Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen |
Autor |
Nachricht |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#152159) Verfasst am: 18.07.2004, 10:01 Titel: |
|
|
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Man kann aber behaupten, dass aus der Art und Weise, wie man forscht, darauf zurück geschlossen werden kann, auf welchen Voraussetzungen dieses Vorgehen aufbaut. |
Richtig. Wenn man aber genau hinschaut, ist Realismus (a la Vollmer) keine notwendige Voraussetzung für das Betreiben von Wissenschaft. Hinreichend ist es dagegen, daß die wahrnehmbare Welt sich hinreichend turing-artig ("regelmäßig") verhält.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Aber _wenn_ man über derartige Fragen diskutiert, kann man nicht _keine_ Ontologie II vertreten, sondern nur auf der Basis einer bestimmten Ontologie II eine andere Ontologie II kritisieren. | Das ist richtig - aber eben nur für Letztfragen. | Exakt um diese geht es mir aber. Hier stellt sich halt die Frage 'scratch with the hens or fly with the eagles'. |
Aber um Wissenschaft zu betreiben, muß ich keine Letztfragen (in Kneipen) diskutieren und erst recht keine Letztantworten voraussetzen. Ob ich eher wie ein Adler fliege, wenn ich auf Letztannahmen verzichte, oder wenn ich mir einen metaphysischen Joint gönne, möchte ich mal dahingestellt sein lassen.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Ich vermute, dass Du einen Wunschbild hinterherläufst. Du wirst nie eine konsistente Ontologie II finden, die ohne Metaphysik auskommt bzw. falsifizierbar ist. |
Falls Du damit meinst, ich werde von Dir erfundene Letztfragen vermutlich niemals beantworten können: Das ist richtig.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Irgendwann kommst Du immer an einen Punkt, an dem Du Annahmen machen musst, die nicht bewiesen werden können oder auch nur falsifzierbar sind. |
Vielleicht hier mal ein konkretes Beispiel für eine notwendige, wirklich grundlegende, unfalsifizierbare Annahme?
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | ... ist der harmonisch in eine bestimmte Ontologie II (hypothetischer Realismus) eingebettet. Das ist ein konsistentes, stimmiges Weltbild, das man durchaus vertreten kann. Aber es gibt auch andere. |
Kein Problem.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | und dagegen, daß es wahr sei. | Das ist wieder ein anderer Thread. Ich gehe davon aus, dass das Problem darin besteht, eine wahre Aussage _als_ wahr zu erkennen. Das scheint mir außerhalb formaler Systeme überhaupt nicht möglich zu sein. |
Genau. Es ist übrigens kein anderer thread (siehe Martin's Vollmer-Zitat). Etwas irritiert mich hier Deine Ausdrucksweise "dass das Problem darin besteht, eine wahre Aussage _als_ wahr zu erkennen": Es klingt, als ob Du wüßtest, daß es absolute Wahrheit gebe, wir uns ihr auch annähern können, das aber nicht beweisen können. Falls das so zu verstehen ist, würde ich widersprechen. (Unbeweisbar) wahre Aussagen in der Wissenschaft sind ja nicht deshalb keine absoluten Wahrheiten, weil sie unbeweisbar sind, sondern weil die Wissenschaft nur ein Modell der wahrnehmbaren Welt darstellt.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Unter Theorie verstehe ich ene (wie auch immer gefundene) Simulationsregel, die prinzipiell prüfbare Voraussagen ermöglicht. | Wenn Du nun noch einen Tick weiter denkst und Dir überlegst, warum Falsifizierungen überhaupt möglich sind, kommst Du nicht darum herum, zu Deinem Weltbild auch noch eine Ontologie II zu basteln. Letztendlich 'brauchst' Du eine 'Welt', mit der Du für diese Falsifizierungen wechselwirken kannst. Du kannst natürlich auch sagen: Falsifizierung klappen halt 'einfach so' und das reicht mir. Aber so ein Weltbild ist in meinen Augen nicht besonders pfiffig. |
Siehe oben, die real existierende Welt wäre eine hinreichende, ist aber keine notwendige Voraussetzung.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
|
(#152178) Verfasst am: 18.07.2004, 10:53 Titel: |
|
|
Hi step,
step hat folgendes geschrieben: | Ich dagegen reduziere Wissenschaft auf das, was sie ist: das Finden von Regeln für Voraussagen der wahrnembaren Welt. |
das, was Du als 'wahrnehmbare Welt' bezeichnest, wäre, falls Du Dir die Mühe machst, das durchzuformulieren, Deine Ontologie II.
Du kannst sagen: interessiert mich nicht. Aber für Menschen, die sich Gedanken über diese Ontologie machen, ist das eine recht unbefriedigende Haltung. Fast beschleicht einen dann der Verdacht, dass Dein Weltbild nur ein nicht hinterfragter Glaube ist.
Grüßle
Thomas
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#152200) Verfasst am: 18.07.2004, 11:29 Titel: |
|
|
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ich dagegen reduziere Wissenschaft auf das, was sie ist: das Finden von Regeln für Voraussagen der wahrnembaren Welt. | das, was Du als 'wahrnehmbare Welt' bezeichnest, wäre, falls Du Dir die Mühe machst, das durchzuformulieren, Deine Ontologie II. |
So ähnlich hatte ja bereits KP argumentiert. Aber ist die Wahrnehmung, daß wir etwas wahrnehmen, wirklich bereits eine Ontologie? Man kann sicherlich eine daraus konstruieren, aber muß man diesbezüglich wirklich wesentliche Postulate unbewußt oder bewußt voraussetzen, um Wissenschaft zu betreiben?
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Du kannst sagen: interessiert mich nicht. Aber für Menschen, die sich Gedanken über diese Ontologie machen, ist das eine recht unbefriedigende Haltung. Fast beschleicht einen dann der Verdacht, dass Dein Weltbild nur ein nicht hinterfragter Glaube ist. |
Daß meine Haltung für viele Menschen, die selbst eine Glauben haben, unbefriedigend ist, wundert mich nicht.
Aber ich habe ja sogar etwas anzubieten, sobald die angeblich ontologische Frage hinreichend wohldefiniert gestellt ist. Am Beispiel der Frage, warum wir überhaupt Wissenschaft betreiben können, habe ich das bereits konkretisiert:
Jeder Wissenschaftler: "Ich betreibe Wissenschaft als das Finden von Regeln zum Voraussagen von Wahrnehmungen. Es funktioniert."
Ein spezieller Wissenschaftler: "Ich interessiere mich für die Frage, welche Eigenschaft der Welt dazu führt, daß man Regeln zum Voraussagen von Wahrnehmungen finden kann, daß sie sich also regelmäßig verhält. Da sich die wissenchaftliche Methode bisher bewährt hat und ich keine bessere habe, wende ich sie auch auf diese Frage an."
Da diese spezielle Frage eine sehr grundsätzliche ist, werden sich i.a. nur Physiker und Mathematiker auf wissenschaftliche Weise mit ihr beschäftigen, wobei nicht gesagt ist, ob sie tatsächlich eine Erklärung finden.
Aus der Tatsache, daß dies den "Ontologen" aber nicht befriedigt, schließe wiederum ich, daß es ihm letztlich um Absolutheitsaussagen geht. Das wiederum finde ich unbefriedigend und unlogisch.
Ein ähnliches Beispiel sind die emergenten Wissenschaften: Der Biologe etwa macht an gewissen Stellen einfach Annahmen, die er nicht mehr weiter hinterfragt, damit ihm Zeit zum Biologietreiben bleibt. Mir scheint nun, man nennt diese Annahmen immer nur dann Ontologie, wenn sie noch nicht durch weniger emergente Wissenschaften erklärt wurden. Während also die biologische Annahme, daß X und Y zu Z reagieren, vermutlich nicht als Ontologie bezeichnet wird, weil man in der Chemie bereits erklären kann, wie das geschieht, sieht das bei bestimmten Phänomenen der Evolution möglicherweise anders aus.
Ein schönes Beispiel, wo es gerade auf der Kippe steht, ist die Bewußtseinsforschung: Während viele Philosophen, noch ganz in der Tradition des Mysteriums, von chinesischen Zimmern, Qualia, Geist an sich usw. als unlösbaren Problemen reden, wird das Bewußtsein von der Neurologie, Neuroinformatik usw. mehr und mehr verstanden. Ich bin mir sicher, daß am Ende ein normales wissenschaftliches Theoriengebäude dabei herauskommen wird, vielleicht mit der einen oder anderen offenen Frage, die dann aber vermutlich niemand mehr als Letztfrage ansieht, weil viele ähnliche Fragen bereits beantwortet wurden.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
|
(#152223) Verfasst am: 18.07.2004, 12:02 Titel: |
|
|
Hi step,
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ich dagegen reduziere Wissenschaft auf das, was sie ist: das Finden von Regeln für Voraussagen der wahrnembaren Welt. | das, was Du als 'wahrnehmbare Welt' bezeichnest, wäre, falls Du Dir die Mühe machst, das durchzuformulieren, Deine Ontologie II. |
So ähnlich hatte ja bereits KP argumentiert. Aber ist die Wahrnehmung, daß wir etwas wahrnehmen, wirklich bereits eine Ontologie? |
nein. Es ist eine _Reflexion_ über etwas 'Gegebenes'. Aber man kann das dann auch systematisch machen. Das führt dann letztendlich zu einer Ontologie II.
step hat folgendes geschrieben: | Man kann sicherlich eine daraus konstruieren, aber muß man diesbezüglich wirklich wesentliche Postulate unbewußt oder bewußt voraussetzen, um Wissenschaft zu betreiben? |
Man muss natürlich nicht. Wie gesagt, es gibt viele Wissenschaftler, die hervorragende Arbeit leisten, ohne zu wissen, auf welchen Grundlagen ihre Arbeit beruht. Es ist aber sicher nicht schlecht, sich ab und an darüber Gedanken zu machen. Unverzichtbar wird das, wenn man mit Menschen in Kontakt gerät, die ein _anderes_ Weltbild vertreten. Spätestens dann muss, falls man überhaupt rational diskutieren möchte, Rechenschaft darüber ablegen können, warum man ein bestimmtes Weltbild vertritt. Am besten kann man das mittels einer konsistenten Ontologie II.
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Du kannst sagen: interessiert mich nicht. Aber für Menschen, die sich Gedanken über diese Ontologie machen, ist das eine recht unbefriedigende Haltung. Fast beschleicht einen dann der Verdacht, dass Dein Weltbild nur ein nicht hinterfragter Glaube ist. |
Daß meine Haltung für viele Menschen, die selbst eine Glauben haben, unbefriedigend ist, wundert mich nicht.
Aber ich habe ja sogar etwas anzubieten, sobald die angeblich ontologische Frage hinreichend wohldefiniert gestellt ist. |
Du machst schon wieder den Fehler, Ontologie I zu 'verstehen'. Es ging um Ontologie II.
step hat folgendes geschrieben: | Am Beispiel der Frage, warum wir überhaupt Wissenschaft betreiben können, habe ich das bereits konkretisiert:
Jeder Wissenschaftler: "Ich betreibe Wissenschaft als das Finden von Regeln zum Voraussagen von Wahrnehmungen. Es funktioniert."
Ein spezieller Wissenschaftler: "Ich interessiere mich für die Frage, welche Eigenschaft der Welt dazu führt, daß man Regeln zum Voraussagen von Wahrnehmungen finden kann, daß sie sich also regelmäßig verhält. Da sich die wissenchaftliche Methode bisher bewährt hat und ich keine bessere habe, wende ich sie auch auf diese Frage an."
