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Bürgerliche Bürger
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1611408) Verfasst am: 18.02.2011, 03:57    Titel: Bürgerliche Bürger Antworten mit Zitat

Wie unterscheidet einen "Bürger" von einem "Nicht-Bürger"?

Ist jeder "Bürger" "bürgerlich" oder gibt es sowohl "Nicht-Bürger", die "bürgerlich" sind, als auch "Bürger", die "nicht-bürgerlich" sind?

Welche Eigenschaften hat / muss jemand haben, um als "Bürger" zu gelten? Und welche ein solcher, der als ein "nicht-Bürger" angesehen wird?

Und wenn "Bürger" nicht automatisch "bürgerlich" sind, welche Eigenschaften trennen jemanden, der "bürgerlich" ist, von jemandem, der "nicht-bürgerlich" ist?

Hat "bürgerlich" ein- und dieselbe Bedeutung wie "spießig"? Deckungsgleich? Ein Synonym? Oder ist die Bedeutung unterschiedlich? Wenn ja: inwiefern?

"Bürgerlich" kann ein Schimpfwort sein, eine Beleidigung, eine Herabsetzung, wird zumindest manchmal so verwendet, wohingegen "Bürger" das nicht ist, nicht so verwendet wird. Oder?

Was aber genau sind nun die Kriterien, um einen "Bürger" von einem "Nicht-Bürger" zu unterscheiden und was die Kriterien, um "bürgerlich" von "nicht-bürgerlich" zu trennen?

Und du? Bezeichnest du dich als bürgerlich oder als nicht bürgerlich? Wenn Letzteres: bist du stolz darauf, nicht bürgerlich zu sein, fühlst du dich überlegen gegenüber jemandem, den du für bürgerlich hältst, (was genau sind nochmal die Kriterien dafür, die Definition, wie kann man abgrenzen zwischen "bürgerlich" und "nicht-bürgerlich")? Wenn ja: inwiefern und wieso?

Oder hältst du schlicht die (mE) irgendwie unbefriedigende Gleichung: "bürgerlich = spießig" für richtig? Und hältst dich demnach nicht für einen Spießer, sondern für was anderes, besseres? Aber für was eigentlich, falls so?
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Waschmaschine777
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Anmeldungsdatum: 07.07.2008
Beiträge: 4007

Beitrag(#1611413) Verfasst am: 18.02.2011, 07:17    Titel: Re: Bürgerliche Bürger Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Was aber genau sind nun die Kriterien, um einen "Bürger" von einem "Nicht-Bürger" zu unterscheiden und was die Kriterien, um "bürgerlich" von "nicht-bürgerlich" zu trennen?



Ich überlasse diese Einschätzung der Polizei. Ein Bürger ist jemand, der sich überall bewegen kann ohne von der Polizei kontrolliert und durchsucht zu werden. Einem Nicht-Bürger sind Polizistenhände in den Hosentaschen ein vertrautes Erlebnis.
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Martha-Helene
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Anmeldungsdatum: 24.02.2010
Beiträge: 1155

Beitrag(#1611418) Verfasst am: 18.02.2011, 09:10    Titel: Antworten mit Zitat

Bürgerlich sein
hat etwas von Beständigkeit, Ehrbarkeit, Pflichterfüllung, ist berechenbar, ein Fels in der Brandung und …langweilig.

Bürgerliche haben Prinzipien und Charakter, sind Boxsäcke und Rettungsanker.

Bürgerlich sein ist für manche
eine ständig vom Absturz bedrohte Gratwanderung.

Irre, wenn man sich selbst nicht als bürgerlich ansieht, Abstürzende aber gelegentlich darauf hinweisen muss, bürgerliche Pflichten nicht zu vernachlässigen. (z.B. völlig verdreckte Wohnungen)

Bürgerlich sein ist öde und anstrengend, man bricht da gern aus.
Trotzdem ist es gut, dass es Bürgerliche gibt.
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Defätist
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Anmeldungsdatum: 09.06.2010
Beiträge: 8557

Beitrag(#1611424) Verfasst am: 18.02.2011, 09:57    Titel: Re: Bürgerliche Bürger Antworten mit Zitat

Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Was aber genau sind nun die Kriterien, um einen "Bürger" von einem "Nicht-Bürger" zu unterscheiden und was die Kriterien, um "bürgerlich" von "nicht-bürgerlich" zu trennen?



Ich überlasse diese Einschätzung der Polizei. Ein Bürger ist jemand, der sich überall bewegen kann ohne von der Polizei kontrolliert und durchsucht zu werden. Einem Nicht-Bürger sind Polizistenhände in den Hosentaschen ein vertrautes Erlebnis.


Nach deiner Interpretation gibt es keine Bürger, da jeder Bürger überall von der Polizei kontrolliert und (unter bestimmten Voraussetzungen, z.B. zur Eigensicherung) durchsucht werden kann ...

(Staats-)Bürger ist (lt. Grundgesetz) einfach "jedermann", egal ob bürgerlich, also dem Bürgertum/der Mittelschicht entspringend oder proletarisch oder aristokratisch oder oder oder ... was die zweite Frage beantworten sollte.
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Waschmaschine777
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Anmeldungsdatum: 07.07.2008
Beiträge: 4007

Beitrag(#1611426) Verfasst am: 18.02.2011, 10:03    Titel: Re: Bürgerliche Bürger Antworten mit Zitat

Defätist hat folgendes geschrieben:
Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Was aber genau sind nun die Kriterien, um einen "Bürger" von einem "Nicht-Bürger" zu unterscheiden und was die Kriterien, um "bürgerlich" von "nicht-bürgerlich" zu trennen?



