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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#155041) Verfasst am: 24.07.2004, 02:48 Titel: |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Außerdem:
Zitat: | Wenn wir Menschen zwingen wollen, unseren Wünschen gemäß zu handeln, und wenn wir keine Gewalt anwenden können oder wollen, dann benutzen wir sogenannte objektive, rationale Argumente. Wir setzten dabei implizit oder explizit voraus, daß kein Mensch Argumente zurückweisen kann, deren Gültigkeit auf ihrem Bezug zur Realität beruht. Wir setzten dabei außerdem explizit oder implizit voraus, daß diese Realität absolut gültig und objektiv ist, weil sie völlig unabhängig ist von allem, was wir tun, und daß sie daher, wenn sie einmal festgestellt worden ist, nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Wir betrachten folglich jeden Widerstand gegen die Vernunft, d. h. gegen unsere rationalen Argumente, als reine Willkür, als irrational oder absurd, und beanspruchen damit implizit, einen privilegierten Zugang zur Realität zu besitzen, durch den unsere Argumente objektive Gültigkeit erlangen. Wir behaupten darüber hinaus implizit oder explizit, daß es eben dieser privilegierte Zugang zur Realität ist, der uns instand setzt, rational zu argumentieren. Ist diese Auffassung der Rationalität aber rational zu rechtfertigen? (Maturana, H. R. (1998): Biologie der Realität; S. 227-228) |
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Niemand zwingt Dich, meine metatheoretischen Argumente anzuerkennen. Niemand zwingt überhaupt irgend jemanden, ein Argument zu vertreten. Man kann immer nur versuchen, anhand von Argumenten, bestmöglich darzulegen, warum man aus einer unendlichen Menge denkmöglicher Hypothesen unter bestimmten Voraussetzungen eine ganz bestimmte Position für die plausibelste, konsistenteste, rationalste bzw. "stimmigste" hält. Um dies plausibel zu machen, bedarf es wiederum bestimmter Rationalitätsstandards und Diskursregeln. Ich bilde mir ein, hinreichend versucht zu haben, zu erklären, weshalb ich – wissenschaftsphilosophisch betrachtet - keine Alternative zum hypothetischen Realismus sehe, ja warum ich die Zielsetzung der Wissenschaft an sich schon für eine realistische halte.
Es verhält sich mit dem hypothetischen Realismus und der Wissenschaft wie mit dem Himmel und der Astronomie: Wer sich dazu entschließt, Astronom zu werden, geht davon aus, daß es einen Weltraum gibt, den er erforschen kann. Wenn nicht, dann läßt er es sein – Punkt. Und wenn mir dann jemand erzählen will, daß auch Menschen die Astronomie voranbringen, die meinen, es gäbe keinen Himmel, will ich mich gerne öffentlich dazu bekennen, daß ich eine solche Behauptung nicht für diskursfähig halte - zumindest bedarf dies eines Gegenbeweises.
Daher erscheint es mir so, als würden Logik und Rationalität immer nur dann zur Disposition gestellt, wenn es gilt, eine argumentativ nicht zu stützendende Position dogmatisch gegen jedwede Kritik abzusichern. Ist das jetzt also ein Bekenntnis zu Feyerabends anarchistischem Verständnis von Wissenschaft? Wenn es keine Rationalstandards mehr gibt, was macht dann die Wissenschaft zur Wissenschaft? Und: Ist ein Austausch von Argumenten ohne Voraussetzung bestimmter Rationalitätsstandards überhaupt möglich? Anything goes? |
Was macht Standards zu Standards? Und woran machst Du eine Gültigkeit auf ihrem Bezug zur Realität fest? Wenn 'Standards' wie 'Realität' hinterfragt werden, spricht das doch erstmal nicht gegen Rationalität. Übrigens, damit gehe ich mit Dir ganz bestimmt konform: Wenn jemand etwas tut, obwohl er nicht daran glaubt, der wird in der Tat weder die Astronomie noch sonstwas voranbringen. - Denn das ist es doch gerade, wie hängt dieses denn mit 'Realität' zusammen?
Wissenschaft wird erst durch Wissen zur Wissenschaft und da ist es erstmal gleich, ob dieses Wissen Unsinn ist. Aber erst durch Unsinn kannst Du Sinn von Unsinn trennen. Du könntest sonst nicht aus Fehlern lernen.
Und erneut: Radikaler Konstruktivismus bedeutet nicht Anything goes!
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#155305) Verfasst am: 24.07.2004, 16:26 Titel: |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Was macht Standards zu Standards? Und woran machst Du eine Gültigkeit auf ihrem Bezug zur Realität fest? Wenn 'Standards' wie 'Realität' hinterfragt werden, spricht das doch erstmal nicht gegen Rationalität. |
Richtig! Rationalität ist aber vom Kontext abhängig. Im außerwissenschaftlichen Kontext kann man sich durchaus sinnvoll die Frage stellen, ob wir überhaupt etwas wissen können. Hier lassen sich also Erkenntnistheorien, die mehr behaupten, als der Solipsismus, durchaus kritisch und rational hinterfragen. Man könnte das Resultat dieser Überlegung mit Poppers "negativer Lösung" des Induktionsproblems vergleichen.
Ganz anders sieht die Sache in der Wissenschaftsphilosophie aus, die ja vor allem die methodologischen Prinzipien und Voraussetzungen der Naturwissenschaften zu berücksichtigen hat. Du kannst den Realismus dann gerne das Resultat einer "methodischen Beschränkung" nennen oder mit Poppers "positiver Lösung" vergleichen.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Übrigens, damit gehe ich mit Dir ganz bestimmt konform: Wenn jemand etwas tut, obwohl er nicht daran glaubt, der wird in der Tat weder die Astronomie noch sonstwas voranbringen. - Denn das ist es doch gerade, wie hängt dieses denn mit 'Realität' zusammen? |
Wie gesagt, nach meiner (vielleicht zu idiosynkratischen) Auffassung besteht das Ziel von Wissenschaft darin, nicht die Phänomen-Ebene zu beschreiben, sondern sie zu erklären. Die (mechanismische) Erklärung ist salopp formuliert das "Interface" zwischen Phänomen und (hypothetischer) Realität. Wer die Realitätshypothese ablehnt, reißt also das Phänomen aus dem Erklärungszusammenhang und räumt implizit ein, daß keine Wissenschaft im üblichen Sinne möglich ist. Wenn man sich z.B. fragt, weshalb beim Zusammenkippen zweier Lösungen ein Farbumschlag auftritt, kann man das nur erklären, wenn man den Atom- und Molekülbegriff als respektable Entität anerkennt, die auf eine bestimmte Weise miteinander reagieren. Wenn man dagegen nur sagt, „mein theoretisches Konstrukt T ist viabel im Hinblick auf Phänomen P“, läßt sich das nicht mehr hinterfragen bzw. keine Erklärungsleistung vollziehen.
Du kannst natürlich sagen: „Was interessiert es mich als Wissenschaftler, warum meine theoretischen Konstrukte funktionieren, die funktionieren halt einfach.“ Aber ich behaupte, daß sich dann niemand der Mühe unterzieht, mühsam im Experiment nach „theoretischen Konstrukten“ zu suchen. Beschreibungen und Gedankenexperimente würden vollauf reichen, und eine erklärende Wissenschaft bräuchte man schlichtweg nicht.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Wissenschaft wird erst durch Wissen zur Wissenschaft und da ist es erstmal gleich, ob dieses Wissen Unsinn ist. Aber erst durch Unsinn kannst Du Sinn von Unsinn trennen. Du könntest sonst nicht aus Fehlern lernen. |
Höre ich da zwischen den Zeilen heraus, daß Du den radikalkonstruktivistischen Ansatz nur didaktisch einsetzst, um dich damit zum hypothetischen Realismus (sagen wir mal:) vorzuhangeln? Wenn dem so sein sollte, geht das für mich in Ordnung. Ich hatte nur den Eindruck, daß Du Dich konsequent zum RK bekennst - so wie jener Mensch, der sich weigerte, durch ein Teleskop zu schauen, weil er den Himmel nicht für existent hält. Wenn ich am Freitag abend meinen Hut an der Garderobe ablege, stelle ich mir natürlich genau dieselben Fragen wie Du auch. Und wenn ich am Montag früh zur Arbeit gehe, denke ich wieder realistisch.
Hand auf’s Herz: Wenn Du als Biologe von einer präkambrischen Kohlenstoffansammlung das Isotopenverhältnis C12/C13 bestimmt, machst Du das, um rauszukriegen, ob sie organischen Ursprungs ist und damit auf eine frühe Lebensform hindeutet. Und wenn Du als Konstruktionsmorphologe ein Dinosaurierskelett unter funktionellen Gesichtspunkten begutachtest, willst Du etwas über die Ökonomieprinzipien erfahren, nach denen Dinos evolvierten. Bei all dem denkst Du also eindeutig realistisch. Du kannst also kein bekennender RK sein, der seine Position unerbittlich konsequent und kontextunabhängig vertritt.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Und erneut: Radikaler Konstruktivismus bedeutet nicht Anything goes! |
OK, das war eine polemische Übertreibung. Ich wollte damit nur deutlich machen, daß Deine Fragen nur unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll sein können, während Wissenschaft wiederum andere philosophische Voraussetzungen braucht.
Bis demnächst, bin ab morgen 3 Wochen lang offline – Du kannst Dir mit der Antwort also Zeit lassen...
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#155335) Verfasst am: 24.07.2004, 18:09 Titel: |
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Hi Martin,
ich habe mehrere Einwände:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Im außerwissenschaftlichen Kontext kann man sich durchaus sinnvoll die Frage stellen, ob wir überhaupt etwas wissen können. |
Nein, Du verwischst hier zwei Bedeutungungen von "wissen".
Wenn wir unter "wissen" eine Erklärung verstehen, die so tief geht, daß sie auf der gerade betrachteten Ebene bessere Voraussagen ermöglicht als durch die rein oberflächliche Beschreibung der Phänomene, dann kann man diese Frage im wissenschaftlichen Kontext stellen, und die antwort ist "erwiesenermaßen" JA.
Wenn wir dagegen unter "wissen" die Kenntnis einer "Wahrheit" verstehen, so ist die Frage auch im nichtwissenschaftlichen Kontext nicht sinnvoll, außer vielleicht rein syntaktisch. Denn man müßte ihre Antwort bereits vorausnehmen (z.B. Realismus oder Solipsismus), und zwar in Form von Begriffen, die nicht definiert sind.
Es ist allerdings richtig, daß der Realismus der wissenschaftlichen Methode nicht widerspricht, zumindest was den überwiegenden Teil wissenschaftlicher Fragestellungen betrifft.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | nach meiner (vielleicht zu idiosynkratischen) Auffassung besteht das Ziel von Wissenschaft darin, nicht die Phänomen-Ebene zu beschreiben, sondern sie zu erklären. |
Eine Erklärung ist nichts als eine Beschreibung auf abstrakterer (von mir aus auch tieferer) Ebene. Eine Erklärung ist, wenn man statt der Phänomene die zugrundeliegende Struktur beschreibt. D.h. wenn man entsprechende Regeln und Begriffe findet.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Die (mechanismische) Erklärung ist salopp formuliert das "Interface" zwischen Phänomen und (hypothetischer) Realität. |
Zum einen gibt es mE keine nicht-mechanismische Erklärung. Wesen aller Eklärungen ist es, den Mechanismus dahinter zu verstehen, die Gesetze zu verstehen, nach denen zu abstrahierende "Entitäten mit Eigenschaften" wechselwirken. Allerdings können manche Scheinerklärungen (z.B. Letztbegründungen) dies nicht leisten, sie "erklären" nichts wirklich.
Zum zweiten ist Dein Satz nur dann richtig, wenn man Realität bereits voraussetzt. Sicherer wäre mE zu sagen: 'Die Wahrnehmung ist salopp formuliert das "Interface" zwischen (hypothetisch realem) Phänomen und voraussagefähiger Theorie (Wissen).'
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Wer die Realitätshypothese ablehnt, reißt also das Phänomen aus dem Erklärungszusammenhang und räumt implizit ein, daß keine Wissenschaft im üblichen Sinne möglich ist. |
Man kann die Realitätshypothese nicht wirklich ablehnen (im Sinn von sie für falsch halten), man kann nur ablehnen, sie ohne Not zur Grundlage von Wissenschaft zu machen.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Wenn man sich z.B. fragt, weshalb beim Zusammenkippen zweier Lösungen ein Farbumschlag auftritt, kann man das nur erklären, wenn man den Atom- und Molekülbegriff als respektable Entität anerkennt, die auf eine bestimmte Weise miteinander reagieren. |
Hier verschanzt Du Deinen metaphysischen Realismus hinter dem Begrif "respektabel". Besagte Entität ist deswegen (und sofern es die Notwendigkeit für die Wissenschaft angeht, nur deswegen) "respektabel", weil sie in der Beschreibung auf tieferer Ebene, der gefundenen Regel (Erklärung) als sinnvolle Abstraktion auftritt. Man sieht das leichter an sehr emergenten Begriffen wie etwa "Person". Niemand bestreitet etwa, daß dieser Begriff eine "respektable Entität" etwa für Ethik uns Psychologie darstellt, aber wie real ist sie?