Da diese spezielle Frage eine sehr grundsätzliche ist, werden sich i.a. nur Physiker und Mathematiker auf wissenschaftliche Weise mit ihr beschäftigen, wobei nicht gesagt ist, ob sie tatsächlich eine Erklärung finden. |
Vermutlich ist das eher eine Frage für Philosophen. Und Du verdrehst die Frage: es geht nicht darum welche Eigenschaft der Welt dazu _führt_ (das wäre Ontologie I), sondern wie die Welt _aufgebaut_ sein muss, damit es funktioniert. Das sind zwei Paar Stiefel.
step hat folgendes geschrieben: | Aus der Tatsache, daß dies den "Ontologen" aber nicht befriedigt, schließe wiederum ich, daß es ihm letztlich um Absolutheitsaussagen geht. Das wiederum finde ich unbefriedigend und unlogisch. |
Vermutlich meinst Du Menschen, die sich mit Ontologie I befassen. Die Menschen, die ich meine, schauen sich an, was 'die Wissenschaft' so treibt und überlegen dann weiter.
step hat folgendes geschrieben: | Ein ähnliches Beispiel sind die emergenten Wissenschaften: Der Biologe etwa macht an gewissen Stellen einfach Annahmen, die er nicht mehr weiter hinterfragt, damit ihm Zeit zum Biologietreiben bleibt. Mir scheint nun, man nennt diese Annahmen immer nur dann Ontologie, wenn sie noch nicht durch weniger emergente Wissenschaften erklärt wurden. |
Dir scheint falsch. Vielleicht solltest Du doch gelegentlich Mahner / Bunge lesen. Ich denke, die machen das in aller Klarheit deutlich. Mein eigener Standpunkt ist aber, in bestimmten Fragen, etwas 'radikaler' als der von Mahner / Bunge.
step hat folgendes geschrieben: | Während also die biologische Annahme, daß X und Y zu Z reagieren, vermutlich nicht als Ontologie bezeichnet wird, weil man in der Chemie bereits erklären kann, wie das geschieht, sieht das bei bestimmten Phänomenen der Evolution möglicherweise anders aus. |
Das sehe ich definitv anders. Auch in der Chemie ist längst nicht geklärt, wie eine Reaktion abläuft. Streng genommen weiß niemand so genau, was ein 'Atom' ist. Aber man hat eine bestimmte Ontologie II, nach der man sich 'die Welt' in bestimmter Art und Weise vorstellt. Selbstverständlich kann man Chemie mit _verschiedenen_ Ontologien II betreiben, selbstverständlich wissenschaftlich.
step hat folgendes geschrieben: | Ein schönes Beispiel, wo es gerade auf der Kippe steht, ist die Bewußtseinsforschung: Während viele Philosophen, noch ganz in der Tradition des Mysteriums, von chinesischen Zimmern, Qualia, Geist an sich usw. als unlösbaren Problemen reden, wird das Bewußtsein von der Neurologie, Neuroinformatik usw. mehr und mehr verstanden. Ich bin mir sicher, daß am Ende ein normales wissenschaftliches Theoriengebäude dabei herauskommen wird, vielleicht mit der einen oder anderen offenen Frage, die dann aber vermutlich niemand mehr als Letztfrage ansieht, weil viele ähnliche Fragen bereits beantwortet wurden. |
Warten wir einfach ab. Kann sein, dass wir, nachdem wir das Gehirn und seine Funktionen bis ins Letzte verstanden haben, erst merken, welche Probleme wir gar nicht berührt haben. Denk einfach an das Beispiel mit dem Schachspielen. Auch der beste Schachcomputer lehrt Dich nicht, wie ein Mensch Schach spielt. Auch ist noch lange nicht geklärt, ob es einen Unterschied zwischen Fungieren und Funktionieren gibt.
Grüßle
Thomas
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#152244) Verfasst am: 18.07.2004, 13:49 Titel: |
|
|
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Unverzichtbar wird das, wenn man mit Menschen in Kontakt gerät, die ein _anderes_ Weltbild vertreten. Spätestens dann muss, falls man überhaupt rational diskutieren möchte, Rechenschaft darüber ablegen können, warum man ein bestimmtes Weltbild vertritt. Am besten kann man das mittels einer konsistenten Ontologie II. |
Das bezweifle ich. Gerade wenn ich mich auf keine Ontologie festlege, kann ich mich mit Anhängern konkurrierender Glaubenssysteme dennoch auf das völlig unontologische Ziel von Wissenschaft einigen, nämlich Regeln für Voraussagen zu finden. Nur in (philosophischen) Diskussionen, in denen es um das Weltbild, den Glauben geht, kommt Dein Argument zum Tragen. Aber in solchen Diskussionen wird ein Gegenüber, daß ein anderes Weltbild vertritt, auch mit Dir nicht mehr wirklich rational diskutieren können, insbesondere sobald einer von Euch sein Weltbild nicht nur einfach hat, sondern daraus etwas für die wissenschaftliche Methode Grundlegendes ableitet.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Aber ich habe ja sogar etwas anzubieten, sobald die angeblich ontologische Frage hinreichend wohldefiniert gestellt ist. | Du machst schon wieder den Fehler, Ontologie I zu 'verstehen'. Es ging um Ontologie II. |
Die Frage, wie es funktioniert, daß die Welt wissenschaftsgeeignet ist, ist doch nach Deiner Definition gerade die Ontologie-II Frage.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Am Beispiel der Frage, warum wir überhaupt Wissenschaft betreiben können, habe ich das bereits konkretisiert:
Jeder Wissenschaftler: "Ich betreibe Wissenschaft als das Finden von Regeln zum Voraussagen von Wahrnehmungen. Es funktioniert."
Ein spezieller Wissenschaftler: "Ich interessiere mich für die Frage, welche Eigenschaft der Welt dazu führt, daß man Regeln zum Voraussagen von Wahrnehmungen finden kann, daß sie sich also regelmäßig verhält. Da sich die wissenchaftliche Methode bisher bewährt hat und ich keine bessere habe, wende ich sie auch auf diese Frage an."
Da diese spezielle Frage eine sehr grundsätzliche ist, werden sich i.a. nur Physiker und Mathematiker auf wissenschaftliche Weise mit ihr beschäftigen, wobei nicht gesagt ist, ob sie tatsächlich eine Erklärung finden. |
Vermutlich ist das eher eine Frage für Philosophen. |
Ich kann und will nicht verhindern, daß Philosophen und Theologen sich diese Frage stellen und dazu etwas veröffentlichen. Für mich ist es aber eine zunehmend wissenschaftliche Frage.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Und Du verdrehst die Frage: es geht nicht darum welche Eigenschaft der Welt dazu _führt_ (das wäre Ontologie I), ... |
Nein, es wäre Wissenschaft, jedenfalls wenn es nicht um die "Welt an sich" geht, sondern um eine Theorie über die Welt. Und ich sehe nicht, warum das nicht der Fall sein sollte.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | ... sondern wie die Welt _aufgebaut_ sein muss, damit es funktioniert. Das sind zwei Paar Stiefel. |
Wirklich zwei Paar Stiefel? Mir scheint es dasselbe wie bei irgendeiner anderen wissenschaftlichen Erklärung, wie etwa wenn Du zum Thema Aufbau des Wassermoleküls zur Erklärung seines Verhaltens schreiben würdest:
"Es geht nicht darum welche Eigenschaft der Wassermoleküls dazu _führt_ ,... sondern wie das Wassermolekül _aufgebaut_ sein muss, damit es funktioniert. Das sind zwei Paar Stiefel."
Als weiteren Beleg, daß es nicht zwei Paar Stiefel sind, kann ich das von mir so ungeliebte Vollmer-Zitat anführen:
Vollmer hat folgendes geschrieben: | Es gibt jedoch ein entscheidendes Argument gegen diese „bescheidenen“ Positionen. Dieses Argument beruht auf dem Erklärungswert des Realismus. Weder Positivisimus noch Relativismus oder Instrumentalismus sind in der Lage zu erklären, warum einige unserer Theorien erfolgreich sind und andere nicht. Warum sind manche Theorien bessere „Instrumente“ für Beschreibung, Erklärung, Voraussage, Retrodiktion oder Systematisierung als andere? Warum eignen sich manche Theorien besser als andere dazu, „die Phänomene zu retten“, ... |
Ich behaupte alöso, wenn ich eine wissenschaftliche Erklärung für diese Frage (wie im thread "Artbegriff" skizziert) gefunden habe, sieht plötzlich jeder ein, daß es keine ontologische Frage mehr ist.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Aus der Tatsache, daß dies den "Ontologen" aber nicht befriedigt, schließe wiederum ich, daß es ihm letztlich um Absolutheitsaussagen geht. Das wiederum finde ich unbefriedigend und unlogisch. | Vermutlich meinst Du Menschen, die sich mit Ontologie I befassen. | Ich meinte z.B Vollmer. Jemanden, der nur nebenher hyp. Realist ist, also nur in philosoph. Diskussionen, sollte mein Vorwurf naturgemäß nicht treffen.
Bedenke auch, Du selbst hast geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | In der Diskussion mit Martin ging es aber um die klassische Ontologie, jedenfalls in den gebrachten Vollmer-Zitaten. Es ging um die Verklärung des Mutes, der angeblich zur Metaphysik des Realismus gehört, um den "Erklärungswert" und die "Wahrheit" des Realismus. | Klar. Und hier sind wir beide uns vermutlich einiger als Du und Martin. Die Argumentation von Vollmer erinnert mich ein wenig an Küng aus 'Existiert Gott?'. Da hat Küng immer betont, dass man Gott nicht beweisen kann, aber immer wieder gefragt, was denn nun erklärbar wäre, _falls_ es einen Gott gäbe. So in etwa scheint mir das in manchen Auffassungen mit der 'Welt an sich' zu sein. |
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Während also die biologische Annahme, daß X und Y zu Z reagieren, vermutlich nicht als Ontologie bezeichnet wird, weil man in der Chemie bereits erklären kann, wie das geschieht, sieht das bei bestimmten Phänomenen der Evolution möglicherweise anders aus. | Das sehe ich definitv anders. Auch in der Chemie ist längst nicht geklärt, wie eine Reaktion abläuft. Streng genommen weiß niemand so genau, was ein 'Atom' ist. Aber man hat eine bestimmte Ontologie II, nach der man sich 'die Welt' in bestimmter Art und Weise vorstellt. Selbstverständlich kann man Chemie mit _verschiedenen_ Ontologien II betreiben, selbstverständlich wissenschaftlich. |
Mir schwant langsam, daß es Dir bei Ontologie II einfach um die Erlaubnis geht, sich ein Modell zu machen. Jede Formeldarstellung, jede Regel zur Voraussage würde das betreffen. Lamarck, ick hör Dir trapsen ...
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ein schönes Beispiel, wo es gerade auf der Kippe steht, ist die Bewußtseinsforschung: Während viele Philosophen, noch ganz in der Tradition des Mysteriums, von chinesischen Zimmern, Qualia, Geist an sich usw. als unlösbaren Problemen reden, wird das Bewußtsein von der Neurologie, Neuroinformatik usw. mehr und mehr verstanden. Ich bin mir sicher, daß am Ende ein normales wissenschaftliches Theoriengebäude dabei herauskommen wird, vielleicht mit der einen oder anderen offenen Frage, die dann aber vermutlich niemand mehr als Letztfrage ansieht, weil viele ähnliche Fragen bereits beantwortet wurden. |
Warten wir einfach ab. Kann sein, dass wir, nachdem wir das Gehirn und seine Funktionen bis ins Letzte verstanden haben, erst merken, welche Probleme wir gar nicht berührt haben. |
Ja. Jedoch werden das Probleme anderer Kategorie sein, neue Rückzugsgebiete für Ontologen sozusagen.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Denk einfach an das Beispiel mit dem Schachspielen. Auch der beste Schachcomputer lehrt Dich nicht, wie ein Mensch Schach spielt. |
Den Fehler an diesem Argument hatte ich bereits aufgezeigt. Bei der Bewußtseinsforschung geht es nicht darum, was genau der Mensch (oder noch krasser der Mensch Waschke) in einer bestimmten Situation denkt, sondern ein konzepotuelles Modell zu finden, das Voraussagen über Bewußtsein erlaubt (sei es nun künstliches oder menschliches) und mit den neurologischen Befunden konsistent ist.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
|
(#152256) Verfasst am: 18.07.2004, 14:17 Titel: |
|
|
Hi Step,
step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Ich habe Step ja eben einige historische Beispiele für den heuristischen Einfluß realistischer Denkvoraussetzungen in der Wissenschaft genannt. |
Hierzu möchte ich bemerken, daß z.B. das Postulieren eines "Teilchens" mit gewissen Eigenschaften, die dann im Experiment widerlegt oder "nachgewiesen" werden, keinen metaphysischen Realismus erfordert. "Atom" usw. sind Kürzel für ein bestimmtes kategorisches Verhalten der zu beobachtenden Welt. Wenn man dies bereits als ontologischen (II) Realismus bezeichnet, liegt das Problem vielleicht hier.