Ich überlasse diese Einschätzung der Polizei. Ein Bürger ist jemand, der sich überall bewegen kann ohne von der Polizei kontrolliert und durchsucht zu werden. Einem Nicht-Bürger sind Polizistenhände in den Hosentaschen ein vertrautes Erlebnis.


Nach deiner Interpretation gibt es keine Bürger, da jeder Bürger überall von der Polizei kontrolliert und (unter bestimmten Voraussetzungen, z.B. zur Eigensicherung) durchsucht werden kann ...


Ich habe auch nicht geschrieben, dass die Polizei Bürger nicht kontrollieren kann, sondern dass sie es nicht tut.
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Telliamed
registrierter User



Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1611431) Verfasst am: 18.02.2011, 10:24    Titel: Antworten mit Zitat

Ich bin aufgewachsen in einer von Feindbildern geprägten Atmosphäre. "Bürgerliche Ideologie" war feindliche Ideologie und daher zu bekämpfen. 1940 dichtete Bert Brecht das "Lied vom Klassenfeind". Wenn einer "bürgerlicher Herkunft" war, hatte er in der DDR schlechte Karten im Berufsleben. "Proletarische Eigenschaften" wurden hochgeschätzt. Doch verstand man darunter nicht die Solidarität, die Disziplin und Sorgfalt von Arbeitern im Umgang mit dem Werkzeug (wozu denn, wenn man sowieso nichts davon hat?), sondern eine forsche Hemdsärmeligkeit, ungehobelte Umgangsformen und Flegelei gegenüber allem, was nach "Intelligenz" roch.

Allerdings waren seit dem Krieg einige Jahre vergangen, und das "Bürgertum" in unserer Umgebung hatte keine konkrete Gestalt mehr. Etliche Angehörige dieser Schicht waren inzwischen in den Westen gegangen. 1972 erfolgte die Verstaatlichung der bisher halbstaatlichen Betriebe und der Betriebe mit staatlicher Beteiligung, der "sozialistische Sektor" machte nunmehr 95 Prozent in der Wirtschaft aus.

Vertreter des "Bürgertums", wie ich es aus Filmen kannte, versammelten sich am ehesten auf den Zusammenkünften der privaten Zahnärzte in meiner Heimatstadt, im Hotel "Erfurter Hof". Zarte Bande veranlassten mich in jenen Jahren, dorthin zu gehen. Da wurde ein Lichtbildervortrag über Gegenden gezeigt, in die man nie hinkommen würde. Alles ältere Herrschaften, manche Männer mit Fliege, die Frauen noch mit Pelzkragen. Es wurde getanzt, doch da war die Tanzfläche wegen der "modernen Musik" nahezu leer, nur meine damalige Flamme und ich waren zu sehen, der nach einer Flasche Krimsekt zum Tanzen zu bewegen war.

Beide Eltern stammten bei mir aus der Arbeiterklasse. Doch da mein Großvater väterlicherseits, ein Waldarbeiter, in der Altstadt von Dresden eine kleine Kneipe hatte, die in der Nacht des 13. Februar 1945 unterging. bekam mein Vater den hinderlichen Stempel "kleinbürgerliche Herkunft" aufgedrückt.

So und jetzt, vier Jahrzehnte nach den Bällen der privaten Zahnärzte? Ich fühle mich nicht als "bürgerlich", nicht als zugehörig zu den am Arbeitsort alteinsässigen Eliten. Bei Vorträgen hat der Referent auf die Befindlichkeit der örtlichen Honorationen einzugehen, die es auf Reisen nach Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Hessen oder hier in Niedersachen zu erfassen gilt. Das "Bildungsbürgertum" hat jeweils in den verschiedenen Gegenden spezifische Züge (Bayern kenne ich in der Hinsicht noch nicht. zwinkern )

Ich fühle mich aber erst recht nicht mehr zugehörig zu den Kreisen in den östlichen Bundesländern und in Ostberlin, die vom Leben im "Westen" gar nichts mitbekommen haben und wollen, die auf die 1989 errungene Reisefreiheit verzichtet haben und den Verhältnissen mit niedrigen Mieten, kostenloser medizinischer Versorgung und Brötchen zu 5 Pfennig nachtrauern.
Fremd hie wie dort, ein Wanderer zwischen den Welten.
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Xamanoth
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Anmeldungsdatum: 07.04.2006
Beiträge: 7962

Beitrag(#1611433) Verfasst am: 18.02.2011, 10:27    Titel: Antworten mit Zitat

Bürger ist jeder, der berechtigt ist, politische Rechte wahrzunehmen, insbesondere das aktive und passive Wahlrecht besitzt. (siehe bspw. § 21 GemO NRW - § 21 "Bürger ist, wer zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt ist." und § 18 GemO BW " Die Bürger sind im Rahmen der Gesetze zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt und haben das Stimmrecht in sonstigen Gemeindeangelegenheiten."

Die historische Abgrenzung zwischen Bürger und Proletarier ist überholt und stammt aus einer Zeit, wo es keine politische Partizipation bzw. Repräsentation der Arbeiterschaft gab - wobei die Frage ob es besagte Arbeiterschaft als Klasse und die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Klassendenken noch nicht beantwortet ist.
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step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1611436) Verfasst am: 18.02.2011, 10:43    Titel: Antworten mit Zitat

Ich meine, daß die Gesellschaft vom Engagement des Bürgers lebt und darauf angewiesen ist. Der Begriff "Bürger" hat für mich daher erstmal eine positive Bedeutung, er bedeutet, daß man die Rechte und Pflichten des Zusammenlebens kennt und im wesentlichen akzeptiert, daß man sich engagiert, und auch daß man von den Anderen als ein ihnen Gleichgestellter respektiert wird. Es schwingt in "Bürger" nmV auch etwas von "Weltbürger", Aufklärung, Säkularität und Individualität mit.