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#155344) Verfasst am: 24.07.2004, 19:01 Titel: |
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Hi Step,
step hat folgendes geschrieben: | ich habe mehrere Einwände:
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Im außerwissenschaftlichen Kontext kann man sich durchaus sinnvoll die Frage stellen, ob wir überhaupt etwas wissen können. |
Nein, Du verwischst hier zwei Bedeutungungen von "wissen".
Wenn wir unter "wissen" eine Erklärung verstehen, die so tief geht, daß sie auf der gerade betrachteten Ebene bessere Voraussagen ermöglicht als durch die rein oberflächliche Beschreibung der Phänomene, dann kann man diese Frage im wissenschaftlichen Kontext stellen, und die antwort ist "erwiesenermaßen" JA. |
[Edit 19:30 Uhr: (Nur die ersten zwei Sätze)]
Ein Stück "erwiesenes Wissen" kann bestenfalls nur das direkt beschreibbare Phänomen sein. Der Status einer Erklärung geht aber weit über den einer Beschreibung hinaus und ist daher niemals streng "erwiesen" (so daß man letztlich alles unter den Fallibilitätsvorbehalt stellen muß, wie den Realismus selbst). Wie schon einmal gesagt: Eine Beschreibung ist keine Erklärung. Um etwas zu erklären, muß ein Phänomen immer unter ein (am besten mechanismisches) Schema subsumiert werden. Das ist es, was einen Wissenschaftler in erster Linie interessiert.
Natürlich kann man auf der Phänomen-Ebene bleiben, wenn man nur an "niederrangigen" Erkenntnissen interessiert ist. Um z.B. zu erklären, wie ein Hund ein Stöckchen fängt, brauche ich keine großen Theorien zu erstellen. Aber bei den wirklich interessanten Fragen, mit denen sich Wissenschaft beschäftigt, muß die erklärende Theorie tiefer reichen. So gut wie alle Theorien enthalten daher transempirische Begriffe...
Step hat folgendes geschrieben: | Wenn wir dagegen unter "wissen" die Kenntnis einer "Wahrheit" verstehen, so ist die Frage auch im nichtwissenschaftlichen Kontext nicht sinnvoll, außer vielleicht rein syntaktisch. |
Was heißt hier "auch"? Mir ging es darum, deutlich zu machen, daß der Realitätsbegriff im Rahmen der Wissenschaft Sinn macht.
Step hat folgendes geschrieben: | Es ist allerdings richtig, daß der Realismus der wissenschaftlichen Methode nicht widerspricht, zumindest was den überwiegenden Teil wissenschaftlicher Fragestellungen betrifft. |
Na, immerhin...
Step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | nach meiner (vielleicht zu idiosynkratischen) Auffassung besteht das Ziel von Wissenschaft darin, nicht die Phänomen-Ebene zu beschreiben, sondern sie zu erklären. |
Eine Erklärung ist nichts als eine Beschreibung auf abstrakterer (von mir aus auch tieferer) Ebene. Eine Erklärung ist, wenn man statt der Phänomene die zugrundeliegende Struktur beschreibt. D.h. wenn man entsprechende Regeln und Begriffe findet. |
Jein. Das mit der "zugrundeliegenden Struktur" ist schon gar nicht mal so daneben. Wenn man eine Subsuption allein schon als Erklärung akzeptiert, hast Du mit den Regeln recht. Aber wir waren uns doch einig, daß eine Subsumption unvollständig und streng genommen keine Erklärung ist, solange sie nicht auch auf einen Mechanismus rekurriert. (Zur Erinnerung: Die Subsumption berücksichtigt nur die logische Struktur der Erklärung, aber keinen Mechanismus.) Und mechanismisch miteinander interagieren können sich immer nur reale Dinge, keine (noch so viablen) theoretischen Konstrukte. Und vergiß nicht, daß 98% aller Phänomene auf transempirische Prozesse zurückzuführen sind.
Step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Die (mechanismische) Erklärung ist salopp formuliert das "Interface" zwischen Phänomen und (hypothetischer) Realität. |
Zum einen gibt es mE keine nicht-mechanismische Erklärung. Wesen aller Eklärungen ist es, den Mechanismus dahinter zu verstehen, die Gesetze zu verstehen, nach denen zu abstrahierende "Entitäten mit Eigenschaften" wechselwirken. |
Bingo! Wenn Du also die "Atom-Entität mit bestimmten Eigenschaften" im Rahmen Deines Konzeptes anerkennst, warum hast Du dann ein Problem damit, sobald das jemand ausdrücklich macht? Wenn Dich der Begriff "Ontologie" stört, sag doch einfach statt "ontologischem Realismus", "methodologisch zweckgebundene Erkenntnistheorie" o.ä...
Step hat folgendes geschrieben: | Allerdings können manche Scheinerklärungen (z.B. Letztbegründungen) dies nicht leisten, sie "erklären" nichts wirklich. |
Wie gesagt, das ist eine andere Baustelle, mit der ich nichts am Hut habe.
Step hat folgendes geschrieben: | Zum zweiten ist Dein Satz nur dann richtig, wenn man Realität bereits voraussetzt. |
Genau das predige ich die ganze Zeit.
Step hat folgendes geschrieben: | Sicherer wäre mE zu sagen: 'Die Wahrnehmung ist salopp formuliert das "Interface" zwischen (hypothetisch realem) Phänomen und voraussagefähiger Theorie (Wissen).' |
Nein, das Phänomen ist Deine Wahrnehmung. Das brauchst Du nicht zu belegen, weil es Dir buchstäblich vor Augen liegt. Die Frage ist, was dahinter liegt.
Step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Wer die Realitätshypothese ablehnt, reißt also das Phänomen aus dem Erklärungszusammenhang und räumt implizit ein, daß keine Wissenschaft im üblichen Sinne möglich ist. |
Man kann die Realitätshypothese nicht wirklich ablehnen (im Sinn von sie für falsch halten), man kann nur ablehnen, sie ohne Not zur Grundlage von Wissenschaft zu machen. |
Nichts geschieht in der Wissenschaftstheorie "ohne Not". Alles, was zum Wertekanon der Wissenschaftsphilosophie gehört, hat seinen Sinn und seine Begründung. Der Rest ist, da hast Du dann wieder recht, "nutzlose Metaphysik".
Step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Wenn man sich z.B. fragt, weshalb beim Zusammenkippen zweier Lösungen ein Farbumschlag auftritt, kann man das nur erklären, wenn man den Atom- und Molekülbegriff als respektable Entität anerkennt, die auf eine bestimmte Weise miteinander reagieren. |
Hier verschanzt Du Deinen metaphysischen Realismus hinter dem Begrif "respektabel". Besagte Entität ist deswegen (und sofern es die Notwendigkeit für die Wissenschaft angeht, nur deswegen) "respektabel", |
OK, das war ein Plagiat. Die Formulierung entstammt dem Kanitscheider-Zitat, das ich Dir unlängst genannt habe.
Step hat folgendes geschrieben: | weil sie in der Beschreibung auf tieferer Ebene, der gefundenen Regel (Erklärung) als sinnvolle Abstraktion auftritt. Man sieht das leichter an sehr emergenten Begriffen wie etwa "Person". Niemand bestreitet etwa, daß dieser Begriff eine "respektable Entität" etwa für Ethik uns Psychologie darstellt, aber wie real ist sie? |
Wie gesagt, in den Augen der Wissenschaftler sind alle transempirischen Begriffe real, mit denen er sich beschäftigt - solange sie "funktionieren". Sonst würde er sich mit ihnen gar nicht erst beschäftigen. Denk z.B. an Hawkings "Paralleluniversen". Mit den beiden Beispielen, die ich Lamarck vorhin noch genannt habe, sind wir schon fast bei einem Dutzend angelangt.
Grüße
Martin
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#155359) Verfasst am: 24.07.2004, 20:28 Titel: |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wenn wir unter "wissen" eine Erklärung verstehen, die so tief geht, daß sie auf der gerade betrachteten Ebene bessere Voraussagen ermöglicht als durch die rein oberflächliche Beschreibung der Phänomene, dann kann man diese Frage im wissenschaftlichen Kontext stellen, und die antwort ist "erwiesenermaßen" JA. | Ein Stück "erwiesenes Wissen" kann bestenfalls nur das direkt beschreibbare Phänomen sein. Der Status einer Erklärung geht aber weit über den einer Beschreibung hinaus und ist daher niemals streng "erwiesen" (so daß man letztlich alles unter den Fallibilitätsvorbehalt stellen muß, wie den Realismus selbst). Wie schon einmal gesagt: Eine Beschreibung ist keine Erklärung. Um etwas zu erklären, muß ein Phänomen immer unter ein (am besten mechanismisches) Schema subsumiert werden. Das ist es, was einen Wissenschaftler in erster Linie interessiert.
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Warum ignorierst Du die "" um "erwiesen" und gehst nicht auf mein Argument ein, eine Erklärung sei eine Beschreibung auf tieferer Ebene? Selbstverständlich ist diese Beschreibung mechanistisch!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Natürlich kann man auf der Phänomen-Ebene bleiben, wenn man nur an "niederrangigen" Erkenntnissen interessiert ist. Um z.B. zu erklären, wie ein Hund ein Stöckchen fängt, brauche ich keine großen Theorien zu erstellen. |
Dieselben Leute, die das behaupten, kommen mir vermutlich später mit dem Argument, die Wissenschaft könne nicht mal erklären, wie ein Hund ein Stöckchen fängt, und schelten mich einen Reduktionisten
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Step hat folgendes geschrieben: | Wenn wir dagegen unter "wissen" die Kenntnis einer "Wahrheit" verstehen, so ist die Frage auch im nichtwissenschaftlichen Kontext nicht sinnvoll, außer vielleicht rein syntaktisch. | Was heißt hier "auch"? |
"Auch" heißt hier "selbst".
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Mir ging es darum, deutlich zu machen, daß der Realitätsbegriff im Rahmen der Wissenschaft Sinn macht. |
So würde ich dem nicht widersprechen, sondern nur erklärend hinzufügen:
- Ein Realitätsbegriff, der im Rahmen der Wissenschaft Sinn macht, beruht auf erklärbaren wissenschaftlichen Eigenschaften der Welt (ähnlich wie der Begriff der Existenz, der Materie, des Raums usw.) und ist damit letztlich kein metaphysischer Begriff.
- Ein Realitätsbegriff, der im Rahmen der Wissenschaft Sinn macht, ist ein Resultat der Beobachtung (ein Phänomen) und damit keine wesentliche Grundlage der wissenschaftlichen Methode selbst.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Step hat folgendes geschrieben: | Eine Erklärung ist nichts als eine Beschreibung auf abstrakterer (von mir aus auch tieferer) Ebene. Eine Erklärung ist, wenn man statt der Phänomene die zugrundeliegende Struktur beschreibt. D.h. wenn man entsprechende Regeln und Begriffe findet. |
Jein. Das mit der "zugrundeliegenden Struktur" ist schon gar nicht mal so daneben. Wenn man eine Subsuption allein schon als Erklärung akzeptiert, hast Du mit den Regeln recht. Aber wir waren uns doch einig, daß eine Subsumption unvollständig und streng genommen keine Erklärung ist, solange sie nicht auch auf einen Mechanismus rekurriert. (Zur Erinnerung: Die Subsumption berücksichtigt nur die logische Struktur der Erklärung, aber keinen Mechanismus.) |
Diese Unterscheidung halte ich für künstlich und unnötig. Natürlich meinte ich eine Beschreibung auf tieferer Ebene, die einen Mechanismus beschreibt. Die meisten Beschreibungen von Mechanismen sind Sätze, in denen abstrakte Aktoren vorkommen, irgendwelche "Entitäten" halt. Es ist völlig egal, ob die nun wirklich real sind (z.B. "Atom" oder "Person"), entscheidend ist, daß es nützlich ist, sie zu benennen, da die Struktur der Welt offensichtlich durch solche Aktoren in Regeln effizient beschrieben werden kann. Man sieht das daran, daß die Voraussagen auf Basis von Regeln, die abstrakte Entitäten enthalten, auch dann noch funktionieren, wenn die vermeintlichen Entitäten schon "widerlegt" - also durch treffendere Begriffe ersetzt - sind.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Und mechanismisch miteinander interagieren können sich immer nur reale Dinge, keine (noch so viablen) theoretischen Konstrukte. |
Dies ist entweder eine Tautologie oder falsch. Wenn Du "mechanismisch miteinander interagieren" so definierst, daß es Realität voraussetzt, ist es eine Tautologie. Wenn Du aber zuläßt, daß die Theorien ja nur auf tieferer Ebene beschreiben, welche Phänomene "wie" zustandekommen, so können diese Theorien funktionieren, ohne daß man sich entscheiden muß, ob die in ihnen verwendeten Begriffe real sind oder nur Konstrukte. Anders gesagt, eine Theorie ist sowieso immer ein Konstrukt, selbst wenn man hyp. Realist ist.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Und vergiß nicht, daß 98% aller Phänomene auf transempirische Prozesse zurückzuführen sind. |
(s.u.)