Zum Thema O.II und notwendigen Voraussetzungen für Wissenschaft: Ich könnte mich anfreunden mit einer Aussage wie dieser:
"Voraussetzung für das Betreiben von Wissenschaft ist offensichtlich, daß sich die zu beobachtende Welt hinreichend turingartig verhält. Wir wissen derzeit nicht - und werden es mglw. niemals wissen - wie diese Eigenschaft zu erklären ist." |
Bei dem, was Du schreibst, fällt mir immer die Geschichte des Periodensystems der Elemente ein. Medelejew und Mayer haben vor über 100 Jahren herausgefunden, daß die Eigenschaften der Elemente periodisch mit der Atommasse wiederkehren. Mendelejew hat dann auf jedes Kärtchen ein Elementsymbol, dessen Atomgewicht und die Elementeigenschaften geschrieben und die Kärtchen dann systematisch sortiert. Anhand der noch vorhandenden "Lücken" im System konnte er dann Vorhersagen über weitere Elemente machen. Er hat, um mit Deinen Worten zu sprechen, nachgewiesen, daß sich die Welt der Chemie "hinreichend turingartig verhält". Und mit Deiner "Methodologie" wäre die Atomchemie an dieser Stelle zu Ende.
Bloß Regelmäßigkeiten aufzudecken, ein paar Eigenschaften hübsch zu sortieren und dann zu merken, daß da ein System dahintersteckt, ist IMAO redundante "Schmetterlingsfängerei", aber keine Wissenschaft. Denn gerade hier, wo Mayer und Medelejew aufgehört haben, fängt die Wissenschaft gerade erst an. Die hat sich nämlich die Frage zu stellen, warum Mendelejews Schema funktioniert, warum Elementeigenschaften periodisch wiederkehren und warum diese so sind, wie sie sind. Wirklich verstanden und erklärt hat man das alles erst in dem Moment, in dem man das Phänomen auf den "Schalenbau" der Atom-Entitäten bzw. ihrer Hüllenelektronen zurückführt und die Termschemata quantenmechanisch errechnet. Und an der Stelle kommt man mit Deinem Deskriptivismus nicht mehr weiter.
Erinnerst Du Dich noch daran, als ich Dir schrieb, daß man auch durch bloße Himmelsbeobachtungen Sonnenfinsternisse vorhersagen kann, ohne etwas von der Mechanik verstanden zu haben? Mechanismische Erklärungen setzen Dinge voraus, die sich mechanisch verhalten. Die interessantesten Fragen, lassen sich also ohne realistische Denkweise weder beantworten, noch sinnvoll stellen. Denn die oberste Maxime der Wissenschaft ist es, Phänomene auf transempirische Elemente zurückzuführen. Ob es diese Elemente, wie Atome und Elektronen dann auch "wirklich" gibt, ist eine ganz andere Frage, die auch niemand mit Gewißheit beantworten kann, weil alles Wissen hypothetisch bleibt. Aber in der Wissenschaft spielt diese Frage keine Rolle, weil man dort methodologisch vorzugehen hat, und im diesem Rahmen liefert der hypothetische Realismus sehr gute Dienste.
Step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | ... und vermutlich gerade deswegen Erfolg haben! |
Eine mE völlig unbelegte Vermutung. |
Nun habe ich Dir ein halbes Dutzend historischer Beispiele für die Fruchtbarkeit des hypothetischen Realismus geliefert, und Du sprichst von "unbelegter Vermutung". Verzeih', aber das finde ich amüsant. Ich sehe eigentlich nur, daß Du jetzt in der "Bringschuld" bist. Du müßtest zeigen, daß Wissenschaft ohne philosophische, realistische Voraussetzungen mindestens genauso gut oder noch besser funktionieren kann. Solange Du das nicht kannst, sehe ich keinen Grund, vom hypothetischen Realismus abzurücken.
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
|
|
Nach oben |
|
 |
El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
|
(#152288) Verfasst am: 18.07.2004, 15:48 Titel: |
|
|
Hi step,
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Unverzichtbar wird das, wenn man mit Menschen in Kontakt gerät, die ein _anderes_ Weltbild vertreten. Spätestens dann muss, falls man überhaupt rational diskutieren möchte, Rechenschaft darüber ablegen können, warum man ein bestimmtes Weltbild vertritt. Am besten kann man das mittels einer konsistenten Ontologie II. |
Das bezweifle ich. |
hmmmm, wenn ein MWI-Anhänger mit einem CI-Anhänger diskutiert, müssen die doch genau das tun, was ich sage.
step hat folgendes geschrieben: | Gerade wenn ich mich auf keine Ontologie festlege, kann ich mich mit Anhängern konkurrierender Glaubenssysteme dennoch auf das völlig unontologische Ziel von Wissenschaft einigen, nämlich Regeln für Voraussagen zu finden. |
Es sei denn, jemand fragt Dich, wie eine 'Welt' beschaffen sein müsste, um Vorhersagen zu ermöglichen.
step hat folgendes geschrieben: | Nur in (philosophischen) Diskussionen, in denen es um das Weltbild, den Glauben geht, kommt Dein Argument zum Tragen. Aber in solchen Diskussionen wird ein Gegenüber, daß ein anderes Weltbild vertritt, auch mit Dir nicht mehr wirklich rational diskutieren können, insbesondere sobald einer von Euch sein Weltbild nicht nur einfach hat, sondern daraus etwas für die wissenschaftliche Methode Grundlegendes ableitet. |
Ich versuch's mal anders. Anstelle von 'Ontologie II' sage ich 'Weltbeschaffenheit'. Vielleicht hast Du dann eine Sperre weniger.
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Aber ich habe ja sogar etwas anzubieten, sobald die angeblich ontologische Frage hinreichend wohldefiniert gestellt ist. | Du machst schon wieder den Fehler, Ontologie I zu 'verstehen'. Es ging um Ontologie II. |
Die Frage, wie es funktioniert, daß die Welt wissenschaftsgeeignet ist, ist doch nach Deiner Definition gerade die Ontologie-II Frage. |
Nein! Diese Frage ist genuin Ontologie I. 'Weltbeschaffenheit' ist eine _Folgerung_ aus der Methode, nicht der _Begründung_.
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Am Beispiel der Frage, warum wir überhaupt Wissenschaft betreiben können, habe ich das bereits konkretisiert:
Jeder Wissenschaftler: "Ich betreibe Wissenschaft als das Finden von Regeln zum Voraussagen von Wahrnehmungen. Es funktioniert."
Ein spezieller Wissenschaftler: "Ich interessiere mich für die Frage, welche Eigenschaft der Welt dazu führt, daß man Regeln zum Voraussagen von Wahrnehmungen finden kann, daß sie sich also regelmäßig verhält. Da sich die wissenchaftliche Methode bisher bewährt hat und ich keine bessere habe, wende ich sie auch auf diese Frage an."
Da diese spezielle Frage eine sehr grundsätzliche ist, werden sich i.a. nur Physiker und Mathematiker auf wissenschaftliche Weise mit ihr beschäftigen, wobei nicht gesagt ist, ob sie tatsächlich eine Erklärung finden. |
Vermutlich ist das eher eine Frage für Philosophen. |
Ich kann und will nicht verhindern, daß Philosophen und Theologen sich diese Frage stellen und dazu etwas veröffentlichen. Für mich ist es aber eine zunehmend wissenschaftliche Frage. |
Das sehe ich nicht. Die Frage nach der Weltbeschaffenheit war schon immer genuin wissenschaftlich. Und zwar immer auf der Basis der jeweils aktuellen. Für Dich scheint es eine Grenze Wissenschaft - Ontologie zu geben, so in etwa 'alles was wir wissenschaftlich bearbeiten können, ist keine Ontologie mehr'. Das ist nicht einmal ein vernünftiges Verständnis von Ontologie I, noch weniger von Weltbeschaffenheit.
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Und Du verdrehst die Frage: es geht nicht darum welche Eigenschaft der Welt dazu _führt_ (das wäre Ontologie I), ... |
Nein, es wäre Wissenschaft, jedenfalls wenn es nicht um die "Welt an sich" geht, sondern um eine Theorie über die Welt. Und ich sehe nicht, warum das nicht der Fall sein sollte.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | ... sondern wie die Welt _aufgebaut_ sein muss, damit es funktioniert. Das sind zwei Paar Stiefel. |
Wirklich zwei Paar Stiefel? |
Ja.
step hat folgendes geschrieben: | Mir scheint es dasselbe wie bei irgendeiner anderen wissenschaftlichen Erklärung, wie etwa wenn Du zum Thema Aufbau des Wassermoleküls zur Erklärung seines Verhaltens schreiben würdest:
"Es geht nicht darum welche Eigenschaft der Wassermoleküls dazu _führt_ ,... sondern wie das Wassermolekül _aufgebaut_ sein muss, damit es funktioniert. Das sind zwei Paar Stiefel." |
Nein. Die Frage wäre, wie muss die _Welt_ beschaffen sein, in der 'Dinge' wie 'Atome' existieren, die sich so verhalten, wie ich es an 'Wassermolekülen' beobachte.
step hat folgendes geschrieben: | Als weiteren Beleg, daß es nicht zwei Paar Stiefel sind, kann ich das von mir so ungeliebte Vollmer-Zitat anführen:
Vollmer hat folgendes geschrieben: | Es gibt jedoch ein entscheidendes Argument gegen diese "bescheidenen" Positionen. Dieses Argument beruht auf dem Erklärungswert des Realismus. Weder Positivisimus noch Relativismus oder Instrumentalismus sind in der Lage zu erklären, warum einige unserer Theorien erfolgreich sind und andere nicht. Warum sind manche Theorien bessere "Instrumente" für Beschreibung, Erklärung, Voraussage, Retrodiktion oder Systematisierung als andere? Warum eignen sich manche Theorien besser als andere dazu, "die Phänomene zu retten", ... |
Ich behaupte alöso, wenn ich eine wissenschaftliche Erklärung für diese Frage (wie im thread "Artbegriff" skizziert) gefunden habe, sieht plötzlich jeder ein, daß es keine ontologische Frage mehr ist. |
Vollmers Argument ist _heuristisch_, aber nicht 'ontologisch I'. Es geht doch nicht darum, zu _beweisen_, dass der hypothetische Realismus 'richtig' ist, sondern dass man auf der Basis einer bestimmten Weltbeschaffenheit gefundene Ergebnisse _besser_ einordnen kann, als wenn man einfach sagt 'ups, das ist aber ein hübsches Wunder, dass meine Wissenschaft funktioniert'.
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Aus der Tatsache, daß dies den "Ontologen" aber nicht befriedigt, schließe wiederum ich, daß es ihm letztlich um Absolutheitsaussagen geht. Das wiederum finde ich unbefriedigend und unlogisch. | Vermutlich meinst Du Menschen, die sich mit Ontologie I befassen. | Ich meinte z.B Vollmer. Jemanden, der nur nebenher hyp. Realist ist, also nur in philosoph. Diskussionen, sollte mein Vorwurf naturgemäß nicht treffen. |
Ich vermute, dass Du mit den falschen Mitteln an der falschen Front kämpfst.
step hat folgendes geschrieben: | Bedenke auch, Du selbst hast geschrieben:
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | In der Diskussion mit Martin ging es aber um die klassische Ontologie, jedenfalls in den gebrachten Vollmer-Zitaten. Es ging um die Verklärung des Mutes, der angeblich zur Metaphysik des Realismus gehört, um den "Erklärungswert" und die "Wahrheit" des Realismus. | Klar. Und hier sind wir beide uns vermutlich einiger als Du und Martin. Die Argumentation von Vollmer erinnert mich ein wenig an Küng aus 'Existiert Gott?'. Da hat Küng immer betont, dass man Gott nicht beweisen kann, aber immer wieder gefragt, was denn nun erklärbar wäre, _falls_ es einen Gott gäbe. So in etwa scheint mir das in manchen Auffassungen mit der 'Welt an sich' zu sein. |
|
Das bezog sich eher auf den 'Missbrauch' dessen, was Martin zitierte. Als Ontologie I würde ich Vollmers Auffassung ablehnen.