Wenn ich nun ausdrücken möchte, daß jemand zu sehr an Konventionen klebt, verschlossen gegenüber Neuerungen ist, doppelmoralische Predigten hält, Fremde und Andersartige ausgrenzt usw., dann nenne ich das "spießig", "bigott" oder dergleichen.

"Bürger" (vs. "Proletariat") als Klassenbegriff lehne ich vollkommen ab, das ist nicht mehr zeitgemäß und zudem eine falsche Dichotomie.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#1611437) Verfasst am: 18.02.2011, 10:54    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Der Begriff "Bürger" hat für mich daher erstmal eine positive Bedeutung, er bedeutet, daß man die Rechte und Pflichten des Zusammenlebens kennt und im wesentlichen akzeptiert, daß man sich engagiert, und auch daß man von den Anderen als ein ihnen Gleichgestellter respektiert wird.

In einer Welt, in der die Möglichkeit dieser Art der Anerkennung keine Selbstverständlichkeit für jedermann ist, ist es allerdings eher fraglich, ob das wirklich eine "positive Bedeutung" ist (bzw. allenfalls in dem Sinne, in dem der Begriff "Adel" lange Zeit eine positive Bedeutung hatte). Eine Dichotomie, die heute zunehmend an Relevanz gewinnt, ist die zwischen Personen mit Bürgerrechten einerseits und faktisch rechtlosen "Unpersonen" (Flüchtlingen ohne Pass, illegalen Einwanderern, etc.) andererseits. Was übrigens nicht heißt, dass es den ökonomischen Klassengegensatz zwischen Kapital und Arbeit einfach nicht mehr gäbe. Er ist nur (wenigstens hier im Westen) nicht mehr einfach übersetzbar in einen Gegensatz zwischen gesellschaftlichen Gruppen (falls er das jemals war).
_________________
"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Defätist
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Anmeldungsdatum: 09.06.2010
Beiträge: 8557

Beitrag(#1611441) Verfasst am: 18.02.2011, 11:08    Titel: Re: Bürgerliche Bürger Antworten mit Zitat

Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben:
Defätist hat folgendes geschrieben:
Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Was aber genau sind nun die Kriterien, um einen "Bürger" von einem "Nicht-Bürger" zu unterscheiden und was die Kriterien, um "bürgerlich" von "nicht-bürgerlich" zu trennen?



Ich überlasse diese Einschätzung der Polizei. Ein Bürger ist jemand, der sich überall bewegen kann ohne von der Polizei kontrolliert und durchsucht zu werden. Einem Nicht-Bürger sind Polizistenhände in den Hosentaschen ein vertrautes Erlebnis.


Nach deiner Interpretation gibt es keine Bürger, da jeder Bürger überall von der Polizei kontrolliert und (unter bestimmten Voraussetzungen, z.B. zur Eigensicherung) durchsucht werden kann ...


Ich habe auch nicht geschrieben, dass die Polizei Bürger nicht kontrollieren kann, sondern dass sie es nicht tut.


"Allgemeine Verkehrskontrolle, Ihren Führer- und Fahrzeugschein, bitte."
"Öffnen Sie bitte mal den Kofferraum."
"Lassen Sie mich mal bitte eben ins Handschuhfach/Handgepäck schauen."

Sie tut es doch und es kann jeden Bürger jederzeit an fast jedem Ort treffen. Abweichendes Verhalten (zu schnelles oder zu langsames Fahren, Aufhalten an ungewöhnlichen Orten oder in großen Menschenansammlungen, wie Stadien, etc.) oder Zufälle (Zeuge bei Rechtsverstößen, Fehler in Ermittlungsverfahren, bei Polizeieinsätzen) reichen vollkommen aus, auch wenn zweiteres nicht die Regel ist.
zwinkern
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Waschmaschine777
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Anmeldungsdatum: 07.07.2008
Beiträge: 4007

Beitrag(#1611451) Verfasst am: 18.02.2011, 11:46    Titel: Re: Bürgerliche Bürger Antworten mit Zitat

Defätist hat folgendes geschrieben:
Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben:
Defätist hat folgendes geschrieben:
Waschmaschine777 hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Was aber genau sind nun die Kriterien, um einen "Bürger" von einem "Nicht-Bürger" zu unterscheiden und was die Kriterien, um "bürgerlich" von "nicht-bürgerlich" zu trennen?



Ich überlasse diese Einschätzung der Polizei. Ein Bürger ist jemand, der sich überall bewegen kann ohne von der Polizei kontrolliert und durchsucht zu werden. Einem Nicht-Bürger sind Polizistenhände in den Hosentaschen ein vertrautes Erlebnis.


Nach deiner Interpretation gibt es keine Bürger, da jeder Bürger überall von der Polizei kontrolliert und (unter bestimmten Voraussetzungen, z.B. zur Eigensicherung) durchsucht werden kann ...


Ich habe auch nicht geschrieben, dass die Polizei Bürger nicht kontrollieren kann, sondern dass sie es nicht tut.


"Allgemeine Verkehrskontrolle, Ihren Führer- und Fahrzeugschein, bitte."
"Öffnen Sie bitte mal den Kofferraum."
"Lassen Sie mich mal bitte eben ins Handschuhfach/Handgepäck schauen."