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Step hat folgendes geschrieben: | ... gibt es mE keine nicht-mechanismische Erklärung. Wesen aller Eklärungen ist es, den Mechanismus dahinter zu verstehen, die Gesetze zu verstehen, nach denen zu abstrahierende "Entitäten mit Eigenschaften" wechselwirken. | Bingo! Wenn Du also die "Atom-Entität mit bestimmten Eigenschaften" im Rahmen Deines Konzeptes anerkennst, warum hast Du dann ein Problem damit, sobald das jemand ausdrücklich macht? Wenn Dich der Begriff "Ontologie" stört, sag doch einfach statt "ontologischem Realismus", "methodologisch zweckgebundene Erkenntnistheorie" o.ä... |
Ich hab gegen Deinen Glauben doch gar nichts einzuwenden. Nur gegen Deine Behauptung, er sei zwingende Voraussetzung, um Wissenschaft betreiben zu können. Was ich dagegen anerkenne, ist, daß man offensichtlich bestimmte Phänomene besser mit Regeln voraussagen kann, in deren Struktur abstrakte "Entitäten" vorkommen.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Step hat folgendes geschrieben: | Zum zweiten ist Dein Satz nur dann richtig, wenn man Realität bereits voraussetzt. | Genau das predige ich die ganze Zeit. |
Dann kannst Du aber nicht begründen, warum es nötig sein soll, die echte Realität der (zur Beschreibung praktischen) abstrakten Entitäten vorauszusetzen.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Wer die Realitätshypothese ablehnt, reißt also das Phänomen aus dem Erklärungszusammenhang und räumt implizit ein, daß keine Wissenschaft im üblichen Sinne möglich ist. | Man kann die Realitätshypothese nicht wirklich ablehnen (im Sinn von sie für falsch halten), man kann nur ablehnen, sie ohne Not zur Grundlage von Wissenschaft zu machen. | Nichts geschieht in der Wissenschaftstheorie "ohne Not". Alles, was zum Wertekanon der Wissenschaftsphilosophie gehört, hat seinen Sinn und seine Begründung. |
Jenes nicht.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Wenn man sich z.B. fragt, weshalb beim Zusammenkippen zweier Lösungen ein Farbumschlag auftritt, kann man das nur erklären, wenn man den Atom- und Molekülbegriff als respektable Entität anerkennt, die auf eine bestimmte Weise miteinander reagieren. |
Hier verschanzt Du Deinen metaphysischen Realismus hinter dem Begrif "respektabel". Besagte Entität ist deswegen (und sofern es die Notwendigkeit für die Wissenschaft angeht, nur deswegen) "respektabel", ... weil sie in der Beschreibung auf tieferer Ebene, der gefundenen Regel (Erklärung) als sinnvolle Abstraktion auftritt. Man sieht das leichter an sehr emergenten Begriffen wie etwa "Person". Niemand bestreitet etwa, daß dieser Begriff eine "respektable Entität" etwa für Ethik uns Psychologie darstellt, aber wie real ist sie? |
Wie gesagt, in den Augen der Wissenschaftler sind alle transempirischen Begriffe real, mit denen er sich beschäftigt - solange sie "funktionieren". |
In einem kleinen Nachsatz schreibst Du hier etwas ganz Entscheidendes. Jetzt sind die angeblich so realen Entitäten schon nur noch transempirische Begriffe, die funktionieren müssen. Aber alle Wissenschaftler müssen sie für real halten, sonst funktioniert ihre Methode nicht? Hättest Du oben dann nicht 100% schreiben müssen - und den Realismus auf eine Trivialität reduziert? Was Du jetzt schreibst, hat mit Deinen ursprünglichen Behauptungen, sowie den von Dir zitierten Vollmer-Abschnitten, mE nicht mehr viel zu tun. Die Lehre von transempirischen Begriffen, die man in der Wissenschaft benötigt, ist vermutlich sogar mit dem rK kompatibel.
Anders gefragt: Steckt hinter dem transempirischen Begriff "Person" oder "Evolution" nun ein reales Ding oder nicht?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Sonst würde er sich mit ihnen gar nicht erst beschäftigen. Denk z.B. an Hawkings "Paralleluniversen". |
Er hat Begriffe eingeführt für Zusammenhänge, die er sich vorstellte, um Erklärungen für Phänomene zu finden. Ich könnte umgekehrt argumentieren, daß gerade die Ideen, ehemals "respektable Entitäten" könnten vielleicht gar nicht so "respektabel" sein, die Wissenschaft weitergebracht haben.
gruß/step
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#155659) Verfasst am: 25.07.2004, 15:05 Titel: |
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Hi Step,
step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wenn wir unter "wissen" eine Erklärung verstehen, die so tief geht, daß sie auf der gerade betrachteten Ebene bessere Voraussagen ermöglicht als durch die rein oberflächliche Beschreibung der Phänomene, dann kann man diese Frage im wissenschaftlichen Kontext stellen, und die antwort ist "erwiesenermaßen" JA. | Ein Stück "erwiesenes Wissen" kann bestenfalls nur das direkt beschreibbare Phänomen sein. Der Status einer Erklärung geht aber weit über den einer Beschreibung hinaus und ist daher niemals streng "erwiesen" (so daß man letztlich alles unter den Fallibilitätsvorbehalt stellen muß, wie den Realismus selbst). Wie schon einmal gesagt: Eine Beschreibung ist keine Erklärung. Um etwas zu erklären, muß ein Phänomen immer unter ein (am besten mechanismisches) Schema subsumiert werden. Das ist es, was einen Wissenschaftler in erster Linie interessiert.
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Warum ignorierst Du die "" um "erwiesen" und gehst nicht auf mein Argument ein, eine Erklärung sei eine Beschreibung auf tieferer Ebene? Selbstverständlich ist diese Beschreibung mechanistisch! |
Weil der Status verschieden ist! Schau einfach in ein Buch zur Wissenschaftsphilosophie Deiner Wahl, was eine Beschreibung von einer Subsumption und eine Subsumption wiederum von einer mechanismischen Erklärung trennt. Und überleg Dir, warum die Positivsten einen strikten Deskriptivismus vertreten haben, während Popper ihnen einen Realismus entgegengehalten hat.
Step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Mir ging es darum, deutlich zu machen, daß der Realitätsbegriff im Rahmen der Wissenschaft Sinn macht. |
So würde ich dem nicht widersprechen, sondern nur erklärend hinzufügen:
- Ein Realitätsbegriff, der im Rahmen der Wissenschaft Sinn macht, beruht auf erklärbaren wissenschaftlichen Eigenschaften der Welt (ähnlich wie der Begriff der Existenz, der Materie, des Raums usw.) und ist damit letztlich kein metaphysischer Begriff.
- Ein Realitätsbegriff, der im Rahmen der Wissenschaft Sinn macht, ist ein Resultat der Beobachtung (ein Phänomen) und damit keine wesentliche Grundlage der wissenschaftlichen Methode selbst. |
Zum Teil bin ich einverstanden! Nur nicht damit, daß der Realitätsbegriff aus der Empirie geschlußfolgert werden könne. Entweder ist Wissenschaft deskriptiv (beschreibend) oder realistisch und erklärend. Welchen der „Modi“ man präferiert, wird unabhängig von den Daten und üblicherweise im Voraus festgelegt.
Step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Step hat folgendes geschrieben: | Eine Erklärung ist nichts als eine Beschreibung auf abstrakterer (von mir aus auch tieferer) Ebene. Eine Erklärung ist, wenn man statt der Phänomene die zugrundeliegende Struktur beschreibt. D.h. wenn man entsprechende Regeln und Begriffe findet. |
Jein. Das mit der "zugrundeliegenden Struktur" ist schon gar nicht mal so daneben. Wenn man eine Subsuption allein schon als Erklärung akzeptiert, hast Du mit den Regeln recht. Aber wir waren uns doch einig, daß eine Subsumption unvollständig und streng genommen keine Erklärung ist, solange sie nicht auch auf einen Mechanismus rekurriert. (Zur Erinnerung: Die Subsumption berücksichtigt nur die logische Struktur der Erklärung, aber keinen Mechanismus.) |
Diese Unterscheidung halte ich für künstlich und unnötig. Natürlich meinte ich eine Beschreibung auf tieferer Ebene, die einen Mechanismus beschreibt. Die meisten Beschreibungen von Mechanismen sind Sätze, in denen abstrakte Aktoren vorkommen, irgendwelche "Entitäten" halt. Es ist völlig egal, ob die nun wirklich real sind (z.B. "Atom" oder "Person"), entscheidend ist, daß es nützlich ist, sie zu benennen, da die Struktur der Welt offensichtlich durch solche Aktoren in Regeln effizient beschrieben werden kann. Man sieht das daran, daß die Voraussagen auf Basis von Regeln, die abstrakte Entitäten enthalten, auch dann noch funktionieren, wenn die vermeintlichen Entitäten schon "widerlegt" - also durch treffendere Begriffe ersetzt - sind. |
Du übersiehst nur, daß die Theorien, deren Entitäten widerlegt worden sind, meist über Bord geschmissen werden - auch wenn sie noch so hervorragende Vorhersagen liefern. Fakt ist, daß das geozentrische Weltbild heute noch überaus brauchbare Prognosen liefert. Wenn es den Wissenschaftler egal wäre, ob es „kristallene Sphären“ wirklich gibt, hätte vermutlich die Kopernikanische Wende gar nicht stattgefunden. Man hätte ja mit den Sphären als brauchbare Konstrukte weiterwurschteln können. Trotzdem ging die Weltanschauung über den Jordan, weil sich ein paar Menschen darüber Gedanken gemacht haben, wie es sich wirklich verhält. Deine Auffassung von Wissenschaft ist demnach nicht diejenige, die die „scientific community“ vertritt. Kurzum: Du erklärst unter Ausschluß realistischer Denkweisen viele in der Wissenschaft stattfindenden Abwägungsprozesse einfach nicht.
[...]
Step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Step hat folgendes geschrieben: | ... gibt es mE keine nicht-mechanismische Erklärung. Wesen aller Eklärungen ist es, den Mechanismus dahinter zu verstehen, die Gesetze zu verstehen, nach denen zu abstrahierende "Entitäten mit Eigenschaften" wechselwirken. | Bingo! Wenn Du also die "Atom-Entität mit bestimmten Eigenschaften" im Rahmen Deines Konzeptes anerkennst, warum hast Du dann ein Problem damit, sobald das jemand ausdrücklich macht? Wenn Dich der Begriff "Ontologie" stört, sag doch einfach statt "ontologischem Realismus", "methodologisch zweckgebundene Erkenntnistheorie" o.ä... |
Ich hab gegen Deinen Glauben doch gar nichts einzuwenden. Nur gegen Deine Behauptung, er sei zwingende Voraussetzung, um Wissenschaft betreiben zu können. Was ich dagegen anerkenne, ist, daß man offensichtlich bestimmte Phänomene besser mit Regeln voraussagen kann, in deren Struktur abstrakte "Entitäten" vorkommen. |
Naja, zwingend ist gar nichts. In der Sprache haben sich im Laufe der Jahrtausende einige grundlegenden Grammatik-Regeln herauskristallisiert, die Du in fast allen "elaborierten" Sprachen wiederfindest und offenbar auf die Effizienz des Nachrichtenaustausch hin "selektiert" worden sind. Trotzdem zwingt Dich niemand, Dich ihrer zu bedienen. Du kannst den Satzbau beliebig umstellen, um Dich anderen mitzuteilen – Du kannst sogar ganz auf Sprache verzichten und mit Händen und Füßen versuchen zu reden. Nur all das hat nichts mit dem zu tun, was unsere heutigen Sprachen ausmachen und was sie zu einer so optimalen Kommunikationsform gemacht haben. Genauso ist das mit dem Realismus als Teil der „Grammatik“ der Naturwissenschaften.
Step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Step hat folgendes geschrieben: | Zum zweiten ist Dein Satz nur dann richtig, wenn man Realität bereits voraussetzt. | Genau das predige ich die ganze Zeit. |
Dann kannst Du aber nicht begründen, warum es nötig sein soll, die echte Realität der (zur Beschreibung praktischen) abstrakten Entitäten vorauszusetzen. |
Doch. Auf der Ebene theoretischer Konstrukte läßt sich nichts hinterfragen. Man kann zwar zeigen, daß die funktionieren, aber erklären kann man das nicht. Nur unter Voraussetzung des Realismus kann man erklären, warum das funktioniert. Der Realismus ist also der Antrieb selbst, Wissenschaft zu treiben. Niemand (ausgenommen Dir selbst) baut theoretische Konstrukte um der Konstrukte willen. Das wäre (nach Deiner Definition) dann in der Tat „Metaphysik“ in höchster Vollendung.
[...]
Step hat folgendes geschrieben: | Anders gefragt: Steckt hinter dem transempirischen Begriff "Person" oder "Evolution" nun ein reales Ding oder nicht? |
Evolution ist kein Ding, sondern ein Prozeß. Und als solcher wird die Stammesgeschichte von den Evolutionsbiologen selbstverständlich als real betrachtet. Ansonsten haben sie wahrscheinlich ihren Beruf verfehlt.