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Während also die biologische Annahme, daß X und Y zu Z reagieren, vermutlich nicht als Ontologie bezeichnet wird, weil man in der Chemie bereits erklären kann, wie das geschieht, sieht das bei bestimmten Phänomenen der Evolution möglicherweise anders aus. | Das sehe ich definitv anders. Auch in der Chemie ist längst nicht geklärt, wie eine Reaktion abläuft. Streng genommen weiß niemand so genau, was ein 'Atom' ist. Aber man hat eine bestimmte Ontologie II, nach der man sich 'die Welt' in bestimmter Art und Weise vorstellt. Selbstverständlich kann man Chemie mit _verschiedenen_ Ontologien II betreiben, selbstverständlich wissenschaftlich. |
Mir schwant langsam, daß es Dir bei Ontologie II einfach um die Erlaubnis geht, sich ein Modell zu machen. Jede Formeldarstellung, jede Regel zur Voraussage würde das betreffen. Lamarck, ick hör Dir trapsen ... |
Nein, mir geht es darum, dass man sich Gedanken darüber macht, wie die 'Welt' beschaffen sein muss, dass die Objekte, mit denen ich hantiere, sich so verhalten, wie ich das postuliere. Sozusagen als die _Grundlage_, _wie_ ich Wissenschaft betreibe. Nicht als _Begründung_ dieser Grundlage!
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ein schönes Beispiel, wo es gerade auf der Kippe steht, ist die Bewußtseinsforschung: Während viele Philosophen, noch ganz in der Tradition des Mysteriums, von chinesischen Zimmern, Qualia, Geist an sich usw. als unlösbaren Problemen reden, wird das Bewußtsein von der Neurologie, Neuroinformatik usw. mehr und mehr verstanden. Ich bin mir sicher, daß am Ende ein normales wissenschaftliches Theoriengebäude dabei herauskommen wird, vielleicht mit der einen oder anderen offenen Frage, die dann aber vermutlich niemand mehr als Letztfrage ansieht, weil viele ähnliche Fragen bereits beantwortet wurden. |
Warten wir einfach ab. Kann sein, dass wir, nachdem wir das Gehirn und seine Funktionen bis ins Letzte verstanden haben, erst merken, welche Probleme wir gar nicht berührt haben. |
Ja. Jedoch werden das Probleme anderer Kategorie sein, neue Rückzugsgebiete für Ontologen sozusagen. |
Diese Menschen würde ich eher als 'Philosophen' bezeichnen. Also von Menschen, die die richtigen Fragen stellen, ohne sich an falschen Antworten zu versuchen.
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Denk einfach an das Beispiel mit dem Schachspielen. Auch der beste Schachcomputer lehrt Dich nicht, wie ein Mensch Schach spielt. |
Den Fehler an diesem Argument hatte ich bereits aufgezeigt. Bei der Bewußtseinsforschung geht es nicht darum, was genau der Mensch (oder noch krasser der Mensch Waschke) in einer bestimmten Situation denkt, sondern ein konzepotuelles Modell zu finden, das Voraussagen über Bewußtsein erlaubt (sei es nun künstliches oder menschliches) und mit den neurologischen Befunden konsistent ist. |
Und wenn Du nun noch überlegst, wie eine 'Welt' beschaffen sein muss, damit Du derartige Vorhersagen machen kannst, hast Du das, was ich als 'Weltbeschaffenheit' bezeichne und das Du _voraussetzen_ musst, um überhaupt Aussagen machen zu können.
Grüßle
Thomas
EDIT Frank: Irgend etwas (Sonderzeichen etc.?) in Thomas Waschkes Beitrag hatte die Forumsoftware durcheinandergebracht.
|
|
Nach oben |
|
 |
pyrrhon registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.05.2004 Beiträge: 8770
|
(#152410) Verfasst am: 18.07.2004, 21:37 Titel: |
|
|
step hat folgendes geschrieben: | Nagarjuna hat folgendes geschrieben: | Und selbst wenn step nie auf weder verifizierbare noch falsifizierbare Annahmen kommen sollte, so ändert das nichts am Trilemma, in das er sich verrennt: Entweder er hat einen unendlichen Regress oder einen logischen Zirkel oder er bricht eben doch irgendwo ab bei Annahmen, die er zwar prinzipiell weiter untersuchen könnte, aber zwecks Vermeidung der ersten beiden Alternativen nicht endlos weiter untersuchen kann. |
Jaja, Trilemma kommt immer gut. Also, letzteres ist der Fall, aber wieso soll es ein Problem sein? |
Natürlich muss letzteres der Fall sein und ich sehe da auch kein Problem. Nur ist es im Allgemeinen schon zulässig, sich Gedanken zu machen, unter welchen Voraussetzungen diese Annahmen und der ganze Rest gelten können und wenn man das systematisch reflektiert, dann erhält man natürlich auch eine Ontologie II und metaphysische Annahmen, wie zum Beispiel, dass sich die Natur überhaupt einmal mathematisch beschreiben lassen muss. Ein Problem ist das nur für jemanden, der jede Ontologie und Metaphysik ablehnt.
step hat folgendes geschrieben: | Bitte drück Dich klar aus. Welche "Ontologie II bzw. Metaphysik" "könnte" es "zumindest im metatheoretischen Bereich" "letztendlich" bedeuten, wenn man bestimmte grammatikalisch mögliche Fragen als unwissenschaftlich ablehnt? |
Vielleicht: "Was ich nicht exakt zu definieren imstande bin, existiert nicht."?
step hat folgendes geschrieben: | Einem undendlichen Regreß oder logischen Zirkel verfallen gerade diejenigen, die meinen, ihnen durch die Deklaration einer Annahme zu einer Letztbegründung zu entfliehen. |
Kannst Du mir das bitte näher erklären und auch weshalb jemand, der sich systematisch Gedanken macht, unter welchen Voraussetzungen Wissenschaft funktioniert, Letztbegründungen deklariert?
step hat folgendes geschrieben: | Ich dagegen reduziere Wissenschaft auf das, was sie ist: das Finden von Regeln für Voraussagen der wahrnembaren Welt. |
Du reduzierst die Wissenschaft meiner Ansicht nach nicht auf das, was sie ist, sondern auf das, was Du willst, dass sie zu sein hat. Soweit ich informiert bin, ist Deine Ansicht, was Wissenschaft ist, eher eine Aussenseitermeinung. Kann sein, dass es speziell unter Physikern anders ist (Du bist doch Physiker?), aber Wissenschaft besteht aus weit mehr als der Physik.
Eine Außenseitermeinung ist nicht unbedingt richtig oder falsch, weil sie nicht der Standardmeinung entspricht. Um was es mir geht ist, dass es nicht richtig ist, eine Außenseitermeinung als Standard zu präsentieren. Allerdings gehört schon begründet, weshalb eine vom bewährten und anerkannten Standard abweichende Meinung besser sein soll als diese.
step hat folgendes geschrieben: | Es ist die ehrlichste Lösung, wie ich hier schon mehrfach ausführlich erläutert habe. Es ist unfair, sich sinnlose "Letztfragen" auszudenken und dann zu behaupten, _ich_ müsse etwas voraussetzen, um sie zu beantworten. Das Nichtaufstellen von Sätzen über mystische Verhalte ist nicht gleichbedeutend mit ontologischen oder metaphysischen Annahmen in diesem Bereich. |
Nur weil Du etwas ignorierst, ist es nicht notwendig inexistent, sinnlos oder unredlich.
step hat folgendes geschrieben: | Nagarjuna hat folgendes geschrieben: | Ich bin mir nicht sicher, ob sich step mit seiner positivistischen Philosophie nicht schon so weit verlaufen hat, dass es schon ausgesprochen schwierig, wenn nicht gar unmöglich ist, ihn zu überzeugen, dass mit seiner Position irgendwie etwas nicht stimmt (ob das der Fall ist oder nicht, will und kann ich nicht beurteilen, auch wenn meiner Ansicht nach Martin und Thomas die besseren Argumente zu haben scheinen) |
Auch nach mehrfachem Lesen erschließt sich mir hier kein diskussionswürdiger Inhalt - eher peinlich. |
Würdest Du bitte präzisieren, was genau Du als peinlich empfindest?
step hat folgendes geschrieben: | Nagarjuna hat folgendes geschrieben: | Es würde mich sehr interessieren, was step als Falsifikation seiner Position gelten lassen würde. |
Welche Position meinst Du jetzt?
Daß wir keine echte Wahrheit finden können? |
Warum führst Du gerade etwas an, worüber ausnahmsweise Konsens besteht?
step hat folgendes geschrieben: | Daß man Regeln für Voraussagen finden kann, ohne an den absoluten Realismus (wahlweise auch rK, Schöpfer oder sonstwas Metaphysisches) zu glauben? |
Vielleicht schon eher deine Ansicht, dass Obtologie und Metaphysik unter allen Umständen Humbug ist.
Gassho,
Nagarjuna
|
|
Nach oben |
|
 |
pyrrhon registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.05.2004 Beiträge: 8770
|
(#152468) Verfasst am: 18.07.2004, 23:47 Titel: |
|
|
Nachtrag:
step hat folgendes geschrieben: | Nagarjuna hat folgendes geschrieben: | Und selbst wenn step nie auf weder verifizierbare noch falsifizierbare Annahmen kommen sollte, so ändert das nichts am Trilemma, in das er sich verrennt: Entweder er hat einen unendlichen Regress oder einen logischen Zirkel oder er bricht eben doch irgendwo ab bei Annahmen, die er zwar prinzipiell weiter untersuchen könnte, aber zwecks Vermeidung der ersten beiden Alternativen nicht endlos weiter untersuchen kann. |
Jaja, Trilemma kommt immer gut. Also, letzteres ist der Fall, aber wieso soll es ein Problem sein? |
Ich hab's nicht sofort geschnallt, was Du damit meinst, daher erst jetzt, wo ich befürchte, wenn ich es auch nicht recht glauben will, es geschnallt zu haben, die Frage: Das Münchhausen-Trilemma von Hans Albert sagt Dir doch hoffentlich schon etwas? Wenn nicht, dann solltest Du schnellstens eines der Hauptwerke des bedeutendsten kritischen Rationalisten neben Karl Popper lesen:
Traktat über kritische Vernunft
von Hans Albert
Preis: EUR 12,90
Broschiert - UTB, Stuttgart
Erscheinungsdatum: 1991
ISBN: 3825216098
|
|
Nach oben |
|
 |
Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
|
(#152598) Verfasst am: 19.07.2004, 10:20 Titel: |
|
|
Hi Nagarjuna,
[übereinstimmungshalber gesnippt]
Nagarjuna hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ich dagegen reduziere Wissenschaft auf das, was sie ist: das Finden von Regeln für Voraussagen der wahrnembaren Welt. |
Du reduzierst die Wissenschaft meiner Ansicht nach nicht auf das, was sie ist, sondern auf das, was Du willst, dass sie zu sein hat. Soweit ich informiert bin, ist Deine Ansicht, was Wissenschaft ist, eher eine Aussenseitermeinung. |
So sehe ich das auch. Der Zweck von Wissenschaft ist es doch gerade, mithilfe von Modellen etwas über die Welt - über die "tieferen Schichten der Wirklichkeit" - zu erfahren. Das heißt, die Zielsetzung der Wissenschaft ist an sich schon eine realistische! Wenn die "scientific community" statt dessen das beherzigen würde, was Step fordert (Beschränkung auf deskriptives Arbeiten unter Ausschluß realistischer Denkweisen), käme das einem Antrag auf Selbstauflösung ihrer Programme und Zielsetzungen gleich. Man könnte dann auf der Phänomen-Ebene stehen bleiben und ein paar Beobachtungen zusammentragen - das wäre alles nur keine intellektuelle Leistung (geschweige denn eine Erklärungsleistung). Deshalb kann es, abgesehen von heuristischen Aspekten, IMAO zum wissenschaftlichen Realismus (der immer ein hypothetischer ist) gar keine sinnvolle Alternative geben.