Sie tut es doch und es kann jeden Bürger jederzeit an fast jedem Ort treffen. Abweichendes Verhalten (zu schnelles oder zu langsames Fahren, Aufhalten an ungewöhnlichen Orten oder in großen Menschenansammlungen, wie Stadien, etc.) oder Zufälle (Zeuge bei Rechtsverstößen, Fehler in Ermittlungsverfahren, bei Polizeieinsätzen) reichen vollkommen aus, auch wenn zweiteres nicht die Regel ist.
zwinkern


Mit "bewegen", meinte ich "zu Fuß" bewegen. Eine Kontrolle im Auto ist wenig aussagekräftig, weil die Polizisten jemand zuerst anhalten, und erst dann das Erscheinungsbild des Fahrers sehen.
Und Du glaubst wirklich, dass Menschen, die sich an ungewöhnlichen Orten aufhalten alle gleichermaßen kontrolliert und durchsucht werden?
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blakki
Brumm, brumm, ...



Anmeldungsdatum: 21.01.2009
Beiträge: 556
Wohnort: Im wilden Süden

Beitrag(#1611453) Verfasst am: 18.02.2011, 11:47    Titel: Re: Bürgerliche Bürger Antworten mit Zitat

Bis heute wollte bei mir noch nie ein Polizist in das Handschuhfach oder den Kofferraum schauen.

Weder in den 70 ern im Raum Ludwigsburg, wo damals die RAF-Prozesse stattfanden, noch heute im Nachbarort, wo die Polizei mit massivem Personalaufgebot und Personenkontrollen verhindert hat, dass dort ein Tummelplatz für Neonazis entsteht.

Ob der Begriff "Bürger" auf mich zutrifft, weiss ich nicht, es interessiert mich eigentlich auch gar nicht.

Ich kann in diesen Land gut und sicher leben, egal ob ich in Jeans oder Anzug und Kravatte unterwegs bin.

Selbst auf dem Motorrad mit der Kutte und den Farben fühle ich mich als "Bürger".
_________________
Hubraum statt Spoiler.
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Norm
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Anmeldungsdatum: 12.02.2007
Beiträge: 8149

Beitrag(#1611457) Verfasst am: 18.02.2011, 11:57    Titel: Antworten mit Zitat

Zu differenzieren sind Staatsbürgertum, Geld- und Bildungsbürgertum, ursprünglich bei Rousseau citoyen und bourgois. Während Staatsbürgertum in der aktuellen hiesigen Gesellschaft nur eine Minderheit (Migranten ohne Bürgerrechte) ausschließt, sind Geld- und Bildungsbürgertum soziale Schichten, die sich überschneiden und einzeln oder zusammengefasst als Bürgertum bezeichnet werden können. Bürgerlich wird von Geld- und Bildungsbürgertum abgeleitet, der Begriff Bürger wird für gewöhnlich in Bezug auf Staatsbürger verwendet.
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Defätist
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Anmeldungsdatum: 09.06.2010
Beiträge: 8557

Beitrag(#1611459) Verfasst am: 18.02.2011, 12:07    Titel: Re: Bürgerliche Bürger Antworten mit Zitat

@ Waschmaschine & auch blakki:

Ist doch vollkommen unerheblich, ob es jedermann trifft oder nicht und unter welchen Bedingungen und welchem Beförderungsmittel oder Anlass. Als Bürger eines Staates unterliegt man nunmal der Staatsräson. Das ist, was alle (Staats-)Bürger vereint und zwar unabhängig von ihrer Angepasstheit oder Herkunft oder ihrem Auftreten und Aussehen.

wikipedia hat folgendes geschrieben:
Die Idee der Staatsräson ist nicht direkt entgegengesetzt zur Philosophie des deutschen Grundgesetzes, welches Menschen und nur ihnen einen primären und unantastbaren Rechtsstatus zugesteht und nur dort Notwendigkeit zur Regulierung sieht, wo es Interessenkonflikte zwischen Menschen gibt. Dem Staat selbst wird sehr wohl ein Rechtsstatus zugestanden, der einem Menschen ebenbürtig oder sogar überlegen sei. Die Idee der Staatsräson aber sieht den Staat als mindestens ebenbürtig zu, wenn nicht höherwertig gegenüber einem Menschen an, so dass es nach dieser Philosophie im Falle von Konflikten zu Entscheidungen kommen kann, die den abstrakten Staat bevorteilen, konkrete Menschen aber benachteiligen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Staatsr%C3%A4son
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Telliamed
registrierter User



Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1611461) Verfasst am: 18.02.2011, 12:14    Titel: Antworten mit Zitat

Nach Erzählungen aus dem eigenen Leben vielleicht noch etwas zur Herkunft der Unterscheidung von "citoyen" und "Bourgeois":

Seit der Französischen Revolution von 1789 ist der citoyen der Bürger, der sich für die Res publica, für das Gemeinwesen besonders einsetzt. Der positiv besetzte Begriff "Zivilgesellschaft" im Sinne von Bürgergesellschaft gilt auch heute noch in dem Sinne für Bürger, die sich engagieren.

http://de.wikipedia.org/wiki/Citoyen

"Bourgeois" hingegen wurde immer mehr pejorativ gebraucht, und zwar zunächst wohl von Adligen/Aristokraten, die damit die "Geldscheffler" und Emporkömmlinge brandmarkten.

In der Arbeiterbewegung waren die bourgeois (russisch: burzhua) die verhassten "Reichen". Typisch in der Literatur: die frühkapitalistischen Ausbeutergestalten in Werken über die schlesischen Weber von Heinrich Heine, Georg Weerth, Gerhart Hauptmann und Käthe Kollwitz.

Ursprünglich gab der "Besitzbürger" die Grundlage für die Besteuerung (census) in einer städtischen Gesellschaft ab. Aus ihren Reihen setzten sich die städtischen Vertretungskörperschaften, die Räte und Magistrate, zusammen, die Stadtarmut war davon weitgehend ausgeschlossen, die Handwerker kämpften vielerorts um Mitbestimmung.