Step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Sonst würde er sich mit ihnen gar nicht erst beschäftigen. Denk z.B. an Hawkings "Paralleluniversen". |
Er hat Begriffe eingeführt für Zusammenhänge, die er sich vorstellte, um Erklärungen für Phänomene zu finden. |
Genauer: Er hat nach deshalb nach Erklärungen gesucht, um die hinter dem Phänomen verborgenen Eigenschaften der Wirklichkeit aufzudecken. Ansonsten hätte sich Hawking nicht 30 Jahre lang mit den Eigenschaften Schwarzer Löcher und Paralleluniversen herumgeschlagen. Aus dem, was er schreibt, scheint jedenfalls hervorzugehen, daß auch er realistisch denkt.
Step hat folgendes geschrieben: | Ich könnte umgekehrt argumentieren, daß gerade die Ideen, ehemals "respektable Entitäten" könnten vielleicht gar nicht so "respektabel" sein, die Wissenschaft weitergebracht haben. |
Wie gesagt, nenn mir einfach ein paar Beispiele. Ich wette mit Dir, daß Du keinen transempirischen Begriff findest, der – nachdem er seine Bewährungsprobe bestanden hat - von den Wissenschaftler, die ihn aufgestellt haben, nicht für real und erforschenswert gehalten wurde (und inzuge dessen die Wissenschaft überhaupt erst „weitergebracht“ hat).
Grüße
Martin
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(#155764) Verfasst am: 25.07.2004, 17:07 Titel: |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Zum Teil bin ich einverstanden! Nur nicht damit, daß der Realitätsbegriff aus der Empirie geschlußfolgert werden könne. |
Meines Erachtens ist der Realitätsbegriff ein Modell, daß wir sogar nur aus der Empirie folgern bzw. abstrahieren, ähnlich wie etwa "Zeit".
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Entweder ist Wissenschaft deskriptiv (beschreibend) oder realistisch und erklärend. |
Sehe ich anders. Wissenschaft ist deskriptiv bezüglich der Phänomene und desktiptiv bezüglich der tieferliegenden Mechanismen. Den zweiten Fall empfindet man i.a. als "Erklärung". Ein "warum" ist nichts weiter als ein "wie" auf einer grundlegenderen Ebene. Also etwa so (vereinfacht):
1. deskriptiv bzgl. Phänomen: Die Sonne geht jeden Morgen auf.
2. Warum?
3. "Erklärung" deskriptiv bzgl. tieferer Ebene: Die Erde dreht sich um sich selbst mit f=1d.
4. Also ein "wie", eine Simulationsregel mit abstrahierten Begriffen auf grundlegenderer Ebene, mit der man mehr voraussagen kann als mit der Beschreibung des Phänomens.
und weiter:
1. deskriptiv bzgl. Phänomen: Die Erde dreht sich um sich selbst mit f=1d.
2. Warum?
3. "Erklärung" deskriptiv bzgl. tieferer Ebene: Masse mit Drehimpuls aus Entstehung des Sonnensystems.
4. Also ein "wie", eine Simulationsregel mit abstrahierten Begriffen auf grundlegenderer Ebene, mit der man mehr voraussagen kann als mit der Beschreibung des Phänomens.
usw ...
Falls Du dem nicht zustimmst: Wie definierst Du "Erklärung"?
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Du übersiehst nur, daß die Theorien, deren Entitäten widerlegt worden sind, über Bord geschmissen werden - auch wenn sie noch so hervorragende Vorhersagen liefern. Fakt ist, daß das geozentrischen Weltbild heute noch überaus brauchbare Prognosen liefert. Wenn es also den Wissenschaftler egal wäre, ob es „kristallene Sphären“ wirklich gibt, hätte vermutlich die Kopernikanische Wende gar nicht stattgefunden. Man hätte ja mit den Sphären als brauchbare Konstrukte weiterwurschteln können. Trotzdem ging die Weltanschauung über den Jordan, weil sich ein paar Menschen darüber Gedanken gemacht haben, wie es sich wirklich verhält. |
Nein, weil bestimmte beobachtete Phänomene diese Theorie nicht mehr haltbar erscheinen ließen, da sie (in diesen Bereichen) andere Phänomene vorausgesagt hätte. Das geozentrische Weltbild wurde verworfen, weil es falsifiziert war. Ob man in diesem speziellen Fall zuerst nach einer Theorie für ein neues Phänomen suchte oder zuerst feststellte, daß die geltende Theorie gewissen Beobachtungen widersprach, ist mE sekundär. Oder nehmen wir die Newton'sche Mechanik. Sie wird immer noch nutzbringend angewandt, nur weiß man inzwischen, daß sie die wahrnehmbaren Phänomene nur in einem eingeschränkten Parameterbereich hinreichend gut voraussagt. Ebenso ergeht es (mit entsprechend erweitertem Parameterbereich) der ART.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Deine Auffassung von Wissenschaft ist demnach nicht diejenige, die die „scientific community“ vertritt. Du erklärst unter Ausschluß realistischer Denkweisen viele in der Wissenschaft stattfindenden Abwägungsprozesse einfach nicht. |
Nun ja, ich bin ja auch nicht angetreten, um eine Theorie für die soziologischen, psychologischen und theologischen Prozesse in den Köpfen der Mehrheit der Wissenschaftler zu finden. Sondern ich trete nur Deiner Behauptung entgegen, man müsse an echte Realität glauben, um etwas zu erklären.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Auf der Ebene theoretischer Konstrukte läßt sich nichts hinterfragen. Man kann zwar zeigen, daß die funktionieren, aber erklären kann man das nicht. Nur unter Voraussetzung des Realismus kann man erklären, warum das funktioniert. |
Nein, gerade der Realismus kann das nicht erklären, denn er ist eine metaphysische Annahme, die p.d. nie etwas erklärt. Wie ich schon mehrfach geschrieben habe, kann man das Phänomen, daß Wissenschaft funktioniert, nur mit einer sehr grundlegenden wissenschaftlichen Theorie erklären, also mit einer Antwort auf die Frage "Wie funktioniert es, daß die wahrnehmbare Welt hinreichend regelmäßig ist?". Stattdessen einfach absolute Realität anzunehmen, ist wie an Gott zu glauben, eine Art nichts erklärender Platzhalter für eine recht grundlegende offene Frage. Gerade Dir als ID-Diskussionsprofi sollte die Ähnlichkeit ins Auge fallen.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Der Realismus ist also der Antrieb selbst, Wissenschaft zu treiben. Niemand (ausgenommen Dir selbst) baut theoretische Konstrukte um der Konstrukte willen. |
Strohmann! Ich betreibe Wissenschaft um des Findens voraussagefähiger Regeln willen.
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Step hat folgendes geschrieben: | Ich könnte umgekehrt argumentieren, daß gerade die Ideen, ehemals "respektable Entitäten" könnten vielleicht gar nicht so "respektabel" sein, die Wissenschaft weitergebracht haben. | Wie gesagt, nenn mir einfach ein paar Beispiele. Ich wette mit Dir, daß Du keinen transempirischen Begriff findest, der – nachdem er seine Bewährungsprobe bestanden hat - von den Wissenschaftler, die ihn aufgestellt haben, nicht für real und erforschenswert gehalten wurde (und inzuge dessen er die Wissenschaft überhaupt erst „weitergebracht“ hat). |
Naja, zum Beispiel wurde das Atom für atomar gehalten, bis jemand Bausteine postulierte, um gewisse Phänomene erklären zu können. Danach bezog das Atom die Respektabilität seiner Entität nur noch aus entmystifizierten physikalischen Verhältnissen, etwa aus der Theorie, daß die Kernbausteine zusammenhalten und das Elektron in Summe anziehen usw. - man hatte also erklärt, warum uns das Atom unter normalen Umständen als "respektable Entität" erscheint.
gruß/step
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
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(#155801) Verfasst am: 25.07.2004, 18:13 Titel: |
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Hi Step,
sorry, nur ganz kurz, weil ich packen gehen muß...
step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Zum Teil bin ich einverstanden! Nur nicht damit, daß der Realitätsbegriff aus der Empirie geschlußfolgert werden könne. |
Meines Erachtens ist der Realitätsbegriff ein Modell, daß wir sogar nur aus der Empirie folgern bzw. abstrahieren, ähnlich wie etwa "Zeit".
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Entweder ist Wissenschaft deskriptiv (beschreibend) oder realistisch und erklärend. |
Sehe ich anders. Wissenschaft ist deskriptiv bezüglich der Phänomene und desktiptiv bezüglich der tieferliegenden Mechanismen. Den zweiten Fall empfindet man i.a. als "Erklärung". Ein "warum" ist nichts weiter als ein "wie" auf einer grundlegenderen Ebene. Also etwa so (vereinfacht):
1. deskriptiv bzgl. Phänomen: Die Sonne geht jeden Morgen auf.
2. Warum?
3. "Erklärung" deskriptiv bzgl. tieferer Ebene: Die Erde dreht sich um sich selbst mit f=1d. (...) |
Du hast doch hier eindeutig eine konkrete Entität (Erde) sowie einen dazugehörigen Mechanismus (Rotation) im Kopf und machst Dir Gedanken darüber, wie das genau abläuft. Wenn das kein Realismus in Reinstform ist, weiß ich's nicht. Ich habe einfach den Verdacht, daß Du den Realismus nur vordergründig ablehnst, weil das nach dem Begriff "Ontologie" bzw. Metaphysik riecht, aber (unreflektiert) selber einen solchen vertrittst, weil Du intuitiv weißt, daß es fast nicht anders geht bzw. das "stimmigste" Weltbild ergibt.
Ich würde Dir gerne noch ein dazu passendes Zitat von Mahner und Bunge heraussuchen (IIRC einen Textausschnitt aus S. 3), aber die Zeit wird mir zu knapp. Vielleicht kann das Thomas für mich nachtragen, der vermutlich schon weiß, um welches Zitat es sich handelt... ? Die restlichen Antworten muß ich leider aufschieben; ich hol' das in etwa 3 Wochen nach. In der Zwischenzeit wünsche ich allen ein frohes Weiterdiskutieren, bis die Tage...
Grüße
Martin
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(#155850) Verfasst am: 25.07.2004, 19:40 Titel: |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Du hast doch hier eindeutig eine konkrete Entität (Erde) sowie einen dazugehörigen Mechanismus (Rotation) im Kopf und machst Dir Gedanken darüber, wie das genau abläuft. Wenn das kein Realismus in Reinstform ist, weiß ich's nicht. Ich habe einfach den Verdacht, daß Du den Realismus nur vordergründig ablehnst, weil das nach dem Begriff "Ontologie" bzw. Metaphysik riecht, aber (unreflektiert) selber einen solchen vertrittst, weil Du intuitiv weißt, daß es fast nicht anders geht bzw. das "stimmigste" Weltbild ergibt. |
Eher würde ich sagen, ich vertrete den Realismus auf reflektiertere Weise. Ich habe bereits beschrieben, inwiefern ich tatsächlich einen hyp. Realismus vertrete:
1) als Wissenschaftler bei emergenten Fragen, bei denen er eine praktische Näherung darstellt
2) als Mensch, da naive Theoriebildung im Alltag eine stabile Realität vorzufinden gewohnt ist.
Die Entmystifizierung des naiven Realismus findet dagegen statt, wenn man
a) sich klar wird, daß man die tatsächliche Realität weder annehmen muß, um Wissenschaft zu betreiben, noch beweisen kann (die Welt ist nach derzeitiger Kenntnis nicht mal ein formallogisches System)
b) die wissenschaftliche Frage stellt, wie es funktioniert, daß uns die Welt realistisch (regelhaft) erscheint.
Beides führt mE zu einer Überwindung des metaphysischen Realismus.
gruß/step
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
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(#156445) Verfasst am: 26.07.2004, 17:35 Titel: |
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Hi Step,
obwohl ich diversen Menschen schon seit Tagen erzähle, den Diskurs nun temporär ruhen zu lassen, nun doch noch ein allerletztes Statement vor meinem Urlaubsantritt:
step hat folgendes geschrieben: | Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Du hast doch hier eindeutig eine konkrete Entität (Erde) sowie einen dazugehörigen Mechanismus (Rotation) im Kopf und machst Dir Gedanken darüber, wie das genau abläuft. Wenn das kein Realismus in Reinstform ist, weiß ich's nicht. Ich habe einfach den Verdacht, daß Du den Realismus nur vordergründig ablehnst, weil das nach dem Begriff "Ontologie" bzw. Metaphysik riecht, aber (unreflektiert) selber einen solchen vertrittst, weil Du intuitiv weißt, daß es fast nicht anders geht bzw. das "stimmigste" Weltbild ergibt. |
Eher würde ich sagen, ich vertrete den Realismus auf reflektiertere Weise. Ich habe bereits beschrieben, inwiefern ich tatsächlich einen hyp. Realismus vertrete:
1) als Wissenschaftler bei emergenten Fragen, bei denen er eine praktische Näherung darstellt
2) als Mensch, da naive Theoriebildung im Alltag eine stabile Realität vorzufinden gewohnt ist.