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#152632) Verfasst am: 19.07.2004, 11:43 Titel: |
|
|
Nagarjuna hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ich dagegen reduziere Wissenschaft auf das, was sie ist: das Finden von Regeln für Voraussagen der wahrnembaren Welt. |
Du reduzierst die Wissenschaft meiner Ansicht nach nicht auf das, was sie ist, sondern auf das, was Du willst, dass sie zu sein hat ... |
Sagen wir, auf das, von dem ich meine, daß sie sich darauf beschränken muß, wenn sie ehrlich ist. Machen das nicht die besten Epistemologen so?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Der Zweck von Wissenschaft ist es doch gerade, mithilfe von Modellen etwas über die Welt - über die "tieferen Schichten der Wirklichkeit" - zu erfahren. |
Ja sicher, und genau das geschieht mit meinem Ansatz: Gefundene Regeln für die Simulation sind nichts anderes als Modelle, die Wissen über tiefere Zusammenhänge komprimiert beinhalten. Daß es dauerhaft Sinn macht, etwas "Elektron" zu nennen, liegt daran, daß man gefundene Regeln so leichter formulieren kann (sei es mit dem Wort "Elektron" in der Alltagssprache oder mit einem Wellenfunktionssymbol in der physikalischen Formelsprache). Der zusätziche Glauben an eine absolut reale Existenz ist zwar möglich, aber nicht zwingend notwendig, höchstens aus psychologischen Gründen ähnlich wie bei der Religion.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Das heißt, die Zielsetzung der Wissenschaft ist an sich schon eine realistische! |
Die Logik dieser Folgerung aus dem Vorhergehenden erschließt sich mir nicht, wenn man nicht bereits wieder Realismus - z.B. in Deinem Ausdruck "Wirklichkeit" - voraussetzt. Aber : Es scheint tatsächlich so und wird auch traditionellerweise so gesehen. (Noch früher meinte man gar, die Zielsetzung der Wissenschaft sei an sich schon eine künstlerische oder theologische.) Wenn man sich aber mit dem Wesen von "Wissen" genauer beschäftigt, dann findet man heraus, daß das eigentlich "realistische" am Ziel von Wissenschaft genau das Finden einer Erklärung ist, die verläßliche Vorhersagen ermöglicht. Dem zugrunde liegt offensichtlich die Simulierbarkeit, die scheinbare Regelhaftigkeit der Welt. Diese kann man selbst wieder zu erklären versuchen.
Der Unterschied von meiner Ansicht zum Mainstream ist gerade, daß ich die notwendigen Ingredienzien für Wissen trenne von dem, was der Wissenschaftler bzw. Philosoph damit auch noch zu erreichen glaubt. Insofern möchte ich den Vorwurf, hier etwas Gewünschtes durchsetzen zu wollen, an Euch und die Mehrheit der Wahrheitssucher zurückgeben.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Wenn die "scientific community" statt dessen das beherzigen würde, was Step fordert (Beschränkung auf deskriptives Arbeiten unter Ausschluß realistischer Denkweisen), ... |
Wo bitte fordere ich Beschränkung auf deskriptives Arbeiten? Eine Erklärung (eine gefundene Regel) ist weit mehr als nur eine Beschreibung der gemessenen Phänomene, sie beinhaltet Wissen über eine tieferliegende Struktur. Sonst wäre sie nicht simulations- und voraussagefähig.
Ich sehe nach wie vor die Behauptung, für das Betreiben von Wissenschaft sei der Glauben an reale Dinge (und nicht nur die scheinbare Regelhaftigkeit der Welt) zwingend notwendig, als nicht belegt an. Die gebrachten Beispiele zeigen nur, daß viele Forscher selbst an sowas geglaubt haben. Genauso könnte ich behaupten, Religion sei eine notwendige Voraussetzung für das Funktionieren von Gesellschaft.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
|
(#152642) Verfasst am: 19.07.2004, 12:08 Titel: |
|
|
Hi step,
[ ... ]
step hat folgendes geschrieben: |
Wo bitte fordere ich Beschränkung auf deskriptives Arbeiten? Eine Erklärung (eine gefundene Regel) ist weit mehr als nur eine Beschreibung der gemessenen Phänomene, sie beinhaltet Wissen über eine tieferliegende Struktur. Sonst wäre sie nicht simulations- und voraussagefähig. |
hmmmm, und wenn Du nun formulierst, was die 'tieferliegende Struktur' ist, hast Du das, was ich 'Weltbeschaffenheit' nenne.
Ich verstehe nicht, warum Du das _implizit_ anerkennst, aber ablehnst, wenn das jemand _explizit_ macht.
[Ich hoffe, dass wir uns gut genug kennen, dass klar ist, dass ich Dich mit dem Folgenden in keinster Art und Weise beleidigen möchte.]
Sacks hat in seinem Buch 'Der Mann, der seine Frau mit seinem Hut verwechselte' beschrieben, wie ein Mann mit einem bestimmten Problem eine Rose beschreibt. So in etwa sehe ich Dein 'Modell' von Forschung. Du sagst nicht: 'ich sehe eine Rose mit einer roten Blüte und grünen Blättern' sondern: 'ich sehe eine in bestimmter Art und Weise angeordnete rote flächige Gegenstände, die an der Spitze eines grünen zylindrischen Gegenstands hängen, an dem auch flächige grüne Gegenstände angeordnet sind', weil Du nicht sagen kannst, dass Du wissen kannst, was eine 'Rose', eine 'Blüte' oder ein 'Stängel' 'ist'.
Grüßle
Thomas
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#152826) Verfasst am: 19.07.2004, 16:25 Titel: |
|
|
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | wenn ein MWI-Anhänger mit einem CI-Anhänger diskutiert, müssen die doch genau das tun, was ich sage. |
Tja, wie rational sind ästhetische Argumente? Ich denke, solange ihre Voraussagen identisch sind, haben sie nicht viel zu argumentieren. Sie können sich höchstens gegenseitig nachweisen, daß ihre Interpretationen keine Theorien sind.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Gerade wenn ich mich auf keine Ontologie festlege, kann ich mich mit Anhängern konkurrierender Glaubenssysteme dennoch auf das völlig unontologische Ziel von Wissenschaft einigen, nämlich Regeln für Voraussagen zu finden. | Es sei denn, jemand fragt Dich, wie eine 'Welt' beschaffen sein müsste, um Vorhersagen zu ermöglichen. |
Vielleicht. Aber ich denke, auch dann.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Anstelle von 'Ontologie II' sage ich 'Weltbeschaffenheit'. Vielleicht hast Du dann eine Sperre weniger. |
Unter Weltbeschaffenheit verstehe ich, wie bereits konkret erläutret, ihre scheinbare Regelmäßigkeit. Dies ist - jedenfalls für mich, eine (wenn auch recht grundlegende) wissenschaftliche Fragestellung.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Aber ich habe ja sogar etwas anzubieten, sobald die angeblich ontologische Frage hinreichend wohldefiniert gestellt ist. | Du machst schon wieder den Fehler, Ontologie I zu 'verstehen'. Es ging um Ontologie II. |
Die Frage, wie es funktioniert, daß die Welt wissenschaftsgeeignet ist, ist doch nach Deiner Definition gerade die Ontologie-II Frage. | Nein! Diese Frage ist genuin Ontologie I. 'Weltbeschaffenheit' ist eine _Folgerung_ aus der Methode, nicht der _Begründung_. |
Hier geht scheinbar irgendwas durcheinander, mein Logikmodul rebelliert. Du selbst hast definiert, OII sei die Frage, wie die Welt beschaffen sein muß, damit man Wissenschaft betreiben kann.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Die Frage nach der Weltbeschaffenheit war schon immer genuin wissenschaftlich. Und zwar immer auf der Basis der jeweils aktuellen. Für Dich scheint es eine Grenze Wissenschaft - Ontologie zu geben, so in etwa 'alles was wir wissenschaftlich bearbeiten können, ist keine Ontologie mehr'. |
Ja, da gibt es tatsächlich eine Grenze für mich. Wenn man nicht eine triviale Ontologie will, also etwa: "Ontologie ist die Wissenschaft von all den Aspekten der Welt, die uns gherade irgendwie grundlegend erscheinen)" - so benötigt man den Begriff "Ontologie" ja offensichtlich für etwas, das man mit Wissenschaft nicht leisten kann.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Es geht doch nicht darum, zu _beweisen_, dass der hypothetische Realismus 'richtig' ist, sondern dass man auf der Basis einer bestimmten Weltbeschaffenheit gefundene Ergebnisse _besser_ einordnen kann, als wenn man einfach sagt 'ups, das ist aber ein hübsches Wunder, dass meine Wissenschaft funktioniert'. |
Ich gebe Dir insofern recht, als es auf die Dauer nicht befriedigend wäre, beim sich-Wundern stehenzubleiben. Deshalb habe ich ja auch vorgeschlagen, die Frage, warum Wissenschaft funktioniert, selbst wissenschaftlich zu untersuchen. Der hypothetische Realismus scheint nur oberflächlich eine Hilfe, das Phänomen der Regelmäßigkeit "besser einzuordnen", im Prinzip kommt es dem Verhalten gleich, Unverstandenes zu verabsolutieren. Aber wie inzwischen oft genug gesagt, eine hypothetisch realistische Interpretation der Welt finde ich nicht verwerflich, ich wehre mich nur gegen die Behauptung, aus logischen Gründen könne man ohne eine "RWI" nicht Wissenschaft betreiben, oder durch die RWI erhielte man neue Erkenntnisse.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Warten wir einfach ab. Kann sein, dass wir, nachdem wir das Gehirn und seine Funktionen bis ins Letzte verstanden haben, erst merken, welche Probleme wir gar nicht berührt haben. | Ja. Jedoch werden das Probleme anderer Kategorie sein, neue Rückzugsgebiete für Ontologen sozusagen. | Diese Menschen würde ich eher als 'Philosophen' bezeichnen. |
Von mir aus.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Also von Menschen, die die richtigen Fragen stellen, ohne sich an falschen Antworten zu versuchen. |
Oder Menschen, die in der Kneipe merkwürdige Gebilde mit Fragezeichen erstellen, diese meist selbst spekulativ beantworten, daraus eine "Lehre" oder wenigstens "Schule" machen und mit Anhängern anderer Schulen fortan nicht mehr verständlich kommunizieren können.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | ... sondern ein konzeptuelles Modell zu finden, das Voraussagen über Bewußtsein erlaubt (sei es nun künstliches oder menschliches) und mit den neurologischen Befunden konsistent ist. | Und wenn Du nun noch überlegst, wie eine 'Welt' beschaffen sein muss, damit Du derartige Vorhersagen machen kannst, hast Du das, was ich als 'Weltbeschaffenheit' bezeichne ... |
Also wie gesagt, damit ich derartige Vorhersagen machen kann, muß die Welt sich mir hinreichend regelmäßig präsentieren.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | ... und das Du _voraussetzen_ musst, um überhaupt Aussagen machen zu können. |
Gut, dann schließe ich aus der Tatsache, daß ich Wissenschaft betreiben kann, daß sich die Welt offensichtlich hinreichend regelmäßig präsentiert. Diese Welteigenschaft ist also tatsächlich eine Voraussetzung oder Bedingung oder notwendige Eigenschaft - allerdings muß _ich_ hier nichts voraussetzen (im Sinne eines methodologischen apriori), sondern ich stelle nur fest, daß dies offensichtlich so ist (jedenfalls in hinreichendem Ausmaße) - und kann mich darüberhinaus fragen, wie das zu erklären ist.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#152867) Verfasst am: 19.07.2004, 18:00 Titel: |
|
|
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wo bitte fordere ich Beschränkung auf deskriptives Arbeiten? Eine Erklärung (eine gefundene Regel) ist weit mehr als nur eine Beschreibung der gemessenen Phänomene, sie beinhaltet Wissen über eine tieferliegende Struktur. Sonst wäre sie nicht simulations- und voraussagefähig. | hmmmm, und wenn Du nun formulierst, was die 'tieferliegende Struktur' ist, hast Du das, was ich 'Weltbeschaffenheit' nenne. |
Yep.