In den Reihen des Handelsbürgertums einiger Städte gibt es noch bis in die Gegenwart reichende Traditionen, in deren Rahmen sich die angeblich vorrangig "durch Fleiß" zu "Wohlstand" gelangten Angehörigen bekannter Geschlechter und Familienverbände präsentieren, in Hansestädten und Hafenstädten, wie Hamburg und Lübeck. Dieses Bürgertum gibt sich weltoffen gegenüber muffigem Provinzialismus.

Dieses vornehme Bürgertum mit seinem eigenen Habitus dürfte im Zeitalter der Elektronik im Rückgang begriffen sein, der soziale Status wird nicht mehr auf den ersten Blick sichtbar. Es bilden sich andere Netzwerke heraus.
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Telliamed
registrierter User



Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1611470) Verfasst am: 18.02.2011, 12:38    Titel: Antworten mit Zitat

@Norm - sehe erst jetzt, dass Du Dich zum gleichen Thema geäußert hast, wollte aber nicht den "Guttenberg machen" zwinkern

wie schnell das geht, dass man etwas Gleichgeartetes übersieht
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Norm
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Anmeldungsdatum: 12.02.2007
Beiträge: 8149

Beitrag(#1611472) Verfasst am: 18.02.2011, 12:41    Titel: Antworten mit Zitat

Telliamed hat folgendes geschrieben:
@Norm - sehe erst jetzt, dass Du Dich zum gleichen Thema geäußert hast, wollte aber nicht den "Guttenberg machen" zwinkern

wie schnell das geht, dass man etwas Gleichgeartetes übersieht

Hab es nicht für abschreiben gehalten, sondern für eine interessante Ergänzung. Ich kannte die Begriffe nur durch Bezugnahme darauf in moderner Literatur über Bürgerlichkeit, den Zusammenhang zwischen citoyen und Zivilgesellschaft kannte ich z.B. noch nicht. zwinkern
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1611508) Verfasst am: 18.02.2011, 14:41    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Der Begriff "Bürger" hat für mich daher erstmal eine positive Bedeutung, er bedeutet, daß man die Rechte und Pflichten des Zusammenlebens kennt und im wesentlichen akzeptiert, daß man sich engagiert, und auch daß man von den Anderen als ein ihnen Gleichgestellter respektiert wird.
In einer Welt, in der die Möglichkeit dieser Art der Anerkennung keine Selbstverständlichkeit für jedermann ist, ist es allerdings eher fraglich, ob das wirklich eine "positive Bedeutung" ist ...

Es ist halt ein teilweise unerreichtes Ideal. In D beispielsweise fehlt es zur vollständigen Umsetzung an Bildung, an Interesse, an sozialen Einrichtungen, Mindestlohn undsoweiter.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
... Eine Dichotomie, die heute zunehmend an Relevanz gewinnt, ist die zwischen Personen mit Bürgerrechten einerseits und faktisch rechtlosen "Unpersonen" (Flüchtlingen ohne Pass, illegalen Einwanderern, etc.) andererseits.

Das Problem ensteht ja hauptsächlich dadurch, daß Flüchtlinge eben nicht aus einer offenen Gesellschaft, einer Bürgergesellschaft kommen. Daß an unserer Flüchtlingspraxis Verbesserungsbedarf besteht, steht außer Frage.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Was übrigens nicht heißt, dass es den ökonomischen Klassengegensatz zwischen Kapital und Arbeit einfach nicht mehr gäbe. Er ist nur (wenigstens hier im Westen) nicht mehr einfach übersetzbar in einen Gegensatz zwischen gesellschaftlichen Gruppen (falls er das jemals war).

Ja, und ich würde den Gegensatz sogar auch nicht mehr primär zwischen Kapital und Arbeit sehen. Heute in D würde ich den Gegensatz in der Frage sehen, ob jemand die Chance hat, an gesellschaftlichem Leben hinreichend teilzunehmen, oder nicht. Wenn z.B. die Hartz-IV Sätze nicht ausreichen, um sein Kind auf alle angebotenen Klassenfahrten mitzuschicken oder es beim Arzt vernünftig behandeln zu lassen, dann ist das mE eine offene Wunde der Bürgergesellschaft.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Schlumpf
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Anmeldungsdatum: 17.11.2007
Beiträge: 2572

Beitrag(#1611512) Verfasst am: 18.02.2011, 14:51    Titel: Antworten mit Zitat

Sogenannte Autonome z. B. sind keine Bürger. Sie wollen keine sein. Sie sind Schädlinge des Bürgertums.
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Valen MacLeod
Antitheist



Anmeldungsdatum: 11.12.2004
Beiträge: 6172
Wohnort: Jenseits von Eden

Beitrag(#1611541) Verfasst am: 18.02.2011, 17:29    Titel: Re: Bürgerliche Bürger Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wie unterscheidet einen "Bürger" von einem "Nicht-Bürger"?


Bürger haben Recte. Nichtbürger haben keine Rechte.

Ist schon seit dem Mittelalter so... oder seit der Antike? Je nachdem, wie man will. Bürger haben natürlich das Bestreben, diese Rechte (Vorrechte) nicht zu verlieren. Sie kosten. Nicht jeder bekommt sie, darum haben sie Wert. Und sie bringen wirtschaftliche Vorteile, darum haben sie Wert.