Die Entmystifizierung des naiven Realismus findet dagegen statt, wenn man
a) sich klar wird, daß man die tatsächliche Realität weder annehmen muß, um Wissenschaft zu betreiben, noch beweisen kann (die Welt ist nach derzeitiger Kenntnis nicht mal ein formallogisches System) |
Genau darum vertrete ich keine "tatsächlichen", sondern "nur" einen "hypothetischen" Realismus, wie Du es - unbewußterweise - ebenso und nicht anders tust. Im Gegensatz zur Dir erkenne ich aber an, daß es sich um eine ontologische Position handelt. Wenn Du also erzählst, daß Du wissenschaftliche Fragestellungen losgelöst von allen (philosophischen) Denkvoraussetzungen nachgehen kannst, behauptest Du mehr, als Du IMAO einlösen kannst.
Step hat folgendes geschrieben: | b) die wissenschaftliche Frage stellt, wie es funktioniert, daß uns die Welt realistisch (regelhaft) erscheint.
Beides führt mE zu einer Überwindung des metaphysischen Realismus. |
Nun endlich (nocheinmal) das Mahner/Bunge-Zitat:
Zitat: | (...) manche Philosophen - insbesondere empiristisch oder konstruktivistisch angehauchte -, die unter Wissenschaftstheorie lediglich Methodologie verstehen, zweifeln am Nutzen der Ontologie für die Wissenschaftsphilosophie. Doch die Tatsache, daß viele Metaphysiken falsch oder nutzlos sind, macht nicht jede Metaphysik zu einem anstößigen Unterfangen. So setzen die meisten unserer Handlungen voraus, daß es außerhalb des erkennenden oder handelnden Subjekts tatsächlich eine reale Welt gibt. Wie also vielfach richtig bemerkt wurde, ist ein Antimetaphysiker nur jemand, der primitive und unanalysierte metaphysische Auffassungen vertritt. |
Mahner, M.; Bunge, M. (2000): Philosophische Grundlagen der Biologie. Springer, Berlin, S. 3.
[SCNR]
Grüße
Martin
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step registriert
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Wohnort: Germering
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(#156460) Verfasst am: 26.07.2004, 18:18 Titel: |
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Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ich habe bereits beschrieben, inwiefern ich tatsächlich einen hyp. Realismus vertrete:
1) als Wissenschaftler bei emergenten Fragen, bei denen er eine praktische Näherung darstellt
2) als Mensch, da naive Theoriebildung im Alltag eine stabile Realität vorzufinden gewohnt ist.
Die Entmystifizierung des naiven Realismus findet dagegen statt, wenn man
a) sich klar wird, daß man die tatsächliche Realität weder annehmen muß, um Wissenschaft zu betreiben, noch beweisen kann (die Welt ist nach derzeitiger Kenntnis nicht mal ein formallogisches System) |
Genau darum vertrete ich keine "tatsächlichen", sondern "nur" einen "hypothetischen" Realismus, wie Du es - unbewußterweise - ebenso und nicht anders tust. Im Gegensatz zur Dir erkenne ich aber an, daß es sich um eine ontologische Position handelt. |
Nein, auch ich halte das für eine ontologische Position, wenn auch nicht für meine.
Mahner/Bunge hat folgendes geschrieben: | (...) manche Philosophen - insbesondere empiristisch oder konstruktivistisch angehauchte -, die unter Wissenschaftstheorie lediglich Methodologie verstehen, zweifeln am Nutzen der Ontologie für die Wissenschaftsphilosophie. Doch die Tatsache, daß viele Metaphysiken falsch oder nutzlos sind, macht nicht jede Metaphysik zu einem anstößigen Unterfangen. So setzen die meisten unserer Handlungen voraus, daß es außerhalb des erkennenden oder handelnden Subjekts tatsächlich eine reale Welt gibt. Wie also vielfach richtig bemerkt wurde, ist ein Antimetaphysiker nur jemand, der primitive und unanalysierte metaphysische Auffassungen vertritt. |
Irgendwie sehe ich hier überhaupt kein Argument, keine Begründung für die freche Behauptung, unsere Handlungen setzten eine (über die scheinbare Regelhaftigkeit hinaus) echt reale Welt voraus. Ebenso könnte ich schreiben:
Anti-Mahner/Bunge hat folgendes geschrieben: | (...) manche Philosophen - insbesondere emergentistisch oder teleologisch angehauchte -, die unter Wissenschaftstheorie Wahrheitsfindung verstehen, bestehen auf einem Nutzen der Ontologie für die Wissenschaftsphilosophie. Doch die Tatsache, daß manche Metaphysiken logisch unwiderlegbar sind, macht nicht Metaphysik zu einem für die wissenschaftliche Methode notwendigen Unterfangen. So setzen unsere wissenschaftlichen Handlungen nicht voraus, daß es außerhalb des erkennenden oder handelnden Subjekts tatsächlich eine reale Welt gibt. Anders als also vielfach falsch behauptet wurde, ist ein Metaphysiker nur jemand, der auf primitive und unanalysierte Weise Letztbegründungen erfindet. |
gruß/step
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Lars unregistrierter User
Anmeldungsdatum: 23.05.2004 Beiträge: 240
Wohnort: Berlin
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(#160323) Verfasst am: 02.08.2004, 20:49 Titel: |
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Meine Voestellung von 'Realität' liegt anscheinend irgendwo dazwischen.
Grundsätzlich ist klar, dass das was ich erlebe nur in meinem Kopf auf der Grundlage meiner Sinneseindrücke konstruiert ist.
Das gilt grundsätzlich für die Katze genauso wie für das elektron.
Ich erlebe jedoch im Gespräch mit anderen Menschen, das diese anscheinend in ihren Köpfen eine sehr ähnliche Welt konstruieren. Logischerweise vermutlich aufgrund ebenfalls sehr ähnlicher Sinneseindrücke.
Das lässt mich vermuten, dass diese ähnlichen Sinneseindrücke verschiedener Menschen eine gemeinsame Ursache haben. Diese gemeinsame Ursache nenne ich 'Realität'.
Dabei ist noch nichts über die 'wahre Natur' dieser 'Realität' ausgesagt. Sie könnte zB. auch eine Computersimulation sein. Die anderen Menschen und ich müssten dann nur in gleicher Weise Bestandteil derselben Simulation sein.
Diese hypothetische Minimalvorstellung von 'Realität' halte ich dann allerdings für notwendig, um Naturwissenschaft betreiben zu können. Einfach deshalb, weil ich, wenn ich nicht annehmen würde, dass die 'Weltkonstruktionen' verschiedener Menschen auf einer gemeinsamen Grundlage beruhen, auch keine Hoffnung haben könnte, dass irgendeine (für mich) sinnvolle Kommunikation zwischen mir und meinen Mitmenschen möglich ist.
_________________ 1. Mose 6, 5-6:
Und der Mensch sah, daß die Bosheit des Gottes im Himmel groß war und alles Sinnen der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag.
Und es reute den Menschen, daß er den Gott im Himmel gemacht hatte, und es bekümmerte ihn in sein Herz hinein.
(leicht aktualisiert)
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frajo dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 25.08.2003 Beiträge: 11440
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(#160333) Verfasst am: 02.08.2004, 21:00 Titel: |
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Lars hat folgendes geschrieben: | Diese hypothetische Minimalvorstellung von 'Realität' halte ich dann allerdings für notwendig, um Naturwissenschaft betreiben zu können. Einfach deshalb, weil ich, wenn ich nicht annehmen würde, dass die 'Weltkonstruktionen' verschiedener Menschen auf einer gemeinsamen Grundlage beruhen, auch keine Hoffnung haben könnte, dass irgendeine (für mich) sinnvolle Kommunikation zwischen mir und meinen Mitmenschen möglich ist. |
wer diese "gemeinsame grundlage" negiert, soll mir erstmal plausibel machen, wie es kommt, daß offensichtlich alle humanoiden, über die wir überhaupt solche aussagen machen können, dieselben wahrnehmungen hatten wie auch wir heute noch.
Zuletzt bearbeitet von frajo am 02.08.2004, 21:31, insgesamt einmal bearbeitet |
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#160344) Verfasst am: 02.08.2004, 21:10 Titel: |
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Lars hat folgendes geschrieben: | Das lässt mich vermuten, dass diese ähnlichen Sinneseindrücke verschiedener Menschen eine gemeinsame Ursache haben. Diese gemeinsame Ursache nenne ich 'Realität'.
Dabei ist noch nichts über die 'wahre Natur' dieser 'Realität' ausgesagt. Sie könnte zB. auch eine Computersimulation sein. Die anderen Menschen und ich müssten dann nur in gleicher Weise Bestandteil derselben Simulation sein.
Diese hypothetische Minimalvorstellung von 'Realität' halte ich dann allerdings für notwendig, um Naturwissenschaft betreiben zu können. Einfach deshalb, weil ich, wenn ich nicht annehmen würde, dass die 'Weltkonstruktionen' verschiedener Menschen auf einer gemeinsamen Grundlage beruhen, auch keine Hoffnung haben könnte, dass irgendeine (für mich) sinnvolle Kommunikation zwischen mir und meinen Mitmenschen möglich ist. |
Genau. Notwendig ist hier aber nicht etwa methodologisch die Annahme der Realität, sondern ohne diese Eigenschaft der Welt wäre Wissenschaft, Kommunikation usw. nicht möglich. Es handelt sich also nicht um eine metaphysische Voraussetzung des Wissenschaftsbetriebes.
Wenn man sich nun - wie bei anderen Fragen auch - fragt, wie es dazu kommt, daß dies so wahrgenommen wird, so ist dies die Suche nach einer Theorie, welche die scheinbare Regelhaftigkeit der Welt erklärt.
Ebenso wie wir die Welt näherungsweise aus Teilchen bestehend, als Raumzeit usw. modellieren, scheint sie hinreichend "turing-artig" zu sein.
Mit dieser Formulierung des hypothetischen Realismus
- vermeide ich den Anschein einer Ontologie I ("wahre Realität")
- vermeide ich den Anschein einer metaphysischen Voraussetzung der wiss. Methode
- versuche ich, den Realitätseindruck auf strukturelle Eigenschaften zurückzuführen
- bin ich vorbereitet darauf, daß dies mglw. nicht wirklich unter allen Bedingungen gilt.
Zudem läßt sich mit diesem Ansatz auch besser formal an die Simulationshypothese herangehen.
gruß/step
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Lars unregistrierter User
Anmeldungsdatum: 23.05.2004 Beiträge: 240
Wohnort: Berlin
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(#160381) Verfasst am: 02.08.2004, 22:00 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Lars hat folgendes geschrieben: | Das lässt mich vermuten, dass diese ähnlichen Sinneseindrücke verschiedener Menschen eine gemeinsame Ursache haben. Diese gemeinsame Ursache nenne ich 'Realität'.
Dabei ist noch nichts über die 'wahre Natur' dieser 'Realität' ausgesagt. Sie könnte zB. auch eine Computersimulation sein. Die anderen Menschen und ich müssten dann nur in gleicher Weise Bestandteil derselben Simulation sein.
Diese hypothetische Minimalvorstellung von 'Realität' halte ich dann allerdings für notwendig, um Naturwissenschaft betreiben zu können. Einfach deshalb, weil ich, wenn ich nicht annehmen würde, dass die 'Weltkonstruktionen' verschiedener Menschen auf einer gemeinsamen Grundlage beruhen, auch keine Hoffnung haben könnte, dass irgendeine (für mich) sinnvolle Kommunikation zwischen mir und meinen Mitmenschen möglich ist. |
Genau. Notwendig ist hier aber nicht etwa methodologisch die Annahme der Realität, sondern ohne diese Eigenschaft der Welt wäre Wissenschaft, Kommunikation usw. nicht möglich. Es handelt sich also nicht um eine metaphysische Voraussetzung des Wissenschaftsbetriebes.
Wenn man sich nun - wie bei anderen Fragen auch - fragt, wie es dazu kommt, daß dies so wahrgenommen wird, so ist dies die Suche nach einer Theorie, welche die scheinbare Regelhaftigkeit der Welt erklärt.
Ebenso wie wir die Welt näherungsweise aus Teilchen bestehend, als Raumzeit usw. modellieren, scheint sie hinreichend "turing-artig" zu sein.
Mit dieser Formulierung des hypothetischen Realismus
- vermeide ich den Anschein einer Ontologie I ("wahre Realität")
- vermeide ich den Anschein einer metaphysischen Voraussetzung der wiss. Methode
- versuche ich, den Realitätseindruck auf strukturelle Eigenschaften zurückzuführen
- bin ich vorbereitet darauf, daß dies mglw. nicht wirklich unter allen Bedingungen gilt.
Zudem läßt sich mit diesem Ansatz auch besser formal an die Simulationshypothese herangehen.
gruß/step |
Sicher, aber um nach der Ursache für diese Regelhaftigkeit der Welt zu Fragen, setzt du ja auch schon vorraus, dass sie in einem irgendwie objektiven Sinne existiert - 'real' ist.
Das sehe ich schon als metaphysische Voraussetzung. Klar, meiner Ansicht nach ist es die einzig rational mögliche. Und damit könnte man sie eigentlich schon als Selbstverständlichkeit unter den Tisch fallen lassen und auf das ganze Metaphysikbrimborium verzichten.
