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Ist die FDP eine Protestpartei?

 
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Baudelaire
registrierter User



Anmeldungsdatum: 20.02.2009
Beiträge: 74
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1390727) Verfasst am: 12.11.2009, 19:10    Titel: Ist die FDP eine Protestpartei? Antworten mit Zitat

Man erinnere sich an die "Elefantenrunde" am Abend der Bundestagswahl. Unter den anwesenden Parteivorsitzenden herrschte eine seltsam gedrückte Stimmung. Das Hauptthema auch der Kanzlerin Merkel war der historische Niedergang der SPD. Nur einer war quietschfidel, so als ob er einen Teflonanzug trüge, und das war unser Guido W.. Als ob das Wort Empathie für ihn nicht nur wortwörtlich ein Fremdwort wäre (aus dem Englischen mutmaßlich), sondern zudem im eigenen Erleben auf keinerlei Resonanz stößt, verstand er nur Bahnhof und ließ er sich von der allgemeinen Tristesse nicht anstecken. Trotzig griente er sein Bekenntnis in die Kameras: "Schaut her Leute, der kleine Guido hat es endlich geschafft, nun werde ich, was mir keiner (mehr) zutraute, doch noch Minister."

Die zweite Impression, die ich hier zum Besten geben möchte, sind die der Wahl folgenden Koalitionsverhandlungen. Trügt mich da meine Wahrnehmung oder habe nicht nur ich den Eindruck, das diese Verhandlungen weniger dem Aushandeln eines "Ehevertrags" glichen, sondern das da zwei Parteien schon mal vorwegnehmend eine Art Scheidungskrieg geführt haben? Vor allem die Steuerpläne von Guidos Truppe lagen der CDU schwer im Magen, Wulff sprach gar von "unseriöse(r)" Politik, und man hatte den Eindruck, hier sollte wieder die politische Vernunft aus purem Trotz eine Politik durchgesetzt werden, die mutmaßlich höchstens 5% der Bevölkerung repräsentiert, nämlich die Besserverdiener.

Diese Eindrücke haben sich bei mir zur Meinung verfestigt, dass es sich bei der FDP im Kern um eine Protestpartei handelt, die ihren zunehmende Wahlerfolg vor allem den abtrünnigen Wählern aus den beiden großen Parteien CDU und SPD verdankt. Die Erfolge der FDP sind dann in erster Linie als Denkzettel dieser Wähler an ihre sonstige Stammpartei zu werten, als das man tatsächlich daraus poltisches Handeln ableiten dürfe. Der eigentliche Kern der FDP-Wähler liegt (seit Jahrzehnten) bei einer kleinen Gruppe der Gesellschaft von maximal 5%. Die Stimmen der übrigen FDP-Wähler muß man als versenkt oder geschenkt betrachten.

Merkel hat nach der Wahl gut daran getan, das politische Abenteurertum von Guidos Spaßcombo durch Unverbindlichkeit ins Leere laufen zu lassen. Die eher vage gemeinsame Regierungserklärung werte ich nicht als Scheitern Merkels, sondern als legitimen Versuch, die Banalitäten der FDP (mehr Netto vom Brutto, etc.) durch Business as usual gezielt zu unterlaufen und so scheitern zu lassen. Auf das Dauer ist dies das einzig verantwortbare poltische Handeln.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1390867) Verfasst am: 12.11.2009, 21:53    Titel: Re: Ist die FDP eine Protestpartei? Antworten mit Zitat

Baudelaire hat folgendes geschrieben:
Der eigentliche Kern der FDP-Wähler liegt (seit Jahrzehnten) bei einer kleinen Gruppe der Gesellschaft von maximal 5%. Die Stimmen der übrigen FDP-Wähler muß man als versenkt oder geschenkt betrachten.