Bürgerlichkeit ist also vor allen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Keine moralische oder ethische.
_________________
V.i.S.d.P.:Laird Valen MacLeod (Pseudonym!)
"... Wenn das hier das Haus Gottes ist, Junge, warum blühen hier dann keine Blumen, warum strömt dann hier kein Wasser und warum scheint dann hier die Sonne nicht, Bürschchen?!" <i>Herman van Veen</i>
Das Schlimme an meinen Katastrophenszenarien ist... dass ich damit über kurz oder lang noch immer Recht behielt.
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Valen MacLeod
Antitheist



Anmeldungsdatum: 11.12.2004
Beiträge: 6172
Wohnort: Jenseits von Eden

Beitrag(#1611543) Verfasst am: 18.02.2011, 17:35    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
"Bürger" (vs. "Proletariat") als Klassenbegriff lehne ich vollkommen ab, das ist nicht mehr zeitgemäß und zudem eine falsche Dichotomie.

Es ist richtig, die alten Vorstellungen und Begrifflichkeiten stimmen mit den Klassenbergiffen nicht mehr überein. Heute ist die Trennlinie nicht mehr zwischen den Habenden und den Arbeitenden, sondern zwischen den habenden und den Nichthabenden. Ansosten sind die Systematiken der Abgrenzung und des Ausschlusses aber noch voll intakt.
_________________
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zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1611580) Verfasst am: 18.02.2011, 19:03    Titel: Antworten mit Zitat

Ich bezeichne mich auf jeden Fall als Bürger, in Abgrenzung zu den Leuten, die auf das vermeintliche Mittelmaß, die diese Zuordnung bedeutet, herabschauen.
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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1611618) Verfasst am: 18.02.2011, 20:56    Titel: Re: Bürgerliche Bürger Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wie unterscheidet einen "Bürger" von einem "Nicht-Bürger"?

Ist jeder "Bürger" "bürgerlich" oder gibt es sowohl "Nicht-Bürger", die "bürgerlich" sind, als auch "Bürger", die "nicht-bürgerlich" sind?

Welche Eigenschaften hat / muss jemand haben, um als "Bürger" zu gelten? Und welche ein solcher, der als ein "nicht-Bürger" angesehen wird?

Und wenn "Bürger" nicht automatisch "bürgerlich" sind, welche Eigenschaften trennen jemanden, der "bürgerlich" ist, von jemandem, der "nicht-bürgerlich" ist?

Hat "bürgerlich" ein- und dieselbe Bedeutung wie "spießig"? Deckungsgleich? Ein Synonym? Oder ist die Bedeutung unterschiedlich? Wenn ja: inwiefern?

"Bürgerlich" kann ein Schimpfwort sein, eine Beleidigung, eine Herabsetzung, wird zumindest manchmal so verwendet, wohingegen "Bürger" das nicht ist, nicht so verwendet wird. Oder?

Was aber genau sind nun die Kriterien, um einen "Bürger" von einem "Nicht-Bürger" zu unterscheiden und was die Kriterien, um "bürgerlich" von "nicht-bürgerlich" zu trennen?

Und du? Bezeichnest du dich als bürgerlich oder als nicht bürgerlich? Wenn Letzteres: bist du stolz darauf, nicht bürgerlich zu sein, fühlst du dich überlegen gegenüber jemandem, den du für bürgerlich hältst, (was genau sind nochmal die Kriterien dafür, die Definition, wie kann man abgrenzen zwischen "bürgerlich" und "nicht-bürgerlich")? Wenn ja: inwiefern und wieso?

Oder hältst du schlicht die (mE) irgendwie unbefriedigende Gleichung: "bürgerlich = spießig" für richtig? Und hältst dich demnach nicht für einen Spießer, sondern für was anderes, besseres? Aber für was eigentlich, falls so?


Ein bürgerlicher Bürger ist jemand, der sich mit der bürgerlichen Eigentumsordnung und den sich daraus ableitenden bürgerlichen Institutionen identifiziert. Der bürgerliche Bürger bejaht die bürgerlichen Institutionen wie den Staat und die Familie, so als wären diese Institutionen Selbstzweck, als heilig, ewig und unantastbar.

Aufgrund seiner ökonomischen Stellung gibt es diverse Schattierungen der bürgerlichen Seele. Der Spießbürger beispielsweise, der seine Scholle gegen die Eindringlinge mit einem Spieß verteidigt und seinen Kitsch als Kultur ausgibt, hält nicht viel vom Infragestellen der Dinge. Er hält sie für gottgegeben oder sonstwie determiniert und statt spitzfindiger Kritik ist ihm die Harmonie seiner Seele wichtig. Auch der Großbürger hält nicht viel von Wissenschaft, auch wenn er so tut. Auch er verachtet das Wahre, Gute und Schöne und sieht zu, dass er seine Stellung hält, die ihm von Geburt gegeben.

Besonders in Krisenzeiten schließen sich die kleinen und die großen bürgerlichen Bürger zusammen, um diejenigen zu vernichten, die ihre heilige Ordnung unter Verdacht stellen oder dies sogar massenhaft tun. Dann rufen sie die Polizei und im Notfall noch andere Gesellen.

Aber an sich ist der bürgerliche Bürger friedlich, um nicht zu sagen - gemütlich.

Der nichtbürgerliche Bürger hat dagegen von Haus aus ein Messer zwischen den Zähnen ...-

Skeptiker
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Beitrag(#1611638) Verfasst am: 18.02.2011, 22:35    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Der bürgerliche Bürger bejaht die bürgerlichen Institutionen wie den Staat und die Familie, so als wären diese Institutionen Selbstzweck, als heilig, ewig und unantastbar.

Puh, Glück gehabt, das trifft auf mich nicht zu.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Der Spießbürger beispielsweise, der seine Scholle gegen die Eindringlinge mit einem Spieß verteidigt und seinen Kitsch als Kultur ausgibt, ...