Nur dummerweise gibt es eben doch eine ganze Menge Leute denen der Gehirnspagat gelingt andere metaphysische Voraussetzungen zu setzen. Und dabei denke ich nicht nur an 'Solipsisten', 'radikale Konstruktivisten' und ähnliches, sondern vor allem auch an die vielen Esoteriker, die einem ernsthaft einreden wollen, man könne die Welt durch Wünschen, beten, meditieren, visualisieren durch sein Denken verändern.
Wenn ich diese Leute frage, was geschähe wenn zwei Leute einander entgegengesetzte Wünsche durchsetzen wollen (immerhin wird der Erfolg ja garantiert), bekomme ich regelmäßig zur Antwort, dass es einen solchen Interessenzusammenstoß ja nur unter der Vorraussetzung einer objektiven Realität geben könne und diese Vorraussetzung aber falsch sei.
Deshalb muß ich mir schon Gedanken darüber machen, warum ich eine andere Meinung zur Realität vertrete. Und solche Gedanken sind nun einmal per Definition metaphysisch.
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Und der Mensch sah, daß die Bosheit des Gottes im Himmel groß war und alles Sinnen der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag.
Und es reute den Menschen, daß er den Gott im Himmel gemacht hatte, und es bekümmerte ihn in sein Herz hinein.
(leicht aktualisiert)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#160401) Verfasst am: 02.08.2004, 22:41 Titel: |
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Hi Lars!
Lars hat folgendes geschrieben: | Sicher, aber um nach der Ursache für diese Regelhaftigkeit der Welt zu Fragen, setzt du ja auch schon vorraus, dass sie in einem irgendwie objektiven Sinne existiert - 'real' ist.
Das sehe ich schon als metaphysische Voraussetzung. Klar, meiner Ansicht nach ist es die einzig rational mögliche. Und damit könnte man sie eigentlich schon als Selbstverständlichkeit unter den Tisch fallen lassen und auf das ganze Metaphysikbrimborium verzichten.
Nur dummerweise gibt es eben doch eine ganze Menge Leute denen der Gehirnspagat gelingt andere metaphysische Voraussetzungen zu setzen. Und dabei denke ich nicht nur an 'Solipsisten', 'radikale Konstruktivisten' und ähnliches, sondern vor allem auch an die vielen Esoteriker, die einem ernsthaft einreden wollen, man könne die Welt durch Wünschen, beten, meditieren, visualisieren durch sein Denken verändern.
Wenn ich diese Leute frage, was geschähe wenn zwei Leute einander entgegengesetzte Wünsche durchsetzen wollen (immerhin wird der Erfolg ja garantiert), bekomme ich regelmäßig zur Antwort, dass es einen solchen Interessenzusammenstoß ja nur unter der Vorraussetzung einer objektiven Realität geben könne und diese Vorraussetzung aber falsch sei.
Deshalb muß ich mir schon Gedanken darüber machen, warum ich eine andere Meinung zur Realität vertrete. Und solche Gedanken sind nun einmal per Definition metaphysisch. |
Zwei Fragen an Dich:
i) Sind Systeme denkbar, deren Bestandteile sich dauerhaft beliebig verhalten?
ii) Sind Konstrukte, wie etwa die Natürlichen Zahlen N in Deinem Sinne real?
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Lars unregistrierter User
Anmeldungsdatum: 23.05.2004 Beiträge: 240
Wohnort: Berlin
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(#160454) Verfasst am: 03.08.2004, 00:31 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: |
i) Sind Systeme denkbar, deren Bestandteile sich dauerhaft beliebig verhalten?
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Ein solcher Gedanke wäre zumindest nicht kommunizierbar. Ein solches System könnte ich weder einem anderen Menschen so beschreiben, dass er es wiedererkennt, noch könnte ich es selbst zu einem späteren Zeitpunkt wiedererkennen.
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
ii) Sind Konstrukte, wie etwa die Natürlichen Zahlen N in Deinem Sinne real?
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Auch eine Katze, die vor mir über die Straße läuft, ist ein Konstrukt, konstruiert aus meinen Sinneswahrnehmungen. Erst daraus, dass andere Menschen dasselbe Konstrukt teilen, sogar wenn sie bisher von Katzen nie etwas gehört haben, kann ich schließen, dass sie ähnliche Sinneswahrnehmungen haben, und diesen Sinneswahrnehmungen eine gemeinsame Ursache haben, die ich Realität nenne.
Natürliche Zahlen sind dagegen abstrakte geistige Konzepte. Sie beruhen nicht wie Katzen direkt auf Sinneswahrnehmungen. Was eine Katze ist, kann ich Dir erklären, indem ich Dir eine Katze zeige. Eine natürliche Zahl kann ich dir nicht zeigen. Die gemeinsame Sinneswahrnehmung, aus der ich auf realität schließe, existiert nicht. Sie ist also nicht real.
Wenn auch mit Mühe kommunizierbar ist sie allerdings trotzdem weil sie ene Abstraktion ener realen Entität darstellt. Nämlich einer realen Eigenschaft realer Objekte, der Anzahl.
Im ähnlichen Sinne könnte man sagen, 'Farben' sind real, nicht aber 'Farbe'.
Es gibt einen begründbaren Unterschied zwischen Realismus und Idealismus.
_________________ 1. Mose 6, 5-6:
Und der Mensch sah, daß die Bosheit des Gottes im Himmel groß war und alles Sinnen der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag.
Und es reute den Menschen, daß er den Gott im Himmel gemacht hatte, und es bekümmerte ihn in sein Herz hinein.
(leicht aktualisiert)
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#160468) Verfasst am: 03.08.2004, 01:40 Titel: |
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Hi Lars!
Lars hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: |
i) Sind Systeme denkbar, deren Bestandteile sich dauerhaft beliebig verhalten? |
Ein solcher Gedanke wäre zumindest nicht kommunizierbar. Ein solches System könnte ich weder einem anderen Menschen so beschreiben, dass er es wiedererkennt, noch könnte ich es selbst zu einem späteren Zeitpunkt wiedererkennen. |
Der Gedanke ist schon kommunizierbar. Bei einem System ist der Aspekt 'Wechselwirkung' wichtig. Hier stellt sich die Frage, ob das obengenannte überhaupt ein System ist (und demzufolge die angeblichen Systemgrenzen erweitert werden müßten). Hinreichend Komplexität vorausgesetzt, kommt es zwangsläufig zu Regelmäßigkeiten. Dieser Modus der Musterbildung ist letztlich Selbstorganisation. An anderer Stelle hast Du Konvektionen erwähnt:
Lars hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: |
ii) Sind Konstrukte, wie etwa die Natürlichen Zahlen N in Deinem Sinne real?
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Auch eine Katze, die vor mir über die Straße läuft, ist ein Konstrukt, konstruiert aus meinen Sinneswahrnehmungen. Erst daraus, dass andere Menschen dasselbe Konstrukt teilen, sogar wenn sie bisher von Katzen nie etwas gehört haben, kann ich schließen, dass sie ähnliche Sinneswahrnehmungen haben, und diesen Sinneswahrnehmungen eine gemeinsame Ursache haben, die ich Realität nenne.
Natürliche Zahlen sind dagegen abstrakte geistige Konzepte. Sie beruhen nicht wie Katzen direkt auf Sinneswahrnehmungen. Was eine Katze ist, kann ich Dir erklären, indem ich Dir eine Katze zeige. Eine natürliche Zahl kann ich dir nicht zeigen. Die gemeinsame Sinneswahrnehmung, aus der ich auf realität schließe, existiert nicht. Sie ist also nicht real.
Wenn auch mit Mühe kommunizierbar ist sie allerdings trotzdem weil sie ene Abstraktion ener realen Entität darstellt. Nämlich einer realen Eigenschaft realer Objekte, der Anzahl.
Im ähnlichen Sinne könnte man sagen, 'Farben' sind real, nicht aber 'Farbe'.
Es gibt einen begründbaren Unterschied zwischen Realismus und Idealismus. |
a) Wie unterscheidest Du (wenn auch mit Mühe) kommunizierbare Konstrukte wie "abstrakte geistige Konzepte" von kommunizierbaren Konstrukten der direkten Sinneswahrnehmung? Und woher weißt Du, was eine direkte Sinneswahrnehmung ist?
b) Lassen sich "reale Eigenschaften realer Objekte" denn nicht als "abstrakte geistige Konzepte", etwa in der Form f(x) = x ausdrücken? Und wird ein Objekt nicht erst durch seine Eigenschaften konstituiert?
c) Welche Farben sind für eine Katze oder eine Biene real?
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
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Lars unregistrierter User
Anmeldungsdatum: 23.05.2004 Beiträge: 240
Wohnort: Berlin
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(#160485) Verfasst am: 03.08.2004, 04:13 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | Hi Lars!
Lars hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: |
i) Sind Systeme denkbar, deren Bestandteile sich dauerhaft beliebig verhalten? |
Ein solcher Gedanke wäre zumindest nicht kommunizierbar. Ein solches System könnte ich weder einem anderen Menschen so beschreiben, dass er es wiedererkennt, noch könnte ich es selbst zu einem späteren Zeitpunkt wiedererkennen. |
Der Gedanke ist schon kommunizierbar.
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Du kannst natürlich sagen: "System, dessen Bestandteile sich dauerhaft beliebig verhalten". Aber ein bestimmtes solches System konkret beschreiben kannst du nicht. Versuch es doch mal. Denk Dir ein solches System aus und beschreibe es mir!
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Bei einem System ist der Aspekt 'Wechselwirkung' wichtig. Hier stellt sich die Frage, ob das obengenannte überhaupt ein System ist (und demzufolge die angeblichen Systemgrenzen erweitert werden müßten). Hinreichend Komplexität vorausgesetzt, kommt es zwangsläufig zu Regelmäßigkeiten. Dieser Modus der Musterbildung ist letztlich Selbstorganisation.
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Richtig. Wechselwirkung setzt aber voraus, dass es zumindest zwei Wechselwirkungspartner gibt und darüber hinaus normalerweise auch ein Medium, über das die Wechselwirkung stattfindet.
Wenn Du also behaupten willst, die Ähnlichkeiten zwischen den Weltkonstruktionen der Menschen entständen ohne gemeinsame äußere Ursache nur durch Wechselwirkung zwischen den Menschen, läufst Du damit völlig ins Leere.
Solange du behauptest, dass die Welt keine andere Existenz hat als als Konstrukt in den Köpfen der Menschen, ist für dich ja überhaupt keine echte Wechselwirkung möglich. Erstens sind dann ja andere Menschen als Bestandteil der Welt ja auch nur ein von Dir erzeugtes Konstrukt und somit nicht von Produkten Deiner Fantasie unterscheidbar. Und selbst wenn sie doch irgendwie real sind, sind es immer noch nicht die Medien, über die die Kommunikation verläuft (Schall, Schrift auf Papier, Internetforen).
Wenn das für Dich auch real ist, warum dann nicht auch Häuser und Bäume?
Tatsächlich bin übrigens schon seit 3 Jahren Tot. Ich bin damals an einer Lobligungvergiftung gestorben. Meine Postings kannst Du nur deshalb lesen, weil es in deiner Konstruktion der Welt kein Lobligung gibt. In meiner gibt es das aber sehr wohl, weshalb ich auch die Postings, die du liest, in meiner Konstruktion der Welt nie geschrieben habe, und aufgrund meines bedauerlichen Zustandes natürlich auch nicht in der Lage bin Deine Antworten zu lesen. Eigentlich schade, nicht?
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
Lars hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: |
ii) Sind Konstrukte, wie etwa die Natürlichen Zahlen N in Deinem Sinne real?
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Auch eine Katze, die vor mir über die Straße läuft, ist ein Konstrukt, konstruiert aus meinen Sinneswahrnehmungen. Erst daraus, dass andere Menschen dasselbe Konstrukt teilen, sogar wenn sie bisher von Katzen nie etwas gehört haben, kann ich schließen, dass sie ähnliche Sinneswahrnehmungen haben, und diesen Sinneswahrnehmungen eine gemeinsame Ursache haben, die ich Realität nenne.
Natürliche Zahlen sind dagegen abstrakte geistige Konzepte. Sie beruhen nicht wie Katzen direkt auf Sinneswahrnehmungen. Was eine Katze ist, kann ich Dir erklären, indem ich Dir eine Katze zeige. Eine natürliche Zahl kann ich dir nicht zeigen. Die gemeinsame Sinneswahrnehmung, aus der ich auf realität schließe, existiert nicht. Sie ist also nicht real.
Wenn auch mit Mühe kommunizierbar ist sie allerdings trotzdem weil sie ene Abstraktion ener realen Entität darstellt. Nämlich einer realen Eigenschaft realer Objekte, der Anzahl.
Im ähnlichen Sinne könnte man sagen, 'Farben' sind real, nicht aber 'Farbe'.
Es gibt einen begründbaren Unterschied zwischen Realismus und Idealismus. |
a) Wie unterscheidest Du (wenn auch mit Mühe) kommunizierbare Konstrukte wie "abstrakte geistige Konzepte" von kommunizierbaren Konstrukten der direkten Sinneswahrnehmung? Und woher weißt Du, was eine direkte Sinneswahrnehmung ist?