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Ich verstehe nicht, warum Du das _implizit_ anerkennst, aber ablehnst, wenn das jemand _explizit_ macht. |
Ich erkenne das sogar explizit an. Aber eben als (offensichtliche) Hypothese über die Welt, die wissenschaftlich zu erklären ist (was nicht so einfach scheint).
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Sacks hat in seinem Buch 'Der Mann, der seine Frau mit seinem Hut verwechselte' beschrieben, wie ein Mann mit einem bestimmten Problem eine Rose beschreibt. So in etwa sehe ich Dein 'Modell' von Forschung. Du sagst nicht: 'ich sehe eine Rose mit einer roten Blüte und grünen Blättern' sondern: 'ich sehe eine in bestimmter Art und Weise angeordnete rote flächige Gegenstände, die an der Spitze eines grünen zylindrischen Gegenstands hängen, an dem auch flächige grüne Gegenstände angeordnet sind', weil Du nicht sagen kannst, dass Du wissen kannst, was eine 'Rose', eine 'Blüte' oder ein 'Stängel' 'ist'. |
Ganz so schlimm ist es aber mit mir nicht, denn ich habe immerhin kein Problem damit, für das wiederkehrende Phänomen "angeordnete rote flächige Gegenstände ..." einen Begriff namens "Rose" zu verwenden. Die "angeordneten roten flächigen Gegenstände" (und vieles mehr) brauche ich nur, wenn mich jemand fragt, was eine Rose denn nun ausmacht, bzw. was rechtfertigt, daß wir sie im Alltagsleben als hypothetisch reale Einheit ansprechen.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
|
(#153056) Verfasst am: 19.07.2004, 22:55 Titel: |
|
|
Hi!
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
(zu Sacks: Der Mann, der seine Frau mit seinem Hut verwechselte) "Ich sehe eine in bestimmter Art und Weise angeordnete rote flächige Gegenstände, die an der Spitze eines grünen zylindrischen Gegenstands hängen, an dem auch flächige grüne Gegenstände angeordnet sind." |
Falls es niemand gemerkt hat: Das war Ontologie in ihrer reinsten Form!
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
|
|
Nach oben |
|
 |
El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
|
(#153060) Verfasst am: 19.07.2004, 23:09 Titel: |
|
|
Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
(zu Sacks: Der Mann, der seine Frau mit seinem Hut verwechselte) "Ich sehe eine in bestimmter Art und Weise angeordnete rote flächige Gegenstände, die an der Spitze eines grünen zylindrischen Gegenstands hängen, an dem auch flächige grüne Gegenstände angeordnet sind." |
Falls es niemand gemerkt hat: Das war Ontologie in ihrer reinsten Form! :mrgreen: |
nein. So sieht es aus, wenn jemand redet, der sich verzweifelt darum herummogeln möchte, eine Ontologie II zu verwenden, weil er eine Höllenangst vor Ontologie I hat.
Grüßle
Thomas
|
|
Nach oben |
|
 |
Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
|
(#153079) Verfasst am: 20.07.2004, 00:42 Titel: |
|
|
Hi Thomas!
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Oh, oh! D. h. also: Mögliches ist möglich, wenn es möglich ist! |
genauer: Du musst zeigen, _dass_ es möglich ist.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Du meinst also, systematisches Vorgehen ist eine Ontologie? |
Nein. Dessen _Ergebnis_. |
Könntest Du das noch ein wenig erläutern? |
Nun, Du solltest Dir überlegen, was Du behauptest und wie 'die Welt' beschaffen sein muss, damit Du das behaupten kannst.
Wenn Du dazu 'die Welt' gar nicht dazu benötigst, willkommen im Club der Solipsisten.
|
Offenbar hast Du übersehen, dass auch für den Solipsisten eine Welt - nämlich eben seine - existiert. Das ist bei Dir übrigens nicht anders. Du könntest Dir also überlegen, wie die Welt beschaffen sein muß, damit der Solipsist dergleichen behaupten kann. So gesehen, läßt sich nur eines schlußfolgern: Ontologie erklärt nichts!
Was hältst Du übrigens in diesem Zusammenhang von Kant und seiner Ontologie-Kritik:
Zitat: | „Sein ist offenbar kein reales Prädikat, das ist ein Begriff von irgend etwas, was zu dem Begriffe eines Dinges hinzu kommen könnte. Es ist bloß die Position eines Dinges oder gewisser Bestimmungen an sich selbst. Im logischen Gebrauch ist es lediglich die Kopula eines Urteils. Der Satz „Gott ist allmächtig“ enthält zwei Begriffe, die ihre Objekte haben: Gott und Allmacht; das Wörtchen: ist, ist nicht noch ein Prädikat sondern nur das, was das Prädikat beziehungsweise auf das Subjekt setzt (also an ihm hervorhebt oder zur Abhebung bringt). Nehme ich nun das Subjekt (Gott) mit all seinen Prädikaten (worunter auch die Allmacht gehöret) zusammen und sage: Gott ist, oder es ist ein Gott, so setze ich kein neues Prädikat zum Begriffe von Gott, sondern nur das Subjekt an sich selbst mit allen seinen Prädikaten, und zwar den Gegenstand in Beziehung auf einen anderen. Beide müssen genau einerlei enthalten, und es kann daher zu dem Begriffe, der bloß die Möglichkeit ausdrückt, darum, dass ich dessen Gegenstand als schlechthin gegeben (durch den Ausdruck: er ist) denke, nichts weiter hinzukommen. Und so enthält das Wirkliche nichts mehr als das bloß Mögliche.“ (Kant: Kritik der reinen Vernunft. B 627f., A 599f.) |
Das sind dann die berühmten "100 mögliche Thaler sind auch nicht mehr als 100 wirkliche Thaler!"
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
|
|
Nach oben |
|
 |
Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
|
(#153083) Verfasst am: 20.07.2004, 00:58 Titel: |
|
|
Hi Thomas!
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: |
(zu Sacks: Der Mann, der seine Frau mit seinem Hut verwechselte) "Ich sehe eine in bestimmter Art und Weise angeordnete rote flächige Gegenstände, die an der Spitze eines grünen zylindrischen Gegenstands hängen, an dem auch flächige grüne Gegenstände angeordnet sind." |
Falls es niemand gemerkt hat: Das war Ontologie in ihrer reinsten Form!  |
nein. So sieht es aus, wenn jemand redet, der sich verzweifelt darum herummogeln möchte, eine Ontologie II zu verwenden, weil er eine Höllenangst vor Ontologie I hat. |
Ich glaube nicht, dass der Betroffene hier Angst vor einer Ontologie I hat. Hier versucht nur jemand auf besonders übertriebene Weise präzise zu sein und erkennt u. a. dabei nicht, dass der Rückzug auf allgemeinere Begriffe dies nicht zu leisten vermag.
Und so empfinde ich in der Tat die diversen Begründungen von Ontologie. Hier schlage ich eher vor, den Begriff 'Ontologie' durch den Begriff 'Hypothese' zu ersetzen.
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
|
|
Nach oben |
|
 |
El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
|
(#153120) Verfasst am: 20.07.2004, 06:56 Titel: |
|
|
Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Und so empfinde ich in der Tat die diversen Begründungen von Ontologie. Hier schlage ich eher vor, den Begriff 'Ontologie' durch den Begriff 'Hypothese' zu ersetzen. |
Bingo! _Hypothetischer_ Realismus ;-)
Grüßle
Thomas
|
|
Nach oben |
|
 |
El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
|
(#153122) Verfasst am: 20.07.2004, 07:05 Titel: |
|
|
Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Offenbar hast Du übersehen, dass auch für den Solipsisten eine Welt - nämlich eben seine - existiert. |
das habe ich nicht übersehen. Ich habe immer betont, dass es noch keinem Philosophen gelungen ist, den Solipsismus zu widerlegen. Es spricht nur nichts für diese Auffassung. Man kann im Club der Solipsisten wunderbar diskutieren.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Das ist bei Dir übrigens nicht anders. Du könntest Dir also überlegen, wie die Welt beschaffen sein muß, damit der Solipsist dergleichen behaupten kann. |
Wenn Du sagst, _die_ Solipsist_en_, sind wir uns einig. Sonst brauche ich nur einen Tank mit Nährlösung für meine Schwabbelware und einen Anschluss an einen hinreichend mächtigen Computer.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | So gesehen, läßt sich nur eines schlußfolgern: Ontologie erklärt nichts! |
Ich habe doch nicht behauptet, dass Ontologie II etwas _erklärt_, sondern dass es sinnvoll ist, die Grundannahmen seiner Weltsicht durchzuformulieren. Das ist ein wesentlicher Unterschied.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Was hältst Du übrigens in diesem Zusammenhang von Kant und seiner Ontologie-Kritik: |
[ ... ]
Nichts. Kant kritisiert eine Ontologie I. Wir sind bei Ontologie II.
Grüßle
Thomas
|
|
Nach oben |
|
 |
Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
|
(#153151) Verfasst am: 20.07.2004, 09:00 Titel: |
|
|
Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und so empfinde ich in der Tat die diversen Begründungen von Ontologie. Hier schlage ich eher vor, den Begriff 'Ontologie' durch den Begriff 'Hypothese' zu ersetzen. |
Somit begrüße auch ich Dich als Freund und Anhänger des hypothetischen Realismus
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#153152) Verfasst am: 20.07.2004, 09:03 Titel: |
|
|
Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | So gesehen, läßt sich nur eines schlußfolgern: Ontologie erklärt nichts! | Ich habe doch nicht behauptet, dass Ontologie II etwas _erklärt_, sondern dass es sinnvoll ist, die Grundannahmen seiner Weltsicht durchzuformulieren. Das ist ein wesentlicher Unterschied. |
Aber Vollmer hat das behauptet.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
|
(#153153) Verfasst am: 20.07.2004, 09:08 Titel: |
|
|
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und so empfinde ich in der Tat die diversen Begründungen von Ontologie. Hier schlage ich eher vor, den Begriff 'Ontologie' durch den Begriff 'Hypothese' zu ersetzen. | Somit begrüße auch ich Dich als Freund und Anhänger des hypothetischen Realismus |
Und wenn wir es jetzt noch schaffen einzusehen, daß diese Hypothese nicht irgendetwas für Philosophen reserviertes ist, sondern eine ganz normale Hypothese über die Struktur der Welt, dann haben wir die Frage nach den Eigenschaften der Welt, die sie wissenschaftsfähig machen, erfolgreich entontologisiert (I und II).
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
|
|
Nach oben |
|
 |
Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
|
(#153154) Verfasst am: 20.07.2004, 09:09 Titel: |
|
|
Hi Step,
Step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Der Zweck von Wissenschaft ist es doch gerade, mithilfe von Modellen etwas über die Welt - über die "tieferen Schichten der Wirklichkeit" - zu erfahren. |
Ja sicher, und genau das geschieht mit meinem Ansatz: Gefundene Regeln für die Simulation sind nichts anderes als Modelle, die Wissen über tiefere Zusammenhänge komprimiert beinhalten. |
Sagen wir so: Indem Du Wissenschaft auf die bloße Untersuchung von Erscheinungen ("empirischen Effekten") reduzierst, die sich "turingberechenbar" verhalten, bleibst Du der Phänomen-Ebene verhaftet. Es geht dem Wissenschaftler ja nicht darum, Regeln zusammenzustellen. Es geht darum, "tiefer" zu blicken - genauer:
Zitat: | grundsätzlich unbeobachtbare Objekte (...) als respektable physikalische Entitäten anzuerkennen, da es empirische Effekte gibt, zu deren Erklärung man dieses theoretische Element braucht |
Kanitscheider, B. (1981): Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaft. Walter de Gruyter, 41.
Sobald das aber jemand macht, sagst Du: "Waaaaaaaaah, Metaphysik!"