Hmm ... das bin ich auch nicht.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Auch der Großbürger hält nicht viel von Wissenschaft, auch wenn er so tut. Auch er verachtet das Wahre, Gute und Schöne und sieht zu, dass er seine Stellung hält, die ihm von Geburt gegeben.

Und das schon gar nicht.

Wenn ich nun also kein bürgerlicher Bürger bin ... bin ich dann etwa ein nichtbürgerlicher Bürger?

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Der nichtbürgerliche Bürger hat dagegen von Haus aus ein Messer zwischen den Zähnen ...

Nee, das bin ich auch nicht.

... ratlos ...
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1611640) Verfasst am: 18.02.2011, 22:37    Titel: Antworten mit Zitat

Norm hat folgendes geschrieben:
Zu differenzieren sind Staatsbürgertum, Geld- und Bildungsbürgertum, ursprünglich bei Rousseau citoyen und bourgois. Während Staatsbürgertum in der aktuellen hiesigen Gesellschaft nur eine Minderheit (Migranten ohne Bürgerrechte) ausschließt, sind Geld- und Bildungsbürgertum soziale Schichten, die sich überschneiden und einzeln oder zusammengefasst als Bürgertum bezeichnet werden können. Bürgerlich wird von Geld- und Bildungsbürgertum abgeleitet, der Begriff Bürger wird für gewöhnlich in Bezug auf Staatsbürger verwendet.

Ich möchte mir mal diesen Beitrag herausgreifen, da steckt mE viel Richtiges drin, (allerdings fehlt mir dabei noch etwas die - in bestimmten Zusammenhängen - pejorativ gemeinte Bedeutung von "bürgerlich") .

Mich interessiert vor allem die aktuelle Wortbedeutung /-verwendung. Ich glaube - @Telliamed - dass die in DDR früher ziemlich unterschiedlich war. Ich meine, hier und heute gibt es in der Wortbedeutung keinen Gegensatz "Bürger <-> Arbeiter/Proletarier" mehr, (und erst recht nicht mehr den Gegensatz "bürgerlich <-> adelig").

Nach meinem Sprachverständnis beruht "bürgerlich" nicht (oder nicht hinreichend) auf der Bedeutung von "Bürger". Spricht man ohne Zusatz einfach von "Bürger", so sind meiner Ansicht nach tatsächlich (so wie Norm auch schrieb) alle Staatsbürger gemeint, d.h. das ist nicht ausgrenzend.

(Was anderes ist es aber natürlich, wenn man Zusätze verwendet, z.B.: "Bildungsbürger", "Kleinbürger", "Spießbürger", "Weltbürger", "Großbürger").

"Bürgerlich" hingegen bedeutet mE etwas anderes, denn das wird sehr wohl abgrenzend verwendet. Eine Bewertung dessen kann sowohl positiv als auch negativ gemeint sein, je nachdem, ob "bürgerlich" eine Selbst- oder eine Fremdbezeichnung ist.

So bezeichnen sich z.B. Parteien als "bürgerliche Parteien" (Selbstbezeichnung), die Fremdbezeichnung: "X ist bürgerlich geworden" wird aber wohl negativ gemeint sein. Man sagt ja nicht: "X ist kleinbürgerlich" geworden, sondern "bürgerlich" reicht anscheinend schon aus, um eine Abwertung, eine negative Bewertung zu transportieren, (zumindest in einem gewissen Kontext, in gewissen Kreisen, oder wie man das ausdrücken will).

Diese Diskrepanz, den Bedeutungsunterschied zwischen dem Substantiv "Bürger" und dem Adjektiv "bürgerlich" finde ich ziemlich merkwürdig.

Wie gesagt, mir scheint, dass "Bürger" meist synonym zu "Staatsbürger" verwendet wird, (und wer will nicht ein solcher sein und somit Bürgerrechte in Anspruch nehmen?), jedoch "bürgerlich" im Gegensatz dazu bestimmte Eigenschaften implizit annimmt, z.B. Bildung, Selbstdiziplinierung, Ordnungsliebe, Pflichttreue, Arbeitseifer, Bescheidenheit, gute Manieren, gutes Aussehen. (Diese Auflistung habe ich dort geklaut).

Und noch impliziter wird vielleicht auch jemand damit verbunden, der "an Konventionen klebt, verschlossen gegenüber Neuerungen ist, doppelmoralische Predigten hält, Fremde und Andersartige ausgrenzt" (Zitat step). Das würde zumindest das pejorative Element von "bürgerlich" erklären.

Edit: und, um es noch etwas komplizierter zu machen, gibt es noch den Begriff des "Bürgertums". Auch der umfasst wohl nicht schlicht die, die man gemeinhin mit "Bürger" meint.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1611667) Verfasst am: 18.02.2011, 23:29    Titel: Re: Bürgerliche Bürger Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Ein bürgerlicher Bürger ist jemand, der sich mit der bürgerlichen Eigentumsordnung und den sich daraus ableitenden bürgerlichen Institutionen identifiziert. Der bürgerliche Bürger bejaht die bürgerlichen Institutionen wie den Staat und die Familie, [...]

Ich jedenfalls tue all das.

Also bin ich demnach ein bürgerlicher Bürger in Deinem Sinne.

Weiß jetzt nur nicht so recht, ob diese von Dir dargelegte Bedeutung eine weit verbreitete und gebräuchliche ist. Glaube ich ja eigentlich nicht.

Allerdings fehlt mir jedoch da eine Spezifizierung dessen, was Du eigentlich unter "bürgerlichen Institutionen" verstehst.