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Was ist der Unterschied zwischen "vier Katzen" und "Vier"? Ich denke, das kannst auch Du recht gut unterscheiden.
Meine Sinneswahrnehmungen erlebe ich. Von Halluzinationen unterscheide ich sie dadurch, dass andere Menschen behaupen ähnliche Sinneswahrnehmungen zu haben. Sobald ich anfange auch diese Kommunikation mit anderen Menschen für eine Halluzination zu halten, werde ich einen Aufnahmeantrag in den Club der Solipsisten stellen.
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
b) Lassen sich "reale Eigenschaften realer Objekte" denn nicht als "abstrakte geistige Konzepte", etwa in der Form f(x) = x ausdrücken? Und wird ein Objekt nicht erst durch seine Eigenschaften konstituiert?
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Und wenn? Funktionale Beziehung bedutet nicht Gleichheit. Die Abstraktion zur Zahl Vier würde mir niemals gelingen, wenn ich bisher nur Vier Katzen, nicht aber auch vier Bäume, vier Steine, vier Kühe, vier Häuser usw. gesehen hätte.
Gibt es Eigenschaften ohne Objekte, die diese Eigenschaften haben?
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
c) Welche Farben sind für eine Katze oder eine Biene real?
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Ich hatte doch eigentlich in meinem ersten post deutlich gesagt, dass ich genaugenommen nicht die Sinneswahrnehmungen selbst für real halte, sondern deren hypothetische gemeinsame Ursache als Realität bezeichne.
Eine eventuell andersartige Wahrnehmung der Biene und der Katze, bleiben also für dieses Verständnis von Realität irrelevant, solange ich die Reaktionen der Bienen und Katzen auf Farben im Rahmen meiner Erkenntnis der Welt vorhersagen bzw. verstehen kann. Solange blaibt es sinnvoll auch für die Wahrnehmung von Biene, Katze und Mensch gemeinsame Ursachen anzunehmen.
_________________ 1. Mose 6, 5-6:
Und der Mensch sah, daß die Bosheit des Gottes im Himmel groß war und alles Sinnen der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag.
Und es reute den Menschen, daß er den Gott im Himmel gemacht hatte, und es bekümmerte ihn in sein Herz hinein.
(leicht aktualisiert)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#160520) Verfasst am: 03.08.2004, 09:24 Titel: |
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Lars hat folgendes geschrieben: | Sicher, aber um nach der Ursache für diese Regelhaftigkeit der Welt zu Fragen, setzt du ja auch schon vorraus, dass sie in einem irgendwie objektiven Sinne existiert - 'real' ist. |
Kannst Du mal erklären, inwiefern ich das voraussetze? Meines Erachtens reicht es, ein Modell (Theorie) zu erstellen, das die hinreichende Regelhaftigkeit der wahrzunehmenden Welt simuliert. Ich kann nachvollziehen, daß der hyp. Realismus eine vernünftige umgangssprachliche Folgerung / Zusammenfassung einer solchen Theorie darstellt - ähnlich wei wenn wir z.B. vom "Fluss der Zeit" reden, nicht aber deren unabdingbare Voraussetzung.
gruß/step
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#162146) Verfasst am: 06.08.2004, 01:18 Titel: |
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Hi Lars!
Lars hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Lars hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: |
i) Sind Systeme denkbar, deren Bestandteile sich dauerhaft beliebig verhalten? |
Ein solcher Gedanke wäre zumindest nicht kommunizierbar. Ein solches System könnte ich weder einem anderen Menschen so beschreiben, dass er es wiedererkennt, noch könnte ich es selbst zu einem späteren Zeitpunkt wiedererkennen. |
Der Gedanke ist schon kommunizierbar.
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Du kannst natürlich sagen: "System, dessen Bestandteile sich dauerhaft beliebig verhalten". Aber ein bestimmtes solches System konkret beschreiben kannst du nicht. Versuch es doch mal. Denk Dir ein solches System aus und beschreibe es mir! |
Ich meine das einige Ebenen abstrakter. Die Antwort auf meine Frage lautet für mich hier: Nein! Aus diesem Grund nehme ich auch an (Analogieschluß auf gedankliche Konstrukte), dass Außerirdische bei entsprechender intellektueller Leistungsfähigkeit bsw. so etwas wie die Natürlichen Zahlen kennen werden. Deswegen die Bilder von Konvektionen: Ich will auf Mustererkennung ⇒ Musterbildung hinaus.
Lars hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Bei einem System ist der Aspekt 'Wechselwirkung' wichtig. Hier stellt sich die Frage, ob das obengenannte überhaupt ein System ist (und demzufolge die angeblichen Systemgrenzen erweitert werden müßten). Hinreichend Komplexität vorausgesetzt, kommt es zwangsläufig zu Regelmäßigkeiten. Dieser Modus der Musterbildung ist letztlich Selbstorganisation.
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Richtig. Wechselwirkung setzt aber voraus, dass es zumindest zwei Wechselwirkungspartner gibt und darüber hinaus normalerweise auch ein Medium, über das die Wechselwirkung stattfindet.
Wenn Du also behaupten willst, die Ähnlichkeiten zwischen den Weltkonstruktionen der Menschen entständen ohne gemeinsame äußere Ursache nur durch Wechselwirkung zwischen den Menschen, läufst Du damit völlig ins Leere.
Solange du behauptest, dass die Welt keine andere Existenz hat als als Konstrukt in den Köpfen der Menschen, ist für dich ja überhaupt keine echte Wechselwirkung möglich. Erstens sind dann ja andere Menschen als Bestandteil der Welt ja auch nur ein von Dir erzeugtes Konstrukt und somit nicht von Produkten Deiner Fantasie unterscheidbar. Und selbst wenn sie doch irgendwie real sind, sind es immer noch nicht die Medien, über die die Kommunikation verläuft (Schall, Schrift auf Papier, Internetforen).
Wenn das für Dich auch real ist, warum dann nicht auch Häuser und Bäume?
Tatsächlich bin übrigens schon seit 3 Jahren Tot. Ich bin damals an einer Lobligungvergiftung gestorben. Meine Postings kannst Du nur deshalb lesen, weil es in deiner Konstruktion der Welt kein Lobligung gibt. In meiner gibt es das aber sehr wohl, weshalb ich auch die Postings, die du liest, in meiner Konstruktion der Welt nie geschrieben habe, und aufgrund meines bedauerlichen Zustandes natürlich auch nicht in der Lage bin Deine Antworten zu lesen. Eigentlich schade, nicht? |
Und weiter: Regelmäßigkeiten sind nichts anderes als postulierte Muster. Wenn kulturelles Wissens tradiert wird, heißt das nichts anderes, als das Wirklichkeit gesellschaftlich konstruiert ist. Ich spreche hier von Alltagswissen und vom gelernten Wissen. Wenn also ein Konstrukt wie der 'Lichtäther' herrschende Meinung ist, dann ist dieser Äther real - und sei es nur hypothetisch ("mehr" als Hypothese geht nicht). Der Mensch orientiert sich im Chaos des Alltags durch die Suche nach Regelmäßigkeiten und findet selbst da welche, wo keine sind; etwa durch die Konstruktion von Sternbildern. Das ist dann letztlich der Nominalismus, so a la Primzahlen & Gott (Wir sind immer noch beim Thema ).
Übrigens, auch für Dich sind "die anderen Menschen" bei Anlegung eines strengen Maßstabs ebenso 'nur' hypothetisch real, oder nicht? Und wie stellst Du fest, dass Du beim Feststellen von Kommunikaton, Häusern und Bäumen nicht träumst (Hint: 3.-Person-Perspektive)?
Ach übrigens, ich kann Dich beruhigen: Aufgrund Deiner entsprechenden Interaktionen kann geschlossen werden: Lobligunge sind hypothetisch-real ein Fake. Mein gedankliches Konstrukt 'Person Lars' ist demzufolge lebendig. Dies gilt zumindest bis zum 03.08.2004, 04:13.
Lars hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Lars hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: |
ii) Sind Konstrukte, wie etwa die Natürlichen Zahlen N in Deinem Sinne real? |
Auch eine Katze, die vor mir über die Straße läuft, ist ein Konstrukt, konstruiert aus meinen Sinneswahrnehmungen. Erst daraus, dass andere Menschen dasselbe Konstrukt teilen, sogar wenn sie bisher von Katzen nie etwas gehört haben, kann ich schließen, dass sie ähnliche Sinneswahrnehmungen haben, und diesen Sinneswahrnehmungen eine gemeinsame Ursache haben, die ich Realität nenne.
Natürliche Zahlen sind dagegen abstrakte geistige Konzepte. Sie beruhen nicht wie Katzen direkt auf Sinneswahrnehmungen. Was eine Katze ist, kann ich Dir erklären, indem ich Dir eine Katze zeige. Eine natürliche Zahl kann ich dir nicht zeigen. Die gemeinsame Sinneswahrnehmung, aus der ich auf realität schließe, existiert nicht. Sie ist also nicht real.
Wenn auch mit Mühe kommunizierbar ist sie allerdings trotzdem weil sie ene Abstraktion ener realen Entität darstellt. Nämlich einer realen Eigenschaft realer Objekte, der Anzahl.
Im ähnlichen Sinne könnte man sagen, 'Farben' sind real, nicht aber 'Farbe'.
Es gibt einen begründbaren Unterschied zwischen Realismus und Idealismus. |
a) Wie unterscheidest Du (wenn auch mit Mühe) kommunizierbare Konstrukte wie "abstrakte geistige Konzepte" von kommunizierbaren Konstrukten der direkten Sinneswahrnehmung? Und woher weißt Du, was eine direkte Sinneswahrnehmung ist?
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Was ist der Unterschied zwischen "vier Katzen" und "Vier"? Ich denke, das kannst auch Du recht gut unterscheiden.
Meine Sinneswahrnehmungen erlebe ich. Von Halluzinationen unterscheide ich sie dadurch, dass andere Menschen behaupen ähnliche Sinneswahrnehmungen zu haben. Sobald ich anfange auch diese Kommunikation mit anderen Menschen für eine Halluzination zu halten, werde ich einen Aufnahmeantrag in den Club der Solipsisten stellen. |
He, "Club der Solipsisten" ist © by Thomas Waschke!
Die Scheidung von 'Realität' und Halluzination machst Du also statistisch fest? D. h. also letztlich, auch für Dich ist 'Realität' kulturell bedingt? Natürlich ∃ ein Unterschied zwischen "Katze", "Vier" und "vier Katzen". Aber das alles sind Symbole für gedankliche Konstrukte, dargestellt in den Symbolen eines Zeichensatz, wobei letzterer wiederum Symbole für andere gedankliche Konstrukte darstellt, eben für einen Zeichensatz ... .
Oder anders: Das 'Ding' Baum besteht aus weiteren 'Dingen', wie Blättern, Ästen, Wurzeln, etc. Du machst da ein wenig Statistik mit Deiner eingebauten Mustererkennung. Aber als 'Symbole' aufgefaßt besteht zwischen diesen 'Dingen' kein Unterschied. Im übrigen auch nicht zwischen 'Dingen' und 'Eigenschaften'. Du konstituierst die spezifischen gedankliche Konstrukte 'Ding(e)' und 'Eigenschaft(e)' gleichzeitig; kein Operator ohne Operand, keine Kante ohne Knoten.
Lars hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | b) Lassen sich "reale Eigenschaften realer Objekte" denn nicht als "abstrakte geistige Konzepte", etwa in der Form f(x) = x ausdrücken? Und wird ein Objekt nicht erst durch seine Eigenschaften konstituiert? |
Und wenn? Funktionale Beziehung bedutet nicht Gleichheit. Die Abstraktion zur Zahl Vier würde mir niemals gelingen, wenn ich bisher nur Vier Katzen, nicht aber auch vier Bäume, vier Steine, vier Kühe, vier Häuser usw. gesehen hätte.
Gibt es Eigenschaften ohne Objekte, die diese Eigenschaften haben? |
Katzen haben üblicherweise vier Beine. Und die Abstraktion zur Zahl Vier gelingt Dir meist, wenn Du auch nur eine Zahl kennst, etwa die Zahl Deiner Finger; erschließbar durch entsprechende Zuordnungen. Und natürlich bedeuten die funktionalen Beziehungen zwischen den abgezählten Fingern und einer entsprechenden Anzahl von 'Dingen' nicht Gleichheit.
Es gilt: Keine 'Eigenschaften' ohne 'Objekte', keine 'Objekte' ohne 'Eigenschaften'!
Lars hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: |
c) Welche Farben sind für eine Katze oder eine Biene real? |
Ich hatte doch eigentlich in meinem ersten post deutlich gesagt, dass ich genaugenommen nicht die Sinneswahrnehmungen selbst für real halte, sondern deren hypothetische gemeinsame Ursache als Realität bezeichne.