Ich bin nicht sicher, daß du recht hast. Ich war vor über 25 Jahren Mitglied der FDP, damals noch in der sozialliberalen Koalition. Viele haben mich damals angesprochen. Sie würden die FDP ja wählen, wenn da die Koalition mit den "Linken" nicht wäre. Die FDP bestand damals aus zwei Gruppen, die nur den Namen gemeinsam hatten: den Freiburgern und den Wirtschaftsliberalen rechts von der CDU. Rat mal, wer übrig geblieben ist. zwinkern

Natürlich gibt es bei der FDP Wechselwähler und auch taktische Wähler, was ein bißchen was anderes ist. Aber es gibt eine Stamm von stramm konservativen "bürgerlichen" Wählern, die sehr zur FDP neigen. Wir nannten das damals alle Bevölkerungsgruppen von A bis Z, von Apotheker bis Zahnarzt. Freiberufler, kleine Gewerbetreibende, Geschäftleute. Besser- aber mehrheitlich nicht Großverdiener. Bourgeoisie. Es gibt kein passendes deutsches Wort dafür. Und das sind mehr als 5%.
_________________
"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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Baudelaire
registrierter User



Anmeldungsdatum: 20.02.2009
Beiträge: 74
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1391263) Verfasst am: 13.11.2009, 19:00    Titel: Re: Ist die FDP eine Protestpartei? Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:


Natürlich gibt es bei der FDP Wechselwähler und auch taktische Wähler, was ein bißchen was anderes ist. Aber es gibt eine Stamm von stramm konservativen "bürgerlichen" Wählern, die sehr zur FDP neigen. Wir nannten das damals alle Bevölkerungsgruppen von A bis Z, von Apotheker bis Zahnarzt. Freiberufler, kleine Gewerbetreibende, Geschäftleute. Besser- aber mehrheitlich nicht Großverdiener. Bourgeoisie. Es gibt kein passendes deutsches Wort dafür. Und das sind mehr als 5%.


Der Unterschied Protestwähler/Taktische Wähler ist sicher von Bedeutung. Er betrifft nach meiner Ansicht vor allem konservative CDU-Wähler, die mit der FDP-Stimme gegen die große Koalition gewählt haben. Diese Wähler zusammen gerechnet mit dem Kern der Stammwähler, über dessen Größe man trefflich streiten kann, würde nach meiner Einschätzung zu ungefähr 10% der Stimmen führen. Der Rest muß also woanders herkommen, nämlich z.B. von den Grünen, der SPD, den Linken, den Rechten, oder anderen. Meine Frage ist, ob diese gut 5% der Wähler eigentlich wissen, was sie da gewählt haben.

Die FDP hat für mich heute eine seltsam irreale Präsenz. Die Mehrzahl ihrer aktuellen Minister stammen politisch noch aus Kohl-Zeiten (Leutheuser-Schnarrenberger, Solms und Brüderle), man denkt an Wiedergänger oder politische Zombies, oder sie sind, wie Herr Niebel in einem Ministerium, dessen Abschaffung er zuvor forderte, komplett fehlbesetzt, Westerwelle als Außenminister hat zu wenig Substanz für vier Jahre. Man fragt sich, was wir mit dieser Übergangspolitik sollen.
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Baldur
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Anmeldungsdatum: 05.10.2005
Beiträge: 8326

Beitrag(#1595540) Verfasst am: 04.01.2011, 16:38    Titel: Antworten mit Zitat

Krise der FDP
Partei ohne Kompass

Zitat:
Nicht der Liberalismus steckt in der Krise - nur die FDP. Unter Westerwelle hat sie das liberale Lager unter ihren Wählern so verschreckt, dass es zu den Grünen abgewandert ist. Jetzt könnte die Partei das erste Opfer einer neuen Bewegung auf der politischen Rechten werden.

Auch wenn Westerwelle nur noch ein Vorsitzender auf Zeit ist, werden die Probleme der FDP mit seinem Abgang nicht gelöst sein. Sie wird an seinem Erbe noch lange zu tragen haben. [...] Wenn die FDP eines seit Westerwelles Amtsantritt als Parteichef sicherlich nicht mehr ist, dann eine liberale Partei - zumindest, wenn man den Begriff so versteht, wie er in der politischen Philosophie der Gegenwart üblicherweise gebraucht wird.

