollziehen. Aber wie kommst Du nun darauf, dass sich beide ausschließen, man entweder nur in einen Modus oder im anderen sein, (das scheinst Du implizit annzunehmen)? Und wieso ergibt sich nun, dass der 'Erleben-Modus' keiner weiteren Erklärung bedürfte? Es ist jedenfalls nicht richtig, dass der 'Erleben-Modus' vom 'Erklären-Modus' völlig unabhängig / getrennt sein kann, denn wäre er das, dann wüsste ich gar nicht, dass ich etwas erlebe und könnte das folglich auch nicht kommunizieren, ('dieser Wein schmeckte mir ausgezeichnet'). Und dann kann ich doch problemlos davon ausgehen, dass das phänomenale Erleben 'stattgefunden' hat, ich sehe nicht, was daran nun falsch ausgedrückt sein könnte.

Na gut, vielleicht habe ich da auch nur was falsch verstanden.

Deus ex Machina hat folgendes geschrieben:
Meines Erachtens kann man sagen: Sobald man alle Überzeugungen über Bewussteinsinhalte erklärt hat, hat man alles erklärt, was es zu erklären gibt (den Gedanken habe ich von Dennett). Bewusstseinsinhalte, von denen die Person, welche sie hat, nicht glaubt, sie zu haben, sind ein sinnloses Konstrukt da grundsätzlich unerkennbar. Dass Du diesen letzten Teilsatz geschrieben hast, war ja der Grund, warum ich mich in die Diskussion eingeklinkt habe. Überzeugungen über Bewusstseinsinhalte lassen sich grundsätzlich mit den bekannten wissenschaftlichen Methoden erklären, da es eben Phänomene der Welt aus der 3.-Person-Perspektive sind.

Was meinst Du mit 'Bewusstseinsinhalten, von denen die Person, welche sie hat, nicht glaubt, sie zu haben' zum Beispiel konkret? Meinst Du damit Qualia?

Ich bin überzeugt, phänomenale Erlebnisse zu haben. Wie erklärst Du das nun mit den bekannten wissenschaftlichen Methoden? Oder sind das keine 'Bewusstseinsinhalte'?
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kalmar
Poltergeist



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Beitrag(#1519835) Verfasst am: 16.08.2010, 21:07    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Nur wenn man von einem Dualismus ausgeht, der aber in sich nicht konstistent ist. Wenn du davon ausgehst, daß es einen Unterschied zwischen Körper und Geist gibt, dann mußt du eine Mechanismus annehmen, der die Wechselwirkung zwischen beiden realisiert.

Die dualistischen Positionen sind in sich nicht widersprüchlich. Aber sowohl der Substanz-Dualismus (= das Geistige ist nichts Physisches) als auch der Eigenschafts-Dualismus (= Gehirnvorgänge haben die Eigenschaft, physisch wirksam zu sein, und manche Gehirnvorgänge haben zusätzlich die Eigenschaft, bewusst zu sein) erklären nicht, wie das Geistige physisch wirken kann. Deshalb können diese dualistischen Positionen nur falsch sein.

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Wenn du dagegen davon ausgehst, daß Körper und Geist ein und dasselbe sind, daß unsere Persönlichkeit nichts anderes ist als die Gesamtheit unserer nervlichen und neuronalen Vorgänge, und unserer Bewußtsein nichts anderes als die Ich-Perspektive dieser Vorgänge, die Art und Weise, wie uns selbst die Vorgänge unseres Körpers und unseres Gehirns bewußt werden, dann gibt es zumindest kein prinzipielles Erklärungsproblem.

Das klingt gut - nur ist eben gerade diese Position - die Identitätstheorie - inkonsistent. Die Argumente dagegen hab ich schon im "Transzendenz"-Thread aufgelistet. Hier sind sie nochmal:

Gedanken und Gefühle wären mit Gehirnvorgängen identisch, wenn alle Eigenschaften von Gedanken und Gefühlen auch Eigenschaften der ihnen entsprechenden Gehirnvorgänge wären. Das ist aber nicht so:

Erstens haben Gedanken und Gefühle die Eigenschaft, nur von innen, aus der Erste-Person-Perspektive, erlebbar zu sein. Gehirnvorgänge dagegen haben die Eigenschaft, nur von außen, aus der Dritte-Person-Perspektive, beobachtbar zu sein.

Zweitens haben Gefühle die Eigenschaft, sich irgendwie anzufühlen: Wenn ich Schmerzen im Fuß habe, dann tut mir der Fuß weh. Einem Hirnforscher, der die meinem Schmerz zugehörigen Gehirnvorgänge (das "Feuern" von C-Fasern) auf dem Computertomografen beobachtet, tut hoffentlich nichts weh.

Drittens haben Gedanken die Eigenschaft, etwas zu bedeuten, in der Regel handelt es sich um Aussagen. Aussagen können wahr oder falsch sein. Ein Gehirnvorgang dagegen kann nicht wahr oder falsch sein - er ist, wie jeder Naturvorgang, einfach die Folge seiner Ursachen.

Viertens: Die Aussage "Der Hund bellt." sei ein Gedanke. Wenn dieser Gedanke in einem Gehirnvorgang codiert wäre, der damit der Träger dieser Aussage wäre, dann wäre der Gedanke nicht mit dem Gehirnvorgang identisch, denn der Träger ist nicht identisch mit dem, was er trägt.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1519867) Verfasst am: 16.08.2010, 21:28    Titel: Antworten mit Zitat

kalmar hat folgendes geschrieben:

Gedanken und Gefühle wären mit Gehirnvorgängen identisch, wenn alle Eigenschaften von Gedanken und Gefühlen auch Eigenschaften der ihnen entsprechenden Gehirnvorgänge wären. Das ist aber nicht so:

Erstens haben Gedanken und Gefühle die Eigenschaft, nur von innen, aus der Erste-Person-Perspektive, erlebbar zu sein. Gehirnvorgänge dagegen haben die Eigenschaft, nur von außen, aus der Dritte-Person-Perspektive, beobachtbar zu sein.

Das liegt aber nur daran, daß du die Begriffe so verwendest, wie du es tust. Wenn du dir statt dessen klarmachst, daß ein Teil unserer Gehirnvorgänge die Eigenschaft haben, eine Ich-Perspektive zu besitzen, nämlich genau die, die wir aus der Ich-Perspektive Gedanken und Gefühle nennen, löst sich dein Dilemma in Wohlgefallen auf.
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
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Friedrich Nietzsche


Zuletzt bearbeitet von Marcellinus am 16.08.2010, 21:29, insgesamt einmal bearbeitet
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