Eine eventuell andersartige Wahrnehmung der Biene und der Katze, bleiben also für dieses Verständnis von Realität irrelevant, solange ich die Reaktionen der Bienen und Katzen auf Farben im Rahmen meiner Erkenntnis der Welt vorhersagen bzw. verstehen kann. Solange blaibt es sinnvoll auch für die Wahrnehmung von Biene, Katze und Mensch gemeinsame Ursachen anzunehmen. |
Wenn Du Deine Sinneswahrnehmungen nicht für real hältst, wie kann denn die Ursache hierfür real sein? - Wenn Du Geordnetes in Unordnung versetzt, kann kaum etwas Geordnetes herauskommen ... . Aber was verfälscht dann Deine Wahrnehmung? Und über welche Hypothesen verfügen Bienen, Katzen oder Bäume? Oder ultimativ: Über welche Realität wurdest Du am Ende aller Wissenschaft verfügen? - Kann es das denn geben?
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#167230) Verfasst am: 19.08.2004, 09:34 Titel: |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Lars hat folgendes geschrieben: | Wenn Du also behaupten willst, die Ähnlichkeiten zwischen den Weltkonstruktionen der Menschen entständen ohne gemeinsame äußere Ursache nur durch Wechselwirkung zwischen den Menschen, läufst Du damit völlig ins Leere.
Solange du behauptest, dass die Welt keine andere Existenz hat als als Konstrukt in den Köpfen der Menschen, ist für dich ja überhaupt keine echte Wechselwirkung möglich. Erstens sind dann ja andere Menschen als Bestandteil der Welt ja auch nur ein von Dir erzeugtes Konstrukt und somit nicht von Produkten Deiner Fantasie unterscheidbar. Und selbst wenn sie doch irgendwie real sind, sind es immer noch nicht die Medien, über die die Kommunikation verläuft (Schall, Schrift auf Papier, Internetforen).
Wenn das für Dich auch real ist, warum dann nicht auch Häuser und Bäume?
Tatsächlich bin übrigens schon seit 3 Jahren Tot. Ich bin damals an einer Lobligungvergiftung gestorben. Meine Postings kannst Du nur deshalb lesen, weil es in deiner Konstruktion der Welt kein Lobligung gibt. In meiner gibt es das aber sehr wohl, weshalb ich auch die Postings, die du liest, in meiner Konstruktion der Welt nie geschrieben habe, und aufgrund meines bedauerlichen Zustandes natürlich auch nicht in der Lage bin Deine Antworten zu lesen. Eigentlich schade, nicht? |
Und weiter: Regelmäßigkeiten sind nichts anderes als postulierte Muster. Wenn kulturelles Wissens tradiert wird, heißt das nichts anderes, als das Wirklichkeit gesellschaftlich konstruiert ist... |
In meinen Augen ist das keine überzeugende Replik auf Lars' Argument: Wenn Du behauptest, daß es eine wie auch immer geartete Umwelt gibt, mit der Du in Wechselwirkung stehst, besteht die einzig konsistente Möglichkeit darin, den Weg des hypothetischen Realisten mitzugehen. Denn jede Abgrenzung (Umwelt ja, Atom nein..) wäre rein willkürlich. Wenn Du allerdings behauptest, die Umwelt sei (wie alles andere auch) nur ein Phantasieprodukt eines singulären Bewußtseins, bleibt als einzige Möglichkeit nur noch der Solipsismus übrig. Dann ist allerdings klar, daß es keine Wechselwirkung geben kann, weil keine Umwelt (nicht einmal ein materielles Gehirn) existiert, mit der Dein Bewußtsein wechselwirken könnte. Das alles klingt nicht nur sehr anthropozentrisch und esoterisch angehaucht, sondern ist es auch.
Auch eine Unterscheidung zwischen "überlebensadäquaten" und "nicht viablen" Weltbildern macht aus Sicht des Solipsismus keinen Sinn mehr. Denn überlebensadäquat können Weltbilder auch immer nur in Bezug auf eine Umwelt sein. Demnach ist es auf der Basis des Solipsismus unmöglich, eine evolutionäre Erkenntnistheorie aufzubauen oder überhaupt noch irgend etwas zu erklären. Also bleibt als einzig vernünftige Alternative der HR bestehen.
Grüße
Martin
_________________ "Science is a candle in the dark." - Carl Sagan
www.ag-evolutionsbiologie.de
www.facebook.com/AGEvolutionsbiologie
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#167356) Verfasst am: 19.08.2004, 15:28 Titel: |
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Hi Martin!
Martin Neukamm hat folgendes geschrieben: | Lamarck hat folgendes geschrieben: | Lars hat folgendes geschrieben: | Wenn Du also behaupten willst, die Ähnlichkeiten zwischen den Weltkonstruktionen der Menschen entständen ohne gemeinsame äußere Ursache nur durch Wechselwirkung zwischen den Menschen, läufst Du damit völlig ins Leere.
Solange du behauptest, dass die Welt keine andere Existenz hat als als Konstrukt in den Köpfen der Menschen, ist für dich ja überhaupt keine echte Wechselwirkung möglich. Erstens sind dann ja andere Menschen als Bestandteil der Welt ja auch nur ein von Dir erzeugtes Konstrukt und somit nicht von Produkten Deiner Fantasie unterscheidbar. Und selbst wenn sie doch irgendwie real sind, sind es immer noch nicht die Medien, über die die Kommunikation verläuft (Schall, Schrift auf Papier, Internetforen).
Wenn das für Dich auch real ist, warum dann nicht auch Häuser und Bäume?
Tatsächlich bin übrigens schon seit 3 Jahren Tot. Ich bin damals an einer Lobligungvergiftung gestorben. Meine Postings kannst Du nur deshalb lesen, weil es in deiner Konstruktion der Welt kein Lobligung gibt. In meiner gibt es das aber sehr wohl, weshalb ich auch die Postings, die du liest, in meiner Konstruktion der Welt nie geschrieben habe, und aufgrund meines bedauerlichen Zustandes natürlich auch nicht in der Lage bin Deine Antworten zu lesen. Eigentlich schade, nicht? |
Und weiter: Regelmäßigkeiten sind nichts anderes als postulierte Muster. Wenn kulturelles Wissens tradiert wird, heißt das nichts anderes, als das Wirklichkeit gesellschaftlich konstruiert ist... |
In meinen Augen ist das keine überzeugende Replik auf Lars' Argument: Wenn Du behauptest, daß es eine wie auch immer geartete Umwelt gibt, mit der Du in Wechselwirkung stehst, besteht die einzig konsistente Möglichkeit darin, den Weg des hypothetischen Realisten mitzugehen. Denn jede Abgrenzung (Umwelt ja, Atom nein..) wäre rein willkürlich. Wenn Du allerdings behauptest, die Umwelt sei (wie alles andere auch) nur ein Phantasieprodukt eines singulären Bewußtseins, bleibt als einzige Möglichkeit nur noch der Solipsismus übrig. Dann ist allerdings klar, daß es keine Wechselwirkung geben kann, weil keine Umwelt (nicht einmal ein materielles Gehirn) existiert, mit der Dein Bewußtsein wechselwirken könnte. Das alles klingt nicht nur sehr anthropozentrisch und esoterisch angehaucht, sondern ist es auch.
Auch eine Unterscheidung zwischen "überlebensadäquaten" und "nicht viablen" Weltbildern macht aus Sicht des Solipsismus keinen Sinn mehr. Denn überlebensadäquat können Weltbilder auch immer nur in Bezug auf eine Umwelt sein. Demnach ist es auf der Basis des Solipsismus unmöglich, eine evolutionäre Erkenntnistheorie aufzubauen oder überhaupt noch irgend etwas zu erklären. Also bleibt als einzig vernünftige Alternative der HR bestehen. |
In der Tat: Die Umwelt ist, wie alles andere auch, z. B. das 'Ich', ein Phantasieprodukt eines singulären Bewußtseins. Das ist beim Solipsismus, beim Radikale Konstruktivismus und natürlich beim Hypothetischen Realismus wohl nicht strittig. Das Problem sind 'nur' die Annahmen, die darüber hinausgehen! Der Radikale Konstruktivismus ist deswegen 'radikal', weil er - im Gegensatz zu den anderen Ansichten - diese Annahmen nicht macht.
Im Unterschied zur Konkurrenz kann ich mir aber überlegen, welche meiner Phantasien die bessere (d. h. viablere) ist. Ich bin also in der Wahl meiner Phantasien keineswegs frei, auch wenn die Bezeichnung anderes suggeriert. Und warum sollten sich auch Phantasien nicht selbst organisieren?
Wie schon erwähnt, benutze ich natürlich aus Gründen der Vereinfachung auch den Begriff 'real', aber im Unterschied zu Dir ist es für mich möglich, dann etwa die Zahl "Vier" oder ein Atom-Modell genauso 'real' zu halten wie den "Schwinghangler-Ast".
Selbstverständlich läßt sich das Festhalten an eine Realität im absoluten Sinne psychologisch erklären. So wird die Orientierung einfach. Aber diese "Phantasie" ist nicht hinreichend viabel. Jedenfalls nicht mehr, wenn diese in Konkurrenz zur "Phantasie" des Radikalen Konstruktivismus steht. Mit anderen Worten: Es zählt nicht die (sic!) Realität, es zählt allein das Argument.
Dagegen kann derjenige, der sich auf eine absolute Realität beruft, nicht einmal abschätzen, wie groß sein Irrtum ist.
Cheers,
Lamarck
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Darwin Upheaval Evo-Devo-Darwinist & Wissenschaftskommunikator
Anmeldungsdatum: 23.01.2004 Beiträge: 5491
Wohnort: Tief im Süden
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(#167756) Verfasst am: 20.08.2004, 16:04 Titel: |
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Hi Lamarck,
Lamarck hat folgendes geschrieben: | In der Tat: Die Umwelt ist, wie alles andere auch, z. B. das 'Ich', ein Phantasieprodukt eines singulären Bewußtseins. Das ist beim Solipsismus, beim Radikale Konstruktivismus und natürlich beim Hypothetischen Realismus wohl nicht strittig. Das Problem sind 'nur' die Annahmen, die darüber hinausgehen! |
Warum ist das eigentlich ein "Problem"? Sind die (wissenschafts-)philosophischen Implikationen eines solchen Weltbildes, das nur das Bewiesene für zulässig erklärt, damit einem ja nicht der Ruch des "Metaphysischen" anhaftet, nicht weitaus "problematischer"?
Du kannst natürlich sagen, daß es Dich nicht interessiert, weshalb es subjektive Weltbilder, wissenschaftliche Theorien und hypothetische Begriffe gibt, die "funktionieren" - das sind in Deinen Augen halt einfach "viable Konstrukte". Aber ein solches Weltbild halte ich nicht nur für anthropozentrisch und merkmalsarm, sondern auch intellektuell für höchst unbefriedigend. Ich kann natürlich nur für mich und die Mehrheit der scientific community sprechen, die ja nicht nach "viablen Bilder" sucht, sondern die "andersartigen Elemente und verborgenen Verbindungsmechanismen" einer "tieferen unsichtbaren Ebene" finden möchte. Wie gesagt, ich halte Wissenschaft an sich schon für ein realistisches Unterfangen...
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Der Radikale Konstruktivismus ist deswegen 'radikal', weil er - im Gegensatz zu den anderen Ansichten - diese Annahmen nicht macht. Im Unterschied zur Konkurrenz kann ich mir aber überlegen, welche meiner Phantasien die bessere (d. h. viablere) ist. |
Warum? Auch ein kritischer Realist sucht nach "passenden Weltbildern". Im Gegensatz zum radikalen Konstruktivisten denkt er aber weiter, weil er ja nach einer dahinterstehenden Erklärung sucht - auch wenn er dabei "metaphysische" Annahmen machen muß und sich dem Risiko aussetzt, zu irren. Der Preis, den ihm die Gewißheit abverlangt - nämlich die Beschränkung auf ein restringiert-anthropozentrisches Weltbild - ist ihm zu hoch.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Ich bin also in der Wahl meiner Phantasien keineswegs frei, auch wenn die Bezeichnung anderes suggeriert. Und warum sollten sich auch Phantasien nicht selbst organisieren?
Wie schon erwähnt, benutze ich natürlich aus Gründen der Vereinfachung auch den Begriff 'real', aber im Unterschied zu Dir ist es für mich möglich, dann etwa die Zahl "Vier" oder ein Atom-Modell genauso 'real' zu halten wie den "Schwinghangler-Ast". |
Stimmt. Aber ein Wissenschaftler, der so denkt, braucht streng genommen keine Experimente. Die Durchführung von Gedankenexperimenten würde vollauf genügen.
Lamarck hat folgendes geschrieben: | Selbstverständlich läßt sich das Festhalten an eine Realität im absoluten Sinne psychologisch erklären. So wird die Orientierung einfach. Aber diese "Phantasie" ist nicht hinreichend viabel. Jedenfalls nicht mehr, wenn diese in Konkurrenz zur "Phantasie" des Radikalen Konstruktivismus steht. Mit anderen Worten: Es zählt nicht die (sic!) Realität, es zählt allein das Argument.
Dagegen kann derjenige, der sich auf eine absolute Realität beruft, nicht einmal abschätzen, wie groß sein Irrtum ist. |
Sicher. Aber das ist eine Binsenweisheit: Wer nichts riskiert, verliert nichts. Und wer nichts behauptet, läuft auch nicht Gefahr, widerlegt zu werden. Solche Maximen halte ich (auch im erkenntnistheoretisch, wissenschaftsphilosophischen Bereich) für nicht besonders fruchtbar.
Grüße
Martin
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