Gut, Staat und Familie hast Du zwar genannt, aber wieso die nun "bürgerlich" sein sollen, verstehe ich noch nicht so recht, finde ich nicht per se einleuchtend, gemessen an meinem Sprachgebrauch / - gefühl.

Zumindest aber, das können wir doch sicher festhalten, wären Deiner Ansicht nach die Ablehnung von Staat und Familie eine unabdingbare Grundvoraussetzung eines [Nicht]"bürgerlichen Bürgers". Nicht?

Was noch? Welche Institutionen muss man noch ablehnen? Oder ist das schon hinreichend?

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Besonders in Krisenzeiten schließen sich die kleinen und die großen bürgerlichen Bürger zusammen, um diejenigen zu vernichten, die ihre heilige Ordnung unter Verdacht stellen oder dies sogar massenhaft tun. Dann rufen sie die Polizei und im Notfall noch andere Gesellen.

Willst Du damit sagen, dass Du das nicht tun würdest? Wenn jemand in Krisenzeiten Deine heilige Ordnung stürzen wollen würde?

Also ich zumindest würde das tun.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Aber an sich ist der bürgerliche Bürger friedlich, um nicht zu sagen - gemütlich.

Der nichtbürgerliche Bürger hat dagegen von Haus aus ein Messer zwischen den Zähnen ...-

Und Du bist kein bürgerlicher Bürger, richtig? Falls so: was bist Du sonst, als was siehst Du Dich, möchtest Du Dich sehen?
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Die Fiktion
unsanft



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Beitrag(#1611668) Verfasst am: 18.02.2011, 23:34    Titel: Antworten mit Zitat

Ich bin ein Bürger dieses Staates.
Ich bin Nutznießer all seiner Rechte und fröhne all seinen Freiheiten.

.....und wenn es keiner sieht, dann bin ich einfach Ich Lachen
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1611670) Verfasst am: 18.02.2011, 23:39    Titel: Antworten mit Zitat

Die Fiktion hat folgendes geschrieben:
Ich bin ein Bürger dieses Staates.
Ich bin Nutznießer all seiner Rechte und fröhne all seinen Freiheiten.

Ja, selbstverständlich, aber würdest Du Dich auch als "bürgerlich" bezeichnen? Und wenn nicht: warum nicht, was verbindest Du dann mit dem Begriff "bürgerlich"? Ist der für Dich negativ belegt, (also anders als "Bürger")?
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Die Fiktion
unsanft



Anmeldungsdatum: 15.02.2009
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Beitrag(#1611701) Verfasst am: 19.02.2011, 00:43    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Die Fiktion hat folgendes geschrieben:
Ich bin ein Bürger dieses Staates.
Ich bin Nutznießer all seiner Rechte und fröhne all seinen Freiheiten.

Ja, selbstverständlich, aber würdest Du Dich auch als "bürgerlich" bezeichnen? Und wenn nicht: warum nicht, was verbindest Du dann mit dem Begriff "bürgerlich"? Ist der für Dich negativ belegt, (also anders als "Bürger")?


Joha, ``bürgerlich´´ ist für mich ein eher negativ belegter Begriff.
Das sind für mich Menschen, mit denen ich mich nicht in eine Ecke stellen möchte.
Dazu gehört für mich auch der ``Gutmensch´´.

Nach außen ein Demokrat, aber im Grunde seines Herzens vertreten solche Menschen ein eher rechtes Gedankengut.

.....nur mein ganz persönliches Empfinden Schulterzucken
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Ahriman
Tattergreis



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Beitrag(#1611703) Verfasst am: 19.02.2011, 00:46    Titel: Antworten mit Zitat

Aufsatz. Thema: Was ist bürgerlich?

Also "bürgerlich" ist gleich "einfach".
Früher war einer, der kein "von" in seinem Namen hatte, kein Bürger, sondern einer vom Adel. Diese Leute wären beleidigt gewesen, hätte man sie als Bürger bezeichnet. Sie waren zwar auch Angehörige des Staates, aber eben was Besseres. Heute ist an die Stelle des "von" weitgehend der "Dr." getreten - und mit dem ist es oftmals nicht weit her. Vielleicht ist der Guttenberg bald kein Dr. mehr sondern nur noch von. Die Dr. werden oft mufflig, wenn man sie bürgerlich anredet, also ohne den Dr. Auch die Gattin des Dr. legt Wert auf den Dr., auch wenn den Titel nur ihr Oller hat und sie nicht mal das Abitur schaffte.
Heute haben wir den Begriff "bürgerlich" noch in der Gastronomie. Auch als "gut bürgerlich". Wenn also auf der Speisekarte steht: "Kartoffelbrei nach Art des Hauses" ist das bürgerlich. Wenn da aber steht: "Purée des pommes te terre á la maison" ist es was Feines und kostet mindestens doppelt so viel und ist für gewöhnliche Bürger zu teuer. Das hat den Sinn, daß da der Herr Direktor hingeht, weil er sicher sein kann, daß nicht zufällig am Nebentisch der Buchhalter Meier aus seiner Lohnbuchhaltung sitzt. Der kann sich eine winzige Flasche Mineralwasser für 7 Euro nicht leisten.
Wir ersehen daraus, daß der Adel vom Geldadel abgelöst wurde.
Bei uns ist jeder ein Bürger, der die deutsche Staatsangehörigkeit hat. Die anderen sind Asylanten. Und dazwischen sind die mit Aufenthaltsgenehmigung.
Bildungsbürger sind die, die ARTE gucken statt RTL.
Dann gibt es noch Halbbildungsbürger. So nennt man Leute, die viel wissen, aber nichts richtig.
Weiter weiß ich nichts.
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