Dieses liberale Denken, das konkreter unter dem Begriff "egalitärer Liberalismus" firmiert, hat seinen Ausdruck im Denken und Schreiben zum Beispiel von John Rawls und Ronald Dworkin gefunden, die beide zu den einflussreichsten Philosophen des 20. Jahrhunderts gezählt werden müssen. Der zentrale Begriff der Freiheit wird hier nicht mehr nur als formale Chancengleichheit begriffen, sondern als Forderung, diese Freiheit auch substanziell wirklich werden zu lassen. Die gegenwärtige Hauptströmung des Liberalismus ist egalitaristisch, sie versucht, willkürliche und nicht begründbare Ungleichheiten zu beseitigen, ohne in die Entfaltungsmöglichkeiten der Individuen einzugreifen.

Sucht man daher nach dem ideologischen Gegenpart der FDP im Parteiensystem der USA, so wird man feststellen, dass es mehr Gemeinsamkeiten zwischen der FDP und dem "new conservatism" der Republikaner und derem radikalen Ausläufer, der "Tea Party"-Bewegung, gibt als zwischen der FDP und den Demokraten, die in den USA als die liberale Partei gelten.


[...]

Dass es ihr [der FDP] dennoch gelungen ist, eine bestimmte Geisteshaltung bei ihren Anhängern zu pflegen, zeigte sich aber auch daran, dass die Thesen Sarrazins und die sich darin ausdrückenden Ressentiments offensichtlich bei Anhängern der FDP die größte Zustimmung erfahren haben, wie mehrere Umfragen belegten.

Fairerweise muss man hinzufügen, dass es sich hierbei allerdings nur um diejenigen handelt, die sich in Umfragen noch als FDP-Anhänger zu erkennen geben. In diesem Umfragen offenbart sich eine weitere für die FDP äußerst unerfreuliche Wahrheit: Sie nämlich und nicht die CDU ist die Partei, die von der Neugründung einer konservativen Alternative rechts von der Mitte am meisten zu befürchten hätte. Auch wenn die Union absolut mehr Wähler an eine neue Partei verlieren würde, für die FDP wäre die Abwanderung eines Teils ihrer Wähler zu einer neuen konservativen Partei vermutlich der endgültige Todesstoß.

Die Krise der FDP ist eine Krise ihres Vorsitzenden, sie ist keine Krise des Liberalismus. Vielmehr ist sie dadurch entstanden, dass sich die FDP unter Westerwelles Führung dem Kern des Liberalismus entfremdet und ihr Programm auf die monotone Forderung nach Steuererleichterungen reduziert hat. Diejenigen, die die liberale Ideologie in der Geschichte der FDP am überzeugendsten vertreten haben, sind ja auch genau diejenigen, die der von Westerwelle geprägten FDP konsequenterweise den Rücken gekehrt haben, um nur Ralf Dahrendorf und Hildegard Hamm-Brücher zu nennen.

Die gegenwärtige konzeptionelle Orientierungslosigkeit der FDP lässt sich damit erklären, dass sie sich selbst noch nicht hinreichend darüber aufgeklärt hat, ob sie nun denn eine liberale oder eine libertäre Partei sein will.


Ich dachte immer, bei der FDP ginge es inzwischen nur noch darum, dass jeder Arsch einen Parlamentssessel oder einen anderen Posten findet. Inzwischen scheint es immer mehr zur "Reise nach Jerusalem" zu verkommen, da die Sessel für die FDP künftig immer schneller unter den Hintern weggezogen werden.

Aber im Ernst: Eine Liberale Partei ist ja nicht verkehrt. Nur hat die FDP damit eben rein garnix mehr damit zu tun. Wer ein Liberaler ist, der wählt doch schon längst die Grünen.
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