Step hat folgendes geschrieben: | Daß es dauerhaft Sinn macht, etwas "Elektron" zu nennen, liegt daran, daß man gefundene Regeln so leichter formulieren kann (sei es mit dem Wort "Elektron" in der Alltagssprache oder mit einem Wellenfunktionssymbol in der physikalischen Formelsprache). Der zusätziche Glauben an eine absolut reale Existenz ist zwar möglich, aber nicht zwingend notwendig, höchstens aus psychologischen Gründen ähnlich wie bei der Religion. |
Wie gesagt, Du mußt Dich immer fragen, was Menschen umtreibt, die sich dazu entschließen, Wissenschaft zu betreiben. Kein Mensch konstruiert theoretische Konstrukte, um der Konstrukte willen. Niemand schüttelt sich den Atombegriff und eine dazu passende Schrödingergleichung aus dem Ärmel, nur damit er sagen kann: „Mein Konstrukt paßt zur turingartigen Berechenbarkeit dieser Farbumschläge.“ Er sucht nach einer passenden Theorie, damit er sagen kann: „Die Farbumschlage kommen zustande, weil sich zwei Moleküle bestimmter Zusammensetzung so und so zu einem neuen Molekül verbinden, das Licht dieser und jener Wellenlänge absorbiert.“
Wenn er nicht überzeugt wäre, daß die Konstrukte Repräsentationen einer " Wirklichkeit" wären, würde er sich die interessanten Fragen gar nicht erst stellen und auch nur auf den Atombegriff kommen. Wie gesagt, selbsterklärte Aufgabe der Wissenschaft ist es, neues Wissen über die reale Welt zu schaffen, indem sie Phänomene unter Rückgriff auf Dinge zu erklären versucht, die sich nicht durch Beobachtung erschließen.
Step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Das heißt, die Zielsetzung der Wissenschaft ist an sich schon eine realistische! |
Die Logik dieser Folgerung aus dem Vorhergehenden erschließt sich mir nicht, wenn man nicht bereits wieder Realismus - z.B. in Deinem Ausdruck "Wirklichkeit" - voraussetzt. Aber : Es scheint tatsächlich so und wird auch traditionellerweise so gesehen. (Noch früher meinte man gar, die Zielsetzung der Wissenschaft sei an sich schon eine künstlerische oder theologische.) |
Das ist ein etwas schräger Vergleich. Die Tatsache, daß Wissenschaft (in Deinem Sinne:) "metaphysische" Vorentscheidungen braucht, macht nicht alle Metaphysiken gleichwertig oder gleich unnütz.
[...]
Step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Wenn die "scientific community" statt dessen das beherzigen würde, was Step fordert (Beschränkung auf deskriptives Arbeiten unter Ausschluß realistischer Denkweisen), ... |
Wo bitte fordere ich Beschränkung auf deskriptives Arbeiten? |
Ständig, weil Du in allem, was Du schreibst, die Phänomen-Ebene nicht verläßt. Der epistemologische Status Deiner Aussage: „Mein Konzept XY paßt zur turingartigen Berechenbarkeit dieser oder jener Erscheinung“ ist derjenige einer Beschreibung – bestenfalls der einer Subsumption. Aber eine Erklärung hast Du damit nicht vollzogen, denn Erklärungen berufen sich immer auf Mechanismen. Und mechanismisch miteinander wechselwirken tun weder Erscheinungen noch theoretische Konstrukte, sondern immer nur konkrete Dinge, die man auf der „tieferen Ebene der Wirklichkeit“ postuliert.
Ergo: Um etwas zu erklären werden (ob man sich dessen bewußt ist oder nicht) die theoretischen Elemente, als „respektable physikalische Entitäten“ anerkannt. Dann und nur dann wird aus den Beschreibungen: „Erscheinung A verhält sich turingartig“ und „Konzept XY paßt zur turingartigen Berechenbarkeit dieser oder jener Erscheinung“ plötzlich die langersehnte Erklärung: „Molekül X greift nukleophil an Molekül Y an und reagiert zu Molekül Z, das Licht der Wellenlänge 500 nm absorbiert.“ Und dann sollte man konsequent sein:
Entweder, wie die Positivsten, nur deskriptiv arbeiten oder statt aber realistisch denken. Aber (so wie Du) das theoretische Konstrukt anzuerkennen, auch den Atombegriff anzuerkennen (eventuell sogar die mechanismische Erklärung anzuerkennen), nur um dann zu sagen: „Sorry, das reale Atom kenne ich aber nicht an“, scheint mir noch metaphysischer zu sein, als diejenige Metaphysik, die Du ablehnst.
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
|
|
Nach oben |
|
 |
El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
|
(#153180) Verfasst am: 20.07.2004, 09:45 Titel: |
|
|
Hi step,
step hat folgendes geschrieben: | Thomas Waschke hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | So gesehen, läßt sich nur eines schlußfolgern: Ontologie erklärt nichts! | Ich habe doch nicht behauptet, dass Ontologie II etwas _erklärt_, sondern dass es sinnvoll ist, die Grundannahmen seiner Weltsicht durchzuformulieren. Das ist ein wesentlicher Unterschied. |
Aber Vollmer hat das behauptet.
|
dazu fallen mir nur Insterburg & Co ein: 'Was würde Kant dazu sagen?'
Grüßle
Thomas
Zuletzt bearbeitet von El Schwalmo am 20.07.2004, 13:44, insgesamt einmal bearbeitet |
|
Nach oben |
|
 |
El Schwalmo Naturalistischer Ignostiker
Anmeldungsdatum: 06.11.2003 Beiträge: 9073
|
(#153181) Verfasst am: 20.07.2004, 09:46 Titel: |
|
|
Hi step,
step hat folgendes geschrieben: |
Und wenn wir es jetzt noch schaffen einzusehen, daß diese Hypothese nicht irgendetwas für Philosophen reserviertes ist, sondern eine ganz normale Hypothese über die Struktur der Welt, dann haben wir die Frage nach den Eigenschaften der Welt, die sie wissenschaftsfähig machen, erfolgreich entontologisiert (I und II). |
nein. Wir haben nur _Dein_ Missverständnis ausgeräumt, was bestimmte Menschen unter 'Ontologie' verstehen.
Grüßle
Thomas
|
|
Nach oben |
|
 |
Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
|
(#153275) Verfasst am: 20.07.2004, 13:03 Titel: |
|
|
Hi Lamarck,
[...]
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Du bist doch derjenige, der hier den "Erkenntnisstand Null" behalten möchte. Ich bin für "Wissen statt Glauben!" und bin deshalb Atheist und nicht "nur" Agnostiker. Ich sage: "Wissen = nützlich = viabel. Bitte noch einmal genau lesen:
Wenn Du allein schon trotz des Theodizee-Problems agnostisch unentschieden bleibst, dann könntest Du auch genausogut allen Fragen gegenüber unentschieden bleiben [...]
Richtig, niemand baut einen Feldstecher, wenn er glaubt, eine Wand vor Augen zu haben. Wenn aber die Entstehung des Konstrukts, keine Wand vor Augen zu haben, nicht unmöglich ist, wird es irgendwann trotzdem Feldstecher geben. That's Evolution ...
Zitat: | Der Hypothetische Realist schließt von seinen speziellen gedanklichen Konstrukten auf eine allgemeine, absolute Realität. Nun ist dieser ja kein reiner Realist und es bleibt ihm nur eine Hypothese von Realität. Die Hypothese von Realität ist aber nie Realität, sondern doch immer nur Hypothese (oder 'Entitätisch-Ontologische Annahme' oder Fiktion oder Konstrukt). |
Würde der Hypothetische Realist sich nun hier zu einer entsprechenden Deduktion entschließen, würde er zwangsläufig beim Radikalen Konstruktivismus landen! |
Was Du schreibst, scheint mir alles in allem gar nicht mal so verkehrt zu sein. Und wie Dir nicht entgangen sein wird, partizipiere ich auch an der MIZ-Artikelserie zum Thema "Wissen statt Glauben". Aber wie schon gesagt: Deine Kritik macht nur dann einen Sinn, wenn jemand (sagen wir mal: naiv-unreflektierte) Tatsachenbehauptungen in den Raum stellt. Das sind nach meinem Verständnis also solche, die er als letzte Gewißheit verkauft. Wir nannten das schon einmal den Versuch einer "Letztbegründung" (Ontologie I). Weil ich aber einen hypothetischen Realismus vertrete und dafür rein methodologische Begründungen angebe (Ontologie II), redest Du an mir vorbei. Jeder philosophisch gebildete Wissenschaftler weiß ja, daß seine philosophischen Prämissen ebenso vorläufig sind, wie seine faktischen Erkenntnisse. Da seine Erkenntnisse ("Wissen") und Methoden auf seinen philosophischen Säulen (sagen wir mal: "Glauben") ruhen, ist natürlich sein "Wissen" genauso tragfähig, wie diese Säulen. Das heißt, sein "Wissen" ist genauso "Glaube" wie sein Naturalismus und Realismus, mit deren Hilfe er es erwirbt! Eine Trennung "Wissenschaft/Metaphysik" erscheint mir daher nicht machbar.
Richtig ist, daß unterschiedliche Metaphysiken unterschiedliche Begründungswertigkeiten haben. So ist es natürlich abseitig, einen Supernaturalismus in den philosophischen Hintergrund der Wissenschaften einzubauen. Daher bin ich in der Gottesfrage, genauso wie Du, pragmatischer Atheist. Trotzdem braucht Wissenschaft philosophische Vorentscheidungen, sonst ist sie keine. Daher kann ich in der Realismusfrage nicht (methodisch) unentschieden bleiben. Ich habe das Step anhand mehrere historischer Beispiele versucht, klarzumachen:
a.) die wissenschaftliche Zielsetzung ist an sich schon eine realistische
b.) realistisches Denken hat sich als heuristisch fruchtbar erwiesen.
c.) Nichtrealistisches Denken ist rein deskriptiv, erklärt also nichts.
Beim "Rest" sind wir uns vermutlich einig.
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
|
|
Nach oben |
|
 |
Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
|
(#154215) Verfasst am: 22.07.2004, 01:38 Titel: |
|
|
Hi Martin!
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Du bist doch derjenige, der hier den "Erkenntnisstand Null" behalten möchte. Ich bin für "Wissen statt Glauben!" und bin deshalb Atheist und nicht "nur" Agnostiker. Ich sage: "Wissen = nützlich = viabel. Bitte noch einmal genau lesen:
Wenn Du allein schon trotz des Theodizee-Problems agnostisch unentschieden bleibst, dann könntest Du auch genausogut allen Fragen gegenüber unentschieden bleiben [...] |
Zitat: | Richtig, niemand baut einen Feldstecher, wenn er glaubt, eine Wand vor Augen zu haben. Wenn aber die Entstehung des Konstrukts, keine Wand vor Augen zu haben, nicht unmöglich ist, wird es irgendwann trotzdem Feldstecher geben. That's Evolution ... |
Zitat: | Der Hypothetische Realist schließt von seinen speziellen gedanklichen Konstrukten auf eine allgemeine, absolute Realität. Nun ist dieser ja kein reiner Realist und es bleibt ihm nur eine Hypothese von Realität. Die Hypothese von Realität ist aber nie Realität, sondern doch immer nur Hypothese (oder 'Entitätisch-Ontologische Annahme' oder Fiktion oder Konstrukt). |
Zitat: | Würde der Hypothetische Realist sich nun hier zu einer entsprechenden Deduktion entschließen, würde er zwangsläufig beim Radikalen Konstruktivismus landen! | |
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Was Du schreibst, scheint mir alles in allem gar nicht mal so verkehrt zu sein. Und wie Dir nicht entgangen sein wird, partizipiere ich auch an der MIZ-Artikelserie zum Thema "Wissen statt Glauben". Aber wie schon gesagt: Deine Kritik macht nur dann einen Sinn, wenn jemand (sagen wir mal: naiv-unreflektierte) Tatsachenbehauptungen in den Raum stellt. Das sind nach meinem Verständnis also solche, die er als letzte Gewißheit verkauft. Wir nannten das schon einmal den Versuch einer "Letztbegründung" (Ontologie I). Weil ich aber einen hypothetischen Realismus vertrete und dafür rein methodologische Begründungen angebe (Ontologie II), redest Du an mir vorbei. Jeder philosophisch gebildete Wissenschaftler weiß ja, daß seine philosophischen Prämissen ebenso vorläufig sind, wie seine faktischen Erkenntnisse. Da seine Erkenntnisse ("Wissen") und Methoden auf seinen philosophischen Säulen (sagen wir mal: "Glauben") ruhen, ist natürlich sein "Wissen" genauso tragfähig, wie diese Säulen. Das heißt, sein "Wissen" ist genauso "Glaube" wie sein Naturalismus und Realismus, mit deren Hilfe er es erwirbt! Eine Trennung "Wissenschaft/Metaphysik" erscheint mir daher nicht machbar.
Richtig ist, daß unterschiedliche Metaphysiken unterschiedliche Begründungswertigkeiten haben. So ist es natürlich abseitig, einen Supernaturalismus in den philosophischen Hintergrund der Wissenschaften einzubauen. Daher bin ich in der Gottesfrage, genauso wie Du, pragmatischer Atheist. Trotzdem braucht Wissenschaft philosophische Vorentscheidungen, sonst ist sie keine. Daher kann ich in der Realismusfrage nicht (methodisch) unentschieden bleiben. Ich habe das Step anhand mehrere historischer Beispiele versucht, klarzumachen:
a.) die wissenschaftliche Zielsetzung ist an sich schon eine realistische
b.) realistisches Denken hat sich als heuristisch fruchtbar erwiesen.
c.) Nichtrealistisches Denken ist rein deskriptiv, erklärt also nichts.
Beim "Rest" sind wir uns vermutlich einig. |
Ich will doch noch mal gewisse Zusammenhänge darstellen. Und zwar den zwischen den von Dir genannten naiv-unreflektierten Tatsachenbehauptungen und bestimmten philosophischen Vorentscheidungen. Und dieser Zusammenhang hat auch nicht unbedingt etwas mit "Letztbegründung(en)" zu tun. Wenn Du von "Realität" sprichst, nimmst Du 'nur' eine bestimmte Position ein - Deine Vorentscheidung - was aber diese "Realität" ist, bestimmst Du doch immer erst hinterher (vgl. den "Fehlgriff des Schwinghanglers" )! Außerdem:
Zitat: | Wenn wir Menschen zwingen wollen, unseren Wünschen gemäß zu handeln, und wenn wir keine Gewalt anwenden können oder wollen, dann benutzen wir sogenannte objektive, rationale Argumente. Wir setzten dabei implizit oder explizit voraus, daß kein Mensch Argumente zurückweisen kann, deren Gültigkeit auf ihrem Bezug zur Realität beruht. Wir setzten dabei außerdem explizit oder implizit voraus, daß diese Realität absolut gültig und objektiv ist, weil sie völlig unabhängig ist von allem, was wir tun, und daß sie daher, wenn sie einmal festgestellt worden ist, nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Wir betrachten folglich jeden Widerstand gegen die Vernunft, d. h. gegen unsere rationalen Argumente, als reine Willkür, als irrational oder absurd, und beanspruchen damit implizit, einen privilegierten Zugang zur Realität zu besitzen, durch den unsere Argumente objektive Gültigkeit erlangen. Wir behaupten darüber hinaus implizit oder explizit, daß es eben dieser privilegierte Zugang zur Realität ist, der uns instand setzt, rational zu argumentieren. Ist diese Auffassung der Rationalität aber rational zu rechtfertigen? (Maturana, H. R. (1998): Biologie der Realität; S. 227-228) |
Ist also Deine methodologische Haltung zur "Realität" dogmatisch?
Und wenn Du schon mit mir darüber übereinstimmst, dass die Trennung von "Wissenschaft/Metaphysik" nicht machbar ist, warum löst Du dann nicht die "Metaphysik(en)" als Hypothese(n) in "Wissenschaft" auf?!
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
|
|
Nach oben |
|
 |
Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
|
(#154893) Verfasst am: 23.07.2004, 16:44 Titel: |
|
|
Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ich will doch noch mal gewisse Zusammenhänge darstellen. Und zwar den zwischen den von Dir genannten naiv-unreflektierten Tatsachenbehauptungen und bestimmten philosophischen Vorentscheidungen. Und dieser Zusammenhang hat auch nicht unbedingt etwas mit "Letztbegründung(en)" zu tun. Wenn Du von "Realität" sprichst, nimmst Du 'nur' eine bestimmte Position ein - Deine Vorentscheidung - was aber diese "Realität" ist, bestimmst Du doch immer erst hinterher (vgl. den "Fehlgriff des Schwinghanglers" )! |
Ja, und? Sobald Du eine Theorie erstellst, triffst Du eine "metaphysische Vorentscheidung". Was davon übrig bleibt, siehst Du dann erst hinterher - nachdem Du nämlich die Beobachtungen (mehr oder minder erfolgreich) im Lichte dieser Theorie interpretiert hast. Und wenn Du vom Naturalismus sprichst, triffst Du auch eine Vorentscheidung – ob sich der dann als "Heuristik" bewährt, siehst Du immer erst hinterher. Was will man mir also damit sagen?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Außerdem:
Zitat: | Wenn wir Menschen zwingen wollen, unseren Wünschen gemäß zu handeln, und wenn wir keine Gewalt anwenden können oder wollen, dann benutzen wir sogenannte objektive, rationale Argumente. Wir setzten dabei implizit oder explizit voraus, daß kein Mensch Argumente zurückweisen kann, deren Gültigkeit auf ihrem Bezug zur Realität beruht. Wir setzten dabei außerdem explizit oder implizit voraus, daß diese Realität absolut gültig und objektiv ist, weil sie völlig unabhängig ist von allem, was wir tun, und daß sie daher, wenn sie einmal festgestellt worden ist, nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Wir betrachten folglich jeden Widerstand gegen die Vernunft, d. h. gegen unsere rationalen Argumente, als reine Willkür, als irrational oder absurd, und beanspruchen damit implizit, einen privilegierten Zugang zur Realität zu besitzen, durch den unsere Argumente objektive Gültigkeit erlangen. Wir behaupten darüber hinaus implizit oder explizit, daß es eben dieser privilegierte Zugang zur Realität ist, der uns instand setzt, rational zu argumentieren. Ist diese Auffassung der Rationalität aber rational zu rechtfertigen? (Maturana, H. R. (1998): Biologie der Realität; S. 227-228) |
|
Niemand zwingt Dich, meine metatheoretischen Argumente anzuerkennen. Niemand zwingt überhaupt irgend jemanden, ein Argument zu vertreten. Man kann immer nur versuchen, anhand von Argumenten, bestmöglich darzulegen, warum man aus einer unendlichen Menge denkmöglicher Hypothesen unter bestimmten Voraussetzungen eine ganz bestimmte Position für die plausibelste, konsistenteste, rationalste bzw. "stimmigste" hält. Um dies plausibel zu machen, bedarf es wiederum bestimmter Rationalitätsstandards und Diskursregeln. Ich bilde mir ein, hinreichend versucht zu haben, zu erklären, weshalb ich – wissenschaftsphilosophisch betrachtet - keine Alternative zum hypothetischen Realismus sehe, ja warum ich die Zielsetzung der Wissenschaft an sich schon für eine realistische halte.
Es verhält sich mit dem hypothetischen Realismus und der Wissenschaft wie mit dem Himmel und der Astronomie: Wer sich dazu entschließt, Astronom zu werden, geht davon aus, daß es einen Weltraum gibt, den er erforschen kann. Wenn nicht, dann läßt er es sein – Punkt. Und wenn mir dann jemand erzählen will, daß auch Menschen die Astronomie voranbringen, die meinen, es gäbe keinen Himmel, will ich mich gerne öffentlich dazu bekennen, daß ich eine solche Behauptung nicht für diskursfähig halte - zumindest bedarf dies eines Gegenbeweises.
Daher erscheint es mir so, als würden Logik und Rationalität immer nur dann zur Disposition gestellt, wenn es gilt, eine argumentativ nicht zu stützendende Position dogmatisch gegen jedwede Kritik abzusichern. Ist das jetzt also ein Bekenntnis zu Feyerabends anarchistischem Verständnis von Wissenschaft? Wenn es keine Rationalstandards mehr gibt, was macht dann die Wissenschaft zur Wissenschaft? Und: Ist ein Austausch von Argumenten ohne Voraussetzung bestimmter Rationalitätsstandards überhaupt möglich? Anything goes?
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ist also Deine methodologische Haltung zur "Realität" dogmatisch? |
Da kann ich Dir nur dieselbe Antwort geben, die ich Kreationisten auch gebe, wenn sie mir in Bezug auf den Naturalismus dasselbe vorhalten: Dir stehen alle Möglichkeiten offen, die Wissenschaft davon zu überzeugen, daß Deine Epistemologie die rationalere, „bessere“ bzw. explanativ wie heuristisch wertvollere ist. Schreib doch einfach ein paar Artikel in Science, Nature sowie in „Aufklärung und Kritik“ und schlag den praktizierenden Wissenschaftlern vor, sie sollten anstatt nach den Bausteinen dieser Welt nach "viablen Konstrukten" suchen. Mach ihnen klar, daß sie auf ihre "metaphysisch-realistischen Denkvoraussetzungen" besser verzichten und erklär’ der „scientific communitiy“, warum es sinnvoll erscheint, mithilfe Ockhams Rassiermesser den Ast abzusägen, auf dem sie sitzt.
Zeig desweiteren anhand historischer Beispiele auf, daß und wo der Realismus "versagt" hat und erkläre, warum es uns trotzdem gelingt, ein konsistentes, in sich stimmiges, höchst erfolgreiches Theoriengebäude aufzustellen. Widerleg’ dabei mein halbes Dutzend Beispiele, das ich Step genannt habe und mach deutlich, inwiefern der RK die explantiv und heuristisch wertvollere Erkenntnistheorie gewesen wäre. Und wenn Du Dein Soll erfüllt hast und Dein Ansatz unter methodologischen Gesichtspunkten halbwegs etwas taugt, bist Du bald in aller Munde und wirst vielleicht zum Popper des 21. Jahrhunderts avancieren. Du weißt ja: Das gute Argument setzt sich auf lange Sicht durch. Von Dogmatismus kann daher keine Rede sein. Aber bloß den Realismus mit Metaphysikvorwürfen zu konfrontieren, kein einziges Beispiel für den wissenschafts-philosophischen Wert des RK anzugeben und als letztes Mittel die Rationalität zur Disposition stellen, um den RK zu immunisieren, erscheint mir etwas insuffizient. Wie gesagt, der Ball liegt längst in Deinem Feld.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und wenn Du schon mit mir darüber übereinstimmst, dass die Trennung von "Wissenschaft/Metaphysik" nicht machbar ist, warum löst Du dann nicht die "Metaphysik(en)" als Hypothese(n) in "Wissenschaft" auf?! |
Wie haben Mahner und Bunge doch gleich nochmal „Metaphysik“ bzw. „Ontologie“ definiert? Und wie war das mit dem unterschiedlichen methodologischem Status der verschiedenen Metaphysiken?
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
|
|
Nach oben |
|
 |
Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
|
(#155040) Verfasst am: 24.07.2004, 02:28 Titel: |
|
|
Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ich will doch noch mal gewisse Zusammenhänge darstellen. Und zwar den zwischen den von Dir genannten naiv-unreflektierten Tatsachenbehauptungen und bestimmten philosophischen Vorentscheidungen. Und dieser Zusammenhang hat auch nicht unbedingt etwas mit "Letztbegründung(en)" zu tun. Wenn Du von "Realität" sprichst, nimmst Du 'nur' eine bestimmte Position ein - Deine Vorentscheidung - was aber diese "Realität" ist, bestimmst Du doch immer erst hinterher (vgl. den "Fehlgriff des Schwinghanglers" )! |
Ja, und? Sobald Du eine Theorie erstellst, triffst Du eine "metaphysische Vorentscheidung". Was davon übrig bleibt, siehst Du dann erst hinterher - nachdem Du nämlich die Beobachtungen (mehr oder minder erfolgreich) im Lichte dieser Theorie interpretiert hast. Und wenn Du vom Naturalismus sprichst, triffst Du auch eine Vorentscheidung – ob sich der dann als "Heuristik" bewährt, siehst Du immer erst hinterher. Was will man mir also damit sagen? |
Bleiben wir vielleicht erst mal bei der Hypothese. Und für eine Hypothese benötigt man keine ominösen metaphysische Vorentscheidungen, sondern nur eins: Ideen!
Offenbar hast Du meinen Tenor hier nicht verstanden. Auch Deine Realität ändert sich doch ständig, z. B. zwischen gestern und heute. Was also macht den Unterschied, was ist anders?
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
|
|
Nach oben |
|
 |
|